Beitrag von JUVE-Redakteurin Silke Brünger in azur 01 | 2013
Beitrag von JUVE-Redakteurin Silke Brünger in azur 01 | 2013
Beitrag von JUVE-Redakteurin Silke Brünger in azur 01 | 2013
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KARRIERE Dresden und Leipzig<br />
Der unterschätzte Osten<br />
Juristen zieht es zum Arbeiten nur selten <strong>in</strong> ostdeutsche Städte.<br />
Zu Unrecht, denn die Qualität der Mandate etwa <strong>in</strong> Dresden und Leipzig<br />
stimmt: Vom Kapitalmarktrecht über die Begleitung <strong>von</strong> Transaktionen bis<br />
h<strong>in</strong> zu komplexen Prozessen eröffnen sich Berufsanfängern hier spannende<br />
Arbeitsgebiete. Und auch die Lebensqualität kann sich sehen lassen.<br />
46 <strong>azur</strong> <strong>01</strong> 13 Karrieremagaz<strong>in</strong> für junge Juristen
Dresden und Leipzig KARRIERE<br />
<strong>von</strong> <strong>Silke</strong> <strong>Brünger</strong><br />
Fotos: Andreas Anhalt<br />
Ihr stand die ganze Welt offen. Dr. Nicole Schikorra,<br />
geboren <strong>in</strong> der Nähe <strong>von</strong> Dresden, ist weit gereist.<br />
Neben privaten Trips nach Bolivien und Mexiko nahm<br />
sie als DAAD-Stipendiat<strong>in</strong> an Sprachkursen <strong>in</strong> Russland<br />
und Sibirien teil. Zudem engagierte sich die Jurist<strong>in</strong> für<br />
e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>derprojekt <strong>in</strong> Costa Rica. Ihre Wahlstation verbrachte<br />
Schikorra <strong>in</strong> den USA <strong>in</strong> Phoenix, wo sie anschließend<br />
mehrere Monate <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er kle<strong>in</strong>eren Kanzlei<br />
arbeitete. Nach ihrem Zweiten Staatsexamen rissen<br />
sich mehrere deutsche Großkanzleien um die junge Jurist<strong>in</strong>.<br />
„Direkt nach me<strong>in</strong>em Besuch auf Karrieremessen<br />
haben mich viele Kanzleien sofort zu Bewerbungsgesprächen<br />
e<strong>in</strong>geladen“, er<strong>in</strong>nert sich Schikorra. „Das gibt<br />
e<strong>in</strong>em als Berufse<strong>in</strong>steiger natürlich e<strong>in</strong> gutes Gefühl.“<br />
Und so hätte sie ihre Anwaltslaufbahn ohne Probleme<br />
auch <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> oder München starten können. Doch die<br />
28-Jährige entschied sich 2<strong>01</strong>2 mit Luther zwar für<br />
e<strong>in</strong>e Großkanzlei, aber für Leipzig als Arbeitsort.<br />
Seither fühlt sie sich <strong>in</strong> dem Büro <strong>in</strong> der Grimmaischen<br />
Straße mitten <strong>in</strong> der Innenstadt pudelwohl.<br />
„Den Ausschlag hat letztlich das sehr nette Gespräch<br />
gegeben. Ich hatte e<strong>in</strong>fach das Gefühl, dass Luther<br />
am besten zu mir passt“, erklärt die Anwält<strong>in</strong>. So empf<strong>in</strong>det<br />
Schikorra es besonders positiv, wie <strong>in</strong>dividuell<br />
die Leipziger auf sie und ihre Studienschwerpunkte<br />
e<strong>in</strong>gehen. „Hier kann ich mehrere Rechtsgebiete kennenlernen,<br />
habe früh Kontakt zu Mandanten und die<br />
Möglichkeit, zu publizieren“, sagt sie zufrieden. Doch<br />
nicht nur die Entfaltungsmöglichkeiten und die gute<br />
Stimmung <strong>in</strong> dem Luther-Büro haben Schikorra über-<br />
Karrieremagaz<strong>in</strong> für junge Juristen <strong>azur</strong> <strong>01</strong> 13 47
KARRIERE Dresden und Leipzig<br />
Wohlfühlfaktor:<br />
Dr. Nicole Schikorra schätzt<br />
die Atmosphäre bei Luther <strong>in</strong><br />
Leipzig und das Freizeitangebot<br />
<strong>in</strong> der Bach-Stadt.<br />
zeugt, auch <strong>von</strong> der Stadt ist die junge Jurist<strong>in</strong> begeistert,<br />
die schon <strong>in</strong> Leipzig studierte. „Die Lebensqualität<br />
<strong>in</strong> Leipzig ist fantastisch. Ich kann mit dem<br />
Fahrrad <strong>in</strong> zehn M<strong>in</strong>uten zur Arbeit fahren oder<br />
abends bequem h<strong>in</strong>aus zu e<strong>in</strong>em der unzähligen umliegenden<br />
Seen spazieren“, schwärmt sie. Leipzig gilt<br />
nicht nur als sehr grüne Stadt, sondern auch als jung<br />
und kreativ. Auch kulturell hat die Bach-Stadt mit<br />
dem Thomanerchor und dem Gewandhausorchester<br />
e<strong>in</strong>iges zu bieten (→Hoher Freizeitwert).<br />
Lebensentscheidung<br />
Die Argumente der Dresdner Nachwuchsjuristen für<br />
e<strong>in</strong>en Berufsstart <strong>in</strong> der Landeshauptstadt s<strong>in</strong>d erstaunlich<br />
deckungsgleich mit den Motiven der Leipziger<br />
Juristen. Ähnlich wie die Luther-Associate<br />
Schikorra reizen auch den Noerr-Anwalt Dr. Morris<br />
Besch die Gestaltungsfreiheit und die Entfaltungsmöglichkeiten<br />
im Dresdner Büro. „Me<strong>in</strong>e Tätigkeit hier<br />
ist sehr abwechslungsreich und breit. Statt Due Diligences<br />
am Fließband zu machen, arbeite ich <strong>in</strong> vielen<br />
verschiedenen spannenden Bereichen mit“, so Besch,<br />
der jüngst vom Corporateteam <strong>in</strong> den Litigationbereich<br />
wechselte. Geme<strong>in</strong>sam mit e<strong>in</strong>em Noerr-Partner<br />
hatte er die Landeshauptstadt Dresden <strong>in</strong> dem bundesweit<br />
aufsehenerregenden Gagfah-Prozess vertreten.<br />
„Die Qualität der Mandate und das Niveau der<br />
Arbeit ist hoch. Hier müssen wir, auch verglichen mit<br />
anderen Standorten, ke<strong>in</strong>erlei Abstriche machen.“ Der<br />
34-Jährige, der ursprünglich aus Cottbus stammt, hat<br />
<strong>in</strong> Köln studiert und ist mit e<strong>in</strong>er Dresdner<strong>in</strong> verheiratet.<br />
Seit 2008 ist er im örtlichen Büro <strong>von</strong> Noerr tätig.<br />
Sowohl Dresden als auch Leipzig haben – außer der<br />
hohen Lebensqualität – auch e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>teressante An-<br />
waltsszene zu bieten. Von auf Bau- oder Arbeitsrecht<br />
fokussierten Spezialkanzleien über mittelgroße, <strong>in</strong> der<br />
Region verwurzelte Sozietäten bis h<strong>in</strong> zu multidiszipl<strong>in</strong>ären<br />
E<strong>in</strong>heiten sowie Großkanzleien s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Sachsen<br />
sämtliche Kanzleitypen vertreten (→Kanzleien <strong>in</strong> Dresden<br />
und Leipzig, Seite 49 und 51). Während <strong>in</strong> Dresden<br />
die Großkanzlei Noerr den Platz an der Spitze beansprucht,<br />
dom<strong>in</strong>iert <strong>in</strong> Leipzig CMS Hasche Sigle den<br />
Kanzleimarkt. Sie ist – neben Luther und KPMG Law –<br />
e<strong>in</strong>e der wenigen Sozietäten, die <strong>in</strong> Sachsen an zwei<br />
Standorten präsent s<strong>in</strong>d. Die standortübergreifende<br />
Zusammenarbeit ist <strong>in</strong> den meisten Kanzleien jedoch<br />
vergleichsweise schwach ausgeprägt.<br />
Leipzig und Dresden gelten noch heute generell<br />
als weitgehend getrennte Anwaltsmärkte. Dafür<br />
nimmt die überregionale Tätigkeit der Praxen stetig<br />
zu. E<strong>in</strong>igen Kanzleien ist es gelungen, aus Leipzig<br />
oder Dresden heraus bundesweit angesehene Spezialisierungen<br />
aufzubauen, etwa im IP-Recht, Öffentlichen<br />
Recht, E-Commerce, oder Litigation. Wie ihre<br />
Wettbewerber legte auch CMS zuletzt e<strong>in</strong> besonderes<br />
Augenmerk auf den Ausbau der Corporate-Praxis und<br />
verstärkte sich mit e<strong>in</strong>em Quere<strong>in</strong>steiger wie Dr.<br />
Jochen Lux. Er wechselte <strong>von</strong> Hengeler Mueller.<br />
Den heutigen Senior Associate verschlug es zum<br />
ersten Mal im Frühl<strong>in</strong>g 2000 nach Leipzig. Damals studierte<br />
der gebürtige Westfale noch <strong>in</strong> Bayreuth und<br />
war neugierig auf andere Städte und Ecken Deutschlands.<br />
Lux absolvierte e<strong>in</strong> siebenwöchiges Praktikum<br />
bei e<strong>in</strong>er Leipziger Kanzlei und verliebte sich auf Anhieb<br />
<strong>in</strong> die Stadt. Doch bevor er im Juli 2<strong>01</strong>2 zurückkehren<br />
sollte, machte Lux für vier Jahre Station <strong>in</strong><br />
Berl<strong>in</strong>. Dort war er Associate bei Hengeler Mueller,<br />
<strong>in</strong>klusive Secondments <strong>in</strong> London und Amsterdam.<br />
48 <strong>azur</strong> <strong>01</strong> 13 Karrieremagaz<strong>in</strong> für junge Juristen
Dresden und Leipzig KARRIERE<br />
Genau wie Schikorra haben sich auch Morris Besch<br />
und Jochen Lux ganz bewusst für Leipzig entschieden.<br />
„Vorausgesetzt, es klappt jobmäßig, war für mich<br />
immer klar, dass ich <strong>in</strong> die Nähe me<strong>in</strong>er alten Heimat<br />
zurückkommen werde“, sagt Noerr-Anwalt Besch.<br />
„Dresden ist me<strong>in</strong>e absolute Traumstadt." Und CMS-<br />
Anwalt Lux erklärt: „Berl<strong>in</strong> wäre mir auf Dauer zu groß<br />
gewesen. Ich habe e<strong>in</strong>en Ort gesucht, wo ich <strong>in</strong>ternational<br />
auf hohem Niveau arbeiten und gleichzeitig<br />
mit me<strong>in</strong>er Familie gut leben kann. Bei CMS <strong>in</strong> Leipzig<br />
kann ich beides verb<strong>in</strong>den, vom Büro aus können wir<br />
den Cospudener See sehen“, schmunzelt er.<br />
Se<strong>in</strong>e Frau war sofort mit dem Umzug e<strong>in</strong>verstanden,<br />
da ihre Familie aus der Region stammt. Und alle<br />
Freunde, die zu Besuch kämen, verstünden se<strong>in</strong>e Entscheidung.<br />
Wo sonst kann man schon <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Gründerzeitvilla<br />
direkt am Park zu e<strong>in</strong>er moderaten Miete<br />
wohnen. Doch auch abseits des hohen Wohn- und<br />
Freizeitwerts ist der 36-jährige Corporate-Anwalt zufrieden.<br />
„Ich kann hier viel selbst entwickeln und mitgestalten.<br />
Wir betreuen <strong>von</strong> Leipzig aus regel mäßig<br />
komplexe Transaktionen, die auch mehrere Jurisdiktionen<br />
umfassen“, beschreibt Lux se<strong>in</strong>e Tätigkeit.<br />
Kanzleien <strong>in</strong> Dresden<br />
Überraschend viele Großkanzleien residieren<br />
<strong>in</strong> Sachsens Landeshauptstadt.<br />
Hoher Freizeitwert<br />
In puncto Lebensqualität spielt Sachsen <strong>in</strong> der oberen Liga.<br />
Das ostdeutsche Bundesland wartet mit unzähligen touristischen Highlights auf.<br />
Dresden<br />
• die Frauenkirche, das Wahrzeichen der Stadt, auf sich wirken lassen<br />
• <strong>in</strong> der Semperoper e<strong>in</strong> Stück Musikgeschichte genießen<br />
• das Dresdner Elbtal auf dem Elbtalradweg oder auf historischen<br />
Raddampfern erleben<br />
• <strong>in</strong> der quirligen und urbanen Neustadt die vitale Kneipen- und Kunstszene erkunden<br />
Leipzig<br />
• <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er der historischen Innenhofpassagen Geld ausgeben und bei e<strong>in</strong>em<br />
E<strong>in</strong>kaufsbummel e<strong>in</strong>en Hauch Pariser Flairs spüren<br />
• <strong>in</strong> Auerbachs Keller auf den Spuren <strong>von</strong> Goethe und Faust wandeln<br />
• das größte Denkmal Europas, das Völkerschlachtdenkmal besichtigen<br />
• Klangkörpern <strong>von</strong> Weltrang lauschen, Thomanachor und Gewandhausorchester<br />
Ausflüge <strong>in</strong>s sächsische Umland<br />
• e<strong>in</strong>e Zeitreise nach Görlitz machen und Bauwerke aus e<strong>in</strong>em halben Jahrtausend<br />
europäischer Architekturgeschichte ansehen<br />
• die mittelalterliche Altstadt <strong>von</strong> Pirna bewundern, dem Tor zur sächsischen Schweiz<br />
• die Aussicht vom Felsriff der Bastei genießen<br />
• Wildwasser-Raft<strong>in</strong>g auf e<strong>in</strong>em der unzähligen Flüsse und Seen machen<br />
• zum W<strong>in</strong>tersport <strong>in</strong> e<strong>in</strong>es der 15 Skigebiete fahren.<br />
Petersen Hardraht<br />
Am Waldschlösschen 4<br />
gut vernetzte Regionalkanzlei mit mehreren<br />
Büros <strong>in</strong> Sachsen und vier Anwälten <strong>in</strong> Dresden<br />
E<strong>in</strong>stiegsgehalt: 44.000 Euro<br />
Noerr<br />
Paul-Schwarze-Straße 2<br />
vor Ort führende Großkanzlei mit 24<br />
Berufsträgern<br />
E<strong>in</strong>stiegsgehalt: 80.000–95.000 Euro<br />
CSC Rechtsanwälte<br />
Königsstr. 9<br />
geschätzte Regionalsozietät mit tiefen Spezialisierungen<br />
und über zehn Berufsträgern<br />
E<strong>in</strong>stiegsgehalt: ke<strong>in</strong>e Angaben<br />
Battke Grünberg<br />
Am Waldschlösschen 2<br />
solide regionale Kanzlei mit 13 Berufsträgern<br />
und Schwerpunkten im Gesellschafts- und<br />
Arbeitsrecht<br />
E<strong>in</strong>stiegsgehalt: ab 36.000 Euro<br />
Luther<br />
Radeberger Straße 1<br />
kle<strong>in</strong>es Büro der Großkanzlei mit drei Anwälten<br />
<strong>in</strong> Dresden<br />
E<strong>in</strong>stiegsgehalt: 65.000–70.000 Euro<br />
CMS Hasche Sigle<br />
An der Dreikön<strong>in</strong>gskirche 10<br />
kle<strong>in</strong>eres Büro der Großkanzlei<br />
(mit vier Anwälten)<br />
E<strong>in</strong>stiegsgehalt: 80.000-100.000 Euro<br />
Kiermeier Haselier Grosse<br />
Glacisstraße 6<br />
äußerst angesehene mittelständische Regionalkanzlei<br />
mit neun Anwälten<br />
E<strong>in</strong>stiegsgehalt: bis 75.000 Euro<br />
KPMG Law<br />
Ammonstr. 10<br />
aufstrebende, multidiszipl<strong>in</strong>äre Sozietät mit<br />
zehn Anwälten <strong>in</strong> Dresden<br />
E<strong>in</strong>stiegsgehalt: ke<strong>in</strong>e Angaben<br />
Karrieremagaz<strong>in</strong> für junge Juristen <strong>azur</strong> <strong>01</strong> 13 49
Dresden und Leipzig KARRIERE<br />
Auffallend häufig s<strong>in</strong>d es familiäre Wurzeln, die<br />
Nachwuchsjuristen zurück nach Sachsen ziehen. Unter<br />
den Associates kle<strong>in</strong>er wie großer Kanzleien f<strong>in</strong>det<br />
sich eigentlich niemand ohne e<strong>in</strong>en persönlichen Bezug<br />
zur Region. Daher ist der Pool hoch qualifizierter<br />
Bewerber – anders als <strong>in</strong> Städten wie Berl<strong>in</strong>, Frankfurt<br />
oder München – recht kle<strong>in</strong>. Denn das Staatsexamen<br />
<strong>in</strong> Sachsen ist anspruchsvoll: Nur rund 12 Prozent der<br />
Prüfl<strong>in</strong>ge erreichen hier e<strong>in</strong> Prädikat. Im Bundesdurchschnitt<br />
s<strong>in</strong>d es immerh<strong>in</strong> 16 Prozent. Bewerber<br />
ohne sächsische Wurzeln oder Leipzig als Studienort<br />
(→Grande Dame) zieht es eher selten hierher.<br />
Und so tun sich gerade viele kle<strong>in</strong>ere und mittelgroße<br />
Kanzleien schwer, gute Bewerber zu f<strong>in</strong>den.<br />
CMS oder Noerr haben im Kampf um talentierte Berufsanfänger<br />
etwas bessere Karten, weil sie höhere<br />
Gehälter zahlen und <strong>in</strong> Bewerberkreisen bekannter<br />
s<strong>in</strong>d. „Wir können uns nicht beklagen, wir gew<strong>in</strong>nen<br />
regelmäßig richtig gute Leute“, sagt Noerr-Partner<br />
Jens Gehlich. „Allerd<strong>in</strong>gs würden wir gerne noch<br />
mehr Associates e<strong>in</strong>stellen“, fügt der Standortleiter<br />
des Dresdner Büros h<strong>in</strong>zu. Aber zu wenige Berufsanfänger<br />
genügen den hohen Anforderungen.<br />
Leipziger Allerlei<br />
Die Bach-Stadt beherbergt Kanzleien<br />
ganz unterschiedlicher Größe<br />
Viele Juristen haben<br />
darüber h<strong>in</strong>aus<br />
Grande Dame<br />
Vorbehalte gegen<br />
Standorte jenseits<br />
der klassischen Anwaltsmetropolen.<br />
Sogar<br />
kanzlei<strong>in</strong>tern gibt<br />
es <strong>in</strong> großen Sozietäten<br />
auch heute noch<br />
vere<strong>in</strong>zelt Vorurteile<br />
gegenüber ostdeutschen<br />
Büros. E<strong>in</strong>e Visitenkarte<br />
aus Dresden, Chemnitz oder Leipzig käme<br />
auch bei Mandanten nicht immer gut an, erzählt e<strong>in</strong><br />
Anwalt h<strong>in</strong>ter vorgehaltener Hand.<br />
Die ostdeutschen Praxen haben gegen den Verdacht<br />
zu kämpfen, dass sie weniger anspruchsvolles<br />
oder ke<strong>in</strong> hochspezialisiertes Geschäft machen. E<strong>in</strong>ige<br />
Frankfurter Kollegen rümpfen sogar die Nase ob<br />
der verme<strong>in</strong>tlich nicht so <strong>in</strong>ternationalen Tätigkeit. In<br />
Richtung der Ma<strong>in</strong>metropole orientieren sich somit<br />
auch viele Leipziger Studenten mit den entsprechend<br />
guten Noten. „Es ist so schwer, hier im Osten Berufsanfänger<br />
für hochspezialisierte Themen zu f<strong>in</strong>den, so<br />
dass wir sogar über Abstriche bei unseren Anforderungen<br />
nachdenken“, sagt e<strong>in</strong> Partner e<strong>in</strong>er überörtlichen<br />
Sozietät.<br />
Die Universitätstadt Leipziger hat e<strong>in</strong>e lange Tradition<br />
Gründungsdatum 1409: Die Juristenfakultät der Universität Leipzig<br />
blickt auf e<strong>in</strong>e 600-jährige Geschichte zurück.<br />
Heute studieren rund 2.000 Jurastudenten bei 20 Professoren.<br />
Das sächsische Staatsexamen gilt als e<strong>in</strong>es der härtesten <strong>in</strong><br />
Deutschland. Dafür unterstützt die Juristenfakultät ihre Studenten aber<br />
auch ganz besonders: Mit der Leipziger Examensoffensive (LEO) bietet sie<br />
e<strong>in</strong> eigenes universitäres, nicht kommerzielles Examensrepetitorium an:<br />
http://leo.uni-leipzig.de<br />
Gruendel<br />
Grimmaischestr. 2-4<br />
anerkannte Kanzlei mit Spezialisierung im<br />
Venture-Capital-Geschäft und acht Leipziger<br />
Anwälten<br />
E<strong>in</strong>stiegsgehalt: ke<strong>in</strong>e Angaben<br />
Petersen Hardraht<br />
Petersstr. 39-41<br />
gut vernetzte Regionalkanzlei mit mehreren<br />
Büros <strong>in</strong> Sachsen und neun Anwälten <strong>in</strong> Leipzig<br />
E<strong>in</strong>stiegsgehalt: 44.000 Euro<br />
Weid<strong>in</strong>ger Richtscheid<br />
Kathar<strong>in</strong>enstr. 6<br />
geschätzte Regionalkanzlei mit elf Anwälten<br />
und e<strong>in</strong>em Fokus auf Bank- und Energierecht<br />
E<strong>in</strong>stiegsgehalt: ke<strong>in</strong>e Angaben<br />
Mohns T<strong>in</strong>telnot Pruggmayer<br />
Vennemann<br />
Nikolaistr. 10<br />
etablierte, <strong>in</strong> der Region sehr angesehene<br />
Regionalkanzlei mit 11 Anwälten<br />
E<strong>in</strong>stiegsgehalt: Ke<strong>in</strong>e Angaben<br />
Luther<br />
Grimmaischestr. 25<br />
aufstrebende Großkanzlei mit 18 Leipziger<br />
Anwälten<br />
E<strong>in</strong>stiegsgehalt: 65.500-70.000 Euro<br />
CMS Hasche Sigle<br />
Augustusplatz 9<br />
vor Ort führende Großkanzlei 31 Anwälten<br />
<strong>in</strong> Leipzig<br />
E<strong>in</strong>stiegsgehalt: 80.000-100.000 Euro<br />
Universität Leipzig<br />
Augustusplatz 10<br />
Redeker Sellner Dahs<br />
Mozartstr. 10<br />
kle<strong>in</strong>e, dreiköpfige Praxis der überregionalen<br />
Kanzlei mit Fokus auf Vergabe- und Gesellschaftsrecht<br />
E<strong>in</strong>stiegsgehalt: 78.000 Euro<br />
KPMG Law<br />
Münzgasse 2<br />
multidiszipl<strong>in</strong>äre Sozietät mit elf Anwälten und<br />
Spezialisierung im Kapitalmarktrecht<br />
E<strong>in</strong>stiegsgehalt: ke<strong>in</strong>e Angaben<br />
Karrieremagaz<strong>in</strong> für junge Juristen <strong>azur</strong> <strong>01</strong> 13 51
KARRIERE Dresden und Leipzig<br />
Insbesondere die Großkanzleien geben sich daher<br />
überaus große Mühe zu betonen, dass es zwischen<br />
den ostdeutschen Büros und anderen Standorten ke<strong>in</strong>erlei<br />
Unterschiede gebe. Alles sei genau gleich, anfangen<br />
vom kanzleiweit e<strong>in</strong>heitlichen Gehalt über die<br />
Qualität und Internationalität der Arbeit bis h<strong>in</strong> zu<br />
den Partnerchancen. Zwar argwöhnt manch e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>erer<br />
Wettbewerber, ob die <strong>in</strong> Dresden und Leipzig<br />
gezahlten Gehälter <strong>von</strong> CMS, Noerr oder Luther tatsächlich<br />
genauso so hoch s<strong>in</strong>d wie im Süden oder<br />
Westen der Republik, e<strong>in</strong>en Ostabschlag, wie noch<br />
vor e<strong>in</strong>igen Jahren durchaus praktiziert, gibt es aber<br />
nach Aussage der Großkanzleien heute def<strong>in</strong>itiv nicht<br />
mehr.<br />
Und selbst wenn die großen Sozietäten ihre Gehaltsspannen<br />
nutzen und statt 100.000 Euro im ersten<br />
Jahr vielleicht nur die untere Grenze <strong>von</strong> 80.000<br />
oder 85.000 Euro bezahlen, dürfte das kaum wehtun.<br />
Die relative Kaufkraft <strong>in</strong> Dresden und Leipzig ist e<strong>in</strong>e<br />
andere als <strong>in</strong> München oder Hamburg. „Von e<strong>in</strong>em<br />
Großkanzleigehalt lässt sich hier e<strong>in</strong> Wahns<strong>in</strong>nsleben<br />
führen“, br<strong>in</strong>gt es e<strong>in</strong> Associate auf den Punkt.<br />
Juristisch durchaus am Hochreck<br />
Weiteren Gerüchten <strong>von</strong> misstrauischen kle<strong>in</strong>eren<br />
Wettbewerbern, die Existenzberechtigung der ostdeutschen<br />
Großkanzleibüros läge nur noch im billigeren<br />
Abarbeiten <strong>von</strong> Mandaten anderer Standorte begründet,<br />
erteilen Großkanzleipartner e<strong>in</strong>e klare<br />
Absage. „Das Verweisgeschäft funktioniert vielmehr<br />
<strong>in</strong> beiden Richtungen. Wir geben m<strong>in</strong>destens so viel<br />
Arbeit an andere Praxen wie umgekehrt“, so e<strong>in</strong> Großkanzleipartner.<br />
Zwar s<strong>in</strong>d viele der Großkanzleiteams<br />
mittlerweile überwiegend außerhalb der Region<br />
tätig, dies liegt aber an der Strategie der Spezialisierung.<br />
KPMG Law hat ihre kapitalmarktrechtliche Praxis<br />
<strong>in</strong> Leipzig konzentriert und steuert <strong>von</strong> dort aus<br />
bundesweite Beratungsprojekte. E<strong>in</strong> weiteres Beispiel<br />
s<strong>in</strong>d die Leipziger Luther-Anwälte, die die öffentlichrechtliche<br />
Beratung bei deutschlandweiten Mandaten<br />
übernehmen, zum Beispiel bei Spielbankprivatisierungen.<br />
Und CMS ist es unter anderem gelungen,<br />
e<strong>in</strong> ostdeutsches Team im Gewerblichen Rechtsschutz<br />
aufzubauen.<br />
So haben sich die ostdeutschen Büros e<strong>in</strong>e feste<br />
Stellung im Gesamtgefüge der Großkanzleien erarbeitet.<br />
Auch die Dresdner Anwälte <strong>von</strong> KPMG Law<br />
verbuchen zunehmenden Erfolg beim Ausbau ihrer<br />
deutschlandweit tätigen Prozesspraxis. Etablierte<br />
Player wie Noerr haben den Prozessbereich nochmals<br />
ausgebaut. Zudem nimmt auch die Beratung bei<br />
Transaktionen deutlich zu, nicht zuletzt, weil immer<br />
mehr ausländische Investoren <strong>in</strong> sächsische Unternehmen<br />
<strong>in</strong>vestieren. „Wer e<strong>in</strong>mal bei uns angefangen<br />
hat, ist schnell überzeugt“, erklärt e<strong>in</strong> Leipziger Partner.<br />
„Spätestens, wenn der Associate im Flieger nach<br />
Frankreich sitzt, um dort e<strong>in</strong>en Unternehmenskauf zu<br />
verhandeln, s<strong>in</strong>d sämtliche Bedenken ausgeräumt.“<br />
Der Osten punktet zudem noch mit e<strong>in</strong>em ganz<br />
anderen Thema: Hier lag die Betreuungsquote für<br />
K<strong>in</strong>der <strong>von</strong> unter drei Jahren 2<strong>01</strong>2 bei über 50 Prozent.<br />
Währenddessen dümpelte die Quote im Westen zwischen<br />
15 und 30 Prozent vor sich h<strong>in</strong>. „Die K<strong>in</strong>derbetreuung<br />
<strong>in</strong> Dresden ist fantastisch – angefangen<br />
<strong>von</strong> der Krippe über den Ganztagsk<strong>in</strong>dergarten als<br />
Regelform bis h<strong>in</strong> zu den Grundschulen mit Mittagessen<br />
und Hort“, sagt Dr. Andrea Benkendorff <strong>von</strong> der<br />
Regionalkanzlei Battke Grünberg. Das sei e<strong>in</strong> echter<br />
Standortvorteil und erleichtere die Berufstätigkeit<br />
enorm. Sie selbst ist 1996 <strong>von</strong> München nach Dresden<br />
gekommen. Das war für die damalige Berufsanfänger<strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong> großer Schritt. Anfangs vermisste Benkendorff<br />
Rückkehrer nach Leipzig:<br />
Dr. Jochen Lux kam als<br />
Praktikant <strong>in</strong> die Bach-Stadt<br />
und f<strong>in</strong>g Feuer. Nach Leipzig<br />
kehrt er aber erst nach<br />
e<strong>in</strong>em Umweg über Berl<strong>in</strong><br />
zurück, als Quere<strong>in</strong>steiger <strong>in</strong>s<br />
Leipziger CMS-Büro.<br />
52 <strong>azur</strong> <strong>01</strong> 13 Karrieremagaz<strong>in</strong> für junge Juristen
Dresden und Leipzig KARRIERE<br />
Ke<strong>in</strong> Ma<strong>in</strong>stream:<br />
Charakterköpfe, die auf<br />
Indivi dualität setzen, wollen<br />
Partner Markus Haselier<br />
(l<strong>in</strong>ks) und Associate Christian<br />
Flache <strong>von</strong> Kiermeier<br />
Haselier Grosse ansprechen.<br />
die Berge, haderte e<strong>in</strong> wenig mit dem kalten W<strong>in</strong>ter<br />
und wollte eigentlich nur drei Jahre bleiben. Heute, 17<br />
Jahre später, will sie nicht mehr weg. Benkendorff<br />
schwärmt <strong>von</strong> Fahrradtouren an der Elbe, der Semperoper<br />
und Ausflügen nach Görlitz oder Pirna. „Dresden<br />
ist e<strong>in</strong>fach e<strong>in</strong>e geniale Stadt zum Leben“, sagt die<br />
Arbeitsrechtspartner<strong>in</strong>.<br />
Ke<strong>in</strong> Ma<strong>in</strong>stream<br />
Doch obwohl die ostdeutschen Büros e<strong>in</strong>en Vorsprung<br />
<strong>in</strong> puncto Lebensqualität haben und problemlos<br />
mit anderen Standorten mithalten können,<br />
was die Qualität der Mandate angeht, ist der Pool an<br />
Bewerbern mit den entsprechend guten Noten kle<strong>in</strong>.<br />
Vor allem kle<strong>in</strong>ere Kanzleien haben Probleme, geeigneten<br />
Nachwuchs zu f<strong>in</strong>den. Sie können nicht die<br />
Gehälter zahlen, die Großkanzleien bieten. Christian<br />
Flache entschied sich dennoch ganz bewusst gegen<br />
e<strong>in</strong>e klassische Großkanzleikarriere. „Dort hätte ich<br />
mich nicht wohlgefühlt“, sagt der 30-jährige Associate,<br />
der im Referendariat bei e<strong>in</strong>er großen Sozietät<br />
Station machte. Seit 2<strong>01</strong>0 ist er bei Kiermeier Haselier<br />
Grosse tätig. Die neunköpfige, regional verwurzelte<br />
Sozietät ist <strong>in</strong> Dresden sehr angesehen und neben<br />
dem Gesellschaftsrecht vor allem auf Bau- und Vergaberecht<br />
sowie Wirtschaftsstrafrecht spezialisiert.<br />
Auch die Namenspartner se<strong>in</strong>es Arbeitgebers, die<br />
alle drei nach der Wende aus dem Westen nach Dresden<br />
gekommen waren, schätzen das etwas andere<br />
Arbeiten, die etwas lockerere Atmosphäre. „Partner <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>er mittelständischen Kanzlei <strong>in</strong> Dresden zu se<strong>in</strong>, ist<br />
natürlich e<strong>in</strong> bestimmtes Lebensmodell“, me<strong>in</strong>t Markus<br />
Haselier, der die Sozietät 1997 mitgegründet hat.<br />
„Jeder unserer Anwälte ist e<strong>in</strong> echter Charakterkopf<br />
mit guten und weniger guten Eigenschaften. Wir suchen<br />
bewusst ke<strong>in</strong>e stroml<strong>in</strong>ienförmigen jungen Leute,<br />
sondern setzen auf Individualität. Und so kommen<br />
Berufsanfänger zu uns, die uns gerade deswegen<br />
schätzen, weil wir anders s<strong>in</strong>d“, so Haselier. Ähnliche<br />
Erfahrungen hat auch Frank Vennemann <strong>in</strong> Leipzig<br />
gemacht: Wie Haselier ist auch er Partner e<strong>in</strong>er mittelständischen<br />
Kanzlei. 20<strong>01</strong> gründete Vennemann geme<strong>in</strong>sam<br />
mit drei weiteren Partnern Mohns T<strong>in</strong>telnot<br />
Pruggmayer Venneman. „Wenn man hier <strong>in</strong> der Region<br />
junge Juristen bekommt, dann gehören sie e<strong>in</strong>em<br />
sehr <strong>in</strong>dividuellen Kollegentypus an“, stellt Vennemann<br />
fest. Häufig seien Berufsanfänger stark akademisch<br />
geprägt. „Zudem treffen die allermeisten die<br />
Ortsentscheidung nicht alle<strong>in</strong>e berufsabhängig. Das<br />
führt zu e<strong>in</strong>er stärkeren Verwurzelung <strong>in</strong> der Region“,<br />
sagt Vennemann.<br />
Dennoch haben beide Kanzleien, sowohl Kiermeier<br />
Haselier Grosse <strong>in</strong> Dresden als auch Mohns T<strong>in</strong>telnot<br />
Pruggmayer Vennemann <strong>in</strong> Leipzig, Probleme,<br />
ausreichend viele qualifizierte Berufsanfänger zu rekrutieren.<br />
Gerade <strong>in</strong> Dresden dürfte die Situation<br />
zukünftig nicht e<strong>in</strong>facher werden: Zum Sommersemester<br />
2008 lief der Staatsexamensstudiengang<br />
Rechtswissenschaften an der TU Dresden aus. Zwar<br />
gibt es noch Bachelor- und Masterstudiengänge, aber<br />
zum Volljuristen werden Studenten hier nicht mehr<br />
ausgebildet. Die noch existenten Referendargruppen<br />
<strong>in</strong> Dresden werden seit e<strong>in</strong>igen Jahren schon nicht<br />
mehr gefüllt.<br />
Seit es angehende Juristen nicht mehr zum Studium<br />
nach Dresden verschlägt, wird der Bewerberpool<br />
immer kle<strong>in</strong>er. Doch Sachsen dürfte trotz dieser Herausforderungen<br />
ke<strong>in</strong>e düstere Zukunft bevorstehen.<br />
Die Region prosperiert wirtschaftlich und immer<br />
mehr ausländische Investoren entdecken den Osten<br />
Deutschlands für sich. Und Leipzig, wo sich e<strong>in</strong>e immer<br />
stärkere Subkultur <strong>von</strong> Künstlern und Kreativen<br />
entwickelt, gilt <strong>in</strong>zwischen sogar als das bessere<br />
Berl<strong>in</strong>.<br />
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