Caesarea Maritima - Herodesstadt und römische ... - Kgkw.de
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<strong>Caesarea</strong> <strong>Maritima</strong> - <strong>Hero<strong>de</strong>sstadt</strong> <strong>und</strong> Zentrum <strong>römische</strong>r Macht in<br />
Judäa. 1<br />
Sie kennen vermutlich alle <strong>de</strong>n Bericht aus <strong>de</strong>m 23. Kapitel <strong>de</strong>r Apostelgeschichte. Paulus<br />
war um das Jahr 52 aus Kleinasien nach Jerusalem zurückgekehrt. Dort kam es zu einem<br />
Aufstand im Tempel; <strong>de</strong>r kommandieren<strong>de</strong> <strong>römische</strong> Offizier Claudius Lysias nahm Paulus in<br />
Schutzhaft, wollte ihn auspeitschen lassen, wobei dann Paulus das berühmte Wort formulierte:<br />
Civis Romanus sum. Da <strong>de</strong>r Militärtribun fürchtete, es könnte zu einem Anschlag einer<br />
fanatisierten jüdischen Gruppe gegen Paulus kommen, sandte er ihn in <strong>de</strong>r Nacht mit einer<br />
starken Truppe nach <strong>Caesarea</strong>. Dort wur<strong>de</strong> Paulus zwei Tage später an <strong>de</strong>n höchsten <strong>römische</strong>n<br />
Repräsentanten in Judaea, Antonius Felix, übergeben. Er ordnete an, <strong>de</strong>n Beschuldigten<br />
ejn praitwrivwi tou`` Hrwvdou, im Praetorium <strong>de</strong>s Hero<strong>de</strong>s, gefangen zu halten.<br />
In diesem kurzen Ausdruck: ejn praitwrivwi tou`` Hrwvdou, im Praetorium <strong>de</strong>s Hero<strong>de</strong>s,<br />
sind die bei<strong>de</strong>n Aspekte zusammengefasst, über die ich heute hier sprechen möchte:<br />
1. Die Rolle <strong>de</strong>s Hero<strong>de</strong>s bei <strong>de</strong>r Gründung dieser Stadt, <strong>und</strong><br />
2. Wie war Rom in <strong>Caesarea</strong>, <strong>de</strong>r Hauptstadt <strong>de</strong>s <strong>römische</strong>n Judaea, präsent, vor allem<br />
durch seine Vertreter <strong>und</strong> durch die Bauten, in <strong>de</strong>nen sich <strong>römische</strong> Macht darstellte.<br />
Dieses Gebäu<strong>de</strong>, in <strong>de</strong>m Paulus vor Gericht stand <strong>und</strong> wohl auch für einige Zeit als Gefangener<br />
lebte, war von Hero<strong>de</strong>s errichtet wor<strong>de</strong>n. Doch mit <strong>de</strong>m lateinischen Wort praetorium in<br />
<strong>de</strong>r Apostelgeschichte zeigt <strong>de</strong>r Autor, dass es in <strong>de</strong>m Augenblick, als Paulus dort als Gefangener<br />
lebte, <strong>de</strong>r Amtssitz von Antonius Felix, <strong>de</strong>m <strong>römische</strong>n Repräsentanten in Judaea war.<br />
Für bei<strong>de</strong>, für Hero<strong>de</strong>s <strong>und</strong> die Vertreter Roms, war diese Stadt <strong>de</strong>r Mittelpunkt ihrer Macht;<br />
<strong>und</strong> bei<strong>de</strong> haben <strong>de</strong>shalb diese Stadt ausgestaltet - in unterschiedlicher Weise. Davon soll Ihnen<br />
von historischer Seite heute ein Eindruck vermittelt wer<strong>de</strong>n.<br />
Zunächst einige Worte zu Hero<strong>de</strong>s, <strong>de</strong>n manche <strong>de</strong>n Großen nennen. Er stammte aus einer<br />
idumäischen Familie, also <strong>de</strong>m Teil <strong>de</strong>r Ju<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r nach <strong>de</strong>m Bericht <strong>de</strong>s jüdischen Historikers<br />
Josephus erst in <strong>de</strong>r Regierungszeit <strong>de</strong>s Hasmonäerkönigs Johannes Hyrkanos unterworfen<br />
<strong>und</strong> gewaltsam zum Ju<strong>de</strong>ntum bekehrt wor<strong>de</strong>n waren. Da seine Mutter Cyprus die<br />
Tochter eines Fürsten aus Arabia war, wur<strong>de</strong> er von manchen nicht als voller Ju<strong>de</strong> angesehen;<br />
Josephus spricht von ihm in einem seiner Werke (Antiquitates 14, 403) von einem hJmiiou-<br />
1 Die in diesem Vortrag erwähnten Inschriften sind nun alle in CORPUS INSCRIPTIONUM IU-<br />
DAEAE/PALAESTINAE (= CIIP), VOLUME II: CAESAREA AND THE MIDDLE COAST, hg. von Walter<br />
Ameling, Hannah M. Cotton, Werner Eck, Benjamin Isaac, Alla Kushnir-Stein, Hagai Misgav, Jonathan<br />
Price, Israel Roll, Ada Yar<strong>de</strong>ni, with contributions by Robert Daniel, Avner Ecker, Michael<br />
Shenkar, Claudia So<strong>de</strong>, with the assistance of Marfa Heimbach, Dirk Koßmann and Naomi Schnei<strong>de</strong>r,<br />
Berlin 2011, publiziert; in diesem Band fin<strong>de</strong>n sich auch <strong>de</strong>taillierte Pläne für <strong>Caesarea</strong> <strong>und</strong> die bei<strong>de</strong>n<br />
praetoria
2<br />
daiò~, einem Halbju<strong>de</strong>n. Hero<strong>de</strong>s selbst freilich ließ von sich verbreiten, er stamme aus priesterlicher<br />
jüdischer Familie. Wenige haben ihm dies geglaubt. Mit dieser Herkunft war je<strong>de</strong>nfalls<br />
von Anfang an Konfliktstoff vorhan<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r sich auch im Kontext von <strong>Caesarea</strong> auswirkte.<br />
Denn in Jerusalem, <strong>de</strong>r heiligen Stadt <strong>de</strong>s Ju<strong>de</strong>ntums, war Hero<strong>de</strong>s in beson<strong>de</strong>rem Maß <strong>de</strong>r<br />
Anfeindung ausgesetzt. Auch dies war ein Gr<strong>und</strong> dafür, dass er an<strong>de</strong>re Orte suchte, an <strong>de</strong>nen<br />
er gestalten, aber auch so leben konnte, wie er es als ein König wollte, <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Tradition <strong>de</strong>r<br />
hellenistischen Königshäuser <strong>de</strong>s Ostens stand. Die Wahl <strong>de</strong>r Stadt, die dann von ihm selbst<br />
<strong>Caesarea</strong> genannt wur<strong>de</strong>, hing engstens mit seinem komplizierten Verhältnis zu Jerusalem<br />
zusammen.<br />
Hero<strong>de</strong>s trug nicht von seiner Familie her <strong>de</strong>n Titel eines Königs <strong>de</strong>r Ju<strong>de</strong>n. Diesen hatte<br />
er erst im Jahr 40 v. Chr., damals etwa 33 Jahre alt, vom <strong>römische</strong>n Senat erhalten. Damit ist<br />
ein zentrales Element seines Lebens genannt: die Abhängigkeit seiner Stellung von Rom. So<br />
wie er <strong>de</strong>n Königstitel im Jahr 40 v. Chr. durch Vermittlung eines damals in Rom Mächtigen,<br />
nämlich <strong>de</strong>s Triumvirn Marcus Antonius, erhalten hatte, so konnte er je<strong>de</strong>rzeit auch nicht nur<br />
<strong>de</strong>n Titel wie<strong>de</strong>r verlieren, son<strong>de</strong>rn seine Machtstellung insgesamt. Er war abhängig <strong>und</strong><br />
musste sein Verhalten <strong>und</strong> sein Han<strong>de</strong>ln danach richten, was Rom <strong>und</strong> sein dortiger Herr ihm<br />
zugestan<strong>de</strong>n. Die Stadt <strong>Caesarea</strong> ist gera<strong>de</strong>zu paradigmatisch für dieses Abhängigkeitsverhältnis.<br />
Als Hero<strong>de</strong>s seine Macht in Iudaea seit etwa 37 v. Chr. aufbaute, gab es diese Stadt,<br />
heute etwa in <strong>de</strong>r Mitte zwischen Tel Aviv im Sü<strong>de</strong>n <strong>und</strong> Haifa im Nor<strong>de</strong>n gelegen, noch<br />
nicht. Dort existierte zwar schon eine kleine phönikische Siedlung mit <strong>de</strong>m Namen Stratons<br />
Turm o<strong>de</strong>r Stratonos Pyrgos/Turris Stratonis. Der Ort war jedoch ohne Be<strong>de</strong>utung. Er lag unmittelbar<br />
am Meer am Rand <strong>de</strong>r Küstenebene, die sich hier nur wenige Kilometer lan<strong>de</strong>inwärts<br />
bis zu einer recht steil ansteigen<strong>de</strong>n nord-südlich sich erstrecken<strong>de</strong>n Bergkette aus<strong>de</strong>hnt<br />
(siehe die Karten in CIIP II S. 920 f.). Warum Hero<strong>de</strong>s sich entschloss, an dieser Stelle seine<br />
Hauptstadt zu errichten, ist im Detail nicht bekannt; doch hat mit Sicherheit die Lage am<br />
Meer eine entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Rolle gespielt. Denn die wichtigste Kapitale <strong>de</strong>r gesamten hellenistischen<br />
Welt, Alexandria in Ägypten, hatte seine herausragen<strong>de</strong> politische <strong>und</strong> ökonomische<br />
Stellung gera<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Lage am Meer <strong>und</strong> <strong>de</strong>m mit <strong>de</strong>r Stadt verb<strong>und</strong>enen Hafen verdankt. Wie<br />
wichtig dieses Vorbild war, wird noch zu erläutern sein. Doch es dauerte eine recht lange<br />
Zeit, bis Hero<strong>de</strong>s sich zur Errichtung dieser neuen Metropole entschloss: Erst im Jahr 22 v.<br />
Chr. begann <strong>de</strong>r Bau. Vorher musste es ihm vor allem darum gehen, seine eigene Stellung zu<br />
sichern <strong>und</strong> seine Macht nicht zu verlieren. Denn er war wie alle an<strong>de</strong>ren Klientelkönige <strong>de</strong>s<br />
Ostens entschei<strong>de</strong>nd von <strong>de</strong>r politischen Entwicklung Roms abhängig. Sein erster Beschützer
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in Rom war Marcus Antonius gewesen, einer <strong>de</strong>r Triumvirn neben Octavian (<strong>de</strong>m späteren<br />
Augustus) <strong>und</strong> Lepidus. In <strong>de</strong>n inneren Auseinan<strong>de</strong>rsetzungen zwischen 40 <strong>und</strong> 30 v. Chr.<br />
war Hero<strong>de</strong>s zunächst ein loyaler Gefolgsmann von Antonius, obwohl <strong>de</strong>ssen Verbindung mit<br />
Cleopatra von Hero<strong>de</strong>s herbe Konzessionen erfor<strong>de</strong>rte. So verlor er die Palmenplantagen von<br />
Jamnia an Cleopatra <strong>und</strong> ebenso die Balsamhaine von Jericho <strong>und</strong> Ein Gedi am Toten Meer;<br />
Antonius machte diese Cleopatra zum Geschenk. Es war ein herber finanzieller Verlust für<br />
Hero<strong>de</strong>s. Dennoch stand er zu seinem Gönner Antonius, auch als es zur letzten Auseinan<strong>de</strong>rsetzung<br />
mit Octavian kam, die bei Actium im September 31 v. Chr. entschie<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong>. Damals<br />
hat allerdings Cleopatra Hero<strong>de</strong>s ungewollt einen Dienst erwiesen. Sie wollte <strong>de</strong>n geschickten<br />
<strong>und</strong> machtbewussten Hero<strong>de</strong>s nicht im Feldlager neben sich sehen. Deshalb erzwang<br />
sie von Antonius, Hero<strong>de</strong>s zu befehlen, gegen <strong>de</strong>n Nabatäerkönig Malchus in <strong>de</strong>n<br />
Krieg zu ziehen. Am En<strong>de</strong> war das gera<strong>de</strong>zu ein Geschenk für <strong>de</strong>n König. Denn so war es für<br />
ihn nach <strong>de</strong>r verheeren<strong>de</strong>n Nie<strong>de</strong>rlage <strong>de</strong>s Antonius leichter, sich von ihm ab- <strong>und</strong> Octavian<br />
zuzuwen<strong>de</strong>n. Und Octavian war klug genug, <strong>de</strong>n Seitenwechsel ohne weitere Sanktionen zu<br />
akzeptieren. Von da an war Hero<strong>de</strong>s fast 30 Jahre lang bis an sein Lebensen<strong>de</strong> im Jahr 4 v.<br />
Chr. ein loyaler Gefolgsmann von Octavian, o<strong>de</strong>r von Imperator Caesar Augustus, wie er vom<br />
Jahr 27 v. Chr. an hieß. Gera<strong>de</strong> die Stadt, mit <strong>de</strong>r wir uns hier befassen, ist <strong>de</strong>r bis heute sichtbare<br />
Beweis für diese loyale Haltung. Denn diese Stadt wur<strong>de</strong> bei ihrer Gründung nach Augustus<br />
Familiennamen Caesar eben <strong>Caesarea</strong> benannt. Die Caesarstadt sollte zeigen, wer <strong>de</strong>r<br />
Herr <strong>de</strong>r Welt war, unter <strong>de</strong>m Hero<strong>de</strong>s seine Herrschaft ausüben konnte.<br />
Josephus berichtet in seinen bei<strong>de</strong>n Geschichtswerken, <strong>de</strong>m bellum Iudaicum <strong>und</strong> <strong>de</strong>n<br />
Antiquitates, über die Gründung <strong>und</strong> <strong>de</strong>n Ausbau <strong>de</strong>r Stadt. Sie sollte vieles gleichzeitig sein:<br />
Resi<strong>de</strong>nz <strong>de</strong>s Hero<strong>de</strong>s, ein Zeichen seiner engen Verbindung mit Augustus, Konkurrenzmetropole<br />
zu an<strong>de</strong>ren großen Städten <strong>de</strong>s <strong>römische</strong>n Ostens <strong>und</strong> Han<strong>de</strong>lszentrum für sein Königreich<br />
(siehe die Karten in CIIP II S. 922 f.). Entsprechend wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Ausbau <strong>de</strong>r Stadt gestaltet.<br />
Sie entstand unmittelbar am Meer, an einer Stelle, die einen natürlichen Felsvorsprung<br />
aufwies, <strong>de</strong>r weit ins Meer hinausragte. Doch insgesamt war die Küste geographisch nicht so<br />
gestaltet, dass sie sich für die Anlage eines Hafens beson<strong>de</strong>rs geeignet hätte. Doch ein Hafen<br />
war unabdingbar; so musste er eben künstlich geschaffen wer<strong>de</strong>n. Durch technisches Können<br />
die Natur zu überwin<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r nachzuahmen, das sieht man auch sonst bei <strong>de</strong>n Großbauten <strong>de</strong>s<br />
Hero<strong>de</strong>s, sei es beim Tempel in Jerusalem mit seinen gewaltigen Mauern, seien es die herodianischen<br />
Festungen Herodion (Abb. 1), Machaerus o<strong>de</strong>r Masada. Überall wur<strong>de</strong> mit äußerstem<br />
technischem Aufwand Außergewöhnliches geschaffen.
4<br />
Was man heute im Luftbild von <strong>Caesarea</strong> erkennen kann, zeigt das, was vorhan<strong>de</strong>n war<br />
<strong>und</strong> das, was erst durch Hero<strong>de</strong>s geschaffen wur<strong>de</strong>. Der südliche Sporn, <strong>de</strong>r ins Meer hinausragt,<br />
war ein natürlicher Felsvorsprung (Abb. 2), doch die gesamte Anlage im Nor<strong>de</strong>n ist<br />
künstlich <strong>und</strong> wur<strong>de</strong> erst durch Hero<strong>de</strong>s geschaffen. Auf <strong>de</strong>m südlichen Felsvorsprung, ließ<br />
Hero<strong>de</strong>s zunächst auf <strong>de</strong>r unteren Ebene seinen Palast errichten, <strong>de</strong>r bald darauf auf die etwas<br />
höhere Plattform ausge<strong>de</strong>hnt wur<strong>de</strong>. Auf <strong>de</strong>r unteren Ebene umgaben wohl Mauern mit Säulen<br />
einen Innenhof, in <strong>de</strong>m ein großes Wasserbecken zusätzliche Kühlung brachte (Abb. 3).<br />
Von <strong>de</strong>r Ausstattung <strong>und</strong> <strong>de</strong>m inneren Gefüge lässt sich heute kaum mehr etwas erkennen, da<br />
das Meer im Laufe <strong>de</strong>r Zeit fast alles weggespült hat. Wichtig ist jedoch, dass sich an <strong>de</strong>n<br />
Palast direkt das Stadion anschloss, das sich über mehr als 300 Meter unmittelbar am Meer<br />
von Sü<strong>de</strong>n nach Nor<strong>de</strong>n erstreckte. Von <strong>de</strong>r oberen Palastebene aus ließen sich die Spiele<br />
unmittelbar verfolgen. Die Startboxen für die Rennwagen lagen im Nor<strong>de</strong>n, was dort heute für<br />
<strong>de</strong>n Besucher mit Pfer<strong>de</strong>-I<strong>de</strong>ogrammen ange<strong>de</strong>utet. Das Stadion war unter einem Gesichtspunkt<br />
eine Beson<strong>de</strong>rheit: es hatte keine einan<strong>de</strong>r gegenüberliegen<strong>de</strong>n Zuschauerränge, wie<br />
das sonst allgemein üblich war, vielmehr gab es die künstlich errichteten Zuschauersitze nur<br />
auf <strong>de</strong>r östlichen Seite <strong>de</strong>s Stadions, während die westliche Seite unbebaut blieb. Auf diese<br />
Weise konnten die Zuschauer nicht nur die Rennen verfolgen, sie hatten vielmehr gleichzeitig<br />
einen offenen Blick auf das Meer, was auch Josephus betont (Abb. 4-5). Hero<strong>de</strong>s schuf hier<br />
zum ersten Mal innerhalb <strong>de</strong>s jüdischen Siedlungsgebiets eine solche Stätte <strong>de</strong>r Massenunterhaltung,<br />
so wie sie in vielen hellenistischen <strong>und</strong> <strong>römische</strong>n Städten üblich waren.<br />
Das gewaltigste Bauwerk aber ließ Hero<strong>de</strong>s nördlich <strong>de</strong>r Rennbahn errichten: <strong>de</strong>n Hafen.<br />
Diese gesamte Anlage ist von ihm künstlich geschaffen wor<strong>de</strong>n. An einer kleinen Bucht<br />
wur<strong>de</strong> eine gewaltige Mole ins Meer hinausgebaut. Riesige Steinblöcke wur<strong>de</strong>n ins Meer versenkt<br />
<strong>und</strong> später mit Beton verfestigt <strong>und</strong> über<strong>de</strong>ckt. Ihre Maße waren nach Josephus 50 Fuß<br />
Länge, 9 Fuß Höhe <strong>und</strong> 10 Fuß Breite: ca. 15x3x3.3 Meter. Wie die Überreste noch heute<br />
zeigen, ragte die südliche Mole zunächst hinaus ins Meer <strong>und</strong> bog schließlich nach Nor<strong>de</strong>n<br />
um (Abb. 6). Die Molen umschlossen zwei Hafenbecken, ein äußeres <strong>und</strong> ein inneres, <strong>de</strong>ren<br />
Einfahrt im Nor<strong>de</strong>n lag(siehe Plan CIIP II S. 922). Das war technisch wohl überlegt; <strong>de</strong>nn<br />
man wusste, dass <strong>de</strong>r fast unablässig wehen<strong>de</strong> Südwestwind eine Einfahrt im Sü<strong>de</strong>n schnellstens<br />
mit Sand zugeschwemmt hätte. Das hatte man offensichtlich an früheren Hafenbauten,<br />
etwa in Dor nördlich von <strong>Caesarea</strong>, beobachtet. Die Einfahrt im Nor<strong>de</strong>n sollte diese Gefahr<br />
bannen. Der Hafen war einer <strong>de</strong>r größten im östlichen Mittelmeerraum, vergleichbar <strong>de</strong>m von<br />
Piräus. Damit zeigte <strong>de</strong>r König, wo <strong>de</strong>r Maßstab lag, an <strong>de</strong>m er seine Bautätigkeit messen<br />
wollte.
5<br />
Unmittelbar an das innere Hafenbecken anschließend ließ Hero<strong>de</strong>s auf einem hohen Podium<br />
einen Tempel errichten, <strong>de</strong>r Roma <strong>und</strong> Augustus geweiht war, nicht an<strong>de</strong>rs als etwa in<br />
Pergamon in <strong>de</strong>r Provinz Asia o<strong>de</strong>r wie es von <strong>de</strong>n Altären in Lyon <strong>und</strong> im oppidum Ubiorum,<br />
<strong>de</strong>m heutigen Köln, bekannt ist. Die Statuen von Roma <strong>und</strong> Augustus stan<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r<br />
cella <strong>de</strong>s Tempels. Nach Josephus soll <strong>de</strong>r Tempel sich so hoch erhoben haben, dass alle Seeleute,<br />
wenn sie sich von <strong>de</strong>r See her <strong>de</strong>m Hafen näherten, zuerst diesen erblickten, gewissermaßen<br />
als Hinweis darauf, wer durch die Einigung <strong>de</strong>r Mittelmeerwelt unter einer Herrschaft<br />
die sichere Seefahrt gewährleistet hat (Abb. 7). Nach <strong>de</strong>r letzten Rekonstruktion dürfte die<br />
Höhe min<strong>de</strong>stens 20 Meter erreicht haben. Heute ist von diesem Tempel fast nichts mehr erhalten;<br />
immerhin haben inzwischen die Archäologen einige Fragmente <strong>de</strong>r Säulen sowie <strong>de</strong>s<br />
Architravs gef<strong>und</strong>en, vor allem aber auch einige F<strong>und</strong>amentmauern <strong>de</strong>s Tempels i<strong>de</strong>ntifizieren<br />
können. Sie zeigen die ungeheuer saubere Steinmetzarbeit. Das ist ähnliche Qualitätsarbeit<br />
wie bei <strong>de</strong>m fast gleichzeitigen Neubau <strong>de</strong>s jüdischen Tempels in Jerusalem, ebenfalls ein<br />
Werk <strong>de</strong>s Hero<strong>de</strong>s. Der Tempel in <strong>Caesarea</strong> hat wohl min<strong>de</strong>stens bis ins spätere 4. Jh. bestan<strong>de</strong>n;<br />
im 5. o<strong>de</strong>r 6. Jh. wur<strong>de</strong> dann eine oktogonale christliche Kirche darüber errichtet, später<br />
eine Moschee, wie<strong>de</strong>r später ein Kirche <strong>de</strong>r Kreuzfahrer; heute liegen die Reste all dieser<br />
Bauten übereinan<strong>de</strong>r <strong>und</strong> sind nur noch durch das geschulte Auge <strong>de</strong>s Archäologen auseinan<strong>de</strong>r<br />
zu halten.<br />
Gera<strong>de</strong> dieser Tempel für Roma <strong>und</strong> Augustus zeigt, wie Hero<strong>de</strong>s alles tat, um seinem<br />
Herrn in Rom <strong>de</strong>utlich zu machen, dass er völlig mit ihm dachte, dass er in vollster Loyalität<br />
zu ihm stand; <strong>de</strong>nn dieser Tempel erhob sich zwar in einer Stadt, in <strong>de</strong>r sehr viele Menschen<br />
lebten, die einer <strong>de</strong>r vielen polytheistischen Religionen angehörten, <strong>und</strong> die vor allem Griechisch<br />
als ihre Verkehrssprache verwen<strong>de</strong>ten; doch es lebten in <strong>de</strong>r Stadt natürlich auch viele<br />
Ju<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>nen dieses heidnische Gebaren ihres Königs Probleme bereitete o<strong>de</strong>r die <strong>de</strong>swegen<br />
in ihm einen Gottlosen, einen Götzendiener sahen; sie dachten ähnlich wie die Makkabäer, die<br />
gera<strong>de</strong> <strong>de</strong>swegen im frühen 2. Jh. v. Chr. ihre eigenen Landsleute angegriffen <strong>und</strong> getötet<br />
hatten, weil sie sich solchem Kult nicht gr<strong>und</strong>sätzlich verweigert hatten. Doch für Hero<strong>de</strong>s<br />
war die Gunst von Augustus wichtiger für sein Überleben als die Wut <strong>de</strong>r Gottesfürchtigen im<br />
eigenen Lan<strong>de</strong>. Letztlich war die gesamte Stadt, zu <strong>de</strong>r neben <strong>de</strong>m Stadion auch ein Theater<br />
südlich <strong>de</strong>s Königspalastes gehörte, ein einziges Ärgernis für viele Ju<strong>de</strong>n (Abb. 8). Sieht man<br />
dies mit klaren Augen, dann ist es keine so große Überraschung, dass nach <strong>de</strong>m To<strong>de</strong> von<br />
Hero<strong>de</strong>s eine jüdische Gesandtschaft nach Rom eilte <strong>und</strong> darum bat, nicht <strong>de</strong>m Sohn <strong>de</strong>s Hero<strong>de</strong>s<br />
die Herrschaft zu übertragen, son<strong>de</strong>rn das Land an die <strong>römische</strong> Provinz Syria anzuschließen<br />
<strong>und</strong> sie so <strong>de</strong>m dortigen Statthalter zu unterstellen; <strong>de</strong>nn dann wären die jüdischen
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Gemein<strong>de</strong>n autonom gewesen <strong>und</strong> niemand hätte ihnen weiterhin solchen Götzendienst aufzwingen<br />
können. Doch Augustus verweigerte ihnen diesen Wunsch, je<strong>de</strong>nfalls im Jahr 4 v.<br />
Chr., als Hero<strong>de</strong>s starb. Zehn Jahre später war es dann soweit, dass Augustus das Land unter<br />
direkte <strong>römische</strong> Herrschaft nahm. Doch bevor auf dieses Ereignis eingegangen wer<strong>de</strong>n kann,<br />
muss noch über ein weiteres Bauwerk o<strong>de</strong>r besser über zwei Bauwerke <strong>de</strong>s Hero<strong>de</strong>s in <strong>Caesarea</strong><br />
gesprochen wer<strong>de</strong>n.<br />
Josephus beschreibt zusammen mit <strong>de</strong>m Hafen auch die beson<strong>de</strong>rs konstruierte Einfahrt,<br />
die von Nor<strong>de</strong>n her erfolgte, damit zum einen diese nicht mit Sand zugeschwemmt wer<strong>de</strong>n<br />
konnte, <strong>und</strong> damit die Schiffe durch die vorgelagerte Mole vom Südwind geschützt wären.<br />
Die eigentliche Einfahrt wur<strong>de</strong> nach Josephus durch Türme markiert, von <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r größte<br />
<strong>de</strong>n Namen Druseion erhielt. Er wur<strong>de</strong> nach Drusus <strong>de</strong>m Älteren, einem <strong>de</strong>r Stiefsöhne <strong>de</strong>s<br />
Augustus, benannt. Es ist <strong>de</strong>rjenige, <strong>de</strong>r von 12 - 9 v. Chr. das rechtsrheinische Germanien bis<br />
zur Elbe unterworfen hatte. Noch recht jung war er im Jahr 9 v. Chr. nach einem Sturz vom<br />
Pferd gestorben. Um ihn zu ehren, gab Hero<strong>de</strong>s <strong>de</strong>m Turm <strong>de</strong>n Namen <strong>de</strong>s Verstorbenen. Der<br />
Turm war ein Leuchtturm.<br />
Denkt man nun freilich an die Seeleute, die in <strong>de</strong>n Hafen einfahren mussten, dann war<br />
es für sie wichtig, die Einfahrt zu treffen. Diese lag zwischen <strong>de</strong>r einen Mole, die sich von<br />
Süd nach Nord erstreckte, <strong>und</strong> <strong>de</strong>r zweiten, die sich am nördlichen En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Hafens vom<br />
Land her westwärts hinaus ins Meer erstreckte. Musste man aber bei schlechtem Wetter o<strong>de</strong>r<br />
vielleicht sogar während <strong>de</strong>r Nacht wirklich <strong>de</strong>m Leuchtfeuer folgen, dann nützte ein einzelner<br />
Leuchtturm nicht so viel, man brauchte zwei, die die Einfahrt markierten. Eine solche<br />
Anlage wur<strong>de</strong> jetzt durch eine Ausgrabung <strong>und</strong> einen Inschriftenf<strong>und</strong> in Patara in <strong>de</strong>r Südtürkei<br />
<strong>de</strong>utlich; <strong>de</strong>nn dort wur<strong>de</strong>n im Jahr 64/65 ein Pharos <strong>und</strong> ein Antipharos erbaut, ein<br />
Leuchtturm <strong>und</strong> sein Gegenstück, die die bei<strong>de</strong>n Seiten <strong>de</strong>r Einfahrt in eine Bucht markierten.<br />
So müsste man eigentlich auch in <strong>de</strong>r <strong>Hero<strong>de</strong>sstadt</strong> zwei solche Leuchttürme an <strong>de</strong>r Hafeneinfahrt<br />
erwarten. Bis zum Jahr 1999 aber ist man immer von einem Leuchtturm ausgegangen.<br />
Damals hat Géza Alföldy mit einer sehr klugen Inschriftenverbesserung gezeigt, dass es in<br />
Wirklichkeit zwei Türme gegeben hat. Ausgangspunkt war für ihn allerdings die Einsicht,<br />
dass eine berühmte Inschrift aus <strong>Caesarea</strong>, die schon 1958 publiziert wur<strong>de</strong>, bisher völlig ungenügend<br />
ergänzt <strong>und</strong> verstan<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong> (Abb. 9). Berühmt ist die Inschrift freilich vor allem<br />
aus einem beson<strong>de</strong>ren Gr<strong>und</strong>. In ihr wird nämlich <strong>de</strong>r <strong>römische</strong> Repräsentant in Judaea genannt,<br />
unter <strong>de</strong>m Christus gekreuzigt wur<strong>de</strong>: Pontius Pilatus, <strong>de</strong>r es <strong>de</strong>swegen bis ins christliche<br />
Glaubensbekenntnis geschafft hat. Von ihm hatte man vor dieser Inschrift keinerlei dokumentarische<br />
Überlieferung, son<strong>de</strong>rn nur Hinweise bei späteren Historikern bzw. im NT.
7<br />
Hier hatte man aber nun einen Text, <strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>r Zeit <strong>de</strong>s Pilatus selbst stammte, <strong>de</strong>ssen Interpretation<br />
jedoch heftig umstritten war.<br />
Auf <strong>de</strong>m Stein kann man Folgen<strong>de</strong>s mit Sicherheit lesen:<br />
[-----]s Tiberiéum<br />
[- Po]ntius Pìlatus<br />
[praef]ectus Iudae[a]e<br />
[ref]éci[t].<br />
Daraus ergibt sich also, dass Pontius Pilatus als Präfekt von Iudaea zwischen 26 <strong>und</strong> 36 n.<br />
Chr. mit <strong>de</strong>r Arbeit an einem Bauwerk befasst war. Der Name <strong>de</strong>s Bauwerks lautet Tiberieum,<br />
hat also einen ein<strong>de</strong>utigen Bezug zu Tiberius, <strong>de</strong>m Nachfolger von Augustus. Man hat nicht<br />
selten gedacht, Pontius Pilatus habe ein Heiligtum für die Verehrung <strong>de</strong>s Tiberius in <strong>Caesarea</strong><br />
errichtet. Doch das ist nie durch einen <strong>römische</strong>n Repräsentanten geschehen. Vor allem musste<br />
man dann in <strong>de</strong>r ersten Zeile im linken verlorenen Teil sehr viel Text ergänzen. Doch das<br />
ist nicht nötig; <strong>de</strong>nn es fehlen dort, wie man sehr klar sehen kann, nur wenige Buchstaben,<br />
nämlich 5-6. Im Text fehlt aber eine Angabe, nämlich für wen das Bauwerk gedacht war.<br />
Ausgehend von diesen Voraussetzungen brachte Alföldy <strong>de</strong>n Namen Tiberieum mit <strong>de</strong>m Druseion<br />
bei Josephus in Verbindung. Das Wort ist in bei<strong>de</strong>n Fällen gleichartig von einem Personennamen<br />
abgeleitet; wenn aber mit Druseion ein Leuchtturm bezeichnet wird, dann gilt dies<br />
auch für das Wort Tiberieum. Hat man dies einmal festgestellt, dann ist die Ergänzung am<br />
Anfang von Zeile 1 ziemlich klar: [Nauti]s, für die Seeleute. Der Text lautet dann nach<br />
nochmaliger Autopsie am Original insgesamt:<br />
[Nauti]s Tiberiéum<br />
[- Po]ntius Pìlatus<br />
[praef]ectus Iudae[a]e<br />
[ref]éci[t]<br />
"Für die Seeleute hat Pontius Pilatus, Präfekt von Iudaea das Tiberieum wie<strong>de</strong>rherstellen<br />
lassen."<br />
Pontius Pilatus hat also zur Sicherheit <strong>de</strong>r Seeleute einen Leuchtturm wie<strong>de</strong>rherstellen<br />
lassen. Es war einer <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n Leuchttürme, die Hero<strong>de</strong>s zu bei<strong>de</strong>n Seiten <strong>de</strong>r Hafeneinfahrt<br />
errichtet hatte; einer von diesen war beschädigt wor<strong>de</strong>n, so dass Pilatus ihn wie<strong>de</strong>r herstellen<br />
ließ. Und tatsächlich haben die Archäologen nunmehr bei<strong>de</strong> F<strong>und</strong>amente für die Türme unter<br />
Wasser lokalisieren können. Damit ist das Bild <strong>de</strong>r herodischen Stadt <strong>Caesarea</strong> um eine wesentliche<br />
Komponente erweitert.
8<br />
Als Hero<strong>de</strong>s starb war seine Hauptstadt eine strahlen<strong>de</strong> Perle unter <strong>de</strong>n Städten <strong>de</strong>s östlichen<br />
Mittelmeers. Seine Bauwerke waren alle in einem hellen Kalkstein erbaut, <strong>de</strong>r je<strong>de</strong>m<br />
vermittelte, dass hier eine Stadt einheitlich mit einem energischen Willen gestaltet wor<strong>de</strong>n<br />
war. Sie vermittelte Wohlstand <strong>und</strong> Komfort, erleichterte <strong>de</strong>n Verkehr durch das regelmäßige<br />
Straßennetz, sorgte über eine erste Fernwasserleitung für frisches Wasser (Abb. 10) <strong>und</strong> ebenso<br />
für die Sauberkeit <strong>de</strong>r gesamten Anlage durch ein funktionieren<strong>de</strong>s Abwassersystem. Josephus<br />
hat auch das beschrieben. Und selbstverständlich war <strong>de</strong>r Ort durch eine Stadtmauer<br />
von <strong>de</strong>r Außenwelt geschützt.<br />
Sein Sohn <strong>und</strong> Nachfolger Archelaus konnte nur noch zehn Jahre in dieser Stadt residieren,<br />
dann wur<strong>de</strong> er von Augustus nach Gallien in die Verbannung gesandt, sein Herrschaftsgebiet<br />
eingezogen <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Provinz Syria zugeschlagen. Weithin wird auch heute noch in <strong>de</strong>r<br />
allgemeinen Literatur davon gesprochen, dass damals Iudaea eine eigene Provinz gewor<strong>de</strong>n<br />
sei, die von sogenannten Prokuratoren als Statthaltern geleitet wur<strong>de</strong>. Pontius Pilatus soll einer<br />
dieser Prokuratoren gewesen sein; so wird er auch beim Historiker Tacitus genannt. Doch<br />
tatsächlich wird Iudaea damals keine eigenständige Provinz, <strong>de</strong>r eigentliche Statthalter war<br />
vielmehr <strong>de</strong>r Legat von Syrien, <strong>de</strong>r seinen Sitz in Antiochia am Orontes hatte. Er war letztlich<br />
für alles, was in Iudaea geschah verantwortlich. Allerdings hatte dieser Statthalter nicht die<br />
Zeit, um sich ständig im jüdischen Gebiet aufzuhalten; <strong>de</strong>shalb hat Augustus sogleich, als er<br />
Judaea an die Provinz Syrien anschloss, eine Art Unterstatthalter nach Iudaea gesandt, <strong>de</strong>r<br />
aber nicht Prokurator hieß, son<strong>de</strong>rn Präfekt, eben so wie Pilatus in <strong>de</strong>r schon gezeigten Inschrift<br />
genannt wird. Das ist nicht nur eine Wortspielerei, die Bezeichnung praefectus verweist<br />
vielmehr darauf, dass er nicht <strong>de</strong>r unmittelbar <strong>und</strong> allein verantwortliche Vertreter Roms<br />
in Iudaea, son<strong>de</strong>rn ein Untergebener <strong>de</strong>s Statthalters von Syrien war. Das hat sich immer<br />
wie<strong>de</strong>r gezeigt, wenn sich seit <strong>de</strong>m Jahr 6 n. Chr. häufig jüdische Vertreter beim Statthalter<br />
Syriens über ihren Präfekten beschwerten <strong>und</strong> nicht selten Erfolg hatten; so wur<strong>de</strong> z. B. Pontius<br />
Pilatus nach zehnjähriger Amtszeit in Judaea auf eine Anklage <strong>de</strong>s jüdischen Synhedrions<br />
hin vom damaligen Statthalter Lucius Vitellius abberufen <strong>und</strong> nach Rom gesandt, wo sein Fall<br />
vor <strong>de</strong>m Kaiser verhan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n sollte.<br />
Seit <strong>de</strong>m Jahr 6 n. Chr. war je<strong>de</strong>nfalls Iudaea ein provinzialisierter Teil <strong>de</strong>s <strong>römische</strong>n<br />
Reiches. Der unmittelbare Vertreter Roms in Judaea war zuerst <strong>de</strong>r praefectus, <strong>de</strong>r in <strong>Caesarea</strong><br />
seinen Sitz nahm, also im bisherigen Zentrum <strong>de</strong>s annektierten Königsreiches. Antonius<br />
Felix, vor <strong>de</strong>m Paulus vor Gericht stand, war einer dieser Präfekten. Als nach <strong>de</strong>m ersten jüdischen<br />
Aufstand im Jahr 70 n. Chr. dieser ritterliche praefectus von einem senatorischen kaiserlichen<br />
Legaten abgelöst wur<strong>de</strong>, än<strong>de</strong>rte sich am Sitz <strong>de</strong>s <strong>römische</strong>n Vertreters nichts. Der
9<br />
einzige Unterschied war, dass dieser kaiserliche Legat nun wirklich auch Statthalter war.<br />
Denn Kaiser Vespasian hat Iudaea zu einer eigenen Provinz gemacht mit einer Legion als<br />
Besatzung, die in Jerusalem stationiert war; in <strong>de</strong>r langen Zeit von 6 bis 66 n. Chr. war in Iudaea<br />
ohne Legionsbesatzung gewesen.<br />
Mit Kaiser Vespasian begann für <strong>Caesarea</strong> jedoch nicht nur mit <strong>de</strong>m senatorischen<br />
Statthalter sozusagen eine neue Zeitrechnung. Vespasian verän<strong>de</strong>rte auch <strong>de</strong>n Status <strong>de</strong>r Stadt.<br />
Nach seinem Sieg über die jüdische Revolte erhob er die bisher vor allem von griechisch<br />
sprechen<strong>de</strong>n Bewohnern geprägte Stadt zu einer <strong>römische</strong>n Kolonie; es geschah dort also etwas<br />
Ähnliches wie in Köln im Jahr 50, als Claudius auf Drängen Agrippinas die Stadt <strong>de</strong>r<br />
Ubier zu einer Kolonie erhob. <strong>Caesarea</strong> hieß von nun an mit vollem Namen Col(onia) Prima<br />
Fl(avia) Aug(usta) Caes(ariensis) = was man übersetzten könnte mit: erste Kolonie Vespasians,<br />
benannt Augusta Caesariensis.<br />
Was geschah damals mit <strong>de</strong>r Stadt? Immer wie<strong>de</strong>r hat man in <strong>de</strong>r Forschung gesagt, die<br />
Stadt habe lediglich einen besseren Rechtsstatus erhalten, also <strong>de</strong>n einer <strong>römische</strong>n Kolonie;<br />
es seien aber nicht, wie man es aus an<strong>de</strong>ren Kolonien kennt, Veteranen angesie<strong>de</strong>lt wor<strong>de</strong>n,<br />
also lateinisch-sprachige <strong>römische</strong> Bürger. Nur die bisherigen Bewohner hätten somit <strong>römische</strong>s<br />
Bürgerrecht erhalten. Die aber sprachen in <strong>de</strong>r Masse entwe<strong>de</strong>r Griechisch o<strong>de</strong>r eine<br />
semitische Sprache. Wie aber hätten diese plötzlich die lateinische Sprache erlernt? Denn in<br />
<strong>de</strong>n kommen<strong>de</strong>n zwei Jahrh<strong>und</strong>erten war die offizielle Sprache <strong>de</strong>r Stadt Latein, <strong>und</strong> zwar<br />
offensichtlich auch im täglichen Leben, was nicht heißt, dass nicht auch weiterhin von vielen<br />
Griechisch verwen<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>. Ein solcher Wechsel in <strong>de</strong>r Sprache hin zu <strong>de</strong>m im Osten sonst<br />
wenig gebrauchten Latein aber kann nur erfolgt sein, wenn durch eine größere Zahl neuer<br />
Bewohner, <strong>und</strong> das waren dann sicherlich Legionsveteranen, die Bevölkerungszusammensetzung<br />
<strong>de</strong>utlich verän<strong>de</strong>rt wur<strong>de</strong>. Für die Ansiedlung solcher Veteranen stand Land <strong>und</strong> Raum<br />
in <strong>de</strong>r Stadt selbst zur Verfügung; viele Tausen<strong>de</strong> von Ju<strong>de</strong>n in <strong>Caesarea</strong> waren bei Kämpfen<br />
<strong>und</strong> Ausschreitungen in <strong>de</strong>n Jahren 66/67 ums Leben gekommen. Deren Häuser <strong>und</strong> Land<br />
konnte an Veteranen vergeben wer<strong>de</strong>n. Und es ist sicher kein Zufall, dass wir min<strong>de</strong>stens bis<br />
zum En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s 2. Jh., eher sogar noch länger kaum ein sicheres Zeugnis für Ju<strong>de</strong>n in <strong>Caesarea</strong><br />
haben.<br />
Es än<strong>de</strong>rte sich somit in <strong>Caesarea</strong> sehr viel, was sich auch in vielfältiger Weise im<br />
Stadtbild nie<strong>de</strong>rschlug. Uns interessiert hier vor allem, was mit <strong>de</strong>r Funktion als Zentrum <strong>römische</strong>r<br />
Macht, d.h. vor allem als Statthaltersitz verb<strong>und</strong>en war. Eine Gr<strong>und</strong>tatsache än<strong>de</strong>rte<br />
sich nicht: Der herodianische Palast wur<strong>de</strong> nun <strong>de</strong>r Sitz <strong>de</strong>s Statthalters (Abb. 11-12). Dieser<br />
Palast o<strong>de</strong>r besser das praetorium wur<strong>de</strong> aber <strong>de</strong>utlich vergrößert <strong>und</strong> ausgebaut. Wann genau
10<br />
dies geschah, wird man erst nach <strong>de</strong>r Publikation <strong>de</strong>r Grabungsberichte sagen können. Das<br />
Praetorium erstreckte sich, soweit man das heute schon sagen kann, über mehr als 25.000 qm,<br />
min<strong>de</strong>stens 100 Meter von Süd nach Nord, <strong>und</strong> nicht weniger als 250 Meter von West nach<br />
Ost; wieviel ins Meer abgerutscht ist, lässt sich nicht erkennen. Es lag quer zur Rückseite <strong>de</strong>r<br />
Rennbahn <strong>und</strong> wur<strong>de</strong> im Sü<strong>de</strong>n vom Theaterbezirk begrenzt. In diesem großen Komplex übte<br />
<strong>de</strong>r jeweilige Statthalter seine Funktionen aus, dort gab er <strong>de</strong>n Offizieren <strong>de</strong>r Truppen seine<br />
Befehle, dort händigte er vermutlich die Bürgerrechtsdiplome an die Soldaten aus, die nach 25<br />
Jahren Dienst entlassen wor<strong>de</strong>n waren. Im praetorium fan<strong>de</strong>n vor allem die Gerichtssitzungen<br />
statt, wie schon in <strong>de</strong>r Zeit <strong>de</strong>s Apostels Paulus. Ein Statthalter war gr<strong>und</strong>sätzlich <strong>de</strong>r höchste<br />
Richter in <strong>de</strong>r Provinz <strong>und</strong> für alle Arten von Prozessen zuständig, für Zivil- <strong>und</strong> Kriminalprozesse.<br />
Beson<strong>de</strong>rs die Kriminalgerichtsbarkeit war allein ihm anvertraut. Die Beschuldigten<br />
wur<strong>de</strong>n <strong>de</strong>m Legaten überstellt, <strong>de</strong>r damit auch dafür zu sorgen hatte, dass die Gefangenen in<br />
sicherem Gewahrsam gehalten wur<strong>de</strong>n <strong>und</strong> nicht entkamen. Tatsächlich hat man bei <strong>de</strong>n Grabungen<br />
einen Raum i<strong>de</strong>ntifizieren können, <strong>de</strong>r zur Gefängnisabteilung gehörte. In <strong>de</strong>r Mitte<br />
<strong>de</strong>s Raumes hat man ein Mosaik gef<strong>und</strong>en, in<strong>de</strong>m die Worte stehen:<br />
Spes bona adiutorib(us) offici custodiar(um) = "Viel Glück in <strong>de</strong>r Zukunft für die Assistenten<br />
<strong>de</strong>r Abteilung, die für das Gefängnis zuständig ist" (Abb. 13).<br />
Das war also ein Raum, in <strong>de</strong>m sich das Hilfspersonal aufhielt, das für <strong>de</strong>n Gefängnistrakt<br />
innerhalb <strong>de</strong>s praetorium verantwortlich war. Als das Mosaik in <strong>de</strong>n 90er Jahren gef<strong>und</strong>en<br />
wur<strong>de</strong>, schrieben Zeitungen in <strong>de</strong>n USA, man habe das Gefängnis <strong>de</strong>s Apostels Paulus<br />
gef<strong>und</strong>en: St. Paul's prison fo<strong>und</strong>. Das ist natürlich nicht zutreffend, <strong>de</strong>nn das Mosaik entstand<br />
kaum vor <strong>de</strong>m 2. Jh., als <strong>de</strong>r Apostel längst tot war; aber es ist nicht ausgeschlossen, dass er in<br />
dieser Gegend <strong>de</strong>s praetorium untergebracht war. Seinen Gefangenenstatus muss man sich<br />
auf je<strong>de</strong>n Fall an<strong>de</strong>rs vorstellen als <strong>de</strong>n eines normalen Provinzbewohners; <strong>de</strong>nn er erhielt als<br />
<strong>römische</strong>r Bürger vermutlich eine Vorzugsbehandlung.<br />
Einen weiteren Reflex auf die Gerichtstätigkeit <strong>de</strong>s Statthalters hat man in Fluchtafeln .<br />
Auf einer dieser Tafeln schrieb <strong>de</strong>r für uns anonyme Verfasser Verwünschungen, die einen<br />
Prozeß zu seinen Gunsten beeinflussen sollten. Damit die Flüche auch unmittelbar wirkten,<br />
hat er sie in einem Brunnen innerhalb <strong>de</strong>s praetorium geworfen; so sollten sie direkt mit <strong>de</strong>n<br />
unterirdischen Mächten in Verbindung kommen, die ihrerseits <strong>de</strong>n Prozess, <strong>de</strong>r im Praetorium<br />
stattfand, beeinflussen sollten (Abb. 14).<br />
Auch ein weiterer Raum war für eine Abteilung <strong>de</strong>s Statthalterpersonals vorgesehen, das<br />
mit <strong>de</strong>m Justizwesen befasst war. In diesem Raum, im Osten <strong>de</strong>s Komplexes gelegen, fin<strong>de</strong>t<br />
sich ebenfalls ein Mosaik mit <strong>de</strong>m Text: Sanct[o] Genio fru[m]entarioru[m] omnia felicia =
11<br />
"Dem heiligen Genius <strong>de</strong>r Frumentarii geweiht - möge alles glücklich verlaufen" (Abb. 15).<br />
Wie schon bei <strong>de</strong>n adiutores <strong>de</strong>s Gefängnisses wird also auch hier <strong>de</strong>r Eintreten<strong>de</strong> mit einem<br />
Segenswunsch empfangen. Dabei waren die frumentarii gefürchtet, <strong>de</strong>nn sie galten als Geheimpolizei<br />
<strong>und</strong> wur<strong>de</strong>n bei Verhaftungen eingesetzt. Für die Aufrechterhaltung <strong>de</strong>r Ordnung<br />
in <strong>de</strong>r Provinz unterstan<strong>de</strong>n sie <strong>de</strong>m Statthalter. Ihre Soldaten kamen aus einer <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n <strong>römische</strong>n<br />
Legionen, die seit <strong>de</strong>n frühen Jahren <strong>de</strong>s 2. Jh. in <strong>de</strong>r Provinz stan<strong>de</strong>n.<br />
Das gilt auch für eine weitere Abteilung <strong>de</strong>s Statthalterpersonals, für centuriones, also<br />
Hauptleute, die aus <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Legionen in die Provinzhauptstadt abgeordnet waren. Ihr<br />
Raum lag an <strong>de</strong>r Rückwand <strong>de</strong>r Rennbahn; eine Treppe führte aus <strong>de</strong>m Raum unmittelbar auf<br />
<strong>de</strong>n höchsten Rang <strong>de</strong>s Stadions, so dass die Herren Offiziere von dort aus die Rennen verfolgen<br />
konnten. In ihrem Raum, <strong>de</strong>r schola genannt wird, stand eine mensa, ein gemauerter<br />
Tisch, auf <strong>de</strong>m vermutlich Kaiserbüsten aufgestellt waren, aber dort konnte man auch Trinkgefässe<br />
abstellen; <strong>de</strong>nn eine schola diente zwar einerseits dienstlichen Aufgaben, aber auch<br />
<strong>de</strong>m Zusammensein nach <strong>de</strong>m Dienst; es war eine Art Club, verb<strong>und</strong>en mit Dienstaufgaben<br />
(Abb. 16). Diese Gesellschaft von höheren Offizieren stand auch unter <strong>de</strong>m Schutz einer Gottheit,<br />
wohl auch eines Genius wie bei <strong>de</strong>n frumentarii. Die Statue <strong>de</strong>s Genius hatte einer <strong>de</strong>r<br />
centuriones, <strong>de</strong>r sich custos scolae = Wächter <strong>de</strong>r scola nennt. Der Text lautet: Cl(audius)<br />
Severus cust(os) sc(olae) (centurionum) s(ua) p(ecunia) f(ecit)<br />
neben <strong>de</strong>r mensa aufgestellt (Abb. 17).<br />
Mit diesen drei Räumen fasst man sicherlich nur einen kleinen Teil <strong>de</strong>s um <strong>de</strong>n Statthalter<br />
versammelten Personals. Hinzukommen zum einen noch die fünf Liktoren mit ihren Fasces,<br />
die je<strong>de</strong>n Legaten begleiteten, ferner viele Soldaten, die hier als Wachen Dienst taten;<br />
aber je<strong>de</strong>r Statthalter war auch von Leuten aus seiner Heimat begleitet, manchmal auch von<br />
seiner Familie; <strong>de</strong>nn im Durchschnitt blieb ein Legat etwa drei Jahre in <strong>de</strong>r Provinz. Fast alle<br />
diese Personen vertraten in gewisser Hinsicht Rom, sie stammten auch zumeist aus einem<br />
Milieu, das Lateinisch sprach. So kann man sich leicht vorstellen, dass in diesem weitausge<strong>de</strong>hnten<br />
Palast mit offenen Höfen <strong>und</strong> langen Portiken die Sprache Roms vorgeherrscht hat;<br />
doch immer wie<strong>de</strong>r wur<strong>de</strong> hier auch Griechisch o<strong>de</strong>r eine <strong>de</strong>r regionalen Sprachen gehört;<br />
wenn nötig stan<strong>de</strong>n bei Gerichtsverhandlungen für diese Sprachen Dolmetscher zur Verfügung.<br />
In diesen großen Räumen, von <strong>de</strong>nen manche vermutlich zweistöckig waren, mit Ausblick<br />
auf das Meer <strong>und</strong> auf die Rennbahn (Abb. 18), stan<strong>de</strong>n nicht nur Statuen <strong>de</strong>s regieren<strong>de</strong>n<br />
Kaisers, son<strong>de</strong>rn auch die von lange verstorbenen Vorgängern, ebenso von Statthaltern,<br />
die innerhalb ihres Amtssitzes geehrt wur<strong>de</strong>n. Von <strong>de</strong>n Statuen ist nichts erhalten geblieben,<br />
wohl aber einige Statuenbasen o<strong>de</strong>r zumin<strong>de</strong>st Fragmente davon, wie etwa ein Fragment, das
12<br />
<strong>de</strong>n Legaten Cossonius Gallus um das Jahr 120 nennt (Abb. 19), auf einer an<strong>de</strong>ren Basis stand<br />
einst die Statue eines Statthalters, <strong>de</strong>r um 156/57 dort Rom vertreten hatte. Man darf davon<br />
ausgehen, dass die langen säulengetragenen Portiken überfüllt waren mit solchen Statuen.<br />
Je<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>r die Räume <strong>de</strong>s Praetorium durchschritt, ging an einem Teil <strong>de</strong>r Geschichte <strong>de</strong>r Provinz<br />
vorüber.<br />
Doch dieses praetorium war nicht <strong>de</strong>r einzige Ort, an <strong>de</strong>m Rom greifbar <strong>und</strong> präsent<br />
war. Neben <strong>de</strong>m Statthalter amtierte in je<strong>de</strong>r Provinz noch ein Amtsträger, <strong>de</strong>r die <strong>und</strong>ankbare,<br />
aber notwendige Funktion <strong>de</strong>s Fiskalagenten ausübte. In Provinzen mit einem kaiserlichen<br />
Legaten wie in Judaea war dies ein ritterlicher Finanzprokurator. Lange Zeit wusste man<br />
nicht, wo dieser in Iudaea seit <strong>de</strong>m Jahr 70 seinen Sitz hatte; <strong>de</strong>nn häufig lag <strong>de</strong>r Amtssitz <strong>de</strong>s<br />
Statthalters in einer an<strong>de</strong>ren Stadt als <strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Prokurators. In Iudaea amtierten bei<strong>de</strong>, wie man<br />
heute weiß, in <strong>Caesarea</strong>, doch sie hatten ganz selbstverständlich zwei getrennte Amtsgebäu<strong>de</strong>.<br />
Unmittelbar südlich <strong>de</strong>s Hafens <strong>und</strong> südlich <strong>de</strong>r Stadtmauer, die später von <strong>de</strong>n Kreuzfahrern<br />
errichtet wur<strong>de</strong>, hatte man seit <strong>de</strong>n 60er Jahren unmittelbar beieinan<strong>de</strong>r mehrere Inschriften<br />
gef<strong>und</strong>en, die zu Ehren<strong>de</strong>nkmälern von Finanzprokuratoren <strong>de</strong>r Provinz Iudaea gehörten. Da<br />
es sehr unwahrscheinlich ist, dass man in nachantiker Zeit Inschriften mit gleicher Funktion,<br />
hier <strong>de</strong>r Ehrung von Prokuratoren, von weit her verschleppt <strong>und</strong> dann aber am selben Ort abgela<strong>de</strong>n<br />
hat, muss <strong>de</strong>r Sitz <strong>de</strong>s Prokurators irgendwo in dieser Gegend gewesen sein, nicht<br />
weit vom Hafen entfernt. Seit etwa 1990 haben zunächst ein amerikanisches, dann ein israelisches<br />
Team dort einen großen Ruinenkomplex ausgegraben. Dabei wur<strong>de</strong>n zusätzlich viele<br />
Inschriftenfragmente gef<strong>und</strong>en, die wie im Statthalterprätorium fast ausnahmslos in lateinischer<br />
Sprache geschrieben waren. Es sind zumeist kümmerliche Reste, die so erhalten geblieben<br />
sind. Sie machen <strong>de</strong>n Eindruck, dass in später Zeit marmorne Inschriftentafeln von dort,<br />
wo sie angebracht waren, heruntergerissen wur<strong>de</strong>n, um wie<strong>de</strong>rverwen<strong>de</strong>t o<strong>de</strong>r zu Kalk gebrannt<br />
zu wer<strong>de</strong>n. Manche Fragmente wur<strong>de</strong>n achtlos liegen gelassen <strong>und</strong> konnten so im<br />
Schutt bis heute überleben. Nur ein einziges Beispiel sei hier vorgeführt. Ein relativ gut erhaltenes<br />
Fragment zeigt folgen<strong>de</strong>n Text (Abb. :<br />
[..?Calp]urnio Quin[tian]o proc(uratori) Aug(usti) [prov]inc(iae) S[y]r(iae)<br />
Pal(aestinae) [---].<br />
Der Text sagt uns, dass ein Calpurnius Quintianus als procurator <strong>de</strong>r Provinz Syria Palaestina<br />
geehrt wur<strong>de</strong>, <strong>und</strong> zwar mit einer Statue, unter <strong>de</strong>r dieser Text angebracht war; wer<br />
<strong>de</strong>r Dedikant gewesen war, wissen wir nicht, da <strong>de</strong>r Text abgebrochen ist. Da Quintianus in<br />
Syria Palaestina amtierte, gibt uns dies bereits einen zeitlichen Hinweis: er kann erst nach<br />
<strong>de</strong>m En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Bar Kochba Aufstan<strong>de</strong>s dort gewesen sein, also nicht vor 136, als dieser Krieg
13<br />
en<strong>de</strong>te; <strong>de</strong>nn erst danach verwen<strong>de</strong>te man diesen Namen statt Iudaea. Hier kommt nun ein<br />
großer Zufall zu Hilfe; <strong>de</strong>nn aus einem Papyrus, <strong>de</strong>r in Ägypten gef<strong>und</strong>en wur<strong>de</strong>, <strong>de</strong>r aber aus<br />
<strong>Caesarea</strong> stammt, kennen wir im Jahr 152 einen Quintianus als Amtsträger in dieser Stadt.<br />
Man darf die bei<strong>de</strong>n Zeugnisse mit Sicherheit miteinan<strong>de</strong>r verbin<strong>de</strong>n, womit wir diese Person<br />
recht genau datieren können.<br />
So könnte man fortfahren; min<strong>de</strong>stens noch acht weitere Fragmente lassen sich so verstehen,<br />
dass sie sich auf Prokuratoren beziehen. Das Wichtige daran ist jedoch, dass sie alle in<br />
<strong>de</strong>m sehr genau abgegrenzten Baukomplex gef<strong>und</strong>en wur<strong>de</strong>n, so wie die schon genannten drei<br />
Inschriften. Und schließlich kam auch noch eine Statuenbasis innerhalb dieses Komplexes<br />
zum Vorschein, auf <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Name eines kaiserlichen Freigelassenen, eines Titus Flavius Callistus<br />
steht (Abb.21). Er, das sollte man nicht vergessen, war bis zu seiner Freilassung Sklave<br />
gewesen, ein rechtloses Objekt. Hier in <strong>Caesarea</strong> aber wird er von einem freigeborenen Römer,<br />
einem Fre<strong>und</strong> C. Aurunculeius mit einer Statue geehrt. C. Aurunculeius nennt sich amicus,<br />
Fre<strong>und</strong> <strong>de</strong>s Freigelassenen. Wie lässt sich das erklären? Dieser Flavius Callistus war in<br />
<strong>de</strong>r kaiserlichen Finanzadministration <strong>de</strong>r Provinz tätig. Vermutlich war er <strong>de</strong>r Stellvertreter<br />
<strong>de</strong>s Finanzprokurators. Das aber heißt, dass durch seine Hän<strong>de</strong> die gesamten Steuereinnahmen<br />
ebenso aber auch die Ausgaben für die Provinz gingen. Allein für das <strong>römische</strong> Heer brauchte<br />
man im 2. Jh. eine Min<strong>de</strong>stsumme von 25 Millionen Sesterzen. Dazu kamen Naturallieferungen<br />
für Verpflegung, Waffen, für Ersatzteile je<strong>de</strong>r Art. All das ging ganz konkret durch <strong>de</strong>n<br />
Amtssitz <strong>de</strong>s Finanzprokurators <strong>und</strong> damit auch durch die Hän<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Freigelassenen Flavius<br />
Callistus. Eine solch mächtige Person zum Fre<strong>und</strong> zu haben, konnte nur von Vorteil sein.<br />
Dieses Praetorium <strong>de</strong>s Finanzprokurators war noch vielfältiger in seiner Funktion als<br />
das Praetorium <strong>de</strong>s Statthalters. Das zeigt sich an <strong>de</strong>r Lage <strong>und</strong> an <strong>de</strong>n Baulichkeiten.<br />
Die Orientierung <strong>de</strong>s Bauwerks war ursprünglich hin zum Meer gewesen. Sieht man<br />
vom Meer her auf <strong>de</strong>n Komplex, dann erkennt man vier große Gewölbe, auf <strong>de</strong>nen das darüber<br />
liegen<strong>de</strong> Bauwerk mit einer großen Audienzhalle ruhte (Abb. 22). Zwar dienten die Gewölbe<br />
als Substruktionen für das Gebäu<strong>de</strong> selbst, aber die Gewölbe dienten vor allem als<br />
Speicher für die Waren, die durch die Hän<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Prokurators <strong>und</strong> seiner Administration gingen.<br />
Dieser gesamte Komplex wur<strong>de</strong> später zur Stadt hin orientiert; die Front sah nicht mehr<br />
nach Westen zum Meer hin, son<strong>de</strong>rn nach Osten zu <strong>de</strong>r von Nord nach Süd verlaufen<strong>de</strong>n<br />
Straße (Abb. 23). Dieses Gebäu<strong>de</strong> muss auch zahlreiche Besucher gehabt haben, <strong>de</strong>nn an <strong>de</strong>r<br />
südöstlichen Ecke <strong>de</strong>s Komplexes ist eine große Latrine angelegt. An <strong>de</strong>r Straßenfront wur<strong>de</strong>n<br />
schließlich mächtige Marmorsäulen errichtet, die eine Frontportikus trugen. Alle diese Elemente<br />
passen bestens zum Amtssitz eines Prokurators. Er hat die Steuern eingenommen, dazu
14<br />
gab es wohl auch größeren Publikumsverkehr; Streitigkeiten über die Steuern <strong>und</strong> Prozesse<br />
wegen <strong>de</strong>r Steuern wur<strong>de</strong>n vor <strong>de</strong>m Prokurator abgehan<strong>de</strong>lt; dazu diente die Gerichtshalle.<br />
Noch wichtiger war, dass <strong>de</strong>r Prokurator das Provinzheer mit allem Wichtigen versorgen<br />
musste, mit Materialien, die nicht selten über das Meer herangebracht wer<strong>de</strong>n mussten. Deshalb<br />
war es kein Zufall, dass <strong>de</strong>r Amtssitz <strong>de</strong>s Prokurators unmittelbar südlich <strong>de</strong>s Hafens lag;<br />
von dort konnten die Waren direkt in die Gewölbe unter <strong>de</strong>m Praetorium geschafft wer<strong>de</strong>n,<br />
o<strong>de</strong>r in die Lagerhallen direkt südlich <strong>de</strong>s Praetorium. Zu Waren, die über <strong>de</strong>n Prokurator an<br />
das Heer geliefert wur<strong>de</strong>n, gehörten auch Metalle für Waffen, Rüstungen <strong>und</strong> Artilleriegeschosse<br />
wie zum Beispiel Bleibarren, die im Hafen von <strong>Caesarea</strong> aus <strong>de</strong>m Wasser geholt<br />
wur<strong>de</strong>n. Das Blei stammte aus Bergwerken im heutigen Kroatien o<strong>de</strong>r Bosnien-Herzegowina,<br />
sie sind ein winziger Hinweis auf <strong>de</strong>n Import, <strong>de</strong>r in diesem Hafen angelan<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>. Allein<br />
<strong>de</strong>r Prokuratorensitz war also ein großes Verteilerzentrum von Waren <strong>und</strong> Geld, die hier angeliefert<br />
wur<strong>de</strong>n. Am Eingang zu diesem Amtssitz hat man ein Mosaik ent<strong>de</strong>ckt mit <strong>de</strong>m einen<br />
lateinischen Wort: Feliciter = Glückauf. Für Leute, die dort ihre Steuern einzuzahlen hatten,<br />
klang das eher wie Hohn. Doch niemand konnte diesem Zwang entkommen.<br />
Für mehr als 250 Jahre waren diese bei<strong>de</strong>n großen administrativen Komplexe die Zentren<br />
von Politik <strong>und</strong> Verwaltung im <strong>römische</strong>n Iudaea o<strong>de</strong>r Syria Palaestina, zuständig für die<br />
gesamte Provinz. Wer Recht erhalten wollte, musste sich dort einfin<strong>de</strong>n, entwe<strong>de</strong>r beim Statthalter<br />
o<strong>de</strong>r beim Prokurator, je nach<strong>de</strong>m, um welche Streitfrage es sich han<strong>de</strong>lte. Den unterschiedlichen<br />
Rang zwischen <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n höchsten Amtsträgern konnte man unmittelbar erleben.<br />
Zum einen allein durch die Größe. Das Praetorium <strong>de</strong>s Statthalters erstreckte sich min<strong>de</strong>stens<br />
über 25.000 qm, das <strong>de</strong>s Finanzprokurators nur über ca. 7.500 qm. Raum <strong>und</strong> Dimension<br />
<strong>de</strong>s Amtssitzes verkün<strong>de</strong>ten die hierarchisch gestufte Macht. Zum an<strong>de</strong>rn zeigte sich <strong>de</strong>r<br />
verschie<strong>de</strong>ne Charakter beim Personal. Bis man zum Statthalter vordrang, erlebte man das<br />
Militär, das zu seinem Schutz <strong>und</strong> als sein Personal bereit stand. Beim Prokurator wirkte <strong>de</strong>r<br />
Großteil <strong>de</strong>s Personals ziviler, aber wohl kaum weniger einschüchternd; es waren generell<br />
kaiserliche Sklaven <strong>und</strong> Freigelassene. Viele von ihnen galten als bestechlich, manche waren<br />
es auch. Nicht wenige Besucher haben diese Zentren <strong>de</strong>r <strong>römische</strong>n Macht in <strong>Caesarea</strong> mit<br />
unangenehmem Gefühl betreten.<br />
Diese Welt <strong>und</strong> ihre Träger waren in <strong>de</strong>n ersten drei Jahrh<strong>und</strong>erten <strong>de</strong>r Kaiserzeit lateinisch-römisch<br />
geprägt, wie es uns die Inschriften zeigen, ähnlich wie auch die Kolonie selbst.<br />
Das än<strong>de</strong>rte sich in <strong>de</strong>r Spätantike, worauf noch kurz einzugehen ist, auch um <strong>de</strong>n Kontrast<br />
zur vorausgehen<strong>de</strong>n Zeit zu zeigen. Irgendwann wohl in <strong>de</strong>r ersten Hälfte <strong>de</strong>s 4. Jh. ist <strong>de</strong>r<br />
Statthalter umgezogen; vermutlich war zumin<strong>de</strong>st ein Teil seines Palastes schon damals im
15<br />
Wasser versunken. Zu<strong>de</strong>m gab es seit Beginn <strong>de</strong>s 4. Jh. <strong>de</strong>n Finanzprokurator nicht mehr; <strong>de</strong>r<br />
Statthalter übernahm <strong>de</strong>ssen Aufgaben <strong>und</strong> schließlich auch <strong>de</strong>ssen Amtssitz. Während das<br />
alte Gebäu<strong>de</strong> wohl langsam <strong>de</strong>m Meer zum Opfer fiel, wur<strong>de</strong> das Statthaltergebäu<strong>de</strong> nahe <strong>de</strong>s<br />
Hafens mehrfach umgebaut, mit immer größerer Pracht: Macht braucht Repräsentation. Das<br />
kann ich hier nicht mehr näher verfolgen. Was jedoch <strong>de</strong>n Wan<strong>de</strong>l beson<strong>de</strong>rs markant macht,<br />
das sind die Inschriften, jetzt fast generell als Mosaik verlegt, <strong>und</strong> vor allem ausschließlich in<br />
griechischer Sprache. Sie geben auch einen Reflex auf <strong>de</strong>n Wan<strong>de</strong>l hin zum Christentum. Sie<br />
lauten z. B.:<br />
"Es währe ewig <strong>de</strong>r Frie<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Christen." O<strong>de</strong>r man formuliert nach einem Psalmvers:<br />
"Frie<strong>de</strong> Deinem Kommen <strong>und</strong> Deinem Gehen." Wichtiger war vielleicht noch die Auffor<strong>de</strong>rung<br />
an die Steuerzahler: "Du willst die staatliche Macht nicht fürchten? Dann tue das<br />
Gute <strong>und</strong> du wirst Lob von ihr erhalten" (Abb: 24); ins Prosaische übersetzt heißt das: zahle<br />
<strong>de</strong>ine Steuern pünktlich <strong>und</strong> vollständig. In dieser Hinsicht hat sich die Mentalität <strong>de</strong>r Menschen<br />
wohl kaum geän<strong>de</strong>rt.<br />
Solche Sätze haben das ost<strong>römische</strong> Reich im 6. <strong>und</strong> 7. Jh. jedoch nicht so gestärkt, dass<br />
es <strong>de</strong>m Ansturm <strong>de</strong>r muslimischen Heere wi<strong>de</strong>rstehen konnte, auch nicht <strong>Caesarea</strong>. Im Jahr<br />
640 wur<strong>de</strong> es erobert, womit ein scharfer Nie<strong>de</strong>rgang einsetzte. Eine neue Blüte brachten die<br />
Kreuzfahrer, doch auch ihre Herrschaft fand bald wie<strong>de</strong>r ein En<strong>de</strong>, womit <strong>de</strong>r Ort noch mehr<br />
verfiel. Zu Beginn <strong>de</strong>s 20. Jh. war nur noch ein armseliges Dorf über <strong>de</strong>n Ruinen <strong>de</strong>s antiken<br />
<strong>Caesarea</strong> vorhan<strong>de</strong>n, bis es die Archäologie langsam wie<strong>de</strong>rerweckte. Wenn sie je<strong>de</strong>nfalls <strong>de</strong>n<br />
Charme archäologischer Stätten <strong>und</strong> ein Zentrum <strong>römische</strong>r Macht <strong>und</strong> gleichzeitig die wichtigste<br />
Gründung <strong>de</strong>s Hero<strong>de</strong>s erleben wollen, dann gehen Sie nach <strong>Caesarea</strong>: sie erleben dort<br />
alles zur gleichen Zeit mit beson<strong>de</strong>rer Intensität (Abb. 25).<br />
Universität zu Köln<br />
Werner Eck