Medizinische Aspekte zum Lawinenunfall
Medizinische Aspekte zum Lawinenunfall
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Notfallmedizinische Maßnahmen bei Verschüttungsdauer bis 35 Minuten<br />
In diesem Zeitabschnitt ist die Schnelligkeit der Bergung entscheidend, um ein<br />
rasches Ersticken zu verhindern. Die Feststellung einer Atemhöhle ist von zweitrangiger<br />
Bedeutung. Noch während der Bergung müssen verlegte Atemwege so rasch<br />
wie möglich freigelegt werden. Bei Ateminsuffizienz oder Atemstillstand muss die<br />
Beatmung bereits in der Bergungshöhle begonnen werden.<br />
Da eine lebensbedrohliche Hypothermie nicht zu erwarten ist, wird der Patient nach<br />
den allgemeinen notfallmedizinischen Richtlinien (ILCOR guidelines 2000) behandelt.<br />
Befindet er sich in kritischem Zustand, so kann man davon ausgehen, dass dieser<br />
auf akute Asphyxie durch Verlegung der Atemwege, mechanische Thoraxkompression,<br />
Aspiration oder auf ein mechanisches Trauma zurückzuführen ist. Bei eingetretenem<br />
Herzkreislaufstillstand muss die Basisreanimation (BLS, Basic Life Support),<br />
bzw. erweiterte Reanimation (ALS, Advanced Life Support) eingeleitet werden.<br />
Die Behandlung der Patienten sollte unter windstillen Verhältnissen in der Bergungshöhle<br />
oder einem Behandlungszelt durchgeführt werden, um ein Abkühlen bei kalten<br />
Außentemperaturen und Wind zu verhindern. Bei einer Intubation auf dem Lawinenfeld<br />
kann es für den Notarzt notwendig sein, sich selbst und den Kopf des Patienten<br />
mit einer Decke oder Windjacke abzudecken, um störende Lichtreflexe zu vermeiden.<br />
Vor einem längeren Abtransport muss der Patient prophylaktisch mit einer Wärmepackung<br />
versorgt werden, bestehend aus chemischen Wärmebeuteln, Aluminiumfolie,<br />
Wolldecken, Biwaksack und Mütze. Die Wahl des geeigneten Zielkrankenhauses<br />
richtet sich bei traumatisierten Patienten nach der Art der Verletzung, ansonsten wird<br />
das nächstgelegene Krankenhaus mit Intensivabteilung angeflogen.<br />
Notfallmedizinische Maßnahmen bei Verschüttungsdauer über 35 Minuten<br />
Ab 35 Minuten Verschüttungsdauer: die Existenz einer Atemhöhle ist Voraussetzung<br />
für das Überleben, weshalb bei der Freilegung des Verschütteten genau<br />
darauf geachtet werden muss.<br />
Wird ein Verschütteter mit Atemhöhle geborgen, stellt die Behandlung der Hypothermie<br />
die wichtigste notfallmedizinische Maßnahme dar. Die Bergung muss nicht<br />
so rasch, sondern so sanft wie möglich erfolgen.<br />
Beim Ausgraben muss auf die Erhaltung einer eventuell vorhandenen Atemhöhle<br />
und das Freihalten der Atemwege genau geachtet werden. Der Körper des(r) Verschütteten<br />
muss zur Gänze ausgegraben sein, bevor er ohne große Bewegungen<br />
geborgen wird. Sind Bewegungen des Rumpfes und der großen Gelenke für die<br />
Bergung und Lagerung notwendig, so müssen sie so langsam wie möglich durchgeführt<br />
werden.<br />
Bereits am Unfallort sollte der Schweregrad der Hypothermie an Hand der Schweizer<br />
Stadieneinteilung abgeschätzt werden.<br />
Brugger H. <strong>Medizinische</strong> <strong>Aspekte</strong> <strong>zum</strong> <strong>Lawinenunfall</strong> © 2003. Alle Rechte vorbehalten