FreiGeist 06 07 Freigeist Interview „Warum Duisburg?“ Weder Dubai noch Shanghai: Einer der größten Architekten unserer Zeit bewundert Duisburgs Fähigkeit sich neu zu erfinden. Im Interview erläutert der Globetrotter Lord Norman Foster, warum er dem Wasser eine solch tragende Rolle in der Stadtentwicklung Duisburgs einräumt und warum Architekten in ihrer Arbeit niemals wirklich frei sind. gesammelte Regenwasser aus dem gesamten Stadtbezirk läuft über ein Überlaufsystem in die Kanäle. Sie entschärfen also das Problem, das der hohe Grundwasserspiegel für dieses Areal darstellt. Sie sind nicht nur eine Bereicherung für die Landschaft, sondern sorgen auch für mehr gestalterische Ästhetik. Wie wird sich Duisburg Ihrer Meinung nach bis 2020 entwickeln? Die strategisch günstige geographische Lage der Stadt, ihre exzellente Verkehrsanbindung und der kluge Restrukturierungsansatz der Stadt machen Duisburg zu einem neuen aufregenden urbanen Zentrum für die gesamte Region. Als Modell für nachhaltiges Wohnen kann die Stadt in Zukunft eine Pionierrolle einnehmen. „Qualität hat mit Einstellung und nicht mit Geld zu tun.“ Sie sind auch für das alte Güterbahnhofsgelände, die „<strong>Duisburger</strong> Freiheit“ verantwortlich. Wie sehen Ihre genauen Planungsstrategien für dieses Areal aus, und wie wird sich Ihrer Meinung nach die Beziehung zwischen diesem Gelände und der übrigen <strong>Duisburger</strong> Innenstadt einmal gestalten? Kurzbiografie Lord Norman Foster 1935 Geboren in Reddish, Stockport, England als Sohn einer Arbeiterfamilie 1961 Examen an der Universität Manchester, Stipendium der Yale School of Art and Architecture 1965 Gründung des Architekturbüros Team 4 1967 Offizielle Gründung von Foster Associates (heute Foster + Partners) 1999 Auszeichnung mit dem renommierten Pritzker-Preis Erhebung zum „Baron Foster of Thames Bank“ als Life Peer Sitz im House of Lords 2005 Auszeichnung mit dem Welt Solar Preis Seit Mitte der neunziger Jahre sind Sie maßgeblich an der Stadterneuerung und Ideenplanung der <strong>Duisburger</strong> Innenstadt beteiligt. Was macht diese Herausforderung für Sie so spannend, welche Potenziale bietet Ihrer Meinung nach dieses Areal und was hat Sie davon überzeugt, in dieser Stadt zu arbeiten? Die Stadt Duisburg hat sich nach dem Niedergang ihrer Schwerindustrie, die sie stark geprägt hat, erfolgreich neu erfunden. Unsere erste Arbeit in der Stadt war der ElecTronicPark, wo wir moderne Technologiefirmen in ein von Wohngebäuden dominiertes Gebiet integriert haben. Auf diese Weise konnten wir zeigen, dass man saubere Industrien durchaus im Stadtkern ansiedeln kann. Das war unser erstes Projekt, das wir in Deutschland realisiert haben. Wir hatten dort glücklicherweise die Möglichkeit, ganz neue energiewirtschaftliche und ökologische Ansätze auszuprobieren. Wir konnten so zeigen, wie die attraktive, nachhaltige Stadt der Zukunft aussehen kann. Der ElecTronicPark war der Prototyp für den Reichstag, der ökologisch noch ausgereifter war. Die Themen, die uns bei diesem Projekt beschäftigt haben, haben wir dann verstärkt in unserem Masterplan für die Umnutzung und wirtschaftliche Neubelebung des Innenhafens Duisburg – der jetzt nicht mehr für die Schifffahrt genutzt wird – verfolgt: Hier haben wir Neubauten mit der sorgfältigen Restaurierung ausgewählter Gebäude kombiniert. Der letzte Bauabschnitt, Eurogate, wird voraussichtlich ab 2010 gebaut. Unsere Arbeiten in Duisburg zeigen, dass es möglich ist, städtische Brachflächen durch Ansiedlung leiser, sauberer Industrien umzunutzen und neue Modelle für ein urbanes Leben zu schaffen, in denen die Räume für Wohnen, Arbeiten und Freizeit friedlich koexistieren. „Mit Duisburg haben wir einen klugen Auftraggeber.“ Wie würden Sie Ihre Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung charakterisieren? Die Entwicklung städtischer Infrastrukturen lässt sich gar nicht unabhängig von politischen Entscheidungsstrukturen betrachten. Aber wenn diese Prozesse in den Händen kreativer politischer Führungspersönlichkeiten liegen – wie das in Duisburg der Fall ist – dann können diese die Qualität der neu entstehenden Umgebung sehr positiv beeinflussen. In diesem Sinne kann man sagen, dass sich in dem Projekt die gemeinsamen Wertvorstellungen von Auftraggeber und Stadtentwickler widerspiegeln. Qualität hat meistens weniger mit dem Geld zu tun, das man zur Verfügung hat, sondern mit der Einstellung, die man hat. Wir können uns also glücklich schätzen, dass wir mit der Stadt einen klugen Auftraggeber haben. Wasser und Ufer spielen in Ihren <strong>Duisburger</strong> Plänen eine große Rolle. Liegt das auch daran, weil das Wasser für Sie ein Symbol ist – zum Beispiel für Freiheit, Vitalität oder Aufbruch in ein neues Zeitalter? Dem Leben am Wasser wohnt zweifellos ein besonderer Zauber inne. Unser eigenes Büro liegt am Fluss – er hat eine magische Kraft und ist für uns eine ständige Inspirationsquelle. Aber wenn sich eine Stadt entwickelt, schwächt sich ihre Beziehung zum Wasser meistens leider ab. Viele unserer Projekte – wie der Masterplan für den Innenhafen Duisburg – haben etwas mit der Wiederaufnahme eines lange vergessenen Gesprächs zu tun: Wir stellen in unseren Projekten die großartige Aussicht und den Eindruck von Weite in den Mittelpunkt, wie sie nur eine Ansiedlung am Wasser bietet. Der Bau der <strong>Duisburger</strong> Kanäle hat außerdem eine wesentliche Rolle für unsere Umweltstrategie gespielt. Die Kanäle sind für den Regenwasserablauf von großer Bedeutung. Das Mit unserem Masterplan für dieses Gelände versuchen wir, ein isoliertes Areal wieder an die Stadt anzubinden und ein lebhaftes urbanes Quartier mit gemischter Nutzung zu entwickeln. Das alte Güterbahnhofsgelände ist momentan eine Insel, die durch Bahntrasse und Autobahn von der übrigen Stadt abgetrennt ist. Wir haben deshalb mehr Zugangsmöglichkeiten eingeplant und mittels der Errichtung einer Reihe von Gebäuden einen Abwehrriegel gegen Umweltbelastungen geschaffen. Das Areal verfügt in voller Länge über eine öffentlich zugängliche Promenade. Es gibt einen großen, kaskadenartigen See, der unsere Umweltstrategie unterstützt. Dort sammelt sich Regenwasser, das als Grauwasser genutzt werden kann. Aber vor allem wird die „<strong>Duisburger</strong> Freiheit“ ein spannender, attraktiver Ort, wo Menschen wohnen, arbeiten und ausgehen. Was bedeutet der Begriff „Freiheit“ für Sie als Architekt und Stadtplaner? Architekten und Planer arbeiten nicht im luftleeren Raum, sondern orientieren sich an den Bedürfnissen der Menschen, die in den Gebäuden wohnen und arbeiten und die die Infrastruktur – also die Räume und Wege, über die sie in Verbindung treten – nutzen. Der Stadtplaner ist also niemals so frei wie etwa ein Bildhauer oder ein Maler. Aber die fehlende Freiheit bedeutet nicht, dass wir nicht kreativ sind. Häufig sind es sogar gerade diese Zwänge, die ein fantasievolles Design beflügeln. Für die Bürger von Duisburg und der „<strong>Duisburger</strong> Freiheit“ werden die Wahlfreiheit und das vielfältige Angebot entscheidend sein. Die Möglichkeiten, zu arbeiten, zu leben und zu spielen, wie und wo man will. Auswahl Projekte 1992-1998 Flughafen Chek Lap Kok in Hongkong 1993-1997 Commerzbank Tower in Frankfurt am Main 1993-1998 Kongresszentrum in Valencia 1994-1999 Umbau des Reichstags in Berlin (begehbare Glaskuppel) 1994-2000 Überdachung des Großen Innenhofs und Umbau des British Museum in London Reichstag, Berlin 2001-2004 Swiss Re-Zentrale in London – ausgezeichnet mit dem Stirling Prize 2002-2006 Dach des Hauptbahnhofs Dresden 2002-2006 Wembley-Stadion in London 2004-2007 Willis Building in London 2004-2008 T3 des Flughafens Peking Hearst Headquaters, New York 1998-2001 ARAG-Tower: Hauptverwaltung der ARAG in Düsseldorf 1999-2001 Gerling Ring-Karree in Köln, Friesenplatz 1999-2002 Millennium Bridge und U-Bahn-Station Canary Wharf in London 2000-2002 Londoner City Hall 2000-2006 Hearst Tower in Manhattan, 8th Avenue, Neubau auf entkerntem sechsgeschossigem Verlagsgebäude von 1928 (Joseph Urban) Great Court at the British Museum, London