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THÜRINGER THESEN ZUR REHABILITATION<br />

Präambel<br />

Thüringer Arbeitskreis<br />

Rehabilitation und Gesundheit e.V.<br />

Der gesellschaftliche Wandel in den Industriestaaten hat sich nicht ohne Auswirkungen auf<br />

die Gesundheitssysteme vollzogen. Die geänderten Lebensbedingungen und die stetig<br />

steigende Lebenserwartung haben zu einer deutlichen Zunahme chronischer Erkrankungen<br />

geführt. Deren Entstehung und der Umgang <strong>mit</strong> den Krankheitsfolgen sind in starkem<br />

Maße von den sozialen Bedingungen der Betroffenen, von ihrer individuellen Lebensgestaltung,<br />

von Kompetenzen zur Krankheitsvermeidung bzw. -bewältigung und der Motivation<br />

des Einzelnen abhängig.<br />

Den sich daraus ergebenden Anforderungen an das Gesundheitssystem vermag der akutbzw.<br />

kurativmedizinische Versorgungsbereich (Behandlung durch niedergelassene Ärzte<br />

und in Krankenhäusern) nicht ausreichend gerecht zu werden. Deshalb hat sich in Deutschland<br />

innerhalb des Gesundheitssystems als dritte Säule ein spezialisiertes System der Rehabilitation<br />

<strong>mit</strong> spezifi schen Zielsetzungen, integrativen Konzepten und besonderen Organisationsformen<br />

entwickelt.<br />

Obgleich das Gesundheitswesen insgesamt sowohl kostenmäßig als auch gesundheitspolitisch<br />

vom ganzheitlichen Krankheits- und Behandlungsmodell als Grundlage der modernen<br />

Rehabilitation profi tiert, wird deren Stellenwert als unverzichtbarer Teil der Gesundheitsversorgung<br />

häufi g noch verkannt.<br />

Das Gutachten 2000/2001 des Sachverständigenrates für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen<br />

„Bedarfsgerechtigkeit und Wirtschaftlichkeit“, dessen Schwerpunkt auf der<br />

Versorgung chronischer Krankheiten liegt, sieht bei allen untersuchten Krankheitsgruppen<br />

einen erheblichen Bedarf zur Verbesserung der Versorgungskette, darüber hinaus in der<br />

Regel ein bedeutsames und nicht ausgeschöpftes Potenzial an Prävention und vor allem<br />

Rehabilitation.<br />

Der Sachverständigenrat sieht einerseits eine Unterversorgung bei der Rehabilitation, andererseits<br />

hebt er die Rehabilitation besonders hervor, indem er formuliert, dass die moderne<br />

Rehabilitation wie kaum ein anderer Behandlungsansatz die Chance auf eine umfassende<br />

und multidimensionale Behandlung chronisch Kranker eröffnet.<br />

Die „Thüringer <strong>Thesen</strong> zur Rehabilitation“ sollen auf möglichst breiter Basis einen öffentlichen<br />

Diskussionsprozess anstoßen, um zu erreichen, dass der Rehabilitation in Politik,<br />

Ärzteschaft und Öffentlichkeit die Bedeutung beigemessen wird, die ihr wegen ihres medizinischen<br />

und fi nanziellen Nutzens zukommt.<br />

Durch Umstrukturierungen im Gesundheitswesen unter Hervorhebung der Rehabilitation<br />

insbesondere bei der Behandlung chronischer Erkrankungen lassen sich gewaltige Einsparungen<br />

erzielen, und zwar nicht nur bei den Sozialleistungsträgern, sondern gesamtvolkswirtschaftlich.<br />

Diese Wirtschaftlichkeitsreserven gilt es im Interesse aller zu nutzen.<br />

THESE 1<br />

Das Gesundheitswesen bedarf eines Paradigmenwechsels. Chronische Erkrankungen<br />

nehmen stetig zu. Die Akutversorgung wird der Behandlung chronischer<br />

Erkrankungen allein nicht gerecht. Die Rehabilitation muss fester und gleichberechtigter<br />

Bestandteil in einer Versorgungskette werden.<br />

Das Krankheitspanorama hat sich in den letzten Jahrzehnten aus mehreren Gründen gewandelt.<br />

Durch geänderte Lebensbedingungen nehmen insbesondere zivilisatorisch bedingte<br />

Erkrankungen weiter zu. Auch schlägt sich die Veränderung der Alterspyramide in<br />

einer Zunahme der Krankheitsbilder des höheren Lebensalters nieder. In den fortschrittlichen<br />

Industrienationen leidet inzwischen die Hälfte der Bevölkerung an zumindest einer<br />

chro nischen Erkrankung. Die angemessene Versorgung chronisch Kranker stellt eine große<br />

Herausforderung für die Gesundheitssysteme dar.<br />

Die zahlreichen im Gutachten 2000/2001 des Sachverständigenrates für die Konzertierte<br />

Aktion im Gesundheitswesen „Bedarfsgerechtigkeit und Wirtschaftlichkeit“ aufgezeigten<br />

Beispiele für Über-, Fehl- und Unterversorgung stützen die These, dass das gegenwärtige<br />

Gesundheitssystem häufi g nur unzureichend an die Erfordernisse der Behandlung chronisch<br />

Kranker angepasst ist.<br />

Nachdruck der 2. überarbeiteten Aufl age, November 2004, 5.500 Exemplare – Verantwortlich im Sinne des Presserechts: Dr. Sandra Carius – E-Mail: info@targ.de


Diese Fehladaption ist maßgeblich auf die dem akutmedizinischen Paradigma verhafteten Strukturen der Gesundheitsversorgung<br />

sowie der Qualifikation und Sozialisation der Leistungserbringer zurückzuführen.<br />

Der einseitig kurativen Versorgung chronisch Kranker liegt das immer noch dominierende traditionelle Gedankenmodell<br />

eines Krankheitsverlaufs zu Grunde, wonach Gesundheitsförderung, Prävention, Kuration, Rehabilitation<br />

und Pflege zeitlich aufeinander folgende Maßnahmen darstellen. Die für komplexe chronische Erkrankungen sowie<br />

für chronisch kranke ältere Menschen typische Multimorbidität beinhaltet jedoch unterschiedliche Arten und Phasen<br />

von Kranksein und Behinderung nebeneinander, aber immer zugleich verbleibende oder erweiterungsfähige Potenziale<br />

selbstkompetenten Handelns und Helfens.<br />

Die gleichzeitige Präsenz mehrerer Gesundheitsstörungen in unterschiedlichen Stadien erfordert daher die gleichzeitige<br />

und gleichberechtigte Anwendung und Verzahnung von Maßnahmen der Gesundheitsförderung, Prävention,<br />

Kuration, Rehabilitation und Pflege.<br />

Ebenso wie die Prävention zählt die Rehabilitation zu den großen Unterversorgungsbereichen bei chronisch Kranken.<br />

Dabei eröffnet gerade die moderne Rehabilitation wie kaum ein anderer Behandlungsansatz die Chance auf<br />

eine umfassende und multidimensionale Versorgung chronisch Kranker. Sie fördert durch ihren ganzheitlichen Behandlungsansatz<br />

die individuellen Fähigkeiten und Möglichkeiten zur Krankheits- und Lebensbewältigung und zum<br />

selbstbestimmten Umgang <strong>mit</strong> Krankheiten. Die Betroffenen lernen sich so zu verhalten, dass weitere akute Krankheitszustände<br />

nach Möglichkeit nicht auftreten und chronische Störungen in ihren Auswirkungen so gut wie möglich<br />

begrenzt bzw. beherrscht werden.<br />

Rehabilitation sollte als essentieller Bestandteil der Versorgung chronisch Kranker keine Ermessensleistung, sondern<br />

Regelleistung sein.<br />

THESE 2<br />

Rehabilitation ist kostengünstiger als Akutversorgung, vorzeitige Rente und Pflege. Es bedarf einer<br />

Umsteuerung des Gesundheitssystems zur Ausbalancierung von Prävention, Kuration und Rehabilitation.<br />

Chronische Krankheiten verursachen den weitaus größten Teil der stetig wachsenden direkten Krankheitskosten<br />

und in noch höherem Maße die volkswirtschaftlichen Folgekosten. Eine wesentliche Ursache hierfür ist im Versorgungssystem<br />

zu sehen.<br />

Dessen dominante Denkfigur ist die kostenintensive Akutmedizin. Durch Vernachlässigung zukunftsorientierter Prävention<br />

wird einerseits wenig getan, um chronische Krankheiten zu verhindern. Andererseits fehlen Möglichkeiten,<br />

sie akutmedizinisch effektiv zu behandeln, sonst wären sie nicht chronisch. Als Konsequenz müssen medizinische<br />

und multidisziplinäre Hilfen im Bereich von Anpassung und Kompensation, also Leistungen zur Rehabilitation, deutlich<br />

mehr Aufmerksamkeit finden.<br />

Die direkten Kosten rehabilitativer Behandlung liegen ganz erheblich unter denen akutmedizinischer Krankenbehandlung.<br />

Außerdem trägt Rehabilitation maßgeblich zur Reduzierung indirekter Krankheitskosten bei. Rehabilitation<br />

vermeidet bzw. verringert Arbeitsunfähigkeitszeiten und vermindert dadurch auch die Inanspruchnahme anderer<br />

Sektoren des Gesundheitswesens. Durch Rehabilitation geht beispielsweise der Medikamentenverbrauch deutlich<br />

zurück, ebenso sinkt die Häufigkeit ambulanter und stationärer Krankenbehandlungen. Vorzeitige Rentenzahlungen<br />

sowie Pflegeleistungen werden durch Rehabilitation vermieden oder zumindest hinausgeschoben.<br />

Nach dem Gutachten 2000/2001 des Sachverständigenrates für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen „Bedarfsgerechtigkeit<br />

und Wirtschaftlichkeit“ besteht ein deutliches Missverhältnis zwischen Überversorgung im kurativen<br />

Bereich einerseits und Unterversorgung im Bereich der Prävention und Rehabilitation chronisch Kranker andererseits.<br />

Die derzeit in der kurativen Überversorgung gebundenen Mittel müssen dafür eingesetzt werden, die vielfältigen<br />

Formen von Unterversorgung in anderen Bereichen, insbesondere im Bereich von Prävention und Rehabilitation,<br />

auszugleichen. Da<strong>mit</strong> ist allerdings noch nicht beantwortet, wie die an anderer Stelle eingesparten Mittel zielgerichtet<br />

in andere Bereiche umgeleitet werden können und ob diese umgeleiteten Mittel ausreichen würden, die Unterversorgung<br />

in anderen Bereichen auszugleichen.<br />

Ein nachhaltiger Abbau von Über- und Fehlversorgung sowie eine angemessene neue Ausbalancierung von Prävention,<br />

Kuration und Rehabilitation in der Versorgung chronisch Kranker bedarf einer längerfristigen Umsteuerung<br />

des gesamten Gesundheitssystems durch eine mehrschrittige, in ihren Zielen aber beständig angelegte<br />

Gesundheitspolitik. Diese verlangt eine grundlegende Änderung von Strukturen, Anreizen, Wissen und Werten.


THESE 3<br />

Die Leistungsfähigkeit der Rehabilitation wird in Öffentlichkeit, Politik und Ärzteschaft unterschätzt.<br />

Deutschland kann zurückblicken auf eine lange Tradition im Kur- und Bäderwesen. Der Rehabilitation in Deutschland<br />

ist es bislang nur ansatzweise gelungen, in der öffentlichen Wahrnehmung die Vermengung von Kur und Rehabilitation<br />

aufzulösen. Hierzu trägt nicht unmaßgeblich auch die funktionale und räumliche Abtrennung der Rehabilitation<br />

von den übrigen Bereichen des Gesundheitswesens bei. In Politik und Öffentlichkeit, aber auch bei Ärzten<br />

und Patienten werden die in spezialisierten Rehabilitationseinrichtungen angebotenen hochwirksamen Maßnahmen<br />

der Rehabilitation immer noch <strong>mit</strong> der traditionellen Kur, aber auch <strong>mit</strong> Urlaub oder Wellness nahezu gleichgesetzt.<br />

Auch die bislang sehr geringe Repräsentanz der Rehabilitation innerhalb der medizinischen Fachgesellschaften ist<br />

als Ursache für Fehleinschätzungen der Rehabilitation zu nennen. Deshalb bedarf es neben spezifischer Rehabilitationsforschung<br />

gemeinsamer Projekte der Rehabilitationsmedizin <strong>mit</strong> der Akutmedizin. Solche sind für die Akzeptanz<br />

der Rehabilitation immens wichtig.<br />

Neben dem wissenschaftlichen Diskurs zwischen Kuration und Rehabilitation muss auch der praktische Diskurs <strong>mit</strong><br />

niedergelassenen Ärzten und Krankenhäusern intensiviert werden, um die tatsächlichen Leistungspotentiale der Rehabilitation<br />

in der Ärzteschaft und da<strong>mit</strong> auch öffentlich und politisch bekannt zu machen. Die Gesundheitspolitik hat<br />

bis heute die gesundheitsökonomische Bedeutung der Rehabilitation im Wesentlichen verkannt und entsprechende<br />

Untersuchungen von Fachleuten allenfalls zur Kenntnis genommen. <strong>Hintergrund</strong> dieser Politik ist offensichtlich die<br />

Vermeidung konfliktträchtiger Auseinandersetzungen <strong>mit</strong> den großen Interessenverbänden im Gesundheitswesen,<br />

insbesondere denen der Akutversorgung und der Pharmaindustrie.<br />

Es bedarf einer weitreichenden Neuorientierung der Gesundheitspolitik. Hierzu bedarf es insbesondere auch einer<br />

Lobby für die Rehabilitation. Eine Lobby für die Rehabilitation zu finden erfordert auch ein Umdenken bei den Rehabilitationsträgern<br />

und Leistungsanbietern. Entbürokratisierung und Flexibilisierung sind gefragt. Aufgrund der historischen<br />

Entwicklung der Rehabilitation in Deutschland wurde das Versorgungsangebot jahrzehntelang durch starre<br />

administrative Vorgaben bestimmt.<br />

Insgesamt ist das gegenwärtige Versorgungsspektrum in der Rehabilitation relativ begrenzt. Der teilweise noch<br />

bestehende Mangel an krankheitsphasenspezifischen, zielgruppenorientierten und hinsichtlich des Versorgungsaufwandes<br />

abgestuften Behandlungsangeboten ist zu beheben. Ambulante Leistungen zur medizinischen Rehabilitation<br />

gewinnen neben stationären Leistungen immer mehr an Bedeutung. Die begonnene flächendeckende<br />

Etablierung ambulanter Rehabilitationsstrukturen ist konsequent fortzusetzen.<br />

THESE 4<br />

Dem niedergelassenen Arzt kommt aus der Verantwortung für den Patienten eine Schlüsselrolle bei der<br />

Einleitung rehabilitativer Behandlung zu. Ihm sollte eine deutlich aktivere Rolle im Rehabilitationsgeschehen<br />

zugewiesen werden.<br />

Eine Einbindung des niedergelassenen Arztes in den gesamten Rehabilitationsablauf wird bereits seit vielen Jahren<br />

gefordert, ohne dass dieses Ziel in ausreichendem Maße erreicht wäre. Dabei geht es zum einen um die Anregung<br />

der Rehabilitation durch den niedergelassenen Arzt und so<strong>mit</strong> darum, wie durch seine intensivere Mitwirkung<br />

die wirklich rehabilitationsbedürftigen Patienten frühzeitig, nämlich zum Zeitpunkt der günstigsten Erfolgsaussicht,<br />

erreicht werden können. Zum anderen geht es darum, die Schnittstellen zur Behandlung vor und nach der Rehabilitation<br />

zu verringern. Die Bedeutung des niedergelassenen Arztes für die Einleitung der Rehabilitation ergibt sich<br />

daraus, dass er den Patienten sowie dessen familiäre, berufliche und soziale Situation in der Regel gut kennt. Sein<br />

Urteil sollte deshalb bei der Anregung der Rehabilitation ins Gewicht fallen und auch für den Ablauf der Rehabilitation<br />

von Bedeutung sein.<br />

Nach dem Gutachten 2000/2001 des Sachverständigenrates für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen „Bedarfsgerechtigkeit<br />

und Wirtschaftlichkeit“ haben niedergelassene Ärzte insgesamt eine positive Einstellung zur Rehabilitation,<br />

fühlen sich aber seitens der Rehabilitationsträger unzureichend über die Bewilligungskriterien, die Entscheidungsverfahren<br />

und deren Begründungen informiert. Nicht alle von den niedergelassenen Ärzten empfohlenen<br />

Rehabilitationsleistungen werden tatsächlich durchgeführt. Dies deutet darauf hin, dass die Gründe für die Unterinanspruchnahme<br />

der Rehabilitation nicht allein bei den niedergelassenen Ärzten zu suchen sind.<br />

Dem niedergelassenen Arzt sollte eine deutlich aktivere Rolle als bisher im Rehabilitationsgeschehen zugeschrieben<br />

werden. Von ihm angeregte rehabilitative Behandlungen sollten möglichst in die Rehabilitation einfließen, eine<br />

von ihm festgestellte Eilbedürftigkeit sollte Anlass für ein beschleunigtes Verfahren sein und eine abweichende<br />

oder ablehnende Entscheidung sollte zu einem direkten Gespräch <strong>mit</strong> ihm führen. Entsprechend der Forderung<br />

des Sachverständigenrates sollte eine indikationsspezifische Rehabilitation auf der Grundlage und im Rahmen von<br />

Indikationsrichtlinien bei allen Rehabilitationsträgern eine verordnungsfähige Leistung werden.


THESE 5<br />

Rehabilitation muss fester Bestandteil der ärztlichen Aus- und Fortbildung werden. Ärzte müssen in geeigneter<br />

Weise in die Rehabilitationsforschung einbezogen und über die Ergebnisse informiert werden.<br />

Die ärztliche Ausbildung findet an Universitätskliniken statt, wo Rehabilitation in der Regel kaum betrieben und allenfalls<br />

ansatzweise gelehrt wird. Auch die medizinischen Lehrbücher der einzelnen Fachgebiete behandeln die Rehabilitation<br />

kaum. Der Medizinstudent kommt deshalb im Verlauf seines Studiums praktisch nirgendwo näher <strong>mit</strong> der<br />

Rehabilitation in Berührung. Dies setzt sich in der Ausbildung nach dem Studium fort.<br />

Die Weiterbildung in einer Rehabilitationsklinik ist <strong>mit</strong> sehr wenigen Ausnahmen nicht Bestandteil der Facharztausbildung.<br />

Daraus resultiert, dass der ganz überwiegende Teil der niedergelassenen Ärzte und der in Kliniken tätigen<br />

Assistenz- und Fachärzte im Rahmen ihrer Ausbildung nicht <strong>mit</strong> Rehabilitationsmedizin in Berührung kommt<br />

und zum größten Teil niemals eine Rehabilitationsklinik betreten hat. Dieser Zustand ist in keiner Weise dem Stellenwert<br />

angemessen, den Rehabilitation heute hat bzw. noch bekommen sollte.<br />

Zu fordern ist, dass die Ausbildung nicht nur in universitären und sonstigen akutmedizinischen Zentren stattfindet,<br />

sondern ergänzt wird durch Pflichtveranstaltungen (Seminare, Praktika, Weiterbildungsabschnitte) in solchen<br />

Rehabilitationskliniken, die von wissenschaftlich qualifizierten Ärzten geleitet sind und die Funktionen eines akademischen<br />

Lehrfachkrankenhauses wahrnehmen. Hierfür bedarf es größtenteils geänderter Studien- und Weiterbildungsordnungen.<br />

THESE 6<br />

Rehabilitation erhält Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben, schützt betriebliche Investitionen und sichert<br />

Arbeitsplätze.<br />

Arbeitgeber investieren enorme Summen für die berufliche Qualifizierung ihrer Beschäftigten. Qualifikation und Erfahrungen<br />

der Beschäftigten sind wichtige Produktivitätsfaktoren der Betriebe. Die Leistungsfähigkeit der Beschäftigten<br />

– sie sind das so genannte Humankapital der Betriebe – wird durch Rehabilitation erhalten. Immense Investitionen<br />

werden geschützt, wenn qualifizierte und erfahrene Beschäftigte durch Rehabilitation den Betrieben weiterhin<br />

zur Verfügung stehen. Rehabilitation sichert Betrieben Know-how und Kompetenz, gesundheitlich beeinträchtigten<br />

Beschäftigten sichert sie Arbeitsplätze.<br />

Zu oft noch wird Rehabilitation von Arbeitgebern als unwillkommene Unterbrechung der Arbeitsleistung ihrer Beschäftigten<br />

gesehen und <strong>mit</strong> Erholungsmaßnahmen verglichen. Tatsächlich findet aber Rehabilitation heute ganz<br />

überwiegend bei Beschäftigten statt, deren Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt ist und die deshalb bereits<br />

wiederholt oder über einen längeren Zeitraum im Betrieb wegen Arbeitsunfähigkeit ausgefallen sind.<br />

Auch das Modell der verlängerten Lebensarbeitszeit bedarf der Flankierung durch gezielte Nutzung der Rehabilitation.<br />

Gerade in den Altersgruppen ab dem fünften Lebensjahrzehnt zeigt sich von jeher ein erhöhter Rehabilitationsbedarf.<br />

Durch frühzeitig eingeleitete Rehabilitation werden Arbeitsunfähigkeitszeiten verhindert oder zumindest<br />

erheblich verringert.<br />

Bei steigender Lebenserwartung der Bevölkerung sinkt in Deutschland stetig die Bevölkerungszahl. Immer mehr<br />

älteren Menschen stehen immer weniger junge Menschen gegenüber. Dieser demographische Wandel in Deutschland<br />

wird nicht ohne Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt bleiben. Er wird wegen des Nachwuchskräftemangels in<br />

überschaubarer Zeit dazu führen, dass eine erhöhte Nachfrage auch oder gerade nach langjährig erfahrenen älteren<br />

Arbeitskräften entsteht.<br />

Ist heute in mehr als der Hälfte aller Betriebe niemand mehr beschäftigt, der älter als sechzig Jahre ist, wird sich<br />

dieses Bild in nicht ferner Zukunft deutlich wandeln. Die Gesellschaft und speziell die Arbeitswelt werden es sich<br />

nicht mehr leisten können, ältere Menschen zu ignorieren und auf deren Erfahrungen zu verzichten. Die jugendkonzentrierte<br />

Beschäftigungspolitik kann nicht weiter aufrecht erhalten bleiben.<br />

Bereits heute sollte deshalb durch Prävention sowie rechtzeitige und zielgerichtete Rehabilitation Chronifizierungstendenzen<br />

von Krankheiten entgegengewirkt und dadurch <strong>mit</strong> hoher „Renditeaussicht“ in die Leistungs- bzw. Erwerbsfähigkeit<br />

auch künftig dringend benötigter Arbeitskräfte investiert werden. Prävention und Rehabilitation bedürfen<br />

gesteigerter Akzeptanz bei Arbeitgebern.<br />

Thüringer Arbeitskreis Rehabilitation und Gesundheit e. V.<br />

Kranichfelder Straße 3<br />

99097 Erfurt<br />

Internet: www.targ.de<br />

E-Mail: info@targ.de<br />

Vorstand:<br />

Doz. Dr. med. habil. Rainer Lundershausen (Vorsitzender), Norbert Prusko (Stellv.<br />

Vorsitzender), Dr. Werner Hempel (Schatzmeister), Dr. Sandra Carius (Schriftführerin),<br />

Dr. Wolfgang Schuh (Beisitzer), Michael Domrös (Beisitzer), Otto Böttcher (Beisitzer)

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