Gemeindebrief April/Mai 2013 - Ev. Marienkirche in Frankfurt ...
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thema<br />
thema 5<br />
Zeit für e<strong>in</strong>en<br />
Neuanfang <strong>in</strong> der Kirche<br />
Dagmar Wennel über ihren Neuanfang <strong>in</strong> der Mariengeme<strong>in</strong>de<br />
Grafik: Patricia Waage<br />
Neuanfänge<br />
Dem Leben e<strong>in</strong>e Wendung geben<br />
Der Mensch ist e<strong>in</strong> Gewohnheitstier,<br />
sagt man. Bequem ist es, sich <strong>in</strong> liebgewordenen<br />
Gewohnheiten und im Alltagstrott<br />
e<strong>in</strong>zurichten. Ke<strong>in</strong>e schwierigen<br />
Entscheidungen. Ke<strong>in</strong> Risiko. Alles<br />
Rout<strong>in</strong>e. Etwas Neues zu wagen ist dagegen<br />
erst mal unbequem. Es erfordert<br />
e<strong>in</strong>en Entschluss, verlangt Bewegung<br />
und ist nicht ohne Risiko.<br />
Die diesjährige Fastenaktion der <strong>Ev</strong>angelischen<br />
Kirche stand unter dem<br />
Motto „Riskier was, Mensch. Sieben<br />
Wochen ohne Vorsicht“. Sie rief dazu<br />
auf, e<strong>in</strong>geschliffene Gewohnheiten zu<br />
durchbrechen, die Rout<strong>in</strong>e des Alltags<br />
zu h<strong>in</strong>terfragen, auf andere Menschen<br />
zuzugehen, sich e<strong>in</strong>zumischen. Neuanfänge<br />
im Kle<strong>in</strong>en sozusagen.<br />
Tiefer greifende und notwendige Neuanfänge<br />
stelle ich mir <strong>in</strong> diesen beiden<br />
Beispielen vor: In e<strong>in</strong>er Ehe haben sich<br />
die Partner ause<strong>in</strong>ander gelebt. Sie<br />
streiten wegen Kle<strong>in</strong>igkeiten und reden<br />
ansonsten kaum noch mite<strong>in</strong>ander. Er<br />
flüchtet <strong>in</strong> die Arbeit, wird zum Workaholic.<br />
Sie frisst den Frust <strong>in</strong> sich h<strong>in</strong>e<strong>in</strong><br />
und bekommt gesundheitliche Probleme.<br />
E<strong>in</strong>e junge Rechtsanwält<strong>in</strong> fühlt sich<br />
<strong>in</strong> ihrem Beruf zunehmend unzufrieden.<br />
Sie hadert mit ihrer Entscheidung fürs<br />
Jurastudium, zu dem die Eltern sie gedrängt<br />
hatten, anstatt ihrer Neigung<br />
zum Mediz<strong>in</strong>studium zu folgen.<br />
Hier s<strong>in</strong>d Neuanfänge im Großen gefragt.<br />
Es erfordert Mut, sich e<strong>in</strong>zugestehen,<br />
dass es so nicht weiter gehen<br />
kann. Verdrängen und Schönreden<br />
funktioniert nicht mehr. Noch mehr Mut<br />
ist nötig, e<strong>in</strong>en Neuanfang auch tatsächlich<br />
umzusetzen. Das geht nicht<br />
ohne schmerzliche E<strong>in</strong>geständnisse eigener<br />
Fehler und auch nicht ohne das<br />
Risiko des Scheiterns. Der Neuanfang<br />
bedeutet aber auch die große Chance,<br />
se<strong>in</strong>em Leben e<strong>in</strong>e neue Wendung zu<br />
geben und zu entdecken, worauf es eigentlich<br />
ankommt.<br />
Mir gefällt das erfrischende Bibelwort<br />
aus Josua 1,9: „Siehe, ich habe dir geboten,<br />
dass du getrost und unverzagt<br />
seist.“ Für e<strong>in</strong>en Neuanfang ist es guter<br />
Begleiter.<br />
Dr. Christ<strong>in</strong>e Rubel<br />
Foto: Birgit Arens-Dürr<br />
„In me<strong>in</strong>em Leben hat es schon so<br />
viele Neuanfänge gegeben, dass ich<br />
sie gar nicht aufzählen kann“, überlegt<br />
Dagmar Wennel. Ihr Berufs- wie ihr<br />
Privatleben war ziemlich turbulent. Der<br />
Neustart <strong>in</strong> Seckbach ist der Medientechniker<strong>in</strong>,<br />
die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Schule arbeitet,<br />
1997 gelungen, als sie von Obertshausen<br />
hergezogen ist.<br />
Erst viel später entschloss<br />
sie sich zu e<strong>in</strong>em<br />
Neubeg<strong>in</strong>n <strong>in</strong> der<br />
Kirche. „Ich b<strong>in</strong> vor über<br />
30 Jahren ausgetreten“,<br />
sagt sie, während<br />
ihr ungute Erfahrungen<br />
aus der Jugendzeit <strong>in</strong><br />
den S<strong>in</strong>n kommen. „Mit<br />
der Kirchensteuer hat<br />
me<strong>in</strong> Austritt nichts zu<br />
tun gehabt.“<br />
Irgendwann habe e<strong>in</strong>e<br />
Kantor<strong>in</strong> sie zu e<strong>in</strong>em<br />
Gottesdienst <strong>in</strong> Königste<strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>geladen, <strong>in</strong><br />
dem e<strong>in</strong>e Bachkantate<br />
aufgeführt werden sollte. „Ich liebe<br />
Bachkantaten, dafür ertrage ich zur<br />
Not e<strong>in</strong>e Predigt“, dachte sie sich und<br />
fuhr h<strong>in</strong>. „Es war e<strong>in</strong> warmer Herbsttag<br />
und die Sonne schien, als ich bei der<br />
schönen, alten Kirche ankam“, er<strong>in</strong>nert<br />
sich Dagmar Wennel. Sie genoss die<br />
Musik, aber wirklich tief bee<strong>in</strong>druckt<br />
war sie von der Predigt der Pfarrer<strong>in</strong>.<br />
Es fiel ihr e<strong>in</strong>, dass wir <strong>in</strong> Seckbach<br />
auch e<strong>in</strong>e Pfarrer<strong>in</strong> haben und dass sie<br />
schon viel Gutes von ihr gehört hatte.<br />
Dagmar Wennel ist seit<br />
November 2011 Mitglied der<br />
Mariengeme<strong>in</strong>de Seckbach<br />
Als sie zum ersten Mal zum Gottesdienst<br />
g<strong>in</strong>g, war die <strong>Marienkirche</strong> noch<br />
unrenoviert und sie erschien ihr düster.<br />
„Aber vorm Altar haben K<strong>in</strong>der das Reformationsspiel<br />
aufgeführt und es war<br />
schön zu sehen, wie respektvoll die<br />
Pfarrer<strong>in</strong> mit ihnen umgegangen ist.<br />
Das war ganz anders, als ich es von<br />
früher kannte. Und<br />
die Predigt von Frau<br />
Pietsch hat mir Kraft<br />
gegeben“, begeistert<br />
sie sich noch heute.<br />
Als sie wieder <strong>in</strong>s<br />
Freie trat, schien die<br />
Sonne.<br />
Seitdem ist sie oft <strong>in</strong><br />
die Kirche gekommen.<br />
„Die Gottesdienstbesuche<br />
s<strong>in</strong>d wohltuend<br />
für mich und es war<br />
klar: Wenn ich regelmäßig<br />
<strong>in</strong> die Kirche<br />
gehe, trete ich wieder<br />
e<strong>in</strong>. Ich bekomme <strong>in</strong><br />
der Geme<strong>in</strong>de ja viel<br />
geboten und will auch me<strong>in</strong>en Obolus<br />
dafür geben“, erklärt Dagmar Wennel<br />
und lobt das kulturelle Angebot im<br />
Rahmen des Fundrais<strong>in</strong>gs. Im November<br />
2011 wurde sie offiziell Mitglied der<br />
Mariengeme<strong>in</strong>de. Diese Mitgliedschaft<br />
gestaltet sie <strong>in</strong>zwischen aktiv: Sie hilft,<br />
den Kirchenkaffee auszuschenken und<br />
das wird bestimmt nicht ihr e<strong>in</strong>ziges<br />
Engagement bleiben.<br />
Dagmar Wennel ist froh über ihren<br />
Neuanfang <strong>in</strong> der <strong>Ev</strong>angelischen Mariengeme<strong>in</strong>de.<br />
Birgit Arens-Dürr