Was ist interdisziplinäre Zusammenarbeit? - socialdesign.ch
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<strong>Was</strong> <strong>ist</strong> interprofessionelle<br />
<strong>Zusammenarbeit</strong>?<br />
Bildungszentrum IV - Fa<strong>ch</strong>tagung<br />
12. Mai 2011<br />
Dr. Regula Ruflin
Begriffsklärung<br />
• Multiprofessionelle <strong>Zusammenarbeit</strong><br />
• Multidisziplinäre <strong>Zusammenarbeit</strong><br />
• Interdisziplinäre <strong>Zusammenarbeit</strong><br />
• Interprofessionelle <strong>Zusammenarbeit</strong><br />
Sind vers<strong>ch</strong>iedene Begriffe für das Glei<strong>ch</strong>e. Sie<br />
bes<strong>ch</strong>reiben die glei<strong>ch</strong>zeitige <strong>Zusammenarbeit</strong> im<br />
Hinblick auf eine gemeinsame Sa<strong>ch</strong>e von<br />
a) vers<strong>ch</strong>iedenen Personen<br />
b) mit vers<strong>ch</strong>iedenen Aufgaben und<br />
c) mit vers<strong>ch</strong>iedenem berufli<strong>ch</strong>en Hintergrund<br />
(Grundausbildung & Weiterbildung).<br />
2
Wie entsteht Interprofessionelle<br />
Kooperation?<br />
„Dur<strong>ch</strong> die fortlaufende Differenzierung, Te<strong>ch</strong>nologisierung<br />
und te<strong>ch</strong>nikartige S<strong>ch</strong>ematisierung professionellen Handelns<br />
kommt es au<strong>ch</strong> zunehmend zu internen Organisationszwängen,<br />
die aus der Natur der professionellen Arbeit hervorgehen:<br />
Teilberei<strong>ch</strong>e müssen Spezial<strong>ist</strong>en (…) überlassen werden; es<br />
kr<strong>ist</strong>allisiert si<strong>ch</strong> eine komplexe Arbeitsteilung<br />
vers<strong>ch</strong>iedener professioneller Berufe und Berufssparten<br />
heraus; und es tau<strong>ch</strong>t verstärkt das Problem der<br />
Hintereinanders<strong>ch</strong>altung (…) und Koordination der<br />
Arbeitss<strong>ch</strong>ritte in integrierenden Arbeitsbögen auf.“<br />
(S<strong>ch</strong>ütze 1996)<br />
3
<strong>Was</strong> definiert eine Profession?<br />
Professionelles Handeln <strong>ist</strong>:<br />
• absi<strong>ch</strong>tsvolles Handeln, das<br />
• geplant und auf die Lösung eines expliziten<br />
praktis<strong>ch</strong>en Problems (Ziel) geri<strong>ch</strong>tet <strong>ist</strong> und das<br />
• dieses Ziel dur<strong>ch</strong> die Anwendung einer<br />
wissens<strong>ch</strong>aftsbasierten Methode zu errei<strong>ch</strong>en su<strong>ch</strong>t,<br />
deren Anwendung<br />
• dur<strong>ch</strong> eine allgemeine Theorie methodis<strong>ch</strong>en Handelns<br />
gesteuert wird, die si<strong>ch</strong><br />
• auf eine deskriptive und erklärende Handlungstheorie<br />
eins<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong> eines Begriffes absi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en effektiven<br />
Handelns stützt.<br />
(Obre<strong>ch</strong>t 2005, S.22)<br />
4
Definition: Interprofessionelle<br />
Kooperation<br />
Interprofessionelle Kooperation <strong>ist</strong> spontane oder<br />
institutionalisierte Interaktion von Mitgliedern von<br />
Professionen unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>er Art und zielt auf die<br />
koordinierte systemis<strong>ch</strong>e statt sektorielle Bearbeitung<br />
praktis<strong>ch</strong>er Probleme von Klient/innen, Patient/innen<br />
oder Kund/innen.<br />
Institutionalisierte Interaktion wird gestaltet dur<strong>ch</strong><br />
die Rahmenbedingungen der Organisation:<br />
• Führung<br />
• strukturierte Gefässe<br />
• Stellenbes<strong>ch</strong>riebe…<br />
5
Funktionen<br />
Interprofessionelle Arbeit kann ni<strong>ch</strong>t nur zwis<strong>ch</strong>en<br />
Personen unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>er Professionen sondern au<strong>ch</strong><br />
zwis<strong>ch</strong>en Personen unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>er Funktionen statt<br />
finden.<br />
Funktionen definieren einen abgegrenzten Aufgabenund<br />
Verantwortungsberei<strong>ch</strong> (= Arbeit, die an einem<br />
bestimmten Platz der Organisation zu le<strong>ist</strong>en <strong>ist</strong>)<br />
z.B. Eingliederungsverantwortli<strong>ch</strong>e = Personen mit<br />
glei<strong>ch</strong>er Funktion, bei glei<strong>ch</strong>zeitig vers<strong>ch</strong>iedenen<br />
professionellen Hintergründen (Psy<strong>ch</strong>ologie, Soziale<br />
Arbeit, etc.)<br />
6
Profession / Funktion<br />
Ausbildungen<br />
Professionen<br />
Medizin<br />
KV<br />
Soziale<br />
Arbeit<br />
Re<strong>ch</strong>tswiss.<br />
Psy<strong>ch</strong>ologie<br />
…<br />
Interdisziplinäre / interprofessionelle <strong>Zusammenarbeit</strong><br />
IV-Stellen<br />
Praxis<br />
Medizinis<strong>ch</strong>e<br />
Abklärung<br />
Jur<strong>ist</strong>is<strong>ch</strong>e<br />
Abklärung<br />
Eingliederung<br />
7
Ursa<strong>ch</strong>e und Zielsetzungen<br />
interprofessioneller <strong>Zusammenarbeit</strong><br />
Ursa<strong>ch</strong>e:<br />
Komplexe Probleme, die mit den je eigenen Mitteln der<br />
beteiligten Professionen allein ni<strong>ch</strong>t zufrieden stellend<br />
bearbeitbar sind.<br />
Zielsetzungen:<br />
Das Ziel interprofessioneller <strong>Zusammenarbeit</strong> <strong>ist</strong> die<br />
Erhöhung sowohl der Wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>keit als au<strong>ch</strong> der<br />
Qualität der Lösung praktis<strong>ch</strong>er Themen- und<br />
Problemstellungen.<br />
8
Stolpersteine<br />
• Kommunikations- & Spra<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>wierigkeiten<br />
Fa<strong>ch</strong>spra<strong>ch</strong>e, die si<strong>ch</strong> von derjenigen anderer<br />
Fa<strong>ch</strong>gebiete und der Alltagsspra<strong>ch</strong>e unters<strong>ch</strong>eidet<br />
• Disziplinenspezifis<strong>ch</strong>e Theorien und Methoden<br />
Gemeinsame Problemsi<strong>ch</strong>t <strong>ist</strong> ers<strong>ch</strong>wert; unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>e<br />
Vorgehen sind übli<strong>ch</strong><br />
• Mangelndes gegenseitiges Verständnis der<br />
Disziplinen: gegenseitige Vorurteile, fals<strong>ch</strong>e<br />
Erwartungen<br />
9
Stolpersteine<br />
• Gruppendynamis<strong>ch</strong>e Probleme<br />
Teamarbeit <strong>ist</strong> für viele neu und ungewohnt<br />
• Disziplinen bilden eigene (Sub)kulturen<br />
Begegnung dieser Kulturen<br />
10
<strong>Was</strong> interprofessionelle Kooperation für<br />
den Klienten/die Klientin bedeuten kann<br />
• Wiederholungen<br />
Si<strong>ch</strong> immer wieder auf andere und neue Fa<strong>ch</strong>personen<br />
einstellen, dieselben und ähnli<strong>ch</strong>e Fragen beantworten<br />
sowie eigenen Bedürfnisse, Probleme und Erwartungen<br />
immer s<strong>ch</strong>ildern<br />
• Fehlende Einheit der Dienstle<strong>ist</strong>ung<br />
Interventionen ohne Kontinuität und Koordination<br />
• Ers<strong>ch</strong>werte Vertrauensbasis<br />
Die Interventionen ni<strong>ch</strong>t als persönli<strong>ch</strong> und ni<strong>ch</strong>t<br />
bedürfnisorientiert erleben; dur<strong>ch</strong> we<strong>ch</strong>selnde Kontakte<br />
keine tragende und andauernde Vertrauensbasis<br />
aufbauen können<br />
11
Die <strong>interdisziplinäre</strong> Handlung soll si<strong>ch</strong> auf<br />
das glei<strong>ch</strong>e Problem beziehen<br />
• Wahrnehmung des Problems:<br />
Nehmen alle das Problem glei<strong>ch</strong> wahr (Diagnose)?<br />
Innerhalb der IV-Stellen?<br />
‣ Funktionen<br />
‣ Professionen<br />
‣ Hierar<strong>ch</strong>ieebenen<br />
Bei Kooperation mit anderen Arbeitspartner/innen?<br />
• Ergebnisbestimmung und Arbeitsvorgehen:<br />
Wie wirkt si<strong>ch</strong> die unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>e Eins<strong>ch</strong>ätzung der<br />
Situation auf die Aufgabenbearbeitung aus?<br />
12
Die <strong>interdisziplinäre</strong> Handlung bedingt<br />
Kommunikation und gegenseitige<br />
Verständigung, v.a. au<strong>ch</strong> auf Fallebene<br />
• Verstehen wir gegenseitig, was der andere sagt?<br />
• Meinen wir unter dem Gesagten dasselbe?<br />
• Sind wir uns über die Handlungsmassnahmen und<br />
deren Abstimmung einig?<br />
• Ist geklärt, wer wann was ma<strong>ch</strong>t und wie wir einander<br />
zu wel<strong>ch</strong>em Zeitpunkt informieren?<br />
• Wer verfügt über die Kompetenz zu ents<strong>ch</strong>eiden,<br />
wenn wir unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>er Meinung sind?<br />
13
Die <strong>interdisziplinäre</strong> Handlung wird dur<strong>ch</strong><br />
klare Abgrenzungen der Aufgaben und<br />
Zuständigkeiten erlei<strong>ch</strong>tert<br />
• Die Folgen von ni<strong>ch</strong>t verinnerli<strong>ch</strong>ter und ungenügend<br />
gelebter <strong>interdisziplinäre</strong>r <strong>Zusammenarbeit</strong> sind<br />
‣ Doppelspurigkeiten (zwei oder mehr Personen<br />
ma<strong>ch</strong>en dasselbe)<br />
‣ Unterlassungen (niemand fühlt si<strong>ch</strong> zuständig)<br />
‣ Ineffizienz.<br />
Zentral <strong>ist</strong> die Klärung, wer die Fallführung inne hat und<br />
wer über wel<strong>ch</strong>e Ents<strong>ch</strong>eidkompetenzen verfügt.<br />
14
Kognitive Ers<strong>ch</strong>wernisse<br />
Spezial<strong>ist</strong>/innen teilen per definitionem ein spezifis<strong>ch</strong>es<br />
Fa<strong>ch</strong>wissen, das eine professionelle (präzise)<br />
Kommunikation mit Mitgliedern anderer Professionen<br />
oder gar mit Ni<strong>ch</strong>tprofessionellen ers<strong>ch</strong>wert oder<br />
verunmögli<strong>ch</strong>t.<br />
Die S<strong>ch</strong>wierigkeit besteht darin, die sektorielle<br />
Bearbeitung von we<strong>ch</strong>selwirkenden Prozessen<br />
zugunsten einer Form der Bearbeitung aufzugeben, die<br />
der systemis<strong>ch</strong>en Natur der Dinge Re<strong>ch</strong>nung trägt.<br />
15
Soziale Ers<strong>ch</strong>wernisse<br />
Kommunikation kann ers<strong>ch</strong>wert oder behindert sein<br />
dur<strong>ch</strong>:<br />
• Statusunters<strong>ch</strong>iede der beteiligten Gruppen etwa<br />
in Form unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>er Niveaus der professionellen<br />
Entwicklung (z. B. Medizin versus Soziale Arbeit<br />
versus kaufmännis<strong>ch</strong>e Ausbildungen)<br />
• unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>er Stellungen innerhalb der<br />
Struktur einer Organisation<br />
16
Tipps & Tricks – so gelingt‘s:<br />
• Fa<strong>ch</strong>kompetenz in der eigenen Disziplin und das<br />
Wissen um deren Stärken, S<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>en und<br />
Bedingtheiten<br />
• Toleranz und Akzeptanz gegenüber anderen<br />
Disziplinen<br />
• Das Wissen um die „Handlungsformen“ anderer<br />
Disziplinen<br />
• Teamkompetenz und kommunikative Kompetenz<br />
(vgl. Defila/Di Giulio 1996)<br />
17
Tipps & Tricks - so gelingt‘s:<br />
Gute Balance zwis<strong>ch</strong>en:<br />
• Spezialisierung und umfassende Zuständigkeit<br />
• Aufgabenerledigung und Aufgabendelegation<br />
• Konsenssu<strong>ch</strong>e und Konfrontation<br />
• Profilierung und Zurückhaltung<br />
(Heiner 2007, S. 472)<br />
18
Tipps & Tricks - so gelingt‘s:<br />
Zielsetzung und Kommunikation<br />
• Setzen klarer und verbindli<strong>ch</strong>er Ziele auf allen<br />
einbezogenen Ebenen<br />
• Aufteilung des Vorgehens in Arbeitss<strong>ch</strong>ritte, wel<strong>ch</strong>e<br />
alle als sol<strong>ch</strong>e erkennen und akzeptieren, au<strong>ch</strong> die<br />
Klientinnen und Klienten<br />
• Kommunikation für alle in verständli<strong>ch</strong>er Weise, au<strong>ch</strong><br />
für die Klientinnen und Klienten<br />
• Auswerten der Arbeitss<strong>ch</strong>ritte und überprüfen, ob die<br />
nä<strong>ch</strong>sten S<strong>ch</strong>ritte weiterhin zielbezogen erfolgen<br />
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Tipps & Tricks - so gelingt‘s:<br />
Management und Führung<br />
• Klare Aufbaustruktur mit definierten Kompetenzen<br />
und Verantwortli<strong>ch</strong>keiten (Funktionendiagramme)<br />
• Klare Ablaufprozesse mit definierten Zuständigkeiten<br />
• Einfordern der Umsetzung der Aufbau- und<br />
Ablaufstrukturen dur<strong>ch</strong> die Führung im Alltag sowie im<br />
Rahmen der Mitarbeitergesprä<strong>ch</strong>e<br />
• Anspre<strong>ch</strong>en von ungünstigen Entwicklungen und<br />
Kulturelementen<br />
• Fördern von gegenseitigem Verständnis und Freude an<br />
der gemeinsamen Tätigkeit im Sinne der Sa<strong>ch</strong>e<br />
20
Literatur<br />
• Abel, Kathryn et al. (Hrsg.) (1996): Planning community mental health<br />
services for women : a multiprofessional handbook. London, Routledge<br />
• Balsiger/Defila/Di Giulio (1996): Ökologie und Interdisziplinarität – eine<br />
Beziehung mit Zukunft? Birkhäuser: Basel, Boston, Berlin<br />
• Behringer, Luise und Renate Höfer (2005): Wie Kooperation in der<br />
Frühförderung gelingt, Mün<strong>ch</strong>en : E. Reinhardt.<br />
• Glenny, Georgina (2008): Multiprofessional communication : making<br />
systems work for <strong>ch</strong>ildren. Maidenhead : Open University Press.<br />
• Heiner, Maja (2007): Soziale Arbeit als Beruf. Fälle – Felder – Fähigkeiten.<br />
Mün<strong>ch</strong>en & Basel: Ernst Reinhardt Verlag.<br />
• Obre<strong>ch</strong>t Werner (2005): Interprofessionelle Kooperation als professionelle<br />
Methode. Manuskript der Fa<strong>ch</strong>tagung „Soziale Probleme und<br />
interprofessionelle Kooperation“, 21./22. Oktober 2005, Dübendorf<br />
• Diverse Beiträge zu IIZ-Mamac: www.iiz.<strong>ch</strong><br />
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Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!<br />
<strong>socialdesign</strong> ag, 3011 Bern<br />
www.<strong>socialdesign</strong>.<strong>ch</strong><br />
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