Juden in Grabow - Grabow-Erinnerungen
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<strong>Juden</strong> <strong>in</strong> <strong>Grabow</strong><br />
Werden wir <strong>in</strong> <strong>Grabow</strong> nach <strong>Juden</strong> gefragt, so fällt uns<br />
als erstes der <strong>Juden</strong>friedhof e<strong>in</strong>. Es ist e<strong>in</strong> Friedhof<br />
etwas abseits und versteckt auf e<strong>in</strong>em Sandberg am<br />
Ende der Trotzenburg, nicht weit entfernt von der B5<br />
oder dem Lidl.<br />
Gustav Ritter br<strong>in</strong>gt es auf den Punkt: “Wat nich geew<br />
dat Lewen, geew ehr nahst dei Dot, hier <strong>in</strong> frömden<br />
Landen rauhn’s <strong>in</strong> Abra’ms Schoot“.<br />
Es ergeben sich viele Fragen:<br />
Wann siedelten sich <strong>Juden</strong> <strong>in</strong> <strong>Grabow</strong> an?<br />
Welche Gewerbe haben sie betrieben?<br />
Wie groß war die jüdische Geme<strong>in</strong>schaft <strong>in</strong> <strong>Grabow</strong>?<br />
Gab es <strong>in</strong> <strong>Grabow</strong> e<strong>in</strong>e Synagoge?<br />
Was geschah mit den <strong>Grabow</strong>er <strong>Juden</strong> <strong>in</strong> der Nazizeit?<br />
Welche <strong>Grabow</strong>er <strong>Juden</strong> wurden <strong>in</strong> der Nazizeit <strong>in</strong> Konzentrationslagern ermordet?<br />
Wer pflegt den jüdischen Friedhof?<br />
Aus der Geschichte ist bekannt, daß nach der Besiedelung Mecklenburgs auch die ersten<br />
<strong>Juden</strong> <strong>in</strong>s Land kamen. Sie waren bei der Bevölkerung aber nur wenig beliebt. E<strong>in</strong>ige von<br />
ihnen waren wegen ihres Wuchers verhaßt und wurden bereits im 14. Jahrhundert aus<br />
e<strong>in</strong>igen Orten vertrieben. Zum anderen beruhte die Ablehnung der <strong>Juden</strong> auf religiösen<br />
Motiven.<br />
1492 wurde <strong>in</strong> Sternberg die <strong>Juden</strong>schaft angeklagt, sich heimlich Hostien beschafft und mit<br />
Nadeln zerstochen zu haben, doch f<strong>in</strong>gen die Hostien an zu bluten. Nach Bekantwerden<br />
dieser Sache wurden 65 <strong>Juden</strong> verhaftet, davon wurden 25 Männer und 2 Frauen auf dem<br />
<strong>Juden</strong>berge bei Sternberg auf Grund e<strong>in</strong>es Richterspruches verbrannt. Alle übrigen <strong>Juden</strong><br />
wurden aus Mecklenburg verbannt. Erst im 17. Jahrhundert wurden unter Christian Ludwig I.<br />
wieder <strong>Juden</strong> <strong>in</strong>s Land gelassen. Sie erhielten e<strong>in</strong> Monopol für den Tabakhandel, später<br />
auch für den Leder- und Wollhandel. Die Zahl der <strong>Juden</strong> war <strong>in</strong> Mecklenburg ger<strong>in</strong>g, 1749<br />
waren es erst 30 Familien.<br />
Wann sich die ersten <strong>Juden</strong> <strong>in</strong> <strong>Grabow</strong> angesiedelt haben, ist uns nicht bekannt.<br />
Die Volkszählungsliste aus dem Jahre 1819 weist 44 <strong>Juden</strong> <strong>in</strong> <strong>Grabow</strong> aus. Es s<strong>in</strong>d 30<br />
Erwachsene und 14 K<strong>in</strong>der. <strong>Grabow</strong> hatte 1819 <strong>in</strong>sgesamt 2344 E<strong>in</strong>wohner. Als<br />
Familiennamen f<strong>in</strong>den wir u.a. Lichtenste<strong>in</strong>, Simon, Arnheim, Herz, Levi, Salomon und Wulff.<br />
[siehe Anlage 1]<br />
Bei der Volkszählung am 1. Dezember 1905 wurden für <strong>Grabow</strong> 20 <strong>Juden</strong>, davon 11<br />
Erwachsene und 9 K<strong>in</strong>der erfasst.<br />
[siehe Anlage 2]<br />
Tätig waren die <strong>Juden</strong> <strong>in</strong> <strong>Grabow</strong> als selbständige Händler und Kaufleute.<br />
Die israelitische Geme<strong>in</strong>de besaß <strong>in</strong> <strong>Grabow</strong> bis 1932 e<strong>in</strong> Synagogengebäude. Es befand<br />
sich an der Ecke Schulstraße, Wasserstraße. Dieses Haus wurde am 25.5.1932 an Karl<br />
Giern verkauft. Das Gebäude existiert heute nicht mehr, es wurde etwa 1975 wegen<br />
Baufälligkeit abgerissen.<br />
[siehe Anlage 3]<br />
1
Die Entrechtung und Verfolgung der deutschen <strong>Juden</strong> begann direkt nach Hitlers<br />
Machtübernahme, zunächst mit gezieltem Straßenterror der SA. Ab März 1933 wurden<br />
jüdische Ärzte, Rechtsanwälte, Apotheker, Bademeister usw. aus ihren Freiberufen<br />
gedrängt, von ihren Verbänden ausgegrenzt und erhielten Berufsverbote.<br />
Am 1. April 1933 organisierte die SA den ersten Boykott jüdischer Geschäfte. Mit dem<br />
Gesetz zur Wiederherstellung des Brufsbeamtentums vom 7. April 1933 wurden missliebige<br />
Beamte aus dem Staatsdienst entfernt. Der dar<strong>in</strong> enthaltene Arierparagraph war das erste<br />
rassistische Gesetz für „Nicht-Arier“ und betraf Anhänger des jüdischen Glaubens oder<br />
vermuteter jüdischer Herkunft. Sie wurden zuerst aus dem öffentlichen Dienst, dann auch<br />
aus Vere<strong>in</strong>en, Berufsverbänden und evangelischen Landeskirchen entfernt, die ähnliche<br />
Paragraphen e<strong>in</strong>führten. Sie wurden dann auch gesetzlich aus allgeme<strong>in</strong>en Schulen und<br />
allmählich aus dem gesamten öffentlichen Leben ausgeschlossen. Nur ehemaligen<br />
jüdischen Soldaten des Ersten Weltkriegs bot das Frontkämpferprivileg bis 1935 e<strong>in</strong>en<br />
ger<strong>in</strong>gen Schutz.<br />
Infolgedessen wählten etwa 200.000 politisch oder rassisch Verfolgte den Weg der<br />
Emigration. Das NS-Regime begrüßte dies als „Flucht von Systemgegnern“. Gleichzeitig ließ<br />
es Konzentrationslager e<strong>in</strong>richten, <strong>in</strong> denen vor allem politische Gegner, aber auch religiöse<br />
M<strong>in</strong>derheiten massenhaft <strong>in</strong>terniert wurden. Damit wurde der diktatorische Charakter des<br />
Regimes im In- und Ausland offensichtlich.<br />
1935 entzog das Reichsbürgergesetz sämtlichen deutschen <strong>Juden</strong> ihre Bürgerrechte.<br />
Dennoch emigrierten daraufh<strong>in</strong> nur wenig mehr von ihnen als zuvor. Die meisten hatten sich<br />
auf die Diskrim<strong>in</strong>ierungen e<strong>in</strong>gestellt und hofften auf Ablösung des Regimes; dies stellte sich<br />
<strong>in</strong> den Folgejahren als tödlicher Irrtum heraus. 1938 setzte sich die systematische<br />
Entrechtung der deutschen <strong>Juden</strong> mit den Arisierungen, der Verordnung zur Ausschaltung<br />
der <strong>Juden</strong> aus dem deutschen Wirtschaftsleben und der Verordnung über den E<strong>in</strong>satz des<br />
jüdischen Vermögens fort.<br />
Mit adm<strong>in</strong>istrativen Maßnahmen wie z. B. durch e<strong>in</strong>en zusätzlichen Vornamen, e<strong>in</strong>em „J“ im<br />
Reisepass, Kennkarten und Meldelisten wurden alle <strong>Juden</strong> erfasst. Die Novemberprogrome<br />
2
1938 vernichteten reichsweit die jüdische Kultur <strong>in</strong> Deutschland. Erstmals wurden<br />
zehntausende <strong>Juden</strong> <strong>in</strong> Konzentrationslagern <strong>in</strong>haftiert. Im Verlauf der nächsten Tage und<br />
Wochen wurden Hunderte von ihnen misshandelt, ermordet oder <strong>in</strong> den Tod getrieben.<br />
Was geschah davon <strong>in</strong> <strong>Grabow</strong>?<br />
Theodor He<strong>in</strong>sius berichtet <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Er<strong>in</strong>nerungen „Me<strong>in</strong>e K<strong>in</strong>dheit <strong>in</strong> <strong>Grabow</strong>/Mecklenburg“:<br />
„E<strong>in</strong>es Tages - Adolf Hitler und die Nationalsozialisten hatten am 30. Januar 1933 die<br />
»Macht« übernommen, wie es hieß - stand ich an der Gartenpforte unseres Hauses,<br />
als e<strong>in</strong>e Kolonne von SA Männern vorbeimarschierte. E<strong>in</strong>ige riefen mir das Wort<br />
»<strong>Juden</strong>nlümmel« zu. Ich verstand das nicht und fragte am Abend me<strong>in</strong>en Vater, was<br />
e<strong>in</strong> »Jude« sei. Der Ausdruck »Lümmel« war mir natürlich bekannt. Me<strong>in</strong> Vater<br />
stutzte e<strong>in</strong>en Augenblick, wusste wohl nicht recht, was' er se<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>en Sohn<br />
antworten sollte und sagte dann »Onkel Tobi ist e<strong>in</strong> Jude«. Das war e<strong>in</strong>e kluge und<br />
für mich lehrreiche Def<strong>in</strong>ition, denn Onkel Tobi kannte ich und mochte ihn gern.<br />
Antisemitische Anwandlungen habe ich seitdem nie gehabt.<br />
<strong>Juden</strong> waren auch die Sabielaks, die <strong>in</strong> der Marktstraße 7 e<strong>in</strong> gutgehendes<br />
Schuhwarengeschäft betrieben. Noch heute habe ich trotz Krieg und Vertreibung<br />
e<strong>in</strong>en Schuhlöffel mit der Aufschrift »1. Sabielaks Schuhwarenhaus <strong>Grabow</strong> i/M<br />
Marktstr. 7« <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em Besitz. E<strong>in</strong>er ihrer Söhne, der mit mir zur Schule g<strong>in</strong>g, trug<br />
den Vornamen »Adolf«. In den von Josef Goebbels als Reaktion auf die Ermordung<br />
e<strong>in</strong>es Mitgliedes der Deutschen Botschaft <strong>in</strong> Paris durch den <strong>Juden</strong> Herschel<br />
Grünspan <strong>in</strong>szenierten Ausschreitungen gegen die <strong>Juden</strong>, der »Reichskristallnacht«<br />
am 9. Novemmber 1938, wurden im Schuhhaus die Schaufenster zerschlagen und<br />
die <strong>in</strong> der Auslage bef<strong>in</strong>dlichen Schuhe auf der Straße verstreut. Das sah ich am<br />
nächsten Morgen, was ich aber nicht sah, war die Polizei. Ich lief zu me<strong>in</strong>em Vater <strong>in</strong>s<br />
Büro, um ihn zu fragen, was das alles zu bedeuten habe. E<strong>in</strong>e plausible Antwort<br />
erhielt ich nicht, sondern nur den H<strong>in</strong>weis, möglichst schnell nach Hause zu gehen<br />
und mich um me<strong>in</strong>e Schularbeiten zu kümmern. Die Sabielaks verließen danach<br />
unser und ihr Land, bevor es zu spät gewesen wäre. Sie g<strong>in</strong>gen nach London und<br />
hatten dort später e<strong>in</strong> sehr schickes Schuhgeschäft <strong>in</strong> der eleganten Old Bond<br />
Street.“ [siehe Anlage 4]<br />
Bernd Kasten berichtet <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Aufsatz über die „Verfolgung und Deportation der <strong>Juden</strong> <strong>in</strong><br />
Mecklenburg 1938-1945“<br />
Am 10. November 1938 wurde <strong>in</strong> <strong>Grabow</strong> das Schuhhaus Sabielak verwüstet. Am<br />
Abend des gleichen Tages gegen 19:30 Uhr lieferte Polizeihauptwachtmeister Möller<br />
drei Häftl<strong>in</strong>ge, nämlich Josef Sabielak (geb. 29. Oktober 1895 <strong>in</strong> Warschau), se<strong>in</strong>en<br />
Sohn Emil (geb. 29. Januar 1923 <strong>in</strong> <strong>Grabow</strong>) und Alfred Wolff (geb. 20. November<br />
1876 <strong>in</strong> Hamburg) im Gefängnis <strong>in</strong> Alt-Strelitz ab.<br />
Ernil Sabielak und Alfred Wolff wurden am 17. November und Josef Sabielak am<br />
2. Dezember entlassen.<br />
Am 23. November 1938 kam auch noch Georg Schmuhl (geb. 17. November 1895 <strong>in</strong><br />
Osterode) aus <strong>Grabow</strong> <strong>in</strong> Alt-Strelitz an. Er wurde am 23. Dezember 1938 auf freien<br />
Fuß gesetzt und verzog von <strong>Grabow</strong> nach Berl<strong>in</strong>. Im Oktober 1941 wurde er von<br />
Berl<strong>in</strong> nach Lodz deportiert und am 4. Mai 1942 im Vernichtungslager Kulmhof<br />
(Kulm/Chelmno) ermordet.<br />
Alfred Wolff, der <strong>in</strong> <strong>Grabow</strong> am Ste<strong>in</strong>damm 8 gewohnt hatte, wurde am 9. Dezember<br />
1939 <strong>in</strong> das Konzentrationslager Sachsenhausen gebracht, wo er am 16. Februar<br />
1940 starb.<br />
3
Die <strong>in</strong> <strong>Grabow</strong> am Kießerdamm 30 lebende Witwe Helene Tobias (geb. 31. März<br />
1879 <strong>in</strong> <strong>Grabow</strong>) wanderte am 23. August 1939 nach Holland aus, woh<strong>in</strong> ihr Sohn<br />
bereits e<strong>in</strong> Jahr früher gegangen war.<br />
Im Februar 1942 befand sich Gertrud Hoffmann geb. Cohn (geb. 14. April 1887 <strong>in</strong><br />
Verehen) im Konzentrationslager Ravensbrück.<br />
In <strong>Grabow</strong> selbst lebte nur noch Betty Londe geb. Rosenthal, die mit e<strong>in</strong>em<br />
Nichtjuden verheiratet war.<br />
Geblieben ist von den <strong>Juden</strong> <strong>in</strong> <strong>Grabow</strong> nur der Friedhof. Der jüdische Friedhof <strong>in</strong> <strong>Grabow</strong><br />
wird 1794 das erste Mal erwähnt. Er wurde bis <strong>in</strong> die 1930er-Jahre belegt und hat alle<br />
Unbilden der Nazi-Zeit mit nur leichten Beschädigungen überstanden. 1952 wurde bei der<br />
Umgestaltung des Friedhofes zu e<strong>in</strong>er Gedenkstätte dieser weitgehend abgeräumt.<br />
17 Grabste<strong>in</strong>e blieben erhalten und wurden halbkreisförmig aufgestellt.<br />
1988 wurde der Friedhof wiederum hergerichtet. Dabei wurde um die Grabste<strong>in</strong>e e<strong>in</strong><br />
schmiedeeiserner Zaun gesetzt. Bei der Restaurierung der Grabste<strong>in</strong>e hat sich besonders<br />
Ste<strong>in</strong>metzmeister Bernhard Senff verdient gemacht. Der jüdische Friedhof <strong>in</strong> <strong>Grabow</strong> gehört<br />
ohne Zweifel zu den gut gepflegten Begräbnisstätten se<strong>in</strong>er Art <strong>in</strong> Mecklenburg.<br />
Wünschenswert wäre jedoch an e<strong>in</strong>er würdigen Stelle <strong>in</strong> <strong>Grabow</strong> e<strong>in</strong>e namentliche<br />
Übersicht, welche <strong>Juden</strong> aus <strong>Grabow</strong> <strong>in</strong> den Konzentrationslagern der Nazis ums<br />
Leben gekommen s<strong>in</strong>d.<br />
2012 erreichte uns e<strong>in</strong>e Anfrage von Silke Georgi vom Komité Struikelstenen aus E<strong>in</strong>dhoven <strong>in</strong> den<br />
Niederlanden:<br />
„In E<strong>in</strong>dhoven, Niederlande, s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> den letzten 2 Jahren 246 Stolperste<strong>in</strong>e verlegt worden für<br />
die ermordeten <strong>Juden</strong> der Stadt. Unter den Opfern ist Hans Tobias, geboren am 27. Januar<br />
1908 <strong>in</strong> <strong>Grabow</strong>. Se<strong>in</strong>e Mutter war Helen Tobias, geborene Jacob, geboren am 31.3.1879 <strong>in</strong><br />
<strong>Grabow</strong>. Sie war verwitwet und ist mit ihrem Sohn <strong>in</strong> 1938 <strong>in</strong> die Niederlanden geflüchtet.<br />
Hans Tobias wurde <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Konzentrationslager ermordet, se<strong>in</strong>e Mutter hat den Krieg<br />
überlebt. Wir werden e<strong>in</strong> Buch herausgeben mit den Biographien der Opfer und suchen daher<br />
so viel Information wie möglich über sie. Wir wissen be<strong>in</strong>ah nichts über Hans Tobias. Haben<br />
Sie <strong>in</strong>nerhalb Ihrer Tätigkeiten für die Website <strong>Grabow</strong> - Er<strong>in</strong>nerungen die Möglichkeit <strong>in</strong><br />
Erfahrung zu br<strong>in</strong>gen, ob <strong>in</strong> <strong>Grabow</strong> noch etwas von der Familie Tobias bekannt ist?“<br />
E<strong>in</strong>e Durchsicht e<strong>in</strong>iger uns zur Verfügung stehenden Quellen<br />
ergab folgendes über die Familien Jacob und Tobias.<br />
Die Familie Jacob hat <strong>in</strong> <strong>Grabow</strong> e<strong>in</strong>e sogenannte<br />
Lumpensortieranstalt besessen.<br />
Die nebenstehende Anonce f<strong>in</strong>det man <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Buch über die<br />
Stadt <strong>Grabow</strong> aus dem Jahre 1924:<br />
Die Stadt <strong>Grabow</strong> <strong>in</strong> Mecklenburg Schwer<strong>in</strong>, E<strong>in</strong> Führer unter<br />
besonderer Berücksichtigung der städtischen<br />
Verwaltungse<strong>in</strong>richtungen und sonstigen Geme<strong>in</strong>deverhältnisse,<br />
herausgegeben aus Anlaß der am 22.-24. Mai 1924 <strong>in</strong> <strong>Grabow</strong><br />
stattf<strong>in</strong>denden 6. ordentlichen Mitgliederversammlung des<br />
Mecklenburgischen Städtetages vom Bürgermeister Dr. jur.<br />
Werner Siegismund<br />
Hieraus geht hervor, daß die Firma von Herrmann Jacob 1877<br />
gegründet wurde. Alfred Jacob und Th. Tobias waren 1924<br />
Inhaber dieser Firma. Bei Alfred Jacob handelt es sich um den<br />
Bruder von Helen Tobias, geborene Jacob. Th. Tobias ist der<br />
Vater von Hans Tobias.<br />
4
Im Telefonbuch aus dem Jahre 1934 wird obige Firma als<br />
„Lumpensortieranstalt Hermann Jabob“ geführt, Tel. 310, Postschließfach 1265<br />
Die Familie Jacob hat folgendes Haus Kießerdamm 31 besessen, <strong>in</strong> dem sich unten das Kontor der<br />
Firma befunden hat. Sortieranlage, Lagerplatz, Lagerhalle und Garagen befanden sich h<strong>in</strong>ter diesem<br />
Gebäude.<br />
Der Familie Tobias gehörte das Nachbarhaus<br />
Kießerdamm 30.<br />
Nach 1938 wurde die Firma von Friedrich Queißer unter der Bezeichnung „Altstoffverwertung“<br />
bis etwa 1955 weitergeführt.<br />
Die Er<strong>in</strong>nerung an die Verfolgung der <strong>Juden</strong> <strong>in</strong> der Nazizeit wachzuhalten und auch nachfolgenden<br />
Generationen zu vermitteln, gehört zu unserer Verantwortung vor der Geschichte. E<strong>in</strong> Vergessen und<br />
die häufig anzutreffende Relativierung oder gar Leugnung der Verbrechen des Nationalsozialismus<br />
geht Hand <strong>in</strong> Hand mit der Ablehnung der Demokratie.<br />
Die hier zusammengetragenen Fakten über die Geschichte der <strong>Juden</strong> <strong>in</strong> <strong>Grabow</strong> bedürfen weiterer<br />
Ergänzungen. Für H<strong>in</strong>weise wäre ich sehr dankbar.<br />
Dr. Uwe Sonnemann<br />
Kirchenstr. 18<br />
19300 <strong>Grabow</strong><br />
Tel. 038756 22102<br />
5
Anlage 1:<br />
Die Volkszählungsliste aus dem Jahre 1819 weist folgende <strong>Juden</strong> <strong>in</strong> <strong>Grabow</strong> aus:<br />
Name<br />
ABRAHAM, Mariane<br />
AHRENHEIM (geb. SIMON), Täubchen<br />
AHRENHEIM, Aaron<br />
AHRENHEIM, Abraham<br />
AHRENHEIM, Hanna<br />
AHRENHEIM, Jacob<br />
AHRENHEIM, Jette<br />
AHRENHEIM, Moses<br />
AHRENHEIM, Salomon<br />
AHRENHEIM, Simon<br />
FREENSTORFF, Zadick<br />
KEYMANN (geb. HOLLAENDER), Ester<br />
KEYMANN, ?<br />
LEVY (geb. MEYER), Henriette<br />
LEVY, Abraham<br />
LEVY, Daniel<br />
LEVY, David<br />
LEVY, Moses<br />
ROSENTHAL (geb. ALTENAUER), Z<strong>in</strong>el<br />
ROSENTHAL, Daniel Alexander<br />
ROSENTHAL, Marcus Daniel<br />
SALOMON (geb. LIEPMANN), Rahel<br />
SALOMON, Amalia<br />
SALOMON, Gelle<br />
SALOMON, Itzig<br />
SALOMON, Jette<br />
SALOMON, Joseph<br />
SALOMON, Joseph<br />
SALOMON, Lene<br />
SALOMON, Liepmann<br />
SALOMON, Maria<br />
SALOMON, Moses<br />
SALOMON, Salomon Moses<br />
SALOMON, Samuel<br />
SALOMON, Sara<br />
SALOMON, Sophie<br />
SIMON (geb. MAGNUS), Jette<br />
SIMON, Itzig<br />
SIMON, Julius<br />
SIMON, Moses<br />
WOLFF (geb. JOSEPH), Lea<br />
WOLFF, Fanny<br />
WOLFF, Isaac<br />
WOLFF, Rosa<br />
Geburtsdatum / Informationen<br />
10.09. 1781, Perkunsch im Bambergischen; Dienstmädchen<br />
10.07. 1777, <strong>Grabow</strong>; Ehefrau vom Kaufmann A.A.<br />
April 1765, Titz/Westpreußen; Kaufmann<br />
04.08. 1805, <strong>Grabow</strong><br />
06.10. 1809, <strong>Grabow</strong><br />
28.10. 1754, Titz/Westpreußen<br />
16.10. 1811, <strong>Grabow</strong><br />
27.04. 1816, <strong>Grabow</strong><br />
06.04. 1799, <strong>Grabow</strong><br />
16.04. 1800, <strong>Grabow</strong><br />
29.12. 1810, Hamburg (Pflegesohn v. KEYMANN)<br />
02.10. 1787, Hamburg<br />
14.10. 1779, Gniesen; Kaufmann, Schutzjude<br />
13.02. 1773, Stavenhagen<br />
25.01. 1787, <strong>Grabow</strong>; Handlungsdiener<br />
30.07. 1806, <strong>Grabow</strong><br />
05.08. 1798, <strong>Grabow</strong>; Bursche<br />
09.11. 1792, <strong>Grabow</strong>, Handlungsdiener<br />
18.10. 1790, Rotkirch b. Fulda<br />
10.10. 1818, <strong>Grabow</strong><br />
12.02. 1783, Proskow/Russisch Polen; Jüd. Schulmeister<br />
Januar 1777, Hagenow<br />
01.07. 1786, Polnisch Schwer<strong>in</strong>; Witwe<br />
September 1806, <strong>Grabow</strong><br />
Juni 1811, <strong>Grabow</strong><br />
März 1802, <strong>Grabow</strong><br />
Dezember 1800, <strong>Grabow</strong><br />
02.01. 1779, <strong>Grabow</strong><br />
27.12. 1815, <strong>Grabow</strong><br />
Februar 1798, <strong>Grabow</strong>; Handlungsbursche<br />
09.10. 1739, Schwer<strong>in</strong>/Westpreußen?; Ww., Mutter vom<br />
Kaufmann A.AHRENHEIM<br />
April 1767, <strong>Grabow</strong>; Hofliederant<br />
Januar 1809, <strong>Grabow</strong><br />
20.04. 1817, <strong>Grabow</strong><br />
Juni 1804, <strong>Grabow</strong><br />
13.01. 1814, <strong>Grabow</strong><br />
20.09. 1778, <strong>Grabow</strong>; Ehefrau vom Haupt-Collecteur<br />
06.05. 1807, <strong>Grabow</strong><br />
06.05. 1804, <strong>Grabow</strong>; Handlungsbursche<br />
24.04. 1780, <strong>Grabow</strong>; Haupt-Collecteur<br />
19.03. 1774, Stavenhagen; Witwe vom Schutzjuden<br />
27.09. 1802, <strong>Grabow</strong><br />
21.09. 1808, <strong>Grabow</strong><br />
26.06. 1811, <strong>Grabow</strong><br />
6
Anlage 2<br />
7
Anlage 3<br />
Hier stand das Haus,<br />
<strong>in</strong> dem die israelitische<br />
Geme<strong>in</strong>de e<strong>in</strong>e Synagoge<br />
hatte.<br />
8
Anlage 4<br />
Schuhhaus<br />
Sabielak<br />
<strong>in</strong> der<br />
Marktstraße<br />
<br />
Haus der Sabielaks <strong>in</strong> London<br />
Emma Sabielak mit ihren K<strong>in</strong>dern<br />
Isaak *1922 und Dolfi *1927<br />
10
Literaturangaben<br />
/1/ Jürgen Borchert, Detlef Klose: Jüdische Spuren <strong>in</strong> Mecklenburg, Berl<strong>in</strong> 1994<br />
/2/ Bernd Kasten: Verfolgung und Deportation der <strong>Juden</strong> <strong>in</strong> Mecklenburg 1938-1945<br />
Landeszentrale für politische Bildung Mecklenburg Vorpommern 2008<br />
/3/ Norbert Francke/Bärbel Krieger: Schutzjuden <strong>in</strong> Mecklenburg, ihre rechtliche Stellung,<br />
ihr Gewerbe, wer sie waren und wo sie lebten,<br />
Vere<strong>in</strong> für jüdische Geschichte und Kultur <strong>in</strong> Mecklenburg und Vorpommern e.V.<br />
/4/ He<strong>in</strong>z Hirsch: Süren jüdischen Lebens <strong>in</strong> Mecklenburg, Schwer<strong>in</strong> 2006<br />
/5/ Theodor He<strong>in</strong>sius: Me<strong>in</strong>e K<strong>in</strong>dheit <strong>in</strong> <strong>Grabow</strong>/Mecklenburg, Er<strong>in</strong>nerungen,<br />
Frankfurt am Ma<strong>in</strong> 2008<br />
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