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intervention bei jugendlichen - Mbr

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BEGLEITWORT<br />

GEGEN EINE JUGENDFIXIERUNG IN DER AUSEINANDER-<br />

SETZUNG MIT RECHTSEXTREMISMUS, ABER FÜR EINE<br />

DEMOKRATISCHE JUGENDARBEIT.<br />

Rechtsextremismus ist kein genetischer Defekt oder eine erworbene Immunschwäche,<br />

die sich besonders im Jugendalter bemerkbar macht. Die Rede von der Gefährdung<br />

und Bedrohung Jugendlicher verschleiert oft, wer hier wen gefährdet und bedroht. In<br />

der Regel sind es Erwachsene, Eltern, Großeltern, Nachbarn, Erzieher, Lehrer oder Vereinskameraden,<br />

die aktiv werden und jungen Menschen Deutungen und Vorstellungswelten<br />

rechtsextremer Prägung nahe bringen, ihnen Klamotten, CDs und Propagandamaterial<br />

verhökern. Selbst wenn wir <strong>bei</strong> jungen Menschen eine größere Offenheit für<br />

rechtsextreme Angebote feststellen, müssen wir uns fragen, welche Verhältnisse wir<br />

Jugendlichen heute zumuten, die sie für menschenfeindliche Ideologien aufschließt.<br />

Da diese Verhältnisse die Jugendlichen selbst am wenigsten zu verantworten haben,<br />

denn sie sind ja noch längst nicht in einflussreiche gesellschaftliche Positionen eingerückt,<br />

kommen auch hier wieder Erwachsene als politisch Verantwortliche ins Spiel.<br />

Wer <strong>bei</strong>m Thema Rechtsextremismus in erster Linie die Jugendkarte zieht, greift deshalb<br />

daneben. Hier stecken nicht die Trümpfe, wenn es um gesellschaftliche Verantwortung<br />

und Gestaltung geht. Gerade rechtsextrem orientierte und gewalttätige Jugendliche<br />

halten der Erwachsenengesellschaft einen Spiegel vors Gesicht, in den sie<br />

verständlicher Weise nicht gerne hineinschaut. Da ist es viel leichter, die Jugendlichen<br />

selbst verantwortlich zu machen – ohne ihnen freilich den entsprechenden gesellschaftlichen<br />

Einfluss zuzubilligen.<br />

Auch wer positiv auf »die« Jugend als Zukunftsträger setzt, macht es sich in der<br />

Regel zu einfach. Der jugendbewegte Schwung des »Mit uns kommt die neue Zeit...«<br />

war allzu oft eine Altherrenphantasie. Die Gleichsetzung von Jugend und »besserer«<br />

Zukunft hat vermutlich nie weniger gestimmt als heute, wenn wir uns die Lasten vor<br />

Augen halten, die in den diversen Debatten über gebrochene Generationenverträge<br />

und wenig nachhaltige ökologische Entwicklungen eher benannt als bewältigt werden.<br />

Was in unserem Land mit Jugendlichen und Kindern zu tun hat, wird zwar in<br />

Sonntagsreden gerne beschworen, aber im Alltag umso nachdrücklicher vernachlässigt.<br />

Wären Kinder und Jugendliche z.B. Autos, ginge es ihnen zweifellos besser. Ein<br />

TÜV würde regelmäßig checken, ob sie gut behandelt werden und entsprechende<br />

Mängelrügen erteilen. Sie bekämen schöne breite Straßen, auf denen sie sich ungebremst<br />

und mit voller Kraft entfalten können. Sie würden in den öffentlichen Haushalten<br />

als Investition und nicht als Kosten ausgewiesen. Und mit dem ADAC hätten sie<br />

eine machtvolle Lobby, die Elternvereine oder Jugendverbände nie hinbekommen haben.<br />

Die Verknüpfung von Jugend und Zukunft darf nicht dazu verführen, die eigene<br />

erwachsene Verantwortung für die Gestaltung der gesellschaftlichen Verhältnisse zu<br />

dementieren.<br />

Deshalb ist es so wichtig, Kinder und Jugendliche im Umgang mit Rechtsextremismus<br />

nicht alleine zu lassen. Sie nicht abzuschreiben. Ihnen Alternativen zu bieten. Dazu<br />

gehört die Auseinandersetzung mit den Strategien der Rechtsextremen. Es gilt den<br />

Reiz ihrer Erlebniswelten, ihren »radical chic«, ihre Hass- und Wutkultur zu verstehen,<br />

um zivile und menschenrechtliche Antworten zu finden. Wo rechtsextreme Jugendkulturen<br />

stark sind, haben sich oft demokratische Akteure längst verabschiedet. Diese<br />

Handreichung will Anregungen geben, wie dieses Brachland demokratisch urbar gemacht<br />

werden kann.<br />

Da sich individuelle Lernprozesse nicht planen lassen und auch sozialpädagogische<br />

oder gar repressive Strategien enge Grenzen haben, kommt es auf die Gestaltung der<br />

Lebens- und Lernkontexte für Jugendliche an. Ob sie die Chance haben, selbstbewusste<br />

starke Persönlichkeiten zu werden, die sich ihrer Handlungsmöglichkeiten und<br />

-grenzen bewusst sind, die Erfahrung von Selbstwirksamkeit gemacht haben und<br />

lernen konnten, ihre Interessen wirksam, aber auch in der Auseinandersetzung mit<br />

vielfältigen anderen Interessen einzubringen – oder dies ihnen von Sauf- und Schlägerbanden<br />

versprochen wird, die mit der Staffage von Vorgestern gewalttätige und selbstzerstörerische<br />

Illusionen von der eigenen Bedeutsamkeit recyceln.<br />

Prof. Dr. Roland Roth<br />

Professor für Politikwissenschaft an der Hochschule Magdeburg-Stendal

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