06.11.2013 Aufrufe

Handout Ärger - Schulprojekte GSD Bern

Handout Ärger - Schulprojekte GSD Bern

Handout Ärger - Schulprojekte GSD Bern

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

ss<br />

Nichts ist ärger als der <strong>Ärger</strong> oder immer dieser <strong>Ärger</strong> mit dem <strong>Ärger</strong>!<br />

10. Netzwerk-Treffen Gesundheitsfördernder Schulen der Stadt <strong>Bern</strong><br />

Stephan Hasler-Dul, PH<strong>Bern</strong>, Institut für Weiterbildung, Weltistrasse 40, CH-3006 <strong>Bern</strong>, T +41 31 309<br />

27 64, +41 79 511 94 96 stephan.hasler@phbern.ch, www.phbern.ch/weiterbildung/berufseinstieg<br />

1. Literarische Einstimmung<br />

Wenn die anderen uns dazu bringen, dass wir uns über sie ärgern - über ihre Dreistigkeit, Ungerechtigkeit,<br />

Rücksichtslosigkeit -, dann üben sie Macht über uns aus, sie wuchern und fressen sich<br />

in unsere Seele, denn der <strong>Ärger</strong> ist wie ein glühendes Gift, das alle milden, noblen und ausgewogenen<br />

Empfindungen zersetzt und uns den Schlaf raubt. Schlaflos machen wir Licht und ärgern<br />

uns über den <strong>Ärger</strong>, der sich eingenistet hat wie ein schmarotzender Schädling, der uns aussaugt<br />

und entkräftet. Wir sind nicht nur wütend über den Schaden, sondern auch darüber, dass er sich<br />

ganz allein in uns entfaltet, denn während wir mit schmerzenden Schläfen auf dem Bettrand sitzen,<br />

bleibt der ferne Urheber unberührt von der zersetzenden Kraft des <strong>Ärger</strong>s, deren Opfer wir<br />

sind. Auf der menschenleeren inneren Bühne, in das grelle Licht stummer Wut getaucht, führen wir<br />

ganz allein für uns selbst ein Drama auf mit schattenhaften Figuren und schattenhaften Worten,<br />

die wir schattenhaften Feinden entgegenschleudern in hilflosem Zorn, den wir als eisig loderndes<br />

Feuer im Gedärm spüren. Und je grösser unsere Verzweiflung darüber ist, dass es nur ein Schelmenspiel<br />

ist und keine wirkliche Auseinandersetzung, in der es die Möglichkeit gäbe, dem anderen<br />

zu schaden und ein Gleichgewicht des Leids herzustellen, desto wilder tanzen die giftigen Schatten<br />

und verfolgen uns bis in die finstersten Katakomben unserer Träume. (Wir werden den Spiess<br />

umdrehen, denken wir grimmig, und schmieden nächtelang Worte, die im anderen die Wirkung einer<br />

Brandbombe entfalten werden, so dass nun er es sein wird, in dem die Flammen der Empörung<br />

wüten, während wir, durch Schadenfreude besänftigt, in heiterer Ruhe unseren Kaffee trinken.)<br />

Was könnte es heissen, es richtig zu machen mit dem <strong>Ärger</strong>? Wir möchten ja nicht seelenlose<br />

Wesen sein, die ganz und gar unangefochten bleiben durch das, was ihnen begegnet, Wesen, deren<br />

Bewertungen sich in kühlen, blutleeren Urteilen erschöpften, ohne dass etwas sie aufzuwühlen<br />

vermöchte, weil nichts sie wirklich kümmerte. Und deshalb können wir uns nicht ernsthaft<br />

wünschen, die Erfahrung des <strong>Ärger</strong>s überhaupt nicht zu kennen und statt dessen in einem<br />

Gleichmut zu verharren, der von öder Gefühllosigkeit nicht zu unterscheiden wäre. <strong>Ärger</strong> lehrt uns<br />

ja auch etwas darüber, wer wir sind. Wissen möchte ich deshalb dieses: Was könnte es heissen,<br />

uns im <strong>Ärger</strong> so zu erziehen und zu bilden, dass wir uns seine Erkentnis zunutze machten, ohne<br />

seinem Gift zu verfallen?<br />

Wir können gewiss sein, dass wir auf dem Sterbebett als Teil der letzten Bilanz festhalten werden -<br />

und dieser Teil wird bitter schmecken wie Zyanid -, dass wir zuviel, viel zuviel Kraft und Zeit darauf<br />

verschwendet haben, uns zu ärgern und es den anderen in einem hilflosen Schattentheater heimzuzahlen,<br />

von dem nur wir, die wir es ohnmächtig erlitten, überhaupt etwas wussten. Was können<br />

wir tun, um diese Bilanz zu verbessern? Warum Haben uns die Eltern, die Lehrer und die anderen<br />

Erzieher nie davon gesprochen? Warum haben sie etwas von dieser gewaltigen Bedeutung nicht<br />

zur Sprache gebracht? Uns in dieser Sache keinen Kompass mitgegeben, der uns hätte helfen<br />

können, die Verschwendung unserer Seele an unnützen, selbstzerstörerischen <strong>Ärger</strong> zu vermeiden?<br />

2. Annäherung ans Thema<br />

Mercier, Pascal (2004): Nachtzug nach Lissabon (S. 432/433) Carl Hanser Verlag<br />

2.1 Wann, warum, worüber ärgere ich mich?<br />

Man ärgert sich, dass man etwas nicht gekonnt, nicht bekommen hat, ein Geltungsanspruch nicht<br />

befriedigt worden ist.<br />

Ich-Aktivität, das Gefühl, etwas bewirken zu können, ist ein wesentlicher Aspekt eines guten<br />

Selbstwertgefühls. Werden wir in dieser [. . .] lustvollen Ich-Aktivität gebremst, werden wir ärgerlich.<br />

Dieses Gebremstwerden [Störung] kann von aussen erfolgen oder von innen (Ohnmachtskomplex).<br />

Wir ärgern uns vor allem dann, wenn wir uns in unserer Integrität nicht gesehen, nicht respektiert<br />

fühlen und wir dann das Gefühl haben, wir müssten unsere Grenzen neu bestimmen, neu setzen


und dafür sorgen, dass sie auch respektiert werden. <strong>Ärger</strong> ist die Emotion, die zur Grenzbereinigung<br />

und zum richtigen Abstand anregt.<br />

Aber auch wenn uns etwas versagt wird, worauf wir einen Anspruch zu haben meinen, werden wir<br />

ärgerlich.<br />

<strong>Ärger</strong> hat viel damit zu tun, dass andere Menschen sich nicht so benehmen, wie wir es uns<br />

wünschen, dass sie sich benehmen sollten. Regelverletzungen lösen <strong>Ärger</strong> aus, besonders dann,<br />

wenn sich andere Menschen nicht an Regeln halten, an die wir uns mühsam halten.<br />

2.2 Was bewirkt der <strong>Ärger</strong> bei mir? Wie reagiere ich?<br />

<strong>Ärger</strong> ist also eine Reaktion auf irgendeine Enttäuschung und Beeinträchtigung, aber er ist auch<br />

eine Energiequelle. <strong>Ärger</strong> energetisiert, und deshalb sind wir im <strong>Ärger</strong> auch rasch bereit zu handeln.<br />

Wenn wir uns so richtig ärgern, dann fühlen wir eine Spannung, wir sind vorbereitet auf eine Aktion.<br />

Wir sind motiviert, etwas zu tun, um die Situation zu verändern. Ohne den <strong>Ärger</strong> wäre das viel<br />

schwieriger. Durch die Spannung haben wir mehr Kraft, mehr Konzentration für einen Moment als<br />

sonst, das Selbstwertgefühl ist besser als sonst, wir haben das Gefühl, unverletzlicher zu sein. Wir<br />

wagen mehr: Dieses energetisierende Moment, das im <strong>Ärger</strong> enthalten ist, kann uns helfen, mit<br />

der Enttäuschung oder der Beeinträchtigung, konstruktiv umgehen zu können.<br />

<strong>Ärger</strong>n wir uns, dann sind wir wenig bereit, das Motiv eines anderen Menschen ruhig und in einer<br />

fairen Gesinnung anzuschauen, wir sind dann in erster Linie einmal ärgerlich oder wütend und e-<br />

her bereit, das schlechteste Motiv anzunehmen.<br />

In diesem Zusammenhang spielen natürlich auch Erfahrungen unseres bisherigen Lebens eine<br />

Rolle: Wer immer wieder erlebt hat, dass wichtige Bezugspersonen sich übel wollend verhalten<br />

haben, wird diese Erfahrung leicht als Erwartung an andere Menschen übertragen. Sind wir ärgerlich<br />

gestimmt, gereizt, aufgestachelt, dann sind wir bereit, die Motive des Handelns unserer Mitmenschen<br />

als schlecht zu sehen, ihnen die Intention des Schadenwollens zuzuschreiben.<br />

2.3 Was ist <strong>Ärger</strong>?<br />

<strong>Ärger</strong> kann als negatives Gegenstück des Vergnügens bezeichnet werden. Was uns Vergnügen<br />

bereitet, gibt uns Gelegenheit, unseren Spieltrieb zu entfalten, in einem ungehinderten, ungehemmten<br />

Funktionsablauf.<br />

<strong>Ärger</strong> ist eine der fundamentalen Emotionen, die Bereitschaft zum <strong>Ärger</strong> gilt als angeboren.<br />

Wichtig in diesem Zusammenhang ist es, dass die Neugeborenenforscher das Äussern von Emotionen<br />

generell im Sinne der Kommunikation des Säuglings mit einer Beziehungsperson verstehen.<br />

Es werden wichtige Signale gegeben, auf die wiederum mit Signalen von der Beziehungsperson<br />

geantwortet wird. Emotionen und das Äussern von Emotionen stehen also im Zusammenhang<br />

mit Entwicklung und Wachstum, aber auch mit Entwicklung von Beziehung, mit Entwicklung von<br />

Kommunikation.<br />

Jede Emotion hat eine bestimmte Erlebnisqualität und einen Anreiz zu bestimmtem Verhalten. So<br />

regt <strong>Ärger</strong> an, Grenzen zwischen Menschen zu bereinigen, oder zumindest über Grenzen nachzudenken,<br />

aber auch, sich mit dem verletzten Selbstwert auseinander zu setzen.<br />

Diese Emotion reguliert Schwierigkeiten mit unseren Grenzen, reguliert unseren Selbstwert bei Erfahrungen<br />

von etwas Beleidigendem und/oder Aversivem, reguliert aber auch unsere Beziehung<br />

zum Unbewussten, unsere Beziehung zum Körper und unsere Beziehung zum Du, aber auch zur<br />

Gesellschaft.<br />

Je mehr Feindseligkeit wir erwarten, um so mehr Feindseliges wird uns begegnen, sei es als Reaktion<br />

der Mitmenschen auf unsere Erwartung, die sich auch in der Ausstrahlung zeigt, sei es,<br />

dass wir vieles, was nicht feindselig gemeint ist, dennoch als feindselig aufschlüsseln.<br />

Man ist verärgert und wird zunehmend mehr verärgert.<br />

Synonyme: Missmut, Verdruss, Wut, Rage, Unbehagen, Unmut, Frustration, auf den Wecker gehen,<br />

Weissglut<br />

Herkunft: gebildet zum Komparativ von arg / eigentlich ärger, schlechter machen<br />

2.4 Was kann mir mein <strong>Ärger</strong> mitteilen?<br />

Wer <strong>Ärger</strong> zulässt, glaubt daran, dass man das Leben noch verändern kann. Wer den <strong>Ärger</strong> nicht<br />

mehr zulässt, glaubt nicht mehr daran.<br />

Geht man davon aus, dass <strong>Ärger</strong> eine fundamentale Emotion ist, dann sind Reibungen etwas ganz<br />

Normales. Wenn uns reibungsloses Funktionieren so wichtig ist, müsste man sich fragen, wo in<br />

diesem System das Aufstachelnde des <strong>Ärger</strong>s zu finden ist. Der <strong>Ärger</strong> bietet uns ja gerade die<br />

Möglichkeit, Konflikte im Ansatz, nicht nur die ausgewachsenen Konflikte, wahrzunehmen und mit<br />

ihnen umzugehen. Da wird durch einen <strong>Ärger</strong> etwa deutlich, dass ein Mensch einen anderen Menschen<br />

zu sehr manipuliert, zu sehr überfährt, möglicherweise nicht willentlich. Und nimmt man den<br />

<strong>Ärger</strong> wahr, drückt man ihn aus, ist eine Verhaltensänderung möglich.<br />

- 2 -


So oft, wie wir uns selber ärgern, sind wir wahrscheinlich auch Ursache von <strong>Ärger</strong> bei anderen<br />

Menschen. Das ist ein Gedanke, der relativ schwer zu ertragen ist. Dass "die anderen", "die Welt"<br />

uns ständig ärgern, das ist ein vertrauter Gedanke, der einem hoch plausibel erscheint. Dass wir<br />

aber auch ständig "die Welt" ärgern, daran denken wir lieber nicht. Es ist aber im Umgang mit <strong>Ärger</strong><br />

ein fruchtbarer Gedanke. Es ist zu fragen, wie oft wir bewusst, absichtlich jemanden ärgern.<br />

Wir werden feststellen, dass das gar nicht so oft vorkommt, auch wenn andere Menschen sich<br />

durchaus öfter über uns ärgern. Wird uns das bewusst, dann wird uns auch klar, dass wir anderen<br />

Menschen viel zu oft unterstellen, dass sie uns absichtlich ärgern wollen.<br />

2.5 Nutzen des <strong>Ärger</strong>s<br />

Es ist heute eines der wesentlichsten Anliegen im menschlichen Zusammenleben, auch im grösseren<br />

sozialen Zusammenleben, dass wir lernen, gegenseitig nicht ständig unsere Integrität zu verletzen,<br />

sie womöglich auch noch in destruktiver Absicht anzugreifen, sondern dass wir lernen, die<br />

Integrität des anderen besser zu respektieren und wenn möglich zu fördern.<br />

Es geht darum, die Emotion so weit zu kontrollieren, dass wir mit der Emotionsäusserung nicht<br />

ständig anecken und dann von aussen die Kontrolle sozusagen aufgezwungen bekommen. Es<br />

geht aber auch darum, die Emotion nicht zu stark zu kontrollieren, weil sonst die Lebendigkeit verloren<br />

geht und der Sinn, der in jeder Emotion steckt, nicht mehr wahrgenommen werden kann. Ist<br />

die <strong>Ärger</strong>kontrolle zu gut gelungen, durch Erziehung und Selbsterziehung, haben Sie gelernt, sich<br />

in jeder Situation zu beherrschen, dann wird es für Sie unter Umständen sehr schwierig, mit dem<br />

<strong>Ärger</strong> konstruktiv umzugehen.<br />

3 Konstruktiver Umgang mit <strong>Ärger</strong><br />

3.1 Sinn des <strong>Ärger</strong>s anerkennen<br />

Der Sinn des <strong>Ärger</strong>s ist es, Situationen so zu verändern, dass Selbsterhaltung und Selbstentfaltung<br />

immer wieder neu ermöglicht werden können, so gut das eben geht, im Dialog mit einem Du,<br />

das genau dasselbe anstrebt. Im <strong>Ärger</strong> steckt auch die Energie, diese Veränderungen anzugehen.<br />

So ist der <strong>Ärger</strong> eigentlich immer der Anreiz zur Reflexion bestehender Beziehungen und bestehender<br />

Gewohnheiten, auch der eigenen, ein Anreiz etwa, was nicht in Ordnung ist, wieder in<br />

Ordnung zu bringen, Konflikte anzusprechen und Konflikte zu bereinigen, das heisst auch, sich<br />

selber und Beziehungen neu zu definieren, Nähe und Distanz neu zu bestimmen. Nicht zu vergessen:<br />

<strong>Ärger</strong> belebt. Wenn <strong>Ärger</strong> und Aggression gehemmt werden, nehmen wir uns ein Stück Lebendigkeit<br />

weg.<br />

Deshalb ist es auch sehr wichtig, dass wir uns nicht erlauben, nur zu nörgeln. Wenn wir nörgeln,<br />

dann sind wir zwar etwas verärgert, aber wir lassen den <strong>Ärger</strong> nicht wirklich zu, und infolgedessen<br />

werden wir auch nichts verändern, wir sind nur immer etwas ärgerlich verstimmt. Nörgeln ist destruktiv<br />

und blockiert uns. Wir müssen lernen, uns entweder mit einer Sache einverstanden zu erklären,<br />

oder kundig unzufrieden zu sein, so dass wir den <strong>Ärger</strong> wirklich nützen können, um Situationen<br />

zu verändern.<br />

3.2 <strong>Ärger</strong> enttarnen<br />

Es gibt viele Formen von <strong>Ärger</strong>, die wir im Alltag gar nicht als <strong>Ärger</strong> wahrnehmen und die dennoch<br />

<strong>Ärger</strong>erfahrungen und <strong>Ärger</strong>äusserungen sind und viele unangenehme Reaktionen und Interaktionen,<br />

vor allem auch Eskalationen von <strong>Ärger</strong> und Aggression mit sich bringen. Ich erinnere noch<br />

einmal an die passive Aggression. Menschen, die passiv aggressiv sind, halten nicht sich selbst<br />

sondern die anderen für aggressiv; ihr Verhalten beziehungsweise Nichtverhalten wirkt aber sehr<br />

feindselig. Enttarnt werden muss auch die verbale Aggression. Wer von sich überzeugt ist, verbal<br />

nicht aggressiv zu sein, möge doch einmal zwei Stunden lang alle seine Gespräche auf Band aufnehmen<br />

und dann - am besten mit anderen Menschen zusammen - diese prüfen. Sie werden erstaunt<br />

sein über den feindseligen Ton, der gelegentlich zu hören ist, über die gekonnten Sticheleien,<br />

über schneidende Analysen usw. Sie werden eine wichtige Ergänzung Ihres Selbstbildes erleben.<br />

Enttarnt werden muss auch die Autoaggression. Autoaggression ist nicht edel; alle Vorwürfe<br />

gegen sich selber zu wenden, ist nicht edel, sondern ungesund. Sie müssen aufhören, sich selber<br />

fertig zu machen, auch wenn es gelegentlich einfach sein mag, weil Sie dann keine konstruktive<br />

Leistung bringen müssen, nach dem Motto: lieber ein grandioses Opfer, als etwas gestalten! Wird<br />

der Vorgang des Enttarnens ernsthaft und mit einiger Ausdauer durchgeführt, wird man bestürzt<br />

und traurig werden über die eigene Destruktivität. Die Trauer über die eigene Destruktivität motiviert<br />

zur Veränderung und ermöglicht es uns, diese nicht einfach bei den anderen Menschen zu<br />

sehen, sie also zu projizieren. Man muss betroffen sein, man muss selber spüren, wie destruktiv<br />

man ohne grosse Absicht sein kann.<br />

- 3 -


3.3 Verantwortung für das Selbstwertgefühl<br />

Kann ich mit Angstspannung umgehen? Wirft mich jede Angst aus dem Gleis? Kann ich mit <strong>Ärger</strong><br />

umgehen? Kann ich mit einem Bedürfnis, das sehr stark ist, aber nicht sofort befriedigt werden<br />

kann, umgehen, indem ich es zum Beispiel sublimieren kann, oder muss jedes Bedürfnis sofort<br />

befriedigt werden, und wenn nicht, werde ich destruktiv? Das Umgehen mit innerer Spannung -<br />

Angst ist ja sehr oft eine innere Spannung wie der <strong>Ärger</strong> auch – hat einen Einfluss darauf, wie wir<br />

mit äusseren Konflikten umgehen können. Gelingt uns das hinreichend, dann sind wir „ichstark".<br />

Je sicherer unser Selbstwertgefühl, um so leichter fällt es uns, unsere Abwehrkonzepte zu<br />

überprüfen. Projizieren wir unseren <strong>Ärger</strong> und unsere Aggression weniger, werden wir uns weniger<br />

ärgern, erleben wir die Welt als weniger feindselig, uns selber mit dem eigenen <strong>Ärger</strong> aber als<br />

energiereicher.<br />

Ein weiterer Bereich ist die Entwicklung von den Gefühlen, die Entwicklung von Fürsorge für den<br />

anderen Menschen. Dies beginnt damit, dass man feststellt, dass man den anderen Menschen<br />

meistens gar nicht schaden möchte. Sind wir ärgerbewusst, wird uns vieles sehr viel weniger ärgern;<br />

und dort, wo wir uns ärgern, werden wir den <strong>Ärger</strong> effektiver ausdrücken, einen Konflikt wagen<br />

oder entschlossener eine Grenzbereinigung vornehmen.<br />

Beim konstruktiven Umgang mit <strong>Ärger</strong> und Aggression geht es nicht einfach nur darum, gut und<br />

schön streiten zu lernen, das auch, sondern auch darum, das problematische Gefühl des <strong>Ärger</strong>s<br />

als ein ganz wichtiges Gefühl kennen zu lernen, das Beziehungen zu sich und zu den anderen<br />

weitgehend reguliert, und zu lernen, effektiver und menschlicher mit diesem Gefühl umzugehen.<br />

Der Umgang mit dem <strong>Ärger</strong> ist dort am produktivsten, wo er zwischen zwei Menschen wirklich<br />

ausgetragen werden kann, wo die Parteien sich auch auf eine faire Auseinandersetzung einlassen<br />

können, wo man den <strong>Ärger</strong> als Korrektiv einer Beziehung verstehen kann. Gelingt das nicht, ist die<br />

Auseinandersetzung wirklich nicht möglich, sind wir allein mit unserem <strong>Ärger</strong>, unseren <strong>Ärger</strong>phantasien,<br />

unserem verletzten Selbstwertgefühl.<br />

3.4 Praktische Instrumente und Strategien<br />

• Verstehen was das Gegenüber meint. Will das Gegenüber mich ärgern? Muss ich mich ärgern?<br />

Was stimmt nicht für mich?<br />

• Die vier Ebenen der Meldung hören (Sache – Beziehung – Appell – Selbstoffenbarung)<br />

• Den <strong>Ärger</strong> (Änderungswunsch) des Gegenübers erkunden<br />

• Veränderbarkeit der Situation: Veränderbar = Lösungen suchen / Nicht veränderbar Einstellung<br />

ändern<br />

• Distanz und Zeit zur Lösungssuche nehmen<br />

• Beratung aufsuchen<br />

Gesunde Verarbeitung von Frustration liegt dann vor, wenn man trotz der Frustration noch Zugang<br />

zu vielen Handlungsmöglichkeiten hat und unterem anderem auch fähig ist, die Frustration zu verbalisieren.<br />

Als gesunde Aggression bezeichnet Steinert weiter die eigenen Interessen im sozial akzeptierten<br />

Rahmen gekonnt durchzusetzen und Schuldgefühle als Zeichen dafür zu nehmen, dass es vielleicht<br />

doch nicht ganz so gekonnt war.<br />

Weiter fügt er an, man brauche, um konstruktiv mit <strong>Ärger</strong> umzugehen, die Identifikation mit Vorbildern,<br />

die sozial verträgliche Aggressionsäusserungen zeigen und die vor allem zeigen, wie man<br />

offen Konflikte austrägt. Könne man sich mit Menschen identifizieren, die offen Konflikte austragen,<br />

würde das helfen, konstruktiv mit Aggression umzugehen.<br />

Für gesund hält Steinert es auch, wenn man aggressiv mit einem anderen Menschen anbandelt,<br />

dann aber diesen aggressiven Kontakt in einen nicht aggressiven verwandeln kann. Also jemanden<br />

anpflaumen und dann in eine ganz interessante Diskussion übergehen.<br />

Achtung: Keine ärgermotivierte Aggression<br />

Ziel einer ärgermotivierten Aggression ist es, das gekränkte Selbstwertgefühl wieder zu regulieren,<br />

sich also weniger gekränkt zu fühlen, vielleicht sogar, sich im Zustand eines kleinen Triumphs zu<br />

spüren. Die Kränkung, die wir erfahren haben, die Grenzüberschreitungen der anderen Menschen,<br />

die ärgern uns, wir fühlen uns in unserem Selbstwertgefühl verunsichert, stehen unter Spannung,<br />

erleben <strong>Ärger</strong>, Wut oder Angst. Durch die feindselige Handlung erhoffen wir uns, dass wir uns<br />

wieder besser fühlen, dass wir uns nicht einfach als Opfer fühlen, sondern erfahren, dass wir uns<br />

auch kompetent wehren können oder dass zumindest eine Balance wieder hergestellt ist in dem<br />

Sinn: "Wenn du mir etwas Böses antun kannst, ich kann es auch!“ Ein ganz primitiver Machtkampf<br />

steht dahinter. Aber der damit angepeilte zufriedene Zustand wird in der Regel gerade nicht erreicht<br />

durch feindseliges Verhalten. Deshalb geraten wir so leicht in eine Spirale der Gewalt. Denn<br />

haben wir uns machtvoll gerächt oder waren wir sehr verletzend, reagieren wir mit Schuldgefühlen,<br />

und diese wirken wieder zurück auf unser Selbstwertgefühl, wir sind wieder noch mehr verunsichert.<br />

Wir fürchten auch die zu erwartende Reaktion des Gegenübers, denn bekanntlich bewirken<br />

<strong>Ärger</strong>äusserungen auch wiederum <strong>Ärger</strong>. Der <strong>Ärger</strong> ist eine reziproke Emotion. Ob nun Schuldgefühle<br />

oder Angst das Resultat unserer <strong>Ärger</strong>äusserung ist, die daraus resultierende Spannung<br />

macht es wenig wahrscheinlich, dass wir eine kreative Lösung finden - kreative Lösungen würden<br />

- 4 -


unser Selbstwertgefühl sehr gut stabilisieren -, sondern dass der Konflikt weiter in einern nagt, und<br />

man, um sich besser zu fühlen, dann wiederum versucht, in einem feindseligen Akt die eigene<br />

Kraft zu spüren. Die Spirale der Gewalt dreht sich. Die ärgermotivierte Aggression ist eine häufige,<br />

aber nicht notwendige Folge von <strong>Ärger</strong>.<br />

3.5 Zusammenfassung<br />

Kast, Verena (1998): Vom Sinn des <strong>Ärger</strong>s. Anreiz zu Selbstbehauptung und Selbstentfaltung. Kreuz.<br />

<strong>Ärger</strong> <br />

wahrnehmen <br />

<strong>Ärger</strong> verstehen <br />

Veränderungs-­wunsch<br />

<br />

Situation <br />

veränderbar <br />

Situation nicht <br />

veränderbar <br />

Ziel festlegen <br />

Strategie <br />

entwickeln <br />

Konfrontation <br />

sozialverträglich <br />

eingehen <br />

Einstellung <br />

ändern <br />

Annehmen <br />

oder >liehen <br />

4 Persönliche Erkenntnis und Umsetzung<br />

4.1 Erkenntnis<br />

4.2 Handlungsanweisung<br />

- 5 -


5 Bildhafter Ausstieg<br />

Anhang<br />

Zum Abschluss noch ein leicht kontroverser Diskussionsbeitrag zum Thema von Lelia Kühne de Haan<br />

mit dem Titel „Ich ärgere mich masslos“.<br />

Jeder, der sich ärgert, denkt oder sagt es klar und deutlich: »Ich ärgere mich.« Doch kaum einer hört,<br />

dass er die Wahrheit spricht, wenn er sagt: »Ich ärgere mich«, weil jeder, der sich ärgert, das Empfinden<br />

hat, geärgert zu werden. Dass also nicht er, sondern jemand anderer für den <strong>Ärger</strong>, den er spürt,<br />

verantwortlich ist. Doch der Dritte, der da im Spiel ist, befindet sich nicht ausserhalb von uns. Er ist<br />

Teil von uns. Denn jedes Mal, wenn wir uns ärgern, überhören und übergehen wir unbewusst einen<br />

Teil unserer selbst. Was automatisch dazu führt, dass wir das Gefühl haben, übergangen, überhört<br />

und geärgert zu werden, sobald wir uns selbst ärgern.<br />

- 6 -


Das Empfinden, geärgert zu werden, kommt also nicht von aussen, sondern von innen. Ursache unseres<br />

<strong>Ärger</strong>s ist nicht das äussere Geschehen. Ursache unseres <strong>Ärger</strong>s ist das innere Geschehen, das<br />

durch äussere Anlässe ausgelöst wird. Der Auslöser für <strong>Ärger</strong> kann jeder und alles sein. Doch der<br />

Ursprung des <strong>Ärger</strong>s, den wir empfinden, liegt niemals in dem Anlass oder dem Menschen, den wir<br />

dafür verantwortlich machen. Der Ursprung unseres <strong>Ärger</strong>s liegt immer in uns selbst.<br />

Dass wir trotzdem äussere Umstände zum Sündenbock machen, liegt daran, dass wir zwar den Wecker<br />

hören, wenn wir uns ärgern, jedoch nicht wirklich aufwachen. Wir hören uns sagen: »Ich ärgere<br />

mich ... «, ohne uns wirklich bewusst zu machen, was wir sagen, weil wir augenblicklich das Empfinden<br />

haben, geärgert zu werden. Da uns nicht bewusst ist, dass wir selbst es sind, der uns ärgert, ist<br />

es nur logisch, dass wir in Windeseile jemanden oder etwas finden müssen, den oder das wir für unseren<br />

<strong>Ärger</strong> verantwortlich machen können, damit das, was wir empfinden, auch Sinn macht. Und was<br />

liegt näher, als die Verantwortung dafür dem zu geben, der den inneren Teufelskreis ausgelöst hat:<br />

»Ich ärgere mich, dass du ... «<br />

Egal, womit wir unseren <strong>Ärger</strong> vor uns selbst oder anderen begründen - was wir in Momenten, in denen<br />

wir uns ärgern, spüren, ist nicht das, was man , I uns gerade antut. Es ist das, was wir uns gerade<br />

selbst antun oder bereits angetan haben. Denn ob wir uns ärgern oder nicht, hängt nicht vom Verhalten<br />

anderer ab, sondern davon, wie wir uns in solchen Momenten uns selbst gegenüber verhalten.<br />

Und das wiederum ist zu einem grossen Teil davon abhängig, wie sehr und wie oft wir uns bereits<br />

unbewusst verärgert haben; wie viel <strong>Ärger</strong> wir also bereits in uns tragen, bevor das, was ihn auslöst,<br />

geschieht. Denn die Hauptursache von <strong>Ärger</strong> ist der <strong>Ärger</strong>, den wir unbewusst in uns angesammelt<br />

haben.<br />

<strong>Ärger</strong> ist ein Sammelsurium unterdrückter Gefühle und unbefriedigter Bedürfnisse, und zwar jeder Art.<br />

Dazu gehört nicht ausgedrückte Freude genauso wie geschluckte Wut oder zu wenig Schlaf. Unterdrückte<br />

Empfindungen sind wie Tortenstücke, die man zu lange aufbewahrt. Wenn man sie nicht isst,<br />

solange sie frisch sind, verändern sie sich. Sie vergammeln, faulen und verschimmeln.<br />

Das Gleiche geschieht mit nicht gelebten Gefühlen und Bedürfnissen. Empfindungen, die wir<br />

überhören, unterdrücken oder beiseite schieben, lösen sich nicht auf. Sie sammeln sich in uns an,<br />

gären dort und verwandeln sich in <strong>Ärger</strong>, Frust und Aggression. Und zwar so lange, bis das giftige<br />

Zeug entweder implodiert und uns krank macht. Oder bis wir, meist ohne jede Vorwarnung, explodieren,<br />

weil sich zu viel Unterdrücktes in uns angesammelt hat. Das, was die Bombe zum Platzen bringt<br />

und wir normalerweise für unseren <strong>Ärger</strong> verantwortlich machen, ist lediglich der Auslöser, das, was<br />

die Bombe zündet. Was uns zerreisst und anderen um die Ohren fliegt, wenn wir explodieren, ist der<br />

Inhalt, der in der Bombe war. Eine Bombe, in der kein Zündstoff ist, kann nicht explodieren, egal, wer<br />

oder was sie zündet.<br />

Um uns ärgern zu können, müssen wir uns selbst <strong>Ärger</strong> machen oder gemacht haben. Denn <strong>Ärger</strong> ist<br />

kein ursprüngliches, natürliches Gefühl. Es ist das, was aus natürlichen Gefühlen wird, wenn wir sie<br />

runterschlucken und mit uns herumtragen, bis sie uns als <strong>Ärger</strong> hochkommen. Wer sich ärgert, ärgert<br />

sich nicht, wie er glaubt, über das, was seinen <strong>Ärger</strong> hervorruft. Er nimmt es unbewusst nur zum Anlass,<br />

um ein überhörtes Gefühl, nicht befriedigte Bedürfnisse oder irgendeinen anderen selbst fabrizierten<br />

Frust loszuwerden.<br />

Entscheidend, ob wir uns ärgern oder nicht, ist, wie achtsam und verantwortungsbewusst wir mit uns<br />

selbst umgehen. Je weniger wir uns unbewusst ärgern, indem wir uns unbewusst übergehen, umso<br />

seltener werden wir bewusst <strong>Ärger</strong> empfinden. Uns zu ärgern gelingt uns am besten, wenn wir uns<br />

selbst gegenüber eine negative Einstellung haben; wenn wir unbewusst unzufrieden mit uns sind oder,<br />

bedingt durch unser eigenes unbewusstes Verhalten, uns unbefriedigt fühlen. Wer sich ärgert, will sich<br />

ärgern, ob er sich nun dessen bewusst ist oder nicht. Und wer sich ärgern will, findet immer und<br />

überall einen Anlass, es zu tun.<br />

Wer sich nicht ärgern will, wird sich auch ärgern, weil er sich gegen das, was von aussen auf ihn zukommt,<br />

wappnet und sich nicht vor dem, was er sich unbewusst selbst antut, schützt. <strong>Ärger</strong> ist ein<br />

autoaggressiver Akt, in dem wir selbst der Täter sind, der uns zum Opfer macht. Nur wer sich selbst<br />

nicht ärgert, ärgert sich nicht. Einen anderen Weg, <strong>Ärger</strong> zu verhindern, gibt es nicht.<br />

Wie wir eine prekäre Situation erleben und auf sie reagieren, hängt nicht von der Situation ab, sondern<br />

davon, wie wir sie unbewusst interpretieren. Und das wiederum ist abhängig von unserer Einstellung<br />

uns selbst gegenüber. Von dem jeweiligen inneren Zustand, in dem wir uns gerade befinden. In uns<br />

wird entschieden, ob, wann, wie lange und worüber wir uns ärgern. Unbewusst wählen wir nicht nur<br />

den Anlass, sondern auch den Zeitpunkt selbst. Der Beweis dafür ist: Was uns heute kalt lässt, kann<br />

uns morgen zum Kochen bringen. Oder umgekehrt: Etwas, was uns heute das Gesicht verzerrt, kann<br />

uns morgen nur ein müdes Lächeln abgewinnen. Was uns bei dem einen auf die Palme bringt, bemerken<br />

wir beim anderen nicht einmal. Und was andere ärgert, ärgert uns überhaupt nicht. Doch solange<br />

uns nicht bewusst ist, dass sowohl der Ursprung unseres <strong>Ärger</strong>s als auch die Entscheidung, uns zu<br />

ärgern, bei uns selbst liegt, werden wir uns den Möglichkeiten, <strong>Ärger</strong> zu empfinden, wahl- und hilflos<br />

ausgeliefert fühlen.<br />

- 7 -


Dass etwas schief geht, können wir oft nicht verhindern. Wählen, wie wir in einer solchen Situation mit<br />

uns selbst umgehen, können wir immer: Wir können uns entweder ärgern und dann auch noch ärgern,<br />

dass wir uns ärgern. Oder wir können das tun, was notwendig ist, damit sich unser <strong>Ärger</strong> auflöst oder<br />

gar nicht erst entsteht.<br />

Sobald Sie sich für Letzteres entscheiden, werden Sie nicht mehr Opfer Ihres <strong>Ärger</strong>s sein, sondern<br />

Herr Ihres <strong>Ärger</strong>s werden. Was nicht heissen soll, dass Sie versuchen sollten, ihn zu beherrschen.<br />

Herr Ihres <strong>Ärger</strong>s werden Sie, indem Sie die drei nun folgenden Schritte beherzigen.<br />

Der erste Schritt<br />

<strong>Ärger</strong>n Sie sich - nur mit einem kleinen Unterschied: Halten Sie mittendrin inne und machen Sie sich<br />

bewusst, dass Sie sich selbst ärgern. Dieses Bewusstsein ist unumgänglich. Denn solange Sie den<br />

Ursprung Ihres <strong>Ärger</strong>s woanders wähnen, haben Sie keinen Einfluss auf ihn; werden ihn weder verhindern,<br />

noch sich selbst davor schützen können. Wirklich verändern können Sie in Ihrem Leben nur<br />

das, was Sie selbst ändern.<br />

Machen Sie sich darauf gefasst, dass es am Anfang nicht leicht sein wird, das Bewusstsein herzustellen,<br />

dass Sie sich ärgern. In manchen Situationen wird es Ihnen nicht nur lästig, sondern auch unglaubwürdig<br />

erscheinen, selbst und ganz allein der Ursprung Ihres <strong>Ärger</strong>s zu sein. Allerdings nur, solange<br />

Sie das Bewusstsein, sich selbst zu ärgern, noch nicht ganz eingegangen sind. Tatsächlich in<br />

diesem Bewusstsein sind Sie erst nach dem zweiten Schritt: Wenn Ihnen bewusst ist, wie und womit<br />

Sie sich ärgern. Allein die Tatsache, dass Sie sich ärgern und dass Sie sich ärgern, reicht anfangs<br />

nicht aus, um damit aufhören zu können.<br />

Der zweite Schritt<br />

Halten Sie sich nicht mehr damit auf, sich und anderen zu erklären, warum und worüber Sie sich ärgern.<br />

Finden Sie stattdessen heraus, wie und womit Sie das fertig bringen. Gehen Sie davon aus,<br />

dass <strong>Ärger</strong> immer von einer negativen, unbewusst gegen sich selbst oder andere gerichteten Interpretation<br />

des Geschehens eingeläutet wird. Beginnen Sie also mit der Frage: Was unterstelle ich gerade<br />

dem anderen oder was denke ich unbewusst über mich, damit ich mich jetzt ärgern kann? Möglicherweise<br />

wird die Antwort Ihnen bereits eine völlig neue Perspektive eröffnen, mit sich selbst und der<br />

Situation umzugehen.<br />

Da der eigentliche Grund von <strong>Ärger</strong> meistens tiefer sitzt oder weiter zurückliegt, sollten Sie jede Gelegenheit<br />

nutzen, herauszufinden, was die wahre Ursache Ihres <strong>Ärger</strong>s ist. Was haben Sie übersehen<br />

oder versäumt zu tun, was Sie jetzt ärgert? Würden Sie sich jetzt auch ärgern, wenn Sie das Versäumte<br />

zum richtigen Zeitpunkt getan hätten? Welchen Teil Ihrer Verantwortung für das Geschehen haben<br />

Sie bis jetzt unbewusst ausser Acht gelassen? Was müssten Sie weiterhin tun, um weiterhin <strong>Ärger</strong><br />

empfinden zu können? Oder anders gefragt: Womit müssten Sie auf der Stelle aufhören, damit sich Ihr<br />

<strong>Ärger</strong> auf der Stelle auflöst?<br />

Sobald Sie sich diese Fragen aufrichtig beantwortet haben, werden Sie sich nicht mehr verärgert, sondern<br />

verantwortlich fühlen und Schwierigkeiten haben, sich weiterhin zu ärgern, indem Sie anderen die<br />

Verantwortung in die Schuhe schieben. Denn wenn Sie den wahren Ursprung Ihres <strong>Ärger</strong>s kennen,<br />

können Sie ihn auch auflösen und den dafür notwendigen letzten Schritt gehen.<br />

Der dritte Schritt<br />

Hören Sie einfach sofort auf damit, das zu tun, was Sie unbewusst tun mussten, um sich zu ärgern,<br />

und erleben Sie, wie Ihr <strong>Ärger</strong> verschwindet. Sobald Sie das ein paar Mal am eigenen Leibe erfahren<br />

haben, werden Sie in den meisten Fällen nur noch das Bewusstsein zu erneuern brauchen, dass Sie<br />

sich ärgern, um sofort damit aufhören zu können. In den meisten Fällen. Denn immer wird es Ihnen<br />

nicht gelingen, weil es hin und wieder einfach Spass macht, sich zu ärgern. Zum Glück kann Ihnen<br />

niemand diesen Spass verderben. Schliesslich ist es Ihre Entscheidung, wie Sie mit sich selbst umgehen.<br />

Tun Sie sich also keinen Zwang an. <strong>Ärger</strong>n Sie sich, wenn Ihnen danach zumute ist. Und geniessen<br />

Sie das Bewusstsein, es selbst in der Hand zu haben, wann Sie damit aufhören.<br />

Das Recht, sich zu ärgern, haben Sie. Doch wann immer Sie glauben, sich zu Recht zu ärgern, täuschen<br />

Sie sich, weil Ihnen in solchen Momenten nicht bewusst ist, was Sie mit sich selbst anstellen.<br />

Wenn Sie wissen, dass Sie sich selbst ärgern und es Ihnen trotz allem nicht so recht gelingen mag,<br />

Ihren <strong>Ärger</strong> zu beenden, obwohl Sie es wollen, verärgern Sie sich wahrscheinlich zu häufig, ohne es<br />

zu merken. Dann sollten Sie öfter und bewusster auf Ihre wahren Gefühle und eigenen Bedürfnisse<br />

achten; sie nicht überhören oder unterdrücken, sondern zu ihnen stehen und sie leben. Wenn Sie das<br />

machen, ohne es auf Kosten anderer zu tun, werden Sie nicht nur immer weniger, sondern auch immer<br />

seltener <strong>Ärger</strong> haben, weil Sie sich nicht mehr mit geschluckten Empfindungen herumschlagen<br />

müssen, die sich in <strong>Ärger</strong> verwandeln, der Sie auffrisst. [ . . ]<br />

Kühne de Haan, Lelia (2004): Ja, aber . . . Die heimliche Kraft alltäglicher Worte und wie man durch bewusstes Sprechen<br />

selbstbewusster wird. Nymphenburger<br />

Kontakt:<br />

Stephan Hasler-Dul, PH<strong>Bern</strong>, Institut für Weiterbildung<br />

Dozent und Berater, Fachbereichsverantwortlicher Berufseinstieg<br />

Weltistrasse 40, CH-3006 <strong>Bern</strong>, T ++41 79 511 94 96, stephan.hasler@phbern.ch www.phbern.ch/weiterbildung/beratung<br />

- 8 -

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!