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de (pdf) - Stiftung für Menschen mit seltenen Krankheiten

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Eine Son<strong>de</strong>rveröffentlichung <strong>de</strong>s Reflex Verlages zum Thema<br />

Seltene <strong>Krankheiten</strong><br />

Augen<strong>de</strong>fekte frühzeitig erkennen Seite 4<br />

Sklero<strong>de</strong>rmie: Angriff auf Haut und Organe Seite 5<br />

Cystische Fibrose: Lebenserwartung nimmt zu Seite 6<br />

Innovative Therapien lin<strong>de</strong>rn Morbus Crohn Seite 8<br />

April 2013


Seltene <strong>Krankheiten</strong><br />

Eine Publikation <strong>de</strong>s Reflex Verlages am 16. April 2013<br />

in <strong>de</strong>r Gesamtausgabe <strong>de</strong>r BZ Berner Zeitung/Der Bund.<br />

Inhalt<br />

Die Waisenkin<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Medizin machen mobil 3<br />

Wenn das Auge nachhaltig in Gefahr ist 4<br />

Sklero<strong>de</strong>rmie – Angriff auf Haut und Organe 5<br />

Wenn <strong>de</strong>r Atem stockt 6<br />

Die Schmerzen sind ständige Begleiter 8<br />

Die tückischen Exoten 9<br />

Impressum<br />

Projektmanager<br />

Max Celko, max.celko@reflex-media.net<br />

Redaktion<br />

Mike Passmann, Julia Borchert, Nadine Effert, Tobias Lemser,<br />

Wiebke Toebelmann<br />

Produktion/Layout<br />

Diana Nyberg, layout@reflex-media.net<br />

Fotos<br />

Thinkstock / Getty Images<br />

Druck<br />

Büchler Grafino AG, Druckzentrum Bern<br />

Inhalte von Werbebeiträgen wie Unternehmens- und<br />

Produktpräsentationen, Interviews, Anzeigen sowie<br />

Gastbeiträgen geben die Meinung <strong>de</strong>r beteiligten Unternehmen<br />

wie<strong>de</strong>r. Die Redaktion ist <strong>für</strong> die Richtigkeit <strong>de</strong>r Beiträge nicht<br />

verantwortlich. Die rechtliche Haftung liegt bei <strong>de</strong>n jeweiligen<br />

Unternehmen.<br />

V.i.S.d.P.<br />

Mike Passmann, redaktion@reflex-media.net<br />

Für weitere Informationen wen<strong>de</strong>n Sie sich bitte an<br />

Oscar Nyberg, oscar.nyberg@reflex-media.net<br />

Reflex Verlag Schweiz AG<br />

Fraumünsterstrasse 25, 8001 Zürich, T: 043 / 300 55 55<br />

Der Reflex Verlag hat sich auf themenbezogene Son<strong>de</strong>rveröffentlichungen<br />

in <strong>de</strong>utschen, nie<strong>de</strong>rländischen und<br />

schweizer Tageszeitungen spezialisiert.<br />

Diese liegen unter an<strong>de</strong>rem <strong>de</strong>m Tages-Anzeiger, <strong>de</strong>r Berner<br />

Zeitung, Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) und <strong>de</strong>m<br />

Han<strong>de</strong>lsblatt bei.<br />

So kombiniert <strong>de</strong>r Reflex Verlag <strong>de</strong>n thematischen Fokus <strong>de</strong>r<br />

Fachpublikationen <strong>mit</strong> <strong>de</strong>r Reichweite <strong>de</strong>r Tagespresse.<br />

Der Verlag zeichnet sich durch eine unabhängige Redaktion<br />

sowie die Trennung zwischen redaktionellen Artikeln und<br />

Kun<strong>de</strong>nbeiträgen aus.<br />

Mehr Informationen fin<strong>de</strong>n Sie unter www.reflex-media.net<br />

Eine Son<strong>de</strong>rveröffentlichung <strong>de</strong>s Reflex Verlages<br />

Solidarität und Gleichstellung –<br />

auch <strong>für</strong> seltene <strong>Krankheiten</strong><br />

In Europa gilt eine Krankheit als selten, wenn sie höchstens<br />

eine von 2‘000 Personen betrifft. Bekannt sind mehr als<br />

5‘000 seltene <strong>Krankheiten</strong> und sechs bis acht Prozent <strong>de</strong>r<br />

Gesamtbevölkerung sind davon betroffen. In <strong>de</strong>r Schweiz<br />

lei<strong>de</strong>t etwa eine halbe Million <strong>Menschen</strong> an einer <strong>seltenen</strong><br />

Krankheit. Rund 75 Prozent sind Kin<strong>de</strong>r und Jugendliche. An<strong>de</strong>re<br />

seltene <strong>Krankheiten</strong> manifestieren sich erst allmählich im<br />

Erwachsenenalter und könnten je<strong>de</strong>n treffen.<br />

Einige <strong>Krankheiten</strong> sind so selten, dass in <strong>de</strong>r Schweiz weniger<br />

als 100 Patienten davon betroffen sind. Die Ärzte sind<br />

dadurch stark gefor<strong>de</strong>rt, da sie in ihrem Berufsleben <strong>für</strong><br />

einige <strong>Krankheiten</strong> wohl nur einen Patienten sehen. Viele <strong>de</strong>r<br />

<strong>Krankheiten</strong> sind nicht einmal in Lehrbüchern zu fin<strong>de</strong>n. Auch die<br />

Labormedizin und die Pharmaindustrie müssen unverhältnismässig<br />

viel investieren, um Tests und Medikamente <strong>für</strong> eine so kleine<br />

Patientengruppe zu entwickeln. Behör<strong>de</strong>n haben das Problem<br />

erkannt und sorgen <strong>mit</strong>tlerweile <strong>für</strong> gewisse Anreize. Man<br />

hofft, dass sich Therapieerfolge auch auf an<strong>de</strong>re <strong>Krankheiten</strong><br />

anwen<strong>de</strong>n lassen.<br />

Diagnose-Odyssee<br />

Seltene <strong>Krankheiten</strong> können lebensbedrohlich sein und sind oft<br />

unheilbar. Sie erfor<strong>de</strong>rn in <strong>de</strong>r Regel eine aufwendige diagnostische<br />

Abklärung. Das Wissen über die <strong>Krankheiten</strong> und<br />

<strong>de</strong>ren Verlauf ist allerdings gering. Aufgrund ihrer Seltenheit<br />

und Vielfalt wer<strong>de</strong>n sie klinisch oft verkannt und im Vergleich<br />

zu bekannten <strong>Krankheiten</strong> dauert es meist viel länger (etwa 7<br />

Jahre) bis sie diagnostiziert wer<strong>de</strong>n. Bis zur richtigen Diagnose<br />

haben Betroffene oft eine regelrechte Odyssee hinter sich, wobei<br />

die lange Ungewissheit eine grosse psychische Belastung <strong>für</strong><br />

die Betroffenen und ihre Familien darstellt. Die Diagnose ist<br />

die wichtigste Voraussetzung <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Entscheid „Behandlung<br />

ja o<strong>de</strong>r nein“und die Grundlage einer erfolgreichen Therapie<br />

und Prävention. Falsche o<strong>de</strong>r fehlen<strong>de</strong> Diagnosen können zu<br />

Fehlbehandlungen <strong>mit</strong> schwerwiegen<strong>de</strong>n Auswirkungen o<strong>de</strong>r zur<br />

Geburt weiterer betroffener Kin<strong>de</strong>r innerhalb einer Familie führen.<br />

Gentests als Schlüssel zur Diagnose<br />

Da etwa 80 Prozent <strong>de</strong>r <strong>seltenen</strong> <strong>Krankheiten</strong> genetisch bedingt<br />

sind, kommt <strong>de</strong>m Gentest eine beson<strong>de</strong>re Be<strong>de</strong>utung zu. Wenn<br />

das klinische Bild nicht ausgeprägt ist, vor allem bei Kin<strong>de</strong>rn,<br />

können nur Gentests eine diagnostische Sicherheit bieten. Oft<br />

wer<strong>de</strong>n diese von <strong>de</strong>n Krankenkassen nur teilweise o<strong>de</strong>r gar<br />

nicht vergütet, trotz <strong>de</strong>r neuen Position in <strong>de</strong>r Krankenpflege-<br />

Leistungsverordnung <strong>für</strong> seltene genetische <strong>Krankheiten</strong>.<br />

Seit mehr als einem Jahr setzt hier die <strong>Stiftung</strong> <strong>für</strong> <strong>Menschen</strong><br />

<strong>mit</strong> <strong>seltenen</strong> <strong>Krankheiten</strong> (stiftung-seltene-krankheiten.ch)<br />

durch das Betreiben <strong>de</strong>s schweizweit einzigen Zentrums<br />

<strong>für</strong> Kardiovaskuläre Genetik und Gendiagnostik <strong>mit</strong> eigener<br />

Diagnostik-, Forschung-, Lehr- und Beratungskompetenz an<br />

(genetikzentrum.ch).<br />

Weiterer Handlungsbedarf<br />

Patienten haben nicht nur <strong>für</strong> eine richtige Diagnose zu kämpfen,<br />

son<strong>de</strong>rn auch <strong>für</strong> einen Zugang und eine Kostenübernahme<br />

von wirksamen Therapien und Hilfs<strong>mit</strong>teln. Die heute<br />

gelten<strong>de</strong>n Kriterien <strong>de</strong>s Krankenversicherungsgesetzes<br />

(Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit) verhin<strong>de</strong>rn<br />

<strong>de</strong>n Zugang zu wirksamen aber teuren (CHF >100‘000<br />

pro Jahr) Medikamenten sowie zu nicht-medikamentösen<br />

Therapieformen. Problematisch ist auch <strong>de</strong>r Wechsel von <strong>de</strong>r<br />

Invali<strong>de</strong>nversicherung zur Krankenversicherung nach <strong>de</strong>m 20.<br />

Lebensjahr. Betroffene haben zu<strong>de</strong>m <strong>mit</strong> Rechtsunsicherheit,<br />

spärlichen Informationen, administrativen Hür<strong>de</strong>n, fehlen<strong>de</strong>r<br />

Forschung, psychosozialer Isolation, Diskriminierung und<br />

ungenügen<strong>de</strong>r Betreuung zu kämpfen. 2010 haben sich <strong>de</strong>shalb<br />

mehrere Patientenorganisationen in <strong>de</strong>r Schweiz zur Allianz<br />

ProRaris (proraris.ch) zusammengeschlossen, um ihre Interessen<br />

in die Öffentlichkeit und Politik zu tragen. Seit 2011 prüft zu<strong>de</strong>m<br />

<strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>srat eine „Nationale Strategie zur Verbesserung<br />

<strong>de</strong>r gesundheitlichen Situation von <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> <strong>seltenen</strong><br />

<strong>Krankheiten</strong>“, die durch die IG Seltene <strong>Krankheiten</strong> (ig-seltenekrankheiten.ch)<br />

unterstützt wird. Ein Rückversicherungsmo<strong>de</strong>ll<br />

<strong>für</strong> seltene <strong>Krankheiten</strong> wur<strong>de</strong> kürzlich von <strong>de</strong>r Niemann-Pick-<br />

Vereinigung (npsuisse.ch) vorgeschlagen. Erfreulicherweise gibt<br />

es auch immer mehr Initiativen <strong>für</strong> seltene <strong>Krankheiten</strong>. Es ist<br />

nun zu hoffen, dass in <strong>de</strong>r Schweiz je<strong>de</strong>r einzelne Mensch <strong>mit</strong><br />

einer <strong>seltenen</strong> Krankheit auf die Solidarität <strong>de</strong>r Gesellschaft<br />

zählen und <strong>mit</strong> <strong>de</strong>r Gleichstellung gegenüber allen an<strong>de</strong>ren<br />

Betroffenen rechnen darf.<br />

PD Dr. Gabor Matyas,<br />

Spezialist <strong>für</strong> Medizinische Genetik FAMH, Geschäftsleiter <strong>de</strong>r<br />

<strong>Stiftung</strong> <strong>für</strong> <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> <strong>seltenen</strong> <strong>Krankheiten</strong> und Leiter<br />

<strong>de</strong>s Zentrums <strong>für</strong> Kardiovaskuläre Genetik und Gendiagnostik,<br />

matyas@stiftung-seltene-krankheiten.ch<br />

Interview Neurologische Bewegungsstörungen<br />

„Das Ziel ist immer eine Verbesserung <strong>de</strong>r Lebensqualität“<br />

Dr. med. Matthias Oechsner, Leiter <strong>de</strong>s Parkinsonzentrums<br />

an <strong>de</strong>r Rehaklinik Zihlschlacht<br />

Dr. Oechsner, Parkinson<br />

ist eine Krankheit, <strong>de</strong>ren<br />

Symptome im Laufe <strong>de</strong>r Zeit<br />

immer schwerer wer<strong>de</strong>n.<br />

Was be<strong>de</strong>utet das <strong>für</strong> die<br />

Behandlung von Betroffenen?<br />

Parkinson ist im Frühstadium<br />

ambulant behan<strong>de</strong>lbar. Doch <strong>mit</strong><br />

Fortschreiten <strong>de</strong>r Krankheit kann<br />

die ambulante Betreuung häufig die<br />

Ziele <strong>de</strong>r Behandlung nicht mehr<br />

verwirklichen – etwa weil die Symptome<br />

<strong>de</strong>s Patienten täglich kontrolliert<br />

wer<strong>de</strong>n müssen o<strong>de</strong>r spezielle<br />

Therapien nur stationär durchgeführt<br />

wer<strong>de</strong>n können.<br />

Parkinson kommt <strong>mit</strong> etwa<br />

15‘000 Patienten in <strong>de</strong>r<br />

Schweiz relativ häufig vor. Es<br />

gibt jedoch eine ganze Reihe<br />

seltener <strong>Krankheiten</strong>, <strong>de</strong>ren<br />

Symptome ähnlich sind...<br />

Ja, das stimmt. Für <strong>de</strong>n Laien sind<br />

diese <strong>Krankheiten</strong> kaum von Parkinson<br />

zu unterschei<strong>de</strong>n. Zu nennen<br />

wäre hier zum Beispiel die Multisystematrophie.<br />

Dabei han<strong>de</strong>lt es sich<br />

um eine <strong>de</strong>generative Hirnerkrankung,<br />

bei <strong>de</strong>r über die Parkinson-<br />

Krankheit hinausgehen<strong>de</strong>, neurologische<br />

Symptome vorliegen. Derart<br />

seltene neurologische Bewegungsstörungen<br />

schreiten schnell voran<br />

und zeigen sich im Verlauf aggressiver.<br />

Ausser<strong>de</strong>m gibt es Symptome<br />

wie etwa Schluckstörungen, die<br />

überhaupt nicht auf Medikamente<br />

ansprechen.<br />

Bezüglich <strong>de</strong>r Ursachen<br />

tappen Forscher noch immer<br />

im Dunkeln. Was heisst das<br />

<strong>für</strong> die Patienten?<br />

Das be<strong>de</strong>utet lei<strong>de</strong>r, dass es keine<br />

Heilung gibt. Darüber müssen<br />

Patienten und Angehörige aufgeklärt<br />

wer<strong>de</strong>n. Allerdings verfügt<br />

man heutzutage insbeson<strong>de</strong>re in<br />

<strong>de</strong>r stationären Behandlung über<br />

verschie<strong>de</strong>ne Therapiemöglichkeiten,<br />

um die Symptome intensiver<br />

zu behan<strong>de</strong>ln und so die Lebensqualität<br />

<strong>de</strong>r Patienten <strong>de</strong>utlich zu<br />

verbessern.<br />

Welche therapeutischen<br />

Massnahmen stehen zur<br />

Verfügung, um die Symptome<br />

<strong>de</strong>r neuropathologisch doch<br />

ganz unterschiedlichen <strong>Krankheiten</strong><br />

zu behan<strong>de</strong>ln?<br />

Das Angebot ist sehr umfassend<br />

und vielschichtig. Von <strong>de</strong>r Physiotherapie<br />

über Logopädie bei<br />

Sprach-, Schluck- o<strong>de</strong>r Stimmstörungen<br />

bis hin zur Ergotherapie<br />

und zu alternativen Therapieverfahren.<br />

Unter Umstän<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n<br />

Patienten auch <strong>mit</strong> Hilfs<strong>mit</strong>teln<br />

wie Ernährungsson<strong>de</strong>n versorgt.<br />

Darüber hinaus geht es darum,<br />

Patienten und ihren Angehörigen<br />

beratend zur Seite zu stehen. Etwa<br />

wenn es um Fragen <strong>de</strong>r weiteren<br />

Lebensplanung, Entlastungsmöglichkeiten<br />

und <strong>de</strong>r Bewältigung <strong>de</strong>s<br />

Alltags geht. Neben <strong>de</strong>r Verbesserung<br />

<strong>de</strong>r Lebensqualität, steht das<br />

Wie<strong>de</strong>rerreichen <strong>de</strong>r grösstmöglichen<br />

Selbstständigkeit im privaten<br />

und beruflichen Alltag im Fokus.<br />

Um diese Ziele zu erreichen, ist es<br />

von elementarer Be<strong>de</strong>utung, dass<br />

das Team – bestehend aus Ärzten,<br />

Therapieleitern und Pflegefachkräften<br />

– interdisziplinär zusammenarbeitet<br />

und rund um die Uhr <strong>de</strong>n<br />

Patienten zur Seite steht. •


Eine Son<strong>de</strong>rveröffentlichung <strong>de</strong>s Reflex Verlages seltene krankheiten 3<br />

Leitartikel<br />

Die Waisenkin<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Medizin machen mobil<br />

Seltene <strong>Krankheiten</strong> sind auf <strong>de</strong>r politischen Agenda angekommen. Aufklärung, gebün<strong>de</strong>ltes Wissen und Vergütungsrichtlinien sollen die Betreuung verbessern.<br />

Von Wiebke Toebelmann<br />

Schwere Diagnosen wie Krebs,<br />

Diabetes o<strong>de</strong>r auch Epilepsie<br />

sind nie<strong>de</strong>rschmetternd – und doch<br />

bleiben <strong>de</strong>m Patienten zahlreiche<br />

Möglichkeiten, sich <strong>mit</strong> solch einer<br />

Erkrankung auseinan<strong>de</strong>rzusetzen.<br />

Spezialisten stehen bereit, um ihm<br />

die optimale Behandlung zu gewährleisten<br />

und ihm seine Lebensqualität<br />

zu erhalten. Es gibt eine Vielzahl<br />

von Informationen, <strong>mit</strong> <strong>de</strong>nen sich<br />

ein Erkrankter versorgen kann.<br />

Patientenverbän<strong>de</strong> und Selbsthilfegruppen<br />

geben zusätzlichen Halt,<br />

und auch sind die weit verbreiteten<br />

Zivilisationskrankheiten umfassend<br />

erforscht.<br />

Doch was tun, wenn die Diagnose<br />

Hypophosphatasie, Adrenoleukodystrophie<br />

o<strong>de</strong>r auch Sarkoidose<br />

heisst? Wenn niemand aus <strong>de</strong>m Bekanntenkreis<br />

etwas da<strong>mit</strong> anfangen<br />

kann, <strong>mit</strong>unter nicht einmal <strong>de</strong>r behan<strong>de</strong>ln<strong>de</strong><br />

Arzt? Als selten gilt eine<br />

Krankheit in <strong>de</strong>r Schweiz und <strong>de</strong>r<br />

EU, wenn höchstens fünf von 10‘000<br />

Einwohnern eine bestimmte Erkrankung<br />

haben. Weltweit sind heute<br />

rund 7‘000 bis 8‘000 seltene <strong>Krankheiten</strong><br />

bekannt. Zu <strong>de</strong>n „orphan diseases“<br />

(englisch „orphan“ = Waise)<br />

zählen beispielsweise genetische<br />

Stoffwechselerkrankungen, Bewegungsstörungen,<br />

rare Lungenlei<strong>de</strong>n,<br />

Blut- und Gewebekrankheiten o<strong>de</strong>r<br />

auch seltene Krebsarten. Auch die<br />

sogenannten Lysosomalen Speicherkrankheiten<br />

gehören zu <strong>de</strong>n <strong>seltenen</strong><br />

Befun<strong>de</strong>n, dabei han<strong>de</strong>lt es sich um<br />

eine Funktionsstörung bestimmter<br />

Enzyme, die oftmals schwere Schä<strong>de</strong>n<br />

von manchmal gleich mehreren<br />

Organen verursacht. In <strong>de</strong>r Regel<br />

kommt ein Allgemeinmediziner in<br />

seiner Praxis höchstens einmal im<br />

Jahr <strong>mit</strong> einer <strong>seltenen</strong> Krankheit in<br />

Berührung. Oftmals wird dann eine<br />

falsche Diagnose gestellt, und bis <strong>de</strong>r<br />

richtige Befund feststeht, vergehen<br />

bisweilen sogar Jahre.<br />

Die Krankheit beherrscht<br />

das Leben<br />

Die Mehrzahl <strong>de</strong>r <strong>seltenen</strong> <strong>Krankheiten</strong><br />

ist genetisch bedingt und<br />

äussert sich bereits im Kin<strong>de</strong>salter.<br />

Dabei ist es wichtig, dass die Krankheitszeichen<br />

früh erkannt und richtig<br />

zugeordnet wer<strong>de</strong>n. Professor<br />

Matthias Baumgartner behan<strong>de</strong>lt<br />

am Universitäts-Kin<strong>de</strong>rspital Zürich<br />

täglich kleine Patienten, die an komplizierten<br />

Stoffwechselkrankheiten<br />

lei<strong>de</strong>n. Er weiss, wie sehr diese<br />

<strong>Krankheiten</strong> <strong>de</strong>n Alltag <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r<br />

und ihrer Familien bestimmen:<br />

„Bleiben Stoffwechselkrankheiten<br />

unerkannt und dadurch unbehan<strong>de</strong>lt,<br />

kann die normale Entwicklung<br />

<strong>de</strong>r betroffenen Kin<strong>de</strong>r stark beeinträchtigt<br />

wer<strong>de</strong>n. Wird jedoch beispielsweise<br />

eine Phenylketonurie im<br />

Neugeborenen-Screening erkannt,<br />

können die Krankheitsfolgen durch<br />

die Einhaltung einer phenylalaninarmen<br />

Diät verhin<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n. Die<br />

betroffenen Patienten müssen lebenslang<br />

eine extrem strikte Diät<br />

einhalten: Fleisch, Fisch, Brot und<br />

Milchprodukte sind neben vielen<br />

an<strong>de</strong>ren Lebens<strong>mit</strong>teln tabu.“ Zum<br />

Glück wisse man heute bei vielen<br />

Befun<strong>de</strong>n, <strong>mit</strong> welchen Massnahmen<br />

– wie etwa Diäten – gegenzusteuern<br />

ist. „Sinnvoll und wünschenswert<br />

ist eine Bün<strong>de</strong>lung <strong>de</strong>r<br />

Kompetenzen an Referenzzentren,<br />

wie im Falle <strong>de</strong>r angeborenen Stoffwechselkrankheiten<br />

an <strong>de</strong>n Universitätskliniken<br />

Zürich, Lausanne und<br />

Bern, welche sowohl untereinan<strong>de</strong>r<br />

wie auch international vernetzt sind.<br />

Ein weiterer Ansatz ist die interdisziplinäre<br />

Vernetzung von Forschung<br />

und Klinik, wie dies in radiz – <strong>de</strong>r<br />

Rare Disease Initiative Zürich, einem<br />

neuen klinischen Forschungsschwerpunkt<br />

<strong>de</strong>r Universität Zürich,<br />

angestrebt wird.“ Professor<br />

Baumgartner betont, dass es in <strong>de</strong>r<br />

Schweiz bereits einige Beispiele <strong>für</strong><br />

gut funktionieren<strong>de</strong> Netzwerke und<br />

Referenzzentren gibt, dass es aber<br />

weiterhin viel Engagement und<br />

weitere Ressourcen braucht, um<br />

<strong>de</strong>n vielen Patienten <strong>mit</strong> <strong>seltenen</strong><br />

<strong>Krankheiten</strong> tatsächlich gerecht zu<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

Seltene <strong>Krankheiten</strong> als Politikum<br />

Gebün<strong>de</strong>lte Kompetenz erspart <strong>de</strong>n<br />

Betroffenen also <strong>de</strong>n anstrengen<strong>de</strong>n<br />

Arztmarathon und treibt die<br />

Forschung voran – das bestätigt<br />

auch Willi Brand von <strong>de</strong>r IG Seltene<br />

<strong>Krankheiten</strong>. „Es wird jedoch Zeit,<br />

dass die bestehen<strong>de</strong>n Zentren offiziell<br />

als Kompetenzzentren <strong>de</strong>klariert<br />

wer<strong>de</strong>n, da<strong>mit</strong> sie auch bei Vergütungsfragen<br />

<strong>mit</strong>re<strong>de</strong>n dürfen.“ Die<br />

notwendigen Tests zur Feststellung<br />

genetischer Dispositionen wür<strong>de</strong>n<br />

nämlich bislang noch nicht vergütet.<br />

„Wir brauchen einen nationalen<br />

Massnahmenplan, <strong>de</strong>r Rechtsungleichheiten<br />

ausräumen soll“, so<br />

Brand. Handlungsbedarf sieht die<br />

IG Seltene <strong>Krankheiten</strong> auch in <strong>de</strong>r<br />

Forschungsför<strong>de</strong>rung, etwa durch<br />

Weltweit sind heute rund 7‘000 bis 8‘000<br />

seltene <strong>Krankheiten</strong> bekannt<br />

Innovationsgutschriften <strong>für</strong> die Industrie.<br />

Die Initiativen zeigten aber<br />

auch Wirkung: „Seit etwa eineinhalb<br />

Jahren spüren wir <strong>de</strong>utlich, dass das<br />

Thema seltene <strong>Krankheiten</strong> auf <strong>de</strong>r<br />

politischen und medialen Agenda<br />

angekommen ist. Vorher wur<strong>de</strong>n sie<br />

in <strong>de</strong>r öffentlichen Wahrnehmung<br />

wirklich als Waisenkin<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Medizin<br />

behan<strong>de</strong>lt.“<br />

•<br />

Publireportage<br />

Für einen nationalen Massnahmenplan<br />

Die IG Seltene <strong>Krankheiten</strong>.<br />

Patienten <strong>mit</strong> einer <strong>seltenen</strong> Krankheit<br />

haben <strong>mit</strong> vielen Herausfor<strong>de</strong>rungen<br />

zu kämpfen: Oft dauert es Jahre, bis eine<br />

richtige Diagnose gestellt wird. Das Wissen<br />

über <strong>de</strong>n Krankheitsverlauf ist oft gering und<br />

es fehlt an Therapiemöglichkeiten. Wenn<br />

es <strong>für</strong> Betroffene einer <strong>seltenen</strong> Krankheit<br />

überhaupt eine Behandlung gibt, so ist die<br />

Kostenübernahme durch die Krankenversicherer<br />

oftmals ungewiss. Regulatorische<br />

Lücken führen <strong>für</strong> alle Betroffenen zu beträchtlichen<br />

Unsicherheiten.<br />

Dringen<strong>de</strong>r Handlungsbedarf ist gegeben<br />

Eine nationale Strategie, wie Patienten <strong>mit</strong><br />

<strong>seltenen</strong> <strong>Krankheiten</strong> medizinisch adäquat<br />

und effizient versorgt wer<strong>de</strong>n sollen, existiert<br />

in <strong>de</strong>n meisten EU-Län<strong>de</strong>rn. In <strong>de</strong>r<br />

Schweiz fehlt eine solche nach wie vor. Im<br />

November 2010 reichte Nationalrätin Ruth<br />

Humbel und 40 Mitunterzeichner eine Interpellation<br />

ein. Darin wird <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>srat<br />

aufgefor<strong>de</strong>rt, eine solche Strategie zu erarbeiten.<br />

Gefor<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n insbeson<strong>de</strong>re<br />

Verbesserungen bei <strong>de</strong>r Wissenssicherung<br />

und -ver<strong>mit</strong>tlung über Diagnose, Verlauf und<br />

Behandlung seltener <strong>Krankheiten</strong>, eine optimale<br />

Zusammenarbeit aller Fachpersonen<br />

und Instanzen <strong>de</strong>r Gesundheitsversorgung,<br />

die Schaffung nationaler Kompetenzzentren,<br />

eine engere europäische und internationale<br />

Zusammenarbeit, <strong>de</strong>n rechtsgleichen Zugang<br />

zu Diagnostik und wirksamen Therapien<br />

sowie die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Grundlagen- und<br />

<strong>de</strong>r klinischen Forschung. Der Bun<strong>de</strong>srat<br />

hat <strong>de</strong>n Auftrag angenommen und das Bun<strong>de</strong>samt<br />

<strong>für</strong> Gesundheit beauftragt, einen<br />

entsprechen<strong>de</strong>n Vorschlag auszuarbeiten.<br />

Die IG Seltene <strong>Krankheiten</strong><br />

Im August 2011 haben Patientenorganisationen,<br />

die FMH, Universitätsspitäler, Apotheker<br />

sowie die Industrie die Interessengemeinschaft<br />

Seltene <strong>Krankheiten</strong> gegrün<strong>de</strong>t.<br />

Die IG setzt sich da<strong>für</strong> ein, dass die Situation<br />

<strong>de</strong>r Patienten rasch und nachhaltig verbessert<br />

wird und die For<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r Interpellation<br />

Humbel erfüllt wer<strong>de</strong>n. Im Fokus <strong>de</strong>r<br />

Anstrengungen steht dabei die Unterstützung<br />

<strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s bei <strong>de</strong>r Erarbeitung einer<br />

nationalen Strategie <strong>mit</strong> Massnahmenplan.<br />

Das Bun<strong>de</strong>samt <strong>für</strong> Gesundheit hat signalisiert,<br />

bei <strong>de</strong>r Erarbeitung eng <strong>mit</strong> <strong>de</strong>r IG<br />

zusammenarbeiten zu wollen. Im Interesse<br />

<strong>de</strong>r Patienten setzt die IG alles daran, dass<br />

die Arbeiten am Massnahmenplan nun rasch<br />

vorankommen können. Für viele Betroffene<br />

läuft die Zeit davon, Eile tut Not. •<br />

Autor: Willi Brand,<br />

Geschäftsführer IG Seltene <strong>Krankheiten</strong><br />

www.ig-seltene-krankheiten.ch<br />

interview Gesundheitspolitik<br />

„Die Situation von Patienten <strong>mit</strong> <strong>seltenen</strong><br />

<strong>Krankheiten</strong> muss verbessert wer<strong>de</strong>n“<br />

Ruth Humbel,<br />

Nationalrätin und Präsi<strong>de</strong>ntin <strong>de</strong>r IG Seltene <strong>Krankheiten</strong><br />

Vor welchen Herausfor<strong>de</strong>rungen<br />

steht die Schweiz im Umgang <strong>mit</strong><br />

<strong>de</strong>m Thema seltene <strong>Krankheiten</strong>?<br />

In unserem fö<strong>de</strong>ralen Staatssystem regeln<br />

die Kantone das Gesundheitswesen und<br />

<strong>de</strong>r Bund die Krankenversicherung. Dies<br />

führt zwangsläufig zu Kompetenz- und Interessenkonflikten,<br />

die einer notwendigen<br />

Vernetzung auf <strong>de</strong>r Ebene <strong>de</strong>r Patienten-,<br />

Ärzte- und Leistungserbringer und so<strong>mit</strong><br />

einer optimalen Versorgung <strong>de</strong>r Patienten<br />

im Weg stehen.<br />

Gibt es einen Weg aus <strong>de</strong>r Misere?<br />

Ja, die Lösung ist eine nationale Strategie<br />

<strong>mit</strong> einem Massnahmenplan. Ein Blick in<br />

an<strong>de</strong>re europäische Län<strong>de</strong>r <strong>mit</strong> zentralen<br />

Systemen – wie etwa Frankreich o<strong>de</strong>r England<br />

– zeigt, dass dort die Frage <strong>de</strong>s Zugangs,<br />

<strong>de</strong>r Diagnose und Therapiemöglichkeiten <strong>für</strong><br />

Patienten <strong>mit</strong> <strong>seltenen</strong> <strong>Krankheiten</strong> besser<br />

geregelt ist und wir hierzulan<strong>de</strong> einen Nachholbedarf<br />

haben.<br />

Und <strong>de</strong>r soll <strong>mit</strong> <strong>de</strong>r Bün<strong>de</strong>lung von<br />

Kompetenzen wettgemacht wer<strong>de</strong>n?<br />

Richtig. Unter an<strong>de</strong>rem <strong>mit</strong>tels Schaffung<br />

nationaler Kompetenzzentren, die <strong>mit</strong> europäischen<br />

und internationalen Referenzzentren<br />

und Netzwerken kooperieren, einer einheitlichen<br />

Kodierung <strong>de</strong>r <strong>Krankheiten</strong> sowie <strong>de</strong>r<br />

Registrierung Betroffener in einer nationalen<br />

Datenbank zur Sicherung und Ver<strong>mit</strong>tlung<br />

von Wissen.<br />

Welche I<strong>de</strong>en gibt es bezüglich<br />

einer Neuregelung <strong>de</strong>r Kosten?<br />

Im Bereich <strong>de</strong>r Diagnostik vermag beispielsweise<br />

die Regelung <strong>de</strong>r Kostenübernahme über<br />

Analyselisten nicht zu genügen. Es braucht ein<br />

neues Vergütungssystem. Zum Beispiel eine<br />

zentrumsbezogene Finanzierung über die<br />

Kompetenzzentren. In Bezug auf die Kostenübernahme<br />

von Therapien rückt Artikel 71a/b<br />

<strong>de</strong>r Leistungsverordnung in <strong>de</strong>n Fokus, <strong>de</strong>r sowohl<br />

die Kompetenz <strong>de</strong>r Nutzenbewertung als<br />

auch zur Vergütungshöhe <strong>de</strong>r Medikamente<br />

einzig in die Hän<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Krankenversicherer<br />

legt. Ein falscher Ansatz, <strong>de</strong>r vor allem zu<br />

Rechtsunsicherheit und zu einem rechtsungleichen<br />

Zugang <strong>de</strong>r Patienten zu wirksamen<br />

Therapien führt. Letzterer muss in Zukunft<br />

sichergestellt sein und die Nutzenbeurteilung<br />

<strong>de</strong>r klinischen Begleitforschung übertragen<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />


4 seltene krankheiten eine Son<strong>de</strong>rveröffentlichung <strong>de</strong>s Reflex Verlages<br />

artikel Seltene Augenkrankheiten<br />

Wenn das Auge nachhaltig in Gefahr ist<br />

Ob primäres kongenitales Glaukom und Retinitis pigmentosa: Um diese <strong>seltenen</strong> Augenerkrankungen früh zu behan<strong>de</strong>ln, ist es wichtig, regelmäßig einen Augenarzt aufzusuchen.<br />

von Tobias Lemser<br />

Scharf sehen zu können ist ein<br />

beson<strong>de</strong>rs hohes Gut. Viele <strong>Menschen</strong><br />

empfin<strong>de</strong>n das Auge sogar<br />

als das wichtigste Sinnesorgan.<br />

Allerdings gelingt es hierzulan<strong>de</strong><br />

nur <strong>de</strong>n wenigsten, über ein ganzes<br />

Leben auf ihre volle Sehleistung zurückzugreifen.<br />

Zwei von drei aller<br />

15- bis 74-Jährigen sind aufgrund<br />

von Weit-, Kurz- und Altersweitsichtigkeit<br />

auf eine Sehhilfe angewiesen.<br />

Nachtblindheit häufig<br />

erstes Anzeichen<br />

Aber auch seltenere Augenerkrankungen<br />

können zum Teil zu erheblichen<br />

Sehbeeinträchtigungen führen.<br />

Beispielhaft hier<strong>für</strong> ist neben entzündlichen<br />

Augenkrankheiten die<br />

Retinitis pigmentosa, eine erblich<br />

bedingte Netzhauterkrankung, bei<br />

<strong>de</strong>r die lichtempfindlichen Sinneszellen<br />

<strong>de</strong>s Auges über Jahre hinweg<br />

langsam absterben. Typische<br />

Symptome dieser Erkrankung sind<br />

Nachtblindheit, die in <strong>de</strong>n meisten<br />

Fällen in <strong>de</strong>n <strong>mit</strong>tleren Lebensjahren<br />

einsetzt, aber auch eine Gesichtsfel<strong>de</strong>inengung<br />

bis hin zum<br />

Tunnelblick. Zu<strong>de</strong>m lässt nicht nur<br />

das Kontrast- und Farbsehen nach<br />

und die Sehschärfe verschlechtert<br />

sich allmählich, vielmehr können<br />

die Augen sogar erblin<strong>de</strong>n.<br />

Bis heute gibt es noch keine medizinisch<br />

anerkannte Metho<strong>de</strong>, die<br />

in <strong>de</strong>r Lage ist, das Absterben <strong>de</strong>r<br />

Sehzellen chirurgisch o<strong>de</strong>r medikamentös<br />

zu verlangsamen o<strong>de</strong>r gar<br />

zum Stillstand zu bringen. Erfolgversprechend<br />

<strong>für</strong> die Zukunft könnte<br />

jedoch ein Chip sein, <strong>de</strong>r die Signale<br />

von <strong>de</strong>r Netzhaut zum Gehirn<br />

transportiert – vorausgesetzt, die<br />

Erkrankung wird in einem frühen<br />

Stadium diagnostiziert, wenn <strong>de</strong>r<br />

Sehnerv noch intakt ist.<br />

Operationen senken<br />

<strong>de</strong>n Augendruck<br />

Eine weitere seltene – in <strong>de</strong>r Regel<br />

bis zum zweiten Lebensjahr auftreten<strong>de</strong><br />

– Augenerkrankung ist das<br />

primäre kongenitale Glaukom. Es<br />

äussert sich in Form einer zumeist<br />

angeborenen Augendruckerhöhung.<br />

Grosse Kulleraugen können ein<br />

wichtiger Hinweis auf diese Erkrankung<br />

sein. Da dieses Phänomen von<br />

vielen Eltern als schön angesehen<br />

wird, bringen sie zumeist keine Erkrankung<br />

da<strong>mit</strong> in Verbindung – ein<br />

Fehler <strong>mit</strong> möglichen fatalen Folgen.<br />

„Wird <strong>de</strong>r erhöhte Augeninnendruck<br />

nicht rechtzeitig von einem<br />

Augenarzt behan<strong>de</strong>lt, droht sogar<br />

die völlige Erblindung“, mahnt Prof.<br />

Dr. Jens Funk, Leiten<strong>de</strong>r Arzt <strong>de</strong>r<br />

Augenklinik am Universitätsspital<br />

Zürich. Ist das Kind lichtscheu und<br />

stellt <strong>de</strong>r Augenarzt zu<strong>de</strong>m Risse,<br />

sogenannte „Haab’sche Linien“, in<br />

<strong>de</strong>r untersten Schicht <strong>de</strong>r Hornhaut<br />

fest, <strong>de</strong>utet dies auf ein kindliches<br />

Glaukom hin.<br />

Um <strong>de</strong>n Augendruck auf ein normales<br />

Mass zu senken, ist eine Operation<br />

unumgänglich – die einzige<br />

wirksame Behandlungsmetho<strong>de</strong>.<br />

Manche Kin<strong>de</strong>r müssen mehrfach<br />

operiert wer<strong>de</strong>n. „Dann stabilisiert<br />

sich das Auge und die Kin<strong>de</strong>r haben<br />

relativ gute Chancen auf ein normales<br />

Leben“, so <strong>de</strong>r Ophthalmologe.<br />

Seltene Augenkrankheiten zu erkennen<br />

– beson<strong>de</strong>rs bei Kleinkin<strong>de</strong>rn,<br />

die sich nicht äussern können – ist<br />

nicht immer leicht. Gera<strong>de</strong> <strong>de</strong>shalb<br />

ist es wichtig, <strong>mit</strong> Kin<strong>de</strong>rn regelmässig<br />

einen Augenarzt aufzusuchen.<br />

Aber auch im Erwachsenenalter, ab<br />

<strong>de</strong>m vierzigsten Lebensjahr, ist zu<br />

alljährlichen augenärztlichen Untersuchungen<br />

zu raten. Nur so lassen<br />

sich im Hintergrund schlummern<strong>de</strong><br />

Erkrankungen rechtzeitig auf<strong>de</strong>cken<br />

und behan<strong>de</strong>ln.<br />

•<br />

Weitere Informationen<br />

Retina Suisse:<br />

www.retina.ch<br />

Obvita:<br />

www.obvita.ch<br />

gastbeitrag Auge und Immunsystem<br />

Uveitis – Infektion o<strong>de</strong>r Rheuma <strong>de</strong>r Augen?<br />

Eine Uveitis? Wer schon einmal<br />

eine hatte, <strong>de</strong>m läuft ein<br />

Schauer über <strong>de</strong>n Rücken. Sofort<br />

wer<strong>de</strong>n Erinnerungen daran wach,<br />

Sehstörung, Unsicherheit, viele Arztbesuche,<br />

Blutuntersuchungen, Medikamente<br />

und Augentropfen. Vielleicht<br />

waren sogar das Autofahren<br />

und das Fernsehen behin<strong>de</strong>rt. Und<br />

oftmals kommt sie zurück, plötzlich<br />

und unerwartet.<br />

Wie entsteht eine Uveitis ?<br />

Eine Uveitis ist eine Entzündung<br />

<strong>de</strong>s Augeninneren, die <strong>für</strong> das Sehen<br />

sehr gefährlich sein kann, wenn sie<br />

nicht rechtzeitig behan<strong>de</strong>lt wird. Es<br />

han<strong>de</strong>lt sich meist nicht um eine<br />

Augenerkrankung, son<strong>de</strong>rn um eine<br />

Erkrankung <strong>de</strong>s gesamten Körpers.<br />

Sie äussert sich vielleicht zuerst an<br />

<strong>de</strong>n feinen Strukturen <strong>de</strong>s Auges,<br />

kann aber auch an an<strong>de</strong>ren Organen<br />

Scha<strong>de</strong>n verursachen. Hierzulan<strong>de</strong><br />

steht meist eine Art Rheuma <strong>de</strong>r<br />

Augen dahinter, eine Störung <strong>de</strong>s<br />

Immunsystems, welches zuviel o<strong>de</strong>r<br />

zu wenig reagiert. Eine Infektion<br />

im Körper als Ursache muss immer<br />

gesucht wer<strong>de</strong>n. Bei <strong>de</strong>r Abklärung<br />

<strong>de</strong>r Ursache kann vielleicht eine<br />

Toxoplasmose (Abbildung 1), eine<br />

häufige Parasiten-Erkrankung, ent<strong>de</strong>ckt<br />

wer<strong>de</strong>n, eine Infektion <strong>de</strong>r<br />

Haut (zum Beispiel die Gürtelrose),<br />

<strong>de</strong>s Darms, <strong>de</strong>r Harnwege (auch<br />

Geschlechtskrankheiten) o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />

Lunge. In an<strong>de</strong>ren Kontinenten ist<br />

ein Grossteil <strong>de</strong>r Erkrankungen eine<br />

Abb. 1: Typische Augen-Toxoplasmose (posteriore<br />

Uveitis): Die weissen Flecken sind die Entzündungsher<strong>de</strong>,<br />

die weissen Verän<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r Blutgefässe<br />

eine sogenannte Vaskulitis (Gefässentzündung)<br />

Folge <strong>de</strong>r Armut und sehr oft <strong>mit</strong><br />

<strong>de</strong>m fehlen<strong>de</strong>n Zugang zu sauberem<br />

Wasser und <strong>de</strong>r sozialen Lebenssituation<br />

verbun<strong>de</strong>n. Diese Erkrankungen<br />

können oft <strong>mit</strong> geringen Mitteln<br />

verhin<strong>de</strong>rt o<strong>de</strong>r behan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n.<br />

Deshalb führen viele Hilfsorganisationen,<br />

wie Christoffel Blin<strong>de</strong>nmission,<br />

SOS Kin<strong>de</strong>rdörfer, Terre<br />

<strong>de</strong>s Hommes, Unicef und an<strong>de</strong>re regelmässig<br />

Spen<strong>de</strong>naktionen durch.<br />

Anteriore Uveitis – Entzündung<br />

<strong>de</strong>r vor<strong>de</strong>ren Teile <strong>de</strong>s Auges<br />

Je nach <strong>de</strong>m, welcher Teil <strong>de</strong>s Auges<br />

betroffen ist, teilt man die Uveitis in<br />

eine vor<strong>de</strong>re und eine hintere Form<br />

ein. Die vor<strong>de</strong>re Uveitis ist die Entzündung<br />

<strong>de</strong>r Regenbogenhaut, <strong>de</strong>s<br />

Gewebes um die Pupille, welches<br />

die Augenfarbe ausmacht (Iritis<br />

o<strong>de</strong>r Iridozyklitis (Abbildung 2)).<br />

Bei Kin<strong>de</strong>rn <strong>mit</strong> kindlichem Rheuma<br />

(juvenile Arthritis) führt sie oft zu<br />

schweren Schä<strong>de</strong>n am Auge, weil<br />

sie fast unbemerkt verläuft, bis sie<br />

bleiben<strong>de</strong>n Scha<strong>de</strong>n verursacht hat.<br />

Deshalb ist bei Kin<strong>de</strong>rn <strong>mit</strong> dieser<br />

Diagnose immer eine regelmässige<br />

augenärztliche Vorsorgeuntersuchung<br />

erfor<strong>de</strong>rlich. Bei Erwachsenen<br />

äussert sie sich fast immer durch<br />

starke Augenrötung und starke<br />

Schmerzen. Deshalb wird sie meist<br />

früh diagnostiziert und kann gut<br />

<strong>mit</strong> kortisonhaltigen Augentropfen<br />

behan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n. Nur selten ist die<br />

Einnahme von Medikamenten über<br />

längere Zeit o<strong>de</strong>r gar lebenslänglich<br />

erfor<strong>de</strong>rlich.<br />

Posteriore Uveitis – Entzündung<br />

von Netzhaut und A<strong>de</strong>rhaut<br />

Ganz an<strong>de</strong>rs sieht es <strong>mit</strong> <strong>de</strong>r Entzündung<br />

<strong>de</strong>r tieferen Gewebe, <strong>de</strong>r sogenannten<br />

hinteren Uveitis aus. Sie<br />

fängt harmlos an, einzelne Trübungen<br />

o<strong>de</strong>r ein leichter Schleier, kann<br />

aber bis zur vollständigen Erblindung<br />

zunehmen. Schmerzen o<strong>de</strong>r<br />

ein rotes Auge fehlen oft. Betroffen<br />

sind vor allem die hochempfindliche<br />

Netzhaut (Retina) und die darunter<br />

liegen<strong>de</strong> A<strong>de</strong>rhaut (Choroi<strong>de</strong>a) sowie<br />

die Gefässe <strong>de</strong>r Netzhaut. Die<br />

Netzhaut ist <strong>de</strong>r wichtigste Teil <strong>de</strong>s<br />

Auges. Sie bil<strong>de</strong>t <strong>de</strong>n „Film“ im Auge,<br />

<strong>de</strong>r das Bild aufnimmt und über die<br />

Nervenfasern und <strong>de</strong>n Sehnerv in<br />

das Gehirn leitet. Ist das Zentrum<br />

<strong>de</strong>r Netzhaut, die Makula, betroffen,<br />

kommt es zu starkem Sehverlust.<br />

Dieser kann sich auch <strong>mit</strong> Behandlung<br />

nur erholen, wenn die Netzhaut<br />

durch die Entzündung noch nicht<br />

zerstört ist. Ausser<strong>de</strong>m besteht die<br />

Gefahr, dass das zweite Auge befallen<br />

wird, solange die Diagnose<br />

nicht gestellt und die Ursache behan<strong>de</strong>lt<br />

ist. Deshalb gilt die Uveitis,<br />

insbeson<strong>de</strong>re wenn sie die hinteren<br />

Augenabschnitte betrifft, als Notfall.<br />

Wie die Uveitis behan<strong>de</strong>lt wird<br />

Sobald die Diagnose gestellt ist, wird<br />

eine Behandlung eingeleitet, um die<br />

Sehstörung zu behan<strong>de</strong>ln und die<br />

noch nicht betroffene Netzhaut zu<br />

schützen. Fast immer beginnt diese<br />

<strong>mit</strong> Kortison, das trotz seiner vielen<br />

Nebenwirkungen das sicherste und<br />

schnellstwirksamste Medikament<br />

<strong>für</strong> die Akutbehandlung ist. Reicht<br />

dies nicht aus o<strong>de</strong>r ist eine Dauerbehandlung<br />

erfor<strong>de</strong>rlich, müssen<br />

zusätzliche Medikamente, sogenannte<br />

Immunsuppressiva, erwogen<br />

wer<strong>de</strong>n. Diese Gruppe von Medikamenten<br />

wird zum Beispiel auch nach<br />

Organtransplantationen verwandt,<br />

um eine Abstossungsreaktion gegen<br />

Abb. 2: Fibrinöse Uveitis bei M.Bechterew, rotes, schmerzhaftes Auge <strong>mit</strong> Verklebung <strong>de</strong>r Pupille durch<br />

Entzündungseiweiss (Fibrin)<br />

das neue Organ zu verhin<strong>de</strong>rn. Die<br />

Auswahl ist inzwischen recht gross,<br />

richtet sich sehr nach <strong>de</strong>r zugrun<strong>de</strong>liegen<strong>de</strong>n<br />

Allgemeinerkrankung und<br />

<strong>de</strong>r Erfahrung <strong>de</strong>r Ärzte. Wegen <strong>de</strong>r<br />

Vielfalt <strong>de</strong>r Ursachen gibt es keine<br />

„Standard-Behandlung“. Da schwere<br />

Verläufe selten sind, aber <strong>für</strong> das<br />

Sehen <strong>de</strong>r Betroffenen schnell fatal<br />

sein können, bietet sich die Zuweisung<br />

zu einem spezialisierten Zentrum<br />

an. Hier ist nicht nur Erfahrung<br />

<strong>mit</strong> dieser <strong>seltenen</strong> Erkrankung<br />

vorhan<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn es kann auch<br />

ein aktueller Kenntnisstand bezüglich<br />

<strong>de</strong>r sich rasch än<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>n und<br />

neuen Diagnostik und Therapien<br />

erwartet wer<strong>de</strong>n. Seit knapp 50<br />

Jahren haben wir Erfahrung in <strong>de</strong>r<br />

Behandlung <strong>mit</strong> Immunsuppressiva<br />

bei Augenlei<strong>de</strong>n. Trotz<strong>de</strong>m gibt es<br />

wegen <strong>de</strong>s erheblichen, da<strong>mit</strong> verbun<strong>de</strong>nen<br />

Aufwan<strong>de</strong>s bisher kaum<br />

abgesicherte Behandlungsrichtlinien<br />

und nur einzelne <strong>für</strong> die Behandlung<br />

zugelassene Medikamente. Deshalb<br />

wer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>rzeit weltweit zahlreiche<br />

Studien zur Behandlung <strong>de</strong>r Uveitis<br />

durchgeführt. Das anspruchsvolle<br />

Ziel dieser Studien ist nicht<br />

nur die Stabilisierung <strong>de</strong>r Uveitis<br />

und eine Verbesserung <strong>de</strong>s Sehens,<br />

son<strong>de</strong>rn auch eine Reduktion <strong>de</strong>r<br />

Nebenwirkungen <strong>de</strong>r Behandlung<br />

und so<strong>mit</strong> eine Verbesserung <strong>de</strong>r<br />

Lebensqualität <strong>de</strong>r Patienten. In<br />

diesen Studien wird die Therapie-<br />

Wirksamkeit von Medikamenten <strong>für</strong><br />

die Uveitis getestet, die <strong>für</strong> an<strong>de</strong>re<br />

Erkrankungen längst erprobt und<br />

erfolgreich sind. Die Teilnahme an<br />

diesen Studien be<strong>de</strong>utet <strong>für</strong> die Patienten<br />

<strong>de</strong>n Zugang zu mo<strong>de</strong>rnen und<br />

gut verträglichen Medikamenten,<br />

die ausserhalb von Studien wegen ihrer<br />

hohen Behandlungskosten bisher<br />

meist nicht von <strong>de</strong>n Krankenkassen<br />

bezahlt wer<strong>de</strong>n. Die grösste Hür<strong>de</strong><br />

<strong>für</strong> eine Teilnahme ist allerdings die<br />

Erfüllung <strong>de</strong>r strengen Einschlusskriterien<br />

<strong>für</strong> diese Studien. Dank <strong>de</strong>r<br />

enormen medizinischen Entwicklung<br />

<strong>de</strong>r letzten 20 Jahre wer<strong>de</strong>n wir<br />

in Zukunft Therapiemöglichkeiten<br />

haben, <strong>mit</strong> <strong>de</strong>nen wir eine schwere<br />

Sehbehin<strong>de</strong>rung o<strong>de</strong>r Erblindung in<br />

fast allen Fällen verhin<strong>de</strong>rn können,<br />

wenn die Patienten rechtzeitig <strong>de</strong>n<br />

Weg zu <strong>de</strong>n Augenärzten fin<strong>de</strong>n. •<br />

Justus G. Garweg, Berner Augenklinik am<br />

Lin<strong>de</strong>nhofspital, Bern


Eine Son<strong>de</strong>rveröffentlichung <strong>de</strong>s Reflex Verlages seltene krankheiten 5<br />

artikel Sklero<strong>de</strong>rmie<br />

Angriff auf Haut und Organe<br />

Welche Anstrengungen unternommen wer<strong>de</strong>n, um die Versorgung und Lebensqualität von Betroffenen zu verbessern.<br />

von Nadine Effert<br />

Wer die Werke <strong>de</strong>s Malers Paul<br />

Klee (1879-1940) kennt, <strong>de</strong>m<br />

bleibt nicht verborgen, dass Bil<strong>de</strong>r<br />

aus <strong>de</strong>n Jahren vor seinem Tod<br />

trist und fragil erscheinen. Sie<br />

spiegeln sein Lei<strong>de</strong>n und zugleich<br />

Hoffnung wi<strong>de</strong>r. Der Künstler litt<br />

unter einer rätselhaften Krankheit,<br />

die erst 14 Jahre nach seinem Ableben<br />

am 29. Juni 1940 im Tessin<br />

bekannt wur<strong>de</strong>: Sklero<strong>de</strong>rmie.<br />

Weltweit lei<strong>de</strong>n heute schätzungsweise<br />

rund 200‘000 <strong>Menschen</strong> an<br />

Sklero<strong>de</strong>rmie. In <strong>de</strong>r Schweiz leben<br />

davon etwa 1‘400 Betroffene.<br />

Frauen sind dabei etwa vier Mal<br />

häufiger betroffen als Männer. Die<br />

meisten sind zwischen 30 und 50<br />

Jahre alt, wenn sie die Diagnose<br />

bekommen.<br />

Ursache unbekannt<br />

Die Diagnose be<strong>de</strong>utet im Verlauf<br />

<strong>de</strong>r Krankheit, dass sich Patienten<br />

wie eingepanzert fühlen o<strong>de</strong>r als ob<br />

sie in einem zu engen Kleidungsstück<br />

stecken. Auch auf Gefässsystem<br />

und innere Organe wie Lunge,<br />

Herz o<strong>de</strong>r Nieren kann sich Sklero<strong>de</strong>rmie<br />

auswirken. Ärzte sprechen in<br />

diesem Fall von einer Systemischen<br />

Sklerose (SSc). Forscher tappen<br />

noch immer im Dunkeln, wenn es<br />

um die Ursachen <strong>de</strong>r nicht heilbaren<br />

Autoimmunkrankheit geht, bei <strong>de</strong>r<br />

sich das Kollagen im Bin<strong>de</strong>gewebe<br />

verhärtet. Sind Umwelteinflüsse,<br />

Viren o<strong>de</strong>r Bakterien Auslöser? Spekulationen<br />

gibt es viele, Beweise<br />

keine. Wobei <strong>de</strong>rzeit vor allem Immun<strong>de</strong>fekte<br />

und vererbte Faktoren<br />

diskutiert wer<strong>de</strong>n. Darüber hinaus<br />

ist eine Früherkennung dieser heimtückischen<br />

Krankheit schwierig, da<br />

sich Symptome im Anfangsstadium<br />

unspezifisch und eher schleichend<br />

zeigen. Sie ist jedoch wichtig, um<br />

zumin<strong>de</strong>st <strong>de</strong>n Verlauf <strong>de</strong>r Krankheit<br />

zu beeinflussen.<br />

Forschung und Patienten-Register<br />

Um weitere Fortschritte zu erzielen,<br />

muss die (Ursachen-)Forschung<br />

weiter vorangetrieben, klinische<br />

Studien im Sinne einer Patientenorientierten<br />

Forschung durchgeführt<br />

und das gewonnene Wissen<br />

über Krankheitsmerkmale und<br />

Verläufe gebün<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n. Welche<br />

Wirksamkeit zum Beispiel die Behandlung<br />

<strong>mit</strong> verschie<strong>de</strong>nen Immunsuppressiva<br />

bei Patienten <strong>mit</strong><br />

einer diffusen systemischen Sklero<strong>de</strong>rmie<br />

hat, untersucht <strong>de</strong>rzeit<br />

eine europäische, multizentrische<br />

Beobachtungsstudie – kurz ESOS<br />

(European Sclero<strong>de</strong>rma Observational<br />

Study). Die aus Spitälern in<br />

ganz Europa gesammelten Daten<br />

wer<strong>de</strong>n in einem zentralen Register<br />

dokumentiert und <strong>mit</strong> mo<strong>de</strong>rnen<br />

statistischen Metho<strong>de</strong>n ausgewertet.<br />

Patienten-Register wie das europäische<br />

Sklero<strong>de</strong>rmie-Register<br />

unter <strong>de</strong>m Dach <strong>de</strong>r EUSTAR dienen<br />

als wesentliche Grundlage <strong>für</strong><br />

die Erstellung diagnostischer und<br />

therapeutischer Empfehlungen und<br />

so<strong>mit</strong> <strong>für</strong> eine bessere Versorgung<br />

<strong>de</strong>r Patienten.<br />

Hoffnungsträger Stammzellen<br />

Ergebnisse aus Studien zu neuen<br />

Therapieansätzen geben Betroffenen<br />

Hoffnung. Noch nicht hinreichend<br />

untersucht ist die autologe<br />

Stammzellentransplantation zur<br />

Behandlung <strong>de</strong>r Sklero<strong>de</strong>rmie. In<br />

<strong>de</strong>n USA und in Europa sind <strong>de</strong>rzeit<br />

entsprechen<strong>de</strong> Multicenter-Studien<br />

unter <strong>de</strong>n Namen SCOT Trial beziehungsweise<br />

ASTIS Trial im Gange.<br />

Erste Ergebnisse klingen vielversprechend:<br />

Wenn Patienten eine<br />

autologe (körpereigene) Stammzellentransplantation<br />

über sich ergehen<br />

lassen anstatt ausschliesslich <strong>mit</strong><br />

einer bestimmten Chemotherapie<br />

therapiert zu wer<strong>de</strong>n, konnten nicht<br />

nur die Verhärtungen an <strong>de</strong>r Haut<br />

vermin<strong>de</strong>rt, son<strong>de</strong>rn auch das Fortschreiten<br />

<strong>de</strong>r systemischen Sklerose<br />

an inneren Organen gestoppt wer<strong>de</strong>n.<br />

Allerdings eignet sich die Behandlung,<br />

laut Studie, zum Beispiel<br />

nicht <strong>für</strong> Patienten <strong>mit</strong> schwerer<br />

Nieren- o<strong>de</strong>r Herzbeteiligung o<strong>de</strong>r<br />

pulmonaler Hypertonie (Lungengefässhochdruck).<br />

•<br />

gastbeitrag Sklero<strong>de</strong>rmie – Diagnose und Behandlung<br />

Sklero<strong>de</strong>rmie – Hoffnung durch weltweite Forschung und neue Therapien<br />

Wichtig sind die Früherkennung und eine multidisziplinäre Behandlung.<br />

Plötzliche<br />

Durchblutungsstörungen<br />

<strong>de</strong>r Haut stehen am<br />

Anfang <strong>de</strong>r gefährlichen Krankheit<br />

Sklero<strong>de</strong>rmie. Erst später folgen<br />

Bin<strong>de</strong>gewebsvermehrung und Organversagen.<br />

Noch immer vergehen<br />

mehrere Jahre von <strong>de</strong>n ersten Symptomen<br />

bis zur richtigen Diagnose,<br />

wertvolle Zeit, die <strong>für</strong> die Früherken-<br />

Neue Behandlungsformen<br />

von Sklero<strong>de</strong>rmie<br />

Vi<strong>de</strong>o-Interview <strong>mit</strong><br />

Priv. Doz. Dr. med. habil. Michael Buslau<br />

Anzeige<br />

nung und Frühbehandlung verloren<br />

ist. Was durch Kälte und psychischen<br />

Stress die Finger erst weiss, dann<br />

blau und wie<strong>de</strong>r rot wer<strong>de</strong>n lässt,<br />

ist als Raynaud-Phänomen bekannt.<br />

Der krampfartige Gefässverschluss<br />

dauert oft nur wenige Minuten, verursacht<br />

aber je<strong>de</strong>s Mal einen gefährlichen<br />

Sauerstoffmangel im Gewebe.<br />

Beginn <strong>mit</strong> krampfartigen<br />

Durchblutungsstörungen<br />

Diese Durchblutungskrankheit ist<br />

an <strong>de</strong>r Haut leicht zu erkennen, spielt<br />

sich aber auch an lebenswichtigen<br />

inneren Organen wie Lunge, Herz<br />

und Nieren ab. Für die Früherkennung<br />

<strong>de</strong>r Sklero<strong>de</strong>rmie braucht es<br />

ärztliche Erfahrung <strong>mit</strong> <strong>de</strong>r Krankheit,<br />

ein Mikroskop zur Betrachtung<br />

<strong>de</strong>r kleinsten Hautgefässe (Kapillarmikroskopie)<br />

und die Bestimmung<br />

von speziellen Antikörpern im Blut<br />

(ANA). Die Betroffenen gehören in<br />

die Hän<strong>de</strong> von Spezialisten, beson<strong>de</strong>rs<br />

Dermatologen und Rheumatologen,<br />

zur engmaschigen Kontrolle<br />

<strong>mit</strong> regelmässigen Organuntersuchungen.<br />

Von Anfang an müssen die<br />

Durchblutungsstörungen wirkungsvoll<br />

behan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n. Ziel ist es, so<br />

Privatdozent Michael Buslau, Leiter<br />

<strong>de</strong>s Europäischen Sklero<strong>de</strong>rmiezentrums<br />

an <strong>de</strong>r Reha Rheinfel<strong>de</strong>n,<br />

möglichst je<strong>de</strong>n Raynaud-Anfall<br />

zu verhin<strong>de</strong>rn.<br />

Immunsuppressiva helfen kaum<br />

Da bei <strong>de</strong>r Sklero<strong>de</strong>rmie oft verschie<strong>de</strong>ne<br />

Autoantikörper im Blut<br />

und Gewebe nachweisbar sind,<br />

wird diese Krankheit auch als Autoimmunkrankheit<br />

gesehen. Im<br />

Unterschied zu an<strong>de</strong>ren Autoimmunkrankheiten,<br />

helfen bei <strong>de</strong>r<br />

systemischen Sklero<strong>de</strong>rmie Medikamente,<br />

die das Immunsystem unterdrücken,<br />

aber kaum. Das früher<br />

bei Sklero<strong>de</strong>rmie regelmässig eingesetzte<br />

Kortison steht heute sogar im<br />

Verdacht, in höheren Konzentrationen<br />

vermehrt Nierenkomplikationen<br />

auszulösen. Neue Hoffnungen ruhen<br />

auf <strong>de</strong>r Stammzelltransplantation.<br />

Durchblutungsför<strong>de</strong>rn<strong>de</strong><br />

Medikamente plus<br />

Rehabilitation oft erfolgreich<br />

Erfolge im Kampf gegen die Sklero<strong>de</strong>rmie<br />

wer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>rzeit durch Medikamente<br />

erzielt, die die Durchblutung<br />

<strong>de</strong>r Organe verbessern.<br />

Wichtig ist auch, <strong>de</strong>n Säurerückfluss<br />

aus <strong>de</strong>r Speiseröhre medikamentös<br />

zu stoppen. Auch Physiotherapie,<br />

Physikalische Medizin und Ergotherapie<br />

haben bei Sklero<strong>de</strong>rmie einen<br />

hohen Stellenwert. Die verhärtete<br />

Haut kann bei Sklero<strong>de</strong>rmie durch<br />

UVA1- Bestrahlungen wie<strong>de</strong>r weicher<br />

wer<strong>de</strong>n. Frühzeitige Atemtherapie<br />

unterstützt <strong>de</strong>n Kampf gegen<br />

das drohen<strong>de</strong> Lungenversagen.<br />

Sklero<strong>de</strong>rmiepatienten laufen<br />

<strong>de</strong>n Berlin-Marathon<br />

2011 konnte die Reha Rheinfel<strong>de</strong>n<br />

zusammen <strong>mit</strong> <strong>de</strong>r crossklinik Basel<br />

weltweit zum ersten Mal zeigen,<br />

dass Sklero<strong>de</strong>rmiepatienten durch<br />

professionelles Training sogar <strong>de</strong>n<br />

Berlin-Marathon meistern können.<br />

Das Laufen <strong>de</strong>r 42 km hatte überraschend<br />

positive Auswirkungen auf<br />

die Durchblutung, die Atmung und<br />

das Wohlbefin<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Betroffenen.<br />

Die Patienten starten in diesem Jahr<br />

erneut.<br />

•<br />

Autor: Priv. Doz. Dr. med. habil. Michael Buslau,<br />

MSc Leiten<strong>de</strong>r Arzt, Reha Rheinfel<strong>de</strong>n Europäisches<br />

Reha-Zentrum <strong>für</strong> Sklero<strong>de</strong>rmie<br />

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6 seltene krankheiten eine Son<strong>de</strong>rveröffentlichung <strong>de</strong>s Reflex Verlages<br />

artikel Cystische Fibrose<br />

Wenn <strong>de</strong>r Atem stockt<br />

Das Leben von CF-Patienten wird von aufwendigen Therapien bestimmt. Mo<strong>de</strong>rne Präparate können Symptome lin<strong>de</strong>rn.<br />

Die Krankheit ist nicht heilbar,<br />

aber behan<strong>de</strong>lbar<br />

Von Wiebke Toebelmann<br />

Markus Hänni schreibt auf<br />

seiner Website: „Ich weiss<br />

nicht, wie es sich anfühlt, gesund<br />

zu sein.“ Niemand wür<strong>de</strong> auf <strong>de</strong>n<br />

ersten Blick darauf kommen, dass<br />

<strong>de</strong>r junge Mann <strong>mit</strong> <strong>de</strong>m dunklen,<br />

lockigen Haar, <strong>de</strong>r dort abgebil<strong>de</strong>t<br />

ist, an einer unheilbaren Krankheit<br />

lei<strong>de</strong>t. Und dabei han<strong>de</strong>lt es sich keineswegs<br />

um eine weit verbreitete,<br />

wohlbekannte Erkrankung: Von<br />

Cystischer Fibrose (CF), auch Mukoviszidose<br />

genannt, sind schweizweit<br />

nur etwa 1‘000 <strong>Menschen</strong> betroffen.<br />

Der Berner Drehbuchautor<br />

und Schauspieler Hänni schrieb über<br />

sein Leben <strong>mit</strong> CF in seinem Buch<br />

„Eigentlich müsste ich längst tot<br />

sein“, welches im vergangenen Jahr<br />

auch über die Grenzen <strong>de</strong>r Schweiz<br />

hinaus <strong>für</strong> Furore sorgte. Es ist<br />

das erste autobiografische Buch in<br />

<strong>de</strong>utscher Sprache, das sich diesem<br />

schwierigen Thema widmet.<br />

CF ist keine<br />

Waisenkrankheit mehr<br />

Cystische Fibrose ist eine <strong>de</strong>r wenigen<br />

<strong>seltenen</strong> <strong>Krankheiten</strong>, die keinen<br />

„Waisenkrankheiten“-Status mehr<br />

hat. Dies liegt vor allem an <strong>de</strong>m Engagement<br />

diverser Prominenter und<br />

öffentlicher Personen, die die Dringlichkeit<br />

erkannten, CF eine Bühne<br />

zu geben. Schliesslich ist sie die in<br />

<strong>de</strong>n Industrienationen häufigste<br />

erbliche Stoffwechselerkrankung.<br />

Doch genau wie bei an<strong>de</strong>ren <strong>seltenen</strong><br />

Erkrankungen auch, gibt es bei CF<br />

eine hohe Dunkelziffer: ganze 50<br />

Prozent. Der Grund liegt wie so oft<br />

bei <strong>de</strong>n unspezifischen Symptomen,<br />

die viele Ärzte eben nicht sofort auf<br />

diesen Befund schliessen lassen. So<br />

wer<strong>de</strong>n die Begleiterscheinungen oft<br />

<strong>mit</strong> Asthma, Bronchitis, Keuchhusten<br />

o<strong>de</strong>r Zöliakie (Gluten-Unverträglichkeit)<br />

verwechselt. Trotz grosser<br />

Forschungsanstrengungen ist Cystische<br />

Fibrose also nicht heilbar. Und<br />

die vorhan<strong>de</strong>nen Therapien können<br />

noch immer nicht die Ursachen, son<strong>de</strong>rn<br />

nur die Symptome bekämpfen<br />

und lin<strong>de</strong>rn.<br />

Schleim verklebt Lunge und<br />

Bauchspeicheldrüse<br />

Die Zahl <strong>de</strong>rer, die Cystische Fibrose<br />

weitervererben können, ist beträchtlich<br />

höher als die tatsächlich<br />

Erkrankten. Das liegt daran, dass<br />

<strong>de</strong>r Gen<strong>de</strong>fekt, <strong>de</strong>r <strong>für</strong> Cystische<br />

Fibrose verantwortlich ist, nur dann<br />

übertragen wird, wenn eine ganz<br />

bestimmte Konstellation vorliegt:<br />

Nur wenn bei<strong>de</strong> Eltern Erbträger<br />

sind, wird das Kind an CF lei<strong>de</strong>n,<br />

ein Vorgang, beruht also auf <strong>de</strong>r<br />

sogenannten autosomal-rezessiven<br />

Vererbung. Je<strong>de</strong>r 20. Mensch ist<br />

wie<strong>de</strong>rum gesun<strong>de</strong>r Träger <strong>de</strong>s CF-<br />

Gens. Es ist gewissermassen ein<br />

Fehler im Zellen-Erbgut, <strong>de</strong>r zur<br />

Folge hat, dass alle körpereigenen<br />

Sekrete eingedickt produziert wer<strong>de</strong>n.<br />

So verklebt ein zäher Schleim<br />

die Lunge und die Bauchspeicheldrüse<br />

und beeinträchtigt nach und<br />

nach die lebenswichtigen Organe.<br />

Das kann bis zum Atemstillstand<br />

führen. Meist bleibt <strong>de</strong>n Betroffenen<br />

als einzige lebensverlängern<strong>de</strong><br />

Massnahme eine Lungentransplantation.<br />

Das be<strong>de</strong>utet, dass die<br />

Krankheit zwar nicht heilbar, aber<br />

zumin<strong>de</strong>st behan<strong>de</strong>lbar ist. Charakteristisch<br />

<strong>für</strong> CF ist <strong>de</strong>r chronische<br />

Husten, <strong>mit</strong> <strong>de</strong>m sich die Lei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />

herumschlagen müssen, ebenso wie<br />

die Schwierigkeit, Luft zu holen.<br />

Generell ist die Anfälligkeit <strong>für</strong><br />

Erkältungskrankheiten sehr viel<br />

höher als bei Nicht-Betroffenen.<br />

Da die Bauchspeicheldrüse gestört<br />

ist, wird die Nahrung zu<strong>de</strong>m nur<br />

unvollständig verwertet, was <strong>de</strong>n<br />

CF-Patienten oft ein schmächtiges<br />

Aussehen verleiht. Sie sind meist<br />

untergewichtig und kleiner als Gesun<strong>de</strong>,<br />

auch ist ihr Kalorienbedarf<br />

eineinhalb Mal so hoch.<br />

Die Forschung bringt <strong>für</strong> Cystische<br />

Fibrose immer wie<strong>de</strong>r Innovationen<br />

hervor, die die Situation <strong>de</strong>r Betroffenen<br />

erheblich verbessern. Dazu<br />

gehören beispielsweise neue inhalatorische<br />

Antibiotika, die bakterielle<br />

Lungeninfekte bekämpfen. Die Effizienz<br />

inhalierbarer Medikamente ist<br />

ein wichtiger Schritt, da sie die teuren<br />

Präparate ökonomischer macht.<br />

In schwereren Fällen muss <strong>de</strong>r Patient<br />

mehrere Stun<strong>de</strong>n täglich <strong>mit</strong><br />

Therapien verbringen, etwa Atemphysiotherapie<br />

und Inhalationen<br />

sowie Antibiotika-Kuren. Die Lebensqualität<br />

wird also erheblich<br />

beeinträchtigt, und es ist sicherlich<br />

individuell verschie<strong>de</strong>n, wie da<strong>mit</strong><br />

umgegangen wird. Von grosser Be<strong>de</strong>utung<br />

sind spezielle Kuren, die<br />

<strong>für</strong> CF-Patienten entwickelt wur<strong>de</strong>n.<br />

Sie führen die Erkrankten meist ans<br />

Meer und in warme Regionen. Diese<br />

Rehabilitationsmassnahmen sind<br />

nicht nur <strong>de</strong>r Gesundheit zuträglich,<br />

son<strong>de</strong>rn auch gut <strong>für</strong> das seelische<br />

Befin<strong>de</strong>n. An<strong>de</strong>rs als bei vielen an<strong>de</strong>ren<br />

<strong>seltenen</strong> <strong>Krankheiten</strong> sind die<br />

Patienten <strong>mit</strong> <strong>de</strong>r Diagnose Cystische<br />

Fibrose gut vernetzt durch Interessensverbän<strong>de</strong>,<br />

Selbsthilfegruppen<br />

und zahlreiche weitere Aktivitäten.<br />

Und dank guter Therapien erreichen<br />

heute 80 Prozent das Erwachsenenalter.<br />

•<br />

Anzeige<br />

gastbeitrag Cystische Fibrose (CF)<br />

Eine Kin<strong>de</strong>rkrankheit ist nun erwachsen<br />

Wir machen mobil<br />

(viskösen) Schleims (Mukus) in verschie<strong>de</strong>nen<br />

Organen, weshalb die Krankheit auch Mukoviszidose<br />

genannt wur<strong>de</strong>. Die Diagnose wird<br />

<strong>mit</strong>tels Schweisstest und Genanalyse gestellt.<br />

Wichtigstes erkranktes Organ ist die Lunge.<br />

Das zähe Sekret behin<strong>de</strong>rt die Reinigung <strong>de</strong>r<br />

Atemwege (Bronchien), es kommt zur Besie<strong>de</strong>lung<br />

durch Bakterien, später zur chronischen<br />

Infektion und Entzündung. Dies führt<br />

zu sackförmigen (cystischen) Ausweitungen<br />

<strong>de</strong>r Bronchien (Bronchiektasen) und zur Vernarbung<br />

<strong>de</strong>s Lungengewebes (Fibrose), daher<br />

<strong>de</strong>r Name Cystische Fibrose. Die Betroffenen<br />

lei<strong>de</strong>n an chronischem Husten <strong>mit</strong> eitrigem<br />

Auswurf und zunehmen<strong>de</strong>r Atemnot.<br />

Skifahren ermöglicht Glücksgefühle.<br />

Dank Spezialskis können cerebral bewegungsbehin<strong>de</strong>rte <strong>Menschen</strong><br />

und ihre Familien in Bellwald gemeinsam Ferien im Schnee verbringen.<br />

Betreute Ferien im Hotel <strong>mit</strong> Spitex<br />

Erholsame Ferien in <strong>de</strong>r Schweiz dank Betreuung <strong>de</strong>s behin<strong>de</strong>rten<br />

Familienangehörigen.<br />

Dr. med. Reta Fischer Biner, Leiten<strong>de</strong> Ärztin<br />

Pneumologie, Spital Netz Bern Tiefenau<br />

Obwohl Cystische Fibrose (CF) die häufigste<br />

Erbkrankheit in <strong>de</strong>r weissen Bevölkerung<br />

darstellt, zählt sie zu <strong>de</strong>n <strong>seltenen</strong> <strong>Krankheiten</strong>.<br />

CF betrifft in <strong>de</strong>r Schweiz etwa 1 von<br />

2’500 Neugeborenen. Da seit 2011 je<strong>de</strong>s Neugeborene<br />

auf CF getestet wer<strong>de</strong>n kann, wird<br />

die Krankheit immer früher diagnostiziert. Je<br />

früher gezielt behan<strong>de</strong>lt wird, <strong>de</strong>sto grösser<br />

ist die Chance auf ein längeres Überleben. Das<br />

<strong>mit</strong>tlere Überleben beträgt heute 40 Jahre.<br />

An einer Gentherapie wird geforscht, CF ist<br />

aber bis heute nicht heilbar.<br />

Krankheitsbild<br />

Die Cystische Fibrose wur<strong>de</strong> erstmals 1934<br />

durch <strong>de</strong>n Tessiner Kin<strong>de</strong>rarzt Fanconi beschrieben.<br />

1989 wur<strong>de</strong> das CF-Gen auf <strong>de</strong>m<br />

Chromosom 7 i<strong>de</strong>ntifiziert. Die CF-Mutation<br />

führt durch eine Störung <strong>de</strong>s Salz- und Flüssigkeitstransports<br />

zur Bildung eines zähen<br />

Behandlung und Therapie<br />

Eckpfeiler <strong>de</strong>r Behandlung sind die Inhalations-<br />

und Atemphysiotherapie, Medikamente<br />

sowie die hochkalorische Ernährung. Inhaliert<br />

wer<strong>de</strong>n schleimlösen<strong>de</strong> Medikamente und<br />

Antibiotika. Physiotherapie und regelmässiger<br />

Sport dienen <strong>de</strong>r Sekretmobilisation.<br />

Der Therapieaufwand beträgt 2 bis 4 Stun<strong>de</strong>n<br />

pro Tag, Spitalaufenthalte sind häufig.<br />

Im fortgeschrittenen Stadium ist zusätzlich<br />

Sauerstoff notwendig. Im Endstadium kann<br />

eine Lungentransplantation das Leben um<br />

Jahre verlängern.<br />

Dank mo<strong>de</strong>rner Therapien und intensiver<br />

Betreuung <strong>de</strong>r Betroffenen in spezialisierten<br />

CF-Zentren hat sich das Bild <strong>de</strong>r Cystischen<br />

Fibrose in <strong>de</strong>n letzten 20 Jahren dramatisch<br />

geän<strong>de</strong>rt. Die Krankheit, die früher fast nur<br />

Kin<strong>de</strong>r und Jugendliche betraf, ist heute zu<br />

einer Erwachsenenkrankheit gewor<strong>de</strong>n. Es<br />

bleibt die Hoffnung, dass sie <strong>mit</strong>tels Gentherapie<br />

eines Tages heilbar wird. •<br />

Erlebnisse in <strong>de</strong>r Natur per Velo.<br />

Die Velovermietung <strong>de</strong>r <strong>Stiftung</strong> Cerebral schafft Mobilität.<br />

Mit speziell umgebauten Velos können cerebral bewegungsbehin<strong>de</strong>rte<br />

<strong>Menschen</strong> und ihre Familien an verschie<strong>de</strong>nen Orten in <strong>de</strong>r Schweiz<br />

gemeinsam Veloausflüge unternehmen.<br />

Autofahren schafft Unabhängigkeit.<br />

Die <strong>Stiftung</strong> Cerebral unterhält eine Flotte von speziell umgebauten<br />

Fahrzeugen, da<strong>mit</strong> auch <strong>Menschen</strong> im Rollstuhl die Fahrprüfung<br />

machen können.<br />

Unterstützen Sie die Freizeitprojekte <strong>de</strong>r <strong>Stiftung</strong> Cerebral und schaffen Sie Mobilität <strong>für</strong> körperbehin<strong>de</strong>rte <strong>Menschen</strong>.<br />

Wir sind dankbar <strong>für</strong> je<strong>de</strong> Spen<strong>de</strong>, <strong>für</strong> alle, die <strong>mit</strong> einem Legat über ihr Leben hinaus Gutes tun wollen, und <strong>für</strong> Unternehmen,<br />

welche einzelne Projekte finanzieren.<br />

Die <strong>Stiftung</strong> Cerebral unterstützt Betroffene und ihre Familien in <strong>de</strong>r ganzen Schweiz.<br />

Helfen verbin<strong>de</strong>t<br />

Schweizerische <strong>Stiftung</strong> <strong>für</strong> das cerebral gelähmte Kind<br />

Erlachstrasse 14, Postfach 8262, 3001 Bern, Telefon 031 308 15 15, PC 80-48-4, www.cerebral.ch


Eine Son<strong>de</strong>rveröffentlichung <strong>de</strong>s Reflex Verlages seltene krankheiten 7<br />

Interview Behandlung <strong>de</strong>r Cystischen Fibrose<br />

„Die Cystische Fibrose im Wan<strong>de</strong>l <strong>de</strong>r Zeit“<br />

Fortschritte in Prognose und Lebensqualität.<br />

Dr. Carlo Mordasini, Chefarzt Pneumologie,<br />

Spital Tiefenau, Spital Netz Bern<br />

Herr Dr. Mordasini, Sie<br />

betreuen CF-Betroffene seit<br />

über 20 Jahren. Wie haben<br />

Sie diese Zeit erlebt?<br />

Die Behandlung und Betreuung<br />

<strong>de</strong>r Patienten ist herausfor<strong>de</strong>rnd.<br />

Dennoch überwiegen die positiven<br />

Erlebnisse. Betroffene feiern ihren<br />

30. Geburtstag, heiraten und bekommen<br />

Kin<strong>de</strong>r. Wie diese jungen<br />

<strong>Menschen</strong> ihr Schicksal meistern,<br />

beeindruckt mich.<br />

Wie und wo wer<strong>de</strong>n<br />

CF-Betroffene in <strong>de</strong>r Schweiz<br />

behan<strong>de</strong>lt und betreut?<br />

Ambulant o<strong>de</strong>r stationär betreut<br />

wer<strong>de</strong>n die CF-Betroffenen ausschliesslich<br />

an CF-Zentren. Diese<br />

existieren an <strong>de</strong>n grossen Kantonso<strong>de</strong>r<br />

Unispitälern. Das CF-Zentrum<br />

im Spital Netz Bern-Tiefenau ist das<br />

grösste Erwachsenen-Zentrum <strong>de</strong>r<br />

Schweiz. Für die ganzheitlich ausgerichtete<br />

Behandlung <strong>de</strong>r Erbkrankheit<br />

ist ein interdisziplinäres Team<br />

nötig: Dazu gehören beispielsweise<br />

Physiotherapeuten, Ernährungsberater,<br />

Infektiologen, Sozialarbeiter,<br />

Lungen- und Magendarmspezialisten.<br />

Wie wird die Diagnose<br />

Cystische Fibrose gestellt?<br />

In <strong>de</strong>r Schweiz wird seit Kurzem ein<br />

Neugeborenen-Screening durchgeführt.<br />

Automatisch getestet wer<strong>de</strong>n<br />

die Babys dabei auf seltene Stoffwechselkrankheiten.<br />

Aufgrund dieser<br />

Früherkennung wird wahrscheinlich<br />

die Prognose weiter verbessert<br />

wer<strong>de</strong>n; heute Geborene haben eine<br />

gute Chance, 50-jährig o<strong>de</strong>r älter zu<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

Auf was führen Sie zu<strong>de</strong>m<br />

die sich positiv entwickeln<strong>de</strong><br />

Prognose zurück?<br />

Einerseits spielen dabei neu eingeführte<br />

und wirksamere Medikamente<br />

eine grosse Rolle. Dies gilt<br />

insbeson<strong>de</strong>re <strong>für</strong> Antibiotika wie<br />

auch die Pankreasenzym-Ersatz-<br />

Präparate. Früher litten sehr viele<br />

CF-Betroffene an Untergewicht.<br />

Glücklicherweise sieht man das<br />

heute immer weniger. An<strong>de</strong>rerseits<br />

trägt die engmaschigere und professionellere<br />

Betreuung <strong>de</strong>r Patienten<br />

viel dazu bei.<br />

Wie steht es um die Berufsund<br />

Familienplanung bei<br />

CF-Betroffenen?<br />

Fast alle Betroffenen absolvieren<br />

eine Lehre o<strong>de</strong>r schliessen ein Studium<br />

ab. Danach arbeiten manche<br />

von ihnen in einem Teilzeitpensum.<br />

Einhergehend <strong>mit</strong> <strong>de</strong>r gestiegenen<br />

Lebenserwartung nimmt genauso<br />

<strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>rwunsch zu. Frauen sind<br />

beinahe normal fruchtbar, Männer<br />

hingegen steril. Trotz<strong>de</strong>m ist durch<br />

eine Spermienentnahme und die Invitro-Fertilisation<br />

Nachwuchs möglich.<br />

Zur Sicherheit <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r wird<br />

<strong>de</strong>r Partner auf das CF-Gen getestet.<br />

Dadurch wird sichergestellt, dass die<br />

CF-Krankheit nicht vererbt wird.<br />

Was geschieht in <strong>de</strong>r<br />

Forschung?<br />

Grosse Fortschritte erzielt die Transplantation.<br />

Jedoch stagnieren die<br />

Bemühungen in <strong>de</strong>r Gentherapie.<br />

Dagegen wer<strong>de</strong>n diverse Medikamente<br />

erprobt, welche <strong>de</strong>n Basis<strong>de</strong>fekt<br />

korrigieren. Auch dank <strong>de</strong>r<br />

unermüdlichen Forschung steigt die<br />

Lebenserwartung <strong>de</strong>r CF-Betroffenen<br />

und die Lebensqualität. •<br />

interview Cystische Fibrose<br />

„Ich bleibe einfach immer optimistisch“<br />

Wann wur<strong>de</strong> bei Ihnen<br />

Cystische Fibrose (CF)<br />

festgestellt?<br />

Ich war nur ein halbes Jahr alt, die<br />

Krankheit hat mich also mein Leben<br />

lang begleitet. Schon als Kind<br />

musste ich morgens und abends inhalieren<br />

und physiotherapeutische<br />

Übungen machen. Ausser<strong>de</strong>m muss<br />

ich bis heute Medikamente nehmen,<br />

wenn ich etwas esse. Was mir als<br />

Kind gefiel: Ich bekam keine Noten<br />

im Sportunterricht! Aber sowohl<br />

Lehrer als auch Mitschüler waren<br />

da sehr verständnisvoll.<br />

Wie äussern sich im Alltag<br />

die Symptome <strong>de</strong>r Krankheit?<br />

Ich habe zum Glück eine eher leichte<br />

Form <strong>de</strong>r CF, trotz<strong>de</strong>m bin ich <strong>für</strong><br />

Infekte anfälliger als an<strong>de</strong>re <strong>Menschen</strong>.<br />

So brauche ich dann immer<br />

wie<strong>de</strong>r Intensiv-Antibiotikakuren,<br />

das heisst, die orale Einnahme von<br />

Medikamenten reicht nicht mehr aus<br />

und man bekommt über einen Zeitraum<br />

von zwei Wochen Infusionen.<br />

Wenn es irgendwie geht, versuche<br />

ich, die Behandlung zu Hause zu<br />

machen anstatt ins Spital zu gehen.<br />

Gibt es neben Medikamenten<br />

noch Dinge, die Ihnen im<br />

Alltag Kraft geben?<br />

Ja. Ich mache zum Beispiel gern<br />

Yoga. Das hat mir zusätzlich zur Therapie<br />

schon oft sehr geholfen. Medikamente<br />

muss ich sowieso ständig<br />

nehmen, unabhängig von meinem<br />

aktuellen Zustand. Aber das ist einfach<br />

Routine, das bin ich gewohnt.<br />

Haben Sie durch die ständige<br />

Einnahme von Medikamenten<br />

<strong>mit</strong> Nebenwirkungen zu<br />

kämpfen?<br />

Manchmal. Wenn ich beispielsweise<br />

solch eine Intensiv-Antibiotikakur<br />

mache, bin ich immer<br />

sehr mü<strong>de</strong> und abgespannt. Aber<br />

ich habe es glücklicherweise bisher<br />

kaum <strong>mit</strong> starken Nebenwirkungen<br />

zu tun gehabt. Ich hoffe<br />

natürlich, dass das so bleibt. Ich<br />

weiss von an<strong>de</strong>ren, dass sie gegen<br />

bestimmte Antibiotika resistent<br />

gewor<strong>de</strong>n sind und dann immer<br />

mal wie<strong>de</strong>r das Präparat wechseln<br />

müssen.<br />

Fühlen Sie sich im Alltag<br />

manchmal beeinträchtigt?<br />

Ja, zum Beispiel beim Treppensteigen<br />

o<strong>de</strong>r wenn ich mich beeilen<br />

muss, um einen Zug zu bekommen.<br />

Bei ganz gewöhnlichen Alltagsdingen<br />

fange ich an zu husten und brauche<br />

viel länger, um mich hinterher<br />

zu erholen.<br />

Fürchten Sie, dass Sie irgendwann<br />

eine Lungentransplantation<br />

brauchen?<br />

Bis jetzt habe ich sehr stabile<br />

Werte. Es kommt aber sicher irgendwann<br />

auf mich zu, <strong>de</strong>nn es ist<br />

meist die letzte Chance, wenn alle<br />

an<strong>de</strong>ren Therapien keinen Erfolg<br />

mehr zeigen. Aber es ist beruhigend,<br />

dass ich viele Betroffene<br />

kenne, bei <strong>de</strong>nen die Transplantation<br />

gut verlief.<br />

Wie behalten Sie Ihre positive<br />

Einstellung?<br />

Ich bleibe einfach optimistisch. Seit<br />

meiner Kindheit und auch noch<br />

heute habe ich auf Kuren viele an<strong>de</strong>re<br />

CF-Patienten getroffen. Ich<br />

sage mir: Ohne meine Erkrankung<br />

hätte ich einige Erfahrungen wohl<br />

nie gemacht und nie so wun<strong>de</strong>rbare<br />

<strong>Menschen</strong> kennengelernt! •<br />

Martina Schmidt,<br />

seit Kindheit betroffen von Cystischer Fibrose<br />

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Wir kämpfen gegen Cystische Fibrose<br />

Wir unterstützen <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> <strong>de</strong>r unheilbaren<br />

Erbkrankheit Cystische Fibrose. Dazu gehört auch<br />

die För<strong>de</strong>rung von Forschungsprojekten, die uns<br />

<strong>de</strong>r Heilung näher bringen.<br />

Helfen Sie uns, zu helfen.<br />

www.cfch.ch, info@cfch.ch<br />

Tel. 031 313 88 45<br />

Spen<strong>de</strong>nkonto: PC 30-7800-2


8 seltene krankheiten eine Son<strong>de</strong>rveröffentlichung <strong>de</strong>s Reflex Verlages<br />

artikel Morbus Crohn<br />

Die Schmerzen sind ständige Begleiter<br />

Morbus Crohn ist eine chronisch-entzündliche Darmkrankheit und unheilbar. Neue Medikamente sollen die Lebensqualität verbessern.<br />

von Wiebke Toebelmann<br />

Eine junge Frau beschreibt ihre<br />

Krankheit in einem Internetforum<br />

wie folgt: „Es ist, als ob Krieg im<br />

Bauch herrscht.“ In <strong>de</strong>r Schweiz sind<br />

rund 16‘000 <strong>Menschen</strong> von Morbus<br />

Crohn o<strong>de</strong>r Colitis ulcerosa betroffen,<br />

die bei<strong>de</strong> zu <strong>de</strong>n chronischentzündlichen<br />

Darmerkrankungen<br />

gehören. Morbus Crohn kann <strong>de</strong>n<br />

gesamten Verdauungstrakt von <strong>de</strong>r<br />

Mundhöhle bis zum After betreffen.<br />

Meist sie<strong>de</strong>ln sich aber die Entzündungen<br />

im Übergangsbereich vom<br />

Dünndarm zum Dickdarm an.<br />

Krankheit in Schüben<br />

Die Tücken dieser Krankheit, die<br />

zahlenmässig noch zu <strong>de</strong>n häufigeren<br />

„<strong>seltenen</strong> <strong>Krankheiten</strong>“ gehört,<br />

sind vielfältig und beinhalten einen<br />

Lei<strong>de</strong>nsweg, <strong>de</strong>r zumeist schon<br />

im Teenageralter beginnt. Morbus<br />

Crohn verläuft gewöhnlich in Schüben,<br />

sodass auf durchaus relativ beschwer<strong>de</strong>freie<br />

Perio<strong>de</strong>n dann wie<strong>de</strong>r<br />

Zeiten <strong>mit</strong> extrem schmerzhaften<br />

und kaum erträglichen Symptomen<br />

folgen können. Diese sind typischerweise<br />

Bauchweh, Durchfall, Fieber<br />

sowie Zustän<strong>de</strong> völliger Erschöpfung.<br />

Dazu kommen Analfissuren,<br />

Fisteln, Hautverän<strong>de</strong>rungen und<br />

Entzündungen <strong>de</strong>r Augen o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s<br />

Mun<strong>de</strong>s. Etwa ein Drittel <strong>de</strong>r Erkrankten<br />

wird arbeitsunfähig. Die<br />

Patienten haben zwar keine eingeschränkte<br />

Lebenserwartung, sind jedoch<br />

eher gefähr<strong>de</strong>t, an Darmkrebs<br />

zu erkranken.<br />

Die Ursachen sind unklar. Aber es<br />

wird vermutet, dass Morbus Crohn<br />

zwar nicht vererbbar ist, bei einigen<br />

Betroffenen aber eine Familienhäufigkeit<br />

besteht. Zumin<strong>de</strong>st<br />

bei zehn bis 15 Prozent <strong>de</strong>r Fälle<br />

wird eine genetische Disposition<br />

vermutet. Desweiteren gibt es auch<br />

die These, dass die in mo<strong>de</strong>rnen,<br />

industrialisierten Län<strong>de</strong>rn übliche<br />

Hygiene Schuld ist an <strong>de</strong>m vermehrten<br />

Auftreten von Morbus Crohn und<br />

an<strong>de</strong>ren chronisch-entzündlichen<br />

Darmerkrankungen. Faktoren wie<br />

Stress o<strong>de</strong>r Rauchen begünstigen die<br />

Krankheit obendrein, <strong>de</strong>nnoch ist es<br />

schwer, Vorbeugungsmassnahmen<br />

zu benennen.<br />

Fortschritt durch<br />

wirksame Therapien<br />

Morbus Crohn ist nicht heilbar,<br />

allerdings können die Beschwer<strong>de</strong>n<br />

gelin<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n. Eine gängige<br />

Therapie ist die Verabreichung<br />

von Kortison, welches auf Dauer<br />

jedoch zu Nebenwirkungen wie Aufgedunsenheit,<br />

Knochenschwund<br />

und Störung <strong>de</strong>s Blutzucker- und<br />

Blutfetthaushaltes führen kann.<br />

Neu sind die sogenannten Biologika,<br />

also die Therapie <strong>mit</strong> Antikörpern.<br />

Biologika sind sehr wirksame<br />

Medikamente und bin<strong>de</strong>n einen<br />

Entzündungsstoff im Körper, <strong>de</strong>r<br />

sich TNF-alpha nennt. Dadurch<br />

entstehen weniger Entzündungen,<br />

sodass die Schübe weniger stark<br />

verlaufen. Die neuen Therapien be<strong>de</strong>uten<br />

einen Hoffnungsschimmer<br />

<strong>für</strong> die Patienten. Zu<strong>de</strong>m spricht<br />

alles da<strong>für</strong>, dass sich die Lebensqualität<br />

in Zukunft durch weitere<br />

innovative Behandlungsmetho<strong>de</strong>n<br />

noch stark verbessern wird. •<br />

interview Fortschritte in <strong>de</strong>r Behandlung chronisch entzündlicher Darmerkrankungen<br />

„Abheilung von Schüben durch TNF-alpha-Antikörper“<br />

Herr Professor Seibold, was<br />

sind chronisch entzündliche<br />

Darmerkrankungen und wie<br />

häufig treten diese in <strong>de</strong>r<br />

Schweiz auf?<br />

Chronisch entzündliche Darmerkrankungen<br />

umfassen <strong>de</strong>n Morbus<br />

Crohn und die Colitis ulcerosa. Dies<br />

sind chronische, oft schubweise verlaufen<strong>de</strong><br />

Entzündungen im Darm.<br />

Die Erkrankungen können bereits<br />

im Kin<strong>de</strong>salter auftreten, meistens<br />

wer<strong>de</strong>n sie jedoch bei Jugendlichen<br />

bis jungen Erwachsenen diagnostiziert.<br />

In <strong>de</strong>r Schweiz sind circa zwei<br />

von 1`000 Einwohnern von einer<br />

chronisch entzündlichen Darmerkrankung<br />

betroffen.<br />

Unter welchen Symptomen<br />

lei<strong>de</strong>n diese Patienten?<br />

Die häufigsten Beschwer<strong>de</strong>n sind<br />

Durchfälle o<strong>de</strong>r Bauchschmerzen.<br />

Aufgrund <strong>de</strong>r meist blutigen Durchfälle<br />

wird die Diagnose einer Colitis<br />

ulcerosa meist rasch gestellt,<br />

während bei Morbus Crohn, wo sich<br />

die Entzündungen überall zwischen<br />

Mund und After befin<strong>de</strong>n, es zum<br />

Teil Jahre dauern kann, bis man<br />

weiss, woran <strong>de</strong>r Patient lei<strong>de</strong>t. Neben<br />

Bauchschmerzen und Durchfall<br />

können Müdigkeit, Fieber, Gewichtsverlust,<br />

Gelenkschmerzen und viele<br />

an<strong>de</strong>re Symptome auftreten.<br />

Kann man diese Erkrankungen<br />

heutzutage gut behan<strong>de</strong>ln?<br />

Hat es in <strong>de</strong>r letzten Zeit<br />

Fortschritte in <strong>de</strong>n Behandlungsmodalitäten<br />

gegeben?<br />

Noch vor zwanzig Jahren war man<br />

bei <strong>de</strong>r Behandlung von Patienten<br />

<strong>mit</strong> chronisch entzündlichen<br />

Darmerkrankungen sehr begrenzt.<br />

Es gab damals nur zwei Medikamente,<br />

die man bei diesen Patienten<br />

einsetzen konnte. Heutzutage verfügen<br />

wir über eine grosse Palette<br />

von Medikamenten. Dabei gibt es<br />

Medikamente, wie etwa die TNFalpha-Antikörper,<br />

die seit 1999 in<br />

<strong>de</strong>r Schweiz zum Einsatz kommen.<br />

Diese Substanzen führen bei vielen<br />

Patienten zu einer raschen Abheilung<br />

<strong>de</strong>s Schubes und können<br />

weitere Schübe verhin<strong>de</strong>rn. Auch<br />

<strong>mit</strong> Immunsuppressiva kann man<br />

die Erkrankung relativ gut unterdrücken,<br />

jedoch kann ein Teil <strong>de</strong>r<br />

Patienten aufgrund von Nebenwirkungen<br />

nicht langfristig <strong>mit</strong> diesen<br />

Medikamenten therapiert wer<strong>de</strong>n.<br />

Es gelang in <strong>de</strong>n letzten Jahren, weitere<br />

Medikamente zu entwickeln,<br />

die in ihrem Wirkmechanismus immer<br />

spezifischer wer<strong>de</strong>n. Beispielsweise<br />

wird die Wan<strong>de</strong>rung gewisser<br />

weisser Blutkörperchen zum Darm<br />

selektiv behin<strong>de</strong>rt, sodass sich die<br />

Entzündung dort beruhigen kann.<br />

Solche Medikamente sind kurz vor<br />

<strong>de</strong>r Zulassung und an<strong>de</strong>re neue<br />

Substanzen wer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>rzeit in klinischen<br />

Studien getestet. Darunter<br />

sind zum Teil auch unkonventionelle<br />

Metho<strong>de</strong>n, wie zum Beispiel<br />

die Schweinepeitschenwurmeier:<br />

Der Patient schluckt einen Wurmeicocktail,<br />

im Darm schlüpfen dann<br />

die <strong>für</strong> <strong>de</strong>n <strong>Menschen</strong> nicht gefährlichen<br />

Würmer, die ihrerseits eine<br />

Immunreaktion auslösen, welche<br />

die schädlichen Immunreaktionen<br />

<strong>de</strong>s Morbus Crohns neutralisiert.<br />

In Bern konnten wir schon einige<br />

Patienten <strong>mit</strong> dieser Metho<strong>de</strong> erfolgreich<br />

behan<strong>de</strong>ln. Insgesamt gehe ich<br />

davon aus, dass durch etliche neue<br />

Metho<strong>de</strong>n die Therapie in wenigen<br />

Jahren weiter verbessert wer<strong>de</strong>n<br />

kann. Die allermeisten Patienten, die<br />

in spezialärztlicher Behandlung betreut<br />

wer<strong>de</strong>n, haben aber auch schon<br />

heute eine recht gute Lebensqualität,<br />

und <strong>de</strong>r Verlauf <strong>de</strong>r Erkrankung<br />

kann durch eine adäquate Therapie<br />

günstig beeinflusst wer<strong>de</strong>n.<br />

Besteht <strong>de</strong>nn Hoffnung,<br />

dass man diese Erkrankungen<br />

eines Tages heilen kann?<br />

In <strong>de</strong>n letzten Jahren sind wir bei<br />

<strong>de</strong>r Erforschung <strong>de</strong>r Ursachen dieser<br />

Erkrankungen, aber auch bei <strong>de</strong>r<br />

Entwicklung neuer Behandlungsstrategien<br />

<strong>de</strong>utlich weiter gekommen.<br />

Aktuell sind diese Erkrankungen<br />

noch nicht heilbar, jedoch<br />

ist in vielen Fällen die Erkrankung<br />

<strong>mit</strong> einer medikamentösen Therapie<br />

so gut unterdrückbar, sodass die<br />

meisten Patienten sich einer sehr<br />

guten Lebensqualität erfreuen. •<br />

Interview <strong>mit</strong> Prof. Dr. med. F. Seibold,<br />

Chefarzt Gastroenterologie,<br />

Crohn-Colitis-Sprechstun<strong>de</strong>, Spital Tiefenau, Bern<br />

Mit freundlicher Unterstützung von:<br />

AbbVie AG.<br />

interview Behandlung von Morbus Crohn <strong>mit</strong> Biologika<br />

„Patienten bevorzugen Selbstinjektion“<br />

Wie viele <strong>Menschen</strong> sind<br />

in <strong>de</strong>r Schweiz von Morbus<br />

Crohn betroffen – gibt es eine<br />

steigen<strong>de</strong> Ten<strong>de</strong>nz?<br />

In <strong>de</strong>r Schweiz lei<strong>de</strong>n etwa 12‘000<br />

<strong>Menschen</strong> an Morbus Crohn o<strong>de</strong>r<br />

Colitis ulcerosa. Bei<strong>de</strong> gehören<br />

zu <strong>de</strong>n chronisch-entzündlichen<br />

Darmkrankheiten. Seit <strong>de</strong>n 1950er-<br />

Jahren wur<strong>de</strong> ein leichter Anstieg<br />

beobachtet.<br />

Ist es korrekt, dass Morbus<br />

Crohn <strong>mit</strong> zunehmen<strong>de</strong>m<br />

Wohlstand und Hygiene zu<br />

tun hat?<br />

Die Zunahme macht sich vor allem<br />

in <strong>de</strong>n mo<strong>de</strong>rnen Industrienationen<br />

bemerkbar. Übermässige Hygiene<br />

kann zur Folge haben, dass unser<br />

Immunsystem nicht richtig gegen<br />

bestimmte Krankheitserreger gewappnet<br />

ist.<br />

Wie lange dauert es, bis eine<br />

betroffene Person in <strong>de</strong>r<br />

Schweiz diagnostiziert wird?<br />

In <strong>de</strong>r Schweiz dauert es durchschnittliche<br />

neun Monate, bis die<br />

Diagnose Morbus Crohn gestellt<br />

wird. Bei manchen kann das sogar<br />

bis zu drei Jahre dauern. Eine<br />

unserer Studien hat ergeben, dass<br />

Patienten oft erst nach Monaten<br />

ihren Hausarzt aufsuchen und <strong>de</strong>r<br />

sie wie<strong>de</strong>rum oft verzögert an einen<br />

Spezialisten überweist. Es ist<br />

also wichtig, sowohl Patienten als<br />

auch Ärzte aufzuklären. Das Ziel<br />

<strong>für</strong> Arzt und Patient muss ganz klar<br />

eine frühe Diagnose sein.<br />

Ist eine späte Diagnose<br />

gefährlich?<br />

Die Lebensqualität im Alltag ist sehr<br />

eingeschränkt, wenn Betroffene<br />

über einen langen Zeitraum <strong>mit</strong> <strong>de</strong>n<br />

Crohn-Symptomen leben müssen:<br />

Durchfall, Bauchweh, Fieberschübe<br />

und Abgeschlagenheit. Wir führten<br />

PD Dr. Stephan Vavricka, Abteilungsleiter Gastroenterologie<br />

und Hepatologie, Stadtspital Triemli<br />

eine weitere Studie durch, die untersuchte,<br />

ob es Unterschie<strong>de</strong> gibt zwischen<br />

früher und später Diagnose.<br />

Das Ergebnis: Die Patienten, bei <strong>de</strong>nen<br />

Morbus Crohn erst spät erkannt<br />

wur<strong>de</strong>, lei<strong>de</strong>n oftmals vermehrt an<br />

Fistel- und Engstellenbildung.<br />

Welche Diagnosemetho<strong>de</strong>n<br />

gibt es und müssen die Patienten<br />

davor Angst haben?<br />

Nein, keineswegs. Als Marker dient<br />

uns zunächst das sogenannte Calprotectin<br />

im Stuhl, welches auf einen<br />

erhöhten Entzündungswert hinweist.<br />

Der nächste Schritt ist eine<br />

Dickdarmspiegelung.<br />

Relativ neu ist die Behandlung<br />

<strong>mit</strong> Biologika. Wie wer<strong>de</strong>n<br />

sie verabreicht?<br />

Es gibt drei verschie<strong>de</strong>ne Typen<br />

von Biologika, wobei eines als intravenöse<br />

Infusion im Spital und<br />

die an<strong>de</strong>ren bei<strong>de</strong>n als subkutane<br />

Injektion verabreicht wer<strong>de</strong>n. Bei<br />

<strong>de</strong>r subkutanen Behandlung kann<br />

sich <strong>de</strong>r Patient diese selbst unter die<br />

Haut injizieren. Wir haben 100 Patienten<br />

bei unserer CHOOSE-TNF-<br />

Studie befragt, ob sie <strong>de</strong>n Weg <strong>de</strong>r<br />

Selbstinjektion bevorzugen und wie<br />

viel Freiraum sie sich bei <strong>de</strong>r Behandlung<br />

wünschen. Das Ergebnis:<br />

Die Erkrankten sind gerne selbstständig<br />

und möchten nicht ins Spital,<br />

um dort mehrere Stun<strong>de</strong>n eine<br />

Infusion zu bekommen. Vor allem<br />

berufstätige Betroffene wollen es<br />

vermei<strong>de</strong>n, regelmässig am Arbeitsplatz<br />

zu fehlen. Daher das Fazit <strong>de</strong>r<br />

Studie: Die Mehrzahl <strong>de</strong>r Patienten<br />

bevorzugte die Selbstinjektion. •<br />

Mit freundlicher Unterstützung von:<br />

AbbVie AG.


Eine Son<strong>de</strong>rveröffentlichung <strong>de</strong>s Reflex Verlages seltene krankheiten 9<br />

artikel Lysosomale Speicherkrankheiten<br />

Die tückischen Exoten<br />

Zu <strong>de</strong>n Speicherkrankheiten gehören etwa 50 seltene Stoffwechselerkrankungen – sie sind genetisch bedingt und schwer behan<strong>de</strong>lbar.<br />

Von Wiebke Toebelmann<br />

Wer <strong>de</strong>n Zungenbrecher Lysosomale<br />

Speicherkrankheiten<br />

hört, <strong>de</strong>nkt vielleicht nicht sofort an<br />

heimtückische Syndrome, die sehr<br />

schwerwiegen<strong>de</strong> Folgen haben und<br />

oftmals sogar tödlich en<strong>de</strong>n. Es han<strong>de</strong>lt<br />

sich dabei um eine Gruppe von<br />

ungefähr 50 genetisch bedingten<br />

Stoffwechselerkrankungen <strong>mit</strong> so<br />

exotischen Namen wie Mukopolysaccharidose,<br />

Morbus Fabry o<strong>de</strong>r<br />

auch Niemann Pick.<br />

Die Lysosomalen Speicherkrankheiten<br />

sind höchst selten und kommen<br />

weltweit nur etwa bei einem Neugeborenen<br />

von 7‘500 bis 8‘000 vor.<br />

Doch diese wenigen Neugeborenen<br />

haben eins gemeinsam, und zwar<br />

eine vermin<strong>de</strong>rte Enzymaktivität,<br />

welche im Erbgut liegt, und die zum<br />

Beispiel durch eine Mutation eines<br />

Gens entstan<strong>de</strong>n ist. Doch obwohl<br />

diese <strong>Krankheiten</strong> erblich sind, erkrankt<br />

nicht je<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Gen<strong>de</strong>fekt<br />

in sich trägt.<br />

Zunächst einmal ist festzustellen,<br />

dass Lysosome per se nichts Gefährliches<br />

sind: Je<strong>de</strong>r Mensch hat<br />

sie, jene Zellorgane, die komplexe<br />

Makromoleküle in ihre einfachen<br />

Bausteine zerlegen. Da<strong>mit</strong> sich dieser<br />

Abbau vollziehen kann, stehen<br />

uns zahlreiche Enzyme zur Katalysierung,<br />

genannt Hydrolasen,<br />

zur Verfügung. An<strong>de</strong>rs bei <strong>de</strong>nen,<br />

die an einer Lysosomalen Speicherkrankheit<br />

lei<strong>de</strong>n: Bei ihnen<br />

ist meist eine <strong>de</strong>r Hydrolasen zu<br />

schwach und so<strong>mit</strong> <strong>de</strong>r Abbau eines<br />

Makromoleküls weniger gut<br />

katalysierbar. Die Folge ist eine<br />

Anreicherung dieser Makromoleküle<br />

in <strong>de</strong>r Zelle und so<strong>mit</strong> eine<br />

Funktionsstörung unterschiedlicher<br />

Organsysteme.<br />

Niemann Pick:<br />

eine tödliche Diagnose<br />

Beson<strong>de</strong>rs tragisch ist die Niemann<br />

Pick-Krankheit, welcher ein genetischer<br />

Defekt <strong>de</strong>s Enzyms Sphingomvelinase<br />

zugrun<strong>de</strong> liegt. Sie ist<br />

unheilbar und tödlich, und die Betroffenen<br />

sterben in sehr jungem<br />

Alter. Die Einteilung erfolgt nach<br />

<strong>de</strong>n Typen A bis D. Typ A ist eine<br />

beson<strong>de</strong>rs schwer verlaufen<strong>de</strong> neuroviszerale<br />

(neurologische Innenorganbeteiligung)<br />

Erkrankung, die<br />

schon im Kin<strong>de</strong>salter tödlich en<strong>de</strong>t.<br />

Beim Typ B fehlen neurologische<br />

Symptome und das Erwachsenenalter<br />

kann erreicht wer<strong>de</strong>n. Beim Typ<br />

C vergrößern sich Milz und Leber,<br />

was zu einer Gelbfärbung <strong>de</strong>r Haut<br />

führt. Typ D äußert ähnliche Symptome<br />

wie Typ C. Was alle Niemann<br />

Pick-Arten gemeinsam haben, ist<br />

die bittere Gewissheit, <strong>de</strong>r sich alle<br />

Eltern stellen müssen: Ihre Kin<strong>de</strong>r<br />

wer<strong>de</strong>n irgendwann an dieser<br />

Krankheit sterben.<br />

Selten, aber tückisch:<br />

Morbus Fabry<br />

Morbus Fabry ist eine weitere gefährlich<br />

fortschreiten<strong>de</strong> Speicherkrankheit,<br />

die zwar seit 100 Jahren<br />

bekannt ist, doch so selten auftritt,<br />

dass die wenigsten Ärzte jemals<br />

einen Fall erleben. Die typischen<br />

Organe, die in Mitlei<strong>de</strong>nschaft gezogen<br />

wer<strong>de</strong>n, sind Haut, Augen,<br />

Nervensystem, Nieren und Herz.<br />

Die Gefahr, Morbus Fabry nicht früh<br />

genug zu erkennen, ist gross, sind<br />

doch die Symptome im Kin<strong>de</strong>salter<br />

recht diffus. Hornhauttrübung im<br />

Auge, Fieber Erschöpfungszustän<strong>de</strong>,<br />

Schmerzen o<strong>de</strong>r Durchfall wer<strong>de</strong>n<br />

oftmals nicht diesem <strong>seltenen</strong> Befund<br />

zugeordnet. Später bekommt<br />

<strong>de</strong>r Patient Probleme <strong>mit</strong> <strong>de</strong>n Nieren,<br />

was sich durch eine erhöhte Eiweissausscheidung<br />

äussert und bis<br />

zum Nierenversagen führen kann.<br />

Auch klagt je<strong>de</strong>r dritte Fabry-Patient<br />

über Herzrhythmusstörungen und<br />

Atemprobleme. Ein weiteres typisches<br />

Merkmal ist die vermin<strong>de</strong>rte<br />

Fähigkeit zu schwitzen, grosse Empfindlichkeit<br />

bei Hitze und Kälte und<br />

auch ein Defizit in <strong>de</strong>r Tränen- und<br />

Speichelproduktion.<br />

Hilfe durch Therapien<br />

Wie alle <strong>seltenen</strong> Erkrankungen sind<br />

Lysosomale Speicherkrankheiten nur<br />

schwer zu behan<strong>de</strong>ln. Doch <strong>für</strong> einige<br />

von ihnen, gibt es hochentwickelte<br />

Therapiemöglichkeiten. Eine von<br />

ihnen ist die Enzymersatztherapie:<br />

Es ist möglich, das fehlen<strong>de</strong> Enzym<br />

durch biotechnologisch hergestellte<br />

Enzyme zu ersetzen. Dies erfolgt über<br />

Infusionen, <strong>de</strong>ren Verabreichung äusserst<br />

strikt geregelt ist: Die Therapieform<br />

muss so früh wie möglich und<br />

ein Leben lang angewen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n.<br />

Um eine Neubildung <strong>de</strong>r im Lysosom<br />

nicht abbaubaren Makromoleküle zu<br />

verhin<strong>de</strong>rn, können auch nie<strong>de</strong>rmolekulare<br />

Verbindungen verabreicht<br />

wer<strong>de</strong>n. Diese Behandlungsform<br />

nennt sich Substratreduktionstherapie.<br />

Noch nicht sehr gängig, aber bei<br />

manchen Krankheitsbil<strong>de</strong>rn durchaus<br />

erfolgreich, ist die Chaperon-<br />

Therapie, bei <strong>de</strong>r die Enzymaktivität<br />

künstlich erhöht wird.<br />

Lange vernachlässigt, sind Lysosomale<br />

Speicherkrankheiten in <strong>de</strong>n<br />

vergangenen Jahren verstärkt ins<br />

Bewusstsein <strong>de</strong>r Öffentlichkeit gerückt.<br />

Durch Registrierung <strong>de</strong>r Patienten<br />

und Vernetzung <strong>de</strong>r Behandlungszentren<br />

kann <strong>de</strong>n Betroffenen<br />

besser geholfen wer<strong>de</strong>n. Doch bis<br />

die Speicherkrankheiten aus ihrem<br />

„Waisendasein“ herausgeholt wer<strong>de</strong>n,<br />

gibt es noch viel zu tun. •<br />

Publireportage<br />

Seltene <strong>Krankheiten</strong><br />

Eine optimale Therapie und Begleitung<br />

von Patientinnen und Patienten, welche<br />

an einer <strong>seltenen</strong> Krankheit lei<strong>de</strong>n, stellt<br />

beson<strong>de</strong>re Anfor<strong>de</strong>rungen an alle Verantwortlichen.<br />

Die Apothekerinnen und Apotheker sind<br />

dank ihrer anspruchsvollen, universitären<br />

Aus-, Weiter- und Fortbildung zum Spezialisten<br />

<strong>für</strong> Arznei<strong>mit</strong>tel in beson<strong>de</strong>rem Masse<br />

befähigt, ihren Beitrag zu leisten: An<strong>de</strong>rs als<br />

bei gut erforschten Krankheitsbil<strong>de</strong>rn wer<strong>de</strong>n<br />

zur Behandlung seltener <strong>Krankheiten</strong><br />

zumeist Arznei<strong>mit</strong>tel eingesetzt, welche nicht<br />

die üblichen Zulassungsverfahren durchlaufen<br />

und über welche so<strong>mit</strong> erst wenige<br />

Daten vorliegen. Die Erforschung und Entwicklung,<br />

und da<strong>mit</strong> verbun<strong>de</strong>n die Verfügbarkeit<br />

von Arznei<strong>mit</strong>teln zur Behandlung<br />

seltener <strong>Krankheiten</strong>, ist verhältnismässig<br />

wenig fortgeschritten.<br />

Ganz beson<strong>de</strong>res Augenmerk wird <strong>de</strong>r Apotheker<br />

daher auf eine umfassen<strong>de</strong> Information<br />

und aufmerksame Begleitung <strong>de</strong>s<br />

Patienten richten. In enger Zusammenarbeit<br />

<strong>mit</strong> <strong>de</strong>m behan<strong>de</strong>ln<strong>de</strong>n Arzt wer<strong>de</strong>n<br />

unerwünschte Nebenwirkungen sofort <strong>de</strong>r<br />

zuständigen Behör<strong>de</strong> gemel<strong>de</strong>t, da<strong>mit</strong> neu<br />

gewonnene Erkenntnisse gesammelt, veröffentlicht<br />

und so<strong>mit</strong> die Behandlungsqualität<br />

laufend optimiert wer<strong>de</strong>n können. Auch die<br />

Berichte über Therapieerfolge müssen gesammelt<br />

und publiziert wer<strong>de</strong>n.<br />

Für die optimale Therapie einer <strong>seltenen</strong><br />

Krankheit kann eine auf <strong>de</strong>n einzelnen Patienten<br />

abgestimmte spezielle Dosierung und<br />

Darreichungsform eines Wirkstoffs vonnöten<br />

sein. Der Apotheker in <strong>de</strong>r öffentlichen<br />

Apotheke o<strong>de</strong>r in einer Spitalapotheke hat<br />

die fachliche Kompetenz, diese patientenspezifische<br />

Herstellung gemäss <strong>de</strong>m Arztrezept<br />

vorzunehmen o<strong>de</strong>r zusammen <strong>mit</strong> <strong>de</strong>m Arzt<br />

geeignete Formulierungen zu entwickeln. •<br />

Dominique Jordan,<br />

Präsi<strong>de</strong>nt pharmaSuisse<br />

Stationsstrasse 12<br />

CH-3097 Bern-Liebefeld<br />

T +41 (0)31 978 58 58<br />

F +41 (0)31 978 58 59<br />

info@pharmaSuisse.org<br />

www.pharmaSuisse.org<br />

interview Morbus Fabry<br />

„Betroffene brauchen ganzheitliche Betreuung“<br />

Was ist Morbus Fabry?<br />

Morbus Fabry ist eine angeborene Stoffwechselerkrankung,<br />

charakterisiert durch<br />

einen Mangel <strong>de</strong>r alpha-Galactosidase in <strong>de</strong>n<br />

menschlichen Zellen. Dieses Enzym baut gewisse<br />

Fettsubstanzen ab. Geschieht dies nicht,<br />

kann es zu einer Ansammlung von Stoffen<br />

und in <strong>de</strong>r Folge zur Schädigung bestimmter<br />

Zellen und Organe kommen. Männer sind<br />

<strong>de</strong>utlich häufiger betroffen als Frauen, da<br />

sich <strong>de</strong>r Gen<strong>de</strong>fekt auf <strong>de</strong>m weiblichen Geschlechtschromosom<br />

befin<strong>de</strong>t.<br />

Diese Krankheit ist sicher nicht<br />

leicht zu diagnostizieren?<br />

In <strong>de</strong>r Tat äussert sich die Krankheit häufig<br />

<strong>mit</strong> unspezifischen Symptomen, die schon<br />

im Kin<strong>de</strong>salter auftreten können. Dazu gehören<br />

beispielsweise Durchfall o<strong>de</strong>r auch<br />

eine Hitzeunverträglichkeit, die Schmerzen<br />

in <strong>de</strong>n Füssen und Fingern auslösen kann.<br />

Betroffene Kin<strong>de</strong>r wollen dann häufig keinen<br />

Schulsport ausüben, was lei<strong>de</strong>r oftmals als<br />

„Faulheit“ ausgelegt wird. Mit zunehmen<strong>de</strong>r<br />

Krankheitsdauer können sich ernsthafte und<br />

lebensbedrohliche Organschä<strong>de</strong>n an Nieren,<br />

Herzen und Hirn ausbil<strong>de</strong>n.<br />

Wie wird Morbus Fabry behan<strong>de</strong>lt?<br />

Die Patienten erhalten eine sogenannte Enzymersatztherapie.<br />

Ihnen wird alle zwei Wochen<br />

eine Infusion <strong>mit</strong> <strong>de</strong>m fehlen<strong>de</strong>n Enzym verabreicht.<br />

Diese Therapie erfolgt nicht zwingend<br />

im Spital, son<strong>de</strong>rn kann auch durch eine<br />

Pflegefachperson bei <strong>de</strong>n Patienten zu Hause<br />

durchgeführt wer<strong>de</strong>n.<br />

Wie sieht die Betreuung von <strong>Menschen</strong><br />

<strong>mit</strong> Morbus Fabry am UniversitätsSpital<br />

Zürich aus?<br />

Wir haben die Betreuung <strong>de</strong>r rund 80 Patienten<br />

vor einigen Jahren reorganisiert. Heute<br />

kümmert sich ein interdisziplinäres Team<br />

um sie. Vor allem um betroffene Familien<br />

ganzheitlich unterstützen zu können, arbeiten<br />

wir ganz eng <strong>mit</strong> Fachexperten aus <strong>de</strong>m Kin<strong>de</strong>rspital<br />

Zürich zusammen. Wir treffen uns<br />

regelmässig, besprechen die Patientenfälle,<br />

tauschen unser Fachwissen aus und führen<br />

wissenschaftliche Studien durch. Wir haben<br />

uns zu<strong>de</strong>m <strong>mit</strong> unseren Kollegen in Lausanne<br />

zusammengeschlossen und die Swiss Society<br />

of Fabry Disease gegrün<strong>de</strong>t. Da<strong>mit</strong> wollen wir<br />

auch auf nationaler Ebene <strong>de</strong>n Fachaustausch<br />

sichern, da<strong>mit</strong> Patienten die bestmögliche<br />

Betreuung erhalten.<br />

•<br />

PD Dr. Pierre-Alexandre Krayenbühl, Oberarzt an <strong>de</strong>r Klinik und<br />

Poliklinik <strong>für</strong> Innere Medizin am UniversitätsSpital Zürich und<br />

Präsi<strong>de</strong>nt <strong>de</strong>r Swiss Society of Fabry Disease


Publireportage<br />

Im Dialog zur Qualität<br />

Umsetzung <strong>de</strong>r Verordnungsän<strong>de</strong>rung von Artikel 71a/b KVV.<br />

von Thomas D. Szucs,<br />

Professor <strong>für</strong> pharmazeutische<br />

Medizin an <strong>de</strong>r Universität Basel und<br />

Verwaltungsratspräsi<strong>de</strong>nt Helsana<br />

Mo<strong>de</strong>rne Krankenversicherer<br />

suchen im Dialog nach Lösungen<br />

im Sinne <strong>de</strong>r Patienten –<br />

weil <strong>de</strong>r Gesetzgeber nicht alles bis<br />

ins Detail festlegen kann und soll.<br />

Helsanas Nutzenmo<strong>de</strong>ll zur Vergütung<br />

von innovativen Medikamenten<br />

ist ein Beispiel da<strong>für</strong>.<br />

Die Schweiz pflegt im Unterschied<br />

zu vielen an<strong>de</strong>ren Län<strong>de</strong>rn ein<br />

freiheitliches Gesundheitssystem.<br />

Mit viel Erfolg, wie internationale<br />

Vergleiche immer wie<strong>de</strong>r zeigen.<br />

Bei wichtigen Qualitätsindikatoren<br />

erreicht die Schweiz überdurchschnittliche<br />

Werte. Auch bei<br />

<strong>de</strong>n Innovationen ist die Schweiz<br />

traditionell Spitze. Das soll nicht<br />

heissen, dass sich <strong>de</strong>r Staat gänzlich<br />

aus <strong>de</strong>m Gesundheitssystem<br />

herauszuhalten hat. Im Gegenteil.<br />

Auch ein liberales System braucht<br />

Spielregeln. Zum Beispiel <strong>für</strong> die<br />

Vergütung von Medikamenten<br />

durch die obligatorische Grundversicherung.<br />

Hier gilt: Erstens muss<br />

das Medikament von <strong>de</strong>r Heil<strong>mit</strong>telbehör<strong>de</strong><br />

Swissmedic zugelassen<br />

sein. Zweitens muss es auf <strong>de</strong>r<br />

Spezialitätenliste <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>samtes<br />

<strong>für</strong> Gesundheit (BAG) stehen beziehungsweise<br />

die WZW-Kriterien<br />

<strong>de</strong>s Krankenversicherungsgesetzes<br />

(KVG) erfüllen. WZW steht <strong>für</strong><br />

wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich.<br />

Nur Medikamente, die<br />

alle drei Kriterien erfüllen, sind<br />

kassenpflichtig. Bekanntlich kennt<br />

das Leben aber keine Regel ohne<br />

Ausnahme.<br />

Neue Verordnung sieht Vergütung<br />

bei hohem Patientennutzen vor<br />

Es gibt zunehmend Medikamente,<br />

die ausserhalb <strong>de</strong>r genehmigten<br />

Anwendung oftmals bei <strong>seltenen</strong><br />

o<strong>de</strong>r schweren <strong>Krankheiten</strong> eingesetzt<br />

wer<strong>de</strong>n. Die Medikamente<br />

versprechen Lin<strong>de</strong>rung, erfüllen<br />

die WZW-Kriterien aber nicht vollständig.<br />

Auch wenn solche Medikamente<br />

nicht auf <strong>de</strong>r BAG-Spezialitätenliste<br />

stehen, waren sie bis<br />

vor einem Jahr in Ausnahmefällen<br />

nach Kriterien <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sgerichtes<br />

durch die Solidargemeinschaft <strong>de</strong>r<br />

Grundversicherten vollumfänglich<br />

zu finanzieren. Mit <strong>de</strong>r neuen Verordnung<br />

KVV 71 a und b 1 wur<strong>de</strong>n<br />

die Kriterien 2011 gesetzlich verankert.<br />

Danach sind Arznei<strong>mit</strong>tel, die<br />

ausserhalb ihrer Zulassung angewen<strong>de</strong>t<br />

wer<strong>de</strong>n und/o<strong>de</strong>r nicht auf<br />

<strong>de</strong>r BAG-Liste figurieren, nur dann<br />

aus <strong>de</strong>r obligatorischen Grundversicherung<br />

zu vergüten, wenn ein<br />

hoher Nutzen <strong>für</strong> die Patienten zu<br />

erwarten ist. Wie dieser Nutzen im<br />

Einzelfall zu beurteilen ist, lässt die<br />

Verordnung offen. Klar ist, dass<br />

die Vergütung in einem angemessenen<br />

Verhältnis zum Nutzen vom<br />

Versicherer festzulegen und <strong>de</strong>r<br />

Vertrauensarzt einzubeziehen ist.<br />

Eine Vergütung erfor<strong>de</strong>rt also in je<strong>de</strong>m<br />

Ausnahmefall eine vorgängige<br />

Abstimmung <strong>mit</strong> <strong>de</strong>m Versicherer<br />

<strong>de</strong>s Patienten.<br />

Die Umsetzung <strong>de</strong>r Verordnung<br />

liegt in <strong>de</strong>r Verantwortung<br />

<strong>de</strong>s Versicherers<br />

Diese beson<strong>de</strong>re Verantwortung<br />

<strong>de</strong>r Versicherer behagt nicht allen.<br />

Ein prominenter Be<strong>für</strong>worter einer<br />

staatlichen Einheitskasse sprach<br />

sich dagegen aus, „dass <strong>de</strong>r Vertrauensarzt<br />

eines Versicherers über Leben<br />

und Tod entschei<strong>de</strong>n soll“. Wie<br />

wenn <strong>de</strong>r Vertrauensarzt einfach<br />

aus <strong>de</strong>m Blauen heraus Leistungsentschei<strong>de</strong><br />

treffen könnte. Aber<br />

auch seitens <strong>de</strong>r freiheitlich und<br />

wettbewerbsorientierten Pharmabranche<br />

griff Unbehagen um sich.<br />

Offenbar ist man sich hierzulan<strong>de</strong><br />

nicht gewohnt, dass Krankenversicherer<br />

weit mehr können und tun,<br />

als auf Geheiss <strong>de</strong>s Staates Prämien<br />

einzukassieren und Leistungen zu<br />

vergüten. Versicherer mo<strong>de</strong>rner<br />

Prägung engagieren sich im Interesse<br />

ihrer Kun<strong>de</strong>n auch <strong>für</strong> die<br />

Versorgungsqualität. Dazu gehört<br />

auch <strong>de</strong>r Zugang zu innovativen<br />

Medikamenten. Dass sich ein Versicherer<br />

also <strong>mit</strong> <strong>de</strong>r konkreten Umsetzung<br />

<strong>de</strong>r Verordnung KVV 71<br />

a/b im Alltag beschäftigt, ist we<strong>de</strong>r<br />

ungehörig noch überraschend. Das<br />

gehört schlicht zum Job.<br />

Helsana-Nutzenmo<strong>de</strong>ll<br />

ermöglicht Zugang zu<br />

innovativen Medikamenten<br />

Unter <strong>de</strong>r Fe<strong>de</strong>rführung ihres leiten<strong>de</strong>n<br />

Vertrauensarztes entwickelte<br />

Helsana <strong>mit</strong> Fachexperten ein<br />

Nutzenmo<strong>de</strong>ll 2 (siehe Abbildungen<br />

1 und 2). Das Mo<strong>de</strong>ll erlaubt eine<br />

praxistaugliche Nutzenbestimmung<br />

im Sinne <strong>de</strong>s Regulators und wur<strong>de</strong><br />

von Roche und Novartis validiert.<br />

Anstoss zur Entwicklung <strong>de</strong>s Nutzenmo<strong>de</strong>lls<br />

gab die steigen<strong>de</strong> Zahl<br />

unklarer Ausnahmefälle. Im Zentrum<br />

<strong>de</strong>r Überlegungen stan<strong>de</strong>n<br />

dabei die Bedürfnisse und Anliegen<br />

<strong>de</strong>r Patienten und Versicherten: Die<br />

Patienten wollen möglichst schnell<br />

und unkompliziert Hilfe und Lin<strong>de</strong>rung<br />

und bekommen diese dank<br />

<strong>de</strong>r einvernehmlichen Partnerschaft<br />

von Versicherer und Pharmaunternehmen;<br />

die (gesun<strong>de</strong>n) Versicherten<br />

erhalten die doppelte Gewissheit,<br />

dass ihre Prämien nützliche<br />

Pharma<br />

Studienrelevanz<br />

Erheblich<br />

Be<strong>de</strong>utsam<br />

Gering<br />

Keine<br />

Arznei<strong>mit</strong>tel finanzieren und ihre<br />

Angehörigen im Falle eines schlimmen<br />

Schicksals selber von einem<br />

schnellen Zugang zu innovativen<br />

Medikamenten profitieren.<br />

Nutzenmo<strong>de</strong>ll besticht durch<br />

seine Praxistauglichkeit<br />

Anfang 2012 wur<strong>de</strong> das Mo<strong>de</strong>ll<br />

<strong>de</strong>r Fachwelt vorgestellt. Das Echo<br />

darauf war durchwegs positiv und<br />

zeigte, dass das Mo<strong>de</strong>ll gute Chancen<br />

hat, zum Standard erhoben zu wer<strong>de</strong>n.<br />

Grundlegen<strong>de</strong> Einwän<strong>de</strong> und<br />

Vorbehalte wur<strong>de</strong>n je<strong>de</strong>nfalls keine<br />

laut. Be<strong>de</strong>nken, dass die Lösung erst<br />

einem eingeschränkten Kreis von<br />

Patienten und Versicherten zur Verfügung<br />

steht, lassen sich schnell ausräumen.<br />

Denn das Nutzenmo<strong>de</strong>ll besticht<br />

durch seine Praxistauglichkeit<br />

und kann von an<strong>de</strong>ren Akteuren umgehend<br />

eingesetzt wer<strong>de</strong>n, ohne dass<br />

es dazu hochspezialisierte Experten<br />

braucht. Es han<strong>de</strong>lt sich um eine<br />

kompakte WZW-Konkretisierung,<br />

die je<strong>de</strong>r rasch und unkompliziert<br />

anwen<strong>de</strong>n kann. Zu<strong>de</strong>m lässt sich<br />

das Mo<strong>de</strong>ll bei Bedarf unter Einbezug<br />

weiterer Anspruchsgruppen<br />

weiter entwickeln.<br />

Spitäler sind als weitere<br />

Partner <strong>mit</strong>einzubeziehen<br />

Auch ein von Spitalapothekern ins<br />

Feld geführter Vorbehalt, dass die<br />

direkte Zusammenarbeit zwischen<br />

Versicherer und Pharmaunternehmen<br />

Än<strong>de</strong>rungen im Beschaffungsprozess<br />

von Spitälern bedingt, ist<br />

kein unüberwindbares Hin<strong>de</strong>rnis.<br />

Dass die Spitäler hier als weiterer<br />

Partner willkommen und einzubin<strong>de</strong>n<br />

sind, liegt auf <strong>de</strong>r Hand und<br />

wird bereits diskutiert. Klar ist jedoch<br />

auch, dass das Vertragsprinzip<br />

zwischen <strong>de</strong>m Pharmaunternehmen<br />

und <strong>de</strong>m Krankenversicherer<br />

in <strong>de</strong>n Ausnahmefällen nach KVV<br />

71 a/b unabdingbar ist und bleibt.<br />

An<strong>de</strong>rnfalls drohen langwierige<br />

Auseinan<strong>de</strong>rsetzungen über eine<br />

faire Abgeltung, was <strong>de</strong>n raschen<br />

und unkomplizierten Zugang zu <strong>de</strong>n<br />

benötigten Medikamenten gefähr<strong>de</strong>t.<br />

Zu<strong>de</strong>m lässt sich das Mo<strong>de</strong>ll bei<br />

Bedarf unter Einbezug weiterer Anspruchsgruppen<br />

weiterentwickeln.<br />

→<br />

→<br />

→<br />

→<br />

Vertrauensarzt<br />

Nutzenkategorie<br />

Übereinstimmung Einzelfall (Korrektur)<br />

A<br />

B<br />

C<br />

D<br />

Abb.2: Helsanas Nutzenmo<strong>de</strong>ll fusst auf <strong>de</strong>n Säulen Praxistauglichkeit, einheitliche Nutzenbewertung<br />

und berücksichtigt seltene, klinische Situationen.<br />

Das Fundament bil<strong>de</strong>t die evi<strong>de</strong>nzbasierte Medizin. Das Resultat – Objektivität, Transparenz und Nachprüfbarkeit<br />

– erklärt die breite Akzeptanz <strong>de</strong>s Mo<strong>de</strong>lls.<br />

Praktiker als Gestalter <strong>de</strong>s<br />

Gesundheitssystems<br />

Die Aussicht auf juristische Auseinan<strong>de</strong>rsetzungen<br />

sind einem Klima<br />

zur Entwicklung innovativer Arznei<strong>mit</strong>tel<br />

alles an<strong>de</strong>re als för<strong>de</strong>rlich.<br />

Nichts hemmt und verteuert die<br />

Entwicklung von Innovationen so<br />

sehr wie Unvorhersehbarkeit und<br />

ein unberechenbarer Marktzugang.<br />

Ganz davon abgesehen, dass <strong>de</strong>r<br />

Rechtsweg sich im Gesundheitswesen<br />

oft genug als Holzweg erweist.<br />

Die Gestaltung und Weiterentwicklung<br />

<strong>de</strong>s Gesundheitssystems sollten<br />

wir nur in Ausnahmefällen <strong>de</strong>n<br />

Richtern überlassen.<br />

Insofern zielt das Nutzen- und Partnerschaftsmo<strong>de</strong>ll<br />

weit über <strong>de</strong>n<br />

individuellen Nutzen <strong>de</strong>r daran beteiligten<br />

Parteien hinaus. Es nützt<br />

<strong>de</strong>m Gesundheitssystem insgesamt<br />

und beweist, dass die Akteure in<br />

<strong>de</strong>r Lage sind, ihre Verantwortung<br />

im Sinne einer auf die Bedürfnisse<br />

<strong>de</strong>r Kun<strong>de</strong>n ausgerichteten Versorgung<br />

wahrzunehmen. Das Beispiel<br />

sollte Ansporn sein, auf an<strong>de</strong>re<br />

wichtige Fragen rund um unser<br />

Gesundheitssystem Antworten im<br />

offenen und konstruktiven Dialog<br />

unter Praktikern zu fin<strong>de</strong>n. •<br />

Abb.1: Die Höhe <strong>de</strong>r Vergütung wird durch <strong>de</strong>n Versicherer bestimmt – basierend auf <strong>de</strong>r Einschätzung <strong>de</strong>r Studienrelevanz <strong>mit</strong>tels Scorepunkten in Kombination<br />

<strong>mit</strong> <strong>de</strong>r Fallbeurteilung durch <strong>de</strong>n Vertrauensarzt. Das Ziel ist ein angemessenes Kosten-Nutzen-Verhältnis.<br />

→<br />

→<br />

→<br />

→<br />

objektiv<br />

praxistauglich<br />

Helsana-Nutzenmo<strong>de</strong>ll<br />

Versicherer<br />

Vergütungskategorie<br />

→<br />

* Bei erfolgreichem Therapieversuch eines<br />

Medikaments <strong>de</strong>r Nutzenkategorie C vergütet <strong>de</strong>r<br />

Versicherer einen Teil <strong>de</strong>r Therapie.<br />

*<br />

transparent<br />

einheitliche<br />

Nutzenbewertung<br />

Evi<strong>de</strong>nzbasierte Medizin<br />

1 KVV 71a regelt die Kostenübernahme eines Arznei<strong>mit</strong>tels<br />

<strong>de</strong>r Spezialitätenliste (SL) ausserhalb <strong>de</strong>r<br />

genehmigten Fachinformation o<strong>de</strong>r Li<strong>mit</strong>ierung. KVV<br />

71b regelt die Übernahme <strong>de</strong>r Kosten eines nicht in<br />

die SL aufgenommenen Arznei<strong>mit</strong>tels.<br />

2 Beat Seiler et al.: Die Bestimmung <strong>de</strong>s therapeutischen<br />

Nutzens eines Medikamentes nach Art. 71 a/b<br />

<strong>de</strong>r Verordnung zur Krankenversicherung; Schriftenreihe<br />

<strong>de</strong>r Schweizer Gesellschaft <strong>für</strong> Gesundheitspolitik,<br />

Band 112.<br />

Wie weiter?<br />

nachprüfbar<br />

seltene<br />

klinische Situation<br />

Helsana hat <strong>mit</strong> seinem Nutzenmo<strong>de</strong>ll <strong>de</strong>n<br />

Bo<strong>de</strong>n <strong>für</strong> konstruktive Lösungen im Sinne<br />

<strong>de</strong>r Patienten bereitet. Die Krankenversicherer<br />

– unter massgeblicher Beteiligung<br />

Helsanas – sind momentan daran, sich<br />

unter Einbezug <strong>de</strong>r Vertrauensärzte auf ein<br />

schweizweit einheitliches Nutzenmo<strong>de</strong>ll<br />

zu verständigen. Die Lancierung ist noch in<br />

diesem Jahr geplant.

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