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Verhaltensforschung am Beispiel von Tamias sibiricus

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<strong>Verhaltensforschung</strong><br />

<strong>am</strong> <strong>Beispiel</strong> <strong>von</strong> T<strong>am</strong>ias <strong>sibiricus</strong><br />

(Streifenhörnchen)<br />

Jahresarbeit <strong>von</strong> Lukas Biesinger


Besonderer Dank gilt<br />

meinem Betreuer Herrn Bourauel,<br />

Herrn Dr. Burkhardt für Beratung in Hörnchenfragen,<br />

meiner F<strong>am</strong>ilie für ihre Unterstützung<br />

und<br />

Chip und Chap für die Mitarbeit<br />

Impressum:<br />

<strong>Verhaltensforschung</strong> <strong>am</strong> <strong>Beispiel</strong> <strong>von</strong> T<strong>am</strong>ias <strong>sibiricus</strong> (Streifenhörnchen)<br />

Eine Jahresarbeit <strong>von</strong> Lukas Biesinger<br />

1.Ausgabe erschienen im LB-Verlag Heidenheim Januar 2006<br />

Auflage: 2 Stück<br />

1


Inhalt<br />

Einleitung in die Jahresarbeit Seite 3<br />

I Die Verhaltensbiologie (Einleitung) Seite 4<br />

I.1 Reize Seite 5<br />

I.2 Das Ethogr<strong>am</strong>m Seite 8<br />

I.3 Motivation Seite 10<br />

I.4 Lernen Seite 13<br />

I.5 Ethologie Seite 17<br />

I.6 Behaviorismus Seite 18<br />

I.7 Gegenüberstellung Seite 18<br />

I.8 Soziobiologie Seite 20<br />

II.1 Streifenhörnchen Seite 22<br />

II.2 Der Käfigbau Seite 24<br />

II.3 Verhaltensbeobachtungen Seite 26<br />

II.4 Die Skinner-Box Seite 29<br />

II.5 Das Experiment Seite 31<br />

Schluss Seite 36<br />

Literaturliste Seite 37<br />

2


Einleitung<br />

Für mich war schon immer klar, dass meine Jahresarbeit in den naturwissenschaftlichen<br />

Bereich gehen würde und so habe ich schließlich das Thema Lernverhalten gewählt.<br />

Anfänglich stand das Lernen im Mittelpunkt, mit der Option es in Richtung Neurobiologie<br />

oder Lernpädagogik auszuweiten. Im Laufe der Arbeit hat sich der Schwerpunkt dann aber<br />

sehr schnell auf das Verhalten umgelagert, sodass ich letztendlich eine Jahresarbeit über<br />

die Verhaltensbiologie geschrieben habe.<br />

Mein praktischer Teil besteht zum einen aus Verhaltensbeobachtungen an meinen<br />

Streifenhörnchen, zum anderen habe ich Lernexperimente mit den Hörnchen durchgeführt.<br />

Ich habe versucht, den Hörnchen beizubringen, auf einen Knopf zu drücken um Futter zu<br />

erhalten.<br />

In meinem theoretischen Teil habe ich mich d<strong>am</strong>it befasst, was Verhalten ist, wozu es dient<br />

und versucht darzustellen, wie Verhalten funktioniert. Dabei bin ich auch auf die<br />

verschiedenen Richtungen innerhalb der Verhaltensbiologie eingegangen, zumindest auf<br />

die, die mir <strong>am</strong> wichtigsten erschienen.<br />

Die eigentlich wichtigste Frage auf die ich während meiner Arbeit gestoßen bin, nämlich<br />

ob, und wenn ja woran sich der Mensch vom Tier unterscheidet, kann ich leider nicht<br />

beantworten. Der aufrechte Gang ist es nicht, auch nicht die Größe unseres Gehirns.<br />

Wissenschaftlich gesehen ist der Mensch nur ein Tier, das es soweit gebracht hat, dass es<br />

seinen Vorfahren und Verwandten lateinische N<strong>am</strong>en geben kann; aus religiöser Sicht<br />

grenzt sich der Mensch durch sein Bewusstsein, seinen freien Willen klar vom Tier ab.<br />

Und irgendwo dazwischen liegt die Wahrheit.<br />

Eigentlich funktioniert der Mensch genau wie ein Tier, er hat dieselben Mechanismen im<br />

Gehirn, er reagiert auf Reize, es fragt sich also wie groß der Anteil des Bewusstseins an<br />

unserem Verhalten ist, und wie viel immer noch <strong>von</strong> Instinkten gesteuert wird.<br />

Ich habe diese Frage schriftlich nicht weiter ausgeführt, da sie letztendlich kein Ergebnis<br />

hätte, aber ich habe mich ausgiebig mit ihr beschäftigt und gelegentlich bewusst auf all die<br />

kleinen Dinge geachtet, die man normalerweise unterbewusst tut. Ich kann nur raten, das<br />

selbst auszuprobieren und den K<strong>am</strong>pf zwischen Bewusstsein und Instinkt oder auch<br />

Reflexen bewusst auszutragen und mitzuerleben.<br />

3


I Die Verhaltensbiologie<br />

Die Verhaltensbiologie beschäftigt sich mit dem Beobachten und Ergründen verschiedenster<br />

Verhaltensweisen <strong>von</strong> Tieren und, bis zu einem gewissen Maß, sogar Pflanzen. Neben den drei<br />

primären Fragen WAS, WIE und WOZU etwas getan wird, achtet die Verhaltensbiologie<br />

auch auf die äußeren Einflüsse (Reize) auf die beobachteten Tiere, da die meisten<br />

Verhaltensweisen erst durch sie ausgelöst werden.<br />

Nicht immer lässt sich Verhalten klar eingrenzen. Wachsen und Altern sind keine<br />

Verhaltensweisen, Vorgänge wie Atmung und Kreislauf gehören eigentlich auch nicht<br />

zum Verhalten, können aber durch Änderungen Einfluss auf das Verhalten nehmen und<br />

umgekehrt.<br />

Seit es den Menschen gibt, hat er Tiere beobachtet, und sei es auch nur aus solch niederen<br />

Beweggründen, wie um sie zu jagen und zu essen.<br />

Eine wissenschaftliche Verhaltensbeobachtung im heutigen Sinne entstand erst, als Charles<br />

Darwin (1849-1882) den Gedanken äußerte, dass Verhaltensweisen, ebenso wie die<br />

Physiognomie eines Tiers, auf einer evolutionären Entwicklung beruhen könnten.<br />

In der Veraltensforschung gibt es seit jeher unterschiedliche Schulen, grundsätzlich sind<br />

diese in Vitalisten und Mechanisten einzuteilen.<br />

Die Vitalisten gehen alle <strong>von</strong> Instinkt oder etwas ähnlichem aus, während die<br />

Mechanisten das Gehirn als sogenannte Blackbox betrachten, in der eine reine Reiz-<br />

Reaktions-Beantwortung stattfindet.<br />

Da ich nicht alle Zweige der Verhaltensbiologie behandeln kann, und sie sich ohnehin oft<br />

nur in Kleinigkeiten unterscheiden, werde ich die meiner Meinung nach bedeutendsten,<br />

nämlich Ethologie, Behaviorismus und die Soziobiologie später noch genauer behandeln.<br />

Ethologie und Behaviorismus haben sich im vergangenen Jahrhundert zu den<br />

dominierenden Schulen der Verhaltensbiologie entwickelt. Sie unterscheiden sich allein<br />

schon in ihren Arbeitsmethoden. Bei der Beobachtung <strong>von</strong> Tieren beispielsweise hat man<br />

zweierlei Möglichkeiten: den Feldversuch (Freilandbeobachtung) und das<br />

Laborexperiment. Bei Feldversuchen im natürlichen Lebensraum eines Tieres kann man<br />

hauptsächlich Informationen über die natürlichen Lebensweisen wie z.B. das Jagd- oder<br />

Sozialverhalten s<strong>am</strong>meln. Die Versuche mit Labortieren dagegen geben meistens<br />

4


Aufschluss über Fähigkeiten wie z.B. die Sinneswahrnehmung oder das Lernverhalten eines<br />

Tieres.<br />

Die Soziobiologie hat sich in den letzten dreißig Jahren entwickelt und erforscht das soziale<br />

Verhalten <strong>von</strong> Tieren, besonders in Gruppen.<br />

Für die moderne <strong>Verhaltensforschung</strong> stehen nicht mehr die Tiere als solche, sondern entweder<br />

einzelne Teilbereiche wie z.B. das Nervensystem, oder gleich ganze Populationen einer Art im<br />

Mittelpunkt des Interesses.<br />

[1-11;14-19] 1<br />

I.1 Reize<br />

... sind Signale der Umwelt, die Verhaltensänderungen auslösen<br />

Um angemessen auf Veränderungen innerhalb ihrer Umwelt reagieren zu können, müssen<br />

Organismen in der Lage sein, die Signale (Reize) ihrer Umwelt wahrzunehmen.<br />

Dafür besitzt jede Art verschiedene Sinnesorgane, und je nach deren Beschaffenheit nimmt<br />

sie einen bestimmten Ausschnitt der Realität wahr. Die Fähigkeiten und die Leistung der<br />

Sinnesorgane sind den Lebensweisen der verschiedenen Arten angepasst. Fledermäuse, die<br />

bei Nacht jagen, haben ein geringes Sehvermögen und stattdessen ein Sinnesorgan, um<br />

mittels Ultraschallwellen zu „sehen“. Zugvögel orientieren sich anhand des<br />

Erdmagnetfeldes und manche Schlangenarten sind mit hochsensiblen Infrarotaugen<br />

ausgestattet, mit welchen sie in der Lage sind, Temperaturunterschiede <strong>von</strong> bis zu 0,005°C<br />

wahrzunehmen, und so ihre warmblütigen Beutetiere aufspüren. [1]<br />

Von allen Informationen, die unsere Sinnesorgane, die peripheren Filter, aufnehmen,<br />

nimmt das Gehirn, der zentrale Filter, nochmals eine Reizfilterung vor, um nur auf die<br />

momentan relevanten Reize zu antworten.<br />

Organismen reagieren also nicht zwingend auf alle Reize, die sie wahrnehmen können.<br />

1 Literaturverweis<br />

5


Eine Henne kümmert sich nicht um ein Küken unter einer Glasglocke, das sie zwar<br />

sieht, aber nicht piepsen hört; dagegen reagiert sie auf ein Küken hinter einer<br />

Holzwand, das sie nicht sieht, aber hört. D.h. der Mutterinstinkt einer Henne wird<br />

ausschließlich durch akustische, nicht aber durch optische Reize ausgelöst. [1;2]<br />

Also besteht ein Unterschied zwischen den wahrgenommenen Reizen, und den<br />

reaktionsauslösenden Reizen, den Schlüsselreizen.<br />

Schlüsselreize sind meistens sehr einfache, einprägs<strong>am</strong>e, aber vor allen Dingen eindeutige<br />

und unverwechselbare Merkmale.<br />

Mit Hilfe <strong>von</strong> Attrappen (künstlichen Reizquellen) lässt sich feststellen, welche Reize<br />

Schlüsselreize sind:<br />

Rotkehlchenmännchen verteidigen ihr Revier gegen Rivalen, welche sie<br />

ausschließlich an deren rotem Brustgefieder erkennen. Das rote Gefieder ist also<br />

der Schlüsselreiz für den Angriff: ein rotes Federbüschel an einem Stab wird<br />

attackiert, während eine naturgetreue Rotkehlchenattrappe ohne das Brustgefieder<br />

völlig ignoriert wird. [1]<br />

Meistens werden stärkere Schlüsselreize auch mit einer stärkeren Reaktion beantwortet.<br />

Junge Silbermöwen picken, um gefüttert zu werden, nach dem Schnabel ihrer<br />

Mutter, den sie an einem weißen Fleck erkennen. Wenn man diesen Reiz nun<br />

übersteigert und den Küken einen roten Bleistift mit drei weißen Streifen anbietet,<br />

so zeigen sie eine stärkere Reaktion als auf ein naturgetreues Schnabelmodell mit<br />

nur einem Punkt. Ein Punkt in einer anderen Farbe ist immer noch attraktiver als<br />

eine Attrappe ohne Punkt. [1;2;7]<br />

Schlüsselreize, die der Verständigung unter Artgenossen dienen, nennt man Auslöser. Sie<br />

sind oft <strong>von</strong> beidseitigem Interesse, was bei Schlüsselreizen zwischen zwei verschiedenen<br />

Arten meist nicht der Fall ist, denn es liegt nicht im Interesse einer Maus, das<br />

Jagdverhalten einer Katze auszulösen.<br />

Nach neueren Erkenntnissen ist das praktische Konzept des einfachen Schlüsselreizes nicht<br />

immer gültig, sondern Verhaltensweisen sind oftmals <strong>von</strong> komplexen<br />

6


Zus<strong>am</strong>menhangsketten abhängig.<br />

Leuchtend gefärbte Stichlingsmännchen haben meistens mehr Eier in ihren Nestern<br />

als blassere Artgenossen. Das liegt aber nicht daran, dass die leuchtende Färbung<br />

als Schlüsselreiz dient und Weibchen anlockt, sondern die Weibchen legen ihre<br />

Eier bevorzugt in größere und sicherere Nester, die <strong>von</strong> den bunteren und d<strong>am</strong>it<br />

dominanten Männchen besetzt werden. [1;7;8]<br />

Wie die <strong>Beispiel</strong>e des Rotkehlchens und der Silbermöwen zeigen, sind Schlüsselreize<br />

leicht zu kopieren. Das macht es den „Trickbetrügern“ im Tier- und Pflanzenreich so<br />

einfach. Viele Tiere und Pflanzen ahmen Schlüsselreize anderer Arten zu ihrem Vorteil<br />

nach. Dieses Phänomen nennt man Mimikry.<br />

Oft dient die Mimikry zum eigenen Schutz, wie bei Schwebfliegen, die aussehen wie<br />

gefährliche Wespen, oder harmlose Schlangen, welche die bunten Warnfarben giftiger<br />

Schlangen annehmen.<br />

Auch der Kuckuck, der als Brutparasit die Jungen seines Wirtes nachahmt oder die<br />

Hummelorchidee, deren Blüte einer Hummel täuschend ähnlich sieht und den<br />

Sexuallockstoff eines Hummelweibchens absondert, sodass sie <strong>von</strong> Männchen, die ein<br />

vermeintliches Weibchen begatten, bestäubt wird, machen sich die Mimikry zu Nutze.<br />

[1;2;3;5;6;7;8;9]<br />

I.1.1 Auslösemechanismen<br />

... erkennen Schlüsselreize und lösen die entsprechende Reaktion aus<br />

Ein Reiz alleine kann keine Reaktion auslösen, erst zus<strong>am</strong>men mit einem<br />

Auslösemechanismus (AM) werden Schlüsselreize erkannt und weitergeleitet. Der AM ist<br />

ein Teil des zentralen Nervensystems, das die Schlüsselreize aus der permanenten Flut an<br />

Reizen filtert. Für jeden Schlüsselreiz existiert ein eigener AM, der ausschließlich <strong>von</strong> dem<br />

korrekten Reiz angesprochen werden kann und eine Reaktion auslöst. Schlüsselreiz und<br />

AM sind ein Erkennungssystem, die genaue Funktionsweise des AM ist allerdings noch<br />

weitestgehend unbekannt. Natürlich können die meisten Reaktionen <strong>von</strong> verschiedenen<br />

Erkennungssystemen ausgelöst werden, das bietet eine Absicherung für den Fall, dass ein<br />

Schlüsselreiz oder AM ausfallen sollte.<br />

7


Austernfischer holen aus dem Nest gefallene Eier wieder zurück. Um die Eier<br />

wiederzuerkennen, achten sie auf Größe, Farbe und Fleckung. Hierbei ist die Größe<br />

wohl der primäre Schlüsselreiz, denn der Austernfischer holt eine riesige<br />

Eiattrappe, die er kaum noch bebrüten kann, zuerst ins Nest zurück, auch wenn<br />

Farbe und Fleckung nicht stimmen. Bei Eiattrappen in richtiger Größe reicht die<br />

richtige Fleckung aus, um die falsche Farbe auszugleichen. Die größte Wirkung<br />

erzielte jedoch eine authentische Attrappe, die alle drei Schlüsselreize in sich<br />

vereinte und so ein verstärktes Rückholverhalten auslöste. [1;8]<br />

Die Auslösemechanismen werden in drei Kategorien eingeteilt. Die angeborenen<br />

Auslösemechanismen (AAM), den erlernten Auslösemechanismus (EAM) und den durch<br />

Erfahrung abgeänderten Auslösemechanismus (EAAM).<br />

Das bedeutet, Tieren können verschiedenste Verhaltensprogr<strong>am</strong>me <strong>von</strong> Geburt an zur<br />

Verfügung stehen, im Laufe des Lebens können sie weitere erlernen, und alle den<br />

Umständen anpassen. (siehe unten I.4 Lernen)<br />

[1;2;3;5;6;7;8;9]<br />

I.2 Das Ethogr<strong>am</strong>m<br />

Das Ethogr<strong>am</strong>m, so nennt man das Inventar an verschiedenen Verhaltensmustern, die<br />

einem bestimmten Tier zur Verfügung stehen, ist <strong>von</strong> Art zu Art sehr unterschiedlich.<br />

Wenn man eine Tierart erforscht, müssen sämtliche Verhaltensweisen benannt und<br />

katalogisiert werden. Um einen besseren Überblick zu erhalten, teilt man sie dann in<br />

sogenannte Funktionskreise wie beispielsweise Nahrungsaufnahme, Sozialverhalten etc.<br />

ein.<br />

Jede Tierart verfügt über eine bestimmte Anzahl an angeborenen Verhaltensweisen. Bei<br />

Säugetieren und Vögeln dürfte sich diese auf weit über 1000 belaufen. Die meisten<br />

Verhaltensweisen bestehen aus vielen kleinen Bewegungsmustern, die alle nacheinander<br />

ablaufen.<br />

8


Die Verhaltensweisen lassen sich in vier verschiedene Gruppen einteilen, allerdings sind<br />

diese nicht klar gegeneinander abgegrenzt:<br />

1) Reflexe sind eine einfache Möglichkeit auf einen Reiz zu reagieren. Sie sind<br />

immer exakt gleichförmig in ihrem Ablauf und in der Regel beliebig oft zu wiederholen.<br />

Außerdem sind sie unwillkürlich, sprich: wir können sie bewusst weder steuern noch<br />

unterdrücken.<br />

Angeborene Reflexe, die ein Tier nicht erst lernen muss, nennen wir unbedingte Reflexe,<br />

andere, die im Lauf des Lebens erlernt werden, bedingte Reflexe.<br />

Eine Kröte wendet sich <strong>von</strong> großen „Feindobjekten“ ab, zu kleinen, insbesondere<br />

fliegenden „Beuteobjekten“ wendet sie sich hin (unbedingter Reflex). Wenn die<br />

Kröte nun statt einer Fliege eine Wespe fängt und <strong>von</strong> dieser gestochen wird,<br />

wendet sie sich in Zukunft <strong>von</strong> gestreiften Beuteobjekten ab (bedingter Reflex),<br />

eine Fliege wird sie aber weiterhin fangen. [1]<br />

Oft dienen die Reflexe zum Schutz eines Individuums vor Schaden, wie z.B. der Schluck-,<br />

oder Hustreflex.<br />

Die Reflexkettentheorie erklärt auch komplexere Verhaltensabläufe mit Reflexen, die in<br />

einer Kette alle nacheinander ablaufen.<br />

2) Automatismen werden allein durch den inneren Antrieb ausgelöst. Das Herz,<br />

und teilweise auch das Gehirn, sind eine Art <strong>von</strong> Automatismen, da sie ständig <strong>von</strong> sich<br />

aus aktiv sind und die Reize, die sie benötigen (z.B. elektr. Impulse des Herzen), selbst<br />

erzeugen. Automatismen und Reflexe gehen fließend ineinander über und ergänzen sich.<br />

3) Erbkoordinationen sind Reflexe und Automatismen in einem. Um sie<br />

auszulösen ist meistens ein innerer Antrieb (nicht nötig für Reflexe) und ein Reiz (nicht<br />

nötig bei Automatismen) erforderlich. Oft kann dieser Reflex aber auch bewusst gesucht<br />

und herbeigeführt werden.<br />

Typisch für die Erbkoordinationen sind extrem komplizierte Bewegungsabläufe.<br />

9


4) Taxien dienen der räumlichen Orientierung. Sie sind im Prinzip vergleichbar mit<br />

einer Art <strong>von</strong> Reiz-Reflex Reaktion, die es dem Organismus ermöglicht, sich räumlich zu<br />

orientieren und in bestimmte Richtungen auszurichten. Es gibt mehrere Arten <strong>von</strong> Taxien,<br />

die alle auf verschiedene Reize reagieren. Phototaxis (auf Licht), Chemotaxis (auf<br />

chemische Reize), Geotaxis (auf Schwerkraft), Thermotaxis (auf Wärme), Thigmotaxis<br />

(auf Berührungsreize) und Elektrotaxis (auf elektromagnetische Felder). Taxien können<br />

positiv (zum Reiz hin) und negativ sein.<br />

Taxien sind noch grundlegender als Reflexe und werden selbst <strong>von</strong> manchen Einzellern<br />

genutzt. Vorraussetzung dafür ist allerdings, die Orientierungsreize auch wahrzunehmen,<br />

also über ein Sinnesorgan bzw. als Einzeller über ein anderes Wahrnehmungsinstrument zu<br />

verfügen.<br />

Das Augentierchen Euglena hat die Fähigkeit, sich nach dem Licht auszurichten. In<br />

einer rundum verkleideten Petrischale, in die nur an wenigen Stellen Licht tritt,<br />

vers<strong>am</strong>meln sich alle Augentierchen an diesen Stellen, es verhält sich also positiv<br />

phototaktisch. [2]<br />

Das Pantoffeltierchen dagegen reagiert auf chemische Reize. Wenn man einen<br />

Tropfen 0,05%ige Essigsäure in Wasser gibt, bilden sich um den Säuretropfen<br />

mehrere ringförmige Bereiche mit unterschiedlichem pH-Wert. Das<br />

Pantoffeltierchen bewegt sich nun gezielt in seinem pH-Optimum, d.h. in einem für<br />

es angenehmen, leicht sauren Milieu. Es verhält sich also positiv chemotaktisch. [2]<br />

[1;2;3;5;6;7;8;9]<br />

I.3 Motivation<br />

...ist der Antrieb des Verhaltens<br />

Die Handlungsbereitschaft, der innere Antrieb eines Tiers, ist nicht immer gleich stark und<br />

passt sich den aktuellen Bedürfnissen an, sodass Reize nur dann beantwortet werden, wenn<br />

die Reaktion dem Tier einen Vorteil bringt. Für jeden Reiz gibt es einen eigenen Antrieb,<br />

so kann jeder Reiz einzeln beantwortet oder eben nicht beantwortet werden.<br />

Bei einem Jagdhund beispielsweise haben Jagen und Fressen nichts miteinander zu<br />

tun. Der Hund ist, auch wenn er satt ist, bereit zu jagen.<br />

10


Die Motivation legt auch die Reihenfolge bzw. die Dringlichkeit und Wichtigkeit <strong>von</strong><br />

Handlungen fest.<br />

Je nachdem, ob Hunger oder Durst größer ist, wird zuerst gegessen oder getrunken.<br />

Nikolaas Tinbergen stellte anhand der Fortpflanzungen <strong>von</strong> Stichlingen das Prinzip für das<br />

höchstumstrittene „hierarchische Instinktmodell“ [5] auf. Das Modell soll zeigen, dass<br />

Instinkte in mehreren Stufen über- und untergeordnet sind. Die übergeordneten<br />

ermöglichen erst die untergeordneten, alle gleichgestellten schließen sich gegenseitig aus.<br />

Hormone<br />

1<br />

11<br />

2<br />

Wandern<br />

Revier<br />

3 3 3 3<br />

K<strong>am</strong>pf Nisten Balz Brutpflege<br />

4 4 4<br />

Imponieren Beißen Verfolgen<br />

Im Frühling wird durch zunehmende<br />

Tageslänge und steigende<br />

Wassertemperatur bei den<br />

Stichlingsmännchen verstärkt das<br />

Hormon Testosteron gebildet. Das regt<br />

den Wandertrieb der Männchen an.<br />

Danach suchen sie ein Revier und sind<br />

dann bereit, auf Reize für K<strong>am</strong>pf, Nisten,<br />

Balz und Brutpflege zu reagieren. Bei<br />

einem k<strong>am</strong>pfbereiten Tier kann nun je<br />

nach Schlüsselreiz Imponieren, Beißen<br />

oder Verfolgen ausgelöst werden. [1;5;7]<br />

Abb.1: hierarchisches Instinktmodell nach Tinbergen [1]<br />

Dieses Modell besitzt keinerlei universelle Gültigkeit und darf höchstens als eine<br />

Arbeitshypothese betrachtet werden. Außerdem ist es keinesfalls erwiesen, manche halten<br />

es sogar für widerlegt.<br />

Mehrzweckbewegungen können <strong>von</strong> unterschiedlichen Reizen und Motivationen zu<br />

unterschiedlichen Zwecken ausgelöst werden. Bei Fischen beispielsweise können<br />

Schwimmen und Beißen zum K<strong>am</strong>pf, zum Fressen und zum Nestbau angewendet werden.<br />

11


Motivationszentren im Gehirn ausfindig zu machen, ist mit Reizung durch Strom oder<br />

Neurotransmittern wie Acetylcollin möglich.<br />

Bei einem Huhn hat die elektrische Reizung eines Gehirnareals kaum eine<br />

Wirkung. Zeigt man dem Huhn während der Reizung allerdings einen<br />

ausgestopften Iltis, auf den es ohne Reizung wenig Reaktion gezeigt hat, wird ein<br />

Angriff, bzw. nachdem dieser erfolglos bleibt (der ausgestopfte Iltis kann ja nicht<br />

weglaufen) eine Flucht ausgelöst. Es handelt sich also um das Motivationszentrum<br />

für Bodenfeindverhalten, das, je nach Reizsituation, Angriff oder Flucht<br />

ermöglicht. [1;7]<br />

Bei Hunden liegt im Boden des Zwischenhirns, im Hypothal<strong>am</strong>us, das<br />

Durstzentrum. Wenn dieses stark gereizt wird führt das zu übermäßigem Trinken<br />

des Hundes, wird es zerstört, trinkt der Hund überhaupt nicht mehr. [1;7]<br />

Oft kann eine Motivation aber auch für mehrere Funktionskreise <strong>von</strong> Verhaltensweisen<br />

<strong>von</strong> Bedeutung sein. Wenn eine Katze motiviert ist zu jagen, steigt Motivation für alle<br />

Verhaltensweisen, die mit der Jagd zu tun haben, und diese können dann sehr leicht<br />

ausgelöst werden. Je höher eine Motivation ist, desto geringer muss der Reiz sein.<br />

Bei manchen Instinkthandlungen, die lange Zeit nicht durch den passenden Schlüsselreiz<br />

ausgelöst wurden, sinkt die Reizschwelle so weit, dass sehr schwache oder selbst<br />

unadäquate Reize das Verhalten auslösen können. Man nennt das eine Handlung <strong>am</strong><br />

Ersatzobjekt.<br />

Kreuzungen zwischen nah verwandten Tierarten (Pferd und Zebra, Löwe und<br />

Tiger) werden meistens durch ein Ausbleiben der adäquaten Reizsituation<br />

(Anwesenheit eines Partners der eigenen Art) und dadurch einer erhöhten<br />

Paarungsbereitschaft erreicht. [1]<br />

Wenn Schlüsselreize zu lange ausbleiben, kann der innere Antrieb Verhaltensweisen<br />

ungereizt als sogenannte Leerlaufhandlungen aktivieren. Diese Leerlaufhandlungen<br />

laufen in ihrem Bewegungsablauf exakt wie in Wirklichkeit ab.<br />

Webervögel vollführen im Käfig, auch ohne Nistmaterial, die Bewegungen des<br />

Flechtens und Knüpfens beim Nestbau; Katzen geben gelegentlich einer<br />

nichtvorhandenen Maus oder einem Vogel den Tötungsbiss. [1]<br />

12


Wenn die Motivation mitten in einem Vorgang nachlässt oder <strong>von</strong> einer anderen<br />

Motivation übertroffen wird, kommt es zu Intensionsbewegungen. D.h.<br />

Verhaltensweisen, die nur ansatzweise ausgeführt und dann plötzlich abgebrochen werden.<br />

Vögel beispielsweise picken häufig nach Nestmaterial, halten es dann aber nicht mit dem<br />

Schnabel fest, oder sie gehen in die Knie und strecken sich zum Absprung wie zum<br />

Abflug, fliegen dann aber doch nicht los.<br />

[1;2;3;5;6;7;8;9]<br />

I.4 Lernen<br />

... ist eine Anpassung des Verhaltens zur Verbesserung zukünftiger<br />

Auseinandersetzungen mit der Natur<br />

Für den Verhaltensbiologen ist Lernen nicht das Aneignen <strong>von</strong> Wissen, sondern eine<br />

Änderung des Verhaltensrepertoires eines Tieres. Es werden die auslösenden Reize, die<br />

ausgelöste Reaktion oder die Verbindung <strong>von</strong> einem Reiz zu einer Antwort geändert.<br />

Um zweifelsfrei <strong>von</strong> einem Lernvorgang zu sprechen muss man ausschließen, dass sich<br />

das Verhalten nicht aufgrund einer Krankheit, Alterung/Reifung, einem Wechsel der<br />

Handlungsbereitschaft, oder Ermüdung etc. ändert.<br />

Durch Lernen kann sich ein Individuum an eine veränderte Umwelt anpassen.<br />

Die Fähigkeit zu lernen ist sehr wichtig, dennoch sind die meisten Lernvorgänge<br />

umkehrbar: d.h. es ist sogar möglich wieder zu vergessen.<br />

Bis zum heutigen Tag gibt es keine einheitlich akzeptierte Lerntheorie, man hat sich nur<br />

auf folgende grobe und bei weitem nicht endgültige Einteilung in verschiedene Lerntypen<br />

einigen können:<br />

1. Die Gewöhnung oder Habitution löst die Verbindung <strong>von</strong> Reiz und Reaktion,<br />

sodass nicht mehr reagiert wird.<br />

2. Das verknüpfende oder assoziative Lernen stellt eine neue Verbindung zwischen<br />

einem oder mehreren Reizen und einer Reaktion her. Dazu gehört auch die<br />

13


Konditionierung.<br />

3. Beim Lernen durch Nachahmung lernt ein Tier aus der Beobachtung eines<br />

anderen.<br />

4. Lernen durch Einsicht (kognitives Lernen) nennt man eine plötzliche<br />

Neuverknüpfung aufgrund <strong>von</strong> vorangegangenen Erfahrungen (neukombiniertes<br />

Verhalten).<br />

5. Bei der Prägung werden in kürzester Zeit Lücken in einem fertigen<br />

Verhaltensprogr<strong>am</strong>m unumkehrbar ausgefüllt.<br />

Selbstverständlich schließen sich diese Lerntypen nicht gegenseitig aus und arbeiten<br />

oftmals Hand in Hand.<br />

Für alle diese Lerntypen gilt grundsätzlich der Unterschied zwischen obligatorischem und<br />

fakultativem Lernen.<br />

Das obligatorische Lernen ist ein Muss um artspezifische Verhaltensweisen erst zu<br />

ermöglichen ( ein Vogel muss sich während der Brutzeit die Lage seines Nestes merken;<br />

ein Mensch muss seine Muttersprache lernen, um überhaupt kommunizieren zu können).<br />

Das fakultative Lernen ermöglicht nun, sich besser an die Umwelt anzupassen. (Es ist ein<br />

Vorteil für eine Kröte schwarz-gelb geringelte Objekte aus dem Beuteschema<br />

auszuschließen; ein Mensch kann eine Fremdsprache lernen, um seine Möglichkeiten zu<br />

erweitern).<br />

I.4.1 Gewöhnung<br />

Die Habitution ist ein simpler Lernvorgang, allerdings erweitert sie unser<br />

Verhaltensrepertoire nicht, sondern eliminiert unnötige Verhaltensweisen. Wir lernen,<br />

gewisse Reize nicht mehr zu beantworten, weil wir die Erfahrung gemacht haben, dass die<br />

Reaktion unnötig ist. Das Unterlassen einer Reaktion hat in diesem Fall nichts mit einer<br />

Ermüdung zu tun, sondern vielmehr mit einer Veränderung des Auslösemechanismus. Ein<br />

anderer Reiz kann dieselbe Reaktion wieder voll auslösen. Wenn der entsprechende Reiz<br />

lange genug ausbleibt, stellt sich die Reaktionsbereitschaft wieder ein (Dishabitution).<br />

Jeder Gartenfreund weiß, dass eine Vogelscheuche oder sogar Schreckschüsse ihren Effekt<br />

verlieren, wenn sich die Vögel erst einmal an sie gewöhnt haben.<br />

14


Junge Buchfinken beginnen zu sperren, wenn sie den Fütterungsruf ihrer Eltern<br />

hören, aber auch bei einer Erschütterung des Nests. Wenn man das Sperren nun<br />

mehrmals durch eine Erschütterung ausgelöst hat, reagieren die Jungen nicht mehr.<br />

Ein Lockruf der Eltern löst aber nach wie vor ein Sperren aus.<br />

Genauso gewöhnen sich junge Truthühner an die Flugsilhouetten ihrer Eltern und<br />

anderer harmloser Flugvögel wie Enten und Gänse, während sie ihr Leben lang bei<br />

einer Raubvogelsilhouette Deckung suchen werden. [1;2]<br />

I.4.2 Assoziatives Lernen<br />

Beim verknüpfenden Lernen erweitern wir unsere Verhaltensmöglichkeiten. Es werden<br />

zwar weder neue Reize, noch Reaktionen zum Repertoire hinzugefügt, aber bereits<br />

vorhandene Reize und Reaktionen werden neu miteinander verknüpft. Zum assoziativen<br />

Lernen gehören auch die klassische und die Operante Konditionierung.<br />

Die klassische Konditionierung verknüpft bereits bestehende Reize und Reaktionen,<br />

die bislang nichts miteinander zu tun hatten. Sie lässt sich gut anhand des menschlichen<br />

Lidschlussreflexes erklären.<br />

Wenn man jemandem mit einem Trinkhalm ins Auge pustet, schließt sich das Augenlid<br />

reflexartig, der Luftzug ist also ein unbedingter Reiz. Auf einen Pfeifton hin schließt sich<br />

das Augenlid nicht, der Ton ist also in diesem Zus<strong>am</strong>menhang ein neutraler Reiz. Wenn<br />

man nun mehrmals den Pfeifton und den Luftstrom aufeinander folgen lässt, wird der<br />

akustische Reiz auch mit der Lidschlussreaktion verknüpft und somit zu einem bedingten<br />

Reiz. D.h. jetzt wird auch auf einen Pfeifton hin das Augenlid geschlossen. Natürlich hält<br />

diese Verknüpfung nicht sehr lange an.<br />

Ein weiteres <strong>Beispiel</strong> ist Pawlows Konditionierung an Hunden. Bei Hunden vermehrt sich<br />

der Speichelfluss kurz vor dem Fressen enorm. Pawlow läutete jedes Mal direkt vor dem<br />

Fressen mit einem Glöckchen. Nach einiger Zeit steigerte sich die Speichelproduktion des<br />

Hundes allein auf das Läuten hin, auch wenn kein Fressen in Sicht war. [18]<br />

Die Operante Konditionierung geht anders vor: hier wird eine Verbindung <strong>von</strong><br />

Aktion und Reaktion hergestellt. Das lernt ein Tier durch zufällige Versuche, Irrtum,<br />

Erfolg und Belohnung. Solche Konditionierungen werden meistens mit einer Skinner-Box<br />

(siehe unten) oder einem Labyrinth durchgeführt. Die Tiere müssen erst einen Knopf<br />

betätigen oder das Labyrinth durchlaufen, bevor sie eine Belohnung erhalten. Es wird also<br />

15


eine Bereitschaft vorausgesetzt, die bei Erfolg durch eine Belohnung gesteigert wird. [16]<br />

I.4.3 Lernen durch Nachahmung<br />

Ein Großteil der Verhaltensweisen die nicht angeboren sind, wird durch Nachahmung<br />

erlernt, hauptsächlich während die Jungen noch <strong>von</strong> ihren Eltern abhängig sind. Es ist aber<br />

ein ganzes Leben lang möglich, <strong>von</strong> Artgenossen, aber auch anderen Arten abzuschauen.<br />

Kraken sind relativ intelligente Tiere. Ein Tier braucht einige Versuche, um<br />

herauszufinden, wie sich eine speziell präparierte Kiste öffnen lässt. Wenn das nun<br />

auf Anhieb gelingt, muss eine andere Krake nur einmal zusehen, um die Kiste<br />

ebenfalls beim ersten Versuch öffnen zu können.<br />

I.4.4 Kognitives Lernen<br />

Im Vergleich zu den anderen Lerntypen ist das kognitive Lernen nicht auf den Augenblick<br />

des Geschehens beschränkt. Das heißt, Tiere können im Nachhinein Situationen in ihrer<br />

Vorstellung analysieren und durch Einsicht lernen. E.C. Tolman (1886-1959) war der<br />

Meinung, dass die Versuchstiere keine „Reiz-Reaktions-Maschinen“ sind, sondern in ihren<br />

Gehirnen kognitive Zwischenprozesse ablaufen. Zwischen Reiz und Reaktion wird also<br />

gedacht. Tolman behauptete sogar, dass Tiere das Verhältnis zwischen Reiz und Reaktion,<br />

zwischen Mittel und Zweck, abwägen würden. [1]<br />

Kognitives Lernen zeigt sich deutlich in den Schimpansen-Versuchen <strong>von</strong> W. Köhler, der<br />

den Schimpansen mehrere Kisten in den Käfig stellte und in unerreichbarer Höhe an der<br />

Decke eine Banane befestigte. Als der Schimpanse bemerkt hatte, dass er die Banane nicht<br />

erreichen konnte, ließ er da<strong>von</strong> ab, setzte sich hin und betrachtete die Situation. Plötzlich<br />

sprang er auf, stapelte die Kisten aufeinander und holte sich die Banane. Als statt der<br />

Kisten Stöcke zur Verfügung standen, steckte der Schimpanse mehrere Stöcke ineinander<br />

und erreichte so die Banane. [1;2;7;8]<br />

I.4.5 Prägung<br />

Prägung findet hauptsächlich im frühen Kindesalter statt. Kinder prägen sich ihre Eltern<br />

ein, dabei werden in ein bereits vollständig bestehendes Verhaltensprogr<strong>am</strong>m nur noch die<br />

entsprechenden Merkmale der Eltern (Aussehen, Geruch) eingefügt. Aber auch die Eltern<br />

prägen sich ihre Kinder ein. Besonders eindeutig muss diese Prägung bei Rudel und<br />

Herdentieren sein. Eine Zebr<strong>am</strong>utter kann aus einer riesigen Herde gestreifter Verwandter<br />

16


problemlos ihr Fohlen finden, ein Mensch hätte schon Schwierigkeiten, sein Baby <strong>von</strong><br />

zehn anderen zu unterscheiden.<br />

Im Zus<strong>am</strong>menhang mit der Prägung muss natürlich Konrad Lorenz genannt werden, der<br />

bei seinen Versuchen mit Graugänsen feststellte, dass die Prägung nicht nur artintern<br />

funktioniert. Es gelang ihm junge Graugänse, die in den ersten Minuten ihres Lebens nur<br />

ihn sehen konnten, auf sich zu prägen. Die Gänse liefen nun ihm hinterher und selbst als<br />

sie schließlich auch ihre echte Mutter sahen, wichen sie nicht <strong>von</strong> Lorenz’ Seite. Dasselbe<br />

war sogar mit einer Kugel, die sich im Kreis bewegte, möglich, sodass die Gänse der<br />

Kugel folgten. [17]<br />

[1;2;3;4;5;6;7;8;9;16;17;18]<br />

I.5 Die Ethologie<br />

Zunächst einmal muss ich hier, um Verwechslungen zu vermeiden, darauf hinweisen, dass<br />

der Begriff „Ethologie“ sowohl als eine Bezeichnung für die Verhaltensbiologie insges<strong>am</strong>t,<br />

wie auch für den Teilbereich der klassischen oder vergleichenden <strong>Verhaltensforschung</strong> ist,<br />

<strong>von</strong> der hier die Rede sein soll.<br />

Der wohl bekannteste Ethologe war Konrad Lorenz (1903-1989), gleich gefolgt <strong>von</strong><br />

Nikolaas Tinbergen (1907-1988) und Karl <strong>von</strong> Frisch (1886-1982), mit denen er 1973<br />

gemeins<strong>am</strong> einen Nobelpreis erhielt und somit die Ethologie endgültig etablierte, auch<br />

wenn der Grundstein der Ethologie schon <strong>von</strong> Lorenz’ Lehrer Oskar Heinroth (1871-1945)<br />

gelegt worden war.<br />

Die Ethologie hat ihre Wurzeln in der Zoologie, speziell in der vergleichenden<br />

Morphologie. Sie zählt zu den vitalistischen Formen der <strong>Verhaltensforschung</strong> und legt<br />

großen Wert darauf, Tiere im natürlichen Lebensraum zu beobachten, auch wenn die Tiere<br />

gerne gezähmt werden. Man vergleicht Verhaltensweisen unterschiedlicher Arten und eine<br />

wichtige Überlegung ist immer, was während eines Verhaltensablaufes im Tier vorgeht.<br />

Zentral in der Ethologie steht die Instinkttheorie, nach der Tiere angeborene Schlüsselreize<br />

haben. Die Ethologie zerlegt sämtliche Verhaltensweisen in Schlüsselreiz,<br />

Auslösemechanismus, Motivation und Reaktion.<br />

[1;2;3;4;5;6;15;17]<br />

17


I.6 Der Behaviorismus<br />

Der Behaviorismus kommt vom englischen Wort behavior (Verhalten) und entwickelte<br />

sich aus der Psychologie.<br />

Diese Form der Verhaltensbiologie zählt zur mechanistischen <strong>Verhaltensforschung</strong>. Die<br />

Tiere werden als reine Reiz-Reaktions-Maschinen gesehen und man macht fast<br />

ausschließlich Laborversuche.<br />

Was die Instinkte für die Ethologie sind, ist für die Behavioristen die Reflexkettentheorie,<br />

mit der sich alle Verhaltensweisen, auch die noch so komplizierten, ausschließlich mit<br />

Reflexen erklären lassen. Eine Motivation oder ein innerer Antrieb wird <strong>von</strong> den<br />

Behavioristen völlig dementiert. Es ist auch nicht das Ziel, das „Innenleben“ der Tiere, die<br />

genauere Funktionsweise <strong>von</strong> Verhaltensweisen zu ergründen, sondern man sieht das<br />

Gehirn als „Blackbox“, in der reine Reiz-Reaktions-Beantwortung stattfindet. Es wird <strong>von</strong><br />

der Richtigkeit der Reflexkettentheorie ausgehend an Tieren experimentiert. Man erforscht<br />

hierbei weniger das normale Verhalten eines Tieres, sondern eher die potentiellen<br />

Verhaltensmöglichkeiten, indem man das Tier im Laborversuch mit Situationen<br />

konfrontiert, denen es im natürlichen Lebensraum nie begegnen würde. Dass die Tiere<br />

diese Situationen meistern, bedeutet für den Behaviorist, dass die Fähigkeit neu erlernt und<br />

nicht angeboren wurde.<br />

Die bekanntesten Behavioristen sind Iwan Pawlow (1839-1936), John Watson (1878-1958)<br />

und Burrhus Frederick Skinner (1904-1990), sie stehen für klassische bzw. Operante<br />

Konditionierung.<br />

[1;2;14;16]<br />

I.7 Gegenüberstellung<br />

Der große Streitpunkt zwischen Ethologie und Behaviorismus ist nun der, ob<br />

Verhaltensweisen angeboren oder erlernt sind. Für die Behavioristen steht die Möglichkeit<br />

<strong>von</strong> angeborenem Verhalten, allein aufgrund der zu geringen Anzahl der Gene, außer<br />

Frage; sämtliche Verhaltensweisen werden erlernt. Dem entgegen steht die Meinung der<br />

Ethologen, die, wie schon Charles Darwin vermutete, behaupten, die Verhaltensweisen der<br />

18


Tiere seien in evolutionären Entwicklungen genau wie die Physiologie der Tiere<br />

entstanden.<br />

„Die Tatsachenbasis, die uns die Evolution<br />

zur Gewißheit werden läßt, beweist mit ihrer<br />

ganzen Wucht, daß der Mechanismus sehr<br />

vieler Verhaltensmuster bis in kleinste<br />

Einzelheiten in der Phylogenese entstanden<br />

und somit im Genom progr<strong>am</strong>miert ist, um<br />

kein Haar anders als morphologische<br />

Charaktere.“<br />

Konrad Lorenz<br />

„Der Gedanke, daß Gene das Verhalten<br />

bestimmen, ist naiv, weil diese unmöglich<br />

detaillierte Anweisungen für bestimmte<br />

Verhaltensaspekte beinhalten können“<br />

David McFarland<br />

([1], Seite 52)<br />

Ein offenbar klarer Beweis für die ethologische Theorie ist, dass sich allein aufgrund <strong>von</strong><br />

Verhaltensweisen, die Arten gemeins<strong>am</strong> haben, evolutionäre St<strong>am</strong>mbäume aufstellen<br />

lassen.<br />

Ein weiteres Argument für diese Theorie sind die verschiedenen Beobachtungen an<br />

Hybridrassen (Kreuzungen zwischen nah verwandten Arten), wie z.B. dem Bastardhahn,<br />

einer Kreuzung aus Hahn und Jagdfasan, der sowohl in Aussehen als auch im Verhalten<br />

zwischen den beiden Arten liegt.<br />

Bei einer Kreuzung zwischen zwei australischen Grillenarten zirpen die Männchen<br />

in einem Rhythmus der zwischen den beiden Ursprungsarten liegt. Die gekreuzten<br />

Weibchen bevorzugen genau das Gezirpe der Hybridmännchen. Es wurde also<br />

sowohl der Auslöser, als auch das Erkennungssystem gemischt. [1]<br />

Fakt ist, es gibt zwei Informationsspeicher, das Gedächtnis und das Genom.<br />

Im Gedächtnis werden individuelle Erfahrungen gespeichert, Lernprozesse laufen dort<br />

schnell, oft binnen Sekunden, ab und das Wissen geht mit dem Tod verloren. Das Genom,<br />

die Ges<strong>am</strong>theit aller Gene, oder auch Artgedächtnis genannt, beinhaltet Informationen über<br />

19


unsere Physiologie und offenbar auch über unser Verhalten. Durch Selektion wird dieses<br />

Artgedächtnis verändert, allerdings zieht sich diese Art <strong>von</strong> Lernprozess über mehrere<br />

Generationen hin.<br />

Unser Verhalten setzt sich aus offenen und geschlossenen Progr<strong>am</strong>men zus<strong>am</strong>men.<br />

Geschlossene Progr<strong>am</strong>me sind angeborene Verhaltensweisen, die <strong>von</strong> Geburt an beherrscht<br />

werden, offene Progr<strong>am</strong>me dagegen sind die genetisch festgelegte Möglichkeit, etwas zu<br />

lernen.<br />

Ein <strong>Beispiel</strong> für ein geschlossenes Progr<strong>am</strong>m wäre das Schwimmen <strong>von</strong> Fischen; das<br />

Laufen <strong>von</strong> Säugetieren ist ein offenes Progr<strong>am</strong>m<br />

Tiere, die ohne gewisse Erfahrungen aufwachsen, sogenannte Kaspar-Hauser-Tiere,<br />

haben gewisse Grundansätze einer Verhaltensweise, ohne sie je bei Artgenossen gesehen<br />

zu haben.<br />

Eichhörnchen, die in ihrem Leben noch keine Nuss gesehen haben, nehmen diese in die<br />

Pfoten und beginnen sie aufzunagen. Allerdings nagen sie beim ersten Versuch ziellos die<br />

ganze Schale auf, bis sie an die Nuss kommen, erst nach einigen Versuchen lernen sie, die<br />

Nuss ohne großen Aufwand zu knacken.<br />

[1-9;14-18]<br />

I.8 Soziobiologie<br />

...erforscht das soziale Zus<strong>am</strong>menleben <strong>von</strong> Tieren<br />

Die Soziobiologie befasst sich mit sämtlichen sozialen Interaktionen zwischen Tieren, wie<br />

Gruppenbildung, Zus<strong>am</strong>menarbeit oder selbstloses Hilfeleisten und inwieweit dieses<br />

überhaupt selbstlos ist.<br />

Früher war die Soziobiologie eine Unterabteilung der Verhaltensbiologie, seit E.O.<br />

Wilsons Buch „Sociobiology – the new synthesis“ (1975) vereint sie <strong>Verhaltensforschung</strong>,<br />

Evolutionstheorie, Psychologie und Soziologie in sich und ist ein eigenständiger Zweig der<br />

Biologie geworden. Ein Jahr später, 1976 verlieh Richard Dawkins mit seinem Buch „The<br />

selfish gene“ (Das egoistische Gen) der Soziobiologie ihr heutiges Gesicht.<br />

20


Die Theorie des egoistischen Gens besagt, dass alle Organismen nur die Hülle ihrer Gene<br />

sind, nur ein Mittel der Gene, um sich weiter zu vererben. Dieser Wille, genetisch in der<br />

nächsten Generation weiterzuleben, erklärt Egoismus und besonders Altruismus.<br />

Eltern bringen gewisse Opfer für ihre Kinder, um das Überleben ihrer Gene zu sichern und<br />

sind unter Umständen auch bereit, ihr Leben für ihre Kinder (Gene) zu geben, genauso<br />

kann in schlechten Zeiten aber auch das Leben der Kinder geopfert werden, um wenigstens<br />

das eigene Überleben zu sichern und unter besseren Umständen neue Kinder großzuziehen.<br />

Wachposten in Kolonien geben Warnsignale, sobald sie einen Feind erblicken, erhöhen<br />

d<strong>am</strong>it aber die Wahrscheinlichkeit, selbst zum Opfer zu werden. Bei Zieseln hat man<br />

festgestellt, dass Tiere die viel Verwandtschaft ( hoher Prozentsatz eigener Gene) in der<br />

Kolonie haben, dieses Risiko eher und auch öfter eingehen, als Tiere, die erst seit kurzem<br />

in der Kolonie leben. Das lässt auf eine altruistische Handlung schließen, beweist aber<br />

letztendlich gar nichts. Allgemein ist es schwer zu sagen, ob hinter scheinbar altruistischen<br />

Handlungen nicht egoistische Ziele stecken. Der Wachposten könnte keine Signale geben,<br />

um die Aufmerks<strong>am</strong>keit des Feindes nicht auf sich zu ziehen und sich selbst in Sicherheit<br />

bringen, was eigentlich für ihn <strong>von</strong> Vorteil erscheint. Es birgt aber auch große Nachteile.<br />

Wenn sich die anderen Tiere nicht verstecken, ziehen sie weiterhin die Aufmerks<strong>am</strong>keit<br />

des Feindes auf sich, er bleibt also länger in der Nähe und erhöht letztendlich auch die<br />

Gefahr für den Wächter selbst. Außerdem liegt es nicht im Interesse des Wächters, ein<br />

Mitglied seiner Kolonie zu verlieren, was einen Arbeiter/Soldat/Wächter weniger bedeuten<br />

würde, dafür lohnt es sich, ein gewisses Risiko einzugehen.<br />

Viele, scheinbar selbstlose Handlungen unterliegen also eher dem Prinzip „tit for tat“ (wie<br />

du mir, so ich dir). Man verzichtet kurzzeitig auf einen eigenen Vorteil und erwartet dafür<br />

in irgendeiner Weise eine Gegenleistung zurück.<br />

Viele Verhaltensweisen sind also eine Kosten-Nutzen-Frage.<br />

Mit der mathematischen Spieltheorie lässt sich ausrechnen, welches Verhalten <strong>am</strong><br />

erfolgreichsten wäre, also eine evolutionsstabile Strategie.<br />

[1;2;7;8;10;11;19]<br />

21


II Praktischer Teil<br />

II.1Streifenhörnchen<br />

... sind kleine, gestreifte Verwandte der hier heimischen Eichhörnchen (sciurus vulgaris)<br />

Die wissenschaftliche Klassifizierung eines Streifenhörnchens sieht folgendermaßen aus:<br />

St<strong>am</strong>m: Wirbeltiere, Klasse: Säugetiere, Ordnung: Nagetiere (Rodentia), Unterordnung:<br />

Hörnchenverwandte (Sciuromorpha), Überf<strong>am</strong>ilie: Hörnchenartige (Sciuroidea), F<strong>am</strong>ilie:<br />

Hörnchen (Sciuridae), Unterf<strong>am</strong>ilie: Erd- und Baumhörnchen (Sciurinae), Gattung:<br />

Streifenhörnchen (Eut<strong>am</strong>ias). [13]<br />

Ich persönlich besitze zwei asiatische Streifenhörnchen oder Burunduks.<br />

II.1.1 Das asiatisches Streifenhörnchen<br />

T<strong>am</strong>ias <strong>sibiricus</strong><br />

Die asiatische ist die bei uns <strong>am</strong> häufigsten gehaltene Hörnchenart, da seine<br />

nord<strong>am</strong>erikanischen Verwandten, die Chipmunks, nur selten eingeführt werden und die<br />

hier heimischen Tiere wie das Eichhörnchen als Wildtiere nicht im Haus gehalten werden<br />

dürfen.<br />

Aussehen: Das Rückenfell ist hellbraun bis<br />

gelblich und <strong>von</strong> fünf dunkelbraunen<br />

Längsstreifen gezeichnet; das Bauchfell ist<br />

weiß. Der dunkelbraun-graue Schwanz ist<br />

nicht ganz so buschig wie der eines<br />

Eichhörnchens, aber sehr beweglich<br />

Schnauze und Ohren erinnern an eine Maus.<br />

Abb.2<br />

22


Größe: Von der Nasen- bis zur<br />

Schwanzspitze misst ein Streifenhörnchen<br />

etwa 20 cm, die Hälfte macht der Schwanz<br />

aus. Formoptimiert ( zu einem Quader<br />

gepresst) hätte es die Größe <strong>von</strong><br />

schätzungsweise 2,5 Fischstäbchen oder,<br />

wenn man vom Schwanz absieht, die einer<br />

größeren Maus.<br />

Lebensweise: Die Hörnchen leben in<br />

lockeren Kolonien, d.h. jedes Tier hat<br />

innerhalb der Kolonie sein festes<br />

Territorium. Nach dem Winterschlaf beginnt<br />

Anfang April die Paarungszeit. Die<br />

Tragezeit beträgt 25-29 Tage und ein Wurf<br />

besteht aus 3-6 blinden und nackten Jungen.<br />

Nach ca. 35 Tagen verlassen sie den Bau<br />

und werden bis zu ihrem 50. Lebenstag<br />

gesäugt<br />

Gewicht: Burunduks wiegen zwischen 50<br />

und 120g, in freier Natur vor dem<br />

Winterschlaf etwas mehr. Bei<br />

Wohnungshaltung fällt der Unterschied<br />

geringfügiger aus, zumal sie dort nicht<br />

einmal zwingend einen Winterschlaf halten.<br />

Abb.3<br />

Nahrung: [in freier Wildbahn] Beeren,<br />

S<strong>am</strong>en, Knospen, Pilze, zarte Blätter, Nüsse<br />

[bei mir] Streifenhörnchen- oder<br />

Chinchillafuttermischung, Erd-, Hasel- und<br />

Walnüsse, Obst, manchmal Milch oder Käse<br />

Vorkommen: Die Heimat des Asiatischen<br />

Streifenhörnchens reicht vom weißen Meer<br />

bis zur Beringsee über den nördlichen Teil<br />

Asiens und bis nach Japan.<br />

[12]<br />

23


II.2 Der Käfigbau<br />

Als ich die Frage, welche Tierart ich mir für meine Jahresarbeit zulegen solle, endlich zu<br />

Gunsten <strong>von</strong> Streifenhörnchen entschieden hatte (es standen <strong>von</strong> H<strong>am</strong>stern über Fische bis<br />

zu Vögeln unzählige Möglichkeiten zur Debatte), war der erste logische Schritt vor der<br />

Anschaffung <strong>von</strong> Tieren, einen Käfig zu besorgen.<br />

Aus meinem GU TierRatgeber Streifenhörnchen [12] wusste ich, dass Streifenhörnchen<br />

zur Gewährleistung einer auch nur annähernd naturgemäßen Bewegungsfreiheit einen<br />

Käfig <strong>von</strong> beträchtlicher Größe benötigen, und da in Zoofachgeschäften allenfalls nur<br />

bedingt geeignete Vogelvolieren <strong>von</strong> entsprechender Größe zu erwerben sind, entschied<br />

ich mich für die aufwändigere, im Nachhinein aber durchaus zufriedenstellendere Option<br />

des Eigenbaus.<br />

Da ich, besonders in Anbetracht des d<strong>am</strong>als in Bälde zu erwartenden Ablebens meines<br />

altersschwachen Meerschweinchens Pfopf den Wunsch hegte, die Streifenhörnchen auch<br />

nach Beendigung meiner Forschungen, die vermutlich ohnehin über den zeitlichen<br />

Rahmen der Jahresarbeit hinausreichen werden, zu behalten, war es ein Muss, den Käfig<br />

auch stabil und optisch ansprechend zu bauen.<br />

Mit dem Auffinden des Stellplatzes hatten sich auch die groben Maße geklärt: der Käfig<br />

sollte in unserem Flur zwischen zwei Türrahmen stehen, oben bündig mit diesen<br />

abschließen und durfte, um weiterhin uneingeschränktes Passieren in unserem<br />

vielbelaufenen Flur zu ermöglichen, maximal 80cm in diesen hineinragen. Also: b×h×t:<br />

156×208×80cm.<br />

Als ein völlig eckenfrei aufgewachsener Waldorfschüler entschloss ich mich der<br />

organischen Architektur zu huldigen und die Käfigkanten an beiden Vorderseiten und der<br />

Oberkante abzuschrägen. Außerdem war mir klar, dass man so besser <strong>am</strong> Käfig<br />

vorbeilaufen kann.<br />

Der Käfig besteht aus einer mit Gitternetz bespannten Lattenkonstruktion und wie in<br />

obengenannter Literatur empfohlen, mit zwei Wänden aus Holz, was dem Krallenwetzen<br />

dienen soll.<br />

Um mir das Ausmisten zu erleichtern, plante ich <strong>am</strong> Boden eine vollständig herausziehbare<br />

Schublade und für einen ausreichenden Zugriff ins Innere des Käfigs zum Füttern und<br />

gelegentlichen Auswechseln der Kletteräste, baute ich mehrere Türen in den Käfig ein.<br />

24


In eine der beiden Zwischenebenen hatte ich eine Plastikschale für Erdbäder eingelassen,<br />

und da ich d<strong>am</strong>it rechnete, dass diese Erde bei einer überschwänglichen Körperpflege-<br />

Aktion weit verteilt wird, verwandelte ich das Türchen neben dem Erdbad in ein Fenster,<br />

indem ich statt Gitterdraht Plexiglas verwendete, was außer dem teppichschonenden auch<br />

einen optischen Effekt hat.<br />

Als nun nach einer Ferienwoche intensiver Handwerkskunst der Käfig soweit fertig war,<br />

installierte ich noch einige Schlafhäuschen und Kletteräste und verzichtete darauf, meinem<br />

Werk einen N<strong>am</strong>en wie „Villa Streifi“ oder Ähnliches zu geben.<br />

Abb.4<br />

Während der ganzen Arbeit stand mir mein Vater gelegentlich mit Ratschlägen und einer<br />

reichenden bzw. haltenden Hand (H<strong>am</strong>mer, Schraube, Wasserwaage etc.) zur Seite, dafür<br />

vielen Dank.<br />

25


II.3 Verhaltensbeobachtungen<br />

In den Osterferien 2005 habe ich meine zwei Streifenhörnchen, auf Anraten des<br />

Verkäufers hin doch ein Pärchen, gekauft. Im Geschäft versicherte man mir, dass es sich<br />

noch um Jungtiere handle, konnte mir das genaue Alter nicht sagen. Die Tiere müssen<br />

d<strong>am</strong>als aber schon fast ein Jahr alt gewesen sein, da Streifenhörnchen soweit ich weiß nur<br />

einmal im Jahr und zwar Anfang Mai Junge bekommen. Da ich mich in der Zoohandlung<br />

nicht besonders heimisch fühlen konnte und da<strong>von</strong> ausging, dass es die Hörnchen inmitten<br />

<strong>von</strong> schreienden Papageien, Fischen und Ratten und zu siebt in einem Käfig dessen Größe,<br />

besser gesagt Kleine, jeder Beschreibung trotzt, auch nicht taten, nahm ich sie mit und<br />

konnte nur hoffen, dass sie noch nicht völlig verhaltensgestört waren. Auf der Heimfahrt<br />

beschloss ich, die beiden nach den zwei berühmten Walt Disney Hörnchen 2 Chip und Chap<br />

zu nennen. Problematisch ist nur, dass die beiden N<strong>am</strong>ensgeber beide Männchen sind und<br />

ich mich deswegen bis heute nicht entscheiden konnte ob nun das Männchen Chip und das<br />

Weibchen Chap heißt oder umgekehrt.<br />

II.3.1 Die Eingewöhnungsphase<br />

Zuhause ließ ich die Hörnchen im Käfig frei und hatte eigentlich erwartet, dass sie sich<br />

sofort in den Schlafhäuschen verstecken und so schnell nicht wieder herauskommen<br />

würden. Sie blieben aber gleich unter dem Heu aus der Transportkiste versteckt.<br />

In den nächsten Tagen k<strong>am</strong>en sie dann vermehrt zum Vorschein und erkundeten, wenn<br />

auch sehr zaghaft, den ges<strong>am</strong>ten Käfig. Nach einer Woche haben sie dann sogar das für sie<br />

ungewohnte Erdbad auf den oberen Etagen benutzt.<br />

Auf Futtersuche (ca. 1m vom Versteck zur Futterschüssel) gingen die Hörnchen in den<br />

ersten Tagen ausschließlich nachts, und auch dann nur wenn sie sich unbeobachtet fühlten.<br />

Nach ungefähr einer Woche hatten sich die Hörnchen soweit eingewöhnt, dass man<br />

langs<strong>am</strong> und mit genügend Abstand <strong>am</strong> Käfig vorbeigehen konnte, ohne sie sofort zu<br />

verscheuchen. Sie fraßen auch mehr oder weniger normal, allerdings immer noch<br />

bevorzugt nachts und im Schutz ihres Verstecks.<br />

Inzwischen hatte ich auch herausgefunden, was sie bevorzugt essen. Aus der<br />

Futtermischung bevorzugt S<strong>am</strong>en und Keksstückchen. Außerdem mögen sie Erd-, Wal-,<br />

2 Nord<strong>am</strong>erikanische Streifenhörnchenart der Chipmunks; daher die N<strong>am</strong>en<br />

26


Hasel- und Paranüsse, sowie Rosinen, Karotten, Apfel- und Birnenschnitze (besonders die<br />

Kerne) und auch Milch und Käse.<br />

Etwa die Hälfte fressen sie gleich an der Futterschale, der Rest wird in H<strong>am</strong>stermanier ins<br />

Nest getragen, das sie inzwischen in der geschütztesten Ecke aus Streu aufgeschüttet<br />

haben.<br />

Außerdem achten sie sehr auf Sauberkeit und haben sich in den beiden freien Ecken, weit<br />

weg <strong>von</strong> Nest und Futter ihre Toiletten eingerichtet.<br />

Nach etwa drei bis vier Wochen hatten sich die Hörnchen vollständig eingelebt und haben<br />

mir sogar sehr vorsichtig aus der Hand gefressen, weil ich ihre Lieblingss<strong>am</strong>en aus dem<br />

Futter aussortiert habe. Auch die Nagermultivit<strong>am</strong>intropfen haben sie mir schon vom<br />

Finger geleckt.<br />

II.3.2 Die normale Phase<br />

Als ich mir nun sicher war, dass die Tiere sich wirklich voll und ganz an ihr neues Zuhause<br />

gewöhnt hatten, begann ich sie ernsthaft zu beobachten.<br />

Dabei fiel mir als erstes auf, dass das Männchen viel aktiver ist als das Weibchen.<br />

Mit der Zeit habe ich festgestellt, dass die Hörnchen genau wissen wann Gefahr droht und<br />

wann nicht, d.h. sie erschrecken keinesfalls bei der Türglocke oder einem Pfiff, sehr wohl<br />

aber beim Klappern, wenn die Käfigtüre geöffnet wird.<br />

Mit der Hand kann man sich ihnen nähern und sie sogar berühren, sobald aber die Hand<br />

<strong>von</strong> oben kommt, flüchten die Hörnchen. Vermutlich erinnert sie die Hand an einen<br />

Raubvogel.<br />

Sehr interessant ist auch zu beobachten, wie die Hörnchen reagieren, wenn sie sich<br />

beobachtet fühlen. Wenn sie gerade an einer Nuss knabbern, und dabei nicht plötzlich<br />

erschreckt werden, sondern einfach bemerken, dass jemand zusieht, halten sie sehr lange<br />

still und beobachten den Störenfried, selbst wenn man durch die nächste Tür geht und nur<br />

noch Kopf oder Hand zu sehen sind. Irgendwann entschließt sich das Hörnchen dann<br />

weiterzufressen, oder zu verschwinden. Wenn es gerade läuft, und dann merkt, dass es<br />

beobachtet wird und aber nicht erschrickt oder sich unmittelbar bedroht fühlt, rennt es<br />

nicht da<strong>von</strong>, sondern läuft langs<strong>am</strong>, Schritt für Schritt mit steil nach hinten gestrecktem<br />

Schwanz bis zur nächsten Deckung. Dabei lässt es einen nicht aus den Augen und sobald<br />

man auch nur die geringste Bewegung macht flüchtet es schlagartig.<br />

Das Männchen läuft, wenn es erschrickt <strong>am</strong> Käfiggitter hoch und krallt sich kopfüber fest,<br />

bis sich die Situation wieder beruhigt hat. Das ist offenbar kein normales Verhalten, da es<br />

27


mir schon in der Zoohandlung zwischen zehn anderen Streifenhörnchen aufgefallen ist.<br />

Nach einigen Wochen hat sich das Männchen dieses Verhalten auch abgewöhnt und ich<br />

habe es seither nicht mehr beobachtet.<br />

Das Verhalten ist, alles in allem, dem <strong>von</strong> Eichhörnchen, die ich im Herbst in unserem<br />

Garten beobachten kann sehr ähnlich. Natürlich sind die Eichhörnchen viel größer und<br />

stärker.<br />

Der Tagesablauf der Hörnchen besteht grob aus einer aktiven Phase und einer Ruhephase,<br />

die ungefähr im zweistündigen Rhythmus abwechseln. In der aktiven Phase wird Futter<br />

ges<strong>am</strong>melt, gefressen oder <strong>am</strong> Nest gebaut; in der Ruhephase wird ausgeruht, geschlafen<br />

oder die Körperpflege erledigt.<br />

Als die Hörnchen nach drei Monaten immer noch nicht in den Häuschen schliefen,<br />

beschloss ich mit einem Trick etwas nachzuhelfen. Die Tiere kannten solche Häuschen aus<br />

der Zoohandlung nicht und hatten vermutlich Angst einfach in ein dunkles, enges Loch zu<br />

klettern. Also öffnete ich übergangsweise den Deckel und legte eine Spur mit Haselnüssen.<br />

D<strong>am</strong>it hatte ich Erfolg, die Hörnchen füllten das Häuschen mit Streu und besiedelten<br />

danach auch das andere Häuschen, obwohl ich es nicht geöffnet hatte.<br />

Ich kann nicht genau sagen, ob jedes Hörnchen sein eigenes Häuschen bewohnt, oder ob<br />

eines hauptsächlich als Futterlager und das andere zum Schlafen genutzt wird. Ohne allzu<br />

genaue und zeitaufwändige Beobachtungen lässt sich diese Frage auch nicht beantworten,<br />

außer man würde die Häuschen komplett leeren.<br />

Die Zeit während meines Experiments habe ich im übernächsten Kapitel näher beschrieben<br />

II.3.3 Die Winterruhephase<br />

Ab etwa Mitte Oktober haben die Hörnchen angefangen verstärkt Vorräte zu lagern. Seit<br />

November halten sie sich auch kaum noch außerhalb ihrer Schlafhäuschen auf. Ihr<br />

Tagesablauf hat sich d<strong>am</strong>it grundlegend verändert. Sie lassen sich nur noch ein paar mal<br />

täglich kurz blicken, um zu trinken, an ihrem Frischfutter zu knabbern oder weiteres Futter<br />

zu bunkern. Ich hätte eigentlich nicht unbedingt erwartet, dass die Hörnchen eine<br />

Winterruhe machen würden, da wir den Raum in dem der Hörnchenkäfig steht ja heizen.<br />

Es ist also eigentlich genau so warm wie im Sommer und auch Tageslicht bekommen sie<br />

im Sommer nicht mehr. Sie haben also eine sehr genaue biologische Uhr. Vielleicht<br />

28


machen sie das nächstes Jahr nicht mehr, wenn sie jetzt merken, dass der Winter im Haus<br />

nicht wirklich kommt. Seit Dezember habe ich ihnen auch kein Futter mehr gegeben, da sie<br />

sonst weiterhin Vorräte s<strong>am</strong>meln würden, die sie nie verbrauchen könnten.<br />

II.4 Die Skinner-Box<br />

Burrhus Frederick Skinner (1904-1990) gehörte wie die meisten <strong>am</strong>erikanischen<br />

Verhaltensforscher dem Behaviorismus an und verlieh diesem auch ein neues Gesicht.<br />

Orientiert an den Arbeiten über klassische Konditionierung <strong>von</strong> Pawlow und Watson,<br />

entwickelte Skinner eine andere Form der Konditionierung, für die er den Begriff der<br />

Operanten Konditionierung prägte. Für seine Laborexperimente baute er verschiedenste<br />

Apparate, deren Grundprinzip heute als Skinner-Box bekannt ist.<br />

Aber Skinner war mehr als nur Verhaltensforscher. Er setzte die Ergebnisse seiner<br />

Versuche auch auf den Menschen um und entwickelte die Unterrichtsmethode des<br />

„progr<strong>am</strong>mierten Lernens“. Die Schüler bekommen immer kleine, anfangs sehr leichte<br />

Aufgaben und werden so immer wieder durch eine Belohnung in Form <strong>von</strong> Erfolg in ihrer<br />

Motivation verstärkt. Allerdings hat sich diese Methode so im Schulwesen nie etabliert.<br />

Außerdem verfasste Skinner den utopischen Roman „Walden Two“ in dem er eine durch<br />

Operante Konditionierung erzogene Gesellschaft beschreibt.<br />

Für Skinner spielten Tauben immer eine große Rolle, nicht nur, weil er die meisten seiner<br />

Konditionierungen an ihnen durchführte. Während des Zweiten Weltkrieges, als die<br />

Deutschen bereits ferngelenkte Raketen einsetzten, hatten die Alliierten noch keine<br />

Fernlenktechnik entwickelt. Skinner hatte die Idee, jede Rakete mit einer „umgeschulten<br />

Brieftaube“ zu bestücken, welche die Rakete durch Picken auf eine Scheibe zum Ziel<br />

führen sollte. Dieser Plan war schon in der Entwicklungsphase, als er durch die in der<br />

Zwischenzeit erfundene radargestützte Fernlenktechnik abgelöst wurde. [16]<br />

Skinner-Boxen werden in Laborversuchen zur Operanten Konditionierung eingesetzt.<br />

Das Funktionsprinzip ist immer das selbe: in der Box befindet sich ein Knopf/Hebel und<br />

eine Futterausgabe. Wenn das Tier den Knopf drückt, erhält es eine kleine Menge Futter<br />

und erkennt nach einiger Zeit den Zus<strong>am</strong>menhang zwischen Knopfdrücken und Futter.<br />

29


In einem zweiten Schritt kann nun der Schwierigkeitsgrad erhöht werden. Es gibt<br />

beispielsweise nur dann Futter, wenn der Knopf gedrückt wird, während ein Lämpchen<br />

leuchtet oder ein Geräusch ertönt. In weiteren Schritten kann die Schwierigkeit immer<br />

weiter gesteigert werden. Z.B. gibt es immer Futter, wenn das Geräusch ertönt, außer wenn<br />

gleichzeitig das Licht an ist etc.<br />

[1;2;7;8;9;16]<br />

Meine Skinner-Box hat Herr Dr. Burkhardt für mich <strong>von</strong> der Universität Tübingen<br />

ausgeliehen. Ich wollte mir die Arbeit sparen, eine Box selbst zu konstruieren, allerdings<br />

hatte ich unter dem Strich doch keine allzu große Zeitersparnis, da ich die Box noch<br />

umbauen musste. Sie war für Tauben konstruiert und leider war es, woran ich nicht<br />

gedacht hatte, für ein schnabelloses Nagetier völlig unmöglich, das Futter zu erreichen.<br />

Außerdem war die Box nach der Arbeit mit den Tauben nicht gereinigt worden und so<br />

musste ich sie erst <strong>von</strong> einer Schicht aus Taubenexkrementen befreien.<br />

Da ich weder Werkzeug und Material eines professionellen Skinner-Box-Mechanikers<br />

noch eine Ausbildung zum Ingenieur, sondern nur die Grundausbildung eines<br />

Waldorfschülers habe, habe ich getan, was Waldorfschüler <strong>am</strong> besten können, ich habe<br />

gebastelt. Ich habe die Box mit mehreren dünnen Brettchen, einem Plastikrohr, einem<br />

Trichter, zwei Haushaltsgummis und diversen Teilen aus einem Metallbaukasten<br />

hörnchentauglich gemacht.<br />

In der originalen Skinner-Box ist bei jedem Knopfdruck eine Kippe mit Futter <strong>von</strong> unten<br />

an die Ausgabeöffnung geklappt (Abb.6), nach meinem Umbau fällt jetzt bei jedem<br />

Knopfdruck Futter <strong>von</strong> oben in die Ausgabeöffnung (Abb.7)<br />

Hier eine schematische Darstellung der Tauben- und Hörnchenbox:<br />

Abb. 6 Abb. 7<br />

30


Abb.8: Skinner-Box nach U<br />

Abb.9:<br />

Skinner-Box<br />

II.5 Das Experiment<br />

In meinem praktischen Teil wollte ich neben den Beobachtungen natürlich auch einen<br />

wissenschaftlichen Versuch durchführen. Wie genau dieser aussehen würde stand und fiel<br />

natürlich mit der Wahl des Versuchstiers. Als ich schließlich die Hörnchen gewählt hatte,<br />

entschloss ich mich für die Operante Konditionierung mit einer Skinner-Box.<br />

Natürlich hatte ich mich vorher vergewissert, dass Hörnchen die Voraussetzungen für ein<br />

solches Experiment erfüllen und ging dann fest da<strong>von</strong> aus, dass meine Hörnchen in der<br />

Lage sein würden, den Zus<strong>am</strong>menhang <strong>von</strong> Knopf und Futter zu erkennen.<br />

Wie ich bereits in meinen kleinen Versuchen, die Hörnchen zu zähmen, bemerkt habe, geht<br />

ohne Motivation (in dem Fall Hunger) gar nichts. Also setzte ich die Hörnchen einige Tage<br />

vor Beginn des Experiments auf Diät. Das allein würde zunächst wenig Wirkung zeigen,<br />

wenn man nicht alle Vorratslager findet und aushebt.<br />

31


Dann braucht man für den Versuch noch entweder eine K<strong>am</strong>era oder viel Geduld, <strong>am</strong><br />

besten beides. Da es mir nicht gelungen war, die Box so umzubauen, dass sie<br />

vollautomatisch funktioniert und ich immer wieder Futter nachfüllen musste, war meine<br />

Anwesenheit ohnehin immer erforderlich, und die K<strong>am</strong>era war nur zum dokumentieren da.<br />

Am Dienstag, den 30.August 2005 um 14:00 Uhr, habe ich mein Experiment offiziell<br />

begonnen. Die Skinner-Box hatte ich schon <strong>am</strong> Tag vorher in den Käfig eingebaut, d<strong>am</strong>it<br />

die Hörnchen sich schon daran gewöhnen konnten. Da es so gut wie unmöglich ist, die<br />

Hörnchen in dem Käfig einzufangen und dann in die Box zu setzen, wann ich es wollte,<br />

konnte ich nur ihre Häuschen verschließen und warten, bis der Hunger seine Wirkung<br />

zeigte.<br />

Aus ihren Häuschen vertrieben, haben sich die Hörnchen erst mal unter der Box versteckt<br />

und sind den ganzen Tag, solange ich sie beobachtet habe, nicht wieder zum Vorschein<br />

gekommen. Nachts hat sich das Männchen dann doch getraut, das Versteck zu verlassen<br />

und sogar einige Körnchen durch das Gitter aus meiner Hand gefressen, es muss also<br />

großen Hunger haben, wenn es so mutig ist. Beim Weibchen überwiegt nach wie vor die<br />

Angst.<br />

Mittwoch: Heute morgen haben sich sowohl Männchen als auch Weibchen in die<br />

offenstehende Box getraut und haben auch zufällig den Knopf berührt. Allerdings sind<br />

beide durch das Geräusch des Elektromagneten und das herunterfallende Futter so<br />

erschrocken, dass sie sofort weggerannt sind und das Futter gar nicht bemerkt haben.<br />

Also habe ich kurz darauf, als das Männchen wieder in der Box war, die Tür geschlossen.<br />

Das hatte einen großen Vorteil, da das Männchen sofort wie wild versuchte zu entkommen<br />

und sämtliche Wände nach einem Ausgang absuchte. Dabei k<strong>am</strong> es zwangsläufig zum<br />

ersten Mal auf den Knopf und hat auch ungefähr eine Minute später das Futter entdeckt.<br />

Wenn es nicht in der Box ist, kommt das Männchen immer wieder ans Gitter und will<br />

Futter. Das wird aber trotzdem nicht gefressen, sondern für noch schlechtere Zeiten<br />

gebunkert.<br />

32


Abb.10<br />

Abb.11<br />

Donnerstag: Die Hörnchen haben es geschafft, die Eingänge ihrer Häuschen, die ich mit<br />

Klebeband verschlossen hatte, wieder zu öffnen (Abb.10/11), aber das war nicht der<br />

einzige Punkt, in dem ich sie unterschätzt hatte. Inzwischen waren weitere Umbauten an<br />

der Skinner-Box nötig gewesen. Ganz <strong>am</strong> Anfang war der Futterausgabeschacht oben<br />

offen gewesen (Abb.12)und das Männchen hatte angefangen, an dem Kippbrettchen zu<br />

knabbern. Anfangs vielleicht auch nur mit Ausbruchsintentionen, hat es bald zielstrebig<br />

das Brettchen nach unten gezogen um Futter zu erhalten. Ich habe also über dem<br />

Futterschacht ein Gitter angebracht (Abb.13), um das Hörnchen <strong>am</strong> Nagen zu hindern und<br />

wähnte mich in Sicherheit, bis das Hörnchen nach kurzer Zeit einfach seine Pfote durch<br />

das Gitter streckte und das Brettchen nach unten zog. Also habe ich das Gitter noch weiter<br />

unten im Futterschacht anbringen müssen (Abb.14).<br />

Auch wenn ich mich über diese Umbaumaßnahmen eigentlich geärgert habe, hat mich<br />

diese Leistung der Hörnchen schwer beeindruckt und mir auch Hoffnung gemacht, dass<br />

das Konditionierungsexperiment doch gelingen wird.<br />

33


Abb.12 Abb.13 Abb.14<br />

Sonntag: Heute hat das Männchen innerhalb einer halben Stunde insges<strong>am</strong>t neunmal<br />

gedrückt und ohne Verzögerung gefressen, bzw. die Körner in der Backentasche<br />

ges<strong>am</strong>melt und deshalb dann auch aufgehört, weil die Backen voll waren.<br />

Das erklärt auch, warum das Weibchen nie in der Box auftaucht, obwohl es doch genauso<br />

hungrig ist wie das Männchen. Dieses s<strong>am</strong>melt Futter, frisst aber nie sofort, sondern trägt<br />

das Futter immer ins Nest und teilt mit dem Weibchen. Um das Weibchen zu zwingen,<br />

auch in die Box zu gehen, müsste ich das Männchen also in einen anderen Käfig sperren.<br />

Nachdem ich mir nun sicher war, dass das Männchen den Zus<strong>am</strong>menhang <strong>von</strong> Knopf und<br />

Futter wirklich gelernt hatte, machte ich eine Woche Pause und ließ es erst <strong>am</strong> S<strong>am</strong>stag<br />

wieder in die Box. Zu meinem großen Erstauen hatte das Männchen nichts vergessen und<br />

es klappte gleich beim ersten Versuch ohne größere Verzögerung. Da die Türe offen war,<br />

drückte das Männchen immer mehrere Male, bis die Backen voll waren, lief dann in sein<br />

Häuschen, um sie zu leeren und k<strong>am</strong> wieder zurück. Inzwischen war es so schnell, dass ich<br />

kaum Zeit hatte, zwischendurch Futter nachzufüllen, sodass nicht bei jedem Drücken auch<br />

Futter k<strong>am</strong>. Sehr bald hatte das Hörnchen gelernt, dass nur Futter da ist, wenn man das<br />

Prasseln der Körner gehört hat und drückte dann, wenn ich zu langs<strong>am</strong> gewesen war gleich<br />

noch mal, ohne vorher nachzusehen. Allerdings hat es nicht versucht, gleich mehrmals zu<br />

drücken, um dann eine große Portion Futter auf einmal zu haben.<br />

34


In dieser Tabelle habe ich Drücken und die Verzögerung bis zum Fressen festgehalten:<br />

Männchen<br />

Weibchen<br />

Drücken Fressen Drücken Fressen<br />

MI, 31.8.’05 11:15 Uhr 1 min. später bei offener Tür gedrückt und<br />

13:30 ~30 sec. später<br />

weggelaufen<br />

DO, 1.9.’05 10:15 mehrfach kurz darauf<br />

10:30 „ (auch mal mehrere<br />

10:45 „<br />

Portionen)<br />

FR, 2.9.’05<br />

mehrmals bei geschlossener und<br />

offener Tür<br />

bei offener Tür gedrückt und sehr<br />

viel später gefressen<br />

SA, 3.9.’05<br />

mehrmals mit kurzer Verzögerung<br />

SO, 4.9.’05 9 x zwischen 9:30<br />

keine<br />

zweimal bei<br />

große<br />

und 10:10 Uhr<br />

Verzögerung<br />

offener Tür<br />

Verzögerung<br />

SA, 10.9.’05 <strong>von</strong> 4.00 – 6:00<br />

keine<br />

Uhr dauernd<br />

Verzögerung<br />

35


Schluss<br />

Jetzt, <strong>am</strong> Ende meiner Jahresarbeit, habe ich diese 36 Seiten geschrieben, meinem<br />

Hörnchen beigebracht auf einen Knopf zu drücken, aber vor allem habe ich viel gelernt.<br />

Etwas über das Schreiben <strong>von</strong> Jahresarbeiten, einiges über Verhaltensbiologie und vieles<br />

über mich und was in den Tiefen meines Kopfes vorgeht.<br />

In meinem theoretischen Teil habe ich alles was mir wichtig schien behandelt und<br />

hoffentlich auch anderen verständlich gemacht. Ich habe viel Wissenswertes erfahren und<br />

mein Interesse hat sich eigentlich ständig gesteigert, sodass ich mich über die Jahresarbeit<br />

hinaus mit der Verhaltensbiologie beschäftigen und vielleicht sogar in diese Richtung<br />

studieren werde.<br />

Was meinen praktischen Teil angeht, habe ich nicht alles erreicht, was ich mir<br />

vorgenommen hatte; besonders das Experiment, es war ja leider nur eins, war nicht so<br />

umfangreich wie ich es gerne gehabt hätte. Das liegt unter anderem daran, dass solche<br />

Experimente unglaublich viel Zeit benötigen, und so eigentlich nur in den Ferien möglich<br />

sind.<br />

Dass die Jahresarbeit jetzt vorbei ist heißt aber noch lange nicht, dass ich auch meine<br />

Arbeit mit den Hörnchen abgeschlossen habe. Sobald sie ihre Winterruhe beendet haben<br />

werde ich versuchen auch das Weibchen auf das Knopfdrücken zu konditionieren und dann<br />

vielleicht noch mehrere Schwierigkeitsstufen einbauen. Außerdem hoffe ich, dass die<br />

Hörnchen nächstes Frühjahr Junge bekommen, mit denen sich leichter arbeiten lässt und<br />

die ich vielleicht auch richtig zähmen kann.<br />

36


Literaturliste<br />

[1] Jürgen Christner: Abiturwissen Verhaltensbiologie Klett-Verlag 1. Aufl. Stuttgart<br />

1993<br />

[2] Mentor Abiturhilfe Verhaltensbiologie Mentorverlag 6. Aufl. München 2004<br />

[3] Konrad Lorenz: Über tierisches und menschliches Verhalten ges<strong>am</strong>melte<br />

Abhandlungen Band I & II Piper-Verlag 20.Aufl. München 1992<br />

[4] K. Lorenz / Sybille & Klaus Kalas: Das Jahr der Graugans dtv München 1982<br />

[5] Nikolaas Tinbergen: Instinktlehre Parey-Verlag 6.Aufl. H<strong>am</strong>burg 1979<br />

[6] N. Tinbergen: Das Tier in seiner Welt Band I Freilandstudien Piper-Verlag 1977<br />

[7] Jürgen Marek / Joachim Knoll (Hrsg.): Verhalten Westermann-Verlag 1.Aufl.<br />

Braunschweig 1992<br />

[8] Ulrich Weber / Wolfgang Roser: Verhalten Cornelsen-Velhagen & Klasing 1.Aufl.<br />

Berlin 1982<br />

[9] Rolf Gattermann: Verhaltensbiologisches Praktikum Aulis Verlag Deubner & Co KG<br />

1.Aufl. Köln 1990<br />

[10] Thomas P. Weber: Soziobiologie Fischer-Verlag 1. Aufl. Frankfurt 2003<br />

[11] Franz M. Wuketits: Was ist Soziobiologie? Beck- Verlag 1.Aufl München 2002<br />

[12] Otto v. Frisch: Streifenhörnchen GU-Verlag 15. Aufl. München 2003<br />

[13] Bernhard Grzimek: Grzimeks Tierleben Band 11: Säugetiere 2<br />

Weltbildverlag Augsburg 2000<br />

37


[14] http://de.wikipedia.org/wiki/Behaviorismus<br />

[15] http://de.wikipedia.org/wiki/Ethologie<br />

[16] http://de.wikipedia.org/wiki/Burrhus_Frederic_Skinner<br />

[17] http://de.wikipedia.org/wiki/Konrad_Lorenz<br />

[18] http://de.wikipedia.org/wiki/Iwan_Pawlow<br />

[19] Biologieunterricht – Soziobiologie bei Dr. Burkhardt<br />

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