Medizinische Biotechnologie in Deutschland 2010 - VFA Bio
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Abbildung 10 veranschaulicht die Meilenste<strong>in</strong>e der Insul<strong>in</strong>therapie.<br />
Mit der Entdeckung des Insul<strong>in</strong>s 1921<br />
durch Bant<strong>in</strong>g und Best konnte bereits <strong>in</strong> den 20er Jahren<br />
des letzten Jahrhunderts das erste Insul<strong>in</strong> aus Bauchspeicheldrüsen<br />
von R<strong>in</strong>dern und Schwe<strong>in</strong>en für die Therapie<br />
isoliert werden. Lange Zeit blieben Bauchspeicheldrüsen<br />
von Schlachtvieh die e<strong>in</strong>zige Quelle für Insul<strong>in</strong>. Die Aufklärung<br />
der Insul<strong>in</strong>struktur 1955 durch Sanger war die<br />
Grundlage für spätere Entwicklungsfortschritte, wie die<br />
chemische Umwandlung von Schwe<strong>in</strong>e- <strong>in</strong> Human<strong>in</strong>sul<strong>in</strong>,<br />
und schließlich die Herstellung des ersten gentechnischen<br />
Human<strong>in</strong>sul<strong>in</strong>s, das 1982 die Marktzulassung erhielt.<br />
Die technische Entwicklung von Applikationshilfen<br />
wie Insul<strong>in</strong>pumpen und Insul<strong>in</strong>pens sowie Blutzuckertests<br />
zur Durchführung durch den Patienten machten es<br />
möglich, von e<strong>in</strong>er relativ starren Therapie (Injektion e<strong>in</strong>er<br />
festen Dosis, 2-mal täglich) zum <strong>in</strong>tensivierten Therapieverfahren<br />
überzugehen (täglich > 5 Injektionen e<strong>in</strong>er<br />
variablen Dosis) und die tägliche Anwendung erträglicher<br />
zu machen. Bei Pens können K<strong>in</strong>der die notwendige<br />
Menge e<strong>in</strong>stellen und dann per "Knopfdruck" – wie bei<br />
e<strong>in</strong>em Kugelschreiber – dezent und schmerzfrei <strong>in</strong>jizieren.<br />
Bei Insul<strong>in</strong>pumpen wird kont<strong>in</strong>uierlich Insul<strong>in</strong> mit<br />
e<strong>in</strong>er kle<strong>in</strong>en, programmierbaren Pumpe über e<strong>in</strong>en Katheter<br />
(Infusionsset) <strong>in</strong> den Körper geleitet. Die Pumpe<br />
(etwa so groß wie e<strong>in</strong>e Zigarettenschachtel) muss dauerhaft<br />
am Körper getragen werden und kann nur kurzfristig<br />
(e<strong>in</strong> bis zwei Stunden pro Tag) abgelegt werden. In<br />
<strong>Deutschland</strong> tragen mehr als 3.000 K<strong>in</strong>der e<strong>in</strong>e Insul<strong>in</strong>pumpe,<br />
42 % von ihnen s<strong>in</strong>d jünger als 5 Jahre. 9 Das "Management"<br />
e<strong>in</strong>er Diabeteserkrankung wird nach e<strong>in</strong>er<br />
E<strong>in</strong>gewöhnungsphase für die meisten K<strong>in</strong>der selbstverständlich.<br />
Dies ist <strong>in</strong>sbesondere der Entwicklung unterschiedlicher<br />
gentechnischer Insul<strong>in</strong>e sowie k<strong>in</strong>dgerechter<br />
Applikationshilfen zu verdanken. Von daher ist es unverständlich,<br />
dass es derzeit Bestrebungen seitens des Geme<strong>in</strong>samen<br />
Bundesausschusses gibt, die Erstattung von<br />
Analog<strong>in</strong>sul<strong>in</strong>en bei K<strong>in</strong>dern e<strong>in</strong>zuschränken.<br />
Beim Typ-1-Diabetes richten sich die aktuellen Forschungsanstrengungen<br />
darauf, <strong>in</strong> Zukunft die Zerstörung<br />
der Betazellen durch die Aktivität verschiedener Immunzellen<br />
zu stoppen oder von vornhere<strong>in</strong> zu verh<strong>in</strong>dern.<br />
Hierzu werden verschiedene Ansätze geprüft:<br />
◊ "Befriedung" zytotoxischer T-Zellen (e<strong>in</strong>er Klasse von<br />
Immunzellen), die bei der Zerstörung der Betazellen<br />
e<strong>in</strong>e zentrale Rolle spielen, durch monoklonale Antikörper<br />
gegen das Oberflächeneiweiß CD3 oder durch<br />
Eiweiße, die körpereigenen nachempfunden s<strong>in</strong>d<br />
◊ Bekämpfung der B-Zellen (e<strong>in</strong>er anderen Klasse von<br />
Immunzellen) mit e<strong>in</strong>em bereits zur Behandlung von<br />
Blutkrebs und Rheumatoider Arthritis zugelassenen<br />
monoklonalen Antikörper<br />
◊ Störung der Kommunikation der Immunzellen untere<strong>in</strong>ander<br />
durch e<strong>in</strong> bereits zur Behandlung von Rheumatoider<br />
Arthritis e<strong>in</strong>gesetztes <strong>Bio</strong>pharmazeutikum<br />
◊<br />
Desensibilisierung durch "Impfung" mit Insul<strong>in</strong>.<br />
Darüber h<strong>in</strong>aus arbeiten mehrere Forschergruppen und<br />
Unternehmen seit vielen Jahren an e<strong>in</strong>er "künstlichen<br />
Bauchspeicheldrüse" 10 , die folgendermaßen arbeiten soll:<br />
E<strong>in</strong> dauerhaft im Körper platzierter Blutzuckersensor<br />
sendet se<strong>in</strong>e Messwerte an e<strong>in</strong>en M<strong>in</strong>icomputer, der <strong>in</strong><br />
Abhängigkeit von den Werten e<strong>in</strong>e fest <strong>in</strong>stallierte Insul<strong>in</strong>pumpe<br />
steuert. Eventuell steuert er zugleich auch noch<br />
e<strong>in</strong>e weitere Pumpe mit dem Hormon Glucagon, das e<strong>in</strong>er<br />
Unterzuckerung entgegenwirkt. Für Patienten, die<br />
mit e<strong>in</strong>em solchen System ausgestattet s<strong>in</strong>d, entfiele das<br />
ständige Blutzuckermessen und Insul<strong>in</strong>spritzen. Nur gelegentlich<br />
müssten sie die Vorräte der Pumpe(n) auffüllen<br />
und die Akkus nachladen. Damit könnte sich das Leben<br />
von K<strong>in</strong>dern mit Diabetes noch e<strong>in</strong>mal wesentlich<br />
vere<strong>in</strong>fachen. Bis zu e<strong>in</strong>em serienreifen Gerät müssen allerd<strong>in</strong>gs<br />
noch e<strong>in</strong>ige Hürden überwunden werden.<br />
4.3 E<strong>in</strong>satz von rekomb<strong>in</strong>antem Wachstumshormon<br />
bei Wachstumsstörungen<br />
Das normale Körperwachstum<br />
wird bestimmt durch e<strong>in</strong> Zusammenspiel<br />
von Vererbung (Körpergröße<br />
der Eltern), Umwelte<strong>in</strong>flüssen<br />
(Ernährung, Gewicht<br />
und z. B. Begleiterkrankungen)<br />
sowie Hormonen. Das zentrale<br />
Hormon ist das Wachstumshormon<br />
Somatotrop<strong>in</strong> ("growth hormone",<br />
GH). Es wird <strong>in</strong> der Hirnanhangsdrüse<br />
(Hypophyse)<br />
gebildet und, nach Stimulierung<br />
durch e<strong>in</strong> Freisetzungshormon im Hypothalamus, <strong>in</strong>s<br />
Blut abgegeben. Dort wirkt es auf zahlreiche Körperzel-<br />
24 The Boston Consult<strong>in</strong>g Group