Medizinische Biotechnologie in Deutschland 2010 - VFA Bio
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Zwei Drittel der Erkrankungen werden über e<strong>in</strong> defektes<br />
X-Chromosom vererbt. Bei dem verbleibenden Drittel<br />
der Patienten liegt e<strong>in</strong>e spontane Mutation auf dem X-<br />
Chromosom vor. Da bei männlichen Personen ke<strong>in</strong> Ausgleich<br />
des defekten X-Chromosoms erfolgen kann, s<strong>in</strong>d<br />
meist Jungen und Männer betroffen; die Frauen s<strong>in</strong>d fast<br />
immer nur Überträger<strong>in</strong>nen. 28 Die Diagnose basiert auf<br />
Ger<strong>in</strong>nungsuntersuchungen und genetischen Analysen.<br />
Je nach Identität des fehlenden bzw. defekten Faktors unterscheidet<br />
man zwischen Hämophilie A, bei der Faktor<br />
VIII fehlt (80 % der Fälle), und Hämophilie B, bei der Faktor<br />
IX fehlt (20 % der Fälle). Die Hämophilie A tritt mit<br />
e<strong>in</strong>er Inzidenz von 1 : 5.000 männlichen Geburten auf,<br />
die Hämophilie B ist etwa fünf- bis sechsmal seltener. Die<br />
Prävalenz <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> liegt für Hämophilie A bei 1,3<br />
bzw. für Hämophilie B bei 0,2 pro 10.000 K<strong>in</strong>der. Außer<br />
der Hämophilie A oder B treten andere Mangelzustände<br />
an Ger<strong>in</strong>nungsfaktoren (Faktor V, VII, X, XI oder XIII) auf,<br />
die je nach Schweregrad zu e<strong>in</strong>er leichten oder deutlich<br />
ausgeprägten Blutungsneigung führen können.<br />
Je nach Restaktivität des jeweiligen Faktors VIII oder IX<br />
unterscheidet man zwischen schwerer Hämophilie (Aktivität<br />
< 1 % <strong>in</strong> ca. 60 % der Fälle), moderater/mittelschwerer<br />
Hämophilie (Aktivität zwischen 1 und 5 %) und leichter<br />
Hämophilie (Aktivität 5 bis 15 %). Die Symptome<br />
reichen von dauerhaftem Bluten und Wiederaufbrechen<br />
gestillter Blutungen bis h<strong>in</strong> zu Spontanblutungen vor<br />
allem <strong>in</strong> Gelenken und Muskeln bei schwerer Hämophilie.<br />
Die Folgen s<strong>in</strong>d dauerhafte Gelenkdeformationen,<br />
Funktionsverluste <strong>in</strong> Muskeln/Gelenken und Versteifungen.<br />
Lebensgefahr droht vor allem bei Blutungen <strong>in</strong><br />
<strong>in</strong>neren Organen, im Kopfbereich und im Gehirn sowie<br />
bei Unfällen.<br />
Zur Therapie wird den Betroffenen der jeweils fehlende<br />
Ger<strong>in</strong>nungsfaktor zugeführt. Bei konventionellen Herstellungsverfahren<br />
wird der Faktor durch schonende Re<strong>in</strong>igungsverfahren<br />
aus humanem Blutplasma isoliert,<br />
gere<strong>in</strong>igt und angereichert. Das Risiko e<strong>in</strong>er Verunre<strong>in</strong>igung<br />
durch Viren oder andere Pathogene ist heutzutage<br />
durch entsprechende Inaktivierungs- und Abreicherungsverfahren<br />
m<strong>in</strong>imal. Mittlerweile ist auch die Herstellung<br />
von Ger<strong>in</strong>nungsfaktoren mittels Gentechnik möglich, so<br />
dass unabhängig von der Spendebereitschaft von Blutplasma<br />
e<strong>in</strong>e ausreichende Versorgung gewährleistet ist.<br />
Die auf dem Markt bef<strong>in</strong>dlichen <strong>Bio</strong>pharmazeutika umfassen<br />
neben Octocog alfa und Moroctocog alfa (Faktor<br />
VIII) auch Nonacog alfa (Faktor IX) und Eptacog alfa<br />
(Faktor VII).<br />
Abb. 17: Hämophilie: Fortschritte durch Therapie mit Ger<strong>in</strong>nungsfaktoren<br />
Prophylaktische Therapie verbessert Gelenkstruktur und vermeidet Gelenkschäden<br />
+69 %<br />
-83 %<br />
Häufigkeit 93 %<br />
55 %<br />
1,0<br />
Bedarfstherapie<br />
Prophylaxe<br />
0,17<br />
Patient ohne Therapie<br />
Patienten ohne<br />
Gelenkschäden<br />
Relatives Risiko für<br />
Gelenkschäden<br />
Quelle: l<strong>in</strong>ks: Bayer Scher<strong>in</strong>g Pharma; rechts: Abbildung basierend auf Manco-Johnson et al., 2007, N Engl J Med<br />
34 The Boston Consult<strong>in</strong>g Group