Die Idee des Kommunitarismus (PDF) - Homepage von Stephan Barth
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lediglich noch die Qualität eines Mietvertrages besitze. 6 Immer mehr Eltern seien nicht mehr bereit, für<br />
eine adäquate Versorgung ihrer Kinder Sorge zu tragen, sie seien viel eher am eigenen beruflichen<br />
Fortkommen interessiert. <strong>Die</strong> Quote der Familien, in denen beide Elternteile berufstätig sind, steige<br />
ständig. 7<br />
<strong>Die</strong> Moral am Arbeitsplatz sei drastisch gesunken, erkennbar daran, daß fast die Hälfte der Amerikaner<br />
einräume, am Arbeitsplatz häufig krank zu spielen oder mit falschen Entschuldigungen zu fehlen,<br />
außerdem räume ein Sechstel ein, während der Arbeitszeit Alkohol und Drogen zu konsumieren. 8<br />
Im öffentlichen Leben jage ein Skandal den anderen, weil Politiker eine freizügige Sexualmoral an den<br />
Tag legen oder sich <strong>von</strong> Interessengruppen mit Geldzuwendungen beeinflussen lassen. <strong>Die</strong>s habe dazu<br />
geführt, daß "Unehrlichkeit" <strong>von</strong> fast der Hälfte der Amerikaner für ein gängiges Politiker-Merkmal<br />
gehalten werde. 9<br />
Zu viele Unternehmer seien nicht mehr bereit, sich ihrer Führungsverantwortung zu stellen: "Durch<br />
Spekulation, Vetternwirtschaft, Bestechung und die Plünderung der Tresore sind viele Bausparkassen,<br />
Banken, Versicherungen und Pensionsfonds an den Rand der Zahlungsunfähigkeit gebracht worden",<br />
wodurch "das Vertrauen der Öffentlichkeit erschüttert und damit unsere Wirtschaftskraft beeinträchtigt"<br />
10 worden sei.<br />
All dies führe dazu, daß es zu einer fortschreitenden sozialen Anarchie komme, die auf Dauer die<br />
Grundlagen der demokratischen Gesellschaft zerstöre. In Ansätzen sei dies bereits erkennbar in der<br />
Zunahme <strong>des</strong> religiösen Fundamentalismus, der auf eine weitgehende Abschaffung individueller Rechte<br />
bei gleichzeitiger Einführung einer starren Ordnung abziele.<br />
1.3. <strong>Kommunitarismus</strong> vs. Individualismus<br />
Worauf beruht nach Ansicht der Kommunitarier diese moralische Erosion? Zur Beantwortung dieser<br />
Frage ist auf den Disput zwischen <strong>Kommunitarismus</strong> und Liberalismus einzugehen, der in ETZIONIS<br />
Abhandlung über die Verantwortungsgesellschaft (1997) einen zentralen Stellenwert einnimmt. Der<br />
<strong>Kommunitarismus</strong> wird verortet zwischen Sozialkonservativen auf der einen Seite und den Liberalisten<br />
auf der anderen. Interessanterweise grenzt er sich gegen liberale Strömungen viel stärker ab als gegen<br />
konservative. Er vertritt die Grundthese, daß in den letzten Jahrzehnten in dem Bemühen, die Freiheit<br />
weiter auszudehnen, die "ohnehin schon geschwächten Fundamente der sozialen Tugenden weiter<br />
ausgehöhlt" 11 worden seien. Den Begriff "liberal" verortet er dabei keineswegs konkret im politischen<br />
Spektrum, ebenso wie der <strong>Kommunitarismus</strong> sich nicht in das übliche "Links-Rechts-Schema" pressen<br />
lasse. Da Liberale in unterschiedlichen Konnotationen sowohl im rechten, als auch im linken Spektrum<br />
anzutreffen seien, verwendet ETZIONI (1997) den umfassenden Begriff der "Individualisten". 12<br />
Den entscheidenden Gegensatz sieht er darin, daß die Individualisten "das Bedürfnis nach sozialer<br />
Ordnung zwar keineswegs leugnen, aber eine lockere (thin) Ordnung bevorzugen. Zudem soll diese sich<br />
nur aus dem Willen frei handelnder Individuen ableiten und legitimieren können. Im Gegensatz dazu<br />
behaupten Kommunitaristen, es bedürfe einer sozialen Ordnung, die sich durch eine Reihe gemeinsam<br />
geteilter Werte auszeichnet, deren Verpflichtungscharakter den Individuen vermittelt werden müsse." 13<br />
Der <strong>Kommunitarismus</strong> sucht nun, aus den Auffassungen der Individualisten einerseits und der Sozialkonservativen<br />
andererseits eine Synthese herzustellen. Wichtig sei, die Denkfalle zu meiden, "wonach<br />
ein Mehr an auferlegter Ordnung ein Weniger an Wahlfreiheit bedeute - und umgekehrt - ein Mehr an<br />
6 Vgl. ebd.<br />
7 Vgl. ebd., S. 34.<br />
8 Vgl.ebd., S. 31.<br />
9 Vgl. ebd, S. 32.<br />
10 ebd., S. 33.<br />
11 ETZIONI 1997, S. 18.<br />
12 Vgl. ebd, S. 29ff.<br />
13 ebd., S. 35.