Taxonomie von Lern-, Lehr- und Prüfungszielen - Peter Baumgartner
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<strong>Taxonomie</strong> <strong>von</strong> <strong>Lern</strong>-, <strong>Lehr</strong><strong>und</strong><br />
<strong>Prüfungszielen</strong><br />
<strong>Peter</strong> <strong>Baumgartner</strong><br />
6. Jänner 2011<br />
Zu zitieren als:<br />
<strong>Baumgartner</strong>, <strong>Peter</strong>:<br />
<strong>Taxonomie</strong> <strong>von</strong> <strong>Lern</strong>-, <strong>Lehr</strong>- <strong>und</strong> <strong>Prüfungszielen</strong>.<br />
Entwurf des zweiten Kapitels <strong>von</strong> „Plädoyer für didaktische Vielfalt – Zur <strong>Taxonomie</strong><br />
<strong>von</strong> Unterrichtsmethoden“.<br />
Donau-Universität Krems: Manuskript 2011, Konzeptversion vom 6. Jänner 2011.
Inhaltsverzeichnis<br />
1 <strong>Taxonomie</strong> <strong>von</strong> <strong>Lern</strong>-, <strong>Lehr</strong>- <strong>und</strong> <strong>Prüfungszielen</strong> – ein Beispiel . . . . . . . . . . 4<br />
1.1 Intention <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>struktur der <strong>Taxonomie</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5<br />
1.1.1 Schwächen der Bloom’schen <strong>Taxonomie</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . 5<br />
1.1.2 Die neue <strong>Taxonomie</strong> nach Anderson & Krahtwohl . . . . . . . . . . . . 6<br />
1.2 Lesson learned – Erfahrungen aus der <strong>Lern</strong>zieltaxonomie . . . . . . . . . . . 17<br />
1.2.1 Abgegrenzter Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17<br />
1.2.2 Notationssysteme, aber keine Werturteile . . . . . . . . . . . . . . . . . 17<br />
1.2.3 Sprache <strong>und</strong> Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18<br />
1.2.4 Vokabular <strong>und</strong> Heuristiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18<br />
1.2.5 Abstraktionsniveau <strong>und</strong> Granularität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20<br />
1.2.6 Dimensionen, Kriterien <strong>und</strong> deren Operationalisierung . . . . . . . . . 20<br />
1.3 Zusammenfassung: Vorteile einer <strong>Taxonomie</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21<br />
Referenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24<br />
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24<br />
Internet Adressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24<br />
2
Abbildungs- <strong>und</strong> Tabellenverzeichnis<br />
Abbildungsverzeichnis<br />
1.1 <strong>Taxonomie</strong>-Tabelle nach Anderson <strong>und</strong> Kollegen . . . . . . . . . . . . . . . 11<br />
Tabellenverzeichnis<br />
1.1 <strong>Taxonomie</strong> der kognitiven <strong>Lehr</strong>- <strong>und</strong> <strong>Lern</strong>ziele nach Bloom . . . . . . . . . . 7<br />
1.2 Die kognitive Prozessdimension im Detail . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12<br />
1.3 Die Wissensdimension im Detail . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15<br />
1.4 Aspekte verschiedener Abstraktionsniveaus <strong>von</strong> <strong>Lern</strong>zielen . . . . . . . . . . 20<br />
3
1 <strong>Taxonomie</strong> <strong>von</strong> <strong>Lern</strong>-, <strong>Lehr</strong>- <strong>und</strong><br />
<strong>Prüfungszielen</strong> – ein Beispiel<br />
In diesem Kapitel werde ich am Beispiel der “Taxonomy for Learning, Teaching and<br />
Assessing” (Anderson u.a. 2001) über ein systematisches Gliederungssystem <strong>von</strong> Bildungszielen<br />
referieren. Warum ich gerade diese <strong>Taxonomie</strong> wähle, hat eine zweifache<br />
Motivation:<br />
1. Einerseits handelt es sich m eine <strong>Taxonomie</strong> aus dem Bildungsbereich <strong>und</strong> es gibt<br />
naturgemäß einige inhaltliche Querbezüge zu den <strong>von</strong> mir vorgeschlagenen Ordnungssystem<br />
<strong>von</strong> Unterrichtsmethoden. Ich möchte an der bereits im Detail ausgearbeiteten<br />
Gliederungssystematik für <strong>Lern</strong>en, <strong>Lehr</strong>en <strong>und</strong> Prüfen aufzeigen, dass<br />
<strong>Taxonomie</strong>n im Bildungsbereich ihre inhaltliche Berechtigung haben indem sie zur<br />
Hebung der Unterrichtsqualität beitragen können.<br />
2. Andererseits – <strong>und</strong> das ist meine hauptsächliche Motivation – möchte ich Konstruktion,<br />
Umgang <strong>und</strong> Wirkung einer <strong>Taxonomie</strong> für den Bildungsbereich aufzeigen <strong>und</strong><br />
diskutieren. Unter diesem Aspekt geht es also nicht direkt um die inhaltliche Ebene,<br />
sondern um eine Argumentation auf der Meta-Ebene: Am Beispiel der <strong>Taxonomie</strong><br />
<strong>von</strong> Bildungszielen sollen allgemeine Konstruktions-, Nutzungs- <strong>und</strong> Wirkungsmuster<br />
<strong>von</strong> Ordnungssystemen dargestellt werden.<br />
Eine <strong>Taxonomie</strong> ist ein kognitives Werkzeug, das für einen bestimmten inhaltlichen Problembereich<br />
konstruiert wurde. Das Werkzeug alleine kann das Problem noch nicht lösen,<br />
sondern muss entsprechend seiner Funktionen geschickt zur Zielerreichung genutzt werden.<br />
Weder die bloßen Eigenschaften des Werkzeugs noch eine geschickte Handhabung<br />
können für sich alleine den erfolgreichen Einsatz garantieren. Notwendig zur Zielerreichung<br />
ist ein integrierendes Zusammenspiel <strong>von</strong> Funktionalität <strong>und</strong> Anwendungsfällen.<br />
Weil aber <strong>Taxonomie</strong>n kognitive Werkzeuge sind, ist ihre sachgerechte Nutzung <strong>und</strong><br />
selbst der erfolgreiche Einsatz nicht leicht zu beurteilen. Im Gegensatz zur Nutzung eines<br />
Hammers um einen Nagel in die Wand einzuschlagen damit ein Bild aufgehängt werden<br />
kann, liegen misslungene Aktionen nicht auf der Hand (bzw. auf dem Boden), sondern<br />
sind selbst wiederum nur durch Interpretationen <strong>und</strong> Konstruktionen (“Was ist unter<br />
<strong>Lern</strong>erfolg zu verstehen?”, “Wie wird <strong>Lern</strong>erfolg gemessen?”) zugänglich.<br />
4
1 <strong>Taxonomie</strong> <strong>von</strong> <strong>Lern</strong>-, <strong>Lehr</strong>- <strong>und</strong> <strong>Prüfungszielen</strong> – ein Beispiel<br />
1.1 Intention <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>struktur der <strong>Taxonomie</strong><br />
1.1.1 Schwächen der Bloom’schen <strong>Taxonomie</strong><br />
Das Buch “A Taxonomy for Learning, Teaching and Assessing - A Revision of Bloom’s<br />
Taxonomy of Educational Objectives” (Anderson u.a. 2001) baut – wie aus dem Titel<br />
bereits ersichtlich – auf die 1956 <strong>von</strong> Benjamin Bloom herausgegebene <strong>Taxonomie</strong> auf<br />
(Bloom u.a. 1956). Die Bloom’sche <strong>Taxonomie</strong> ist heute bereits durchaus als Klassiker<br />
anzusehen, d.h. Bemühungen zur systematischen Gliederung <strong>von</strong> <strong>Lern</strong>- <strong>und</strong> <strong>Lehr</strong>zielen<br />
müssen sie als Gr<strong>und</strong>lage bzw. Benchmark referenzieren. Ihr Gr<strong>und</strong>muster ist eine Liste<br />
<strong>von</strong> sechs kognitiven Bildungszielen, wo<strong>von</strong> jedes wiederum unterschiedlich detailliert<br />
unterteilt ist. Die <strong>Taxonomie</strong> ist damit ein-dimensional aufgebaut. Darin besteht ein<br />
wesentlicher Unterschied zu ihrer zwei-dimensionalen Erweiterung in Form einer Tabelle<br />
durch Anderson <strong>und</strong> Kolleg/-innen.<br />
Schon bei einem oberflächlichen Blick auf die Inhalte der Bloom’sche <strong>Taxonomie</strong> Tabelle<br />
1.1 werden zwei ihrer Grenzen deutlich:<br />
• Es handelt sich um ein Gliederungssystem für die kognitiven <strong>Lehr</strong>- <strong>und</strong> <strong>Lern</strong>aspekte;<br />
sowohl der emotionale Bereich (Krathwohl, Bloom <strong>und</strong> Masia 1965) als auch die<br />
psychomotorischen Fertigkeiten (Harrow 1972) sind ausgeklammert <strong>und</strong> wurden<br />
erst später durch eigene Ordnungssysteme ergänzt.<br />
• Der Vorteil, dass sie gleichermaßen für alle Fachgebiete gültig zu sein hat, wurde<br />
durch einen relativ hohen Abstraktionsgrad realisiert. “Ideally each major field<br />
should have its own taxonomy of objectives in its own language — more details,<br />
closer to the special language and thinking of its experts, reflecting its own appropriate<br />
sub-divisions and levels of education, with possible new categories, combinations<br />
of categories and omitting categories as appropriate.” (Anderson u.a.<br />
2001:S. xxvii)<br />
Bei der Bloom’schen <strong>Taxonomie</strong> handelt es sich also um ein Gliederungssystem, das<br />
bloß einen Teil der für Bildungsprozesse relevanten Aspekte strukturiert. Wie sich aber<br />
zeigen wird, waren diese Einschränkungen aber nicht die Ursache für die Entwicklung<br />
einer adaptierten <strong>und</strong> erweiterten Form der <strong>Taxonomie</strong>. Die neue <strong>Taxonomie</strong> <strong>von</strong> Anderson<br />
<strong>und</strong> Kolleg/-innen weist die gleichen Beschränkungen wie ihr Vorgänger auf. Sie<br />
ist auf kognitive Aspekte beschränkt <strong>und</strong> hat einen relativ hohen Abstraktionsgrad. Die<br />
Motivation für eine Adaption ergab sich aus neueren Erkenntnisse der <strong>Lehr</strong>- <strong>und</strong> <strong>Lern</strong>forschung,<br />
der die Aktivität der <strong>Lern</strong>enden betonte <strong>und</strong> mit einem Paradigmenwechsel<br />
verb<strong>und</strong>en war: Statt sich überwiegend auf die Vermittlung <strong>von</strong> Inhalten durch geeignete<br />
<strong>Lehr</strong>strategien zu konzentrieren (<strong>Lehr</strong>endenzentrierung), kamen immer mehr die Subjekte<br />
des Bildungsprozesses – die <strong>Lern</strong>enden selbst – in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit<br />
(<strong>Lern</strong>endenzentrierung).<br />
Aus diesem Gr<strong>und</strong> wurde das ursprüngliche Ordnungssystem in mehreren zentralen<br />
Punkten überarbeitet:<br />
• Die vorherrschende Rolle der passiven Erinnerung wurde zurück genommen bzw.<br />
aufgelöst. Die Tabelle 1.1 zeigt diese Dominanz schon alleine durch den hohen<br />
5
1 <strong>Taxonomie</strong> <strong>von</strong> <strong>Lern</strong>-, <strong>Lehr</strong>- <strong>und</strong> <strong>Prüfungszielen</strong> – ein Beispiel<br />
Detaillierungsgrad recht deutlich. Die Hälfte der <strong>Taxonomie</strong> beschäftigt sich mit<br />
der passiven Erinnerung unterschiedlicher Wissensarten, d.h. mit dem Abrufen<br />
<strong>von</strong> irgendwelchen Wissensinhalten aus Langzeitgedächtnis.<br />
• Die neue <strong>Taxonomie</strong> betont Unterkategorien, die dem realen Unterrichtsgeschehen<br />
<strong>und</strong> der Alltagssprache näher sind. Um die aktive Rolle der <strong>Lern</strong>enden zu betonen<br />
wurden die Substantive der kognitiven Aspekte durch Verben ersetzt <strong>und</strong> auf der<br />
Gr<strong>und</strong>lage neuer Erkenntnisse umbenannt <strong>und</strong> umorganisiert. So wurde beispielsweise<br />
die ursprüngliche Reihenfolge <strong>von</strong> Synthese <strong>und</strong> Evaluation vertauscht <strong>und</strong><br />
zu evaluieren (bewerten) <strong>und</strong> erzeugen umbenannt.<br />
• Wissensarten <strong>und</strong> kognitive Prozesse wurden getrennt, so dass sie nun explizit<br />
adressierbar sind. Die <strong>Taxonomie</strong> wurde dadurch <strong>von</strong> der ein-dimensionalen Listenform<br />
auf eine zwei-dimensionale Tabellenform erweitert. Die Einordnung erfolgt<br />
durch die adäquate Formulierung eines <strong>Lern</strong>ziels, das jeweils aus einem Verbum (kognitiver<br />
Prozess) <strong>und</strong> einem Substantiv (Wissensart) besteht <strong>und</strong> ist die Gr<strong>und</strong>lage<br />
für die heuristische <strong>und</strong> analytische Funktion der <strong>Taxonomie</strong>.<br />
• Der fast ausschließliche Fokus auf die Operationalisierung <strong>von</strong> Beurteilungs- <strong>und</strong><br />
Prüfungsmethoden in der Bloom’schen <strong>Taxonomie</strong> wurde gleichermaßen auf <strong>Lehr</strong>methoden,<br />
<strong>Lern</strong>prozesse <strong>und</strong> Prüfungsmethoden ausgeweitet. Die neue <strong>Taxonomie</strong><br />
kann gleichermaßen für die Planung des Unterrichts, des Curriculums <strong>und</strong> der Prüfung<br />
verwendet werden. Durch den Abgleich (alignment) dieser drei Anwendungstypen<br />
entsteht ein weiterer wichtiger Zusatznutzen der <strong>Taxonomie</strong>: Sie kann zur<br />
Überprüfung der inneren Konsistenz dieser drei Planungsvorgänge verwendet werden.<br />
Es können nun Fragen wie z.B.“Entsprechen die Prüfungen den inhaltlichen<br />
<strong>Lern</strong>zielen” beantwortet werden <strong>und</strong> die <strong>Taxonomie</strong> ist insgesamt auf ein breiteres<br />
Publikum – das nicht nur mehr Bildungs- <strong>und</strong> Assessment-Expertinnen <strong>und</strong><br />
-Experten, sondern wesentlich auch <strong>Lehr</strong>er/-innen einschließt – ausgerichtet.<br />
1.1.2 Die neue <strong>Taxonomie</strong> nach Anderson & Krahtwohl<br />
Die Gr<strong>und</strong>form der <strong>Taxonomie</strong> nach Anderson u.a. ist aus Abbildung 1.1 auf Seite 11<br />
ersichtlich. Es gibt auf der x-Achse 6 kognitive Prozessdimensionen, die sich <strong>von</strong> einfachen<br />
bis zu komplexen Dimensionen gliedern. Das Gliederungskriterium ist hier also die<br />
Komplexität der jeweiligen kognitiven Prozesse.<br />
6
Tabelle 1.1: <strong>Taxonomie</strong> der kognitiven <strong>Lehr</strong>- <strong>und</strong> <strong>Lern</strong>ziele nach Bloom u. a. (1956), exzerpiert aus Anderson u. a. (2001:313-319).<br />
Nr. <strong>Lern</strong>-/<strong>Lehr</strong>ziel Beschreibung<br />
7<br />
1.00 Wissen<br />
Wissen<br />
Wissen wird bei Bloom sowohl als das Erinnern <strong>von</strong> allgemeinen Eigenschaften als auch Besonderheiten<br />
<strong>und</strong> Details verstanden. Darunter fällt das unveränderte <strong>und</strong> unbearbeitete Abrufen <strong>von</strong><br />
Fakten, Methoden, Prozesse, Muster, Strukturen <strong>und</strong> Settings.<br />
1.10 Detailwissen Erinnern <strong>von</strong> spezifischem <strong>und</strong> isoliertem Detailwissen auf einem sehr geringem Abstraktionsgrad.<br />
1.11 Begriffswissen Erinnern <strong>von</strong> Fachbegriffen in ihrer Bedeutung.<br />
1.12 Faktenwissen Erinnern <strong>von</strong> Ereignissen, Personen, Orten <strong>und</strong> Zeiten.<br />
1.20<br />
1.21<br />
1.22<br />
1.23<br />
Wissen, wie Details <strong>und</strong><br />
Fakten behandelt werden<br />
können<br />
Wissen über Regeln <strong>und</strong><br />
Konventionen<br />
Wissen über Trends <strong>und</strong><br />
Zeitfolgen<br />
Wissen über Einordnung<br />
<strong>und</strong> Kategorien<br />
1.24 Wissen über Kriterien<br />
1.25<br />
Methodologisches Wissen<br />
Sich erinnern wie mit Dingen, Prozessen, Mustern etc. umgegangen werden kann; wie sie untersucht,<br />
organisiert, bewertet <strong>und</strong> kritisiert werden können. Es ist bloßes Erinnern gemeint <strong>und</strong><br />
dementsprechend wird keine Handlung der Studierenden verlangt. Dieses kognitive Ziel liegt im<br />
Abstraktionsniveau zwischen dem Erinnern <strong>von</strong> Details <strong>und</strong> dem Erinnern <strong>von</strong> allgemeinen Konzepten.<br />
Sich an Wissen über charakteristische Handlungs-, Kommunikations-, <strong>und</strong> Verwendungsformen<br />
erinnern.<br />
Sich an Wissen über Prozesse, Richtungen <strong>und</strong> Bewegungen <strong>von</strong> Phänomenen in ihrem zeitlichen<br />
Verlauf erinnern.<br />
Sich an Wissen über Klassen, Gruppen, Komponenten, Gliederungen <strong>und</strong> Arrangements <strong>von</strong> Erscheinungen<br />
erinnern, die für ein bestimmtes Fachgebiet gr<strong>und</strong>legend sind.<br />
Sich an Wissen über Kennzeichnen <strong>und</strong> Merkmale erinnern, mit denen Fakten, Prinzipien, Meinungen<br />
<strong>und</strong> Verhalten untersucht <strong>und</strong> bewertet werden können.<br />
Wissen <strong>von</strong> Untersuchungstechniken, -prozeduren <strong>und</strong> -methoden, die für ein bestimmten Fachgebiet<br />
für die Untersuchung <strong>von</strong> spezifischen Problemen <strong>und</strong> Phänomenen notwendig sind.<br />
1 <strong>Taxonomie</strong> <strong>von</strong> <strong>Lern</strong>-, <strong>Lehr</strong>- <strong>und</strong> <strong>Prüfungszielen</strong> – ein Beispiel<br />
wird fortgesetzt. ..
Nr. <strong>Lern</strong>-/<strong>Lehr</strong>ziel Beschreibung<br />
8<br />
1.30<br />
1.31<br />
1.32<br />
Allgemeines Wissen zu<br />
einem Fachgebiet<br />
Wissen über Prinzipien<br />
<strong>und</strong> Verallgemeinerungen<br />
Wissen über Theorien<br />
<strong>und</strong> Strukturen<br />
2.00 Verständnis<br />
2.10 Übersetzung<br />
2.20 Interpretation<br />
2.30 Extrapolation<br />
3.00 Anwendung<br />
4.00 Analyse<br />
Sich an Wissen über die gr<strong>und</strong>legenden Schemata, Prinzipien <strong>und</strong> Muster erinnern nach denen<br />
Erscheinungen <strong>und</strong> Ideen eines bestimmten Fachgebiets strukturiert sind. Es geht hier um Metastrukturen,<br />
um Theorien <strong>und</strong> Verallgemeinerungen, dem höchste Abstraktionsniveau <strong>von</strong> Wissen.<br />
Sich an Wissen über besondere Verallgemeinerungen, die Beobachtungen <strong>von</strong> Erscheinungen zusammenfassen,<br />
erinnern können.<br />
Sich an ein System <strong>von</strong> Prinzipien <strong>und</strong> Verallgemeinerungen erinnern, die zusammen ein vollständiges<br />
<strong>und</strong> konsistentes Bild komplexer Erscheinungen <strong>und</strong> Problemen innerhalb eines Fachgebiets<br />
ergeben.<br />
Intellekturelle Fähigkeiten <strong>und</strong> Fertigkeiten<br />
Verstehen was kommuniziert wurde <strong>und</strong> das vermittelte Material nutzen, auch wenn nicht alle<br />
Zusammenhänge <strong>und</strong> Implikationen erfasst werden können. Repräsentiert das niedrigesten Niveau<br />
<strong>von</strong> Verständnis.<br />
Inhalte können inhaltlich <strong>und</strong> genau mit eigenen Worten oder in anderen Symbolsystemen (Mathematik,<br />
Sprachen) wiedergegeben werden.<br />
Inhalte können erklärt oder zusammmengefasst werden. Zum Unterschied <strong>von</strong> der Übersetzung<br />
geht es hier nicht um getreue Abbildung sondern um eine Neustrukturierung der Inhalte.<br />
Trends oder Tendenzen können über die unmittelbar vorliegenden Daten hinweg in ihren Implikationen,<br />
Konsequenzen, (Seiten-)Effekten beschrieben werden.<br />
Abstraktionen in besonderen <strong>und</strong> konkreten Situationen verwenden können. Diese Abstraktionen<br />
können allgemeine Idee, prozedurale Regeln, Methoden oder Theorien sein, die erinnert <strong>und</strong><br />
angewendet werden.<br />
Das Aufbrechen <strong>von</strong> Inhalten in ihre konstitutiven Teile derart, dass die relative Hierarchie der<br />
Ideen <strong>und</strong> ihrer Beziehungen klar <strong>und</strong> explizit gemacht werden.<br />
1 <strong>Taxonomie</strong> <strong>von</strong> <strong>Lern</strong>-, <strong>Lehr</strong>- <strong>und</strong> <strong>Prüfungszielen</strong> – ein Beispiel<br />
4.10 Elementen-Analyse Identifizierung der inhaltlichen Elemente.<br />
4.20 Relationen-Analyse Die Verbindungen <strong>und</strong> Beziehungen zwischen den inhaltlichen Elementen klarlegen.<br />
wird fortgesetzt. ..
Nr. <strong>Lern</strong>-/<strong>Lehr</strong>ziel Beschreibung<br />
4.30<br />
Analyse <strong>von</strong> Organisationsprinzipien<br />
Das systematische Arrangement, die Struktur <strong>und</strong> die Muster offen legen unter denen die Inhalte<br />
organisiert bzw. zusammengefasst sind.<br />
9<br />
5.00 Synthese<br />
5.10<br />
5.20<br />
5.30<br />
Produktion einer einzigartigen<br />
Kommunikation<br />
Produktion eines<br />
(Handlungs-)Plans<br />
Ableitung einer Sammlung<br />
abstrakter Beziehungen<br />
6.00 Evaluation<br />
6.10<br />
6.20<br />
Beurteilung auf Gr<strong>und</strong>lage<br />
interner Evidenz<br />
Beurteilung auf Gr<strong>und</strong>lage<br />
externer Kriterien<br />
Das Zusammensetzen <strong>von</strong> inhaltlichen Elementen erfordert das prozessuelle Verarbeiten <strong>von</strong> Teilen<br />
bzw. Stücken eines inhaltlichen Zusammenhangs, ihre Restrukturierung <strong>und</strong> Kombination zu<br />
einem neuen Muster, einer neuen Struktur.<br />
Die Entwicklung einer schriftlichen oder mündlichen Kommunikation in der Studierende ihre Ideen,<br />
Gefühle oder Erfahrungen anderen Personen verständlich mitgeteilen können.<br />
Die eigenständige Entwicklung <strong>von</strong> Arbeitsplänen oder einer Sammlung <strong>von</strong> Operationen, die als<br />
Vorschlag für einen Handlungsstrategie zur Erfüllung der anstehenden Aufgaben dienen können.<br />
Die Entwicklung einer Sammlung <strong>von</strong> abstrakten Beziehungen, die entweder der Klassifzierung<br />
oder Erklärung besonderer Phänomene dienen können. Auch die Ableitung <strong>von</strong> Aussagen <strong>und</strong><br />
Beziehungen aus einer Sammlung übergeordneter Prinzipien oder symbolischer Repräsentationen<br />
fällt darunter.<br />
Sowohl quantitative als auch qualitative Beurteilung inwieweit die Inhalte <strong>und</strong> Methoden die<br />
übermittelten oder eingeständig entwickelten Kriterien für einen gegebenen Zweck erfüllen.<br />
Beurteilung Inhalte nach internen Kriterien wie z.B. innere Stimmigkeit, logische Entsprechung<br />
usw.<br />
Beurteilung der Inhalte nach ausgewählten oder erinnerten Kriterien aus anderen inhaltlichen<br />
Zusammenhängen.<br />
Tabelle beendet<br />
1 <strong>Taxonomie</strong> <strong>von</strong> <strong>Lern</strong>-, <strong>Lehr</strong>- <strong>und</strong> <strong>Prüfungszielen</strong> – ein Beispiel
1 <strong>Taxonomie</strong> <strong>von</strong> <strong>Lern</strong>-, <strong>Lehr</strong>- <strong>und</strong> <strong>Prüfungszielen</strong> – ein Beispiel<br />
In der ursprünglichen Bloom’schen Version wurde nicht nur ein hierarchischer Aufbau<br />
angenommen, sondern sogar eine kumulative bzw. inklusive Hierarchie – d.h. die höhere<br />
Ebene schließt die untere Ebene vollkommen in sich ein. Obwohl es intuitiv einsichtig<br />
wäre, dass die 6 kognitiven Prozesse der Adaption ebenfalls eine inklusive Hierarchie<br />
darstellen (d.h., dass z.B.“anwenden” sowohl “erinnern” als auch “verstehen” einschließt<br />
bzw. voraussetzt), wird <strong>von</strong> dieser Annahme Abstand genommen. Empirische Ergebnisse<br />
nämlich darauf hin, dass nur bei den unteren 4 Ebenen eine solche Hierarchie durch Daten<br />
belegbar ist. Die kognitiven Prozesse “bewerten” <strong>und</strong> “erzeugen” sind jedoch so komplex<br />
<strong>und</strong> vielgestaltig, dass bei ihnen nicht mehr <strong>von</strong> einer klaren hierarchischen Abgrenzung<br />
<strong>und</strong> Inklusion ausgegangen werden kann (287ff).<br />
Die y-Achse stellt Dimensionen der Wissensarten dar <strong>und</strong> ist insgesamt gesehen weniger<br />
klar abgegrenzt. Die Arbeitsgruppe zur Erstellung der <strong>Taxonomie</strong> hat z.B. viel darüber<br />
nachgedacht, ob meta-kognitives Wissen auf derselben Ebene wie Fakten-, Begriffs- <strong>und</strong><br />
prozedurales Wissen liegt <strong>und</strong> nicht eher als eigene 3. Dimension angesehen werden soll.<br />
Die gr<strong>und</strong>legende Idee der taxonomischen Einordnung besteht nun darin, dass <strong>Lern</strong>ziele<br />
als Sätze gebildet werden, die den kognitiven Prozess (Verb) auf ein Thema (Substantiv)<br />
anwenden. Entsprechend der jeweiligen Zuordnung, lässt sich dann das <strong>Lern</strong>ziel in eines<br />
der Felder der <strong>Taxonomie</strong> einordnen. Ein einfaches Beispiel soll diese Vorgehensweise<br />
demonstrieren:<br />
(1.1) Studierende merken sich die wichtigsten Theorien des didaktischen Designs:<br />
“Merken” ist äquivalent zu “erinnern” <strong>und</strong> “Theorien” entspricht “konzeptionellem<br />
Wissens”. Die Einordnung ist also in die Zelle B1 vorzunehmen.<br />
Leider ist aber die Zuordnung nicht immer so leicht vorzunehmen. So besteht ein Problem<br />
darin, dass im allgemeinen Sprachgebrauch bzw. in der <strong>Lehr</strong>-/<strong>Lern</strong>praxis nicht jene<br />
Schlüsselwörter verwendet werden, die für die Zuordnung einer Zelle in der <strong>Taxonomie</strong><br />
entscheidend sind. Es kann sogar der verwirrende Fall vorkommen, dass ein vermeintliches<br />
Schlüsselwort in die Irre führt. Wiederum ein Beispiel zur Illustration:<br />
(1.2) Studierende lernen das Konzept des Scaffolding im Rahmen einer komplexen<br />
Gruppenarbeit anwenden: Obwohl das Wort “Konzept” auf konzeptionelles Wissen<br />
hinweist, wird es durch Tätigkeit des “Anwenden” in einem anderen Kontext<br />
gebraucht. Es geht vielmehr darum wie Scaffolding eingesetzt werden kann, d.h.<br />
wie ein (mentales) Gerüst bzw. eine mentale Hilfskonstruktion zur <strong>Lern</strong>unterstützung<br />
herangezogen werden. Es geht daher tatsächlich um prozedurales Wissen<br />
<strong>und</strong> nicht um begriffliches Wissen. Die richtige Einordnung in der <strong>Taxonomie</strong> wäre<br />
also C3.<br />
Ein weiteres – un häufig noch weit schwieriger zu lösendes – Problem besteht darin, dass<br />
viele Begriffe semantisch nicht eindeutig sind <strong>und</strong> daher in ihrer eigentlichen Bedeutung<br />
hinterfragt werden müssen. In solchen Fällen muss entweder genauer in das Curriculum<br />
geschaut werden oder – weil häufig auch die hohe Abstraktionsstufe des Currciculums<br />
nicht für eine zweifelsfreie Entscheidung ausreicht – die <strong>Lehr</strong>person befragt bzw. die<br />
Unterrichtsst<strong>und</strong>e beobachtet werden.<br />
10
1 <strong>Taxonomie</strong> <strong>von</strong> <strong>Lern</strong>-, <strong>Lehr</strong>- <strong>und</strong> <strong>Prüfungszielen</strong> – ein Beispiel<br />
Abbildung 1.1: <strong>Taxonomie</strong>-Tabelle nach Anderson u. a. (2001)<br />
(1.3) Studierende lernen die wichtigsten Theorien des didaktischen Designs“. Theorien”<br />
sind wie oben schon ausgeführt als “konzeptionelles Wissen” der Zeile B. zu<br />
zuzuordnen. Was ist aber unter “lernen” zu verstehen? Heißt lernen, dass die Studierenden<br />
die Theorien aufzählen (d.h. erinnern, wiedergeben) können, oder heißt<br />
“lernen”, dass sie diese Theorien verstehen, anwenden, analysieren oder evaluieren<br />
können?<br />
Ein großes Problem besteht darin, dass Begriffe wie “Verstehen”, “Anwenden” etc. schwer<br />
zu operationalisieren sind. Aus diesem Gr<strong>und</strong> hat das Autor/-innenkollektiv die 6 kognitiven<br />
Prozesse weiter unterteilt <strong>und</strong> den dann erhaltenen Unterbegriffen sowohl alternative<br />
Bezeichnungen beigestellt, sie definiert <strong>und</strong> zur Illustration mit Beispielen versehen.<br />
Ähnlich wurde auch mit der Wissensdimension verfahren. Als Ergebnis sind zwei wichtige<br />
Nachschlagtabellen entstanden, die für die Einordnung in die grobe <strong>Taxonomie</strong>tabelle<br />
(vgl. Abbildung 1.1 auf dieser Seite) als inhaltliche Gr<strong>und</strong>lage herangezogen werden können.<br />
Es wird also durch diese Unterteilung nicht etwa ein feinmaschigeres taxonomisches<br />
Netz gespannt, sondern die Untergliederung soll die einzelnen Hauptdimensionen durch<br />
die Auflistung ihrer verschiedenen Aspekte besser zu identifizieren helfen.<br />
11
Tabelle 1.2: Die kognitive Prozessdimension im Detail<br />
Nr.<br />
Unter-<br />
Kategorie<br />
alternative<br />
Namen<br />
Definition <strong>und</strong> Beispiele<br />
12<br />
1. Erinnern – Relevantes Wissen aus dem Langzeit-Gedächtnisspeicher holen<br />
1.1 Wiedererkennen Identifizieren<br />
1.2 Entsinnen Abrufen<br />
Wissen, das mit präsentiertem Material konsistent ist, im Langzeit-<br />
Gedächtnisspeicher lokalisieren (z. B. die 6 kognitiven Prozessdimensionen wieder<br />
erkennen)<br />
Wissen, das mit präsentiertem Material konsistent ist, aus dem Langzeit-<br />
Gedächtnisspeicher abrufen (z.B. die 6 kognitiven Prozessdimensionen abrufen)<br />
2. Verstehen – Bedeutung aus mündlicher, schriftlicher oder grafischer Kommunikation konstruieren<br />
2.1 Interpretieren<br />
2.2 Exemplifizieren<br />
2.3 Klassifizieren<br />
2.4 Zusammenfassen<br />
2.5 Erschließen<br />
Klarstellen<br />
Paraphrasieren<br />
Repräsentieren<br />
Übersetzen<br />
Illustrieren<br />
Instanziieren<br />
Kategorisieren<br />
Gruppieren<br />
Untergliedern<br />
Abstrahieren<br />
Verallgemeinern<br />
Folgern<br />
Ableiten<br />
Extrapolieren<br />
Prognostizieren<br />
Von einer Form der Repräsentation (z.B. numerisch) zu einer anderen Form<br />
(z.B. verbal) der Darstellung wechseln (z.B. Den Inhalt eines Dokuments paraphrasieren,<br />
d.h. mit eigenen Worten umschreiben.)<br />
Ein spezifisches Beispiel oder eine spezifische Illustration zur Erläuterung geben<br />
können (z.B. Beispiele für korrekte Zitierweisen anführen.)<br />
Bestimmen können ob eine Aussage, Begriff, Prinzip etc. zu einer Kategorie gehört<br />
(z.B. <strong>Lern</strong>ziele mit ausformulierten Verb <strong>und</strong> Substantiv in die <strong>Taxonomie</strong><br />
einordnen können.)<br />
Einen Text, Aussage, Begriff, Prinzip etc. verallgemeinern können (z.B. eine<br />
Videosequenz schriftlich zusammenfassen.)<br />
Eine logische Schlussfolgerung <strong>von</strong> einer präsentierten Information ziehen können<br />
(z.B. beim Fremdsprachenlernen aus Beispielsätzen die grammatikalischen<br />
Regeln ableiten.)<br />
1 <strong>Taxonomie</strong> <strong>von</strong> <strong>Lern</strong>-, <strong>Lehr</strong>- <strong>und</strong> <strong>Prüfungszielen</strong> – ein Beispiel<br />
wird fortgesetzt. ..
Nr.<br />
Unter-<br />
Kategorie<br />
alternative<br />
Namen<br />
Definition <strong>und</strong> Beispiele<br />
13<br />
2.6 Vergleichen<br />
2.7 Erklären<br />
Kontrastieren<br />
Abbilden<br />
Passen<br />
Modelle konstruieren<br />
Korrespondenzen zwischen Ideen, Aussagen, Objekten etc. feststellen (z.B. historische<br />
Ereignisse mit Situation in der Gegenwart vergleichen.)<br />
Ein Ursache-Wirkungsmodell konstruieren (z.B. die Ursache für die Überfischung<br />
der Meere erklären.)<br />
3. Anwenden – Einen Arbeitsauflauf, ein Verfahren oder Prozedur verwenden oder ausführen<br />
3.1 Ausführen<br />
3.2 Implementieren<br />
Durchführen<br />
Erledigen<br />
Verwenden<br />
Umsetzen<br />
Ein Verfahren an einer bekannten Aufgabe durchführen (z.B. eine Zahl durch<br />
eine andere Zahl dividieren.)<br />
Ein Verfahren an einer unbekannten Aufgabe umsetzen (z. B. diese <strong>Taxonomie</strong>-<br />
Tabelle in einer Unterrichtsbeobachtung verwenden.)<br />
4. analysieren – Inhaltliches Material in seine konstituierenden Bestandteile zerlegen <strong>und</strong> bestimmen<br />
in welcher Beziehung die Teile zueinander <strong>und</strong> zu einem übergeordneten Zusammenhang stehen<br />
4.1 Differentieren<br />
4.2 Organisieren<br />
Unterscheiden<br />
Abgrenzen<br />
Fokussieren<br />
Auswählen<br />
Kohärenzen finden,<br />
Gliedern,<br />
Integrieren,<br />
Strukturieren<br />
4.3 Zuschreiben Dekonstruieren<br />
Relevante <strong>und</strong>/oder wichtige Inhalte <strong>von</strong> irrelevanten <strong>und</strong>/oder unwichtigen<br />
Inhalten abgrenzen bzw. unterscheiden (z.B. in einem wissenschaftlichen Artikel<br />
die Hauptargumentation <strong>von</strong> ihren unterstützenden Belegen <strong>und</strong> eventuellen<br />
Nebenargumentationssträngen unterscheiden.)<br />
Bestimmen, welche Elemente oder Funktionen innerhalb einer gegebenen Struktur<br />
passen (z.B. der <strong>von</strong> einer Kollegin in Alltagssprache berichtete Ablauf einer<br />
Unterrichtsst<strong>und</strong>e neu gliedern, damit ihre Aussagen in die <strong>Lern</strong>zieltaxonomie<br />
eingeordnet werden kann.)<br />
Standpunkte, Schieflagen, Werte etc., bestimmen, die inhaltlichen Material,<br />
Stellungnahmen, Äußerungen etc. zugr<strong>und</strong>e liegen (z.B. die politische Perspektive<br />
eines kritischen Kommentars bestimmen.)<br />
1 <strong>Taxonomie</strong> <strong>von</strong> <strong>Lern</strong>-, <strong>Lehr</strong>- <strong>und</strong> <strong>Prüfungszielen</strong> – ein Beispiel<br />
wird fortgesetzt. ..
Nr.<br />
Unter-<br />
Kategorie<br />
alternative<br />
Namen<br />
Definition <strong>und</strong> Beispiele<br />
5. Bewerten (Evaluieren) – Urteile fällen, die auf Kriterien <strong>und</strong> Standards beruhen bzw. referenzieren<br />
14<br />
5.1 Prüfen<br />
Aufdecken<br />
Überwachen<br />
Ermitteln<br />
Testen<br />
5.2 Kritisieren Urteilen<br />
Inkonsistenzen, Trugschlüsse etc. innerhalb eines Prozesses oder Produkts aufdecken<br />
; die Effektivität einer Prozedur ermitteln können (z.B. prüfen ob die<br />
Schlussfolgerung, die jemand aus vorhandenem Datenmaterial schließt, gerechtfertigt<br />
ist.)<br />
Inkonsistenzen zwischen einem Prozess oder Produkts bezüglich externer Kriterien<br />
feststellen; die Adäquatheit eines Verfahrens für eine bestimmtes Problem<br />
beurteilen (z.B. beurteilen, welche der beiden kritischen Rezension den zu diskutierenden<br />
Film gerechter wird.)<br />
6. Erzeugen – Füge Elemente zu einer kohärenten Form oder einem funktionalem Ganzen<br />
bzw. reorganisiere die Elemente zu einem neuen Muster oder eine neue Struktur<br />
6.1 Generieren<br />
6.2 Planen<br />
6.3 Produzieren<br />
Hypothesen fomulieren<br />
Designen<br />
Entwerfen<br />
Entwickeln<br />
Gestalten<br />
Konstruieren<br />
Erfinden<br />
Ausgehend <strong>von</strong> einem gemeinsamen Set <strong>von</strong> Kriterien alternative Hyptohesen<br />
generieren (z. B. die Mehrdeutigkeit <strong>von</strong> <strong>Lern</strong>zielen durch unterschiedlich angenommene<br />
kognitive Prozesse <strong>und</strong>/oder Wissenarten darstellen.)<br />
Ein Verfahren zur Ausführung einer Ausgabe entwickeln (z.B. zu einem bestimmten<br />
Thema eine forschungsleitende Fragestellung entwickeln.)<br />
Ein Produkt oder Verfahren erfinden (z.B. eine <strong>Taxonomie</strong> für Unterrichtsmethoden<br />
konstruieren.)<br />
Tabelle beendet<br />
1 <strong>Taxonomie</strong> <strong>von</strong> <strong>Lern</strong>-, <strong>Lehr</strong>- <strong>und</strong> <strong>Prüfungszielen</strong> – ein Beispiel
Tabelle 1.3: Die Wissensdimension im Detail<br />
Nr. Wissenskategorie Beispiel<br />
15<br />
Aa<br />
Ab<br />
Ba<br />
Bb<br />
Bc<br />
Begriffliches Wissen<br />
A. Fakten-Wissen – Die Gr<strong>und</strong>elemente, die Studierende<br />
wissen müssen, um sich in ein Thema einarbeiten zu können<br />
Wissen über spezifische Details <strong>und</strong> Elemente<br />
Technisches Vokabular, Mathematische Symbole, Schachnotation,<br />
Programmierbefehle etc.<br />
E-Learning Standards, zuverlässige Informationsquellen, Bauern im<br />
Schach en passant nehmen, Variable definieren, etc.<br />
B. Konzeptionelles Wissen – Die funktionellen Zusammenhänge<br />
zwischen den Gr<strong>und</strong>elementen innerhalb einer größeren Struktur<br />
Wissen über Klassifikationen <strong>und</strong> Kategorien<br />
Wissen über Prinzipien <strong>und</strong> Verallgemeinerungen<br />
Wissen über Theorien, Modelle <strong>und</strong> Strukturen<br />
<strong>Lern</strong>zieltaxonomie, „total cost of ownership“, Gezeiten (Ebbe <strong>und</strong><br />
Flut), Schacheröffnung erkennen, etc.<br />
Pythagoräischer <strong>Lehr</strong>satz, Mattsetzen mit zwei bestimmten Figuren<br />
gegenüber einem König im Schachendspiel, Variable in einem Programm<br />
bei Wert oder bei Referenz übergeben etc.<br />
Evolutionstheorie, didaktische Modelle, Tempogewinn versus Materialverlust<br />
beim Schachspiel etc.<br />
wird fortgesetzt. ..<br />
1 <strong>Taxonomie</strong> <strong>von</strong> <strong>Lern</strong>-, <strong>Lehr</strong>- <strong>und</strong> <strong>Prüfungszielen</strong> – ein Beispiel
Nr. Wissenskategorie Beispiel<br />
C. Prozedurales Wissen – Wie etwas zu tun ist, Untersuchungsmethoden,<br />
Regeln um Fertigkeiten, Algorithmen, Techniken anzuwenden<br />
16<br />
Ca<br />
Cb<br />
Cc<br />
Da<br />
Db<br />
Dc<br />
Wissen über themenspezifische Fertigkeiten <strong>und</strong><br />
Algorithmen<br />
Wissen über themenspezifische Techniken <strong>und</strong> Methoden<br />
Wissen über Kriterien zum Bestimmung <strong>und</strong> Nutzung<br />
geeigneter Verfahren<br />
Strategisches Wissen<br />
D. Metakognitives Wissen – Wissen über Denkprozesse im<br />
allgemeinen als auch Bewusstsein über eigene Denkvorgänge<br />
Wissen über kognitive Aufgaben, inkl. geeignetes<br />
kontextuelles <strong>und</strong> abhängiges Wissen<br />
Selbst-Wissen<br />
Wissen, wie die <strong>Lern</strong>zieltaxonomie angewendet wird; Wissen, wie eine<br />
Schachstellung bewertet wird,;Wissen, wie ein Programmierfehler<br />
eingegrenzt wird etc.<br />
Wissen über spezifische Interviewtechniken z.B. der Gro<strong>und</strong>ed Theory;<br />
Wissen, wie korrekt nach APA zitiert wird etc.<br />
Wissen, wann der Einsatz der <strong>Lern</strong>zieltaxonomie sinnvoll ist; Wissen,<br />
wann ein Materialverlust beim Schachspiel erwogen werden<br />
kann,;Wissen, wann Deckungsbeitrags- oder Vollkostenrechnung angewendet<br />
werden soll etc.<br />
Wissen, wie ein Trugschluss innerhalb eines wissenschaftlichen Beitrags<br />
entdeckt <strong>und</strong> nachgewiesen werden kann; Wissen wie die <strong>Lern</strong>zieltaxonomie<br />
als heuristisches Instrument zur Unterrichtsbewertung<br />
genutzt werden kann etc.<br />
Wissen, wie bestimmte Inhalte, Verfahren etc. vermittelt bzw. angeeignet<br />
werden können; Wissen welche kognitive Anforderungen bestimmte<br />
Aufgaben stellen<br />
Bewusstsein über den eigenen Wissenstand, Wissen über die eigenen<br />
<strong>Lern</strong>schwächen, Motivationspotentiale etc.<br />
Tabelle beendet<br />
1 <strong>Taxonomie</strong> <strong>von</strong> <strong>Lern</strong>-, <strong>Lehr</strong>- <strong>und</strong> <strong>Prüfungszielen</strong> – ein Beispiel
1 <strong>Taxonomie</strong> <strong>von</strong> <strong>Lern</strong>-, <strong>Lehr</strong>- <strong>und</strong> <strong>Prüfungszielen</strong> – ein Beispiel<br />
1.2 Lesson learned – Erfahrungen aus der <strong>Lern</strong>zieltaxonomie<br />
Ich habe die <strong>Lehr</strong>-, <strong>Lern</strong>- <strong>und</strong> Prüfungstaxonomie so ausführlich referiert, weil sich daraus<br />
eine ganze Reihe <strong>von</strong> Gr<strong>und</strong>sätzen ableiten lassen, die auf die Entwicklung der mich hier<br />
interessierenden <strong>Taxonomie</strong> Unterrichtsmethoden angewendet werden können. In diesem<br />
Kapitel werde ich einige dieser allgemeinen Prinzipien bei der Erstellung <strong>und</strong> Nutzung<br />
<strong>von</strong> <strong>Taxonomie</strong>n zusammenstellen.<br />
1.2.1 Abgegrenzter Geltungsbereich<br />
Jede <strong>Taxonomie</strong> hat ihren spezifischen thematischen Gegenstandsbereich. Nur innerhalb<br />
dieses – mehr oder weniger umfassenden – Sachgebiets hat sie ihre Wirksamkeit <strong>und</strong><br />
Bedeutung. Ich erwähne diese scheinbare Trivialität, weil Kritiken an <strong>Taxonomie</strong>n häufig<br />
genau den Fehler begehen, ihnen vorzuwerfen, dass sie bestimmte Anwendungsfälle<br />
nicht abdecken, zu bestimmten Problemen keine Hilfestellungen geben. Die hier vorgestellte<br />
<strong>Taxonomie</strong> ist eingeschränkt auf die kognitive Domäne <strong>und</strong> nutzlos sowohl für<br />
Fertigkeiten <strong>und</strong> Fähigkeiten als auch für den emotionalen Bereich.<br />
Diese Abgrenzung ist aber kein Manko, sondern eine selbstgewählte Beschränkung. Die<br />
<strong>Taxonomie</strong> <strong>von</strong> Anderson <strong>und</strong> Kolleg/-innen versucht für einen kleinen – aber wichtigen<br />
– Bereich eine systematische Gliederung zu schaffen. Erst wenn sie sich in diesen Bereich<br />
bewährt <strong>und</strong> <strong>von</strong> der intendierten Zielgruppe auch angenommen <strong>und</strong> verwendet wird,<br />
dann lassen sich unter Umständen weitergehende Ansprüche ableiten: Ist es möglich eine<br />
<strong>Taxonomie</strong> eines anderen Teilbereichs anzudocken? Wenn ja, wie soll das gehen? Und<br />
wird damit nicht vielleicht die Nutzung dieses neuen Konstrukts konterkariert, indem die<br />
neue integrierte <strong>Taxonomie</strong> für die alltägliche Unterrichtspraxis zu komplex geworden<br />
ist?<br />
1.2.2 Notationssysteme, aber keine Werturteile<br />
Ein anderer Fehler ist es, wenn implizit die sachlichen Zusammenhänge, die die <strong>Taxonomie</strong><br />
abbilden will, bewerten werden. So wäre es aus meiner Sicht z.B. fatal, wenn <strong>von</strong> der<br />
Anderson & Krathwohl <strong>Taxonomie</strong> eine messbare Verbesserung der Qualität des Unterrichts<br />
erwartet oder verlangt wird. Zwar kann die <strong>Taxonomie</strong> zur Analyse eigener oder<br />
fremder Unterrichtssequenzen verwendet werden, daraus lassen sich aber im allgemeinen<br />
keine unmittelbaren Schlüsse zur Qualität des Unterrichts ableiten. Ganz generell<br />
gilt: <strong>Taxonomie</strong>n können nie etwas zur Qualität der Zusammenhänge ihrer Kategorien<br />
aussagen!<br />
Die <strong>Taxonomie</strong> mit ihren (mehr oder weniger gut) operationalisierten Kategorien <strong>und</strong><br />
Kriterien verhaltet sich ähnlich wie ein Schachbrett mit der dazugehörige Schachnotation<br />
zu allen möglichen <strong>und</strong> (als Unterkategorie da<strong>von</strong>) zu allen bereits gespielten Schachpartien:<br />
Die Schachnotation dient dazu um alle (möglichen) Spiele aufzuzeichnen, zu übermitteln,<br />
nachzuspielen, zu vergleichen <strong>und</strong> zu analysieren. Weder das Schachbrett noch<br />
die Schachnotation garantieren aber aus sich heraus ein gutes oder schlechtes Spiel. Die<br />
derzeit gültige Schachnotation ist deshalb erfolgreich, weil sie alle Spiele so dokumentie-<br />
17
1 <strong>Taxonomie</strong> <strong>von</strong> <strong>Lern</strong>-, <strong>Lehr</strong>- <strong>und</strong> <strong>Prüfungszielen</strong> – ein Beispiel<br />
ren kann, dass sie nachgespielt, analysiert, verglichen etc. werden können. Mehr noch: Sie<br />
ist auch in der Lage Spiele mit anderen Regeln (z.B.“Freßschach”) aufzuzeichnen oder<br />
Spielzustände, die bei einem regelkonformen Verlauf niemals eintreten können (z.B. zwei<br />
Könige derselben Farbe) festzuhalten bzw. zu übermitteln.<br />
1.2.3 Sprache <strong>und</strong> Definitionen<br />
<strong>Taxonomie</strong>n sollen Aspekte unserer komplexen <strong>und</strong> mannigfachen Welt ordnen <strong>und</strong> gliedern.<br />
Neben der deiktischen (zeigenden) Definition (“Das hier ist kursive Schrift”, bzw.<br />
die Abbildung einer Schachposition) bedienen wir uns der Sprache, indem wir geeignetes<br />
technisches Vokabular konstruieren bzw. mit den entsprechenden Sinnzusammenhängen<br />
versehen. Unsere Sprache ist das (mehr oder weniger) scharfe Trennkriterium, das Messer<br />
mit dem wir uns die Welt entsprechend unserer Fragestellung mental zurecht schneiden.<br />
Aus diesem Gr<strong>und</strong>e besteht ein zentraler Teil <strong>von</strong> <strong>Taxonomie</strong>n aus Definitionen zur Erklärung<br />
<strong>und</strong> Benutzung der angewendeten Terminologie.<br />
Dabei müssen die Definitionen zwei Kriterien erfüllen: Sie müssen einerseits stimmig,<br />
d.h. innerhalb eines Systems konsistent sein. Andererseits müssen sie auch mit externen<br />
Merkmalen, d.h. Kriterien, die sich außerhalb des konstruierten Systems befinden,<br />
vereinbar sein.<br />
(1.4) Konsistenz<br />
In der dargestellten <strong>Taxonomie</strong> ist fraglich, ob einige Unterprozesse <strong>von</strong> “Verstehen”<br />
wie z.B. erschließen <strong>und</strong> vergleichen, nicht eher unter dem höheren Prozess<br />
des Analysieren zu reihen wären.<br />
1.2.4 Vokabular <strong>und</strong> Heuristiken<br />
Auch wenn dynamische Prozesse taxiert werden, ist jede Abbildung bzw. Einordnung<br />
selbst ein statischer Zustand, stellt eine bestimmte Konfiguration zu einem bestimmten<br />
Moment dar. Das ist beispielsweise bei der Schachnotation klar ersichtlich, wenn eine<br />
Position dargestellt wird (z.B. die Notation “Ke1” bedeutet, “Der König befindet sich auf<br />
dem Feld E1”).<br />
Nicht so intuitiv einsichtig im Sinne einer Momentaufnahme ist aber der Fall, wenn<br />
z.B. mit der Notation “e2-e4” (“Bauer zieht vom Feld e2 zum Feld e4”) scheinbar Dynamik<br />
dargestellt wird. Tatsächlich jedoch handelt es sich um die Darstellung einen<br />
Schachzuges, d.h. der statischen Kategorisierung einer Bewegung! Erst wenn wir die<br />
zeitliche Dimension hinzufügen <strong>und</strong> eine ganze Serie <strong>von</strong> Kategorisierungen bzw. Einordnungen<br />
nacheinander vornehmen, erhalten wird einen Zeitverlauf, eine Dynamik.<br />
Weil <strong>Taxonomie</strong>n als Notationssysteme in ihren jeweiligen Geltungsbereich Prozesse<br />
<strong>und</strong> Verläufe als Momentaufnahmen nacheinander eindeutig protokollieren können, ist es<br />
möglich aus den Vergleich verschiedener Sequenzen zu lernen. Dieser <strong>Lern</strong>effekt ist jedoch<br />
nicht garantiert. Notationen <strong>und</strong> <strong>Taxonomie</strong>n können dann als Heuristiken wirken, wenn<br />
aus den vergleichenden Beobachtungen entsprechende Rückschlüsse bzw. Tendenzen abgeleitet<br />
werden <strong>und</strong> zu bestimmten Regeln, Gesetzmäßigkeiten in der Anwendung der<br />
18
1 <strong>Taxonomie</strong> <strong>von</strong> <strong>Lern</strong>-, <strong>Lehr</strong>- <strong>und</strong> <strong>Prüfungszielen</strong> – ein Beispiel<br />
<strong>Taxonomie</strong> führen. In diesem Sinne sind <strong>Taxonomie</strong>n auch Werkzeuge zur Generierung<br />
<strong>von</strong> Theorien <strong>und</strong> Modellen.<br />
Diese Funktion <strong>von</strong> <strong>Taxonomie</strong>n möchte ich wiederum am Beispiel der hier vorgestellten<br />
<strong>Lern</strong>-, <strong>Lehr</strong>- <strong>und</strong> Prüfungstaxonomie illustrieren:<br />
(1.5) Übereinstimmung:<br />
Die Konstruktion <strong>und</strong> Einordnung <strong>von</strong> Sätzen wie “Studierende merken sich die<br />
wichtigsten Theorien des didaktischen Design” kann im realen Unterrichtsgeschehen<br />
eine dreifache Bedeutung annehmen:<br />
1. In der Planung des Unterrichts, im Unterrichtsentwurf: Hier bezieht sich die<br />
Aussage auf die Gestaltung, d.h. auf das didaktische Design durch die <strong>Lehr</strong>enden<br />
in der Zukunft.<br />
2. In der Beobachtung bzw. Beschreibung der tatsächlich erfolgten Unterrichtssequenz:<br />
Hier bezieht sich die Aussage auf die reale Umsetzung, die Durchführung<br />
(z.B. Auswahl <strong>und</strong> Einsatz didaktischer Methoden), als auf die Gegenwart.<br />
3. In der Überprüfung des Erfolgs der vollzogenen Unterrichtssequenz: Hier<br />
bezieht sich die Aussage auf die Planung (Zukunft) <strong>und</strong> deren Umsetzung<br />
(Gegenwart) im Prüfungsarrangments, womit aber wesentlich vergangene<br />
<strong>Lehr</strong>- <strong>und</strong> <strong>Lern</strong>prozesse beurteilt werden sollen <strong>und</strong> damit einen Vergangenheitsaspekt<br />
wahrnehmen.<br />
Im Vergleich zwischen diesen drei Anwendungsfällen können Aussagen darüber<br />
getroffen werden, inwieweit die Planung korrekt umgesetzt wurde bzw. inwieweit<br />
die Prüfung auch tatsächlich dem intendierten <strong>Lehr</strong>ziel <strong>und</strong> der durchgeführten<br />
Unterrichtssequenz entspricht. Eine Beobachtung, die sich aus der spezifischen<br />
dreifachen Modalität der Nutzung der <strong>Taxonomie</strong> ableitet <strong>und</strong> als Übereinstimmung<br />
(Alignment) bezeichnet wird (Anderson u.a. 2001).<br />
Andere Schlussfolgerungen, die für alle <strong>Taxonomie</strong>n gelten <strong>und</strong> nicht auf die Besonderheiten<br />
der hier vorgestellten <strong>Taxonomie</strong> abstellen, lassen sich aus der Beobchtung der<br />
Nutzung über einen gewissen Zeitraum erschließen:<br />
(1.6) Verallgemeinerungen:<br />
So zeigt sich beispielsweise eine Tendenz einfachere Ziele (Planung, Zukunft) der<br />
Ebenen 1-3 durch weit höhere kognitive Prozesse (Gestaltung, Gegenwart) der<br />
Ebenen 4-6 umzusetzen (234f.). So werden Aktivitäten im Unterricht gesetzt, die<br />
zwar höhere kognitive Prozesse zu ihrer Lösung benötigen, die aber selbst nicht<br />
als Erfordernis (<strong>Lern</strong>ziel) gelten. Es findet somit häufig eine Art “Überlernen”<br />
statt. So wird z.B. in einer beschriebenen Unterrichtssequenz, die Anderson <strong>und</strong><br />
Kolleginnen als “Vignetten” bezeichnen, die Analyse <strong>und</strong> Bewertung eines Theaterstücks<br />
verlangt (als kognitive Prozesse der Stufe 4 <strong>und</strong> 5), um ein Verständnis<br />
der Hauptcharaktere (also kognitive Prozesse der Stufe 2) zu erreichen.<br />
19
1 <strong>Taxonomie</strong> <strong>von</strong> <strong>Lern</strong>-, <strong>Lehr</strong>- <strong>und</strong> <strong>Prüfungszielen</strong> – ein Beispiel<br />
1.2.5 Abstraktionsniveau <strong>und</strong> Granularität<br />
Ein weiterer Aspekt, den es bei der Konstruktion <strong>von</strong> <strong>Taxonomie</strong>n zu beachten gilt, ist<br />
ihr Abstraktionsniveau. Die hier als Beispiel vorgestellte <strong>Taxonomie</strong> fokussiert auf <strong>Lehr</strong>bzw.<br />
<strong>Lern</strong>ziele mittleren Allgemeinheitsgrades, also Ziele die einerseits unterhalb globaler<br />
Ziele (z.B.“auf die Rolle eines verantwortlichen Staatsbürgers vorbereiten”), andererseits<br />
aber doch über dem Niveau instruktionaler Ziele (z.B.“die Aufgaben des Parlaments nennen”)<br />
angesiedelt sind (z.B.“die Fähigkeit die Staatsformen <strong>von</strong> verschiedenen Ländern<br />
selbständig bestimmen können”). Die Tabelle 1.4 auf dieser Seite nach Anderson u.a.<br />
(2001:17) zeigt die verschiedenen Aspekte, die mit dem Wahl eines bestimmtes Niveaus<br />
an Abstraktion verb<strong>und</strong>en sind.<br />
Unter Granularität oder “Körnigkeit” wird der systemweite Detaillierungsgrad verstanden.<br />
Es ist sowohl ein Maß der Differenzierung innerhalb der einzelnen Ebenen als auch<br />
über alle Ebenen des Systems hinweg. Wichtig dabei ist es, dass die Granularität weder in<br />
den einzelnen Ebenen noch zwischen den hierarschischen Stufen unterschiedlich ausfällt.<br />
1.2.6 Dimensionen, Kriterien <strong>und</strong> deren Operationalisierung<br />
Ein entscheidender Punkt für die Beurteilung einer <strong>Taxonomie</strong> ist natürlich ihrem inhaltliche<br />
Ausgestaltung. Dabei sind sowohl die die Auswahl der Merkmale, die eine Rolle<br />
spielen, als auch ihre Ausprägungen <strong>und</strong> ihre Anordnung z.B. als gleichrangige Liste, als<br />
(inklusive) Hierarchie, als inkommensurable Dimensionen etc. In diesem Zusammenhang<br />
sind sowohl die inhaltliche als auch operationale Begriffsklärung <strong>von</strong> außerordentlicher<br />
Bedeutung. Dabei geht es nicht nur um die innere Stimmigkeit, sondern vor allem auch<br />
darum, dass die Zusammenhänge der konstruieren (Unter-)Klassen empirische Bezüge<br />
Tabelle 1.4: Aspekte verschiedener Abstraktionsniveaus <strong>von</strong> <strong>Lern</strong>zielen nach Anderson u. a.<br />
2001.<br />
Niveau der Abstraktion<br />
Aspekte global (Politik) mittel (<strong>Lern</strong>ziel)<br />
niedrig (Instruktion)<br />
Bandbreite breit gemäßigt eng<br />
Notwendige <strong>Lern</strong>zeit<br />
häufig viele Jahre<br />
Wochen oder<br />
Monate<br />
St<strong>und</strong>en oder Tage<br />
Zweck oder Funktion Visionen vermitteln Curricula planen<br />
Unterrichtsplanung<br />
(“St<strong>und</strong>enbilder”<br />
planen)<br />
Beispiel<br />
Ausbildungsgang<br />
planen<br />
Unterrichtseinheit<br />
(Modul) planen<br />
Tägliche Aktivitäten<br />
planen<br />
20
1 <strong>Taxonomie</strong> <strong>von</strong> <strong>Lern</strong>-, <strong>Lehr</strong>- <strong>und</strong> <strong>Prüfungszielen</strong> – ein Beispiel<br />
haben (belegbar sind) <strong>und</strong> für die ins Auge gefasst Zielgruppe praxisrelevant sind. Es<br />
ergeben sich daraus also Fragen nach der gr<strong>und</strong>sätzlichen Zweckmäßigkeit der gewählten<br />
Einteilung als auch Fragen nach der detaillierten <strong>und</strong> empirisch belegbaren Abgrenzung<br />
der einzelnen Merkmale.<br />
(1.7) Fragen zur gr<strong>und</strong>sätzliche Gliederung:<br />
Macht die zweidimensionale Gliederung Sinn? Oder wäre es nicht besser gewesen<br />
ein mehrdimensionale Gliederung zu wählen <strong>und</strong> z.B. die Metakognition auf einer<br />
eigenen Ebene anzusiedeln?<br />
Macht es Sinn, wenn die höheren höheren kognitiven Prozesse so formuliert werden,<br />
dass sie sich nicht trennscharf abgrenzen (lassen)?<br />
Macht die stark unterschiedliche Unterteilung der einzelnen kognitiven Prozesse,<br />
die <strong>von</strong> 2 (erinneren) bis zu 7 (verstehen) Unterprozesse reicht, Sinn? Wäre<br />
es nicht besser gewesen auf eine gleichmäßige Unterteilung abzuzielen <strong>und</strong> dafür<br />
diese Unterkategorien in den <strong>Taxonomie</strong>aufbau einzubeziehen? (Die Auflisten der<br />
Unterkategorien dient derzeit nur dazu um die Einordnung in die 6 kognitiven<br />
Prozesse zu erleichtern.)<br />
(1.8) Fragen zu den Details einzelner Merkmale:<br />
Ist das Ziehen <strong>von</strong> Schlussfolgerungen (2.5) bloß eine Unterkategorie des kognitiven<br />
Verstehensprozesses oder ist ein eigenständig zu betrachtender Prozess?<br />
1.3 Zusammenfassung: Vorteile einer <strong>Taxonomie</strong><br />
Das hier vorgestellte Beispiel einer <strong>Taxonomie</strong> soll erste Anregungen vermitteln, wie<br />
Klassifikationssysteme aufgebaut sind, welche Funktionen sie wahrnehmen <strong>und</strong> wie sie<br />
benutzt werden können. Es geht dabei nicht um einen Vergleich bzw. <strong>Lern</strong>prozess inhaltlicher<br />
Natur, sondern es war mir wichtig die allgemeinen Strukturen, Bedingungen <strong>und</strong><br />
Schwierigkeiten darzulegen, die für die Konstruktion einer <strong>Taxonomie</strong> wichtig sind <strong>und</strong><br />
beachtet werden müssen. Bezogen auf die metatheoretische Ebene des Strukturvergleichs<br />
lassen sich aus meiner Sicht für eine <strong>Taxonomie</strong> der Unterrichtsmethoden 8 unterschiedliche<br />
Vorteile anführen, die letztlich alle den Aufbau <strong>und</strong> die Weiterentwicklung der<br />
unterrichtsmethodischen Handlungskompetenz stärken sollen:<br />
Integrationsfunktion: Scheinbar isolierte Erscheinungen (wie beispielsweise unterschiedliche<br />
didaktische Modelle, Erfahrungen mit unterschiedlichen Unterrichtsarrangements,<br />
etc.) können nach ihren gemeinsamen Merkmalen in Taxa (Gruppen; Singular:<br />
Taxon) zusammengefasst werden. Dieser Vorgang wird als Klassifikation bezeichnet<br />
<strong>und</strong> erhöht sowohl Verständnis als auch Nutzungsgrad bekannter Unterrichtsmethoden.<br />
Orientierungsfunktion: Ein konsistenter Ordnungsrahmen erleichtert nicht nur den<br />
Überblick zu den vorhandenen Möglichkeiten didaktischer Gestaltung, sondern<br />
21
1 <strong>Taxonomie</strong> <strong>von</strong> <strong>Lern</strong>-, <strong>Lehr</strong>- <strong>und</strong> <strong>Prüfungszielen</strong> – ein Beispiel<br />
wirkt auch als Orientierungshilfe. Ein bildungswissenschaftlich motiviertes Gliederungssystem<br />
listet nämlich nicht nur alle realisierbaren didaktischen Arrangements<br />
auf, sondern setzt sie auch zueinander in sinnvolle Beziehung. Es unterstützt damit<br />
die konkrete Unterrichtsplanung durch die Auswahl geeigneter (Blended Learning)<br />
Szenarien.<br />
Informationsfunktion: Präzise begriffliche Abgrenzungen erleichtern die Kommunikation<br />
<strong>und</strong> verringern mögliche Missverständnisse. Beispielsweise kann erst durch solch<br />
eine theoretisch f<strong>und</strong>ierte <strong>und</strong> einheitliche Begriffsbildung den pädagogischen Metadaten<br />
<strong>von</strong> <strong>Lern</strong>objekten im IMS LOM Standard eine tragfähige <strong>und</strong> eindeutige<br />
Gr<strong>und</strong>lage gegeben werden.<br />
Kostensenkungsfunktion: In einer didaktischen <strong>Taxonomie</strong> werden Szenarien nach ihren<br />
(relevanten) gemeinsamen Kriterien gruppiert. Die Auswahl <strong>und</strong> Begründung<br />
geeigneter Klassifikationsmerkmale stellt damit ein Raster für eine konsistente Beschreibung<br />
<strong>von</strong> didaktischen (Blended Learning) Szenarien zur Verfügung. Damit<br />
könnten die einheitlich beschriebenen didaktischen Designs sowohl persönlich als<br />
auch technisch (vgl. IMS Learning Design) ausgetauscht, wieder verwendet bzw.<br />
verbessert werden.<br />
Transferfunktion: Ein konsistentes Gliederungssystem macht die Ähnlichkeiten zwischen<br />
unterschiedlichen didaktischen Arrangements deutlich. Es lassen sich leichter die<br />
Gr<strong>und</strong>typen (Klassen) <strong>von</strong> den weniger relevanten Variationen unterscheiden. Einerseits<br />
können dadurch in der Aus- <strong>und</strong> Weiterbildung bei <strong>Lehr</strong>erinnen aber auch<br />
bei EntwicklerInnen <strong>von</strong> Werkzeugen des didaktischen Designs (z.B. Software für<br />
Unterrichtsplanung) neue Szenarien leichter erkannt bzw. erlernt werden. Andererseits<br />
erhöht sich für <strong>Lern</strong>ende die Wiedererkennbarkeit der didaktischen Arrangements,<br />
wenn sie einheitlich konfigurierte Szenarien erleben. <strong>Lern</strong>enden können sich<br />
dadurch verstärkt auf die inhaltlichen Fragestellungen konzentrieren.<br />
Innovationsfunktion: Es wird oft befürchtet, dass eine standardisierte Beschreibung didaktischer<br />
Arrangements zu einer Einschränkung didaktischer Innovationen führt.<br />
Das Gegenteil ist jedoch der Fall, falls (a) ein genügend großes Reservoir an einheitlich<br />
beschriebenen Szenarien vorhanden ist <strong>und</strong> (b) das Gliederungssystem transparent<br />
ist. Ein systematisch gegliederte Reservoir an didaktischen Methoden fördert<br />
die didaktische Vielfalt aus mehreren Gründen: Für unerfahrene AnwenderInnen<br />
wird nicht nur deutlich was es alles gibt, sondern sie werden durch die Systematik<br />
auch dazu angeregt, mit ihnen noch unbekannten Szenarien zu experimentieren.<br />
Erfahrenen PraktikerInnen jedoch dient die Systematik als ein behelfsmäßiges Gliederungssystem,<br />
das sie abwandeln, weiterentwickeln oder ergänzen können.<br />
Heuristische Funktion: Beim Periodensystem der chemischen Elemente gab es in der<br />
Systematik vorerst einige Leerstellen. Diese Lücken führten zu einer intensiven<br />
Suche nach den fehlenden Elementen, die schließlich auch erfolgreich war. Eine<br />
heuristische Funktion ist eine wichtige Eigenschaft aller Klassifikationssysteme: So<br />
würden mögliche Leerstellen einer inhaltlich begründeten didaktischen <strong>Taxonomie</strong><br />
22
1 <strong>Taxonomie</strong> <strong>von</strong> <strong>Lern</strong>-, <strong>Lehr</strong>- <strong>und</strong> <strong>Prüfungszielen</strong> – ein Beispiel<br />
quasi automatisch die Suche nach den ihnen zugr<strong>und</strong>e liegenden „passenden“ Szenarien<br />
anregen <strong>und</strong> damit die Entwicklung neuer Blended Learning Arrangements<br />
fördern.<br />
Theoriefunktion: Ist die Suche nach fehlenden Elementen für die Leerstellen ergebnislos<br />
oder tauchen Szenarien auf, die nicht in das bestehende Ordnungssystem integriert<br />
werden können, so muss das Struktur- <strong>und</strong> Ordnungsmodell überarbeitet werden.<br />
Damit wird aber auch die der <strong>Taxonomie</strong> zugr<strong>und</strong>e liegende Theorie modifiziert<br />
bzw. weiter entwickelt.<br />
Nach diesen Präliminarien ist es an der Zeit, dass wir uns der eigentlichen inhaltlichen<br />
Thematik, der Gliederung <strong>von</strong> Unterrichtsmethoden, zuwenden.<br />
23
Referenzen<br />
Literatur<br />
Anderson, Lorin W. u.a. (2001). A Taxonomy for Learning, Teaching, and Assessing:<br />
A Revision of Bloom’s Taxonomy of Educational Objectives. Longman Publishing<br />
Group, S. 352. isbn: 0321084055.<br />
Bloom, Benjamin u.a., Hrsg. (1956). Taxonomy of Educational Objectives. The classification<br />
of Educational Goals, Handbbok I: Cognitive Domain. 1st ed. New York:<br />
Longmans Green.<br />
Harrow, Anita J. (Juni 1972). A Taxonomy of the Psychomotor Domain: A Guide for Developing<br />
Behavioral Objectives. Longman Group United Kingdom. isbn: 0679302123.<br />
Krathwohl, David R., Benjamin S. Bloom <strong>und</strong> Bertram B. Masia (Okt. 1965). Taxonomy<br />
of Educational Objectives: Handbook II: The Affective Domain. Longman. isbn:<br />
0582323878.<br />
24