„CD des Monats“ Juni 2010 - Stiftung Zuhören
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<strong>„CD</strong> <strong>des</strong> <strong>Monats“</strong> <strong>Juni</strong> <strong>2010</strong><br />
Maja Nielsen:<br />
Feldpost für Pauline<br />
Einführung<br />
Das akustisch beeindruckende Hörkino „Feldpost für Pauline“, produziert vom<br />
Westdeutschen Rundfunk, ist eine besondere Liebesgeschichte, die im Ersten Weltkrieg<br />
spielt.<br />
Regelmäßig schreibt der deutsche Soldat Wilhelm seiner Liebsten in der Heimat Briefe aus<br />
den Schützengräben in Frankreich. Doch die Feldpost von der Front ist nicht immer<br />
pünktlich: Ein um 92 Jahre verspäteter Brief nimmt die elfjährige Pauline mit auf eine Reise<br />
ins Leben ihrer Ururgroßeltern.<br />
Inhalt<br />
Track 001: Eine alte Feldpost (05:09)<br />
Aufgeregt erzählt Pauline ihrer Freundin, dass ihre Familie soeben einen vor 92 Jahren<br />
aufgegebenen Brief erhalten habe, die längste Verspätung in der Postgeschichte! Adressiert<br />
ist er an Paulines Ururoma, die ebenfalls Pauline hieß, und geschrieben wurde er in den<br />
Schützengräben <strong>des</strong> Ersten Weltkriegs von einem gewissen Wilhelm. Im Keller eines<br />
Postamtes im französischen Verdun war ein alter Postsack aufgetaucht. Pauline fährt ins<br />
Altersheim zu ihrer 87-jährigen Uroma Lieschen, um mehr über Wilhelm und Pauline<br />
herauszufinden. Oma Lieschen kramt eine Schachtel hervor, mit alten Fotos und vielen<br />
weiteren Briefen Wilhelms an ihre Mutter. Lieschen erzählt ihrer Urenkelin die Geschichte<br />
der beiden:<br />
Wilhelm ist 16 Jahre alt und sehr schüchtern als er Pauline kennenlernt. Er will Cellist<br />
werden, meldet sich wie viele seiner Klassenkameraden beim Beginn <strong>des</strong> ersten Weltkriegs<br />
aber freiwillig zum Dienst an der Waffe – im Glauben an einen schnellen Sieg.<br />
Vor seiner Abreise trifft er Pauline am Bahnsteig, um ihr seine Liebe zu gestehen.<br />
© <strong>Stiftung</strong> <strong>Zuhören</strong> <strong>2010</strong>
Track 002: Zehn Wochen Grundausbildung (06:44)<br />
Wilhelms Gefühle werden erwidert und er verspricht Pauline, ihr regelmäßig aus dem Krieg<br />
zu schreiben. Pauline verspricht im Gegenzug, zu Hause auf Wilhelm zu warten. In der<br />
zehnwöchigen Grundausbildung lernt Wilhelm die ersten harten Seiten <strong>des</strong> Soldatenlebens<br />
kennen: den Drill und die Schikanen durch den sadistischen Unteroffizier Block. Wilhelm<br />
sieht keinen Sinn in der auf das Brechen <strong>des</strong> eigenen Willens abzielenden Ausbildung und<br />
sehnt sich nach der Musik und nach Pauline. Trost verschafft ihm die Freundschaft zu<br />
seinem Kameraden Piccolo, einem echten Spaßvogel, mit dem er Block am letzten Abend<br />
einen Streich spielt.<br />
Track 003: Erster Abend an der Front (04:43)<br />
Der Feldzug stellt sich nicht als der vom Kaiser versprochene, schnell zu gewinnende<br />
Blitzkrieg heraus. Im November 1915 wird Wilhelm nach Frankreich versetzt und landet<br />
mitten im Stellungskrieg an der Westfront, wo die jungen Rekruten als „Kanonenfutter<br />
verheizt“ werden. Wilhelm berichtet Pauline von den alltäglichen Gräueln, dem Gestank und<br />
dem Geschützdonner. Dieser „moderne“ Krieg ist anders als alle vorangegangenen. Man<br />
kämpft nicht mehr von Angesicht zu Angesicht sondern liefert sich eine zermürbende<br />
Materialschlacht aus den Schützengräben heraus. Ein älterer Soldat namens Walter klärt<br />
Wilhelm z.B. über die Notwendigkeit von Gasmasken auf: „Die Gasgranaten klingen dumpfer<br />
als die Explosivgeschosse. Wenn ihr den dumpfen Knall hört, dann zieht sofort die Masken<br />
über, sonst atmet ihr euch den Tod durch die Lunge ein!“<br />
Track 004: Keine Nachricht von Wilhelm (03:59)<br />
Lange Zeit erhält Pauline keine Nachricht mehr von Wilhelm. Ihr Bruder und ihre Cousins,<br />
die auf Heimaturlaub sind, erzählen ihr vom Leben an der Front. Vom Wasser in den<br />
Schützengräben, dass die Füße faulen lässt. Vom unablässigen Beschuss, der einen nur<br />
durch Zufall verfehlt, von den Massengräbern und den Leichen, die einfach liegen gelassen<br />
werden. Wahrscheinlich wurden Wilhelms Briefe von der Zensur abgefangen, denn daheim<br />
sollen nur positive Nachrichten ankommen und keine Schilderungen <strong>des</strong> Kriegswahnsinns.<br />
Einige Wochen später kommt dann doch wieder ein Brief an. Wilhelm beschreibt darin die<br />
Strategie der Franzosen, die streng nach Zeitplan und meist auf die gleichen Stellen<br />
bomben. Einen richtigen Angriff durch feindliche Soldaten hat Wilhelm bisher noch nicht<br />
erlebt.<br />
Pauline will sich nun ebenfalls einbringen und beschließt als Hilfskrankenschwester im<br />
Lazarett zu arbeiten.<br />
Track 005: Bomben fallen (05:57)<br />
Wilhelm hasst den allgegenwärtigen Schlamm und die unzähligen Ratten. Zusammen mit<br />
Piccolo möchte er einige Ratten anlocken und mit dem Spaten erschlagen. Um die Spaten<br />
zu holen, bleiben ihnen noch zehn Minuten, bevor die Franzosen morgens ihre Granatwerfer<br />
anstellen. Kaum haben die Freunde ihren Unterstand verlassen, wird dieser von einer<br />
Fliegerbombe getroffen und die Hölle bricht los. Zweimal kommen sie an diesem Tag nur<br />
knapp mit dem Leben davon und kümmern sich um verschüttete und verletzte Kameraden.<br />
Track 006: Heimaturlaub (05:02)<br />
Wilhelm ist verzweifelt und <strong>des</strong>illusioniert. Nur die Gedanken an Pauline und die Musik<br />
halten ihn noch aufrecht. Nach etlichen Monaten bekommt er Heimaturlaub und besucht<br />
Pauline bei ihrer Arbeit im Lazarett. Sie muss sich aber um frisch Verwundete kümmern und<br />
findet kaum Zeit für ihn.<br />
Beim nächsten Heimaturlaub jedoch besiegeln sie ihre Liebe und geben sich das Ja-Wort.<br />
Dies gibt Wilhelm die Kraft, die Schlacht um Verdun zu überstehen, dem „größten<br />
Trommelfeuer der Militärgeschichte“.<br />
Track 007: Die Hölle von Verdun (07:06)<br />
© <strong>Stiftung</strong> <strong>Zuhören</strong> <strong>2010</strong>
Der zehnmonatige Angriff auf die stärkste Festung Frankreichs fordert auf beiden Seiten<br />
insgesamt 700 000 Tote und 600 000 verletzte Soldaten – und erreicht dabei doch nichts.<br />
Wilhelm beschreibt die Stahlgewitter, die Leichenberge, die Soldaten, die über all dem<br />
verrückt geworden sind. In einem heftigen Gefecht geht Piccolo verloren. Wilhelm macht sich<br />
auf die Suche und kann den schwer verletzten Freund wie durch ein Wunder retten. Der Plan<br />
der Deutschen Heeresleitung, die Franzosen in Verdun in die Knie zu zwingen und so den<br />
Weg nach Paris zu öffnen, schlägt fehl. Wilhelm stumpft ab, sein Körper funktioniert nur noch<br />
automatisch und er verbietet sich das Denken.<br />
Track 008: Ein Fleißiges Lieschen (02:14)<br />
Ein Brief von Pauline ändert alles: Wilhelm erfährt, dass er Vater wird. Am Rande <strong>des</strong><br />
Schützengrabens trotzt eine kleine Blume tapfer den Verheerungen <strong>des</strong> Krieges. Es ist ein<br />
Fleißiges Lieschen, und Wilhelm beschließt, sein Kind Lieschen zu nennen, falls es ein<br />
Mädchen werden sollte.<br />
Wilhelm ist also Oma Lieschens Vater und der Ururopa <strong>des</strong> elfjährigen Mädchens, das<br />
seinen Brief beinahe ein Jahrhundert später erhält.<br />
Track 009: Der Steckrübenwinter (06:20)<br />
Die kalte Jahreszeit zwischen 1916 und 1917 nannte man auch den „Steckrübenwinter“, da<br />
es für die Bevölkerung der Kriegsparteien kaum etwas anderes zu essen gab. Wilhelm und<br />
Piccolo suchen in den verlassenen französischen Dörfern entlang der Front nach<br />
Lebensmitteln. Sie betreten einen einsamen Bauernhof und finden darin einen vollen<br />
Vorratskeller und ein Cello.<br />
Wilhelm kann nicht widerstehen und beginnt zu spielen. Auch als seine Musik französische<br />
Soldaten anlockt, spielt Wilhelm unbeirrbar weiter. Ein anwesender Offizier verbietet seinen<br />
Untergebenen, Wilhelm zu töten und lauscht gebannt <strong>des</strong>sen Cellospiel.<br />
Track 010: Feinde gegenüber (03:57)<br />
Wilhelm und der französische Offizier sitzen sich friedlich gegenüber und teilen eine<br />
Zigarette. Der Franzose ist ebenfalls Musiker, er nimmt Wilhelm gefangen, um ihm so das<br />
Überleben zu sichern.<br />
Im August 1920 wird Wilhelm entlassen und beginnt ein glückliches Leben mit seiner<br />
Pauline.<br />
Trackliste<br />
001 Eine alte Feldpost (5:09)<br />
002 Zehn Wochen Grundausbildung (6:44)<br />
003 Erster Abend an der Front (4:43)<br />
004 Keine Nachricht von Wilhelm (3:59)<br />
005 Bomben fallen (5:57)<br />
006 Heimaturlaub (5:02)<br />
007 Die Hölle von Verdun (7:06)<br />
008 Ein Fleißiges Lieschen (2:14)<br />
009 Der Steckrübenwinter (6:20)<br />
010 Feinde gegenüber (3:57)<br />
Ideen zur Umsetzung<br />
Diskussionsansätze<br />
Gibt es in Eurer Familie noch (Ur-)Großeltern, die den Zweiten Weltkrieg miterlebt<br />
haben? Dann fragt sie, wie es Ihnen im Krieg und der schwierigen Zeit danach<br />
erging! Fragt auch Eure Eltern, was sie von ihren (Groß-)Eltern über den Krieg<br />
erzählt bekamen!<br />
© <strong>Stiftung</strong> <strong>Zuhören</strong> <strong>2010</strong>
Schaut in einem Atlas nach, wo Familienangehörige stationiert waren, gekämpft<br />
haben, in Gefangenschaft saßen! Gibt es auch Familienangehörige, die nicht<br />
mehr aus dem Krieg heimkehrten?<br />
Fragt nach, ob eure Familie noch alte Fotos und (Feldpost-)Briefe aus<br />
Kriegszeiten besitzt und schaut sie Euch gemeinsam an! Wie unterschied sich<br />
das Leben eurer Vorfahren von dem euren?<br />
Warum führen Menschen Krieg? Wo wird gerade auf der Welt gekämpft und<br />
worum geht es dabei überhaupt?<br />
Die Freundschaft zu Piccolo und die Liebe zu Pauline waren für Wilhelm sehr<br />
wichtig, um die grausamen Erlebnisse <strong>des</strong> Krieges auszuhalten und nicht die<br />
Hoffnung zu verlieren. In welcher schwierigen Situation haben euch die<br />
Gedanken an liebe Menschen schon einmal Kraft gegeben?<br />
Hätte Wilhelm nicht Cello gespielt, hätte der französische Offizier ihn wohl<br />
erschossen. Musik kann Menschen über alle Grenzen hinweg verbinden und ihre<br />
Herzen öffnen. Erörtert gemeinsam mögliche Gründe und denkt euch andere<br />
Szenarien aus, die ebenfalls zu Wilhelms Rettung hätten führen können!<br />
Überlegt wie das Leben von Wilhelm und Pauline wohl weiterging! Schreibt eine<br />
kurze Geschichte und beachtet dabei auch die politische Entwicklung in<br />
Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg!<br />
Zur Produktion<br />
„Feldpost für Pauline“ ist ein Hörkino der besonderen Art: geschickte Wechsel der<br />
verschiedenen Perspektiven (Ebenen: Briefe, Erzählungen, Spielszenen) verleihen dem<br />
Hörspiel große Lebendigkeit. Die Übergänge fließen harmonisch, realisiert durch Blenden<br />
und Überlagerungen einzelner Tonspuren. Aus Paulines Fragen an ihre Oma Lieschen<br />
heraus entwickelt sich die Erzählung der eigentlichen Geschichte ihrer Ururgroßeltern. Die<br />
Lesungen der Feldpostbriefe Wilhelms durch seinen Sprecher Tom Schilling werden immer<br />
von Celloklängen eingeleitet und begleitet.<br />
Besonders packend wirken die drastischen Schilderungen Paulines Verwandter im vierten<br />
Track. Musik und Soundeffekte (z.B. Hall) sowie eine monotone und abgeklärte Stimme<br />
versetzen den Zuhörer mitten hinein in den Bombenhagel und das Grauen der<br />
Schlachtfelder.<br />
Die ausgezeichneten Sprecher versetzen sich voll und ganz in die Situationen, in denen sich<br />
ihre Figuren befinden. So verkörpert Tom Schilling mit seiner jung klingenden Stimme<br />
überzeugend den nachdenklichen Wilhelm und die Naivität der damaligen Jugend, die den<br />
Versprechungen der Politik nur zu gerne folgte. Ingrid van Bergen überzeugt als<br />
lebenslustige Uroma Lieschen ebenso wie Dustin Semmelrogge als Spaßvogel Piccolo.<br />
Fazit<br />
Das Hörspiel „Feldpost für Pauline“ zeigt eindrücklich, mit welcher Wucht Weltpolitik in das<br />
Leben zweier junger Menschen einbrechen kann. Die intensiven Schilderungen führen dem<br />
Hörer den Wahnsinn <strong>des</strong> Krieges plastisch vor Augen und regen besonders aufgrund dieser<br />
akustischen Drastik zu Reflexionen über die Sinnhaftigkeit militärischer Konfliktlösungen an.<br />
© <strong>Stiftung</strong> <strong>Zuhören</strong> <strong>2010</strong>
Trost verschafft hier die versöhnliche Botschaft, dass Liebe, Freundschaft und auch die<br />
Künste nicht nur Kraft für das Überleben spenden, sondern Mittel darstellen, sich über alle<br />
ideologischen und politischen Grenzen hinweg in Menschlichkeit zu begegnen.<br />
Das Hörspiel überzeugt also mit Inhalten gleichermaßen wie durch seine technische<br />
Realisation und wurde <strong>des</strong>halb zu Recht mit dem „Deutschen Kinderhörspielpreis 2009“<br />
ausgezeichnet.<br />
Tipp: Eine Hörprobe findet sich unter http://www.patmos.de/titel-52-<br />
52/feldpost_fuer_pauline-7760/<br />
Angaben zur Produktion<br />
Hörspiel<br />
Verlag: Sauerländer audio (http://www.sauerlaender.de/) in der Patmos Verlagsgruppe<br />
(http://www.patmos-verlagsgruppe.de/), Mannheim<br />
Autorin: Maja Nielsen<br />
Erscheinungsdatum: Mai <strong>2010</strong><br />
Empfohlenes Alter: Ab 12 Jahren<br />
Umfang: 1 CD (ca. 51 Minuten)<br />
Sprecher/innen:<br />
Pauline (jung): Céline Vogt<br />
Oma Lieschen: Ingrid van Bergen<br />
Wilhelm: Tom Schilling<br />
Crissi: Kerstin Kramer<br />
Ururgroßmutter: Lilija Klee<br />
Piccolo: Dustin Semmelrogge<br />
Block: Ludger Burmann<br />
Kompaniechef: Andreas Windhuis<br />
Soldat / Fritz: Philipp Danne<br />
Lazarett: Oliver Dollansky<br />
Hansen: Marco Leibnitz<br />
Cousin / Bruder: Andreas Potulski<br />
Französischer Offizier: Bernd Reheuser<br />
Soldat / Walter: Sebastian Schlemmer<br />
Ölige Stimme: Markus Scheumann<br />
Oberschwester: Regina Welz<br />
Franzosen / Komparsen: Arlad Agache, Martin Thiel und Stefan Weigelin<br />
Komposition: Mike Herting<br />
Regieassistenz: Ellen Versteegen<br />
Regie: Axel Pleuser<br />
Redaktion: Matthias Wegener<br />
Produktion: Westdeutscher Rundfunk Köln, 2008<br />
Bibliographische Angaben<br />
Audio-CD:<br />
Maja Nielsen: Feldpost für Pauline<br />
10 Tracks, 51 Min.<br />
Sauerländer audio in der Patmos Verlagsgruppe Mannheim, <strong>2010</strong><br />
© <strong>Stiftung</strong> <strong>Zuhören</strong> <strong>2010</strong>
ISBN: 978-3-7941-8531-3<br />
Preis: 12,95 Euro<br />
Die <strong>„CD</strong> <strong>des</strong> <strong>Monats“</strong> erscheint außerdem bei der <strong>Stiftung</strong> <strong>Zuhören</strong> (http://www.stiftungzuhoeren.de/).<br />
Darüber hinaus erscheint die <strong>„CD</strong> <strong>des</strong> <strong>Monats“</strong> bei SCHAU HIN! (http://schau-hin.info/). Die<br />
Initiative bietet Eltern eine Hilfestellung zum Umgang mit Medien für Kinder.<br />
Rezension: Christina Reul, Institut für angewandte Kindermedienforschung<br />
© <strong>Stiftung</strong> <strong>Zuhören</strong> <strong>2010</strong>