Untersuchungsbericht
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Bundesstelle für<br />
Raketenunfalluntersuchung<br />
BRU<br />
<strong>Untersuchungsbericht</strong><br />
3X0815-0/09<br />
Oktober 2009<br />
Identifikation<br />
Art des Ereignisses: Unfall<br />
Datum: 24. Oktober 2009<br />
Ort:<br />
Mückenloch<br />
Luftfahrzeug:<br />
Rakete<br />
Hersteller/Muster: Kalli's V2 - A4<br />
Personenschaden: mehrere Personen stark<br />
amüsiert.<br />
Sachschaden:<br />
Luftfahrzeug stark beschädigt<br />
Drittschaden:<br />
leichter Flurschaden,<br />
Startrampe beschädigt<br />
Informationsquelle: Untersuchung durch BRU<br />
Sachverhalt<br />
Ereignisse und Flugverlauf<br />
Der Countdown zum Start der Rakete begann bei T - 10s<br />
um 14:23:57 Uhr 1 . Der Zündvorgang wurde von<br />
anwesenden Zeugen als normal empfunden,<br />
Rauchentwicklung war innerhalb der vorgeschriebenen<br />
Parameter. Der Startingenieur gab an, keine<br />
Warnlampen vor dem Start gesehen zu haben. Die<br />
Zündung der Hauptstufe erfolgte um 14:24:07Uhr, die<br />
Rauchentwicklung war zu diesem Zeitpunkt noch<br />
unaufällig. Um 14:24:07.3Uhr kam es zu einer<br />
schwerwiegenden Störung im Motor, die Schubleistung<br />
brach zusammen und es kam zu einer Auslösung des<br />
Komplettrettungssystems. Kurz darauf wurde der<br />
Antriebsmotor durch eine Explosion zerstört, wobei<br />
auch die Startrampe aus ihrer Verankerung gerissen<br />
1 Alle angegebenen Zeiten, sowie nicht anders<br />
bezeichnet, entsprechen Ortszeit.<br />
wurde. Zu einem Flug kam es nicht. Nur durch die<br />
frühzeitige Auslösung des Rettungssystems konnte<br />
schlimmeres verhindert werden.<br />
Angabe zu Personen<br />
Der 65-jährige Startingenieur war deutscher<br />
Staatsbürger. Er war im Besitz einer Lizenz für<br />
Raketenbauer, ausgestellt nach den Regelungen JAR-<br />
FCL deutsch. In die Lizenz war der Betrieb von ein und<br />
mehrstufigen Feststoffraketen mit einer maximalen<br />
Abflugmasse von 25kg eingetragen. Weiterhin besaß<br />
er die Berechtigung zum Betrieb von<br />
kolbengetriebenen Flugmodellen. Seine Starterfahrung<br />
betrug:<br />
gesamt:<br />
in den letzten 90 Tagen:<br />
konnte nicht ermittelt werden, da die<br />
Unterlagen verbrannt waren<br />
2 Starts<br />
Es waren weiterhin zwei Zeugen (A), (B) anwesend,<br />
welche den Startversuch gefilmt haben.<br />
Angaben zum Luftfahrzeug<br />
Luftfahrzeug-Hersteller: Kalli/Noris<br />
Muster:<br />
A2/V4<br />
Werknummer: 12.05.<br />
Baujahr: 2009<br />
Gesamtflugzeit Zelle: 7sec<br />
seit letzter Prüfung: 7sec<br />
Triebwerksmuster: Welco C6-3<br />
Das letzte Lufttüchtigkeitsfolgezeugnis wurde am
19.10.2009 ausgestellt.<br />
Bei der A2/V4 handelt es sich um eine einmotorige<br />
Rakete mit Vierflügelanordnung. Das eingebaute<br />
Rettungsystem ist in der Spitze eingebaut und wird<br />
pyroelektrisch ausgelöst.<br />
Angaben zum Triebwerk<br />
Das Triebwerk vom Typ Weco C6-3 hatte die<br />
Chargennummer C2209 mit einem Herstellungsdatum<br />
vom Februar 2009. Es hatte eine Gesamtbetriebszeit<br />
von 0sec.<br />
Meteorologische Informationen<br />
Zum Unfallzeitpunkt lag die Sicht bei über 10km, der<br />
Wind wehte schwach aus südwestlicher Richtung. Es<br />
war stark bewölkt. Folgende Routinewettermeldungen<br />
(METARs) lagen vor:<br />
Mannheim:<br />
METAR EDFM 241250Z 23004KT 9999 SCT062 17/12 Q1016=<br />
Funkverkehr<br />
gefallen. Das entfaltete Rettungssystem lag links neben<br />
dem Hauptwrack, die Spitze in einem Winkel von 90°<br />
rechts davon. Der Haltering der Spitze wies starke<br />
Brandspuren auf. Die Rakete war noch mit der<br />
Startführung verbunden.<br />
Medizinische und pathologische Angaben<br />
Nicht betroffen.<br />
Brand<br />
Es kam zu einem Feuer bei dem große Teile des<br />
Luftfahrzeuges zerstört wurden.<br />
Auswertung der Videoaufzeichnung<br />
Es standen Aufzeichnungen von zwei Kameras aus<br />
unterschiedlichen Blickwinkeln zur Verfügung. Zeuge<br />
(A) stand beim Start in östlicher Richtung, Zeuge (B) in<br />
nördlicher. Insbesondere die Aufnahmen von Zeuge (A)<br />
waren für die Auswertung bedeutsam:<br />
Aufzeichnunen über den Funkverkehr waren nicht<br />
vorhanden. Zeugen sprachen von starkem Gelächter.<br />
Angaben zum Startplatz<br />
Der Raketenstartplatz Mückenloch befindet sich ca.<br />
4km südlich vom Ortskern Mückenloch in einer Höhe<br />
von 1401 ft. Er verfügt über eine befestigte Startrampe.<br />
Flugdatenaufzeichnung<br />
Das Luftfahrzeug war nicht mit einem<br />
Flugdatenschreiber ausgestattet. Dieses<br />
Aufzeichnungsgerät war nach den gültigen<br />
luftrechtlichen Regelungen nicht gefordert. Durch<br />
besondere Umstände wurde der komplette Vorfall<br />
jedoch von zwei anwesenden Zeugen auf Video<br />
aufgezeichnet. Die Aufzeichnungen standen der BRU<br />
zur Auswertung zur Verfügung.<br />
Bild 1: Zeitindex 14:23:58Uhr, Startvorgang eingeleitet.<br />
Unfallstelle und Feststellungen am Luftfahrzeug<br />
Dem Untersuchungsteam der BRU zeigte dich ein Bild<br />
des Schreckens. Die Startrampe war aus der<br />
Bodenverankerung gerissen und Richtung Norden<br />
Führung
Silberpapier<br />
Watte<br />
Booster<br />
Bild 2: Zeitindex 14:24:07Uhr -- Zündung der<br />
Hauptstufe, Flammstrahl<br />
Bild 5: Zeitindex 14:24:07.5 -- Booster trennt<br />
sich von Rakete<br />
Rauch<br />
Watte<br />
Fallschirm<br />
Bild 3: Zeitindex 14:24:07.3 -- Auslösung des<br />
Rettungssystems<br />
Booster<br />
Fallschirm<br />
Watte<br />
Bild 6: Zeitindex 14:24:07.6 -- Booster liegt am<br />
Boden, Fallschirm entfaltet sich<br />
Bild 4: Zeitindex 14:24:07.4 -- Explosion der Hauptstufe
Startrampe<br />
Watte<br />
Bild 7: Zeitindex 14:24:12 -- nach dem Unglück,<br />
umgestürzte Startrampe<br />
Folgende Aufnahme von Zeuge (B) verdeutlicht die<br />
Trennung des Boosters von der Hauptstufe bei<br />
Zeitindex 14:24:07.6:<br />
Silberpapier<br />
Versuche und Forschungsergebnisse<br />
Watte<br />
Fallschirm<br />
Booster<br />
Bild 8: Zeitindex 14:24:07.6 -- Booster fliegt in<br />
westliche Richtung<br />
Auf dem Prüfstand des Motorherstellers wurde der aus<br />
dem Wrack entnommene Motor einer genauen<br />
Untersuchung unterzogen. Dabei wurde ein<br />
Materialfehler an der Außenhaut des Motorträgers<br />
festgestellt. Dies führte zu einem Ermüdungsbruch der<br />
sich in Richtung der Ausstoßöffnung ausgebreitet hat<br />
und schließlich zur Zerstörung des Motors führte.<br />
Bild 9: Ermüdungsbruch infolge eines Materialfehlers<br />
am Motor<br />
Beurteilung<br />
Der Startingenieur war im Besitz der vorgeschriebenen<br />
Berechtigungen. Er war mit einer Starterfahrung von 2<br />
Starts in den letzten 90 Tagen als erfahren angesehen<br />
werden.<br />
Das Luftfahrzeug war zum Betrieb zugelassen.<br />
Das Rettungssystem wurde ausgelöst.<br />
Es kam zu einer unkontrollierten Explosion im<br />
Antriebsmotor, in dessen Folge sich der Booster von<br />
der Rakete getrennt hat.<br />
Der Antriebsmotor zeigte Anzeichen von<br />
Materialermüdung.<br />
Schlussfolgerungen<br />
Das Unglück ist auf eine Fehlfunktion des<br />
Antriebsmotors zurückzuführen. Durch eine<br />
unkonrollierte Explosion innerhalb des Motors in Folge<br />
eines Materialfehlers wurde das Rettungssystem<br />
ausgelöst. Der Austoß des Rettungssystems führte<br />
dabei zeitgleich zu einem Ausstoß des Boosters nach<br />
unten.<br />
Empfehlungen der BRU<br />
Sicherheitsempfehlung 20/09<br />
Das LBA sollte darauf hinwirken, das die<br />
Antriebsmotoren C4-4 der Firma Weco baulich<br />
verändert werden, um unkontrollierte Explosionen zu<br />
verhindern.<br />
Sicherheitsempfehlung 21/09<br />
Das LBA sollte eine Airworthiness Directive für die<br />
betroffenen Motoren C4-4 der Firma Weco<br />
veröffentlichen, in denen der Betrieb derselben<br />
untersagt wird.<br />
Untersuchungsführer<br />
Lügner