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Deutsch-Ostafrikas Maji-Maji Aufstand und das ... - Golf Dornseif

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<strong>Deutsch</strong>-<strong>Ostafrikas</strong> <strong>Maji</strong>-<strong>Maji</strong> <strong>Aufstand</strong> <strong>und</strong> <strong>das</strong> Zauberwasser<br />

von <strong>Golf</strong> <strong>Dornseif</strong><br />

In den Jahren 1905 bis 1907 machte in <strong>Deutsch</strong>-Ostafrika ein angeblich kugelsicheres<br />

Zauberwasser den <strong>Maji</strong>-<strong>Maji</strong> <strong>Aufstand</strong> möglich mit verheerenden Konsequenzen.<br />

Dessen ungeachtet werden die damaligen Rebellen im gegenwärtigen Tansania als<br />

Märtyrer geehrt <strong>und</strong> politisch ausgeschlachtet.<br />

Eingeborene <strong>und</strong> internationale Historiker deuten die damaligen Ereignisse unterschiedlich,<br />

vor allem in jüngster Vergangenheit. Der folgende Bericht stellt zahlreiche<br />

Auffassungen einander gegenüber <strong>und</strong> überlässt die Beurteilung dem Leser.<br />

Im Morgengrauen des 20. Juli 1905 begannen eine Frau, Nantabila Naup<strong>und</strong>a, sowie zwei Männer,<br />

Ngulumbalyo Mandai <strong>und</strong> Lindimyo Macheli, in Nandete (Matumbiland) Baumwoll-Pflanzen der regierungseigenen<br />

Plantage aus dem Boden zu reißen. So jedenfalls ist es in einer Dissertation von Gilbert<br />

Gwassa nachzulesen, die 1973 in Dar-es-Salaam erarbeitet wurde mit dem Titel "The Outbreak and<br />

Development of the <strong>Maji</strong> <strong>Maji</strong> War 1905 - 1907".<br />

Als dieser Willkürakt dem Akiden (eingeborener Verwaltungsbeamter) zu Kibata, einem Araber namens<br />

Seif bin Amri, zu Ohren kam, schickte er seine Leute zum Tatort, um nach dem Rechten zu<br />

sehen. Prompt entstanden Auseinandersetzungen mit der rebellischen Bevölkerung, <strong>und</strong> alle Aufseher<br />

mussten die Flucht ergreifen.<br />

Der Akide verbarrikadierte sich in seinem Amtssitz <strong>und</strong> berichtete am 28. Juli nach Kilwa an die deutschen<br />

Behörden von den Ausschreitungen der Einheimischen. Deshalb bat er um Hilfe durch Askari<br />

der Schutztruppe <strong>und</strong> schlich sich bei Nacht davon wegen der lebensgefährlichen Situation. Am 30.<br />

Juli töteten die Aufständischen den deutschen Pflanzer Hopfer <strong>und</strong> ließen dessen Anwesen in Flammen<br />

aufgehen.<br />

Einheiten der Schutztruppe hatten am Küstenort Samanga ihre erste Feindberührung, wobei eine<br />

Siedlung indischer Kaufleute Feuer fing <strong>und</strong> abbrannte. Der Matumbi Stamm griff <strong>das</strong> Militär mit etwa<br />

1.500 Kriegern an, <strong>das</strong> sich vor der Übermacht zurückziehen musste. Innerhalb weniger Wochen breiteten<br />

sich die Kämpfe auf einer Fläche von 100.000 Quadratkilometer aus. Im August 1905 erfasste<br />

die Rebellion fast <strong>das</strong> gesamte südliche (heutige) Tansania zwischen der Grenze nach Mosambik,<br />

dem Malawi See <strong>und</strong> einer gedachten Linie zwischen Kilosa <strong>und</strong> Dar-es-Salaam.


Inzwischen verschonten Aufständische weder Missionare noch Missionsstationen <strong>Ostafrikas</strong>. Dabei<br />

geriet eine 1899 in Ubena gegründete christliche Einrichtung in die Schusslinie, von der "Gesellschaft<br />

zur Förderung der evangelischen Missionen unter den Heiden zu Berlin" geschaffen.<br />

Am 19. September 1905 attackierten 2.000 Bewaffnete den protestantischen Vorposten, <strong>und</strong> Missionar<br />

Paul Gröschel organisierte die Verteidigung. Was dann geschah, ist überliefert durch die Aussagen<br />

eines schwarzen Nachfahren, der 1968 gegenwärtigen Historikern erzählte: "Gröschel ging hinunter<br />

zum Tor der Station <strong>und</strong> sagte: Geht weg, ihr bösen Menschen, denn sonst werdet ihr umkommen!<br />

Aber die Rebellen wollten nicht zuhören <strong>und</strong> begannen, ihre Speere zu schleudern. Sie konnten<br />

jedoch nicht <strong>das</strong> Gebäude zerstören. Gröschel <strong>und</strong> seine Leute schossen jetzt auf die Angreifer mit<br />

ihren Gewehren <strong>und</strong> töteten viele. Die Speere blieben im Dach stecken. Danach betete Missionar<br />

Gröschel inbrünstig."<br />

Weiterhin erinnerte sich der (zweifelhafte) Nacherzähler daran, <strong>das</strong>s die Frau des Missionars einige<br />

Bienenkörbe auf die Angreifer geschleudert hätte mit "durchstechendem Erfolg". Schließlich hätten die<br />

aggressiven Eingeborenen entmutigt den Rückzug angetreten.<br />

Die Darstellungen des mutmaßlichen Chronisten, eines 1968 hochbetagten Mannes, dürften mit großer<br />

Wahrscheinlichkeit dessen blühender Fantasie entsprungen sein oder auf Hörensagen beruhen,<br />

eindrucksvoll ausgeschmückt ...<br />

Ausbreitung des <strong>Aufstand</strong>s 1905 <strong>und</strong> 1906


Der gleiche Informant gab an, <strong>das</strong>s die Angreifer sämtliches Vieh der Missionsstation von der Weidefläche<br />

raubten. Einen Tag später seien die Bewohner der Mission in den nächsten größeren Ort Lupembe<br />

geflohen. Zuletzt plünderten die Aufständischen <strong>das</strong> Missionszentrum <strong>und</strong> zerstörten alle Gebäude.<br />

Missionar Gröschel notierte in seinen Erinnerungen, die 1911 in Berlin publiziert wurden, <strong>das</strong>s man<br />

ihn 1905 beizeiten vor einem gefährlichen Zauberer gewarnt habe, der die Schwarzen gegen <strong>das</strong><br />

deutsche Gouvernement aufhetzte: Kinjikitile Ngwala aus Ngarambe.<br />

Aufrührer in Ketten erwarten ihre Hinrichtung am Galgen


1967 beschrieb ihn eine Greisin aus angeblich eigener Erinnerung als "ein Mann mittleren Alters, von<br />

Weisheit geprägt, hoch gewachsen <strong>und</strong> sehr kräftig. Er trug weiße Gewänder, die bis zum Boden<br />

reichten".<br />

Die Legenden Tansanias berichten, Kinjikitile sei 1904 von einem Geist heimgesucht worden, der ihn<br />

wie einen Wurm auf dem Boden herumkriechen ließ angesichts seiner Familie, die aus mehreren<br />

Frauen <strong>und</strong> vielen Kindern bestand.<br />

Danach verschwand er in einem Teich, tauchte zum Schlafen unter, <strong>und</strong> die Angehörigen erwarteten<br />

am Ufer geduldig seine Wiederkehr. 24 St<strong>und</strong>en später erschien der Mann unverletzt in trockener<br />

Kleidung <strong>und</strong> begann wie eine Prophet zu reden ...<br />

Plötzlich verbreitete sich die Nachricht, <strong>das</strong>s der von einem Geist Besessene über eine W<strong>und</strong>ermedizin<br />

verfüge, die gegen alle bösen Einflüsse Schutz biete. Diese Medizin hatte einen Namen: <strong>Maji</strong><br />

("Wasser" in der Kisuaheli Sprache). Mais <strong>und</strong> Hirse wurden im Flusswasser des Rufiji gekocht. Diesen<br />

Extrakt sollte man trinken oder in kleine Gefäße gefüllt um den Hals tragen. Manche Gläubigen<br />

gossen <strong>das</strong> W<strong>und</strong>erwasser einfach über ihre Köpfe.<br />

Wobei half <strong>Maji</strong>? Schwarze Magie, Dürreperioden in der Landwirtschaft, Förderung guter Ernten, Vertreibung<br />

störender Wildschweine auf den Feldern, Immunität gegen Erkrankungen. Drohende<br />

Zwangsarbeit für die Kolonialherren konnte abgewendet werden, gute Jagdausbeute war zu erwarten,<br />

ebenso Fruchtbarkeit im Eheleben usw.<br />

Der deutsche Militär-Schriftsteller Hauptmann Merker richtete seine Neugier auf die Behauptung der<br />

W<strong>und</strong>ergläubigen, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> <strong>Maji</strong> Wasser unverw<strong>und</strong>bar mache <strong>und</strong> jede Kugel aus deutschen Gewehren<br />

abprallen lasse. Die Geschosse der Askari würden wie Regentropfen von den eingefetteten<br />

Leibern der schwarzen Krieger abfallen!<br />

Seit dem Sommer 1904 setzten "Pilger Reisen" in großen Scharen nach Ngarambe ein, um Kinjikitile<br />

aufzusuchen <strong>und</strong> sein <strong>Maji</strong> Wasser zu erbitten. Die Leute sangen, tanzten <strong>und</strong> heulten verzückt wie in<br />

Trance. Wer nicht selber pilgern konnten, ließ sich <strong>das</strong> W<strong>und</strong>erwasser von Verwandten <strong>und</strong> Bekannten<br />

mitbringen. Der bauernschlaue Heiler gab aber nichts gratis ab <strong>und</strong> kassierte eifrig für <strong>das</strong> geheimnisvolle<br />

Konzentrat. Der Schwindel funktionierte ausgezeichnet!<br />

Nur wenige Tage nach Kriegsbeginn verhaftete die Schutztruppe Kinjikitile <strong>und</strong> macht kurzen Prozess<br />

mit ihm am Galgen. Das war am 5. August 1905. Nun zeigte sich auf erschreckende Weise in den<br />

Reihen der Aufständischen die Wirkungslosigkeit des angeblich Kugelschutz bietenden Wassers vor<br />

den Läufen ratternder Maschinengewehre. Viele Angreifer flohen <strong>und</strong> klagten lauthals: "Kinjikitile, du<br />

hast uns betrogen!"<br />

Fantasiereiche Heldensagen als M<strong>und</strong>propaganda<br />

In jüngster Vergangenheit konzentrierten sich Wissenschaftler <strong>und</strong> studentische Arbeitsgruppen der<br />

Universität Dar-es-Salaam auf die "nacherzählte Geschichte" des <strong>Maji</strong>-<strong>Maji</strong> Krieges, also auf sogenannte<br />

"oral history" in der internationalen Gelehrtensprache. Man misstraute der deutschen Kolonialfachliteratur<br />

über die Ereignisse einerseits, entdeckte aber keine schriftlichen Aufzeichnungen eingeborener<br />

Autoren jener Kampfzeit, weil es derartiges Material niemals gab.<br />

Zu den wenigen erhalten gebliebenen Zeugnissen vom <strong>Maji</strong>-<strong>Maji</strong> <strong>Aufstand</strong> zählt ein Schreiben des<br />

Ngoni-Häuptlings Songea an den Yao-Herrscher Mataka, den Angehörige der Schutztruppe bei einem<br />

Kurier vorfanden:<br />

"An den Scheich <strong>und</strong> Sultan Mataka bin Hamiss! Es kam ein Befehl von Gott zu uns, die Weißen<br />

müssten aus unserem Land vertrieben werden. Wir bekämpfen sie zur Zeit. Ich wollte dir als Geschenk<br />

Rinder zukommen lassen, was aber nicht möglich ist, denn der von Gott gewollte Krieg ist jetzt<br />

wichtiger. Schicke mir h<strong>und</strong>ert Leute mit Gewehren! Unterstütze mich, damit wir die deutsche Festung<br />

Songea zusammen erstürmen können!"<br />

"Ich sende dir mit meinem Boten eine Flasche vom Propheten Mohamed. Sie enthält <strong>das</strong> Zauberwasser,<br />

um damit alle Europäer zu besiegen. Zweifle nicht daran, denn <strong>das</strong> Mittel entfaltet große Kraft!<br />

Nachdem wir die Festung (Boma) in Songea erobert haben, werden wir gegen die Stationen (Militärposten)<br />

am Njassa See ziehen, du <strong>und</strong> ich vereint. Lasst uns jetzt alten Hader vergessen!"<br />

"Diese Flasche mit Zauberwasser hat Kinjikitile persönlich abgefüllt, unser großer Anführer. Sobald<br />

deine Männer bei uns eintreffen, wird er erscheinen <strong>und</strong> deinen Leuten reichlich Zauberwasser zukommen<br />

lassen. Viele Grüße vom Sultan Songea bin Ruufu."


Wie dramatisch die deutsche Schutztruppe vom Ausbruch des <strong>Maji</strong>-<strong>Maji</strong> Krieges überrascht wurde,<br />

beweist die personelle Schwäche des Militärs, <strong>das</strong> 1905 eine Mannschaftsstärke von lediglich 2.360<br />

farbigen Soldaten hatte. Im Hafen von Dar-es-Salaam ankerte ein nutzloser Kreuzer.<br />

Nervös telegraphierte Gouverneur von Götzen am 15. August nach Berlin, um Verstärkungen anzufordern.<br />

Einige Kriegsschiffe mit Marine-Infanteristen brachten etwas Entspannung. Hauptmann von<br />

Wangenheim erstattete am 22. Oktober folgenden Bericht an seine Vorgesetzten:<br />

"Nach meiner Meinung kann nur Hunger <strong>und</strong> Not die endgültige Unterwerfung der Aufständischen<br />

herbeiführen. Militärische Aktionen werden mehr oder weniger Schläge ins Wasser bleiben. Sobald<br />

die jetzt noch vorhandenen Nahrungsmittel aufgebraucht sind <strong>und</strong> wir durch hartnäckige Streifzüge<br />

die Bestellung neuer Anbaufelder der Eingeborenen verhindert haben, dürften sie endgültig ihren Widerstand<br />

aufgeben."<br />

Der Offizier stand mit seiner Einschätzung der Lage nicht allein. Als der Missionar Pater Johannes<br />

einen Bezirksamtmann auf die Auswirkung einer bevorstehenden Hungersnot hinwies, antwortete der<br />

Kolonialbeamte kaltschnäuzig: "Das trifft zu. Die Kerle sollen ruhig hungern. Wir werden dafür sorgen,<br />

<strong>das</strong>s genügend Lebensmittel für die eigene Versorgung übrig bleiben. Wenn ich könnte wie ich möchte,<br />

so würde ich die Rebellen sogar am Pflanzen hindern. Das ist die einzige Chance, die Kerle<br />

kriegsmüde zu machen."<br />

Gouverneur von Götzen rechtfertigte diese Vernichtungstaktik später folgendermaßen: "Wie in allen<br />

Kriegen gegen unzivilisierte Völkerschaften war auch im vorliegenden Fall die planmäßige Schädigung<br />

der feindseligen Bevölkerung an Hab <strong>und</strong> Gut unerlässlich. Die Vernichtung wirtschaftlicher Werte<br />

wie <strong>das</strong> Abbrennen von Ortschaften <strong>und</strong> Lebensmittelvorräten mag dem Außenstehenden barbarisch<br />

vorkommen."<br />

"Vergegenwärtigt man sich einerseits, in wie kurzer Zeit afrikanische Negerhütten wieder neu entstehen<br />

<strong>und</strong> wie rasch die Üppigkeit der tropischen Natur neue Feldfrüchte hervorbringt, andererseits ein<br />

derartiges Vorgehen den Gegner erfolgreich zur Unterwerfung zu zwingen vermag, so wird man zu<br />

einer milderen Auffassung solcher Zwangsmaßnahmen kommen."<br />

Modernes Denkmal<br />

in Kilwa für die<br />

<strong>Maji</strong> Rebellen


Die Unterwerfungsbedingungen waren hart: Auslieferung aller Rädelsführer <strong>und</strong> Zauberer, die sofort<br />

am Galgen endeten, Abgabe sämtlicher Handfeuerwaffen, Bogen, Pfeile <strong>und</strong> Speere, ein Strafgeld<br />

pro Kopf in Höhe der jährlichen Kopfsteuer. Größere Häuptlinge mussten jeweils einige h<strong>und</strong>ert<br />

Zwangsarbeiter abgeben zum Einsatz an der Küste <strong>und</strong> beim Wegebau. In Kibati entstand ein großes<br />

Internierungslager mit H<strong>und</strong>erten von Frauen <strong>und</strong> Kindern der Aufständischen.<br />

Nach Angaben des Gouvernements sollen etwas 75.000 Rebellen im <strong>Maji</strong>-<strong>Maji</strong> Krieg getötet worden<br />

sein, während gegenwärtige Historiker Tansanias Zahlen zwischen 250.000 <strong>und</strong> 300.000 anführen.<br />

Auf kolonialdeutscher Seite starben 15 Weiße, 73 Askaris <strong>und</strong> 316 sogenannte Hilfskrieger (kollaborierender<br />

Stämme).<br />

Zu Beginn des <strong>Maji</strong>-<strong>Maji</strong> <strong>Aufstand</strong>s setzte sich die Elite der ostafrikanischen Schutztruppe aus 1.700<br />

Askaris zusammen, ausgebildeten Infanteristen unter Führung deutscher Offiziere <strong>und</strong> Unteroffiziere.<br />

Hinzu kamen 660 sogenannte Polizei-Askaris (minderer Tauglichkeit). 1905 zählte die deutsche ostafrikanische<br />

Schutztruppe 200 Offiziere <strong>und</strong> Unteroffiziere. Weitere 50 trafen Ende September 1905 als<br />

Verstärkung in Dar-es-Salaam aus der Heimat ein. Seestreitkräfte stellten 150 See-Soldaten zur Verfügung<br />

(heutzutage Marine-Infanteristen genannt).<br />

Gegenwärtige tansanische Historiker heben in ihren Forschungsarbeiten hervor, <strong>das</strong>s die Askari-<br />

Söldner durch den <strong>Maji</strong>-<strong>Maji</strong> Krieg eine einzigartige Gelegenheit geboten bekamen, als Folge ihrer<br />

Mobilität im Südosten der Kolonie beliebig viele Frauen <strong>und</strong> Kinder, Rinderherden, Kleinviehbestände<br />

<strong>und</strong> Nahrungsmittelvorräte zum individuellen Vorteil "abzukassieren". Es hätte sich (nach Auffassung<br />

dieser Historiker) ein spezieller "Askaristolz" dabei entwickelt, ein wachsendes Überlegenheitsgefühl<br />

in der Konfrontation mit "minderwertigen Schwarzen". Wissenschaftler nennen dies "askariness" in<br />

ihrer Fachliteratur, ein neuartiger Begriff. "Askariness" lässt sich als Herrenmenschentum schwarzer<br />

Prägung interpretieren, wohlwollend von der Kolonialmacht geduldet.<br />

Religiosität der Askari spielte eine unterschiedliche Rolle während der ostafrikanischen Feldzüge. Die<br />

Söldnertruppe bestand fast h<strong>und</strong>ertprozentig aus Muslimen, abgesehen von wenigen getauften Christen<br />

als Außenseitern. Im November 1906 meldete Hauptmann Hirsch, <strong>das</strong>s alle drei christlichen Askari<br />

in seiner Einheit desertierten <strong>und</strong> wieder ergriffen wurden. Sie mussten als Kettensträflinge dafür<br />

büßen <strong>und</strong> Zwangsarbeit verrichten. Der Offizier resümierte, <strong>das</strong>s christliche Askari seiner Kompanie<br />

zum größten Teil im Verlauf von Expeditionen die Flucht ergriffen auf Nimmerwiedersehen.<br />

Askari mit Feldwebel beim Appell


Die letzte Statistik der Schutztruppe von 1913 zur Frage religiöser Orientierung unter den Askari<br />

<strong>Ostafrikas</strong> verzeichnet 1.748 Muslime, 737 Animisten (Anhänger von Natur-Religionen bzw. Zauberern)<br />

sowie 113 Christen. Hauptmann Hirsch notierte 1905 mit trockenem Humor: "Ich habe in meiner<br />

Truppe jetzt nur noch einen christlichen Söldner, aber der sitzt meistens im Bau wegen Disziplinlosigkeit."<br />

Askari raubten Frauen <strong>und</strong> Kinder<br />

Die Internationale Kolonialforschung verweist bei näherer Betrachtung der deutsch-ostafrikanischen<br />

Verhältnisse unter anderem auf die komplizierte Sozialstruktur der farbigen Schutztruppen-<br />

Angehörigen <strong>und</strong> ihrer "geduldeten Privilegien". Fast jeder Askari betrachtete sich als rechtmäßig<br />

verheiratet mit mehreren Frauen, weil er der muslimischen Glaubensgemeinschaft angehörte. Im Verlauf<br />

häufiger Expeditionen bot sich den Söldnern die (tolerierte) Gelegenheit, Frauen, Kinder <strong>und</strong> Jugendliche<br />

zu rauben bzw. zu entführen, um den eigenen Garnison-Haushalt "anzureichern". Die entführten<br />

Halbwüchsigen wurden zu "Dienern" umgeschult <strong>und</strong> trugen <strong>das</strong> Marschgepäck der Askaris.<br />

Jene "Askari Boys" waren nur zum Teil <strong>das</strong> Ergebnis von Kidnapping, denn manche gingen gegen<br />

Bezahlung an die leiblichen Eltern in die Hände der Soldaten über. Fast alle geraubten Frauen <strong>und</strong><br />

Kinder fühlten sich in der neuen Umgebung wohl <strong>und</strong> hatten kein Heimweh. Dieses Sozialverhalten<br />

erscheint europäischen Beobachtern unbegreiflich, ist aber eindeutig nachweisbar.<br />

Im Jahr 1912, also fünf Jahre nach dem Ende des <strong>Maji</strong>-<strong>Maji</strong> <strong>Aufstand</strong>s, bat der römisch-katholische<br />

Apostolische Vikar in Dar-es-Salaam den deutschen Gouverneur im Namen aller ostafrikanischen<br />

Missions-Bischöfe um Auskunft über den Verbleib von Frauen <strong>und</strong> Kindern, die im Verlauf des <strong>Aufstand</strong>s<br />

in Gefangenschaft gerieten bzw. von Askari entführt wurden. Sie sollten unverzüglich freigelassen<br />

werden.<br />

Die Anfrage der Geistlichkeit zirkulierte bei sämtlichen Bezirksamtmännern der Kolonie auf Anordnung<br />

des Gouverneurs, führte aber zu keinem Ergebnis. Einige Amtmänner teilten lediglich mit, sie hätten<br />

gerüchteweise gehört, <strong>das</strong>s die gesuchten Frauen in Askari-Haushaltungen "assimiliert" worden seien.<br />

Der Bezirksamtmann von Neu-Langenburg äußerte sich detailierter: "In meinem Verwaltungsbezirk<br />

leben zahlreiche eingeborene Frauen, die seinerzeit als Kriegsbeute der Askari in deren Familien aufgenommen<br />

wurden. Diese Frauen durften sich später verheiraten, wenn sie es wünschten, doch<br />

musste der potenzielle Bräutigam zuvor dem Askari eine Ablösesumme (Brautgeld) zahlen.<br />

Bischof Spiß <strong>und</strong> seine musikalischen Missionsschüler


Die abhängigen Frauen, praktisch erbeutete Sklavinnen, konnten sich wahlweise freikaufen (ohne<br />

Heiratsabsichten), mussten jedoch zuvor als Ausgleich für ihren Unterhalt in der Askari-Familie pro<br />

Jahr 10 Rupien aufbringen oder durch Verwandte beschaffen. Der Kommandeur der 13. Feldkompanie<br />

in Kondoa-Iringa meldete 1913 eine Liste aller seiner Askari Söldner, die nach wie vor "Beute-<br />

Frauen" als Nebenfrauen in ihren Familien versorgten.<br />

Zu den Privilegien der Askari gehörte nicht zuletzt ein geregelter Versorgungsanspruch finanzieller<br />

<strong>und</strong>/oder sonstiger materieller Art. Zogen die Männer ins Feld, um Aufstände zu ersticken, empfingen<br />

die zurück gebliebenen Frauen in den Garnisonen für sich <strong>und</strong> ihre Kinder Unterhaltszahlungen sowie<br />

Lebensmittel-Zuteilungen. Länger dienende Askari hatten eine Rente zu erwarten. Hielten die Männer<br />

im Fronteinsatz ihre Köpfe hin, gab es am heimischen Stützpunkt sogenannten Frauenzahlungen<br />

gegen Quittung (Soldvorschuss). Die Empfängerinnen mussten ihren "Frauenteilzahlungsausweis"<br />

vorlegen. Je Askari-Ehemann existierte aber nur ein zugehöriger Ausweis dieser Art, so<strong>das</strong>s ein Muslim<br />

mit zwei oder drei Ehefrauen nicht mehrfach abkassieren durfte.<br />

Die zu Unterhaltszahlungen berechtigten Askari Frauen waren so stolz auf ihre Ehemänner, <strong>das</strong>s sie<br />

sich vielfach <strong>das</strong> Rangabzeichen (Korporal, Feldwebel, Gefreiter) auf den Leib tätowieren ließen, um<br />

damit zu prahlen. Davon berichtete der Stabsarzt Dr. Otto Peiper 1908 in Umatumbi, Bezirk Kilwa.<br />

Tätowierung bedeutete eine Steigerung der Familienehre!<br />

Am 29. November 1905 kam Major Johannes mit der achten <strong>und</strong> 13. Feldkompanie zum Einsatz gegen<br />

die <strong>Maji</strong>-<strong>Maji</strong> Aufrührer, begleitet von 1.500 Lastenträgern. Der Kommandeur ließ etwa 100 Ngoni<br />

Unterhäuptlinge <strong>und</strong> Dorfälteste im Frühling 1906 hinrichten. Dabei verfolgte Johannes eine Taktik der<br />

verbrannten Erde, also einen Vernichtungsfeldzug. Bereits 1895 war dieser Offizier durch Berichte in<br />

der deutschen Heimatpresse unangenehm aufgefallen. Damals organisierte Johannes eine Strafexpedition<br />

in Ostafrika, verb<strong>und</strong>en mit vielfältigen Grausamkeiten.<br />

Eingeborene Hilfskrieger: Ruga


1905 wiederholte der Major die Praxis, zahllose eingeborene Frauen <strong>und</strong> Kinder als Geiseln gefangen<br />

zu nehmen. Er "verschenkte" sie an seine Askari <strong>und</strong> andere Hilfsvölker wie Sklaven "zur Belohnung<br />

für treue Dienste".<br />

Im Jahr 1906 fanden am 27. Februar, 20. März <strong>und</strong> 12. April auf Befehl von Major Johannes Massenhinrichtungen<br />

gefangener Rebellen statt. Der Benediktiner Pater (Missionar) Häflinger bemühte sich,<br />

die Todeskandidaten zum Christentum zu bekehren <strong>und</strong> kurz vor den Exekutionen zu taufen. Zum<br />

ersten Termin der erwähnten Hinrichtungen waren 14 von 31 Delinquenten bekehrungswillig <strong>und</strong> durften<br />

Abschiedsbriefe an ihre Familien schicken.<br />

Wer zum Tod durch den Strang verurteilt worden war, musste seinen Galgen zimmern <strong>und</strong> ein Massengrab<br />

schaufeln helfen. Außerdem hatten die Männer eine Straße zur Hinrichtungsstätte zu planieren<br />

<strong>und</strong> sie auf beiden Seiten mit Setzlingen für späteren Baumwuchs zu markieren, also eine Allee<br />

vorzubereiten. Pater Häflinger fotografierte die Kettensträflinge auf dem Marsch zu ihrem Galgen.<br />

Die renommierte Frankfurter Zeitung bekam Wind von den furchtbaren Taten der deutschen Schutztruppe<br />

<strong>und</strong> kommentierte vorsichtig: "Ein vernünftiger Kolonialoffizier, der deutsche Kultur zu repräsentieren<br />

hat, darf niemals auf die ihm anvertrauten Eingeborenen bei Unbotmäßigkeit mit einem Vernichtungsfeldzug<br />

reagieren, wie <strong>das</strong> kürzlich aber in <strong>Deutsch</strong>-Ostafrika während eines <strong>Aufstand</strong>s vorgekommen<br />

ist. Wie wir erfahren haben, wurden dort zahllose Schwarze wie wilde Tiere gejagt <strong>und</strong><br />

dann abgeknallt, soweit sie nicht in abgelegene Gebiete fliehen konnten. Die Herren Europäer als<br />

Verantwortliche für derartige Taten erhielten abschließend Orden <strong>und</strong> Ehrenzeichen."<br />

Der Guerilla Krieg forderte auf deutscher Seite nicht nur bei der kämpfende Truppe Opfer, sondern<br />

auch im Umfeld der Missionsangehörigen <strong>und</strong> Mediziner. Am 6. Januar 1906 geriet Oberstabsarzt Dr.<br />

Wiehe mit 11 Askari <strong>und</strong> sechs Hilfskriegern in einen Hinterhalt, nachdem die Gegner mit einer wehenden<br />

deutschen Flagge sich als angeblich Verbündete zu erkennen gaben. Sämtliche Teilnehmer<br />

der Kolonne büßten ihr Leben ein.<br />

Am 14. August 1905 ermordeten die <strong>Maji</strong>-<strong>Maji</strong> Rebellen den katholischen Bischof Cassian Spiß, zwei<br />

Benediktiner Pater <strong>und</strong> zwei Ordensschwestern auf dem Weg von Kilwa nach Peramiho. Die Utensilien<br />

zum Zelebrieren der Heiligen Messe <strong>und</strong> andere Wertobjekte fielen den Tätern in die Hände. Im<br />

Jahr 1983 (!) gelang es einigen Benediktiner Missionaren, die Nachkommen der Mörder aufzuspüren<br />

<strong>und</strong> die Gerätschaften zurück zu erhalten durch eine Belohnung.<br />

Zerstörte Mission Peramiho der Benediktiner 1905


Im Verlauf des <strong>Maji</strong>-<strong>Maji</strong> Krieges verringerte sich die eingeborene Bevölkerung von 80.000 auf 20.000<br />

Menschen. Offiziell war bei Kriegsende von 75.000 umgekommenen Rebellen die Rede im Vergleich<br />

zu 15 Europäern, 73 Askaris <strong>und</strong> 316 Hilfskriegern. In der Provinz Ungoni sollen mehr als 5.000<br />

Schwarze verhungert sein, wie Missionare berichteten. Alle Zahlen sind grobe Schätzungen, teilweise<br />

maßlos übertrieben aus politischen Motiven.<br />

Zauberwasser <strong>und</strong> trickreiche Betrüger<br />

Im Verlauf der jüngsten Vergangenheit haben sich internationale Ethnologen, Psychologen <strong>und</strong> andere<br />

Wissenschaftler intensiver mit dem Ursprung des <strong>Maji</strong>-<strong>Maji</strong> <strong>Aufstand</strong>s beschäftigt <strong>und</strong> danach unterschiedliche<br />

Deutungen präsentiert.<br />

Auf der Gr<strong>und</strong>lage von vier Idealtypen sozialen Handelns (Wertrationalität, Zweckrationalität, affektuelles<br />

<strong>und</strong> traditionales Handeln) werden drei Typen politischer Herrschaft erkennbar: "Der Zweck- <strong>und</strong><br />

Wertrationalität wird die rational-rechtmäßige Herrschaft zugeordnet, die charismatische (von einem<br />

Gott gewollte) Herrschaft entspringt dem affektuellen Handeln (von Gefühlswallungen getragen) <strong>und</strong><br />

traditionales Handeln bringt traditionsgeb<strong>und</strong>ene Herrschaft hervor."<br />

"Die Autorität eines charismatischen Herrschers (Diktators) basiert auf der durch angebliche W<strong>und</strong>er<br />

gesicherten Anerkennung, gestützt auf die Gefolgsleute, allesamt dem Herrscher persönlich ergeben.<br />

Der Führungsanspruch des Charismatikers leitet sich vor allem aus seinen Visionen ab. Neue Tabus<br />

<strong>und</strong> neu eingeführte Rituale rufen ein Gefühl verschworener Gemeinschaft hervor, nach außen abgegrenzt<br />

<strong>und</strong> nach innen gefestigt."<br />

"Im allgemeinen wird nicht klar zwischen dem Propheten <strong>und</strong> dem Heilsbringer unterschieden. So gibt<br />

es Propheten, die nur die Ankunft eines Heilsbringers verkünden, doch lehrt die Historie, <strong>das</strong>s ein<br />

sogenannter Heilsbringer mit besonderen Fähigkeiten glaubwürdiger für <strong>das</strong> Volk erscheint. Charismatisch<br />

qualifiziert ist also derjenige, welcher einen guten Geist verkörpert."<br />

"Als Beweismittel gelten W<strong>und</strong>erheilung, Totenerweckung, Unverw<strong>und</strong>barkeit (wie beim <strong>Maji</strong>-<strong>Maji</strong><br />

Krieg), Feuerfestigkeit, Weissagungen <strong>und</strong> Exorzismus. Zahlreiche charismatische Führerpersönlichkeiten<br />

der Weltgeschichte sind schizophrene Psychopathen, hochsensibel <strong>und</strong> neurotisch programmiert,<br />

teilweise Epileptiker."<br />

Im Rufiji Fluss spendete ein Gott Bokero Zauberwasser


"Zu einer Krise kommt es im Verlauf einer Bewegung jeweils dann, wenn die Weissagungen des Anführers<br />

nicht eintreffen, wenn also ein Fall von 'verfehlter Prophetie' zu verzeichnen ist."<br />

"Die vermeintlichen Propheten sind jedoch um keine Ausrede verlegen. Eine höhere Macht hat - zum<br />

Beispiel - <strong>das</strong> Eintreffen eines Ereignisses überraschend verschoben. Oder der Anführer beschuldigt<br />

seine Gläubigen, sie hätten durch falsches Benehmen <strong>und</strong> Unzuverlässigkeit <strong>das</strong> angekündigte W<strong>und</strong>er<br />

verhindert. Tatsächlich ist jedoch der Fanatismus vieler Menschen so beharrlich, <strong>das</strong>s in ihnen<br />

keine Zweifel aufkommen trotz aller Enttäuschungen."<br />

Die Botschaft des <strong>Maji</strong>-<strong>Maji</strong> Propheten Kinjikitile lautete nach der vorliegenden Überlieferung:<br />

"Wer dieses Wasser bekommt / wer es nur ein weinig berührt / hofft zu sterben / in seinem Herzen ist<br />

Glut. / Wer die Flasche genommen hat, ist ein Meister / denn sein Herz pocht / vor Hoffnung <strong>und</strong> Leidenschaft.<br />

/ Er schaut nicht mehr zurück. / Er hofft, den Feind zu erreichen. / Als Gewehrschütze<br />

kniend fürchtet er keine Kanonen. / Er schließt seine Augen / <strong>und</strong> sieht keine Gefahr."<br />

Kinjikitile verteilte bzw. verkaufte seine wässerige Medizin, die kugelsicher machen sollte, auf seinem<br />

Anwesen an jedermann. Es gab sowohl "scharfes Wasser" als auch "kühles Wasser" im Angebot.<br />

Kühlwasser sollte getrunken werden. Mit scharfem Wasser wurden Beine, Kopf, Rücken <strong>und</strong> Brust<br />

eingerieben.<br />

Der deutsche Kolonialbeamte Stollowsky stellte in seinen Erinnerungen fest, <strong>das</strong>s Kinjikitiles Medizin<br />

unter anderem Asche enthielt. Hauptmann Moritz Merker erwähnt als Beimischung Mais <strong>und</strong><br />

Sorghumkörner. Der Stamm des Ngindo Volks verspritzte <strong>Maji</strong> Zauberwasser auf seinen Feldern, um<br />

eine ertragreiche Ernte zu sichern. Waffen (Gewehre, Bogen <strong>und</strong> Pfeile, Speere) erhielten einen<br />

Spritzguss mit <strong>Maji</strong> Trunk. Sogar Schießpulver <strong>und</strong> Gewehrkugeln bekamen etwas vom Wasser ab!<br />

Nach der Ausgabe des <strong>Maji</strong> Wassers <strong>und</strong> während des Kampfes gegen die deutsche Schutztruppe<br />

<strong>und</strong> deren Askari war es den Gläubigen untersagt, sich umzudrehen. Wer vor den <strong>Deutsch</strong>en flieht -<br />

so hieß es - dem wird ein Affenschwanz am Rücken wachsen <strong>und</strong> die Ehefrau davonlaufen ...<br />

In den Gefechten zählte es zur deutschen Strategie, bei einem Angriff der <strong>Maji</strong> Krieger zunächst die<br />

hinteren Reihen unter Beschuss mit dem Maschinengewehr zu nehmen. Weil sich die vorderen Angreifer<br />

nicht umdrehen durften, erkannten sie die tödliche Wirkung der MG-Geschosse nicht <strong>und</strong><br />

stürmten unverdrossen weiter mit hohen Verlusten.<br />

Gouverneur Graf von Götzen 1901 bis 1906 in DOA


Nach neueren Forschungsergebnissen kann man den <strong>Maji</strong>-<strong>Maji</strong> Krieg als einen missglückten Bauernaufstand<br />

umschreiben, weniger als Sozialrevolution mit politischen Akzenten. Der selbst ernannte<br />

Prophet Kinjikitile hatte jedoch nur kurze Zeit eine tragende Führerrolle, weil er alsbald verhaftet <strong>und</strong><br />

gehängt wurde mit anderen Komplizen. Nun ergänzte der Bokero Kult (benannt nach einem anderen<br />

Chief) den Widerstand gegen die <strong>Deutsch</strong>en.<br />

Im gegenwärtigen marxistisch-leninistisch orientierten Tansania wird die Rolle der <strong>Maji</strong>-<strong>Maji</strong> Kämpfer<br />

als antikolonialistische Befreiungsbewegung hochstilisiert. Der Dramatiker Ebrahim Hussein lässt in<br />

der letzten Szene seines modernen Schauspiels "Kinjikitile" die Titelfigur Stellung zu den Vorwürfen<br />

nehmen, die <strong>Maji</strong>-<strong>Maji</strong> Medizin sei ein Schwindel gewesen. <strong>Maji</strong> sei immer gut gewesen, auch wenn<br />

<strong>das</strong> Versprechen, Gewehrkugeln in Wassertropfen zu verwandeln, nicht eingehalten werden konnte.<br />

Beweis: Tansania konnte mit einiger Verspätung die Unabhängigkeit erringen!<br />

Ngoni Krieger mit<br />

Assegai Wurfspeer:<br />

typische Bewaffnung<br />

während des <strong>Aufstand</strong>s<br />

Diese abenteuerliche Geschichtsklitterung ist im w<strong>und</strong>ergläubigen Ostafrika durch nichts zu erschüttern.<br />

Versagt eine Medizin, so muss sie nach Meinung der Eingeborenen "überarbeitet <strong>und</strong> modifiziert"


werden. Aus den Aufzeichnungen von Otte Stollowsky, Sekretär des Bezirksamtmanns von Mohoro,<br />

sind weitere Kuriositäten zu entnehmen:<br />

Während der Bezirksamtmann auf Dienstreise war, begann Stollowsky, den Gr<strong>und</strong> für eine ihm auffallende<br />

Unruhe der Eingeborenen zu untersuchen. Er stellte fest, <strong>das</strong>s Leute von nah <strong>und</strong> fern seit Wochen<br />

nach Mtondo pilgerten, einem südlich Mohoro gelegenen Ort. Dort verteilte eine alte Frau namens<br />

Nwanga mit ihrem Mann eine Wassermedizin, die von einem Gott stammen sollte <strong>und</strong> die Ernte<br />

vor Schädlingen schützte. Ein schwunghafter Handel kam in Gang, denn <strong>das</strong> Paar rückte seine W<strong>und</strong>ermedizin<br />

nur gegen Barzahlung heraus.<br />

Nwanga wurde verhaftet als Betrügerin <strong>und</strong> zu einem Jahr Kettenhaftstrafe verurteilt. Der Ehemann<br />

<strong>und</strong> ein Sohn des Ortsvorstehers von Mtondo als Komplizen wanderten sechs Monate hinter Gitter.<br />

Untersuchungen der deutschen Behörden ergaben, <strong>das</strong>s die Frau ihre nutzlose Medizin aus Ngarambe<br />

bezog. Am 16. Juli verhafteten Askari einen Mann namens Ligitire, der in sämtliche Richtungen<br />

Wassermedizin verschickte <strong>und</strong> verkaufte <strong>und</strong> mit dem Chief Bokero kooperierte.<br />

Dieser Bokero, der jetzt ebenfalls festgenommen wurde, besaß eine offizielle Erlaubnis des Bezirksamtmanns<br />

Keudel, <strong>Maji</strong>-Heilwasser zu verbreiten, um damit Augenkrankheiten (<strong>und</strong> nichts anderes)<br />

zu kurieren! Am 4. August wurden Ligitire, Bokero <strong>und</strong> dessen Sohn vor ein deutsches Gericht gestellt<br />

<strong>und</strong> wegen <strong>Maji</strong>-<strong>Maji</strong> Unterstützung zum Tod durch Erhängen verurteilt. Nwanga blieb aus unbekannten<br />

Gründen verschont in Haft. Im Oktober 1905 berichtete die <strong>Deutsch</strong>e Kolonialzeitung ausführlich<br />

<strong>und</strong> erwähnte, <strong>das</strong>s die W<strong>und</strong>ermedizin häufig aus dem Wasser der heißen Quellen bei Kibambawe<br />

geschöpft wurde.<br />

Stollowsky entwickelte in seinem Eifer als Detektiv verschiedene Theorien zweifelhafter Seriosität. Der<br />

Hauptdrahtzieher der <strong>Maji</strong>-<strong>Maji</strong> Revolte soll ein gewisser Hilalio gewesen sein, der wie Chief Bokero in<br />

Kibambawe lebte. Hilalio wurde als Sklave von den Holy Ghost Fathers, katholischen Missionaren,<br />

aus Zanzibar freigekauft <strong>und</strong> 1877 als Katechist (Hilfsprediger) zur Missionsstation Mhonda nördlich<br />

Morogoro entsandt.<br />

Gefangene auf dem Weg zum Galgen<br />

Angeblich gelang es dem jungen Eingeborenen, eine Vertrauensstellung bei den Missionaren aufzubauen.<br />

Er durfte von durchreisenden Karawanen Wegezoll einfordern <strong>und</strong> später sogar Hüttensteuern


kassieren zugunsten der Bezirksämter. Schließlich sei Hilalio zum Islam übergetreten, was die Missionare<br />

erboste. Die <strong>Deutsch</strong>en ernannten den eifrigen Jüngling zum Unterbeamten in Kibambawe.<br />

Dort starb er vor Kriegsausbruch im März 1905, möglicherweise durch Gift in der Nahrung ...<br />

Missionare zwischen allen Fronten<br />

Im April 1906 veröffentlichte die <strong>Deutsch</strong>e Kolonialzeitung eine "Aufstellung der <strong>Aufstand</strong>sverluste" mit<br />

folgenden Angaben:<br />

Gefallene Weiße: Vier Angehörige der Schutztruppe, ein Matrose <strong>und</strong> ein Bure.<br />

Ermordete Weiße: Sieben Missionsangehörige, zwei Ansiedler.<br />

Ertrunkene Weiße: Ein Angehöriger der Schutztruppe, ein Seesoldat der Marine-Infanterie.<br />

Verstorbene durch Krankheiten: Sechs Angehörige der Kriegsmarine.<br />

Gefallene Farbige: 66 Askaris, 243 eingeborene Hilfskrieger, sieben Träger, 29 Sonstige.<br />

Verw<strong>und</strong>ete Farbige: 59 Askaris, 115 Hilfskrieger (Eingeborene), sieben Träger, 20 Sonstige.<br />

Der <strong>Maji</strong>-<strong>Maji</strong> <strong>Aufstand</strong> hatte für die christlichen Missionare aller Konfessionen verheerende Folgen.<br />

Die Aufständischen zerstörten sämtliche Missionsgebäude oder ließen sie in Flammen aufgehen. Fast<br />

alle Missionare, die den Rebellen in die Hände fielen, wurden massakriert. Es gab aber auch christliche<br />

Eingeborene, die flüchtende Missionare vor den erbarmungslosen Killerkommandos versteckten<br />

<strong>und</strong> ihnen <strong>das</strong> Leben retteten.<br />

Pater Cyrillus Wehrmeister beschrieb in seinem Erinnerungsbuch "Vor dem Sturm", wie <strong>das</strong> <strong>Maji</strong>-<strong>Maji</strong><br />

Heer die Benediktiner auf ihren Stationen attackierte. Anfang August 1905 reiste Bischof Cassian Spiß<br />

von der Küste in den Busch. In Peramiho, einer von ihm 1898 gegründeten Niederlassung, wollte er<br />

den zu Besuch weilenden Erzabt von Sankt Ottilien, Norbert Weber, treffen. Das Bezirksamt Kilwa<br />

informierte Spiß über die jüngst ausgebrochenen Unruhen in den abseits der Reiseroute gelegenen<br />

Matumbi-Bergen <strong>und</strong> riet von der Weiterreise ab.<br />

Karikatur von Wilhelm Kuhnert 1906<br />

Thema: Sieg der <strong>Maji</strong> über die Kolonialherrschaft!<br />

Spiß ignorierte die Warnung <strong>und</strong> vertraute auf sein gutes Verhältnis zu den Einheimischen. Seine<br />

Reisegesellschaft verfügte über 12 Mausergewehre <strong>und</strong> 300 Patronen. Am 5. August 1905 brach Spiß<br />

mit einer Karawane aus 60 Trägern des Ngoni-Stamms auf, begleitet von zwei Missionsbrüdern <strong>und</strong><br />

zwei Ordensschwstern.


Am 13. August erreichte Bischof Spiß unterwegs eine Nachricht, <strong>das</strong>s der Polizeiposten Liwale von<br />

<strong>Maji</strong>-<strong>Maji</strong> Guerillas angegriffen worden sei. In der folgenden Nacht liefen die Träger davon <strong>und</strong> nahmen<br />

10 der 12 Gewehre mit. Am nächsten Tag beschlossen die Europäer, nach Kilwa zurück zu marschieren<br />

<strong>und</strong> alle Traglasten aufzugeben. Dann tauchten Aufständische auf, die den Geistlichen sofort<br />

tödlich mit ihren Assegai-Wurfspeeren durchbohrten. Auch die übrigen Reisegefährten beiderlei Geschlechts<br />

wurden ermordet.<br />

Weiter südlich in der Landschaft Lindi meldete <strong>das</strong> Bezirksamt am 25. August den Benediktiner-<br />

Missionaren von Nyangao Unruhen auf dem benachbarten Noto-Plateau, doch sei die Station nicht<br />

gefährdet. Vorsichtshalber sollten die Missionare zu ihrem Schutz <strong>das</strong> Bezirksamt aufsuchen oder<br />

nach Masasi marschieren sowie ihr Gebäude in einen Verteidigungszustand versetzen.<br />

Am folgenden Sonntag blieb die Kirche der Eingeborenen überraschend leer. Zum 27. August erschienen<br />

Krieger in der Umgebung <strong>und</strong> die Missionare ergriffen die Flucht, unterstützt von christlichen<br />

Eingeborenen. Die Rebellen reagierten schneller, packten die Missionare <strong>und</strong> verletzten sie schwer<br />

mit Hieb- <strong>und</strong> Stichwaffen. Trotzdem konnten die Männer entkommen, begleitet von drei Ordensschwestern.<br />

Die vierte Schwester büßte ihr Leben ein.<br />

Station Likuledi der Benediktiner, etwas weiter westlich gelegen, wurde am 28. August überfallen.<br />

Zwei Pater flüchteten Richtung Masasi gemeinsam mit einigen Missionaren der britischen "Universities<br />

Mission for Central Africa" <strong>und</strong> erreichten Mikindani unversehrt. Einen kranken Bruder mussten<br />

die Benediktiner in Lukuledi zurücklassen. Er konnte von eingeborenen Christen versteckt <strong>und</strong> gerettet<br />

werden, obwohl deren Hütten von Rebellen zerstört wurden.<br />

Askari Musikzug während einer Ruhepause<br />

Im Westen der Kolonie, in Peramiho, lag die größte Station der Benediktiner. Dort beschloss Abt<br />

Norbert Weber am 25. August mit seiner Begleitung, zu der Pater Wehrmeister zählte, sich in Sicherheit<br />

zu bringen. Es gelang jedoch nicht, Lastenträger zu verpflichten, weil <strong>das</strong> Ngoni Volk bereits in<br />

den <strong>Aufstand</strong> verwickelt schien. Am 5. September marschierten die Missionare zur Nachbarstation<br />

Kingonsera, während Pater Franziskus Leuthner die Stellung halten wollte.


Die Aufständischen nahmen ihn alsbald gefangen als Beute des Ngoni-Herrschers Mputa. Augenzeugen<br />

berichteten später im einzelnen: "Leuthner musste sich bis auf einen Lendenschurz entkleiden<br />

<strong>und</strong> sollte vor dem Häuptling einen Tanz vollführen. Der Gefangene lehnte dies ab <strong>und</strong> erklärte, <strong>das</strong>s<br />

er bereit sei zu sterben. Vorher bat er um die Gnade, ein Gebet sprechen zu dürfen, was die Krieger<br />

ablehnten. Dann schnitten sie ihm den Kopf ab <strong>und</strong> verbrannten den Toten."<br />

Leuthner war bei den Aufständischen deshalb so verhasst, weil er sie einige Zeit vorher wegen ihres<br />

angeblichen Irrglaubens beschimpft hatte <strong>und</strong> die Zerstörung eines Ahnen-Schreins durchsetzte. Die<br />

Eingeborenen beschwerten sich beim Bezirksamtmann wegen dieser eigenmächtigen Aktion des Paters,<br />

der 15 Rupien Schadenersatz zahlen musste! Ein unerhörter Vorgang zugunsten der Schwarzen<br />

in damaliger Zeit. Leuthner weigerte sich zu zahlen. Bischof Spiß zahlte freiwillig drei Rupien um des<br />

lieben Friedens willen. Schließlich schickten die Eingeborenen ihre Kinder nicht mehr in die Schule<br />

der Missionare <strong>und</strong> boykottierten die Benediktiner fortan.<br />

Gouverneur von Götzen lobte <strong>das</strong> Verhalten einiger Missionare während des <strong>Aufstand</strong>s. Gröschel <strong>und</strong><br />

Hahn erhielten den Kronen-Orden vierter Klasse mit Schwertern. Missionar Maass desgleichen (aber<br />

ohne Schwerter). Superintendent Schumann durfte sich mit dem Roten Adler-Orden vierter Klasse mit<br />

Schwertern schmücken.<br />

In einem Bericht über die Ursachen des <strong>Maji</strong>-<strong>Maji</strong> <strong>Aufstand</strong>s nannte Gouverneur von Götzen als möglichen<br />

Gr<strong>und</strong> "eine Art Schulbesuchszwang", den die Benediktiner mit staatlicher Erlaubnis ausübten,<br />

während die Protestanten sich vor derartigen Maßnahmen hüteten. Deshalb seien zahlreiche katholische<br />

Missionsschüler zu den Rebellen übergelaufen, während die evangelischen "treu blieben". Von<br />

den sieben Missionsstationen der Benediktiner wurden fünf durch Aufständische zerstört. Die evangelische<br />

Berliner Missionsgesellschaft besaß 11 Stationen, von denen jedoch nur zwei Totalschaden<br />

erlitten, was kein Zufall sein dürfte. Sachverständige urteilen allerdings, <strong>das</strong>s die ungünstige geographische<br />

Lage der katholischen Stationen (im Kriegsgebiet) wesentlich zu ihrer Zerstörung beitrug.<br />

Eine klare Analyse fand nie statt.<br />

Demonstration der Schutztruppe: Gewehre <strong>und</strong> Kanonen<br />

Erstveröffentlichung: Dezember 2012<br />

Dieser Artikel wird bereitgestellt auf: http://www.golf-dornseif.de<br />

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