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Verwaltungsgericht - Gerichte

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<strong>Verwaltungsgericht</strong><br />

Abteilung:<br />

Rechtsgebiet:<br />

Abgaberechtliche Abteilung<br />

Führerausweisentzug<br />

Entscheiddatum: 25.08.2005<br />

Fallnummer: A 05 83<br />

LGVE: 2005 II Nr. 15<br />

Betreff:<br />

Leitsatz:<br />

Rechtskraft:<br />

Art. 16b Abs. 1 lit. a und 33 Abs. 2 SVG. Kollision eines Motorfahrzeuges<br />

mit Fussgänger auf Fussgängerstreifen. Trotz leichten Verschuldens des<br />

Automobilisten und geringen Verletzungen des Fussgängers ist eine<br />

mittelschwere Widerhandlung gegeben. Diese führt zwingend zu einem<br />

Entzug des Führerausweises. Allgemeines zum neuen gesetzlichen System<br />

der Widerhandlungen (Erw. 3c). Bei einer mittelschweren Widerhandlung ist<br />

allein auf die objektive Verletzung von Verkehrsregeln abzustellen; das<br />

Verschulden ist nicht entscheidend. Zur Bedeutung eines ungünstig<br />

markierten Fussgängerstreifens (Erw. 3e).<br />

Diese Entscheidung ist rechtskräftig.


Entscheid:<br />

Am 18. Januar 2005, ca. 22.05 Uhr, fuhr A in Luzern von der Zentralstrasse Richtung Bundesplatz. Beim<br />

Bundesplatz mündete er mit seinem Personenwagen auf der linken Spur in den Kreisverkehrsplatz ein, um<br />

Richtung Langensandbrücke zu fahren. Unmittelbar nach der Ausfahrt aus dem Kreisel befindet sich ein<br />

Fussgängerstreifen, den B in westlicher Richtung (aus der Sicht des Autofahrers von links nach rechts)<br />

überquerte. Weil A durch ein überraschend von der Bundesstrasse her in den Kreisel einmündendes<br />

Fahrzeug abgelenkt war, übersah er die Fussgängerin. B wurde vom Fahrzeug des A erfasst und zu Boden<br />

geworfen. Sie erlitt leichte Verletzungen. Nachdem A wegen Nichtgewährens des Vortritts mit<br />

Personenwagen gegenüber Fussgänger auf Fussgängerstreifen mit Unfall- und Verletzungsfolgen mit einer<br />

Geldbusse von Fr. 500.- bestraft worden war, entzog ihm das Strassenverkehrsamt den Führerausweis für<br />

die Dauer eines Monats. Eine dagegen erhobene Beschwerde wies das <strong>Verwaltungsgericht</strong> ab.<br />

Aus den Erwägungen:<br />

3. - a) In tatsächlicher Hinsicht steht fest und ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer mit seinem<br />

Personenwagen auf dem Fussgängerstreifen eine Kollision verursacht hat, bei welcher eine Person leicht<br />

verletzt wurde. Das Unfallgeschehen, so wie es sich aus dem Polizeirapport ergibt, wird vom<br />

Beschwerdeführer ausdrücklich anerkannt. Er bezeichnet den Polizeirapport als in jeder Hinsicht korrekt<br />

abgefasst. In rechtlicher Sicht ist ebenso unbestritten, dass der Beschwerdeführer wegen seiner<br />

Verantwortung an diesem Unfall bestraft worden ist. Die Untersuchungsrichterin, die den Fall mit einer<br />

Strafverfügung abschloss, qualifizierte den Sachverhalt als einfache Verletzung von Verkehrsregeln nach<br />

Art. 90 Ziff. 1 SVG. Die ausgefällte Busse von Fr. 500.- erweist sich als gering angesichts der Tatsache,<br />

dass eine Fussgängerin auf einem Fussgängerstreifen angefahren und verletzt worden ist. Daraus kann<br />

geschlossen werden, dass die Amtsstatthalterin das Verschulden des Beschwerdeführers als leicht beurteilt<br />

hat.<br />

b) Ob dem Beschwerdeführer der Führerausweis zu entziehen ist oder die Verletzung von Verkehrsregeln<br />

mit einer blossen Verwarnung geahndet werden kann, hängt davon ab, in welche gesetzliche Kategorie der<br />

Widerhandlungen der vorliegende Sachverhalt einzuordnen ist. Wird das Verhalten des Beschwerdeführers,<br />

wie es die Vorinstanz tut, als mittelschwere Widerhandlung qualifiziert, so ist die gesetzliche Folge der<br />

Entzug des Ausweises (Art. 16b Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 16b Abs. 2 lit. a SVG). Handelt es sich hingegen, wie<br />

der Beschwerdeführer argumentiert, um eine leichte Widerhandlung, dann ist lediglich eine Verwarnung zu<br />

verfügen, weil gegenüber dem Beschwerdeführer bis anhin keine Administrativmassnahme verfügt werden<br />

musste (Art. 16a Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 16a Abs. 3 SVG). Von vornherein auszuschliessen sind die zwei<br />

restlichen gesetzlichen Kategorien. Dass es sich vorliegend um keinen besonders leichten Fall handelt, bei<br />

dem auf jede Massnahme verzichtet werden kann (vgl. Art. 16a Abs. 4 SVG), braucht nicht erörtert zu<br />

werden. Andererseits ist dem Beschwerdeführer keine grobe Verletzung von Verkehrsregeln vorzuwerfen.<br />

Damit liegt auch keine schwere Widerhandlung vor, deren Folge der Entzug des Führerausweises für<br />

mindestens drei Monate ist (Art. 16c Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 16c Abs. 2 lit. a SVG).<br />

c) In dem bis Ende 2004 gültig gewesenen Massnahmerecht kannte das SVG eine Dreiteilung hinsichtlich<br />

der Qualifizierung der Regelverstösse, und zwar: den leichten Fall (Art. 16 Abs. 2 Satz 2), den<br />

mittelschweren Fall (Art. 16 Abs. 2 Satz 1) und den schweren Fall (Art. 16 Abs. 3 lit. a). Gestützt auf die<br />

bisherige gesetzliche Regelung kann die seit 1. Januar 2005 geltende Ordnung grundsätzlich als<br />

Weiterführung des Systems mit der Unterscheidung von drei Graden von Widerhandlungen gewertet<br />

werden. Dies folgt zum einen aus der Abstufung von leichten, mittelschweren bis schweren<br />

Widerhandlungen im Gesetz selber (Art. 16a, Art. 16b und Art. 16c SVG). Zum anderen ergibt sich dies auch<br />

aus Art. 16 Abs. 2 SVG. Der Gesetzgeber hält darin nämlich unmissverständlich fest, dass nach<br />

Widerhandlungen gegen die Strassenverkehrsvorschriften, bei denen das Verfahren nach dem<br />

Ordnungsbussengesetz vom 24. Juni 1970 ausgeschlossen ist, der Führerausweis entzogen oder eine<br />

Verwarnung ausgesprochen wird. Damit ist grundsätzlich bei jeder Verkehrsregelverletzung, die nicht im<br />

Ordnungsbussenkatalog enthalten ist, die Verhängung einer Administrativmassnahme zu prüfen. Im<br />

Gesetzesentwurf des Bundesrates lautete zwar Art. 16 Abs. 2 SVG anders als jene Fassung, die später das<br />

Parlament beschlossen hat. So sollte gemäss Art. 16 Abs. 2 (Entwurf SVG) der Lernfahr- oder<br />

Führerausweis nach wiederholten leichten sowie nach mittelschweren und schweren Widerhandlungen<br />

gegen Strassenverkehrsvorschriften entzogen werden (Botschaft des Bundesrates zur Änderung des<br />

Strassenverkehrsgesetzes vom 31. März 1999, BBl 1999 S. 4511). Dieser Vorschlag macht deutlich, dass<br />

das bisherige Gesetzessystem Ausgangspunkt für die nun geltende Regelung bildete. Gemäss Botschaft<br />

war damit beabsichtigt, die bisherige Praxis des Bundesgerichts gesetzlich klarer zu fassen und die für<br />

juristische Laien unverständliche Formulierung mit der doppelten "Kann-Vorschrift" zu eliminieren (BBl 1999


S. 4486). Mit der Definition von drei Fallgruppen und der Festlegung der Massnahmefolgen, einschliesslich<br />

der Rückfalltatbestände (sog. Kaskadensystem), bezweckte der Gesetzgeber eine einheitlichere und<br />

strengere Ahndung von schweren und wiederholten Widerhandlungen gegen Strassenverkehrsvorschriften,<br />

die der Verkehrssicherheit und damit der Vermeidung von Toten und Verletzten im Strassenverkehr dienen<br />

(Botschaft, a.a.O., S. 4485). Klar geregelt ist nun die Rechtsfolge, dass nach einer mittelschweren<br />

Widerhandlung der Führerausweis zwingend zu entziehen ist, und zwar für den "Ersttäter" für mindestens<br />

einen Monat. Art. 16b Abs. 1 lit. a SVG erweist sich in der Hinsicht als der Normal- oder Auffangtatbestand.<br />

Unter ihn fallen alle Regelverstösse, wenn nicht alle privilegierenden Elemente einer leichten und nicht alle<br />

qualifizierenden Elemente einer schweren Widerhandlung vorliegen (Botschaft, a.a.O., S. 4487).<br />

d) Die gestützt auf die alten Bestimmungen geübte Praxis hinsichtlich Massnahmen bei Verletzung von Art.<br />

33 SVG macht deutlich, dass diese Fälle durchwegs als (zumindest) mittelschwere Verstösse gegen das<br />

Verkehrsrecht betrachtet wurden mit der Folge, dass jeweils der Führerausweis für mindestens einen Monat<br />

entzogen werden musste. (Es folgen Ausführungen zu verschiedenen Beschwerdeverfahren)<br />

e) In Würdigung dieser Praxis und angesichts der gesetzlichen Regelung ist nicht zu beanstanden, wenn<br />

das Strassenverkehrsamt den Fall des Beschwerdeführers als mittelschwer qualifiziert hat.<br />

aa) Dass vor einem Fussgängerstreifen vorsichtig zu fahren ist und der Standort des Fussgängerstreifens<br />

unmittelbar nach einem Kreisel besondere Anforderungen an die Aufmerksamkeit und die Beobachtung des<br />

Verkehrsgeschehens stellt, kann ernstlich nicht bestritten werden. Das Fehlverhalten des<br />

Beschwerdeführers - die Missachtung der Vorschrift gemäss Art. 33 SVG - ist objektiv als erheblich zu<br />

betrachten. Die Vorsicht gegenüber die Strasse querenden Fussgängern ist eine elementare Bestimmung.<br />

Es kann daher nicht gesagt werden, der Beschwerdeführer habe nur eine geringe Gefahr für die Sicherheit<br />

anderer hervorgerufen, was für die Annahme einer leichten Widerhandlung Voraussetzung ist (Art. 16a Abs.<br />

1 lit. a SVG). Dies ergibt sich schon daraus, dass ein Unfall geschehen ist und eine Person zu Schaden<br />

(leichte Verletzungen) gekommen ist (vgl. Schaffhauser, Grundriss des schweizerischen<br />

Strassenverkehrsrechts, Band III: Die Administrativmassnahmen, Bern 1995, Rz. 2258). Im vorliegenden Fall<br />

ist hinsichtlich der Gefährdung zusätzlich zu berücksichtigen, dass der Unfall in der Nacht passiert ist.<br />

bb) Richtig ist, dass der Beschwerdeführer durch einen Automobilisten, der von rechts in den Kreisel<br />

hineinpreschte, behindert und abgelenkt worden ist. Der Zeuge C gab der Polizei zu Protokoll, dass ein<br />

blauer Personenwagen in rasanter Fahrt von der Bundesstrasse her in den Verkehrsplatz Bundesplatz<br />

einfuhr. Dieser sei knapp vor dem PW des A an der Front vorbeigefahren. (...) Der Umstand des hinein<br />

fahrenden Autos vermag zwar das Fehlverhalten und das Unfallgeschehen mit zu erklären, führt aber<br />

deswegen nicht zur Annahme des privilegierten Tatbestandes nach Art. 16a Abs. 1 lit. a SVG. Zum einen<br />

blieb der ortskundige Lenker verpflichtet, das Geschehen auf dem Fussgängerstreifen im Auge zu behalten.<br />

Zum anderen ist darauf hinzuweisen, dass dieser Umstand der Strafrichterin bekannt war und so bei der<br />

Beurteilung des Verschuldens und der Festlegung der Strafe berücksichtigt wurde. Dass die Fussgängerin<br />

die Einfahrt des blauen Personenwagens zum Anlass nahm, unvermittelt und für den Beschwerdeführer<br />

nicht ersichtlich den Streifen zu betreten, dafür finden sich im Polizeiprotokoll keine Anhaltspunkte. Aus ihren<br />

Aussagen ist nicht erkennbar, dass sie die Fahrbahn unvorsichtig betreten oder gar ihr Vortrittsrecht<br />

erzwungen hätte. Bei dieser Sachlage kann das Verhalten des Führers des blauen Kombi-Wagens zu keiner<br />

für den Beschwerdeführer günstigeren Beurteilung führen.<br />

cc) Der Beschwerdeführer weist ferner darauf hin, dass der Fussgängerstreifen unmittelbar nach der<br />

Ausfahrt aus dem Kreisel gesetzt ist (1 Meter). Diese Verkehrsführung und -markierung sei gefährlich und<br />

unüberlegt. Die Strasse sei in dem kritischen Abschnitt steigend und verhindere auch dadurch eine optimale<br />

Beobachtung des Geschehens auf dem Fussgängerstreifen. Einzuräumen ist, dass die Anlage von<br />

Fussgängerstreifen im unmittelbaren Bereich eines Kreisels oder Kreisplatzes für alle Verkehrsteilnehmer<br />

(Autofahrer und Fussgänger) unter dem Gesichtspunkt der Sicherheit und der Berechenbarkeit des<br />

Verkehrsgeschehens fragwürdig sein kann. Kreisel und Fussgängerstreifen, die nahe beieinander liegen,<br />

verlangen vom Führer eines Personenwagens und von den anderen Verkehrsteilnehmern eine besondere<br />

Aufmerksamkeit; die Gefahr der "Ablenkung" durch die Konzentration auf den Kreiselverkehr (richtiges<br />

Einspuren, Stellen des Richtungsanzeigers, Vortrittgewährung und Sicherstellen des Verkehrsflusses) ist<br />

gegeben und kann gerade wegen der erforderlichen schnellen Reaktion zu Unfällen führen. Deshalb jedoch<br />

kann das Verhalten des Beschwerdeführers im vorliegenden Fall nicht milder beurteilt werden; das Gericht<br />

hatte bereits im Fall A 02 262 ähnliche Einwendungen des damaligen Beschwerdeführers als unbegründet<br />

zurückgewiesen (Urteil E. vom 30.6.2003 Erw. 3). Im Übrigen bleibt anzumerken, dass laut gesetzlicher<br />

Vorschrift für die Annahme einer mittelschweren Widerhandlung das Verschulden nicht entscheidend ist,<br />

sondern objektiv auf die Verletzung von Verkehrsregeln abgestellt wird, die eine Gefahr für die Sicherheit<br />

anderer hervorruft oder in Kauf nimmt (Art. 16b Abs. 1 lit. a SVG). Dies im Gegensatz zur Kategorie der


leichten Widerhandlung, die nebst der geringen Gefahr auch ein leichtes Verschulden verlangt (Art. 16 Abs.<br />

1 lit. a SVG). Aus dem Gesetzestext kann somit abgeleitet werden, dass es beim mittelschweren Fall einzig<br />

auf die (objektive) Gefährdung für die Sicherheit anderer Verkehrsteilnehmer ankommt, selbst wenn den<br />

Fahrzeuglenker - wie im vorliegenden Fall - nur ein leichtes Verschulden trifft. Der Grad des Verschuldens ist<br />

dann lediglich bei der Festsetzung der Dauer des Warnungsentzuges von Bedeutung (Art. 16 Abs. 3 SVG).<br />

Da im vorliegenden Fall lediglich die Mindestdauer verfügt wurde (Art. 16b Abs. 2 lit. a SVG), führt daher das<br />

geringe Verschulden des Beschwerdeführers für die Frage, welche Massnahme zu verhängen ist, nicht<br />

weiter.

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