Berufswunsch: Diktator - Gegenwind
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Ubu Amin<br />
Auch inhaltlich hat Ubu nicht an Wirkung verloren. Laut Dramaturg Peter Hilton<br />
Fliegel bietet der primitive, peinliche, dummdreiste Antiheld eine Steilvorlage für<br />
alle erfolgreichen <strong>Diktator</strong>en und Autokraten des 20. Jahrhunderts (ff.). (Zu<br />
Wilhelm II, Zeitgenosse von Jarry und von 1888 bis 1918 letzter Deutscher Kaiser<br />
und König von Preußen, haben wir sogar einen lokalen Bezug). Ob Stalin, Hitler,<br />
Franco, Ceausescu, Idi Amin, Pinochet, Kim Jong Il, Gaddafi ... die Liste lässt sich<br />
leider bis heute weiterführen.<br />
<strong>Diktator</strong>en treten nicht mehr unbedingt wie Gaddafi in bizarren Uniformen auf oder<br />
als brutale Schlächter wie Idi Amin. Sie pflegen heute das Image des honorigen<br />
Staatsmanns und erwecken den Anschein, als respektierten sie den Rechtsstaat.<br />
Denn moderne Alleinherrscher haben gelernt, die Demokratie mit den Methoden<br />
des 21. Jahrhunderts auszuhebeln.<br />
William J. Dobson, „Diktatur 2.0“, Blessing Verlag 2012<br />
Zu Jarrys Zeiten bestand große Hoffung auf einen Vormarsch der<br />
Demokratie. Imzweiten Teil der Inszenierung (angelehnt an die<br />
Vorlage Ubu in Ketten) nimmt Ubu, wieder ohne Rücksicht auf<br />
Verluste, seine neue Rolle an: Der moderne demokratische Untertan<br />
als Verkünder einer neuen Freiheit - der freiwilligen Sklaverei. Wie<br />
wir ihn heute noch kennen. Gelebte Demokratie beschränkt sich auf<br />
Wahlzettel, und wer so kreuzbrave Bürger/innen hat, braucht sich<br />
nicht mal mehr die Finger blutig zu machen, um die Herrschaft zu behalten.<br />
Ob sich tieferer Sinn und ernsthafte Hintergründe dem Publikum auf den ersten<br />
Blick erschließen, sei dahingestellt. Absurdes Theater ist nie leicht verdaulich.<br />
Regisseur Ingo Putz ("Meta, Nordeich") ist tief eingetaucht in Jarrys / Ubus<br />
Abgründe und mit sympathisch kindlicher Begeisterung ans Werk gegangen. Für<br />
seine acht Schauspieler in fast 40 Rollen war es "harte Arbeit", was man daran<br />
merkt, dass man es bei der Premiere eben nicht merkt. Christoph Sommer füllt als<br />
Vater Ubu den Proleten-Feinripp bis zur letzten Sekunde überzeugend und mit<br />
ungebremster Energie aus. Felix Frenken legt als Mutter Ubu eine<br />
ernstzunehmende Travestie aufs Parkett. Cino Djavid ist ja ohnehin für absurdes<br />
Theater geboren. Auch die übrigen Mitspieler bewegen sich leicht und sicher durch<br />
die Geisterbahn, die Steffen Lebjedzinski stimmig als Bühne gestaltet hat.<br />
Tanz auf dem Vulkan<br />
Dem Intendanten Gerhard Hess kommen bei langen Autofahrten oft gute Ideen.<br />
Als vor einiger Zeit die "anarchische, verrückte, genussvolle" Musik der Mardi Gras<br />
Brass Band, geprägt von Blues, Soul und Funk,<br />
aus dem Autoradio an sein Ohr drang, schien sie<br />
ihm wie gemacht, das Stück um Vater Ubu "zu<br />
bändigen". Jochen Wenz, Frontmann der 1992<br />
(vom ehemaligen Guru Guru-Bassisten Uli Krug)<br />
gegründeten Mannheimer Band, ließ sich<br />
überreden, zu bekannten Songs seiner Band<br />
passende deutsche Texte zu schreiben, die die<br />
Handlung von "Ubu, König" weitertragen. Die<br />
Musik ist klasse und wird live von einem<br />
regionalen Sextett professioneller Musiker eingespielt. So gelangte Ubu als<br />
"musikalisches Spektakel" in Wilhelmshaven zur erneuten Uraufführung.