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Auktion 57 Kunst auf Aktien 97 LOS NR. 187 MÜLLHEIM ...

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<strong>Auktion</strong> <strong>57</strong> <strong>Kunst</strong> <strong>auf</strong> <strong>Aktien</strong><br />

Los <strong>187</strong><br />

<strong>LOS</strong> <strong>NR</strong>. <strong>187</strong><br />

<strong>MÜLLHEIM</strong>-BADENWEILER EISENBAHN-AKTIEN-<br />

GESELLSCHAFT Aktie über M. 1.000,- # 446; Müllheim i.B., 1. Januar<br />

1913; Farbe: weiß/grün/schwarz; Maße: 39x25,5 cm. Die Betriebseröffnung<br />

erfolgte 1896. Zweck war die Personen- und Güterbeförderung vom Reichsbahnhof<br />

Müllheim durch die Stadt Müllheim nach Badenweiler. 1955 Übergang<br />

<strong>auf</strong> die "Mitteldeutsche Eisenbahn AG, Lahr." Es wurden Es wurden 367 <strong>Aktien</strong><br />

zu je M 1.000 begeben. EF (12490)<br />

Ausruf: 480<br />

____________________<br />

ebenfalls <strong>auf</strong> Wasserzeichenpapier bei Giesecke & Devrient gedruckt. Es handelt<br />

sich dabei um die Stücke aus den beiden nachfolgenden Kapitalerhöhungen<br />

von 1909 und 1916. 1909 erfolgte die erste Kapitalerhöhung im Werte von 1,5<br />

Millionen Mark. Ausgegeben wurden 1500 <strong>Aktien</strong> zu je 1000 Mark mit den<br />

<strong>Aktien</strong>nummern 2001 - 3500. Die nächste Kapitalerhöhung wurde 1916, wiederum<br />

um 1,5 Millionen Mark, vorgenommen. Auch hier betrug die Stückelung<br />

1000 Mark und die <strong>Aktien</strong> wurden nummeriert von 3501 - 5000.<br />

Insgesamt sind also drei <strong>Aktien</strong> dieser Gesellschaft als reine Sütterlin-<br />

Graphiken anzusehen, die aber <strong>auf</strong> nur einem Entwurf beruhen.<br />

Die Stücke aus den nachfolgenden, weiteren Kapital<strong>auf</strong>stockungen ab dem<br />

Jahre 1921 zeigen ein neues Design und sind nicht mehr als Künstler-<strong>Aktien</strong>,<br />

von Ludwig Sütterlin selbst gestaltet, einzustufen, obwohl seine Vignette, die<br />

dampfende Weltkugel, weiterhin als Logo verwendet wurde. Noch 1<strong>97</strong>3 leuchtete<br />

am Oberhausener Hauptbahnhof die Babcock-Weltkugel.<br />

Interessant und für die <strong>Kunst</strong>historik auch bedeutsam wäre es zu erfahren,<br />

welches Honorar der Künstler seinerzeit für seine Arbeiten erhielt und wer ihn<br />

letztlich damit be<strong>auf</strong>tragt hat. Doch in den angefragten Archiven, weder im<br />

Deutschen Buch- und Schriftmuseum, noch im Siemens-Archiv (wie oben<br />

bereits erwähnt), existieren heute noch Unterlagen, die darüber Aufschluss<br />

geben könnten. Die Zerstörungen durch die beiden Weltkriege und die braunen<br />

Machthaber waren zu gründlich. Gerüchten zufolge soll Ludwig Sütterlin noch<br />

eine weitere Aktie entworfen haben. Aber alle Stücke, die mir in diesem Zusammenhang<br />

genannt wurden und die ich dar<strong>auf</strong> hin untersucht und überprüft<br />

habe, konnten dem Künstler eindeutig nicht zugeschrieben werden. Doch es<br />

gibt sie wirklich, die dritte Sütterlin-Aktie!<br />

Vor kurzem erst, hielt mir ein befreundeter Sammler die Reproduktion der<br />

Aktie des Jahrganges 1913 der "Müllheim-Badenweiler Eisenbahn-<strong>Aktien</strong>-Gesellschaft" unter die Nase, deren Grafik mich sofort an Sütterlin erinnerte<br />

und ich begann mit Nachforschungen und Stilvergleichen. Für die Autopsie stellte mir freundlicherweise Gerd Kleinewefers das Stück aus<br />

seiner Sammlung zur Verfügung.<br />

Obwohl das Stück dieser Eisenbahngesellschaft vom gestaltenden Künstler weder signiert noch monogrammiert wurde, handelt es sich dabei<br />

höchstwahrscheinlich um eine Sütterlin-Aktie.<br />

Die gesamte Umrandung des Blattes, in Schwarz gedruckt und <strong>auf</strong> olivfarbenem Fonds gestellt, ist in typischem Jugendstil-Dekor gehalten, wurde<br />

aber sehr geschickt <strong>auf</strong>geteilt in eine optische Horizontale und Vertikale. Ins Auge stechen sofort die obere und untere Randbegrenzung mit ihren<br />

beiden markanten Vignetten, die jeweils mittig gesetzt wurden. Die obere Vignette zeigt in Allegorie eine aus den Wolken hervorkommende Faust,<br />

die Blitze und Strahlen schleudert. Links und rechts davon befinden sich zwei kleine vegetative Zierstücke, bevor dann, jeweils nach aussen hin, je<br />

drei fünffache, hängende Glühlampen diese Horizontal-Leiste abschließen. Diese Einzelelemente wurden durch drei, bzw. vierfache, elegant geschwungene<br />

Strichlinien voneinander getrennt, bilden aber dennoch eine Einheit. Ganz ähnliche Allegorien zur Elektrizität schuf Sütterlin schon<br />

<strong>97</strong>


<strong>Auktion</strong> <strong>57</strong> <strong>Kunst</strong> <strong>auf</strong> <strong>Aktien</strong><br />

1894 (wie bereits erwähnt für die BEW) in deren Jubiläumsschrift.<br />

Die zweite markante Vignette, in der unteren Abschlussleiste, zeigt eine an einem Halbbogen hängende Glühbirne, deren Strahlen jeweils seitlich<br />

von Zweigen abgefangen werden. Ganz nach außen hin türmen sich Kumuluswolken <strong>auf</strong>. Auch hier wieder werden die Einzelelemente durch Strichlinien<br />

voneinander abgegrenzt. Das Glühbirnenmotiv selbst finden wir in ähnlicher Gestaltung, im Unterdruck bei den Stücken der Siemens & Halske<br />

<strong>Aktien</strong>gesellschaft wieder. Genial die beiden seitlichen Abschlussleisten: aus den sich <strong>auf</strong>türmenden Wolkenbergen winden sich naturalistische,<br />

Feuer speiende Drachen, die mit ihrem Odem jugendstilhaften Pflanzen zu Wachstum und Blüte verhelfen. Auch diese Formen wiederum gleichen<br />

Motiven in anderen Werken des Künstlers. Als weiteres Indiz, dass dieses Wertpapier tatsächlich von Ludwig Sütterlin stammen könnte, sind die<br />

sieben kreisrunden Kugeln anzusehen, die in den äußersten Ecken und in der oberen Vignette eingearbeitet sind. Sütterlin verwendete diese Kugeln<br />

des Öfteren, so auch in seinem Hammerplakat. Der hellblaue Unterdruck stellt ein unendliches Wabenmuster dar, wobei sich in der Wabenmitte<br />

wieder der Kreis (die Kugel) befindet. Als letztes Merkmal das für Sütterlin spricht, ist die für ihn typische Farbgebung mit ihren abgestuften und<br />

doch kontrastreichen Farbnuancen zu nennen.<br />

Gedruckt wurde das Stück <strong>auf</strong> einem Doppelblatt <strong>auf</strong> dem sich verso ebenfalls eine schmückende Gestaltung befindet, die sich im Wesentlichen aus<br />

den gestalterischen Elementen der Vorderseite zusammensetzen. (Siehe hierzu die Abbildung.)<br />

Es bleibt natürlich die Frage, warum ausgerechnet <strong>auf</strong> einem Eisenbahnpapier Allegorien zur Elektrizität dargestellt werden: Im Jahre 1912 beschloss<br />

die Gesellschaft, die schon 1894 gegründet wurde, die Elektrifizierung ihrer 7,5 km langen Strecke zwischen Müllheim und Badenweiler.<br />

Dazu war natürlich eine Aufstockung des Grundkapitals erforderlich. Also wurde eine Kapitalerhöhung um 375.000 Mark <strong>auf</strong> 750.000 Mark durch<br />

Ausgabe neuer <strong>Aktien</strong> beschlossen. Wahrscheinlich war es die Euphorie über den Fortschritt, die den Aufsichtsrat beflügelte, die Elektrizität in den<br />

Vordergrund zu stellen und nicht die Eisenbahn selbst. 1914 war schließlich die Umrüstung abgeschlossen und die Müllheim-Badenweiler Eisenbahn-<strong>Aktien</strong>-Gesellschaft<br />

war eine der ersten Schmalspur-Eisenbahnen Deutschlands mit modernem Standard. 1954 erlosch schließlich die Gesellschaft,<br />

die mit dem Güterverkehr <strong>auf</strong> der Strasse nicht mehr konkurrieren konnte.<br />

Abschliessend muss noch eine Kuriosität behandelt werden, nämlich die Vorzugsaktie der der J(!) lse, Bergbau-Actiengesellschaft vom 1. Mai 1915.<br />

Das Papier stammt ebenfalls aus der Sammlung Kleinewefers und wurde mir zur Autopsie zur Verfügung gestellt.<br />

Von der grafischen Gestaltung her stammt es mit Sicherheit nicht von Ludwig Sütterlin selbst. Weder Umrandung (alternierende, historisierende<br />

Jugendstil-Ornamente) noch Unterdruck (Bergbau-Symbol) sowie ein kompliziertes, alternierendes Kreuzblüten-Muster) lassen einen Vergleich mit<br />

anderen Arbeiten des Meisters zu. Aber: die erste, zweite und fünfte Zeile des <strong>Aktien</strong>textes wurden in Sütterlin gesetzt! Erinnern wir uns: obwohl<br />

Sütterlin seine Schrift als für den Buchdruck nicht geeignet ansah wurden schon 1914 die ersten Lettern in der neuen Schrift gegossen. Mit grösster<br />

Wahrscheinlichkeit handelt es sich bei diesem Stück also um das erste historische Wertpapier überhaupt, bei dem die Sütterlin-Schrift zur Anwendung<br />

gelangte.<br />

Das Chemieunternehmen Kunheim & Co. in Berlin gründete <strong>187</strong>1 nördlich von Senftenberg die Grube Ilse. Die Gründung der J(!)lse, Bergbau-<br />

Actiengesellschaft erfolgte im Jahre 1888 und damit auch die Ausgliederung aus dem Stammunternehmen. Die neue AG expandierte in der Folgezeit<br />

zum bedeutendsten Braunkohleunternehmen im Niederlausitzer Revier. Sie besaß ausgedehnten Grubenbesitz, mehrere Bergwerke, Brikettfabriken,<br />

Kraftwerke und Ziegeleibetriebe. Der tschechische Industrielle Ignaz Petschek übernahm 1927 die Mehrheit des Stammkapitals. Im gleichen Jahr<br />

stockte die Vereinigten Industrieunternehmen AG (VIAG) ihren 1923 erworbenen Anteil von 18% der Stammaktien <strong>auf</strong> 27% <strong>auf</strong>. Das war der<br />

Grund, warum die Ilse-Bergbau im Unterschied zu anderen Gesellschaften des Petschek-Konzerns bei der so genannten "Arisierung" im dritten<br />

Reich nicht zerschlagen wurde. 1939 wurden die Petschak-Anteile zum größten Teil an die VIAG verk<strong>auf</strong>t.<br />

Durch Demontage der Sowjets verlor das Unternehmen nach Kriegsende etwas die Hälfte seiner Anlagen und wurde 1947 in der sowjetischen Besatzungszone<br />

enteignet und später zu volkseigenen Betrieben der Kohleindustrie in Senftenberg umgewandelt. Die Verwaltungsstelle West der Gesellschaft<br />

verlegte aber kurz nach Kriegsende ihren Sitz von Halle nach Witzhausen (Hessen) in den amerikanischen Sektor. Es konnte jedoch nur ein<br />

kleiner Teil des Unternehmensvermögens gerettet werden. Es wurde der in die USA emigrierten Familie Petschek zurückgegeben. Mit dem verbliebenen<br />

Kapital erwarb die Ilse-Bergbau AG das Braunkohlebergwerk am Meissner in Hessen, das schon Ende 1946 in Betrieb genommen wurde.<br />

1949 wurde die Grube an die Bergwerk Frielendorf AG verpachtet. 1950 erwarb die Ilse Bergbau im rheinischen Braunkohlerevier (in der Nähe von<br />

Jüchen) 13 Maximalfelder als neue bergbauliche Betriebsgrundlage. 1956 wurden die südlichen, 19<strong>57</strong> auch die mittleren Jüchenfelder an die Vereinigten<br />

Aluminium Werke verk<strong>auf</strong>t. Mit dem Erlös erwarb die Ilse Anteile an den Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerke AG (RWE) und wurde<br />

zum grössten Stammaktionär des Stromkonzerns.<br />

Nach langjährigen Differenzen zwischen der Famile Petschek und den Minderheitsaktionären veräusserten die Petscheks 1963 ihr <strong>Aktien</strong>paket<br />

schliesslich an die VIAG, deren Anteil an RWE damit <strong>auf</strong> 82% wuchs und letztlich bis 1<strong>97</strong>0 <strong>auf</strong> 99,9% <strong>auf</strong>gestockt wurde. Aus steuerlichen Gründen<br />

begann 1964 die Umschichtung des Unternehmensvermögens unter dem Dach der VIAG. Die RWE-Anteile wurden in den folgenden Jahren<br />

schrittweise verk<strong>auf</strong>t und der Erlös über die 1964 gegründete Ilse Energie- und Industrieanlagen GmbH mit Sitz in Düsseldorf, eine 100% Tochter<br />

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