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Gute oten sind nicht aLLes. Viel wichtiger ist es, dass Kinder ...

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<strong>Gute</strong> <strong>oten</strong> <strong>sind</strong> <strong>nicht</strong> <strong>aLL<strong>es</strong></strong>. <strong>Viel</strong> <strong>wichtiger</strong> <strong>ist</strong> <strong>es</strong>, <strong>dass</strong> <strong>Kinder</strong>.<br />

Selbstvertrauen und Zufriedenheit entwickeLn. Eltern und<br />

Lehrer können dabei wichtige Hilf<strong>es</strong>tellungen le<strong>ist</strong>en<br />

ie keuchen unter der Last ihrer Ruck­<br />

~<br />

---..." säcke. Marvin und Timon wandern zu<br />

.A.....J Jeiner Höhle in der Nähe d<strong>es</strong> mittel­<br />

J fränkischen Herzogenaurach. Die<br />

12-jährigen Zwillinge mit den strohblonden<br />

Haaren <strong>sind</strong> Pfadfinder. Ein jünger<strong>es</strong> Mädchen<br />

bleibt stehen, sie kann <strong>nicht</strong> mehr. Tilllon nimmt<br />

ihr den schweren Rucksack ab und trägt nun<br />

zwei. "Das macht man doch so, wenn jemand<br />

<strong>es</strong> all eine <strong>nicht</strong> schafft" , findet er. So gern Marvin<br />

und Timon die Rabauken geben, so selbstverständlich<br />

<strong>ist</strong> <strong>es</strong> für sie, auch mal Schwächeren<br />

beizustehen.<br />

Hilfsbereit, fair, ehrlich - warum <strong>sind</strong> manche<br />

<strong>Kinder</strong> so, während andere zu Spielverderbe rn,<br />

Muffeln oder Egozentrikern heranwachsen? Wie<br />

entwickelt man einen "guten Charakter"? Und<br />

was <strong>ist</strong> das überh aupt?<br />

Nicola Baumann, PsycholOgin an der Uni Trier,<br />

verwendet lieber das Wort "gef<strong>es</strong>tigt ": "Ein Kind<br />

mit einem g f<strong>es</strong>tigten Charakt r steckt Rückschläge<br />

weg, ohne gleich in eine Krise zu geraten.<br />

Es denkt an andere, handelt selbstb<strong>es</strong>timmt,<br />

scheut useinandersetzungen <strong>nicht</strong> und<br />

kann seine eig nen Stärken und Schwächen<br />

real<strong>ist</strong>isch einordnen." Was viele erwechseln:<br />

"Gut" <strong>ist</strong> <strong>nicht</strong> gleichbedeutend mit "brav ". Nicola<br />

Baumann stelll klar: "Patente, glückliche<br />

<strong>Kinder</strong> müssen auch maJ unartig sein und lernen,<br />

nein zu sagen...<br />

Od r nachdrücklich "ja" wie Ranja Koch. Sie<br />

hat gegen den Willen ihrer Mutter bei der freiwilligen<br />

J ugendieuerwehr angeheuert. "Zu gefährlich",<br />

fürchtete die Mutter erst, doch die<br />

Tochter blieb hartnäckig. "Ich war gerade neu<br />

in die Gegend gez g n und kannte noch niemanden",<br />

sagt Ronja. ., Da hörte ich laute Musik<br />

vom Rugplatz: Die Jugendfeuerwehr machte<br />

ihr jährlich<strong>es</strong> Zeltlager mit cooler Disco. Da<br />

wollte ich unbedingt dabei sein."<br />

Nun löscht dle 13-Jährige in Berlin-Gatow<br />

seit einern Jahr selbst gelegte Übungsbrände<br />

oder reicht den Läufern beim Berlin-Marathon<br />

Wasserbecher. fhr gefällt, <strong>dass</strong> bei den Löschar- •


TITELTHEMA<br />

Marvin und Timon H<strong>es</strong>se, die beiden Pfad­<br />

finder, wissen dagegen ganz genau, wer sie ge­<br />

prägt hat: Opa Jürgen, Jeden Tag <strong>es</strong>sen sie bei<br />

ihm nach der Schule zu Mittag. Penibel achtet<br />

der Großvater darauf, <strong>dass</strong> die zwei Jungs sich<br />

benehmen: <strong>nicht</strong> schlürfen, Ellbogen vom Tisch.<br />

Solche Sachen. Manieren und wie man mit an­<br />

deren Menschen umgeht, <strong>sind</strong> dem Großvater<br />

wichtig. Höflichkeit, Zurückhaltung, R<strong>es</strong>pekt ­<br />

kann man <strong>Kinder</strong>n B<strong>es</strong>ser<strong>es</strong> beibringen? Dass<br />

beiten all<strong>es</strong> nur gemeinsam geht: "Wenn einer<br />

beim Schlauch ausrollen <strong>nicht</strong> anpackt, kommt<br />

eben kein Wasser." Ronja erinnert sich, <strong>dass</strong> sie<br />

schon immer gern für andere da war. Woher das<br />

kommt, kann sie sich <strong>nicht</strong> so genau erklären.<br />

"Helfen macht mir einfach Spaß", sagt sie, auch<br />

wenn der Grund für ihr ehrenamtlich<strong>es</strong> Engagement<br />

anfangs all<strong>es</strong> andere als selbstlos war.<br />

• • ••••••••••••••••••••••••• • •••••••••<br />

die Enkel Pfadfinder <strong>sind</strong>, macht den Opa froh.<br />

•<br />

Dass der Opa froh <strong>ist</strong>, freut wiederum die En­<br />

•<br />

EXPERTEN-RAT kel. Und: Schaffen sie jeden Tag eine gute Tat?<br />

•<br />

"Nö", sagen die Zwillinge wie aus einem Mund,<br />

• "das schaffen wir <strong>nicht</strong> ganz, Wir <strong>sind</strong> ganz nor­<br />

Lohnt <strong>es</strong> sich überhaupt, ein guter<br />

•<br />

•<br />

male Jungs, nur vielleicht ein klitzeklein<strong>es</strong> biss­<br />

Mensch zu sein? chen anständiger. "<br />

• Wie viel ein Opa seinen Enkeln mitgeben<br />

Eine Frage über den Nutzen moraLischen Handelns an den • kann, hat auch Heinrich Stiefel entdeckt. Der<br />

• Philosophen und Buchautor Andreas Urs Sommer: Seniorchef d<strong>es</strong> Lehrmittelverlags Stiefel Euro­<br />

•<br />

• cart - d<strong>es</strong>sen Wandkarten ganze Schülergene­<br />

..Allein die Frage <strong>ist</strong> schon problematisch: Wann lohnt sich etwas? • rationen kennen - definiert mit nun 60 Jahren<br />

Wir hoffen immer darauf, <strong>dass</strong> das Gutsein in der jetzigen Welt oder<br />

seine neue Lebensaufgabe so: "Ich will Werte<br />

• einer anderen honoriert wird - oder <strong>dass</strong> unsere guten Taten von • vermitteln." In Latzhose, mit Strohhut und Ak­<br />

• kordeon tourt der fünffache Großvater als "Opa<br />

anderen erwidert werden. Dabei sollten wir das <strong>Gute</strong> doch auf jeden<br />

• Heinrich" durch deutsche <strong>Kinder</strong>gärten und<br />

Fall tun, ganz egal, ob <strong>es</strong> Jemand bemerkt oder <strong>nicht</strong>. Aber da tritt<br />

•<br />

Grundschulen. Sein Repertoire: Selbstgedichschon<br />

das nächste Problem auf den Plan: Was <strong>ist</strong> das <strong>Gute</strong> über­ • tet<strong>es</strong>, auf alte Melodien g<strong>es</strong>ungen. Seine Lieder<br />

haupt? Darüber streiten sich Philosophen seit 2500 Jahren. Ich habe<br />

•<br />

heißen"Wir <strong>sind</strong> ein stark<strong>es</strong> Team" oder" Mama<br />

d<strong>es</strong>halb große Schwierigkeiten damit, wenn Eltern der Meinung <strong>sind</strong>,<br />

• <strong>ist</strong> <strong>nicht</strong> mit Gold zu bezahlen" . Hohn und Spott<br />

• sie wüssten ganz genau, was das B<strong>es</strong>te für ihre <strong>Kinder</strong> <strong>ist</strong> ... müsste er damit eigentlich bei den Kids ernten,<br />

• die mit Power Rangers und Sponge Bob aufge­<br />

<strong>Viel</strong>e Eltern suchen nach Halt, nach einem Rezept, wie ihr Kind wachsen <strong>sind</strong>. Aber weit gefehlt. Opa Heinrich<br />

• ein guter Mensch wird. Die Moral kann da nur eine Stütze in einer • <strong>ist</strong> bei seinem jungen Publikum beliebt. <strong>Kinder</strong>,<br />

• unberechenbaren Welt sein. Auf der Hitl<strong>ist</strong>e der wichtigsten Werte • so wissen Erzieherinnen, <strong>sind</strong> konservativer, als<br />

steht für mich Autonomie ganz oben: die Erziehung zu einer Persön­<br />

viele annehmen. In ihnen schlummert eine tiefe<br />

• lichkeit, die ihren eigenen Lebensweg selbstb<strong>es</strong>timmt gehen kann. • Sehnsucht nach dem <strong>Gute</strong>n.<br />

• • Ist Moral angeboren? Einig<strong>es</strong> spricht dafür.<br />

Di<strong>es</strong>e Fähigkeit muss man in Auseinandersetzungen immer wieder<br />

In den vergangenen Jahren haben sich Hirnprovozieren.<br />

Das glückt nur dann, wenn ein starker elterlicher Wille • forscher verstärkt der Suche nach der Moral ge­<br />

• einem starken kindlichen Willen entgegensteht. Im Übrigen: Man widmet. Fündig wurden sie in verschiedenen<br />

•• sollte <strong>nicht</strong> immer nur danach fragen, was <strong>Kinder</strong> von ihren Eltern • Regionen d<strong>es</strong> Stirnhirns (Frontalcortex). Di<strong>es</strong>e<br />

•<br />

lernen können, sondern auch umgekehrt, was Eltern von ihren<br />

zeigen höchste Erregung, wenn Versuchsper­<br />

<strong>Kinder</strong> lernen können, um zu b<strong>es</strong>seren Menschen zu werden.<br />

sonen knifflige moralische Fragen beantworten<br />

• • müssen, wie zum Beispiel die, ob man einen Un­<br />

Der erste Schritt zur Selbstb<strong>es</strong>timmung <strong>ist</strong>, <strong>dass</strong> sich Eltern<br />

schuldigen töten darf, ddmit viele andere geret­<br />

verhandlungsbereit zeigen, was den Lebensweg ihrer <strong>Kinder</strong> angeht. • tet werden. Für den Harvard-Psychologen Marc<br />

• Dem Kind muss klar werden, <strong>dass</strong> die Vorgaben der Eltern <strong>nicht</strong> Hauser steht daher f<strong>es</strong>t: Der Mensch kommt mit<br />

•<br />

einem"Moralorgan " zur Welt.<br />

absolut <strong>sind</strong> und sich durchaus von Argumenten ändern lassen.<br />

Ein starker Charakter muss seine eigenen Erfahrungen - und Fehler<br />

• - machen, denn genau die <strong>sind</strong> bei der Ausbildung einer<br />

• Persönlichkeit b<strong>es</strong>onders wichtig."<br />

·• .....<br />

..<br />

Bis zu einem gewissen Grad <strong>sind</strong> also möglicherweise<br />

die Gene dafür verantwortlich, ob ein<br />

Mensch freundlich oder feindselig, gütig oder<br />

missgünstig <strong>ist</strong>. Die Zwillingsforschung b<strong>es</strong>chäftigt<br />

sich mit di<strong>es</strong>er Frage. Aktuell geht sie da­<br />

14 FOCUS - SCHULE 06/2009


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von aus, <strong>dass</strong> das Rennen in etwa unentschieden<br />

<strong>ist</strong>: Charakterzüge wie Gutmütigkeit oder<br />

auch die Religiosität <strong>sind</strong> zu 40 bis 55 Prozent<br />

angeboren. Die Umwelt spielt eine ähnlich große<br />

Rolle. Inter<strong>es</strong>sant: Je älter ein Mensch \vird,<br />

d<strong>es</strong>to mehr schlagen die Gene durch.<br />

Für Linus Gubenis klingt das plausibel. Er<br />

zumind<strong>es</strong>t hat sich geändert. Der heute 22-Jählige<br />

b<strong>es</strong>chäftigte sich als Schüler exz<strong>es</strong>siv mit<br />

Computerspielen - bis zu sieben Stunden täglich.<br />

Im Rückblick bezeichnet er <strong>es</strong> als Fehler,<br />

so viel Zeit mit "Counterstrike" und Ähnlichem<br />

verballert zu haben. Der angehende FachinIormatiker<br />

hat das <strong>nicht</strong> immer so g<strong>es</strong>ehen. Heute<br />

weiß er: "Durch das Spielen habe ich einige<br />

Jahre meiner Jugend verloren und weltvolle Zeit<br />

verpasst, die ich b<strong>es</strong>ser mit Freunden und Freundinnen<br />

verbracht hätte." Und doch <strong>ist</strong> Linus' Bilanz<br />

<strong>nicht</strong> nur negativ. Computer und Internet<br />

verdankt er Kontakte und letztlich auch seine<br />

Lehrstelle. "Counterstrike" spielt er noch immer,<br />

aber w<strong>es</strong>entlich seltener und im Team. Bei offiziellen<br />

Me<strong>ist</strong>erschaften tritt er mit seiner Mannschaft<br />

"Bavarian Heaven" in ganz Deutschland<br />

gegen andere sogenannte Clans an. Mit Erfolg.<br />

In der Szene <strong>ist</strong> er eine Berühmtheit, er b<strong>es</strong>itzt<br />

sogar Autogrammkalten.<br />

"Durch das Internet bin ich selbstständiger geworden,<br />

da ich mir jederzeit Hilfe suchen kann",<br />

r<strong>es</strong>ümiert der Osnabrücker. Außerdem ziehe er<br />

Selbstvertrauen aus seinen Ertolgen. Eltern rät er<br />

zu mehr Gelassenheit. Im Nachhinein zeige sich,<br />

<strong>dass</strong> selbst so manche Jugendsünde noch ihr <strong>Gute</strong>s<br />

habe. "Das Computerspielen hat mich spät erwachsen<br />

werden lassen", sagt Linus, "aber jetzt<br />

mache ich mir umso mehr Gedanken, worauf <strong>es</strong><br />

im Leben wirklich ankommt. "<br />

Das Verständnis für Werte und Moralvorstellungen<br />

entwickelt sich <strong>nicht</strong> bei aUen Menschen<br />

gleich und schon gar <strong>nicht</strong> im gleichen Tempo.<br />

Der frühere Harvard-Psychologe Lawrence<br />

Kohlberg (1927-1987) fand sechs Stufen. Auch<br />

wenn die einzelnen Phasen von der Wissenschaft<br />

inzwischen differenzieIter g<strong>es</strong>ehen werden,<br />

<strong>sind</strong> Kohlbergs Einteilungen bis heute anerkannt:<br />

1. Stufe (bis 10 Jahre)<br />

"Gut <strong>ist</strong>, was ich oder eine andere<br />

Autorität will'"<br />

<strong>Kinder</strong> entscheiden in di<strong>es</strong>er Stufe vor allem<br />

nach dem Gehorsam gegenüber einer Autorität<br />

und lassen sich durch Furcht vor Strafe oder dem<br />

Wunsch nach Belohnung motivieren.<br />

•<br />

FO CUS- SCHULE 06 /2009<br />

Foto· S Mlnx/FOCU!\ SCHULE


TlTELTHEMA<br />

2. Stufe (bis 13 Jahre!<br />

.. Wie du mir, so ich dir!"<br />

Gerecht <strong>ist</strong> immer das, was einem selbst Vorteile<br />

verschafft.<br />

3. Stufe (bis 16 Jahre!<br />

.. lch möchte ein guter Mensch sein.'·<br />

Wichtig <strong>sind</strong> in di<strong>es</strong>em Alter positive zwischenmenschliche<br />

Beziehungen und ein gut<strong>es</strong><br />

Gewissen durch gute Motive.<br />

4. Stufe (über 16 Jahre!<br />

.. MoraL dient dem G<strong>es</strong>eLLschaftssystem,<br />

in dem ich lebe."<br />

Gerecht <strong>ist</strong> das, was der PflichteliüllLmg, dem<br />

Wohlergehen der Gemeinschaft oder der G<strong>es</strong>etzeliüllung<br />

dient.<br />

5. Stufe [über 20 Jahre!<br />

.. Demokratie <strong>ist</strong> gerecht."<br />

Junge Erwachsene empfinden nun all<strong>es</strong> als<br />

gerecht, was demokratisch und me hrheitlich b<strong>es</strong>chlossen<br />

wurde. Entsteht ein Gewissenskonflikt,<br />

haben allerdings Grundrechte wie Gleichheit,<br />

Freiheit und die unantastbare Würde d<strong>es</strong><br />

Me nschen Vorrang.<br />

6. Stufe [Erwachsenenalter!<br />

,.Gerechtigkeit <strong>ist</strong> ein abstrakt<strong>es</strong> Ideal."<br />

Di<strong>es</strong>e Stufe erreichen nur wenige, b<strong>es</strong>onders<br />

reife Menschen. Gerecht <strong>ist</strong> das, was sich an individuellen<br />

Idealen orientiert, die aber universell<br />

und unabhängig von g<strong>es</strong>ellschaftlichen und<br />

kultUTeUen Grenzen gelten.<br />

Mit zunehmendem Alter, so lässt Kohlbergs<br />

Tabelle hoffen, werden <strong>Kinder</strong> reifer und vernünftiger.<br />

Ihren kognitiven Fähigkeiten entsprechend,<br />

reflektieren sie ihr Handeln. Doch auch<br />

wer auf der Moralentwicklungsska.la weit oben<br />

steht, kann seinem Kumpel vor Wut vors Schienbein<br />

treten. Ethisch<strong>es</strong> Verständnis und Handeln<br />

<strong>sind</strong> eben <strong>nicht</strong> immer deckungsgleich. D<strong>es</strong>halb<br />

brauchen schon kleine <strong>Kinder</strong> klare moralische<br />

WeIte, an denen sie ihr Leben ausrichten<br />

können.<br />

"Sie müssen wissen, \v1e sie sich verhalten<br />

sollen und \vie sie mit täglichen AnforcLerungen<br />

fertigwerden können" , schreibt Rabbi Wayne<br />

Dosick in seinem Erziehungsratgeber "<strong>Kinder</strong><br />

brauchen Werte. 10 Lebensregeln, die <strong>Kinder</strong>n<br />

Halt Lmd Orientierung geben" (Scherz Verlag).<br />

Schon früh sollten Eltern <strong>Kinder</strong> auf den Unterschied<br />

zwischen richtig und falsch aufmerksam<br />

machen. Auf die Frage vieler Mütter und Väter,<br />

welch<strong>es</strong> Wertepaket man dem NachvlUchs für<br />

eine wirklich glückliche und eliüllte Zukunft mit<br />

auf den Weg geben sollte, nennt der Autor: R<strong>es</strong>pekt.<br />

Wahrhaftigkeit. Fairn<strong>es</strong>s, Verantwortungsbewusstsein,<br />

Mitgefühl, Dankbarkeit, Freundschaft,<br />

Friedfertigkeit, Streben nach persönlicher<br />

Reife LInd die Fähigkeit, an etwas zu glauben.<br />

Fragt man dagegen Jungs nach ihren<br />

Werten, erzählen sie gern von materiellen<br />

Zielen, Wettbewerb und Erfolg. Mädchen <strong>ist</strong><br />

Sozial<strong>es</strong> wie Familie, Umwelt und G<strong>es</strong>undheit<br />

<strong>wichtiger</strong>.<br />

FOCUS · SCHULE 06 I 2009


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•••• • ••• • ••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••<br />

• •<br />

•<br />

EXPERTEN-RAT<br />

·•<br />

Kann man mit Strafen den Charakter formen?<br />

•<br />

•<br />

Nicola Baumann, Psychologieprof<strong>es</strong>sori n an der Universität Trier,<br />

über den Sinn von Grenzen:<br />

•<br />

.. Es kommt auf die Art der Vermitt­ rung" - was aber <strong>nicht</strong> mit antiau­ oft gar <strong>nicht</strong> mehr wissen, was<br />

lung an: Wer Verhaltensregeln nur toritärer Erziehung zu verwechseln ihnen Spaß macht. Sie entfremden<br />

• aufdrückt, erreicht keine Selbst­ <strong>ist</strong>. <strong>Kinder</strong> brauchen durchaus sich von sich selbst und von ihren<br />

b<strong>es</strong>timmung, sondern nur artige Grenzen l Doch sie müssen den Sinn Werten, Später werden sie zu Men­<br />

<strong>Kinder</strong>, die so lange folgen, bis ihre dafür kennen. schen, die zwar erfolgreich <strong>sind</strong> ­<br />

•<br />

Eltern einmal <strong>nicht</strong> hinsehen, Kin­<br />

aber <strong>nicht</strong> glücklich, Häufig leiden<br />

• der müssen sich mit Verhaltenswei­ Durch Strafe ruhige <strong>Kinder</strong> zu sie unter Zwangs- und Angststö­<br />

sen identifizieren, um ein reich<strong>es</strong> formen <strong>ist</strong> zwar bequem, aber rungen. Daher: Einen "guten Cha­<br />

• Repertoire an Handlungsalternati­ kurzfr<strong>ist</strong>ig gedacht: Unsere Studien rakter" zu b<strong>es</strong>itzen bedeutet <strong>nicht</strong>,<br />

• ven zu erlangen, In der Psychologie haben ergeben, <strong>dass</strong> di<strong>es</strong>e <strong>Kinder</strong> brav zu sein. Mal unartig sein zu<br />

•<br />

nennt man das "Autonomieförde- nur wenig Kreativität b<strong>es</strong>itzen und dürfen tut <strong>Kinder</strong>n richtig gu[i""<br />

· •<br />

••••• I ••••••••••••••••••••••••••• I<br />

• • • • • • • • • • •• •• • •• •••• • •••••••••••••••••••••••••<br />

Sich um Menschen kümmern - das <strong>ist</strong> auch suche, Menschen mit Freundlichkeit zu begegdas<br />

Berufsziel der Kölnerin Tabea Dross, Die nen, Sie zu trösten, sie in den Arm zu nehmen,<br />

24-Jährige will Krankenschw<strong>es</strong>ter werden, Reli­ sie zu achten," Der Lohn? "Man bekommt ungion,<br />

Gott, Barmherzigkeit und Demut waren in glaublich viel zurück."<br />

ihrer gläubigen Bapt<strong>ist</strong>enfamilie wichtige The­ Ein Meeting fürs Mitgefühl: Das G<strong>es</strong>pür für<br />

men. Seit sechs Jahren gehört Tabea zum engen Menschen, lässt <strong>es</strong> sich trainieren? Pädagogen<br />

Kreis der J<strong>es</strong>us Freaks Köln, einer chr<strong>ist</strong>lichen <strong>sind</strong> sich sicher: ja, selbstverständlich, Rücksicht­<br />

Erweckungsbewegung für junge Menschen, die nahme, Mitgefühl, Gemeinschaftssinn - keine<br />

in den Worten der Bibel Explosionskraft sieht Schule, die sich di<strong>es</strong>e Tugenden <strong>nicht</strong> auf die<br />

und die die Abendmahlsliturgie auch mal rappt. Fahne g<strong>es</strong>chrieben hat. Streitschlichterprogram­<br />

Die J<strong>es</strong>us Freaks wurden 1991 gegründet und me, Patenschaftsprojekte, Wohltätigkeits basare<br />

<strong>sind</strong> mittlerweile in jeder größeren Stadt aktiv. gibt <strong>es</strong> allerorten, Robert Col<strong>es</strong>, <strong>Kinder</strong>psychiater<br />

"J<strong>es</strong>us <strong>ist</strong> der Mittelpunkt mein<strong>es</strong> Lebens", und Pulitzerpre<strong>ist</strong>räger, beklagt in seinem viel<br />

sagt die junge Frau mit den Rastazöpfen, Jeden beachteten Ratgeber "<strong>Kinder</strong> bmuchen Werte,<br />

Sonntagabend geht sie mit ihrem Mann zum ge­ Wie Eltern die moralische Intelligenz fördern<br />

meinsamen Gebet in eine ausgediente Lagerhal­ können" (Rowohlt Taschenbuch Verlag) denle,<br />

Es spielt eine Band, die Gemeinde fläzt ge­ noch einen Werte verfall. Aufhalten könne den<br />

mütlich auf den Sofas, Schon immer hat <strong>es</strong> für sie die Familie, Gemeinsame G<strong>es</strong>präche <strong>sind</strong>, so<br />

Gott gegeben, meint Tabea, ihren Glauben habe rät Col<strong>es</strong>, für die Werteent\vicklung von Kinsie<br />

aber lange <strong>nicht</strong> aktiv gelebt. Nacr dem Abi dern und Jugendlichen entscheidend, "Am b<strong>es</strong>re<strong>ist</strong>e<br />

sie zwei Jahre durch Australien und Indi­ ten nähern wir uns (,. ,) der Frage, welche Weren,<br />

wo sie in einem Aids-Hospiz arbeitete, Das te \vir unseren <strong>Kinder</strong>n vermitteln wollen, indem<br />

Elend dort habe sie g<strong>es</strong>chockt. Die Dankbarkeit wir sowohl überlegen, wie wir unsere <strong>Kinder</strong> eider<br />

Menschen habe ihr aber auch erfüllte Mo­ gentlich <strong>nicht</strong> gern hätten, als auch, welche Tumente<br />

g<strong>es</strong>chenkt. "Mir <strong>ist</strong> <strong>es</strong> wichtig, die Welt in genden sie denn b<strong>es</strong>itzen sollten," Col<strong>es</strong> schlägt<br />

kleinen Dingen zu verändern", sagt sie, "Ich ver- vor, bei einem gemütlichen Abend<strong>es</strong>sen in Ruhe ~<br />

I ~<br />

FOCUS-SCHULE 06/2009 Fo\o : 1 Kost/FOCUS - SCHUlE 17


TITELTHEMA<br />

G<strong>es</strong>präche, G<strong>es</strong>elligkeit, Gemeinschaft. Das gilt<br />

•<br />

• auch für Fatma, 8. Nach der Schule geht die Dritt­<br />

·• Di<strong>es</strong>e Frage beantwortet Susanne Breit-Keßler, • klässlerin in "Die Arche", eine Münchner <strong>Kinder</strong>­<br />

• Regionalbischofin in München: • und Jugendeinrichtung. Hier bekommt sie un­<br />

ter anderem jeden Tag ein wanu<strong>es</strong> Mittag<strong>es</strong>sen.<br />

"Nicht unbedingt. Doch chr<strong>ist</strong>liche Werte <strong>sind</strong> natürlich hilfreich,<br />

•<br />

•<br />

Etwas B<strong>es</strong>onder<strong>es</strong> <strong>ist</strong> <strong>es</strong> für Fatma, wenn in ih­<br />

•<br />

•<br />

über Themen wie Mut, Menschlichkeit und Ge­ <strong>dass</strong> sie bei schwierigen Entscheidungen die<br />

rechtigkeit zu sprechen. Eltern könnten Fragen Eltern um Rat fragen können. Und das funktiin<br />

den Raum stellen wie: Darf man Brot stehlen, oniert tatsächlich? "Moralische Intelligenz erwenn<br />

man hungrig <strong>ist</strong>? Organspende, ja oder wirbt man sich <strong>nicht</strong> durch das Auswendiglernein?<br />

Was passiert, wenn ich sterbe?<br />

nen von Regeln und Vorschriften oder durch<br />

Jeder darf dazu seine Meinung äußern. Die­ abstrakte Schuldiskussionen und häuslichen<br />

se Diskussionskultur schärft das Verständnis für Gehorsam", schreibt Robert eol<strong>es</strong>. "<strong>Viel</strong>mehr<br />

die Ansichten anderer, fördert die Konflikt- und wachsen wir moralisch, indem wir lernen, mit<br />

Kompromissbereitschaft und zeigt den <strong>Kinder</strong>n, anderen umzugehen und uns in di<strong>es</strong>er Welt zu<br />

verhalten." Im anstrengenden Tag<strong>es</strong>g<strong>es</strong>chäft<br />

•• ...... moderner Familien wird häufig nur noch Orga­<br />

• • • •<br />

nisatorisch<strong>es</strong> abgeklärt, für Tiefgründig<strong>es</strong> bleibt <br />

EXPERTEN-RAT<br />

keine Zeit. <strong>Viel</strong>leicht müssen sich modeme El­<br />

•<br />

tern echte G<strong>es</strong>präche mit ihren <strong>Kinder</strong>n tatsäch­<br />

• lich wieder vornehmen, damit sie <strong>nicht</strong> im Tag<strong>es</strong>str<strong>es</strong>s<br />

auf der Strecke bleiben.<br />

Braucht man Religion, damit aus • Eltern müssen <strong>nicht</strong> perfekt sein, <strong>Kinder</strong> lieben<br />

<strong>Kinder</strong>n gute Menschen werden?<br />

um <strong>Kinder</strong> zu liebenswerten Persönlichkeiten zu erziehen. Die Kirche<br />

rer Familie jemand Geburtstag hat. Dann wird im<br />

• lehrt uralte Tugenden, die <strong>Kinder</strong>n Halt geben - wie zum Beispiel den • R<strong>es</strong>taurant gefeiert. Jeder darf aussuchen, was er<br />

·•<br />

am liebsten isst. "Ich bin dann so glücklich, weil<br />

R<strong>es</strong>pekt vor Mitmenschen oder Demut, statt maßlos zu sein. Das Maß<br />

• wir alle zusammensitzen und lange miteinander<br />

d<strong>es</strong> Menschlichen <strong>ist</strong> ein <strong>wichtiger</strong> Wert, der heute verloren gegangen<br />

• • reden", schwännt Fatma bei einem B<strong>es</strong>uch der<br />

zu sein scheint. Di<strong>es</strong><strong>es</strong> Maß sollten <strong>Kinder</strong> im Umgang mit ihren Eltern<br />

• Arche-<strong>Kinder</strong> im Münchner R<strong>es</strong>idenztheater.<br />

und Lehrern wahren und <strong>nicht</strong>s Unmenschlich<strong>es</strong> von ihnen verlangen, ihre<br />

• Eine Führung mit Kostümprobe steht auf dem<br />

erfahrenen Persönlichkeiten r<strong>es</strong>pektieren. Genauso sollten Eltern ihren<br />

•<br />

Programm, organisiert durch den Bepanthen­<br />

•<br />

<strong>Kinder</strong>n menschlich begegnen und sie <strong>nicht</strong> durch völlig überspannte Theaterclub. Eine Maskenbildnerin schminkt<br />

• Anforderungen und unsinnigen Freizeitstr<strong>es</strong>s überfordern.<br />

die <strong>Kinder</strong>. Fatma darf ein PIinz<strong>es</strong>sinnenkleid<br />

anziehen, was ihr sehr gefällt. Zu Hause fun­<br />

•<br />

Das chr<strong>ist</strong>liche Gebot "Liebe deinen Nächsten wie dich selbst" <strong>ist</strong> heute<br />

kelt kein bisschen Glamour. Fatmas Mama i.st<br />

•<br />

<strong>wichtiger</strong> denn je - und zwar im wahrsten Sinne d<strong>es</strong> Wort<strong>es</strong>: Achte dein<br />

arbeitslos. Doch die Achtjährige bewundert sie<br />

sehr: "Sie <strong>ist</strong> immer lieb zu mir und meinem Bru­<br />

•<br />

Mitg<strong>es</strong>chöpf, aber gehe auch barmherzig mit dir selber, deinem Kör­<br />

• der." Ist die Mutter ein Vorbild für sie? "Na klar,<br />

per und deinem Ge<strong>ist</strong> um. Das bedeutet auch, sich selber <strong>Gute</strong>s zu tun,<br />

bei ihr darf ich so sein, wie ich bin. "<br />

• sich zu entspannen oder Sport zu treiben.<br />

"Eltern müssen <strong>nicht</strong> perfekt sein, um geliebt<br />

• In der Kirche lernen <strong>Kinder</strong> wichtige Rituale, Selbst wenn ihre Eltern zu werden, Geborgenheit zu geben und die Kin­<br />

•<br />

• der gut zu erziehen", sagt Psychologin Nicola<br />

Zweifler <strong>sind</strong>, sollten sie ihren <strong>Kinder</strong>n F<strong>es</strong>te wie Erntedank, Weihnachten<br />

•<br />

•<br />

Baumann. "Wichtig <strong>ist</strong>. <strong>dass</strong> sie ein Vorbild aboder<br />

Ostern <strong>nicht</strong> vorenthalten. Di<strong>es</strong>e strukturieren das Leben der <strong>Kinder</strong><br />

• geben, das für <strong>Kinder</strong> nachahmenswert <strong>ist</strong>." Das<br />

und zeigen ihnen, <strong>dass</strong> <strong>es</strong> sich beispielsweise lohnt, auch mal auf etwas zu<br />

heißt: authentisch sein, Entscheidungen begrün­<br />

• warten, oderwie gut sich Dankbarkeit anfühlt. <strong>Gute</strong> Gewohnheiten geben den und eigenen Prinzipien treu bleiben.<br />

auch im Alltag Halt: zusammen frühstücken, Einschlafrituale, vorl<strong>es</strong>en, <strong>Kinder</strong> <strong>sind</strong> glücklicher, wenn sie aus Eltern­<br />

•<br />

am Sonntag die Oma b<strong>es</strong>uchen, vielleicht gemeinsam beten. Heute <strong>sind</strong> häusern I)ommen, in denen <strong>es</strong> Ideale gibt, die<br />

• viele auf der Suche nach dem Herrn in ihrem Leben: Konsum, Erfolg, Ur­ über Ansehen, Erfolg und Kons'um hinausgehen,<br />

•<br />

laub, Jugendwahn oder doch Tiefergehend<strong>es</strong>7 <strong>Kinder</strong> <strong>sind</strong> auf der Suche schreibt der Religionswissenschaftler Wayne<br />

• • Dosick. Sie <strong>sind</strong> bei Problemen und Misserfolnach<br />

der eigenen Rolle. Eltern sollen ihnen dabei in ihren Lebensentwür­<br />

gen belastbarer und insg<strong>es</strong>amt<br />

•<br />

optim.<strong>ist</strong>ischer.<br />

fen nachahmenswerte Vorbilder sein."<br />

• ••• • • • • • • • •• • • • • ..<br />

Ein früh mitgegeben<strong>es</strong> Gerechtigkeitsempfinden<br />

und selbstverständlich<strong>es</strong> Einfühlungsver- ~<br />

18<br />

FO CU S- SCHULE 06 /20 09


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Fatma, 8, Schützling der <strong>Kinder</strong>- und Jugendei nrich<br />

roto M. 1l9d.JtIfI/ FOCu~ SCHULE


TITELTHEMA<br />

Wie schwer <strong>ist</strong> <strong>es</strong>, ein b<strong>es</strong>serer Mensch zu werden?<br />

Schüler Johann<strong>es</strong> Thom, 13, wagte ein Experiment: Er versuchte, fünf Tage lang <strong>nicht</strong><br />

zu lästern, seine Schw<strong>es</strong>ter <strong>nicht</strong> zu ärge rn und immer nett zu den Lehrern zu sein.<br />

• Mittwoch: Zum dritten Mal gegen die Vorsät­<br />

ze verstoßen und Fernsehen g<strong>es</strong>chaut, ob­<br />

wohl <strong>es</strong> Mama <strong>nicht</strong> erlaubt hat. Dennoch<br />

fühlt man sich irgendwie gut, wenn man<br />

versucht, gegen den Reiz anzukämpfen,<br />

Blödsinn zu machen. Versuche, den Müll<br />

runterzutragen. zu lernen und die Spülmaschine<br />

auszuräumen [klappt aber <strong>nicht</strong> immer .. .J.<br />

• Sonntag: Zum Glück <strong>ist</strong> heute Wochenende. Da<br />

<strong>ist</strong> <strong>es</strong> <strong>nicht</strong> so schwer. ein b<strong>es</strong>serer Mensch zu<br />

sein. weil keine frechen Mitschüler in der Nähe<br />

<strong>sind</strong>, die man schubsen muss. Ein wenig dumm<br />

komme ich mir aber schon vor, weil ich immer<br />

Bitte und Danke sagen muss. Das mache ich<br />

sonst nie. Habe aber noch <strong>nicht</strong> gegen die vereinbarten<br />

Regeln verstoßen.<br />

• Montag: Der erste Schultag als netter Mensch<br />

war ganz in Ordnung. Nur die Lehrer schauen<br />

so komisch, wenn ich immer "<strong>Gute</strong>n Tag, Herr<br />

Müller" sage. Ist wohl ungewohnt. <strong>dass</strong> ich so<br />

höflich bin .. . Trotzdem anstrengend, sich zweimal<br />

pro Stunde zu melden und <strong>nicht</strong> beim Nachbarn<br />

abzuschreiben. Schaffe <strong>es</strong> auch <strong>nicht</strong>, die<br />

kleinen Schüler <strong>nicht</strong> zu ärgern . . .<br />

• Dienstag: Langsam gewöhne ich mich an meine<br />

neue Rolle. Macht eigentlich Spaß. sich mehr<br />

Mühe zu geben. Trotzdem habe ich immer noch<br />

ein komisch<strong>es</strong> Kribbeln im Bauch. weil ich 50<br />

aufpassen muss, was ich sage und mache.<br />

• Donnerstag: Gott sei Dank, <strong>es</strong> neigt sich dem<br />

Ende zu. Habe noch dreimal gegen die Regeln<br />

verstoßen: 1. in der Französisch-Schulaufgabe<br />

abg<strong>es</strong>chrieben [Notsituation. nix gewusst!. 2. zu<br />

Hause die Nerven verloren und rumg<strong>es</strong>chimpft,<br />

3. meine Schw<strong>es</strong>ter geärgert.<br />

Mein Fazit: Es <strong>ist</strong> gar <strong>nicht</strong> so leicht, ein b<strong>es</strong>serer<br />

Mensch zu sein, wenn man Str<strong>es</strong>s in der Schule<br />

hat. Denn man hat keine Zeit, über sich nachzudenken.<br />

Trotzdem werde ich versuchen, einige<br />

Ideen in Zukunft beizubehalten. Man hat ein b<strong>es</strong>ser<strong>es</strong><br />

Gewissen, und anderen Menschen geht <strong>es</strong><br />

auch b<strong>es</strong>ser.<br />

Schubsen<br />

verb<strong>oten</strong>?<br />

Johann<strong>es</strong> Thom<br />

übte sich fünf Tage<br />

lang in der Kunst,<br />

ein richtig guter<br />

Junge zu sein<br />

mögen <strong>sind</strong> b<strong>es</strong>onders beruhigend, wenn sich<br />

Pubertierende vom Elternhaus lösen und Freunde<br />

zu Vorbildern werden.<br />

Gefühle zeigen. Einen eigenen Weg zum<br />

Glück ertorschen seit 1998 die Vertreter der Positiven<br />

Psychologie. Hatte die Wissenschaft nach<br />

dem Krieg eher psychische Störungen wie Depr<strong>es</strong>sionen,<br />

Schizophrenie, Ängste oder Zwänge<br />

im Blick, widmet sich die neue Forschungsrichtung<br />

vermehrt positiven Emotionen, Hoffnung,<br />

Liebe, Wohlbefinden. "Wer solche Konzepte<br />

kennt und seine Charakterstärken bewusst<br />

im Alltag einsetzt, <strong>ist</strong> zufriedener und selbstsicherer",<br />

glaubt Thomas Johann. Der BetriebswirtschaftIer<br />

initiierte an der Auguste Viktoria­<br />

Schule in Itzehoe ein Modellprojekt. Einmal im<br />

Monat unterrichtet er dort in einer 12. Klasse<br />

Positive Psychologie.<br />

Es geht damm, schöne Gefühle gezielt hervorzurufen,<br />

aktiv zu verstärken und dadurch<br />

lebenstüchtiger zu werden. Johanns Teilnehmer<br />

Matti Marx (Foto S. 13) glaubt zwar, <strong>dass</strong><br />

er bisher noch zu wenige Stunden miterlebt hat,<br />

um etwas in seinem Gefühlsleben verändern zu<br />

können. Der 18-Jährige findet <strong>es</strong> jedoch generell<br />

"ziemlich gut, <strong>dass</strong> man in der Schule endlich<br />

mal Platz hat, um über Glück und Gefühle nachzudenken".<br />

Matti bezeichnet sich selbst eher als<br />

den nachdenklichen Typ. Er spielt Schlagzeug<br />

in der alternativen Rock-Band Shellap<strong>es</strong>. Die<br />

Songtexte schreibt er selbst und fasst darin seine<br />

Gedanken in Worte. Lieblingsthema: die Gefühle<br />

zu seiner Freundin Katrin. Die laute Musik<br />

<strong>ist</strong> die pertekte Untermalung.<br />

Ein guter Charakter? Das <strong>ist</strong> für Matti jemand,<br />

der "ehrlich zu anderen und zu sich<br />

selbst <strong>ist</strong>, sich <strong>nicht</strong> selbst anlügt und auch mal<br />

über sich lachen kann". Seinen Humor habe er<br />

von seiner Mutter geerbt, die Vernunft von seinem<br />

Vater. Er <strong>ist</strong> froh über seine Eltern: "Sie<br />

haben mir immer vertraut und mich so genommen,<br />

wie ich bin." Seit er erwachsen <strong>ist</strong>, fällt <strong>es</strong><br />

ihm auch leichter, sich bei ihnen dafür zu bedanken.<br />

Vor Kurzem hat er seine Mutter einfach<br />

mal in den Arm genommen und ihr g<strong>es</strong>agt,<br />

<strong>dass</strong> er sie lieb hat. _ ANNE KATHRIN REITE R<br />

20<br />

FOl g · Fon:tcr & Marlin/ FOC U5.- SCHULE FOCUS-SCHULE 06/2009

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