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Die zeitpräzise Auswertung von Diagrammscheiben - LKW-Recht.de

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<strong>Die</strong> <strong>zeitpräzise</strong> <strong>Auswertung</strong> <strong>von</strong> <strong>Diagrammscheiben</strong><br />

Dipl.-Ing. Wolfgang Hugemann<br />

Ingenieurbüro Morawski + Hugemann<br />

<strong>von</strong>-<strong>Die</strong>rgardt-Str. 19<br />

51375 Leverkusen<br />

GERMANY<br />

hugemann@muenster.net<br />

Kurzzusammenfassung<br />

Wird ein Lkw in einen Verkehrsunfall<br />

verwickelt, so kann seine Bewegung aus<br />

<strong>de</strong>r <strong>Diagrammscheiben</strong>aufzeichnung abgeleitet<br />

wer<strong>de</strong>n. <strong>Die</strong> <strong>Auswertung</strong> wird <strong>de</strong>rzeit<br />

mittels mechanischer Geräte vorgenommen.<br />

Der Aufsatz analysiert die Fehler,<br />

die bei dieser <strong>Auswertung</strong> entstehen.<br />

Den theoretischen Ausführungen folgen<br />

tatsächliche Messungen. Auf diese Weise<br />

wer<strong>de</strong>n die Umstän<strong>de</strong> herausgearbeitet,<br />

unter <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>m Ergebnis <strong>de</strong>r <strong>Auswertung</strong><br />

zu trauen ist.<br />

Einführung<br />

Eine <strong>de</strong>r Hauptaufgaben <strong>de</strong>r Unfallanalyse<br />

besteht darin, die Annäherung <strong>de</strong>r Fahrzeuge<br />

an <strong>de</strong>n Kollisionspunkt zu rekonstruieren. Da<br />

die Fahrgeschwindigkeit eines Nutzfahrzeugs<br />

durch <strong>de</strong>n Fahrtschreiber registriert wird, ist<br />

es wünschenswert, <strong>von</strong> dieser Aufzeichnung<br />

bei <strong>de</strong>r Rekonstruktion Gebrauch zu machen.<br />

Wenn wir <strong>de</strong>n Annäherungsvorgang eines<br />

Fahrzeugs rekonstruieren, benötigen wir die<br />

Fahrgeschwindigkeit über <strong>de</strong>r Zeit – und zwar<br />

so genau wie möglich. Deshalb genügt es<br />

nicht, lediglich die Fahrgeschwindigkeit <strong>von</strong><br />

<strong>de</strong>r Diagrammscheibe abzulesen; wir müssen<br />

je<strong>de</strong>m abgelesenen Geschwindigkeitswert<br />

auch eine bestimmte Zeit zuordnen.<br />

Im Hinblick auf diese Aufgabe sollten wir<br />

besser <strong>von</strong> <strong>de</strong>r <strong>zeitpräzise</strong>n <strong>Auswertung</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Diagrammscheiben</strong> sprechen, anstelle <strong>de</strong>s<br />

geläufigeren Begriffs «mikroskopische <strong>Auswertung</strong>»,<br />

<strong>de</strong>r nur ein bestimmtes Auswerteverfahren<br />

bezeichnet. Selbstverständlich kann<br />

zeitliche Präzision nur in Bezug zum Anfang<br />

<strong>de</strong>s untersuchten Zeitintervalls erreicht wer<strong>de</strong>n.<br />

Absolute Zeiten können <strong>de</strong>r Diagrammscheibe<br />

nicht entnommen wer<strong>de</strong>n, da die Absolutzeit<br />

am Fahrtschreiber manuell eingestellt<br />

wird.<br />

Obwohl Fahrtschreiber ursprünglich nicht für<br />

diesen Zweck gedacht waren, ist die <strong>zeitpräzise</strong><br />

<strong>Auswertung</strong> in Deutschland seit Anfang<br />

<strong>de</strong>r 50er Jahre gebräuchlich. Zu dieser Zeit<br />

begann Kienzle, mechanische Geräte für eine<br />

solche <strong>Auswertung</strong> zu entwickeln. Seit<strong>de</strong>m<br />

hat Kienzle mehr als 100.000 <strong>Diagrammscheiben</strong><br />

<strong>zeitpräzise</strong> ausgewertet [1]. Ist ein<br />

Nutzfahrzeug am Unfall beteiligt, so ist es in<br />

Deutschland üblich, die Rekonstruktion <strong>de</strong>s<br />

Annäherungsvorganges dieses Fahrzeugs an<br />

Kienzle o<strong>de</strong>r VDO zu <strong>de</strong>legieren.<br />

Trotz <strong>de</strong>r Be<strong>de</strong>utung dieses Verfahrens wur<strong>de</strong><br />

seine Genauigkeit nie <strong>de</strong>tailliert untersucht,<br />

bis mir Kienzle 1993 <strong>de</strong>n Auftrag gab, genau<br />

dies zu tun. <strong>Die</strong>ser Aufsatz ist eine aktuelle<br />

Version meines ursprünglichen Berichts [2].<br />

<strong>Die</strong> Auswertevorrichtung<br />

<strong>Die</strong> Geschwindigkeit wird auf <strong>de</strong>r Diagrammscheibe<br />

in einem Polarkoordinatensystem<br />

aufgezeichnet. Der Radius entspricht <strong>de</strong>r<br />

Fahrgeschwindigkeit und <strong>de</strong>r Drehwinkel <strong>de</strong>r<br />

verstrichenen Zeit. <strong>Die</strong> mechanische Auswertevorrichtung<br />

besteht aus einem Auflichtmikroskop<br />

mit einem modifizierten Objektträger,<br />

Abb. 1. <strong>Die</strong> Diagrammscheibe ist<br />

auf einem Drehteller platziert, <strong>de</strong>r sich<br />

Abb.1: Modifizierter Objektträger <strong>de</strong>s<br />

Auflichtmikroskops<br />

3<br />

2<br />

1


(selbstverständlich) drehen, aber auch horizontal<br />

verschieben lässt. <strong>Die</strong> Freiheitsgra<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong>r Bewegung <strong>de</strong>s Drehtellers entsprechen also<br />

<strong>de</strong>n Polarkoordinaten <strong>de</strong>r Aufzeichnung.<br />

Eine Haarlinie innerhalb <strong>de</strong>s Okulars zeigt<br />

<strong>de</strong>m Betrachter die <strong>Recht</strong>winklige zum Radius<br />

<strong>de</strong>s Drehtellers. Der Drehteller wird nun so<br />

verschoben, dass diese Haarlinie die Aufzeichnung<br />

an einem bestimmten Punkt<br />

schnei<strong>de</strong>t. <strong>Die</strong> Geschwindigkeit an diesem<br />

Punkt ist dann proportional zur notwendigen<br />

Verschiebung c.<br />

Über <strong>de</strong>m Drehteller befin<strong>de</strong>t sich eine Klarglasscheibe,<br />

in <strong>de</strong>ren Rückseite eine Haarlinie<br />

eingeätzt ist, die (etwa) in radiale Richtung<br />

zeigt. (Wir wer<strong>de</strong>n diesen Punkt später nochmals<br />

genauer aufgreifen.) Der Drehwinkel d,<br />

<strong>de</strong>r benötigt wird, um diese Haarlinie mit einem<br />

bestimmten Punkt <strong>de</strong>r Aufzeichnung<br />

zum Schnitt zu bringen, entspricht <strong>de</strong>r abgelaufenen<br />

Zeit. <strong>Die</strong> Orientierung dieser Haarlinie<br />

im Hinblick auf die exakt radiale Richtung<br />

kann über <strong>de</strong>n Mechanismus e eingestellt<br />

wer<strong>de</strong>n. Selbstverständlich zeigt Abb. 1 eine<br />

vereinfachte Version <strong>de</strong>r echten Auswerteeinrichtung.<br />

Heutzutage sind die Stellschrauben mit Impulsgebern<br />

versehen, sodass ihre Drehstellung<br />

sofort in <strong>de</strong>n Rechner eingelesen wird. Das<br />

än<strong>de</strong>rt jedoch nichts daran, dass <strong>de</strong>r Kern <strong>de</strong>s<br />

Auswerteverfahrens weiterhin mechanisch ist.<br />

Einer <strong>de</strong>r größten Nachteile <strong>de</strong>r mechanischem<br />

Apparatur ist das Spiel zwischen <strong>de</strong>n<br />

einzelnen Bauteilen. Hat man mit <strong>de</strong>r <strong>Auswertung</strong><br />

begonnen, so darf man <strong>de</strong>n Teller nur<br />

noch in eine Richtung drehen, o<strong>de</strong>r man ist<br />

gezwungen, die gesamte Auswerteprozedur<br />

<strong>von</strong> vorn zu beginnen. Der große Vorteil <strong>de</strong>r<br />

Apparatur besteht allerdings darin, dass die<br />

<strong>Auswertung</strong> in situ stattfin<strong>de</strong>t, sodass optische<br />

Verzerrungen infolge <strong>de</strong>r Vergrößerung die<br />

Messung nicht beeinträchtigen.<br />

Heutzutage mag es naheliegend erscheinen,<br />

das Auswerteverfahren zu computerisieren,<br />

in<strong>de</strong>m man die Aufzeichnungslinie automatisch<br />

verfolgt. Eines <strong>de</strong>r Hauptprobleme bei<br />

solcher Vorgehensweise ist die durch die<br />

Vergrößerung verursachte Verzerrung. <strong>Die</strong>se<br />

Vergrößerung ist unumgänglich, da ein Zeitintervall<br />

<strong>von</strong> 1 s lediglich 3,4 µm auf <strong>de</strong>m 40-<br />

km/h-Radius entspricht. <strong>Die</strong>s be<strong>de</strong>utet, dass<br />

min<strong>de</strong>stens 7500 dpi benötigt wer<strong>de</strong>n, um eine<br />

Auflösung <strong>von</strong> 1 s zu erzielen. <strong>Die</strong>se Auflösung<br />

kann <strong>de</strong>rzeit mit normalen Hardware<br />

nur erreicht wer<strong>de</strong>n, wenn man die interessieren<strong>de</strong>n<br />

Ausschnitt vor <strong>de</strong>r Digitalisierung<br />

vergrößert.<br />

<strong>Die</strong> Ansprechschwelle<br />

Alle Fahrtschreiber haben eine Ansprechschwelle.<br />

Bei Fahrgeschwindigkeiten unterhalb<br />

<strong>de</strong>r Ansprechschwelle verbleibt die Aufzeichnungsna<strong>de</strong>l<br />

auf <strong>de</strong>m Ruhekreis. Der genaue<br />

Wert <strong>de</strong>r Ansprechschwelle hängt <strong>von</strong><br />

<strong>de</strong>r Maximalgeschwindigkeit ab, auf die <strong>de</strong>r<br />

Fahrtschreiber ausgelegt ist. Der Durchmesser<br />

<strong>de</strong>s Ruhekreises besitzt einen vorgegebenen<br />

Standardwert und sollte im I<strong>de</strong>alfall die Markierungen<br />

<strong>de</strong>r Zeitskala soeben außen berühren.<br />

Innerhalb <strong>de</strong>s ringförmigen Aufzeichnungsbereichs<br />

ist die Auslenkung <strong>de</strong>r<br />

Schreibna<strong>de</strong>l dann linear proportional zur<br />

Fahrgeschwindigkeit. Durch die Markierungen<br />

wird die Diagrammscheibe in 20-km/h-<br />

Abstän<strong>de</strong>n in konzentrische Kreise unterteilt.<br />

Der Abstand zwischen <strong>de</strong>m Ruhekreis und<br />

<strong>de</strong>m 20-km/h-Kreis ist <strong>de</strong>shalb geringer als<br />

<strong>de</strong>rjenige zwischen <strong>de</strong>n übrigen Kreismarkierungen.<br />

<strong>Die</strong>ser Unterschied entspricht genau<br />

<strong>de</strong>m Wert <strong>de</strong>r Ansprechschwelle.<br />

Wenn also in <strong>de</strong>r <strong>Diagrammscheiben</strong>auswertung<br />

Stillstand <strong>de</strong>s Fahrzeugs angegeben ist,<br />

so entspricht dieser Geschwindigkeitswert<br />

und <strong>de</strong>r zugehörige Zeitwert einer Extrapolation<br />

<strong>de</strong>r tatsächlichen Aufzeichnung. Der<br />

Zeitbezug, <strong>de</strong>r durch diese Extrapolation gewonnen<br />

wird, wird dann auf ganze Sekun<strong>de</strong>n<br />

gerun<strong>de</strong>t. Der ursprüngliche <strong>Auswertung</strong>spunkt,<br />

d.h. <strong>de</strong>r Eintrittspunkt in <strong>de</strong>n Ruhekreis<br />

ist nirgendwo mehr zu fin<strong>de</strong>n, we<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r<br />

tabellarischen Darstellung, noch in <strong>de</strong>r grafischen<br />

Umsetzung.<br />

In <strong>de</strong>r Geschwindigkeitsaufzeichnung sind<br />

Fahrmanöver, <strong>de</strong>ren Maximalgeschwindigkeit<br />

unterhalb <strong>de</strong>r Ansprechschwelle bleibt (soge-


nannte Schleichfahrten) vom Stillstand <strong>de</strong>s<br />

Fahrzeugs nicht zu unterschei<strong>de</strong>n. Unter bestimmten<br />

Umstän<strong>de</strong>n können längere<br />

Schleichfahrten anhand <strong>de</strong>r Wegaufzeichnung<br />

erkannt wer<strong>de</strong>n. Der ringförmige Aufzeichnungsbereich<br />

für <strong>de</strong>n Weg hat eine Breite <strong>von</strong><br />

5 mm, sodass 1 m Fahrstrecke 1 µm in <strong>de</strong>r<br />

Aufzeichnung entspricht. Eine Fahrstrecke<br />

<strong>von</strong> 40 m entspricht dann etwa <strong>de</strong>r Breite <strong>de</strong>r<br />

Aufzeichnungslinie. Wenn vor und nach <strong>de</strong>r<br />

Schleichfahrt Phasen längeren Stillstands liegen,<br />

kann ein minimaler Unterschied in <strong>de</strong>n<br />

Radien <strong>de</strong>r aufgezeichneten Kreise festgestellt<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

<strong>Die</strong> divergenten Maßstäbe<br />

Will man <strong>de</strong>n Verlauf <strong>de</strong>r Geschwindigkeit ü-<br />

ber <strong>de</strong>r Zeit aus <strong>de</strong>r <strong>Diagrammscheiben</strong>aufzeichnung<br />

ableiten, so besteht das Hauptproblem<br />

darin, dass die Maßstäbe für die bei<strong>de</strong>n<br />

aufgezeichneten Variablen stark differieren.<br />

Ein Geschwindigkeitsunterschied <strong>von</strong> 1<br />

km/h entspricht einem Radiusunterschied <strong>von</strong><br />

165 µm, während ein Zeitintervall <strong>von</strong> 1 s lediglich<br />

3,4 µm auf <strong>de</strong>m 40-km/h-Kreis entspricht.<br />

Wenn wir also eine Geschwindigkeitsän<strong>de</strong>rung<br />

<strong>von</strong> 10 km/h/s (= 2,8 m/s²) als<br />

typisches Fahrmanöver betrachten, so beträgt<br />

die Steigung <strong>de</strong>r zugehörigen Fahrlinie 1:500.<br />

<strong>Die</strong> Breite <strong>de</strong>s Aufzeichnungsstrichs beträgt<br />

etwa 55 µm. Bezogen auf <strong>de</strong>n Zeitmaßstab<br />

entspricht dies etwa 16 s. <strong>Die</strong>ses Zeitinkrement<br />

wer<strong>de</strong>n wir im Folgen<strong>de</strong>n als Linienzeit<br />

bezeichnen. Auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite entspricht<br />

die Breite <strong>de</strong>r Aufzeichnungslinie lediglich<br />

0,3 km/h auf <strong>de</strong>r Geschwindigkeitsskala.<br />

Mit <strong>de</strong>r mechanisch-optischen Auswerteeinrichtung<br />

lassen sich Zeitwerte im Abstand<br />

<strong>von</strong> etwa 0,5 s ablesen. Während <strong>de</strong>s Auswerteprozesses<br />

wird die Aufzeichnungslinie<br />

durch eine Polylinie angenähert. <strong>Die</strong> Wahl <strong>de</strong>r<br />

Knotenpunkte dieser Polylinie liegt im Ermessen<br />

<strong>de</strong>s Auswerters. Üblicherweise wer<strong>de</strong>n<br />

die aus <strong>de</strong>r Aufzeichnung abgelesenen<br />

Zeitwerte auf ganze Sekun<strong>de</strong>n gerun<strong>de</strong>t, um<br />

die <strong>Auswertung</strong> nicht genauer als sachlich gerechtfertigt<br />

erscheinen zu lassen.<br />

<strong>Die</strong> Leitlinie<br />

Bislang haben wir <strong>de</strong>n Aufzeichnungsprozess<br />

als Realisierung eines Polarkoordinatensystems<br />

beschrieben. Es ist selbstverständlich,<br />

dass bei <strong>de</strong>r praktischen Umsetzung dieses<br />

Konzepts in einem mechanischen Apparat die<br />

Führungsschiene <strong>de</strong>s Aufzeichnungsstiftes<br />

nicht exakt in radiale Richtung weist. Bei <strong>de</strong>r<br />

Montage <strong>de</strong>s Fahrtschreibers gibt es Fertigungstoleranzen.<br />

Das be<strong>de</strong>utet, dass selbst<br />

wenn wir die Möglichkeit hätten, die Drehung<br />

<strong>de</strong>r Diagrammscheibe im Fahrtschreiber anzuhalten<br />

und lediglich die Geschwindigkeit<br />

verän<strong>de</strong>rn wür<strong>de</strong>n, diese Aufzeichnungslinie<br />

nicht exakt radial verlaufen wür<strong>de</strong>.<br />

Um die Richtung zu bezeichnen, die einer unendlich<br />

großen Beschleunigung auf <strong>de</strong>r Diagrammscheibe<br />

entspricht (wenn sie bereits auf<br />

<strong>de</strong>m Drehteller montiert ist), wur<strong>de</strong> das Konzept<br />

<strong>de</strong>r Leitlinie entwickelt. <strong>Die</strong> Orientierung<br />

<strong>de</strong>r Leitlinie muss festgelegt wer<strong>de</strong>n, bevor<br />

man mit <strong>de</strong>r <strong>Auswertung</strong> <strong>de</strong>s Zeitintervalls<br />

vor <strong>de</strong>m Unfall beginnt. Es ist festzuhalten,<br />

dass die Leitlinie ein rein theoretisches Konzept<br />

darstellt. Ihre Orientierung kann aus <strong>de</strong>n<br />

charakteristischen Eigenschaften <strong>de</strong>r Aufzeichnung<br />

nicht präzise abgeleitet wer<strong>de</strong>n.<br />

Innerhalb <strong>de</strong>s Auswertegerätes wird die Leitlinie<br />

durch eine Haarlinie repräsentiert, die in<br />

die Rückseite <strong>de</strong>r Klarglasscheibe geätzt ist.<br />

<strong>Die</strong>se Haarlinie hat eine Breite <strong>von</strong> etwa 3<br />

µm, was etwa 1 s auf <strong>de</strong>m 40-km/h-Kreis entspricht.<br />

Der Winkel zwischen <strong>de</strong>r Haarlinie<br />

und <strong>de</strong>r exakt radialen Richtung kann über eine<br />

Stelleinrichtung verän<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n. Bevor<br />

<strong>de</strong>r letztlich interessante Teil <strong>de</strong>r Aufzeichnung<br />

(kurz vor <strong>de</strong>r Kollision) ausgewertet<br />

wer<strong>de</strong>n kann, muss <strong>de</strong>r Winkel zwischen <strong>de</strong>r<br />

Haarlinie und <strong>de</strong>r exakt radialen Richtung<br />

festgelegt wer<strong>de</strong>n. Dazu wertet man<br />

Beschleunigungs- und Bremsvorgänge aus,<br />

die vor <strong>de</strong>m eigentlich interessieren<strong>de</strong>n Intervall<br />

liegen.<br />

Am Anfang <strong>de</strong>r Aufzeichnung muss sich das<br />

Innenleben <strong>de</strong>s Fahrtschreibers erst einmal<br />

«setzen», damit das Spiel eliminiert wird.<br />

Deshalb braucht es einige Zeit, bevor sich die<br />

Richtung <strong>de</strong>r Leitlinie stabilisiert hat. Ent-


Resting Time on<br />

Maximum Speed<br />

Measurable<br />

Resting Time<br />

Total<br />

Driving<br />

Time<br />

Measurable<br />

Driving Tim e<br />

Circle of Rest<br />

Abb. 2: Einfach überlappte Aufzeichnung<br />

nimmt man die Diagrammscheibe aus <strong>de</strong>m<br />

Fahrtschreiber, so zerstören dies die aktuelle<br />

Leitlinie. Nichts<strong>de</strong>stoweniger scheinen auch<br />

krasse Verletzungen <strong>de</strong>r daraus resultieren<strong>de</strong>n<br />

Verhaltensregeln die <strong>Auswertung</strong> nicht notwendigerweise<br />

zu verhin<strong>de</strong>rn [3].<br />

Darüber hinaus wird sich <strong>de</strong>r Drehpunkt <strong>de</strong>r<br />

Scheibe verän<strong>de</strong>rn, wenn man sie <strong>de</strong>m Fahrtschreiber<br />

entnimmt und in <strong>de</strong>r Auswertevorrichtung<br />

platziert. Selbst wenn also die Führungsschiene<br />

<strong>de</strong>r Na<strong>de</strong>l im Fahrtschreiber exakt<br />

radial in Bezug auf <strong>de</strong>n Drehpunkt verlaufen<br />

wür<strong>de</strong>, wür<strong>de</strong> diese Richtung nicht mit<br />

<strong>de</strong>r radialen Richtung in <strong>de</strong>r Auswerteeinheit<br />

übereinstimmen. Der Abstand zwischen <strong>de</strong>n<br />

bei<strong>de</strong>n Drehpunkten wird als Exzentrizität bezeichnet<br />

und <strong>de</strong>r daraus resultieren<strong>de</strong> Fehler<br />

als Exzentrizitätsfehler.<br />

Das Flankenverfahren<br />

<strong>Die</strong> Anmerkungen zur Breite <strong>de</strong>r Aufzeichnungslinie<br />

zeigen, dass die Aufzeichnung auf<br />

<strong>de</strong>r Diagrammscheibe nicht als gewöhnlicher<br />

Line Time: 16s<br />

Funktionsplot in einem (modifizierten) Polarkoordinatensystem<br />

verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n kann.<br />

Normalerweise verstehen wir unter einem<br />

Funktionsplot eine akzeptable Annährung an<br />

das mathematischen Konzepts <strong>de</strong>r Kurve, die<br />

eine präzise Beziehung zwischen <strong>de</strong>n zwei<br />

Koordinaten repräsentiert. Bei einer Kurve,<br />

die 16 mal breiter ist als eine <strong>de</strong>r Koordinateneinheiten,<br />

müssen wir spezielle Verfahren<br />

anwen<strong>de</strong>n, um zu einem ein<strong>de</strong>utigen Zusammenhang<br />

zwischen <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Koordinaten<br />

zu gelangen.<br />

Wir sind also gezwungen, in <strong>de</strong>r Aufzeichnung<br />

nach besseren Repräsentanten für das<br />

mathematische Konzept <strong>de</strong>r Kurve zu suchen.<br />

Grundsätzlich gibt es zwei verschie<strong>de</strong>ne<br />

Möglichkeiten zur Lösung dieses Problems,<br />

<strong>de</strong>ren gebräuchlichere darin besteht, die<br />

Kante <strong>de</strong>r Aufzeichnungslinie zu verfolgen.<br />

Dabei kann man sich nach Belieben an <strong>de</strong>r<br />

linken o<strong>de</strong>r rechten Kante orientieren. Wenn<br />

die Beschleunigung innerhalb <strong>de</strong>r Aufzeichnung<br />

das Vorzeichen wechselt, können überlappen<strong>de</strong><br />

Aufzeichnungen entstehen. <strong>Die</strong>ser<br />

Effekt tritt dann auf, wenn das Zeitintervall,<br />

in <strong>de</strong>m die Geschwindigkeit auf ihrem lokalen<br />

Speed below<br />

the Threshold<br />

(Standstill)<br />

Middle of the<br />

Recording Line<br />

Time between<br />

1st and 2nd<br />

Standstill<br />

Circle of Rest<br />

Abb. 3: Doppelt überlappte Aufzeichnung<br />

Line Time: 16s


Maximum (o<strong>de</strong>r Minimum) verharrt, kürzer<br />

ist als die Breite <strong>de</strong>s Aufzeichnungsstrichs.<br />

In <strong>de</strong>r Aufzeichnung Abb. 2 ist die rechte<br />

Seite <strong>de</strong>r steigen<strong>de</strong>n Linie und die linke Seite<br />

<strong>de</strong>r fallen<strong>de</strong>n Linie nicht zu sehen. Am Gipfel<br />

muss <strong>de</strong>shalb die Bezugskante gewechselt<br />

wer<strong>de</strong>n. Da die <strong>Auswertung</strong> in solchem Fall<br />

auf <strong>de</strong>n sichtbaren Flanken <strong>de</strong>s Ausschlags<br />

basiert, wer<strong>de</strong>n wir dieses Verfahren im Folgen<strong>de</strong>n<br />

als das Flankenverfahren bezeichnen.<br />

Das Zeitintervall, innerhalb <strong>de</strong>ssen die Geschwindigkeit<br />

auf ihrem Maximum (Minimum)<br />

verharrt, kann dadurch bestimmt wer<strong>de</strong>n,<br />

dass man die die Breite <strong>de</strong>s Aufzeichnungsstrichs<br />

<strong>von</strong> <strong>de</strong>r Breite <strong>de</strong>r Kuppe subtrahiert.<br />

Das Auflichtverfahren<br />

Wenn das Vorzeichen <strong>de</strong>r Beschleunigung<br />

mehr als einmal während <strong>de</strong>r Linienzeit<br />

wechselt, kommt zu mehrfachen Überlagerungen<br />

in <strong>de</strong>r Aufzeichnung. Bei <strong>de</strong>m in Abb.<br />

3 dargestellten Fall sind bei<strong>de</strong> Seite <strong>de</strong>s ansteigen<strong>de</strong>n<br />

Kurvensegments nicht zu sehen. In<br />

diesen Fällen beleuchtet man die Aufzeichnung<br />

direkt <strong>von</strong> oben. Da die Aufzeichnungslinie<br />

in die Beschichtung <strong>de</strong>r Diagrammscheibe<br />

hinein gekratzt wird, hat sie in <strong>de</strong>r dreidimensionalen<br />

Betrachtung die Form einer<br />

Mul<strong>de</strong>. Wird sie genau <strong>von</strong> oben belichtet,<br />

folgt die gerichtete Reflektion in das Okular<br />

hauptsächlich vom Grun<strong>de</strong> dieser Mul<strong>de</strong>, d.h.<br />

<strong>de</strong>r Mittellinie <strong>de</strong>r Aufzeichnung. <strong>Die</strong> Mittellinie<br />

wird also durch ihre hellere Färbung<br />

sichtbar (wegen <strong>de</strong>r stärkeren Reflektion).<br />

Beim Auflichtverfahren verknüpfen wir die<br />

<strong>Auswertung</strong> mit <strong>de</strong>r Mittellinie <strong>de</strong>r Aufzeichnung.<br />

Wenn wir zwischen Flanken- und Auflichtverfahren<br />

wechseln, müssen wir einen<br />

Zeitversatz in Höhe <strong>de</strong>r halben Linienzeit berücksichtigen.<br />

Fehler in <strong>de</strong>r Geschwindigkeit<br />

<strong>Die</strong> EU-Bestimmungen unterschei<strong>de</strong>n drei<br />

verschie<strong>de</strong>ne Randbedingungen in Bezug auf<br />

die zulässigen Fehler in <strong>de</strong>r Geschwindigkeitsaufzeichnung<br />

[4]:<br />

• Fehler, <strong>de</strong>ren Ursache im Fahrtschreiber<br />

selbst liegt, also noch bevor er in das<br />

Fahrzeug eingebaut wird<br />

• Fehler nach <strong>de</strong>m Einbau in das Fahrzeug<br />

• Maximaler Fehler im Betrieb zwischen<br />

<strong>de</strong>n Rekalibrierungen<br />

<strong>Die</strong>se Kategorisierung entspricht <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen<br />

Fehlerquellen:<br />

• Unkorrekte Aufzeichnung durch <strong>de</strong>n<br />

Fahrtschreiber selbst<br />

• Fehler, die in <strong>de</strong>r unvollständigen Anpassung<br />

zwischen <strong>de</strong>r Wegdrehzahl <strong>de</strong>s Pulsgebers<br />

und Wegdrehzahl <strong>de</strong>s Fahrtschreiber<br />

bestehen<br />

• Verän<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>s Reifenhalbholmmessers<br />

Im Hinblick auf mo<strong>de</strong>rne elektronische Fahrtschreiber<br />

können wir erwarten, dass die Ablenkung<br />

<strong>de</strong>r Aufzeichnungsna<strong>de</strong>l (die durch<br />

einen Stellmotor bewegt wird) linear proportional<br />

zur eingespeisten Impulsfrequenz ist.<br />

Wir haben <strong>de</strong>n für unsere Experimente verwen<strong>de</strong>ten<br />

Fahrtschreiber diesbezüglich getestet<br />

und festgestellt, dass die aufgezeichnete<br />

Geschwindigkeit exakt mit <strong>de</strong>r im Kalibrierblatt<br />

eingetragenen Wegdrehzahl korrespondierte.<br />

Bei älteren Fahrtschreibern, die mechanisch<br />

nach <strong>de</strong>m Wirbelstromprinzip funktionieren,<br />

ergibt sich ein nichtlinearen Zusammenhang<br />

zwischen Rotation <strong>de</strong>r Tachowelle<br />

und angezeigter Geschwindigkeit.<br />

Kurzum: Der erste Punkt <strong>de</strong>r zitierten EU-<br />

Richtlinien zielte auf mechanische Fahrtschreiber.<br />

<strong>Die</strong>se Fehlerquelle ist bei mo<strong>de</strong>rnen<br />

elektronischen Fahrtschreiber vernachlässigbar.<br />

Zwar kann unkorrekte Justierung <strong>de</strong>s<br />

Ruhekreises immer noch einen konstanten<br />

Versatz bewirken, doch kann dieser im Rahmen<br />

<strong>de</strong>r gewissenhaften <strong>Auswertung</strong> leicht<br />

subtrahiert wer<strong>de</strong>n.<br />

Früher wur<strong>de</strong> die Wegdrehzahl <strong>de</strong>s Getriebeausgangs<br />

über ein mechanisches Getriebe an<br />

die Wegdrehzahl <strong>de</strong>s Fahrtschreiber angepasst.<br />

Es lag in <strong>de</strong>r Natur <strong>de</strong>r Sache, dass diese<br />

Anpassung auf vorher festgelegte Übersetzungsverhältnisse<br />

beschränkt war. Auf die


hierdurch verursachten Fehler zielt <strong>de</strong>r zweite<br />

Punkt <strong>de</strong>r oben zitierten Richtlinie. Heutzutage<br />

kann die Wegdrehzahl <strong>de</strong>s elektronischen<br />

Fahrtschreibers präzise an die Pulsfrequenz<br />

<strong>de</strong>s elektrischen Gebers am Getriebeausgang<br />

angepasst wer<strong>de</strong>n. Entsprechen<strong>de</strong> Regelung<br />

wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>shalb ebenfalls vom technischen<br />

Fortschritt überholt.<br />

Der dritte Punkt <strong>de</strong>r EU-Regelung zielte<br />

hauptsächlich auf Reifenverschleiß und mögliche<br />

Alterungseffekte im Fahrtschreiber.<br />

Zwar wird die Anzeigegenauigkeit eines digitalen<br />

Fahrtschreiber nicht durch Alterungseffekte<br />

beeinflusst, doch muss <strong>de</strong>r Reifenverschleiß<br />

weiterhin berücksichtigt wer<strong>de</strong>n. Der<br />

Umfang eines abgefahrenen Lkw-Reifens ist<br />

um bis zu 2% geringer als <strong>de</strong>r eines neuen<br />

Reifens. <strong>Die</strong> Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Reifenradius’ verursacht<br />

einen Fehler, <strong>de</strong>r linear proportional<br />

zur Fahrgeschwindigkeit ist. (Das gleiche gilt<br />

übrigens im Falle inkorrekt eingestellter<br />

Wegdrehzahl.) Für elektronische Fahrtschreiber<br />

gilt also<br />

∆ v = c v<br />

(1)<br />

v ⋅<br />

Bei mechanischen Fahrtschreibern, die nach<br />

<strong>de</strong>m Wirbelstromprinzip arbeiten, müssen wir<br />

nichtlineare Fehler in Betracht ziehen. Neu<br />

kalibrierte elektronische Fahrtschreiber aber<br />

zeichnen die Fahrgeschwindigkeit mit hoher<br />

Genauigkeit auf.<br />

Fehler im Zeitbezug<br />

Ablesefehler<br />

<strong>Die</strong> Haarlinie selbst hat eine Breite <strong>von</strong> 1 s,<br />

sodass <strong>de</strong>r Schnittpunkt zwischen <strong>de</strong>r Haarlinie<br />

und <strong>de</strong>r Referenzkurve (Mitte o<strong>de</strong>r Flanke<br />

<strong>de</strong>r Aufzeichnungslinie) nicht genau <strong>de</strong>finiert<br />

ist. <strong>Die</strong> Kanten <strong>de</strong>r Aufzeichnungslinie sind<br />

darüber hinaus leicht «ausgefranst», weil die<br />

Aufzeichnung durch mechanische Abschabung<br />

entsteht, vergleichbar wie bei alten Phonographen.<br />

Min<strong>de</strong>rwertige <strong>Diagrammscheiben</strong><br />

können eine <strong>zeitpräzise</strong> <strong>Auswertung</strong> auch<br />

gänzlich verhin<strong>de</strong>rn, da das «sprö<strong>de</strong>» Material<br />

<strong>de</strong>r Registrierschicht an <strong>de</strong>n Seiten <strong>de</strong>r Mul<strong>de</strong><br />

wegbricht.<br />

Der Ablesefehler ist stochastischer Natur; er<br />

kann sein Vorzeichen wahllos zwischen <strong>de</strong>n<br />

verschie<strong>de</strong>nen Stützstellen <strong>de</strong>r Aufzeichnung<br />

än<strong>de</strong>rn. Wir können zwar vermuten, dass eine<br />

gewisse Korrelation zwischen <strong>de</strong>n Ablesefehlern<br />

an aufeinan<strong>de</strong>r folgen<strong>de</strong>r Stützstellen<br />

besteht. Wir sind jedoch nicht in <strong>de</strong>r Lage,<br />

<strong>de</strong>n Grad dieser Korrelation mit theoretischen<br />

Mitteln vorauszusagen. Solche Teile <strong>de</strong>r<br />

<strong>Auswertung</strong>, die über das Auflichtverfahren<br />

ausgewertet wur<strong>de</strong>n, ist <strong>de</strong>r Ablesefehler größer<br />

als bei solchen, die über das Flankenverfahren<br />

ausgewertet wur<strong>de</strong>n.<br />

Verschiebung <strong>de</strong>r Referenzkurve<br />

Wenn eine einfache Überlappung <strong>de</strong>n Auswerter<br />

zu einem Flankenwechsel zwingt, beispielsweise<br />

<strong>von</strong> <strong>de</strong>r linken zur rechten Flanke<br />

<strong>de</strong>r Aufzeichnungslinie, so muss die Linienzeit<br />

(16 s) berücksichtigt wer<strong>de</strong>n. <strong>Die</strong>ser Zeitversatz<br />

ist mehrfach größer als die angestrebte<br />

Genauigkeit. Deshalb erzeugen bereits geringe<br />

prozentuale Fehler zwischen <strong>de</strong>r angenommenen<br />

und <strong>de</strong>r tatsächlichen Linienzeit<br />

einen be<strong>de</strong>utsamen Zeitversatz. Der analoge<br />

Effekt tritt auf, wenn man zwischen Flankenund<br />

Auflichtverfahren wechselt. In diesem<br />

Fall entspricht <strong>de</strong>r Zeitversatz <strong>de</strong>r halben Linienzeit.<br />

Verhärtungen in <strong>de</strong>r Registrierschicht<br />

Im I<strong>de</strong>alfall besitzt die Aufzeichnungsschicht<br />

<strong>de</strong>r Diagrammscheibe eine konstante Viskosität<br />

über <strong>de</strong>r gesamten Fläche. In <strong>de</strong>r Praxis<br />

treffen wir jedoch auf lokale Verhärtungen in<br />

<strong>de</strong>r Registrierschicht, insbeson<strong>de</strong>re bei kostengünstigen<br />

<strong>Diagrammscheiben</strong>. <strong>Die</strong>se lenken<br />

die Aufzeichnungsna<strong>de</strong>l in Richtung <strong>de</strong>s<br />

weicheren Materials ab. <strong>Die</strong>se Abweichungen<br />

können fehlinterpretiert wer<strong>de</strong>n, entwe<strong>de</strong>r als<br />

Geschwindigkeitsän<strong>de</strong>rungen o<strong>de</strong>r als kollisionsbedingte<br />

Ausschläge.<br />

Scherung <strong>de</strong>r Leitlinie<br />

<strong>Die</strong> Orientierung <strong>de</strong>r i<strong>de</strong>alen Leitlinie entspricht<br />

<strong>de</strong>r imaginären Linie, die bei unendlich<br />

hoher Beschleunigung gezeichnet wür<strong>de</strong>.<br />

Aus diesem Grun<strong>de</strong> sollte die Haarlinie (als


ihr Pendant in <strong>de</strong>r realen Welt) eine möglichst<br />

hohe Beschleunigung repräsentieren. <strong>Die</strong><br />

Güte <strong>de</strong>r Haarlinie kann also durch die Beschleunigung<br />

a c ausgedrückt wer<strong>de</strong>n, für die<br />

sie steht. Schräglage <strong>de</strong>r Leitlinie erzeugt einen<br />

Fehler im Zeitbezug, <strong>de</strong>r proportional zur<br />

Fahrgeschwindigkeit ist. Für <strong>de</strong>n zeitlichen<br />

Fehler zwischen zwei beliebigen Stützstellen<br />

– i, j – erhalten wir<br />

vi<br />

− v<br />

j<br />

∆ t =<br />

(2)<br />

a<br />

c<br />

Der Fehler betreffend die Gesamtfahrzeit ist<br />

<strong>de</strong>shalb proportional zum Geschwindigkeitsunterschied<br />

zwischen Beginn und En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s<br />

gesamten Fahrmanövers. <strong>Die</strong>s be<strong>de</strong>utet insbeson<strong>de</strong>re,<br />

dass falls die Geschwindigkeiten am<br />

Anfang und En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s ausgewerteten Zeitraums<br />

i<strong>de</strong>ntisch sind (z.B. bei<strong>de</strong> Null), die<br />

Schiefe <strong>de</strong>r Leitlinie keinen Fehler in <strong>de</strong>r ausgewerteten<br />

Gesamtfahrzeit zur Folge hat.<br />

<strong>Die</strong> Gesamtfahrstrecke kann durch mehrfache<br />

Anwendung <strong>de</strong>r Trapezregel berechnet wer<strong>de</strong>n<br />

s<br />

n−.1<br />

=<br />

2 ∑ k k+<br />

1 k+<br />

1<br />

k=<br />

0<br />

( v + v ) ⋅( t − t )<br />

1<br />

(3)<br />

Der Fehler ist also<br />

∆s<br />

=<br />

1<br />

2<br />

n−.1<br />

∑<br />

k=<br />

0<br />

1<br />

=<br />

2 a<br />

1<br />

=<br />

2 a<br />

( v + v ) ⋅ ( ∆t<br />

− ∆t<br />

)<br />

k<br />

n−.1<br />

∑<br />

c k=<br />

0<br />

k+<br />

1<br />

( v + v ) ⋅ ( v − v )<br />

k+<br />

1<br />

n−.1<br />

2 2<br />

∑ ( vk+<br />

1<br />

− vk<br />

)<br />

c k=<br />

0<br />

k<br />

k<br />

k+<br />

1<br />

k+<br />

1<br />

k<br />

k<br />

(4)<br />

Durch die Subtraktion innerhalb <strong>de</strong>s Summenterms<br />

löschen sich alle Geschwindigkeiten<br />

bis auf die erste und letzte wechselseitig<br />

aus, sodass lediglich<br />

v<br />

2 2<br />

n<br />

− v0<br />

∆ s =<br />

(5)<br />

2 a<br />

c<br />

verbleibt. Wie die Gesamtfahrzeit wird also<br />

auch die Gesamtfahrstrecke fehlerfrei berechnet,<br />

wenn die Geschwindigkeiten am Anfang<br />

und En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s ausgewerteten Bereichs i<strong>de</strong>ntisch<br />

sind. So wer<strong>de</strong>n insbeson<strong>de</strong>re Start-<br />

Stopp-Vorgänge durch die Scherung <strong>de</strong>r Leitlinie<br />

nicht beeinflusst.<br />

Exzentrizität<br />

Der Exzentrizitätsfehler unterschei<strong>de</strong>t sich<br />

etwas <strong>von</strong> <strong>de</strong>r «normalen» Schiefe. <strong>Die</strong> Exzentrizität<br />

hat zur Folge, dass die Leitlinie ihre<br />

Richtung bei einer vollen Umdrehung in<br />

Form einer Sinusfunktion än<strong>de</strong>rt [5]. Da das<br />

ausgewertete Zeitintervall üblicherweise aus<br />

nur wenigen Sekun<strong>de</strong>n besteht, kann die Orientierung<br />

<strong>de</strong>r Leitlinie über diesem Intervall<br />

weiterhin konstant angenommen wer<strong>de</strong>n.<br />

Wir sollten allerdings im Blick behalten, dass<br />

die Orientierung <strong>de</strong>r Leitlinie normalerweise<br />

an an<strong>de</strong>rer Stelle aus <strong>de</strong>r Aufzeichnung ermittelt<br />

wird, üblicherweise eine gewisse Zeit<br />

vor <strong>de</strong>r Kollision. Wegen <strong>de</strong>r möglichen Exzentrizität<br />

sollte die Leitlinie so nah wie<br />

möglich am ausgewerteten Zeitraum bestimmt<br />

wer<strong>de</strong>n, ohne dass dieser tatsächlich<br />

enthalten ist. Da die Leitlinie durch <strong>de</strong>n Vergleich<br />

<strong>von</strong> Anfahrbeschleunigungen und<br />

Bremsverzögerungen ermittelt wird, ist diese<br />

For<strong>de</strong>rung bei Autobahnunfällen in <strong>de</strong>r Regel<br />

nicht zu erfüllen.<br />

Fahrversuche<br />

Versuchsaufbau<br />

<strong>Die</strong> grundlegen<strong>de</strong> I<strong>de</strong>e bestand darin, eine Referenzmessung<br />

aufzuzeichen, mit <strong>de</strong>r die ausgewerteten<br />

Verläufe anschließend verglichen<br />

wer<strong>de</strong>n konnten. Wir maßen daher <strong>de</strong>n Raddrehwinkel<br />

mittels einer Reflexlichtschranke,<br />

die auf <strong>de</strong>r Reifenflanke aufgeklebte Streifen<br />

zählte, d.h. wir maßen – wie <strong>de</strong>r Fahrtschreiber<br />

– <strong>de</strong>n zurückgelegten Reifenumfangsweg.<br />

<strong>Die</strong>se Vorgehensweise garantierte, dass Abweichungen<br />

zwischen <strong>de</strong>m Referenzschrieb<br />

und <strong>de</strong>m ausgewerteten Verlauf einzig auf<br />

Fehler im Fahrtschreiber selbst bzw. in <strong>de</strong>r<br />

Auswerteprozedur begrün<strong>de</strong>t waren, da an<strong>de</strong>re<br />

Fehlerquellen ausgeschlossen sind.


Mit <strong>de</strong>n Pulsen <strong>de</strong>r Reflexlichtschranke<br />

<strong>de</strong>krementierten wir einen elektronischen<br />

Zähler, <strong>de</strong>ssen Zählstand <strong>von</strong> einem Computer<br />

in konstanten Zeitintervallen eingelesen<br />

wur<strong>de</strong>. Auf diese Weise zeichneten wir <strong>de</strong>n<br />

Weg über <strong>de</strong>r Zeit auf, während <strong>de</strong>r Fahrtschreiber<br />

die Geschwindigkeit über <strong>de</strong>r Zeit<br />

registriert. Da wir uns in <strong>de</strong>r Unfallrekonstruktion<br />

üblicherweise für die aus <strong>de</strong>r Aufzeichnung<br />

gewonnenen Weg-Zeit-Zusammenhänge<br />

interessieren, schien ein solcher<br />

Referenzschrieb <strong>de</strong>r geeignetste. Auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren<br />

Seite können wir aus unserer Aufzeichnung<br />

durch einmaliges Differenzieren direkt<br />

die Geschwindigkeit ableiten.<br />

Error [km/h]<br />

1,0<br />

0,5<br />

0,0<br />

-0,5<br />

-1,0<br />

-1,5<br />

0 20 40 60<br />

Speed [km/h]<br />

Konzeption <strong>de</strong>s Experiments<br />

Wir absolvierten zwei Testfahrten mit jeweils<br />

fünf Minuten Gesamtfahrzeit. Der Auswerter<br />

wur<strong>de</strong> angewiesen, nur <strong>de</strong>n sichtbaren Teil<br />

<strong>de</strong>r Aufzeichnung auszuwerten und auf die<br />

übliche Extrapolation auf <strong>de</strong>n Stillstand zu<br />

verzichten. <strong>Die</strong> <strong>Auswertung</strong> bezieht sich <strong>de</strong>shalb<br />

auf Fahrgeschwindigkeiten oberhalb <strong>von</strong><br />

7 km/h, <strong>de</strong>r Ansprechstelle <strong>de</strong>s verwen<strong>de</strong>ten<br />

Fahrtschreibers. Entsprechend beziehen sich<br />

die «Haltezeiten» auf das Zeitintervall, in <strong>de</strong>m<br />

sich die Aufzeichnungsna<strong>de</strong>l auf <strong>de</strong>m Ruhekreis<br />

bewegte.<br />

ƒ Flankenverfahren<br />

<strong>Die</strong> Haltezeit zwischen <strong>de</strong>n Einzelfahrten<br />

war in <strong>de</strong>r Mehrzahl <strong>de</strong>r Fälle länger als<br />

die Linienzeit. <strong>Die</strong> Fahrzeit <strong>de</strong>r Einzelfahrten<br />

war allerdings üblicherweise kürzer<br />

als die Linienzeit. <strong>Die</strong> meisten Testfahrten<br />

konnten daher nach <strong>de</strong>m Flankenverfahren<br />

ausgewertet wer<strong>de</strong>n.<br />

ƒ Auflichtverfahren<br />

Für <strong>de</strong>n Fall, dass die Haltezeit kürzer als<br />

die Linienzeit ist, erhalten wir mehrfache<br />

Überlappungen. <strong>Die</strong>ser Effekt trat bei einer<br />

Reihe <strong>von</strong> Doppelfahrten auf.<br />

ƒ Schleichfahrten<br />

In zwei Fällen streuten wir Schleichfahrten<br />

ein. <strong>Die</strong>se waren 30,6 m und 18,05 m lang.<br />

Abb. 4: Auswertefehler:<br />

Maximalgeschwindigkeit<br />

Maximalgeschwindigkeit<br />

Abb. 4 vergleicht die ausgewertete Maximalgeschwindigkeiten<br />

mit <strong>de</strong>r <strong>de</strong>nen aus unserer<br />

Referenzaufzeichnung. <strong>Die</strong> Datenbasis enthält<br />

alle 16 Einzelfahrten, wobei die eingezeichnete<br />

Linie über lineare Regression gewonnen<br />

wur<strong>de</strong>. Alle Fehler fallen in ein ±0,5-km/h-<br />

Band um <strong>de</strong>n allgemeinen Trend. <strong>Die</strong>s ist die<br />

Fehlergrenze, die wir beim Run<strong>de</strong>n auf volle<br />

km/h-Werte erwarten. Der durch die lineare<br />

Regression veranschaulichte allgemeine<br />

Trend entspricht <strong>de</strong>m durch <strong>de</strong>n Fahrtschreiber<br />

verursachten Fehler, <strong>de</strong>ssen angezeigte<br />

Geschwindigkeit 2% unterhalb <strong>de</strong>r tatsächlichen<br />

liegt.<br />

Gesamtfahrzeit<br />

Abb. 5 zeigt <strong>de</strong>n Fehler in <strong>de</strong>r ausgewerteten<br />

Gesamtfahrzeit. Einzelfahrten, die mit <strong>de</strong>r<br />

Flankenmetho<strong>de</strong> ausgewertet wer<strong>de</strong>n konnten,<br />

sind durch weiße Datenpunkte markiert.<br />

Doppelfahrten sind durch ausgefüllte Punkte<br />

gekennzeichnet, die mit einer Linie verbun<strong>de</strong>n<br />

sind. <strong>Die</strong> Zahlen bezeichnen die Nummer<br />

<strong>de</strong>s Fahrmanövers.<br />

Bei <strong>de</strong>n Fahrmanövern, die über das Flankenverfahren<br />

ausgewertet wer<strong>de</strong>n konnten, fallen<br />

die Fehler in einen Bereich <strong>von</strong> -1 s – +2 s.<br />

<strong>Die</strong> allgemeine Ten<strong>de</strong>nz, die Fahrzeit zu ü-


Error [s]<br />

6<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

-1<br />

-2<br />

-3<br />

15<br />

11<br />

6<br />

3<br />

10<br />

16<br />

8<br />

14<br />

2<br />

1<br />

9<br />

5<br />

4<br />

7<br />

12<br />

13<br />

samtfahrzeit, d.h. die während bei<strong>de</strong>r Einzelfahrten<br />

verstrichene Zeit, inkl. <strong>de</strong>s dazwischenliegen<strong>de</strong>n<br />

Stillstan<strong>de</strong>s, mit <strong>de</strong>r gleichen<br />

Genauigkeit ausgewertet wor<strong>de</strong>n wäre wie für<br />

die Einzelfahrten. Dementsprechend müsste<br />

die Stillstandszeit zwischen <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Einzelfahrten<br />

zu kurz geraten sein. Der Fehlbetrag<br />

scheint bevorzugt <strong>de</strong>m zweiten Anfahrmanöver<br />

zugeschlagen zu wer<strong>de</strong>n, mit <strong>de</strong>r<br />

Folge, dass die Anfahrbeschleunigung <strong>de</strong>utlich<br />

zu niedrig liegt.<br />

-4<br />

0 5 10 15 20 25<br />

Overall Time [s]<br />

Abb. 5: Auswertefehler: Gesamtfahrzeit<br />

berschätzen, ist möglicherweise in einer Unterschätzung<br />

<strong>de</strong>r Linienzeit begrün<strong>de</strong>t. Der<br />

maximale Fehler <strong>von</strong> -3,3 s trat beim Fahrmanöver<br />

Nr. 7 auf. Bei diesem Fahrmanöver<br />

betrug die Maximalgeschwindigkeit 16 km/h<br />

und sowohl Anfahrbeschleunigung als auch<br />

Bremsverzögerung lagen unterhalb <strong>de</strong>r Werte<br />

für die an<strong>de</strong>ren Fahrmanöver. Da <strong>de</strong>r Maximalwert<br />

die Ansprechschwelle nur um 9 km/h<br />

überstieg, war die Steigung an <strong>de</strong>n Flanken<br />

schwer abzuschätzen. Der Auswerter wur<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong>shalb möglicherweise durch die übrigen<br />

Fahrmanöver in die Irre geführt und das Run<strong>de</strong>n<br />

auf volle Sekun<strong>de</strong>n gab dann <strong>de</strong>n Rest.<br />

Wenn wir die Doppelfahrten betrachten, so<br />

fällt auf, dass die ausgewerteten Gesamtfahrzeiten<br />

<strong>de</strong>utlich länger sind als in unserem Referenzschrieb.<br />

Insbeson<strong>de</strong>re die Fahrzeiten für<br />

<strong>de</strong>n zweiten Teil <strong>de</strong>r Doppelfahrten überstiegen<br />

die <strong>von</strong> uns aufgezeichneten Werte beträchtlich.<br />

Unglücklicherweise setzte <strong>de</strong>r<br />

Auswerter <strong>de</strong>n Bezugszeitpunkt <strong>de</strong>r <strong>Auswertung</strong><br />

für je<strong>de</strong>s einzelne Fahrmanöver zurück,<br />

mit <strong>de</strong>r Folge, dass wir die Doppelfahrten in<br />

zwei ausgewertete Einzelfahrten zerfielen und<br />

<strong>de</strong>shalb nicht als Ganzes mit <strong>de</strong>m Referenzschrieb<br />

verglichen wer<strong>de</strong>n konnten. Beschleunigungen<br />

und Verzögerungen an <strong>de</strong>n<br />

sichtbaren Flanken wur<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>r gleichen<br />

Genauigkeit wie bei <strong>de</strong>n Einzelfahrten ausgewertet.<br />

<strong>Die</strong>s lässt vermuten, dass die Ge-<br />

Verlauf<br />

<strong>Die</strong> Abb. 6 – 9 vergleichen unseren Referenzschrieb<br />

mit verschie<strong>de</strong>nen <strong>Auswertung</strong>en. Da<br />

<strong>de</strong>r Zeitbezug vom Auswerter bei je<strong>de</strong>r Fahrt<br />

neu gesetzt wur<strong>de</strong>, gibt es keinen ein<strong>de</strong>utigen<br />

Weg, die ausgewerteten Verläufe und die Referenzschriebe<br />

zu überlagern. Unsere Darstellung<br />

ist so gewählt, dass sich in <strong>de</strong>r Bewertung<br />

<strong>de</strong>s Gesamtfahrverlaufs maximale<br />

Übereinstimmung ergibt.<br />

Abb. 6 zeigt <strong>de</strong>n hohen Grad an Übereinstimmung,<br />

<strong>de</strong>r sich im günstigsten Fall einstellen<br />

kann. Anfahrbeschleunigung und Abbremsung<br />

zeigen eine beeindrucken<strong>de</strong> Übereinstimmung<br />

mit unserem Referenzschrieb.<br />

Darüber hinaus bemerkte <strong>de</strong>r Auswerter <strong>de</strong>n<br />

durch <strong>de</strong>n Schaltvorgang verursachten Ein-<br />

Speed [km/h]<br />

30<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

0 5 10 15 20<br />

Time [s]<br />

Abb. 6: Beispiel für zufrie<strong>de</strong>nstellen<strong>de</strong><br />

Übereinstimmung


Speed [km/h]<br />

30<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

0 5 10 15<br />

Time [s]<br />

Abb. 7: Beispiel für mittelmäßige Übereinstimmung<br />

bruch in <strong>de</strong>r Anfahrbeschleunigung und fügte<br />

in diesem Bereich zwei Stützpunkte ein.<br />

Auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite gibt es Fahrmanöver,<br />

die wenig Übereinstimmung mit unserem Referenzschrieb<br />

zeigen, Abb. 7. Obwohl <strong>de</strong>r<br />

Auswerter die Unregelmäßigkeit in <strong>de</strong>r Anfahrbeschleunigung<br />

erkannte und einen Stützpunkt<br />

einfügte, zeigt <strong>de</strong>r ausgewertete Verlauf<br />

wenig Übereinstimmung mit <strong>de</strong>m Referenzschrieb.<br />

Selbst zufrie<strong>de</strong>nstellen<strong>de</strong> Übereinstimmung in<br />

Gesamtfahrzeit und -strecke garantiert nicht,<br />

dass die Form <strong>de</strong>r ausgewerteten Kurve <strong>de</strong>rjenigen<br />

<strong>de</strong>s Referenzschriebs ähnelt, Abb. 8.<br />

Wenn wir allerdings <strong>de</strong>n ausgewerteten Verlauf<br />

um einen geeigneten Winkel scheren, so<br />

erhalten wir wie<strong>de</strong>rum zufrie<strong>de</strong>nstellen<strong>de</strong> Ü-<br />

bereinstimmung mit unserem Referenzschrieb.<br />

<strong>Die</strong>s ist ein gutes Beispiel dafür, wie<br />

eine gescherte Leitlinie die <strong>Auswertung</strong> beeinflusst.<br />

<strong>Die</strong> durchgezogene Linie mit <strong>de</strong>n<br />

hohlen Datenpunkten zeigt das tatsächliche<br />

Auswerteergebnis. <strong>Die</strong> gestrichelte Linie mit<br />

<strong>de</strong>n vollen Datenpunkten ergibt sich, wenn<br />

die <strong>Auswertung</strong> um 4 m/s² geschert wird.<br />

Ähnlich niedrige Werte für die charakteristische<br />

Beschleunigung wur<strong>de</strong>n bei <strong>de</strong>r <strong>Auswertung</strong><br />

<strong>de</strong>r Fahrmanöver 2 und 13 festgestellt.<br />

Für alle an<strong>de</strong>ren Fahrmanöver war <strong>de</strong>r<br />

durch Scherung erzeugte zusätzliche Fehler<br />

im Bereich <strong>von</strong> etwa 1 s pro 50 km/h, was einer<br />

charakteristischen Beschleunigung <strong>von</strong><br />

15 m/s² entspricht.<br />

Wenn wir das Auswerteergebnis für die Doppelfahrten<br />

mit unserem Referenzschrieb vergleichen,<br />

zeigen sich <strong>de</strong>utliche Abweichungen.<br />

Als ein Beispiel zeigt Abb. 9 <strong>de</strong>n zweiten<br />

Teil <strong>de</strong>r Doppelfahrt 14/15. <strong>Die</strong> Abbremsung<br />

am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Fahrt konnte mit <strong>de</strong>m<br />

Flankenverfahren ausgewertet wer<strong>de</strong>n. Wie<br />

erwartet, wird zufrie<strong>de</strong>nstellen<strong>de</strong> Übereinstimmung<br />

zwischen ausgewerteten und tatsächlichem<br />

Wert erzielt. <strong>Die</strong> davor liegen<strong>de</strong>n<br />

ansteigen<strong>de</strong>n Flanke musste mit <strong>de</strong>m Auflichtverfahren<br />

ausgewertet wer<strong>de</strong>n. Der Zeitversatz,<br />

<strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>m Wechsel zwischen Auflicht-<br />

und Flankenverfahren verbun<strong>de</strong>n ist,<br />

wur<strong>de</strong> jedoch nicht korrekt ermittelt, sodass<br />

die Kuppe 2,5 s zu breit geriet. Auf <strong>de</strong>m Ruhekreis<br />

beträgt <strong>de</strong>r Fehler im Zeitbezug dann<br />

5,5 s. (Obwohl wir hier sozusagen gegen die<br />

Zeitrichtung argumentieren, erfolgte die<br />

<strong>Auswertung</strong> selbstverständlich wie gewohnt<br />

in positiver Zeitrichtung.)<br />

Schleichfahrten<br />

<strong>Die</strong> bei<strong>de</strong>n Schleichfahrten, bei <strong>de</strong>nen die Geschwindigkeit<br />

die Ansprechschwelle nicht ü-<br />

berstieg, wur<strong>de</strong>n nicht festgestellt, obwohl die<br />

zurückgelegte Fahrstrecke in einem Fall mehr<br />

als 30 m betrug und <strong>de</strong>r Auswerter über die<br />

Testsituation informiert war. <strong>Die</strong> Ursache ist<br />

Speed [km/h]<br />

30<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

0 5 10 15<br />

Time [s]<br />

Abb. 8: Einfluss <strong>de</strong>r Scherung


Speed [km/h]<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

0 5 10 15<br />

Time [s]<br />

Abb. 9: Unzureichen<strong>de</strong> Übereinstimmung bei<br />

<strong>de</strong>r Auflichtmetho<strong>de</strong><br />

wahrscheinlich in zu kurzer Stillstandszeit vor<br />

und hinter <strong>de</strong>r Schleichfahrt zu suchen.<br />

Schlussfolgerungen<br />

Theoretische Überlegungen zeigen ebenso<br />

wie die experimentellen Ergebnisse, dass das<br />

Hauptproblem <strong>de</strong>r <strong>Diagrammscheiben</strong>auswertung<br />

in <strong>de</strong>r Zeitkoordinate liegt. Im Gegensatz<br />

dazu sind die Fehler bezüglich <strong>de</strong>r<br />

Geschwindigkeitskoordinaten <strong>de</strong>utlich niedriger<br />

als die EU-Regelung suggeriert. Der Geschwindigkeitsfehler<br />

elektronischer Fahrtschreiber<br />

ist eher proportional zur Fahrgeschwindigkeit.<br />

Ein falscher Durchmesser <strong>de</strong>s<br />

Ruhekreises hingegen kann bei <strong>de</strong>r exakten<br />

<strong>Auswertung</strong> problemlos berücksichtigt und<br />

kompensiert wer<strong>de</strong>n. <strong>Die</strong> in <strong>de</strong>r EU-Regelung<br />

festgelegten absoluten Fehlergrenzen sind also<br />

eher irreführend.<br />

Wur<strong>de</strong>n die Fahrten nach <strong>de</strong>m Flankenverfahren<br />

ausgewertet, so stimmten <strong>Auswertung</strong> und<br />

Referenzschrieb teilweise sehr gut überein.<br />

Im Gegensatz dazu erzielte das Auflichtverfahren<br />

in <strong>de</strong>r Regel nur unbefriedigen<strong>de</strong> Ergebnisse.<br />

<strong>Die</strong> Ursache für diesen Befund ist<br />

nicht <strong>de</strong>finitiv klar. Entwe<strong>de</strong>r ist die Mitte <strong>de</strong>s<br />

Mul<strong>de</strong> nicht mit <strong>de</strong>r erfor<strong>de</strong>rlichen Genauigkeit<br />

<strong>de</strong>finiert o<strong>de</strong>r die Aufzeichnungsna<strong>de</strong>l<br />

wird in Richtung <strong>de</strong>r bereits bestehen<strong>de</strong>n<br />

Mul<strong>de</strong> (<strong>von</strong> <strong>de</strong>r fallen<strong>de</strong>n Flanke) abgelenkt.<br />

Ist die Stillstandszeit nicht größer als die Linienzeit,<br />

sollten Anfahrmanöver nicht für Rekonstruktionszwecke<br />

ausgewertet wer<strong>de</strong>n.<br />

Es ist erstaunlich, welche Übereinstimmung<br />

zwischen <strong>de</strong>r Wahl <strong>de</strong>r Stützstellen und Unregelmäßigkeiten<br />

im Aufschrieb besteht. Der<br />

Gangwechsel wur<strong>de</strong> stets mit einer zusätzlichen<br />

Stützstrecke berücksichtigt.<br />

<strong>Die</strong> Scherung <strong>de</strong>r Leitlinie führt zu weiteren<br />

Fehlern im Auswerteprozess. Bei <strong>de</strong>r Justierung<br />

<strong>de</strong>r Haarlinie macht <strong>de</strong>r Auswerter implizit<br />

Annahmen über «vernünftige» Anfahrbeschleunigungen<br />

und Bremsverzögerungen.<br />

Fehlerhafte Annahmen können zu <strong>de</strong>utlicher<br />

Scherung führen. <strong>Die</strong> Scherung <strong>de</strong>r Leitlinie<br />

hat allerdings keinen Einfluss auf die Gesamtfahrstrecke<br />

zwischen Start und Stopp.<br />

Ungenügen<strong>de</strong> Fahrzeit vor <strong>de</strong>m eigentlichen<br />

Auswerteintervall, Öffnen <strong>de</strong>s Fahrtschreibers<br />

o<strong>de</strong>r lange Fahrten ohne Stopp behin<strong>de</strong>rn das<br />

korrekte Einstellen <strong>de</strong>r Leitlinie.<br />

Schleichfahrten können nur dann ent<strong>de</strong>ckt<br />

wer<strong>de</strong>n, wenn sie <strong>von</strong> längeren Stillstän<strong>de</strong>n<br />

eingerahmt wer<strong>de</strong>n. Wenn man eine Schleichfahrt<br />

vermutet, sollte man sich also <strong>de</strong>n Wegschrieb<br />

genau anschauen, bevor man die<br />

Scheibe zur <strong>Auswertung</strong> wegschickt.<br />

Literatur<br />

[1] Lehmann, H.:<br />

<strong>Die</strong> mikroskopische <strong>Diagrammscheiben</strong>auswertung<br />

für die Unfallrekonstruktion. Verkehrsunfall und<br />

Fahrzeugtechnik 30 (1992), pp. 2 – 4.<br />

[2] Hugemann, W.; Lehmann, H.:<br />

<strong>Die</strong> <strong>zeitpräzise</strong> <strong>Auswertung</strong> <strong>von</strong> <strong>Diagrammscheiben</strong><br />

– Analyse/ Toleranzen/ Versuche. Verkehrsunfall<br />

und Fahrzeugtechnik 32 (1994), pp. 241–248<br />

[3] Hansen, R.; <strong>Die</strong><strong>de</strong>richsen O.:<br />

Reaktionspunktbestimmung auf Grundlage <strong>de</strong>r mikroskopischen<br />

<strong>Diagrammscheiben</strong>auswertung.<br />

Verkehrsunfall und Fahrzeugtechnik 35 (1997), pp.<br />

43 – 65.<br />

[4] EWG 3821/85<br />

[5] Galle, R.:<br />

Ein Beitrag zur Genauauswertung <strong>von</strong> Fahrtschreiberdiagrammen,<br />

ATZ Automobiltechnische Zeitschrift<br />

75 (1973), pp. 46 – 49.


<strong>Die</strong>ser Artikel ist die Übersetzung <strong>de</strong>s englischsprachigen<br />

Tagungsbeitrags zur ITAI<br />

Konferenz 19.11. – 21.11.1999 in Telford,<br />

GB. <strong>Die</strong>se Konferenz fin<strong>de</strong>t alle zwei Jahre in<br />

England statt. Das Layout orientiert sich an<br />

<strong>de</strong>m <strong>de</strong>s Originalbeitrags.<br />

ITAI =<br />

Institute of Traffic Acci<strong>de</strong>nt Investigators<br />

(www.itai.org)

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