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Beratung als elementarer Bestandteil der Pflegeausbildung ...

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<strong>Beratung</strong> <strong>als</strong> <strong>elementarer</strong> <strong>Bestandteil</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Pflegeausbildung</strong> –<br />

curriculare und didaktische Impulse<br />

Einsteigen in das Thema möchte ich über eine berufspolitische<br />

Stellungnahme.<br />

Für mich persönlich lag im Ausbildungsziel „<strong>Beratung</strong> und<br />

Anleitung zu gesundheitsför<strong>der</strong>ndem Verhalten“ auch im<br />

vorherigen Krankenpflegegesetz schon eine beson<strong>der</strong>e<br />

Bedeutung. Wem <strong>Beratung</strong> <strong>als</strong> Aufgabe zugewiesen wird,<br />

dem wird im gleichen Atemzug auch inhaltliche Kompetenz<br />

zugeschrieben. Eine grundsätzliche Einschränkung bestand<br />

jedoch darin, den damaligen professionell Pflegenden<br />

grundsätzlich nur eine verantwortliche Mitwirkung am<br />

Behandlungsprozess zuzugestehen. Vielleicht lag darin<br />

auch einer <strong>der</strong> Gründe, warum <strong>Beratung</strong> in <strong>der</strong> täglichen<br />

Pflege so wenig Umsetzung erfuhr.<br />

Mit <strong>der</strong> Aufnahme <strong>der</strong> <strong>Beratung</strong> in den Kanon <strong>der</strong> eigenverantwortlichen<br />

Tätigkeiten wird nach meiner Auffassung<br />

deutlich markiert, dass Pflegende nicht nur etwas mitzuteilen<br />

haben, son<strong>der</strong>n dass sie auch eindeutig autorisiert<br />

sind, dieses zu tun im Gegensatz zu vorher. In sofern sehe<br />

ich in dieser Neuerung des Krankenpflegegesetzes auch<br />

eine hohe emanzipatorische Bedeutung für die Weiterentwicklung<br />

des Pflegeberufs.<br />

Frau Prof. Dr. Koch-Straube begründet in ihren Publikationen<br />

für mich und auch für meine Kolleginnen und Kollegen<br />

in Kiel sehr nachvollziehbar, aus welchen Gründen <strong>Beratung</strong><br />

zu einem holistisch ausgerichteten Pflegeauftrag gehört.<br />

Über körpernahe Arbeiten, die Nähe zum aktuellen<br />

Alltag, <strong>der</strong> für den jeweilig betroffenen Menschen eine<br />

Ausnahmesituation darstellt, entsteht ein „dichter Kontakt“<br />

zum psychosozialen Erleben des Pflegebedürftigen, <strong>der</strong><br />

Gabriele Becker-Jensen M.A.<br />

Bildungszentrum für Gesundheitsfachberufe<br />

am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel<br />

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diese Arbeitsbeziehung <strong>als</strong> eine beson<strong>der</strong>e kennzeichnet.<br />

Wir können daher gedanklich gut mitgehen, wenn Sie von<br />

einem offenen <strong>Beratung</strong>sangebot sprechen, das dem zu<br />

Pflegenden im gleichberechtigten Dialog gemacht wird.<br />

Auch was die Möglichkeit auf praktische Umsetzung anbelangt,<br />

die in Anbetracht <strong>der</strong> zum Teil sehr knappen personellen<br />

Ausstattung <strong>der</strong> pflegerischen Abteilungen zum Teil<br />

kritisch gesehen wird, verfolgen wir in <strong>der</strong> Performanz unserer<br />

Ausbildungsgrundsätze einen ähnlichen Ansatz: Den<br />

<strong>der</strong> nachhaltigen Annäherung.<br />

Das gilt insbeson<strong>der</strong>e für unsere Bildungsziele, anhand<br />

<strong>der</strong>er ich unsere spezifische Betrachtung des Themas <strong>Beratung</strong><br />

herleiten möchte.<br />

Gabriele Becker-Jensen M.A.<br />

Bildungszentrum für Gesundheitsfachberufe<br />

am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel<br />

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Herleitung des Themas aus den Bildungszielen <strong>der</strong> integrierten<br />

<strong>Pflegeausbildung</strong> am Campus Kiel:<br />

Am Bildungszentrum für Gesundheitsfachberufe am Campus<br />

Kiel haben wir zusammen mit Frau Kerstin Schönlau<br />

und Frau Prof. Margot Sieger von September 2001 bis Anfang<br />

2004 ein eigenes Curriculum für die integrierte <strong>Pflegeausbildung</strong><br />

entwickelt, das innerhalb dieses Jahres noch<br />

eine grundständige Revision erfahren hat. Wir haben ein<br />

modularisiertes Ausbildungssystem entworfen, dem acht<br />

Bildungsziele <strong>als</strong> definierte Werteorientierung vorangestellt<br />

sind.<br />

Hieraus ergeben sich die Basiskategorien unserer <strong>Pflegeausbildung</strong><br />

wie die Professionelle Beziehungsgestaltung,<br />

das Lernen in Eigenverantwortung, die Innere<br />

Stabilität <strong>als</strong> Voraussetzung von Pflege und die prozessgesteuerte<br />

Problemlösung in <strong>der</strong> Pflege. Innerhalb dieser<br />

Normen werden die Bedingungen <strong>der</strong> Möglichkeit von<br />

<strong>Beratung</strong> in <strong>der</strong> Pflege kenntlich gemacht. Es werden <strong>als</strong>o<br />

a priori die för<strong>der</strong>lichen und notwendigen beruflichen Haltungen<br />

angesprochen, die auch den <strong>Beratung</strong>sbegriff für<br />

uns inhaltlich determinieren.<br />

Ich habe die Bildungsziele gezielt analysiert hinsichtlich<br />

<strong>der</strong> Bezugspunkte zum Thema <strong>Beratung</strong>, das hier jedoch<br />

nicht explizit verankert ist. Ich verrate Ihnen, dass ich persönlich<br />

während <strong>der</strong> Phase <strong>der</strong> curricularen Konstruktion<br />

dafür gestritten habe, <strong>Beratung</strong> hier mit aufzunehmen.<br />

Vielleicht kennen Sie das, wenn einem ein Thema wichtig<br />

ist, dann möchte man es an je<strong>der</strong> möglichen Stelle betonen.<br />

Es gab jedoch Gründe, davon abzusehen, die mir erst<br />

jetzt, wo ich diesen Vortrag schrieb, wirklich einsichtig<br />

wurden.<br />

Gabriele Becker-Jensen M.A.<br />

Bildungszentrum für Gesundheitsfachberufe<br />

am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel<br />

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Sie im Verein für <strong>Beratung</strong> in <strong>der</strong> Pflege sprechen von dem<br />

Ziel, <strong>Beratung</strong> im Berufsfeld <strong>der</strong> Pflegenden zu verankern<br />

und genau da ist dieses Thema auch didaktisch richtig<br />

verortet, <strong>als</strong>o im Bereich <strong>der</strong> beruflichen Qualifikationen.<br />

Das Abstraktionsniveau <strong>der</strong> Bildungsziele wäre zur Benennung<br />

praxisbezogener Aufgabenfel<strong>der</strong> zu hoch und so<br />

habe auch ich im Nachhinein ein Einsehen. Das bedeutet<br />

nicht, dass <strong>Beratung</strong> in unseren Bildungszielen ein Schattendasein<br />

fristet. Es finden sich zahlreiche Bezugspunkte<br />

und diese möchte ich Ihnen jetzt im Einzelnen vorstellen.<br />

Die Präambel unserer Bildungsziele beinhaltet zwei zentrale<br />

Grundlagen:<br />

Beson<strong>der</strong>s zu betonen wäre die Autonomie des Subjekts,<br />

was für unter an<strong>der</strong>em bedeutet, Situationen unter<br />

Berücksichtigung des Aushandelns zu gestalten. <strong>Beratung</strong><br />

ist damit <strong>als</strong> Angebot zu sehen, über dessen Umsetzung<br />

<strong>der</strong> Patient allein entscheidet. Wir folgen damit <strong>als</strong>o dem<br />

Ansatz des „Vereins <strong>Beratung</strong> in <strong>der</strong> Pflege“, die Respektierung<br />

<strong>der</strong> Selbstbestimmung <strong>als</strong> Grundlage für den <strong>Beratung</strong>sprozess<br />

zu betrachten.<br />

Zusätzlich for<strong>der</strong>t die Präambel unserer Bildungsziele das<br />

in Kontakt sein mit den realen Gegebenheiten, was in<br />

diesem Zusammenhang bedeutet, dass Themen angesprochen<br />

werden, <strong>der</strong>en Relevanz dem Patienten bereits<br />

zugänglich ist bzw. verstehbar gemacht wurde. Weiterhin<br />

entscheidet über den <strong>Beratung</strong>serfolg, ob die herausgearbeiteten<br />

Ziele vom Ratsuchenden <strong>als</strong> anstrebenswert und<br />

umsetzbar erlebt werden.<br />

Beispiel: Eine medizinisch gut informierte Raucherin, die<br />

ihren Zigarettenkonsum <strong>als</strong> unproblematisch empfindet<br />

und o<strong>der</strong> aber bereit ist, alle Folgen dieses Verhaltens in<br />

Kauf zu nehmen, wird sicherlich eher beratungsresistent<br />

sein bzw. selbst den Zeitpunkt des Aufhörens bestimmen<br />

wollen.<br />

Gabriele Becker-Jensen M.A.<br />

Bildungszentrum für Gesundheitsfachberufe<br />

am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel<br />

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Die Einschätzung des richtigen <strong>Beratung</strong>szeitpunkts ist <strong>als</strong>o<br />

zu leisten, an dem sich <strong>der</strong> Patient auf eine neue Erfahrung<br />

einlassen kann. Das kann ein ganz sensibles Thema<br />

sein, beson<strong>der</strong>s wenn es beispielsweise um die Bereitschaft<br />

geht, die Folgen einer Krankheit in das weitere Leben<br />

zu integrieren.<br />

In wiefern nun die Bildungsziele im einzelnen das Thema<br />

<strong>Beratung</strong> auf <strong>der</strong> Objektebene aspektieren, möchte ich im<br />

folgenden aufzeigen und so das Bild von <strong>Beratung</strong> modellieren,<br />

wie es innerhalb <strong>der</strong> integrierten <strong>Pflegeausbildung</strong><br />

am Campus Kiel entworfen und auf den Weg gebracht<br />

wurde. Hierzu machen wir nun einen „Ausritt“ durch die<br />

Auswahl an Bildungszielen, in denen <strong>Beratung</strong>sapekte<br />

enthalten sind.<br />

Bildungsziel B: Ich und das Gegenüber<br />

Betrachtet man dieses Ziel durch die „<strong>Beratung</strong>sbrille“,<br />

sieht man hier einen Hinweis auf die oben beschriebene<br />

situative Günstigkeit des <strong>Beratung</strong>szeitpunktes. Weiterhin<br />

kann durch die Betonung <strong>der</strong> Fähigkeiten des Gegenübers<br />

eine Ressourcenorientierung im Sinne einer<br />

ganzheitlichen Gesundheitsberatung umgesetzt werden,<br />

die Selbstheilungskräfte ermittelt und för<strong>der</strong>t.<br />

Eine anzubahnende angemessene Entscheidung bedingt<br />

die Notwendigkeit einer verantwortungsbewussten, organisierten<br />

Reflexion, die eventuell im Rahmen einer <strong>Beratung</strong><br />

getroffen werden kann.<br />

Der Hinweis auf die Umsetzung pflegerischen Handlungsfel<strong>der</strong><br />

bringt die Anerkennung von <strong>Beratung</strong> <strong>als</strong><br />

originären Auftrag mit sich.<br />

Bildungsziel B: Ich und das Gegenüber (Kin<strong>der</strong>)<br />

Die Mittel zur Verwirklichung von Entwicklungsför<strong>der</strong>ung<br />

bei Kin<strong>der</strong>n können sehr vielfältig sein und müssen nicht<br />

Gabriele Becker-Jensen M.A.<br />

Bildungszentrum für Gesundheitsfachberufe<br />

am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel<br />

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aktive Intervention, son<strong>der</strong>n können genauso gut „sein<br />

lassen“ bedeuten im Sinne Maria Montessoris. Einer gezielten<br />

För<strong>der</strong>ung könnte möglicherweise eine <strong>Beratung</strong><br />

für die Eltern des Kindes o<strong>der</strong> für das Kind selbst vorausgehen,<br />

um genau jene Ziele, die verfolgt werden sollen,<br />

diskursiv abzustimmen.<br />

Bildungsziel D: Ich und die Profession<br />

Sofern es im <strong>Beratung</strong>sprozess auch um Wissensvermittlung<br />

geht, sollten die weitergegebenen Erkenntnisse aktuell<br />

sein. Ideal wäre es außerdem, wenn die o<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Ratsuchende auf eine Motivation <strong>der</strong> Pflegeperson treffen<br />

würde, aus <strong>der</strong> sich eine positive <strong>Beratung</strong>ssituation<br />

gestalten ließe. Diese wäre dadurch gekennzeichnet, dass<br />

das tatsächliche <strong>Beratung</strong>sanliegen des Gegenübers systematisch<br />

fokussiert und bearbeitet wird, was impliziert,<br />

Themen auch sinnvoll zu begrenzen und das Gegenüber<br />

nicht zu überfor<strong>der</strong>n.<br />

Fazit: <strong>Beratung</strong> soll kein Forum <strong>der</strong> Selbstdarstellung sein,<br />

die Regie liegt in <strong>der</strong> Bedürfnislage des Ratsuchenden.<br />

Bildungsziel E: Ich und die Institution<br />

Hier wurde verankert, die berufliche Verantwortung für<br />

<strong>Beratung</strong> wahrzunehmen im Sinne von „sensibel sein für<br />

Bedarfe“ und sich entsprechend einzubringen. In diesem<br />

Ziel wird außerdem durch die Kennzeichnung gemeinsamen<br />

Ziels <strong>der</strong> Anspruch <strong>der</strong> Subjektorientierung manifestiert.<br />

Bildungsziel G: Ich und die Außenwelt<br />

Gabriele Becker-Jensen M.A.<br />

Bildungszentrum für Gesundheitsfachberufe<br />

am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel<br />

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Dieses Bildungsziel gibt gleichzeitig einen Hinweis auf die<br />

modulare Verankerung von <strong>Beratung</strong>: Das Thema wird<br />

bearbeitet innerhalb des Moduls Professionelle Beziehungen.<br />

<strong>Beratung</strong> kann <strong>als</strong> organisiertes Element von<br />

Beziehungsgestaltung gesehen werden. Darauf komme<br />

ich später in meinem Vortrag zurück.<br />

Wenn hier von verantwortungsvollem Ressourcenumgang<br />

gesprochen wird, dann sind primär materielle Ressourcen<br />

gemeint. Richtet man jedoch das Augenmerk auf die personalen<br />

Ressourcen des Patienten, dann geht es darum,<br />

in <strong>der</strong> <strong>Beratung</strong>ssituation Fähigkeiten einzubinden, jedoch<br />

nicht zu überfor<strong>der</strong>n.<br />

Zunächst einmal möchte ich kurz skizzieren in welcher<br />

Weise wir uns dem <strong>Beratung</strong>sbegriff definitorisch annähern,<br />

in welcher Weise die genannten Aspekte <strong>der</strong> Bildungsziele<br />

hier wirksam werden.<br />

Interpretation des <strong>Beratung</strong>sbegriffs:<br />

<strong>Beratung</strong> ist in den seltensten Fällen gleichzusetzen mit<br />

„Rat geben“, son<strong>der</strong>n verfolgt nach unserer Auffassung die<br />

Intention, das Gegenüber zu befähigen, selbst für sich eine<br />

Lösung zu finden. Im Bewusstsein und in Kenntnis unterschiedlicher<br />

Paradigmen verstehen wir diesen Prozess<br />

somit primär <strong>als</strong> einen Lernweg für den einzelnen. Das Ziel<br />

wäre eine weiterentwickelte Problemlösekompetenz. Innerhalb<br />

einer allgemeinen definitorischen Bestimmung<br />

würden wir <strong>Beratung</strong> sehen <strong>als</strong><br />

zwischenmenschlicher Prozess, in welchem eine Person<br />

in und durch die Interaktion mit jemand an<strong>der</strong>em<br />

(<strong>der</strong> Beraterin/ dem Berater) mehr Klarheit gewinnt ü-<br />

ber eigene Probleme und <strong>der</strong>en Bewältigungsmöglichkeiten.<br />

(Wolfgang Rechtien)<br />

Gabriele Becker-Jensen M.A.<br />

Bildungszentrum für Gesundheitsfachberufe<br />

am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel<br />

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<strong>Beratung</strong> setzt ein vertrauensvolles Verhältnis voraus.<br />

Grundsätzlich kann man Vertrauen im menschlichen Miteinan<strong>der</strong><br />

<strong>als</strong> ein Verzichten auf Sicherheiten verstehen.<br />

Dadurch soll die Komplexität des menschlichen Miteinan<strong>der</strong>s<br />

auf ein gewisses, vielleicht erträgliches Maß reduziert<br />

werden, wenn man den Einsichten Niklas Luhmanns folgen<br />

will.<br />

In den helfenden Berufen wird dieses Vertrauen natürlich<br />

gesetzlich untermauert durch die Regelungen <strong>der</strong> Schweigepflicht<br />

im Strafgesetzbuch. Damit erfährt <strong>der</strong> ethische<br />

Wert des Vertrauens eine Absicherung, die dann doch<br />

wie<strong>der</strong> einer gewissen Komplexität nicht entbehrt. Dieser<br />

Sachverhalt wird unseren Lernenden gleich zu Beginn <strong>der</strong><br />

Ausbildung im Kontext <strong>der</strong> professionellen Kontaktaufnahme<br />

vermittelt. Er wird dadurch begründet, dass sich in<br />

<strong>der</strong> helfenden Beziehung fremde Menschen begegnen unter<br />

Bedingungen, in denen Macht zunächst einmal ungleich<br />

verteilt ist. Wir versuchen zum einen, diesen Unterschied<br />

über die klare Orientierung am Subjekt abzufe<strong>der</strong>n,<br />

betrachten aber die gesetzliche Schweigepflicht zusätzlich<br />

<strong>als</strong> „organisierten Vertrauensvorschuss“, <strong>der</strong> sich er auf<br />

<strong>der</strong> Beziehungsebene positiv auswirkt und damit auch eine<br />

Grundlage für <strong>Beratung</strong> bildet.<br />

Modulare Einbindung<br />

Auf <strong>der</strong> Planungsebene möchte ich jetzt konkretisieren, innerhalb<br />

welcher modularer Organisationsstrukturen das<br />

Thema <strong>Beratung</strong> verortet ist. Ein Blick in die zweite Abstraktionsebene<br />

des Moduls „Professionelle Beziehungen<br />

wird Ihnen verdeutlichen, in welchem Kontext es steht und<br />

zu welchen Zeitpunkten <strong>der</strong> Ausbildung daran gearbeitet<br />

wird. Unser Lehrplan ist spiralig aufgebaut. Ich erläutere<br />

daher kurz, was wir darunter verstehen, welchen Prinzipien<br />

wir hier folgen, wie sich diese auf das Thema Bera-<br />

Gabriele Becker-Jensen M.A.<br />

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am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel<br />

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tung auswirken. Auch die Grobziele <strong>der</strong> betreffenden Unterrichtseinheiten<br />

möchte ich transparent machen.<br />

Modul 1: Abstraktionsebenen<br />

Eine inhaltliche Einführung in das Thema erfolgt am Anfang<br />

des vierten Semesters. Wir bewegen uns dann auf<br />

<strong>der</strong> zweiten Abstraktions- und Vertiefungsebene des Moduls<br />

„Professionelle Beziehungen“. Diesen Themenbereich<br />

haben wir „Beziehungen gestalten“ genannt.<br />

Spiraliger Aufbau<br />

Damit erhalten Sie schon einen Eindruck vom Spiralprinzip,<br />

das ja keine neue Erfindung ist (rostige Spirale), son<strong>der</strong>n<br />

den meisten von Ihnen geläufig sein wird. Ähnliche<br />

Inhalte werden in zunehmen<strong>der</strong> Vertiefung und Abstraktion<br />

<strong>als</strong> Voraussetzung eines neuen Lerngegenstands wie<strong>der</strong><br />

aufgegriffen.<br />

Konstruktionsgrundsätze des spiraligen Curriculums<br />

Vier Prinzipien:<br />

• Aufsetzen im Anwendungskontext <strong>der</strong> Lernenden<br />

• Gesund beginnen, För<strong>der</strong>ung innerer Stabilität<br />

• Regeln zuerst/ Benner<br />

• Von jungen zum älteren Menschen<br />

Methodische Impulse und Transfer<br />

Exemplarisch: Methoden <strong>der</strong> ersten Unterrichtseinheit<br />

Ich war nicht selbst mit dabei, habe mir aber den Unterrichtsverlauf<br />

von meiner Kollegin beschreiben lassen. Die<br />

Unterrichtseinheit beginnt mit einer Diskussion, über die<br />

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am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel<br />

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wir eine hohe Aufmerksamkeit bei den Lernenden erreichen<br />

konnten. Innerhalb eines normativen Legitimationsansatzes<br />

des <strong>Beratung</strong>sthemas über das Krankenpflegegesetz<br />

2004 beschäftigen sich die Teilnehmerinnen und<br />

Teilnehmer mit folgenden Fragen:<br />

- Was beinhaltet es, den <strong>Beratung</strong>sauftrag verantwortungsbewusst<br />

wahrzunehmen?<br />

- Welche neuen beruflichen Handlungsfel<strong>der</strong> eröffnen<br />

sich?<br />

- Welche berufspolitischen Auswirkungen lassen sich<br />

insgesamt ableiten?<br />

Anschließend erfolgt ein Lehrervortrag zur Abgrenzung<br />

<strong>der</strong> Begriffe <strong>Beratung</strong> und Therapie, es werden verschiedene<br />

<strong>Beratung</strong>skonzepte und –ansätze vorgestellt. Weiterhin<br />

werden die Intentionen von <strong>Beratung</strong>, Anleitung und<br />

Schulung miteinan<strong>der</strong> abgeglichen.<br />

In einer nächsten Unterrichtsphase werden Gesprächsführungskonzepte<br />

aktualisiert, die auf <strong>der</strong> ersten Abstraktionsebene<br />

des Moduls „Professionelle Beziehungen“ <strong>als</strong>o<br />

ganz zu Beginn <strong>der</strong> Ausbildung, vermittelt und geübt worden<br />

waren. Dazu gehören die Regeln <strong>der</strong> Themenzentrierten<br />

Interaktion von Ruth Cohn, das Modell des vierohrigen<br />

Empfängers von Friedemann Schultz von Thun.<br />

Beson<strong>der</strong>en Wert legen wir auch auf eine nicht-direktive<br />

Gesprächshaltung im Sinne <strong>der</strong> klientenzentrierten Gesprächsführung<br />

nach Carl Rogers. Zum Beispiel das Instrumentarium<br />

des Aktiven Zuhörens wird gezielt eingesetzt<br />

innerhalb des <strong>Beratung</strong>skonstrukts.<br />

Die Auffrischung dieser Gesprächsführungskonzepte erfolgt<br />

spielerisch anhand kleiner Übungseinheiten, die wir<br />

uns zum Teil bei <strong>der</strong> letzten Präsentation unserer Erst-<br />

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kursschüler abgeschaut haben. Am Ende des ersten Halbjahres<br />

präsentieren die Lernenden vor den Kollegen <strong>der</strong><br />

Praxis auf oft sehr kreative Weise ihren Wissenszuwachs.<br />

Bei dieser Gelegenheit sahen wir z.B. eine Umsetzungsvariante<br />

des vierohrigen Empfängers, die uns gut gefiel …<br />

Die abschließende Reflexion erfolgte anhand des Alltagsthemas<br />

„Rauchen“. Ermittelt werden sollte die Bereitschaft<br />

bei den Rauchern unter den Lernenden, sich beraten zu<br />

lassen. Es sollte damit exemplifiziert werden, dass die<br />

grundsätzliche Haltung zu einem Problem o<strong>der</strong> besser die<br />

Frage, ob überhaupt ein Problembewusstsein vorhanden<br />

ist, über den <strong>Beratung</strong>serfolg entscheidet.<br />

In <strong>der</strong> nächsten beiden Stunde wurden dann unterschiedliche<br />

„Fälle“ angeboten, zu denen in kleinen Lerngruppen in<br />

verteilten Rollen beraten wurde und die Zuhörer regelgeleitet<br />

ein Feedback gaben.<br />

Grundsätzliche methodische Überlegungen<br />

1. Transfer von <strong>Beratung</strong>sprozessen innerhalb des Moduls<br />

„<strong>Beratung</strong> anwenden“<br />

Praktische Übungsphasen innerhalb eines ausgewählten<br />

Anwendungsbereiches stellen den Transfer sicher. Wir<br />

haben hierfür den Modulbereich <strong>der</strong> Stoffwechselprozesse<br />

ausgewählt, in dem <strong>der</strong> <strong>Beratung</strong>sbedarf real besteht und<br />

<strong>Beratung</strong> bereits so etabliert ist, dass es hier sogar ausgebildete<br />

Berater gibt. Themen wie gesunde Ernährung,<br />

Obstipationsgefährdung o<strong>der</strong> Kontinenztraining sind <strong>Beratung</strong>sanlässe<br />

und damit Handlungfel<strong>der</strong>, die sich anbieten,<br />

didaktisch zum Lernfeld aufbereitet zu werden. Das sind<br />

Aufgaben, mit denen wir bereits begonnen haben zu einigen<br />

Themenstellungen, die aber noch weiter entwickelt<br />

Gabriele Becker-Jensen M.A.<br />

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werden müssen in Zusammenarbeit mit unseren Praxisanleiterinnen<br />

und Mentoren.<br />

2. Parallele berufliche Entwicklung Pflegen<strong>der</strong> und Lehren<strong>der</strong><br />

zur Umsetzung des <strong>Beratung</strong>sauftrags<br />

Interessanterweise erfährt in diesem Punkt nicht nur das<br />

Aufgabenprofil und die Verantwortung Pflegen<strong>der</strong> eine<br />

deutliche Akzentuierung; parallel hierzu entwickelt sich<br />

auch die berufliche Rolle <strong>der</strong> Unterrichtenden von <strong>der</strong> lehrerzentrierten<br />

Instruktion zur schülerzentrierten Konstruktion<br />

von Lerneinheiten, was insbeson<strong>der</strong>e über das selbstorganisierte<br />

Lernen umgesetzt wird.<br />

Lehrerinnen und Lehrer werden damit selbst zu Beratern,<br />

die eine dementsprechende berufliche Haltung vorleben<br />

und dadurch im Idealfall ein Lernen am Modell ermöglichen.<br />

Das allein reicht natürlich nicht aus, um <strong>Beratung</strong> <strong>als</strong><br />

Thema hinreichend zu vermitteln. Allerdings liegt darin die<br />

Chance, dass <strong>der</strong> Aufbau, die Notwendigkeit und die Wirkung<br />

nicht-direktiver Prozesse, die das Entdecken eigener<br />

Lösungen initiieren, von den Lernenden selbst erlebt und<br />

verinnerlicht werden können.<br />

Gabriele Becker-Jensen M.A.<br />

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