Die Seelen der Völker - Rudolf Steiner Online Archiv
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DIE SEELEN DER VÖLKER<br />
Berlin, 27. November 1914<br />
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Menschen durchdringen, Menschen sich zu Werkzeugen ausersehen,<br />
um etwas Charakteristisches hervorzubringen, so können<br />
wir daran das Wesen des Volksseelentums beson<strong>der</strong>s studieren.<br />
Gleichsam wie Bestätigungen erscheint uns, wenn wir den Fortgang<br />
des Volksseelentums verfolgen, dasjenige, worin sich als in<br />
charakteristischen Symptomen die Kräfte <strong>der</strong> Volksseelen äußern.<br />
Und man kann gewiss das Charakteristische <strong>der</strong> Volksseelen<br />
dann studieren, wenn man die einzelnen Volksseelen auf<br />
ihrer Höhe betrachtet.<br />
Nun besteht wohl kaum ein Zweifel, dass uns für die britische<br />
Volksseele als eine charakteristische Äußerung, als eine ihrer<br />
größten Erscheinungen das eigenartige Werk Shakespeares, <strong>der</strong><br />
«Hamlet», vorliegt; und dass uns für die deutsche Volksseele als<br />
das Ergebnis <strong>der</strong> intimsten Zwiesprache eines Deutschen mit<br />
dem deutschen Volksgeist Goethes «Faust» vorliegt. Welch ein<br />
charakteristischer Unterschied zwischen Shakespeares «Hamlet»<br />
und Goethes «Faust»! Gewiss, über die Größe von Shakespeare<br />
und Shakespeares Hamlet brauche ich nicht zu reden; die wird<br />
von vornherein zugegeben, und keiner würde wohl Shakespeares<br />
Hamlet höher stellen als ich selbst. Aber über das Hervorgehen<br />
des Hamlet aus dem britischen Volksgeiste möchte ich das<br />
folgende sagen.<br />
Wie tritt uns <strong>der</strong> Hamlet entgegen?<br />
Wir haben gesagt, es sei die Mission des britischen Volksgeistes,<br />
die Bewusstseinsseele, die gebunden ist an die äußere Leiblichkeit,<br />
in die äußere geschichtliche Entwickelung einzuführen. In<br />
<strong>der</strong> letzten Zeit sind von mir erschienen «<strong>Die</strong> Rätsel <strong>der</strong> Philosophie»<br />
als zweite Auflage meiner «Welt- und Lebensanschauungen<br />
im neunzehnten Jahrhun<strong>der</strong>t». Vor vierzehn, fünfzehn<br />
Jahren sind diese letzteren schon erschienen; jetzt sind sie wesentlich<br />
erweitert über die ganze abendländische Philosophie<br />
hin. Damals, beim ersten Erscheinen, versuchte ich, als ich die<br />
englische Philosophie darstellte, einen charakteristischen Ausdruck<br />
zu finden, ein Wort, welches die englische Philosophie<br />
ganz beson<strong>der</strong>s charakterisiert; und es ergab sich mir damals als<br />
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