Quellenexegese zu Iul. D. 41.1.36 und Ulp. D. 12.1.18 pr

Quellenexegese
zu
Iul. D. 41.1.36
unter Einbeziehung von
Ulp. D. 12.1.18 pr.

- II -
Gliederung:
I. Quellentexte ................................................................................................................... 1
1. D. 41.1.36 .................................................................................................................. 1
2. D. 12.1.18 pr. ............................................................................................................. 1
II. Übersetzung .................................................................................................................. 1
1. D. 41.1.36 .................................................................................................................. 1
2. D. 12.1.18 pr. ............................................................................................................. 2
III. Bemerkungen zu den Inskriptionen ............................................................................. 2
1. Die Autoren der Quellentexte ................................................................................... 2
a) Salvius Iulianus ..................................................................................................... 2
b) Domitius Ulpianus ................................................................................................ 3
2. Die Ursprungswerke der Digestenstellen .................................................................. 4
IV. Paraphrase ................................................................................................................... 6
V. Interpretation ................................................................................................................ 7
1. traditio, iusta causa traditionis und consensus .......................................................... 8
2. Julians Arbeitshypothese und ihre Begründung ....................................................... 11
a) Der Grundstücksfall ............................................................................................. 12
b) Der Bargeldfall ..................................................................................................... 14
aa) Scheindissens ................................................................................................. 15
bb) Unbeachtlicher Kausaldissens ...................................................................... 19
c) Schlussfolgerungen .............................................................................................. 21
3. Zu möglichen Interpolationen .................................................................................. 22
4. Ergebnis .................................................................................................................... 24
VI. Vergleich mit dem geltenden Recht ........................................................................... 24

- III -
Verzeichnis der verwendeten Literatur:
Backhaus, Ralph
In maiore minus inest
ZSS 100, S. 136 – 184
Banti, Luisa
Traditio
RE 2. Reihe, 6. Band (1937), Sp. 1875 ff.
Baumgartner, Adolf Salvius Iulianus (Salvius Nr. 14)
RE 2. Reihe, 1. Band (1920), Sp. 2024 ff.
Beseler, Gerhard
Beiträge zur Kritik der römischen Rechtsquellen
Drittes Heft
Tübingen, 1913
ders.
Miscellanea
ZSS 45, S. 188 – 265
Bretone, Mario
Geschichte des römischen Rechts von den Anfängen bis zu
Justinian
2. Auflage 1998, München
Bürge, Alfons
Römisches Privatrecht – Rechtsdenken und gesellschaftliche
Verankerung
Darmstadt, 1999
Bund, Elmar
Untersuchungen zur Methode Julians
Köln, Graz, 1965
Dulckeit, Gerhard (Begr.)
Schwarz, Fritz (Begr.)
Waldstein, Wolfgang
Römische Rechtsgeschichte
9. Auflage 1995, München

- IV -
Erman, Walter (Begr.)
Bürgerliches Gesetzbuch – Handkommentar
Band II (§§ 812 – 2385)
11. Auflage 2004, Köln
zit.: Erman-Bearbeiter
Fitting, Hermann
Alter und Folge der Schriften römischer Juristen von
Hadrian bis Alexander
2. Auflage 1908, Halle an der Saale
Fuchs, Johannes Georg
Iusta causa traditionis in der Romanistischen Wissenschaft
Basel, 1952
zit.: Fuchs, Iusta causa traditionis
Hausmaninger, Herbert
Selb, Walter (Begr.)
Römisches Privatrecht
9. Auflage 2001, Wien, Köln, Weimar
Hiltbrunner, Otto
Kleines Lexikon der Antike
2. Auflage 1950, München
Honsell, Heinrich
Römisches Recht
5. Auflage 2002, Berlin et al.
Honsell, Heinrich
Mayer-Maly, Theo
Selb, Walter
Römisches Recht
(aufgrund des Werkes von Paul Jörs, Wolfgang Kunkel und
Leopold Wenger)
4. Auflage 1987, Berlin et al.
Hupka, Josef
Der dissensus in causa und die moderne Textkritik.
ZSS 52, S. 1 – 30
Jörs, Paul Domitius Ulpianus (Domitius Nr. 88)
RE 5. Band (1903), Sp. 1435 ff.

- V -
ders.
Geschichte und System des römischen Privatrechts
Berlin, 1927
zit.: Jörs, Geschichte und System
Jörs, Paul
Kunkel, Wolfgang
Wenger, Leopold
Römisches Privatrecht
3. Auflage 1949, Berlin et al.
Karlowa, Otto
Römische Rechtsgeschichte
Erster Band: Staatsrecht und Rechtsquellen
Leipzig, 1885
Kaser, Max
Das Geld im römischen Sachenrecht
TR 29, S. 169 – 229
ders.
Das römische Privatrecht – Erster Abschnitt
Das altrömische, das vorklassische und klassische Recht
München, 1955
zit.: Kaser, Das römische Privatrecht I
ders.
Zur „Iusta Causa Traditionis“
Bull. 1961, S. 61 – 97
Kaser, Max
Knütel, Rolf
Römisches Privatrecht
17. Auflage 2003, München
Kunkel, Wolfgang
Herkunft und soziale Stellung der römischen Juristen
2. Auflage 1967, Graz, Wien, Köln
Lenel, Otto
Palingenesia Iuris Civilis
Volumen Prius
Leipzig, 1889

- VI -
ders.
Palingenesia Iuris Civilis
Volumen Alterum
Leipzig, 1889
ders.
Quellenforschungen in den Edictcommentaren.
ZSS 3, S. 177 – 197
Mayer-Maly, Theo
Römisches Recht
2. Auflage 1999, Wien, New York
Oertmann, Paul
Die Fiducia im römischen Privatrecht
Berlin, 1890
Palandt, Otto (Begr.)
Bürgerliches Gesetzbuch
64. Auflage 2005, München
zit.: Palandt-Bearbeiter
Pernice, Alfred
Ulpian als Schriftsteller
gedruckte Fassung eines nicht näher bezeichneten Vortrages
Pflüger, Heinrich Hackfeld
Zur Lehre vom Erwerbe des Eigentums nach römischem Recht
München und Leipzig, 1937
v. Savigny, Friedrich Carl System des heutigen Römischen Rechts
Vierter Band
Berlin, 1841
Schreiber, Klaus
Sachenrecht
4. Auflage 2003, Stuttgart et al.
Schreiber, Klaus
Kreutz, Klaus
Der Abstraktionsgrundsatz – Eine Einführung
Jura 1989, S. 617 – 622

- VII -
Söllner, Alfred
Einführung in die römische Rechtsgeschichte
5. Auflage 1996, München
Westermann, Harm Peter
BGB-Sachenrecht
10. Auflage 2002, Heidelberg
Motive zu dem Entwurfe eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich
Band III, Sachenrecht Nachdruck (1983) der Amtlichen Ausgabe von 1888, Berlin und Leipzig
zit.: Motive III

- 1 -
I. Quellentexte
1. D. 41.1.36
Iulianus libro tertio decimo digestorum Cum in corpus quidem
quod traditur consentiamus, in causis vero dissentiamus, non
animadverto, cur inefficax sit traditio, veluti si ego credam me ex
testamento tibi obligatum esse, ut fundum tradam, tu existimes ex
stipulatu tibi eum deberi. nam et si pecuniam numeratam tibi
tradam donandi gratia, tu eam quasi creditam accipias, constat
proprietatem ad te transire nec impedimento esse, quod circa
causam dandi atque accipiendi dissenserimus.
2. D. 12.1.18 pr.
Ulpianus libro septimo disputationum Si ego pecuniam tibi quasi
donaturus dedero, tu quasi mutuam accipias, Iulianus scribit
donationem non esse: sed an mutua sit, videndum. et puto nec
mutuam esse magisque nummos accipientis non fieri, cum alia
opinione acceperit. quare si eos consumpserit, licet condictione
teneatur, tamen doli exceptione uti poterit, quia secundum
voluntatem dantis nummi sunt consumpti.
II. Übersetzung
1. D. 41.1.36
Julian im dreizehnten Buch seiner Digesten Wenn wir uns über
den Gegenstand, der übergeben wird, geeinigt haben, in Bezug auf
den Grund tatsächlich unterschiedlicher Meinung sind,
begreife ich nicht, warum die Übereignung unwirksam sein sollte.
Nimm das Beispiel, dass ich mich aufgrund eines Testamentes dir
verpflichtet glaube, ein Grundstück zu übergeben, während du
denkst, es werde dir aufgrund einer Stipulation gegeben. Denn auch
wenn ich dir bares Geld gebe, um es dir zu schenken, du es
als Darlehen annimmst, steht fest, dass das Eigentum auf dich
übergeht und dass es nicht hinderlich ist, wenn wir in Bezug auf
den Grund des Gebens und Annehmens unterschiedlicher Meinung
sind.

- 2 -
2. D. 12.1.18 pr.
Ulpian im siebten Buch seiner Disputationen Wenn ich dir in der
Absicht zu schenken Geld gebe, du aber in dem Bewusstsein
nimmst, es sei ein Darlehen, so, schreibt Julian, sei es keine
Schenkung. Aber ob es ein Darlehen ist, wollen wir sehen. Doch
ich glaube, dass es auch kein Darlehen ist, ebensowenig wie die
Münzen Eigentum des Empfängers werden, weil er in
anderer Meinung annahm. Deshalb ist es statthaft, mit der
Kondiktion zu verpflichten, wenn er sie ausgegeben haben sollte,
gleichwohl kann er sich der Arglisteinrede bedienen, weil er die
Münzen entsprechend dem Willen des Gebers ausgab.
III. Bemerkungen zu den Inskriptionen
1. Die Autoren der Quellentexte
a) Salvius Iulianus
Julian stammte aus der nordafrikanischen Stadt Hadrumetum 1 .
Weder sein Geburts- noch sein Sterbejahr sind genau festgestellt,
sicher ist nur, dass er ein hohes Lebensalter erreichte 2 . Wenn man
seine Geburt auf das Ende des 1. Jahrhunderts datiert 3 , könnte er
die beginnende Alleinherrschaft des Commodus (180) noch
miterlebt haben.
Bezüglich seiner Familie kann, abgesehen von der Behauptung, er
sei ein Großvater des Kaisers Didius Iulianus gewesen 4 , nichts
berichtet werden.
Julian selbst bezeichnet sich als Schüler des Iavolenus Priscus 5 und
war gemeinsam mit anderen Juristen Vorstand der sabinianischen
Rechtsschule 6 , in der neben einer literarischen Betätigung auch die
Lehre und die juristische Diskussion gepflegt wurden 7 . Sein wohl
1 Kunkel, Herkunft und soziale Stellung, S. 158 f. .
2 Baumgartner, RE II, 1, 2, Sp. 2024 (Salvius Nr. 14).
3 So Bund, Untersuchungen zur Methode Julians, S. 2.
4 Kunkel, Herkunft und soziale Stellung, S. 160 f. .
5 Iul. D. 40.2.5.
6 Baumgartner, RE II, 1, 2, Sp. 2024 (Salvius Nr. 14).
7 Bretone, Geschichte des römischen Rechts, S. 180 f.; Bürge,
Rechtsdenken und gesellschaftliche Verankerung, S. 109.

- 3 -
namhaftester Schüler war Volusius Maecianus, der später Lehrer
Marc Aurels wurde 8 .
In der Zeit zwischen 150 und 167 bekleidete Julian verschiedene
Ämter in Niedergermanien, Spanien und schließlich Afrika 9 . Aus
seiner literarischen Tätigkeit ist vor allem das 90 Bücher
umfassende Digestenwerk zu nennen, das für viele spätere Autoren
– darunter auch Ulpian – nach Form und Inhalt beispielgebend
wurde 10 .
Ein weiterer Beleg für Julians herausgehobene Stellung unter den
römischen Juristen ist der Umstand, dass er von Hadrian um 130
mit der Redaktion und der endgültigen Abfassung des edictum
perpetuum betraut wurde, also ein besonders erfahrener Jurist
gewesen sein muss.
Für die Lösung dieser Aufgabe wurde er im Jahre 148 mit dem
Konsulat belohnt 11 .
Insgesamt erreicht die klassische römische Jurisprudenz mit Julian
ihren Höhepunkt 12 .
b) Domitius Ulpianus
Ulpian stammt nach eigenem Bekunden aus Tyros in Phönikien,
eine Handelsstadt, deren Vorzüge er in warmen Worten und nicht
ohne Stolz preist 13 .
Das Jahr seiner Geburt ist unbekannt. Die Mitglieder seiner Familie
besaßen seit etwa der Mitte des 1. Jahrhunderts das römische
Bürgerrecht 14 , der Vater soll für seine alles Römische strikt
ablehnende Haltung bekannt gewesen sein 15 .
Ulpian brachte es gleichwohl in Rom zu einem sehr beträchtlichen
Vermögen und wurde Mitglied der römischen Oberschicht 16 .
8 Dulckeit / Schwarz / Waldstein, Römische Rechtsgeschichte, S. 261.
9 Bund, Untersuchungen zur Methode Julians, S. 3.
10 Vgl. Baumgartner, RE II, 1, 2, Sp. 2024 f. (Salvius Nr. 14).
11 Bund, Untersuchungen zur Methode Julians, S. 3.
12 Söllner, Einführung in die römische Rechtsgeschichte, S. 109.
13 Ulp. D. 50.15. 1 pr.: „splendidissima Tyriorum colonia“.
14 Kunkel, Herkunft und soziale Stellung, S. 253 f. .
15 Ders., a.a.O., S. 249.
16 Ders., a.a.O., S. 252.

- 4 -
Gegen Anfang des 2. Jahrhunderts wurde Ulpian Assessor bei
Aemilius Papinianus 17 . Erheblichen Einfluss auf die Geschicke des
Imperium Romanum erlangte er, als er im Jahre 222
Prätorianerpräfekt wurde 18 . Seine Erfahrung in der Verwaltung und
seine umfassenden Rechtskenntnisse ließen ihn in dieser Position
gleichsam zum Stellvertreter des Kaisers Severus Alexander
avancieren 19 . Aufgrund strenger Disziplinierungsmaßnahmen geriet
Ulpian zusehends in Feindschaft zu den ihm unterstellten
Prätorianern 20 , während einer nächtlichen Meuterei im Jahre 228
fand er den Tod 21 .
Ulpian war trotz der viel Aufmerksamkeit erfordernden praktischen
Tätigkeit auch literarisch äußerst produktiv 22 : Neben einem
Kommentarwerk zum Ius Civile verfasste er weitere Kommentare,
Elementar- und Lehrbücher – zu denen auch die Disputationen
zählen – sowie Monographien. Die Digesten des Justinian bestehen
zu einem beträchtlichen Teil aus Fragmenten, die auf ihn
zurückgehen. Ulpian selbst nutzte die Schriften des Julian für seine
literarische Tätigkeit ausgiebig und als Hauptquelle 23 .
Gelegentlich ist bemerkt worden, Ulpian habe es an einer
sorgfältigen und gründlichen Arbeitsweise mangeln lassen und sein
Werk weise wenig Originelles auf 24 . Diese Gesichtspunkte können
aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sein großes Verdienst
ist, in einer Zeit, als der Rechtsstoff bereits ausuferte, sich um
Sammlung und Ordnung des Wesentlichen bemüht zu haben 25 .
2. Die Ursprungswerke der Digestenstellen
Die Inskription von D. 41.1.36 weist als das Ursprungswerk dieser
Quelle das dreizehnte Buch der 90 Bücher umfassenden juliani-
17 Jörs, RE 5, Sp. 1436 (Domitius Nr. 88).
18 Kunkel, Herkunft und soziale Stellung, S. 246.
19 Jörs, RE 5, Sp. 1437 (Domitius Nr. 88).
20 Ders., RE 5, Sp. 1438 (Domitius Nr. 88).
21 Hiltbrunner, Kleines Lexikon der Antike, S. 522.
22 Dulckeit / Schwarz / Waldstein, Römische Rechtsgeschichte, S. 267.
23 Jörs, RE 5, Sp. 1488 (Domitius Nr. 88).
24 Vgl. vor allem Pernice, Ulpian als Schriftsteller, S. 10 f., 26 f., 35.
25 Dulckeit / Schwarz / Waldstein, Römische Rechtsgeschichte, S. 265, 267.

- 5 -
schen Digesten aus. Sie sollen zwischen 150 und 160 entstanden
sein 26 . Typisch für diese Art der Literaturgattung ist eine ausgesprochen
kasuistische Ausrichtung anhand welcher das dogmatische
System des geltenden Rechtes praxisgerecht dargestellt
werden sollte 27 . Dass sich Julian bei der Abfassung jedenfalls der
Werke des Q. Mucius, des Labeos, des Sabinus und des Pomponius
bediente, geht aus verschiedenen Zitaten hervor 28 .
Der ursprüngliche Kontext des dreizehnten Buches konnte mit
Hilfe von vierzehn Einzelfragmenten rekonstruiert werden 29 . Sie
behandeln vorwiegend Rechtsfragen, die sich im Zusammenhang
mit verschiedenen Rechtsgeschäften – Verwahrung, Pfand, Auftrag
sowie Kauf – stellen und berücksichtigen auch Gesichtspunkte der
jeweiligen gerichtlichen Durchsetzung. Das zu bearbeitende
Fragment ist dem Schluss des Buches zugeordnet worden.
Die Quelle D. 12.1.18 pr. stammt aus dem siebten Buch der
Disputationen, die Ulpian unter Caracalla, also etwa um 212,
verfasste 30 . Dieser Literaturtypus wurde auch als Questiones
bezeichnet und verfolgte, wie der Name andeutet, vornehmlich
praktisch-didaktische Zwecke ohne den Anspruch einer systematischen
Durchdringung des Stoffes 31 .
Ulpian griff insbesondere auf die julianischen Digesten zurück, als
er die Disputationen schrieb, verwandte aber auch Schriften des
Celsus und des Marcellus 32 .
Das erste dem siebten Buch der Disputationen zugeordnete
Fragment befasst sich mit den Einreden, die dem Beklagten in
einem Prozess zur Verfügung stehen sowie mit der grundsätzlichen
Verteilung der Beweislast, wenn eine Einrede erhoben wird 33 .
26 Bund, Untersuchungen zur Methode Julians, S. 4.
27 Karlowa, Rechtsgeschichte I, S. 708.
28 Fitting, Alter und Folge der Schriften römischer Juristen, S. 29.
29 Vgl. den Rekonstruktionsversuch von Lenel, Palingenesia I, Sp. 352 ff. .
30 Jörs, RE 5, Sp. 1446 (Domitius Nr. 88).
31 Honsell / Mayer-Maly / Selb, Römisches Recht, S. 28.
32 Fitting, Alter und Folge der Schriften römischer Juristen, S. 118.
33 Vgl. Lenel, Palingenesia II, Sp. 410 ff. .

- 6 -
Es folgen sodann Differenzierungen, die Einreden aus einem
gerichtlichen Vergleich (Fragment 122) und aus einem Kaufvertrag
(Fragmente 123 ff.) betreffen.
Das Fragment 126 entspricht D. 12.1.18 pr. und passt sich in den
Kontext der Reste des siebten Buches ein, weil es unter anderem
von der Arglisteinrede handelt. Die nachfolgenden Fragmente
betreffen die Stipulation.
IV. Paraphrase
Die Quelle D. 41.1.36 besteht äußerlich aus zwei separaten Sätzen.
Der erste Satz („Cum in corpus … deberi.“) liefert zunächst
Informationen bezüglich der an der zu erörternden Rechtsfrage
beteiligten Personen. Involviert sind ego und tu, wobei es sich bei
ego um Julian selbst handeln dürfte. Dies legt jedenfalls die
Formulierung „non animadverto“ nahe, die eine erste Verbindung
zwischen den Tatsachen des Sachverhaltes und seiner rechtlichen
Würdigung – die ja durch Julian erfolgt – herstellt. Wer tu ist, lässt
das Fragment offen. Möglicherweise handelt es sich um eine reale
Person, die Julian um einen Rat ersucht, vielleicht auch um eine
fiktive Person.
Die Situation stellt sich so dar, dass ego und tu miteinander ein
Geschäft geschlossen haben. Sie haben sich auf einen Gegenstand
verständigt, der übereignet, „tradiert“ wird. Wer der Erwerber und
wer der Veräußerer ist, wird an dieser Stelle noch nicht deutlich.
Diese Information bringt erst der mit „veluti“ eingeleitete zweite
Halbsatz. In ihm wird die recht abstrakte Ausgangsituation anhand
eines Beispieles näher konkretisiert. Gegenstand des Geschäftes ist
nun ein Grundstück, das von ego als Veräußerer auf tu als Erwerber
übergehen soll.
Bei Abschluss des Geschäftes waren ego und tu jedoch unterschiedlicher
Meinung über den Grund des Geschäftes. Während
ego dachte, er sei aufgrund eines Testamentes zur Übereignung
verpflichtet, glaubte tu, die Verpflichtung rühre aus einem
Schuldversprechen her.

- 7 -
Es stellt sich deshalb die Frage, ob tu das Grundstück trotz des
Dissenses über den Grund zu Eigentum erlangt habe, oder ob nicht
die Übereignung unwirksam sei.
Julian hält die Übereignung für wirksam und begründet seine
Entscheidung im zweiten Satz des Fragmentes. Als Argumentationsbasis
dient ihm ein Parallelfall, in dem Bargeld übereignet
wird. Auch in diesem Fall kommt es zu einem Dissens über den
Grund. Der Empfänger glaubt, das Geld werde darlehenshalber
gewährt, der Geber geht von einer Schenkung aus. Hier steht für
Julian fest, dass der Dissens den Eigentumsübergang nicht verhindert.
Ulpian knüpft in D. 12.1.18 pr. unter namentlicher Erwähnung
Julians direkt an dessen Bargeldfall an. Erneut geht es um die
Konstellation, wo der Geber (wiederum ego) glaubt, er schenke das
Geld, wohingegen der Empfänger (tu) von einem Darlehen ausgeht.
Ulpian schreibt sodann, Julian vertrete in diesem Fall die Auffassung,
dass eine Schenkung nicht vorliege – eine Auffassung, der
er sich offensichtlich anschließt – und wirft die Frage auf, ob denn
ein Darlehen zustande gekommen sei. Die Antwort auf diese Frage
wird im zweiten Satz („et puto …“) gegeben. Sie lautet dahingehend,
dass der Dissens über den Grund sowohl einem Zustandekommen
des Darlehens als auch dem Eigentumserwerb beim
Empfänger („nummos accipientis non fieri“) entgegenstehe.
Der dritte Satz des Fragmentes behandelt das Gegenrecht des
Empfängers, der einem Herausgabeverlangen des Gebers ausgesetzt
ist. Falls er das empfangene Geld ausgeben hat, kann er sich mit der
Arglisteinrede wehren, weil er mit dem Geld nur das tat, was auch
dem ursprünglichen Willen des Gebers entsprach.
V. Interpretation
Julian behandelt in D. 41.1.36 zwei Fälle, die aufgrund einer
Gemeinsamkeit miteinander verbunden sind: Sowohl im Grundstücksfall
als auch im Bargeldfall geht es darum, dass eine Sache
vom Geber zum Empfänger gelangen soll, wofür Julian die Wen-

- 8 -
dung proprietas transit (vgl. den zweiten Satz der Stelle) benutzt.
Diese proprietas bezeichnet nach dem Verständnis der klassischen
Jurisprudenz eine unbegrenzte und ausschließliche Rechtsherrschaft
über eine Sache 34 , also eine Rechtsfigur, die dem heutigen Eigentumsbegriff
verwandt ist 35 . Beide Fälle sind demgemäß so gebildet,
dass das Eigentum an dem Grundstück bzw. dem Bargeld von ego
auf tu übertragen werden soll. Julian benennt auch das Instrument,
mit dem der Geber und der Empfänger dies erreichen wollen: Sie
bedienen sich der traditio, die bereits im Einleitungssatz
ausdrücklich erwähnt wird und in dem Fragment noch drei weitere
Male in den von dem Verb tradere abgeleiteten Formen traditur
und tradam begegnet.
1. traditio, iusta causa traditionis und consensus
Im römischen Privatrecht ist die traditio eine von drei Möglichkeiten,
dem Empfänger im Wege des derivativen Erwerbs Eigentum
zu verschaffen 36 . Sie war ursprünglich ein Übereignungsgeschäft
des Alltages, entwickelte sich dann jedoch zu dem dominierenden
Instrument der Eigentumsverschaffung 37 .
Vorliegend scheint es so, als sei am Erfolg der Eigentumsübertragung
zu zweifeln. Dies kommt in der indirekten Frage „cur
inefficax sit traditio“ – wörtlich: warum die traditio unwirksam sein
sollte – zum Ausdruck. Damit ist die Frage nach den Voraussetzungen
einer wirksamen traditio aufgeworfen.
Gaius 2.20: itaque si tibi vestem vel aurum vel
argentum tradidero sive ex venditionis causa sive ex
donationis sive quavis alia ex causa, statim tua fit ea
res, si modo ego eius dominus sim.
34 Honsell, Römisches Recht, S. 56.
35 Kaser / Knütel, Römisches Privatrecht, S. 137.
36 Honsell / Mayer-Maly / Selb, Römisches Recht, S. 155; Jörs / Kunkel /
Wenger, Römisches Recht, S. 126; Kaser / Knütel, Römisches Privatrecht,
S. 148 ff., insbesondere 151.
37 Kaser, Das römische Privatrecht I, S. 351.

- 9 -
Neben der körperlichen Übergabe der Sache ist danach insbesondere
Voraussetzung, dass der Veräußerer tatsächlich ihr
Eigentümer ist 38 . Diese Voraussetzungen sind in den von Julian
gebildeten Fällen erfüllt, weil sich die Übergabe aus dem
Sachverhalt ergibt und die Eigentümerstellung des ego problemlos
unterstellt werden kann, anderenfalls hätte Julian hierzu nicht
schweigen dürfen.
Der Grund für das mögliche Scheitern der Eigentumsverschaffung
muss sich somit aus einem anderen Umstand ergeben. Wie bei
Gaius 2.20 anklingt, hängt die Wirksamkeit der traditio zusätzlich
vom Vorliegen einer bestimmten causa ab, welche in der Literatur
allgemein als iusta causa traditionis oder auch iustus titulus
bezeichnet wird 39 .
Nach dem Verständnis der römischen Juristen bezeichnet die iusta
causa traditionis das Vorliegen eines von der Rechtsordnung
gebilligten Grundes für eine Vermögensverschiebung 40 . Präziser
gesagt kann die traditio nur dann wirksam Eigentum verschaffen,
wenn ein rechtsgeschäftlicher Tatbestand, der einen Eigentumserwerbsgrund
beinhaltet 41 , zur Sachübergabe hinzutritt.
Paul. D. 41.1.31: numquam nuda traditio transfert
dominium, sed ita, si venditio aut aliqua iusta causa
praecesserit, propter quam traditio sequeretur.
Anerkannte Erwerbsgründe in diesem Sinne können sein 42 die
causa emptionis, die causa dotis, die causa donationis, die causa
credendi oder – wie Gaius 2.20 nach Art einer Generalklausel
formuliert – irgendeine andere causa.
38 Ulp. D. 50.17.54; 41.1.20 pr. .
39 Vgl. Hausmaniger / Selb, Römisches Privatrecht, S. 152; Honsell,
Römisches Recht, S. 58 f.; Kaser, Bull. 1961, 61 (63).
40 Honsell / Mayer-Maly / Selb, Römisches Recht, S. 157 f.; Kaser,
Bull. 1961, 61 (94); Mayer-Maly, Römisches Privatrecht, S. 75.
41 Jörs / Kunkel / Wenger, Römisches Recht, S. 127.
42 Vgl. Honsell / Mayer-Maly / Selb, Römisches Recht, S. 158.

- 10 -
Da es sich bei den causae um Rechtsgeschäfte handelt, hängt ihr
Zustandekommen grundsätzlich von einer Einigung der beteiligten
Parteien, dem consensus ab 43 . Anders gewendet steht das Vorliegen
eines Dissenses der wirksamen Einigung entgegen, der dissensus
bewirkt die „Unvollständigkeit“ des Geschäftes:
Ulp. D. 18.1.9 pr.: in venditionibus et emptionibus
consensum debere intercedere palam est: ceterum sive
in ipsa emptione dissentient sive in pretio sive in quo
alio, emptio imperfecta est.
Pomp. D. 44.7.57: in omnibus negotiis (...) si error
aliquis intervenit, ut aliud sentiat puta qui emit aut qui
conducit, aliud qui cum his contrahit, nihil valet quod
acti sit.
Eine Unwirksamkeit kann sich hiernach insbesondere aus einem
Dissens über das jeweilige Geschäft selbst, die Art und Höhe der
Gegenleistung oder aus einem anderen Gesichtspunkt ergeben.
Allerdings liegt ein relevanter Dissens nur dann vor, wenn eines der
wesentlichen Vertragselemente, ein essentialium negotii betroffen
ist 44 .
In den von Julian gebildeten Fällen verhält es sich so, dass ego als
causa der Hingabe ein Testament annimmt, während tu von einem
Schuldversprechen ausgeht (Grundstücksfall), bzw. dass ego
schenken und tu ein Darlehen aufnehmen will (Bargeldfall). Ein
Dissens besteht also in beiden Konstellationen jeweils über den
Grund der Vermögenszuwendung, über die causa. Diese Art des
Dissenses wird als error in negotio bezeichnet 45 .
43 Hausmaninger / Selb, Römisches Privatrecht, S. 152; so auch Honsell,
Römisches Recht, S. 42, 45; Kaser, Bull. 1961, 61 (68).
44 Kaser / Knütel, Römisches Privatrecht, S. 73.
45 Hausmaninger / Selb, Römisches Privatrecht, S. 234; Honsell,
Römisches Recht, S. 45.

- 11 -
Weil aber unter Verallgemeinerung von Ulpian D. 18.1.9 pr. („ipsa
emptione dissentient […] emptio imperfecta est“) der Geschäftstypus
selbst vom Konsens der Parteien umfasst sein muss, stellt
sich auch der error in negotio zwangsläufig als ein relevanter
Dissens dar, der zur Unwirksamkeit der Einigung führt 46 . Danach
scheint es so, als hätten ego und tu sich weder im Grundstücksfall
noch im Bargeldfall wirksam über eine causa verständigt.
2. Julians Arbeitshypothese und ihre Begründung
Die Schlussfolgerung hieraus müsste sein, dass tu, weil es an der
Voraussetzung der iusta causa des Übereignungstatbestandes fehlt,
kein Eigentum an dem Grundstück bzw. dem Bargeld erlangt hat.
Gleichwohl behauptet Julian das Gegenteil und unterstreicht seine
Auffassung noch in zweifacher Hinsicht mit „non animadverto“
und mit „constat“. Wie kann man dies erklären?
Eine Antwort lässt sich möglicherweise aus der näheren Untersuchung
der beiden Fälle unter Berücksichtigung der Struktur des
Fragmentes gewinnen:
Der Einleitungssatz formuliert zunächst einmal die Fragestellung,
die Julian behandeln will, nämlich ob bei einem Dissens hinsichtlich
der causa der Erwerber im Wege der traditio wirksam
Eigentum erlangt. So betrachtet erfüllt dieser Satz dieselbe
Funktion wie der Obersatz in einem rechtswissenschaftlichen
Gutachten. Zugleich ist in ihm aber auch implizit das Ergebnis der
Prüfung enthalten, weil Julian ausdrückt, er könne nicht einsehen,
warum die Übereignung unwirksam sein sollte. Zur Unterstützung
zieht er sodann die beiden genannten Beispielsfälle heran. Diese
werden durch die Wendungen „veluti“ (wörtlich: wie wenn) und
„nam et si“ (nämlich auch wenn) eingeleitet, was den Eindruck
einer Gleichwertigkeit erweckt und nahe legt, sie als spezielle
Ausprägungen desselben allgemeineren Gedankens aufzufassen.
Demgemäß hängt die Validität von Julians Arbeitshypothese – trotz
46 Ulp. D. 12.1.18 pr.; Pomp. D. 44.7.57; Honsell, Römisches Recht, S. 45;
Kaser / Knütel, Römisches Privatrecht, S. 73.

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Kausaldissenses wird Eigentum wirksam erworben – von der
Schlüssigkeit und der Tragfähigkeit der beiden Beispielsfälle ab,
die so gesehen nicht nur der Veranschaulichung dienen, sondern
auch gleichzeitig die Begründung für den Obersatz liefern.
a) Der Grundstücksfall
Der Grundstücksfall ist so gebildet, dass ego als causa der
Übereignung eine Verpflichtung aus testamento, tu eine Verpflichtung
des ego aus stipulatu annimmt. Hier fragt sich zunächst,
was es bedeutet, wenn ego sich aus testamento verpflichtet glaubt.
Das römische Recht kennt neben einer gesetzlichen – die so
genannte Intestaterbfolge – auch die Möglichkeit einer gewillkürten
Erbfolge 47 . Diese kann vom Erblasser testamento, also mit einem
Testament bestimmt werden 48 . Mit wirksamer Errichtung und
Vorliegen der notwendigen Grundbestandteile des Testamentes
(caput et fundamentum testamenti) fällt die Erbschaft, wenn der
Erblasser stirbt, grundsätzlich dem eingesetzten Erben im Wege der
Gesamtnachfolge zu 49 .
Darüberhinaus ist es möglich, dass der Erblasser einzelne
Gegenstände aus seinem Vermögen testamentarisch einer dritten
Person zu Lasten des Gesamtnachfolgers von Todes wegen zuwendet
50 . Ein solches legatum (Vermächtnis) tritt vorwiegend in
zwei Gestaltungen auf: Als legatum per vindicationem ist es mit der
Wirkung ausgestattet, dass der Bedachte unmittelbar ohne weiteren
Erwerbsakt Eigentümer der vermachten Sache wird 51 . Als legatum
per damnationem erzeugt es hingegen lediglich eine obligatio
(Verpflichtung) des beschwerten Erben, die vermachte Sache an
den Bedachten zu leisten 52 . Wenn Julian schreibt „credam me ex
testamento tibi obligatum esse“, hat er offenkundig die letztere
47 Honsell, Römisches Recht, S. 194; Kaser / Knütel, Römisches Privatrecht,
S. 404 f.; Mayer-Maly, Römisches Recht, S. 188 f. .
48 Gai. 2.229; Hausmaninger / Selb, Römisches Privatrecht, S. 330.
49 Kaser / Knütel, Römisches Privatrecht, S. 417 f. .
50 Vgl. Gai. 2.192 seq.; Honsell, Römisches Recht, S. 202.
51 Gai. 2.193 seq.; Honsell / Mayer-Maly / Selb, Römisches Recht, S. 485.
52 Gai. 2.201 seq.; Hausmaninger / Selb, Römisches Privatrecht, S. 360.

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Konstellation, also ein Damnationslegat im Sinn, das ego für die
causa hält.
Tu glaubt demgegenüber, das Grundstück werde ex stipulatu geschuldet.
Der Begriff stipulatus bezeichnet inhaltlich die Stipulation,
es geht also um eine Verpflichtung ex stipulatione.
Die Stipulation zählt zu den Verbalverträgen 53 . Sie kommt zustande
durch einen formalisierten mündlichen Dialog zwischen dem
künftigen Gläubiger und dem künftigen Schuldner 54 und begründet
die Verpflichtung des Schuldners das Versprochene zu leisten,
wobei der Inhalt der Leistungspflicht grundsätzlich beliebig gewählt
werden kann 55 .
Die vorliegende Konstellation – als causa wird einerseits ein Damnationslegat,
andererseits eine Stipulation angenommen – nimmt
allerdings eine Sonderstellung ein: Wenn es um die Erfüllung von
Vermächtnis- und Stipulationsschulden geht, besteht die causa des
Übereignungstatbestandes gerade nicht in dem Damnationslegat
oder der Stipulation, sondern in der Einigung über die schuldbefreiende
Wirkung der Leistung, der causa solvendi 56 . Diese
Besonderheit erklärt sich wohl mit der altrömischen Vorstellung
von der persönlichen Gebundenheit des Schuldners, die nur durch
einen besonderen Formalakt, die solutio wieder aufgehoben werden
kann 57 .
Warum diese Vorstellung speziell bei Vermächtnis- und
Stipulationsschulden, nicht jedoch bei Schulden aus Kauf, Darlehen
oder Schenkung nachwirkt, ist nicht abschließend geklärt.
Jedenfalls erhellt dies, warum Julian schlussfolgert, dass tu das
Grundstück zu Eigentum erlangt hat. Da es nach der Lehre von der
causa solvendi lediglich darauf ankommt, dass ego und tu sich über
die schuldbefreiende Wirkung der Grundstückshingabe verständigt
53 Gai. 3.89, 92; Ulp. D. 45.1.1 pr. .
54 Gai. 3.92, 93; Ulp. D. 45.1.1.2 .
55 Ulp. D. 45.1.75.7 .
56 Hausmaninger / Selb, Römisches Privatrecht, S. 152; Honsell / Mayer-Maly /
Selb, Römisches Recht, S. 158; Kaser, Bull. 1961, 61 (70).

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haben, ist der im übrigen zwischen ihnen bestehende Dissens
unbeachtlich. Folglich kommt es zu einer wirksamen traditio.
Mit dieser Auffassung bewegt sich Julian auf dem Boden der ganz
herrschenden Meinung unter den römischen Juristen und in der
römischrechtlichen Literatur 58 . Festzuhalten ist an dieser Stelle,
dass Julian als ersten Pfeiler der Begründung seiner Arbeitshypothese
eine Sonderkonstellation auswählt, in der die causa des
Übereignungstatbestandes gegenüber den vorausliegenden Verpflichtungsgeschäften
eine Verselbständigung 59 erfahren hat.
b) Der Bargeldfall
Nach Julian hat tu auch im Bargeldfall Eigentum wirksam
erworben. Während jedoch im ersten Satz des Fragmentes auf einen
zwischen den Parteien bestehenden Dissens ausdrücklich hingewiesen
wird – dies geschieht mit den Antinomien „consentiamus“
und „dissentiamus“ (scil. in causis) einerseits sowie „ex
testamento“ und „ex stipulatu“ andererseits – ist das Vorliegen
eines Dissenses im zweiten Satz weniger offensichtlich. Erkennbar
wird zunächst nur, dass die jeweiligen Vorstellungen von ego, der
das Bargeld schenken will, und tu, der ein Darlehen aufnehmen
will, nicht deckungsgleich sind. Dass Julian auch hier einen Dissens
annimmt, lässt sich aber aus dem letzten Wort des Fragmentes
(„dissenserimus“) ablesen. Dies wirft die Frage auf, wie er trotz
dieses Hindernisses einen wirksamen Eigentumsübergang konstruieren
kann.
Abstrakt gesehen kommen zwei Lösungswege in Betracht:
Entweder ist der Dissens nur ein scheinbarer, der eine Verständigung
von ego und tu über die causa nicht hinreichend zu
stören vermag, oder aber es handelt sich um einen Kausaldissens,
57 Vgl. die Erklärungsversuche bei Jörs / Kunkel / Wenger, Römisches Recht,
S. 128 sowie Honsell, Römisches Recht, S. 61.
58 So Kaser, Bull. 1961, 61 (70 und insbesondere 71); vgl. auch Paul. D. 41.3.48;
Hermog. D. 41.3.46; Hausmaninger / Selb, Römisches Privatrecht, S. 152;
Honsell / Mayer-Maly / Selb, Römisches Recht, S. 158.
59 Honsell, Römisches Recht, S. 61; ähnlich Jörs / Kunkel / Wenger, Römisches
Recht, S. 128.

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der ähnlich wie im Bargeldfall aus irgendeinem Grund unbeachtlich
ist.
aa) Scheindissens
Wenn nach Julians Vorstellung der Dissens lediglich ein scheinbarer
ist, müsste eine Konstruktion erdacht werden können, die zu
einer wirksamen causa führt. In Betracht kommen wiederum zwei
Möglichkeiten, entweder haben sich ego und tu auf eine Schenkung
verständigt oder aber auf ein Darlehen.
Den allgemeinen Regeln folgend, hängt die wirksame Verständigung
über eine Schenkung von dem Konsens der Beteiligten
in der Gestalt des gemeinsamen animus donandi 60 ab. Speziell in
einer Dissenssituation, wo der Geber nicht animo donandi, sondern
animo credendi handelt, lässt sich aber jedenfalls ein Minimalkonsens
des Inhaltes, dass der Empfänger die übergebene Sache zu
Eigentum erlangen soll, ermitteln 61 . Denn dies ist sowohl bei der
Schenkung als auch beim Darlehen die tatsächliche Folge, welche
die Beteiligten herbeiführen wollen 62 .
Denkbar ist es weiterhin, eine Schenkung mit der Erwägung zu
konstruieren, dass bei der Ermittelung des animus donandi vorwiegend
auf die Person des Schenkenden abzustellen sei 63 . Dies erscheint
deshalb gerechtfertigt, weil die Vermögensverschiebung gerade
vom Schenkenden ausgeht und in seiner Person der Nachteil
der Vermögensminderung ohne Kompensation eintritt. Allerdings
lässt sich darauf entgegnen, dass niemandem ein unwillkommenes
Geschenk aufgedrängt werden darf – vgl. Ulp. D. 39.5.19.2 „non
60 Paul. D. 44.7.3.1; Hausmaninger / Selb, Römisches Privatrecht, S. 264;
Honsell, Römisches Recht, S. 158; Honsell / Mayer-Maly / Selb, Römisches
Recht, S. 345; Kaser / Knütel, Römisches Privatrecht, S. 298.
61 Kaser / Knütel, Römisches Privatrecht, S. 152, die dies als „kleinsten
gemeinsamen Nenner“ bezeichnen.
62 Hausmaninger / Selb, Römisches Privatrecht, S. 152; Kaser / Knütel,
Römisches Privatrecht, S. 152.
63 Vgl. Fuchs, Iusta causa traditionis, S. 120 f., der dies als „unilaterale Theorie“
bezeichnet.

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potest liberalitas nolenti adquiri“ – was diesem Ansatz jedenfalls
den Beigeschmack einer Widersprüchlichkeit gibt.
Darauf, dass Julian dem Willen des Schenkers Vorrang einräumen
will, könnte eine andere Digestenstelle hindeuten:
Iul. D. 39.5.1 pr.: (...) dat aliquis ea mente, ut statim
velit accipientis fieri nec ullo casu ad se reverti (...)
haec proprie donatio appellatur.
Hier kommt die besondere Bedeutung der Willensrichtung
(„mente“) des Schenkers darin zum Ausdruck, dass gerade durch
sie das zustandegebracht wird, was man als Schenkung bezeichnet.
Ob Julian in D. 41.1.36 tatsächlich eine wirksame Schenkung
konstruieren will, erscheint allerdings zweifelhaft. Die Stelle selbst
bietet nämlich keine Anzeichen dafür, dass Julian diese Möglichkeit
überhaupt in Betracht zieht: Der zweite Satz behandelt ausschließlich
die Frage des Eigentumsüberganges, woraus keine unmittelbaren
Rückschlüsse auf die Konstruktion der causa gezogen
werden können, und im ersten Satz kommt die Schenkung gar nicht
vor.
Indes ist Julian nicht der einzige römische Jurist, der sich dem
Bargeldfall widmet. Er wird auch von Ulpian behandelt und zwar in
D. 12.1.18 pr., wo er bis auf kleine Nuancen in der Wortwahl identisch
widergegeben ist.
Ulp. D. 12.1.18 pr.: si ego pecuniam tibi quasi
donaturus dedero, tu quasi mutuam accipias, Iulianus
scribit donationem non esse (...)
Ulpian weist hier nicht nur auf Julian hin, sondern referiert auch
dessen Schlussfolgerung. Weil das Julian-Fragment aber keinerlei
direkte Aussage zur Schenkung trifft, überrascht es, wenn Ulpian

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feststellt, Julian schreibe, eine Schenkung sei nicht zustandegekommen.
In diesem Kontext fällt an der Wortwahl Ulpians auf,
dass es nicht etwa Iulianus dicet, sentit oder aestimat heißt, sondern
ausdrücklich auf eine schriftliche Stellungnahme hingewiesen wird.
Erklären ließe sich dies zunächst entweder mit der Existenz einer
weiteren Äußerung Julians zu demselben Thema oder mit einem
Irrtum, dem Ulpian erlegen ist. Beides ist aber nicht sehr überzeugend:
Dass Julian denselben Fall in seinen Werken mehrmals
aufgreift und einen so zentralen Aspekt nach Belieben anspricht
oder verschweigt, ist unwahrscheinlich. Und auch wenn Ulpians
Arbeitsweise möglicherweise als unsorgfältig charakterisiert werden
kann, so deutet doch seine konkrete Wortwahl auf eine Textstelle
hin, die er genau vor Augen, vielleicht sogar auf dem Papier
vor sich hat.
Der Widerspruch lässt sich auflösen, wenn man davon ausgeht, das
Julian-Fragment sei unvollständig überliefert oder nachklassisch
bearbeitet und habe ursprünglich die Schlussfolgerung „donatio non
est“ oder „nulla donatio est“ enthalten 64 .
Damit ist zugleich klargestellt, dass Julian die causa nicht im Wege
einer wirksamen Schenkung konstruiert.
Es bleibt aber die Konstruktion über das Darlehen. In der Tat lässt
sich Ulpian, wenn er schreibt „sed an mutua sit, videndum“ – mit
der Betonung auf „videndum“ – so begreifen, dass er an Erwägungen
zum Darlehen, die er bei Julian vorgefunden hat, seinerseits
anknüpfen möchte.
Julians Gedankengang könnte etwa folgendermaßen aussehen 65 :
Der Geber und der Empfänger des Geldes haben jedenfalls einen
Konsens bezüglich des Eigentumsüberganges erzielt. Darüberhinaus
ist der Geber damit einverstanden, die Münzen niemals zu-
64 Beseler, Beiträge zur Kritik der römischen Rechtsquellen, Heft 3, S. 57; Fuchs,
Iusta causa traditionis, S. 131; Pflüger, Zur Lehre vom Erwerbe des Eigentums
nach römischem Recht, S. 19; so im Erg. auch Backhaus, ZSS 100, 136 (165).
65 Vgl. auch Kaser / Knütel, Römisches Privatrecht, S. 152 f. .

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rückzuerhalten 66 , weil er schenken will. Wenn nun aber der Empfänger
von einem Darlehen ausgeht, beinhaltet dies sein Einverständnis
bezüglich der späteren Rückgewähr eines der hingegebenen
Summe entsprechenden Geldbetrages 67 . Für den Geber ist
dies naturgemäß günstig, weil seine wirtschaftliche Position
dadurch nicht verschlechtert wird. In seinem Willen zu schenken ist
deshalb als ein Minus der Wille inkorporiert, hilfsweise auch ein
Darlehen gewähren zu wollen. Da insoweit die Vorstellungen von
Geber und Empfänger deckungsgleich sind, liegt ein consensus
bezüglich einer causa credendi vor, der die traditio wirksam werden
lässt.
Diese Argumentationstechnik beruht auf dem Gedanken des in
maiore minus inest 68 und erfreut sich unter den Juristen der
klassischen Jurisprudenz einer gewissen Beliebtheit 69 .
Anwendungsfälle sind namentlich im Bereich von Dissenssituationen
beim Abschluss von Rechtsgeschäften nachweisbar 70 ,
also in Konstellationen zu denen auch die hier behandelte zählt.
Es fragt sich allerdings, ob die Annahme, animus donandi und
animus credendi würden sich zueinander verhalten wie maior zu
minus, tatsächlich haltbar ist. Ulpian jedenfalls betrachtet den
animus credendi als ein aliud, wenn er schreibt, dass auch kein
Darlehen zustandegekommen sei. Wo hier der genaue Grenzverlauf
liegt, kann indes nur mit einer wertenden Einzelfallbetrachtung
entschieden werden 71 .
Zu einer Bewertung als aliud gelangt man insbesondere, wenn man
den qualitativen Unterschied, der das Darlehen von der Schenkung
trennt, betont 72 . Immerhin steht Ulpian mit seiner Auffassung auch
nicht alleine da, sie wird namentlich von Paulus in D. 44.7.3.1
66 Vgl. Iul. D. 39.5.1 pr.: „nec ullo casu ad se reverti“.
67 Paul. D. 12.1.2. pr., 2; Hausmaninger / Selb, Römisches Privatrecht, S. 213.
68 Kaser / Knütel, Römisches Privatrecht, S. 152 f.; vgl. auch Lab. D. 32.29.1;
Paul. D. 50.17.110 pr.; Pomp. D. 19.2.52 .
69 Backhaus, ZSS 100, 136 (138, 180 f.).
70 Vgl. dens., a.a.O. (145 ff.).
71 Ders., a.a.O. (139).
72 So Fuchs, Iusta causa traditionis, S. 134.

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geteilt, wo dieser in einem gleichgelagerten Fall die Entstehung
einer vertraglichen Obligation verneint.
Diese Gesichtspunkte vermögen aber nicht darüber hinweg zu
täuschen, dass das Julian-Fragment keine Anhaltspunkte dafür
bietet, ob sein Verfasser wirklich mit dem Gedanken des in maiore
minus inest operieren will. Vielmehr bietet der Quellentext selbst
ein anderes Verständnis an: Wenn Julian schreibt, es sei kein
Hindernis, dass ein Dissens vorliege („nec impedimento esse, quod
[...] dissenserimus“), so legt doch gerade diese Formulierung es
nahe, ihn beim Wort zu nehmen und aus ihr abzuleiten, dass im
konkreten Fall ein Dissens auch wirklich besteht, die Beteiligten
sich also weder auf eine Schenkung, noch auf ein Darlehen
verständigt haben. Hierfür sprechen auch die beiden Bezugspunkte
„causam dandi“ und (scil. causam) „accipiendi“ des „dissenserimus“;
wollte man nämlich meinen, Julian konstruiere ein wirksames
Darlehen, so wären diese Worte sinnlos, ja geradezu falsch,
weil es consentiamus heißen müsste.
So betrachtet handelt es sich bei „sed (...) videndum“ nicht mehr
um eine Referenz, die sich auf Julian bezieht, sondern um einen
von Ulpian in die Diskussion eingeführten, neuen Gesichtspunkt.
Richtigerweise liegt die Betonung deshalb auf „mutua“ und hinter
„videndum“ ist ein est zu ergänzen 73 .
bb) Unbeachtlicher Kausaldissens
Die letzte verbleibende Erklärungsmöglichkeit für den Erfolg der
traditio trotz des Kausaldissenses ist, dass dieser nach der Vorstellung
Julians unbeachtlich sein muss.
Diese Erklärung ergibt sich teilweise aus dem Aufbau des Fragmentes
selbst. Der Bargeldfall fungiert neben dem Grundstücksfall
als zweiter Pfeiler der Begründung für Julians Arbeitshypothese
(vgl. oben S. 11 f.). Den ersten Pfeiler bildet der Grundstücksfall, in
dem die iusta causa traditionis eine Verselbständigung erfahren hat
73 Beseler, ZSS 45, 188 (221).

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und nicht im vorausliegenden Kausalgeschäft – Damnationslegat
oder Stipulation – zu suchen ist, sondern in einer eigenständigen
Erfüllungsabrede, dem titulus pro soluto 74 .
Die durch „veluti“ und „nam et si“ ausgedrückte Gleichordnung der
beiden Pfeiler legt es nahe, Julians Lösung des Bargeldfalles mit
Hilfe eines Transfers zu konstruieren: Abzustellen ist demnach
auch hier auf die Einigung über den schuldbefreienden Charakter
der Leistung. Die Übereignung des Bargeldes gelingt demgemäß,
weil ego und tu darin übereinstimmen, dass das Geld ex causa
solvendi Eigentum des tu werden soll. Der im übrigen zwischen
ihnen bestehende Dissens vermag den Eigentumsübergang entsprechend
der Lösung des Grundstücksfalles nicht zu verhindern
und ist daher unbeachtlich 75 .
Darauf, dass Julian den Eigentumsübergang auf diese Weise
konstruiert, weist auch die das Fragment abschließende Formulierung
„nec impedimento esse, (...) causam dandi atque accipiendi
dissenserimus“ hin. Causa dandi und causa accipiendi stellen hier
durch Abstrahierung gewonnene Oberbegriffe für alle anerkannten
causae dar, Julians Schlussfolgerung, ein sie betreffender Dissens
sei für den Eigentumsübergang kein Hindernis, kann widerspruchsfrei
nur dahingehend verstanden werden, dass es ihm auf einen
Kausalkonsens nicht ankommt.
So betrachtet zeigt sich eine Korrelation zwischen dem Einleitungsund
dem Schlusssatz des Fragmentes, weil beide mit demselben
Abstraktionsgrad („in causis vero dissentiamus“ einerseits, „causam
dandi atque accipiendi dissenserimus“ andererseits) den Kausaldissens
behandeln und einen Rahmen für die wesentlich konkreteren
Erwägungen zum Grundstücks- und Bargeldfall bilden – eine
Darstellungsform, deren Ästhetik nicht zu leugnen ist.
Zweifel an diesem Verständnis des Fragmentes ergeben sich, weil
die römischen Juristen, und unter ihnen insbesondere Ulpian in
D. 12.1.18 pr., ganz überwiegend an dem Erfordernis eines
74 Vgl. Jörs / Kunkel / Wenger, Römisches Recht, S. 127 f. (Fn. 11 f.).

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Kausalkonsenses festhalten 76 , was jede abweichende Auffassung
als eine „Kühnheit“ 77 erscheinen lassen könnte.
Doch ist Julian nicht dafür bekannt, dass er sich scheut, andere
Wege zu gehen als die Mehrzahl seiner Kollegen, was am Beispiel
seiner Position zum Putativtitel bei der Ersitzung belegt werden
kann: Die Ersitzung hängt nach römischem Recht unter anderem
vom Vorliegen einer iusta causa usucapionis ab 78 . In diesem Zusammenhang
besteht darüber Streit, ob eine nur vermeintlich
bestehende iusta causa (sogenannter Putativtitel) für den Eigentumserwerb
ausreichen kann 79 . Wie Afrikan bezeugt 80 , lässt Julian
eine Ersitzung in dieser Konstellation zu, worauf Celsus ihm nicht
ohne Härte antwortet 81 .
Der Streit um den Putativtitel bei der usucapio ist mit der
Problematik um den Kausaldissens bei der traditio deshalb
vergleichbar, weil in beiden Fällen der Erwerber ein tatsächlich
nicht bestehendes Rechtsverhältnis für die causa hält. Wenn aber
Julian bei der Ersitzung, die gegen den Willen des bisherigen
Eigentümers stattfindet, eine abgeschwächte Form der causa
ausreichen lässt, so erscheint es konsequent anzunehmen, dass er
bei der Übereignung vermittels traditio hierauf gänzlich verzichten
will, wenn sich der Veräußerer und der Erwerber jedenfalls über
den Eigentumsübergang an sich geeinigt haben.
c) Schlussfolgerungen
Der Aufbau des Julian-Fragmentes, der Duktus der Argumentation
und der Vergleich mit einer Entscheidung in der Ersitzungskonstellation
führen zu der Schlussfolgerung, dass Julian die causa
75 So auch Mayer-Maly, Römisches Recht, S. 75.
76 Honsell / Mayer-Maly / Selb, Römisches Recht, S. 159.
77 Mayer-Maly, Römisches Recht, S. 75; etwas weniger drastisch Honsell /
Mayer-Maly / Selb, Römisches Recht, S. 159: „starkes Abweichen“.
78 Hausmaninger / Selb, Römisches Privatrecht, S. 155; Honsell,
Römisches Recht, S. 64.
79 Honsell / Mayer-Maly / Selb, Römisches Recht, S. 177 f. .
80 Afr. D. 41.4.11. pr.; vgl. auch Mayer-Maly, Römisches Recht, S. 79
81 Referierend: Ulp. D. 41.3.27: „errare eos ait (...)“.

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des Übereignungstatbestandes nicht in einem vorausliegenden Verpflichtungsgeschäft,
sondern in einer selbständigen Erfüllungsabrede,
dem titulus pro solutione sieht.
Infolgedessen ist die Eigentumsverschaffung immer dann wirksam,
wenn der Veräußerer und der Erwerber bei der Übergabe der Sache
einvernehmlich davon ausgehen, dies geschehe zur Erfüllung
irgendeiner, möglicherweise nicht einmal bestehenden 82 Schuld.
Der Sache nach bedeutet dies, dass die wirksame Einigung über
eine bestimmte causa kein Merkmal des Übereignungstatbestandes
mehr ist.
3. Zu möglichen Interpolationen
Das Julian-Fragment steht in mancherlei Hinsicht unter dem Verdacht
nachklassischer Bearbeitungen 83 . Der Aspekt des gestrichenen
„donatio non est“ wurde bereits oben (S. 17) erörtert.
Eine weitere Interpolationsvermutung betrifft den Begriff traditio.
Hier spielt der Umstand eine Rolle, dass während der Arbeiten an
den justinianischen Digesten die Kompilatoren, wo sie in den
Quellen das Wort mancipatio vorfanden, an seine Stelle die traditio
setzten 84 .
Demgemäß wird in der Literatur die Auffassung vertreten, das
Ursprungsfragment handele jedenfalls im ersten Satz nicht von der
traditio, sondern von der mancipatio 85 , einem Übereignungstatbestand,
der unzweifelhaft keine iusta causa zur Voraussetzung
hat 86 .
Zur Unterstützung dieser Position wird auf den unterschiedlichen
Anwendungsbereich der traditio einerseits und der mancipatio
andererseits hingewiesen: Insbesondere Grundstücke als res mancipi
könnten nur im Wege der mancipatio wirksam übertragen
82 Jörs / Kunkel / Wenger, Römisches Recht, S. 128 (Fn. 13).
83 Vgl. vor allem Hupka, ZSS 52, 1 (6 f.).
84 Banti, RE II, 6, 2, Sp. 1892 (Traditio).
85 Jörs, Geschichte und System, S. 86 (Fn. 3); vorsichtiger Lenel, ZSS 3,
177 (179); Oertmann, Die Fiducia im römischen Privatrecht, S. 29.
86 Honsell / Mayer-Maly / Selb, Römisches Recht, S. 156; Kaser / Knütel,
Römisches Privatrecht, S. 150; vgl. auch Beseler, ZSS 45, 188 (222).

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werden 87 . Allerdings gibt es auch Grundstücke, an denen anerkanntermaßen
mit einer traditio Eigentum verschafft werden kann,
nämlich die außerhalb des italischen Kernlandes gelegenen sogenannten
Provinzialgrundstücke 88 . Der Schluss auf eine Streichung
der mancipatio ist deshalb nicht zwingend, genausogut könnte es
sein, dass mit dem Grundstück ein fundus provincialis gemeint
ist 89 .
Für die Schlussfolgerungen zu 2. c) ist dies ohne Bedeutung, weil
der Grundstücksfall erst Recht, wenn die Übereignung mittels der
abstrakten mancipatio erfolgt, eine Sonderkonstellation darstellt, in
der es auf einen Kausalkonsens nicht ankommt. Im zweiten Satz
muss auch der Ursprungstext von einer traditio handeln, weil
Bargeld zu den der mancipatio nicht zugänglichen res nec mancipi
90 zählt.
Zweifel werden ferner bezüglich des Eingangssatzes („Cum in
corpus [...] traditio“) und des Schlusses der Stelle („constat [...]
dissenserimus“) geäußert. Die vorgebrachten Argumente sind
stilistischer Natur und begründen die Unechtheit mit einem für
Julian unüblichen Sprachgebrauch 91 sowie mit der These, dass
Ulpian sich wohl beugen müsste 92 , wenn Julian tatsächlich derart
energisch („constat“) für einen wirksamen Eigentumserwerb
streiten wollte. Es ist allerdings fraglich, ob diese Argumente es
rechtfertigen, nahezu das gesamte Fragment, jedenfalls aber seine
sinngebenden Bestandteile für unecht zu erklären. Da alle
Versuche, das Fragment stattdessen mit anderen Inhalten aufzufüllen,
reine Spekulationen geblieben sind und andererseits mit dem
87 Lenel, ZSS 3, 177 (179);
88 Hausmaninger / Selb, Römisches Privatrecht, S. 151; Kaser,
Das römische Privatrecht I, S. 351.
89 Beseler, ZSS 45, 188 (222); Hupka, ZSS 52, 1 (6 f.); Mayer-Maly,
Römisches Recht, S. 75.
90 Vgl. Gai. 2.81; Kaser / Knütel, Römisches Privatrecht, S. 120, 151.
91 Beseler, ZSS 45, 188 (221 f.).
92 Ders., Beiträge zur Kritik der römischen Rechtsquellen, Heft 3, S. 57; Pflüger,
Zur Lehre vom Erwerbe des Eigentums nach römischem Recht, S. 20; ähnlich
Kaser, TR 29, 169 (226).

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überlieferten Fragment ein Text vorliegt, der einen schlüssigen
Gedankengang aufweist, ist richtigerweise an diesem festzuhalten
93 .
4. Ergebnis
Der Eigentumserwerb des tu im Grundstücksfall ist unstreitig.
Im Bargeldfall gelangt Julian mittels einer Übertragung der Lösung
des Grundstücksfalles ebenfalls zum wirksamen Eigentumserwerb
des tu.
Ulpian ist anderer Auffassung und verneint einen Eigentumserwerb
unter Hinweis auf den bestehenden Kausaldissens. Da er aber die
exceptio doli gibt, ist tu, unter der Voraussetzung, dass er das Geld
ausgegeben hat, auch nach seiner Lösung nicht zur Rückgabe
verpflichtet.
VI. Vergleich mit dem geltenden Recht
Für die Lösung nach dem geltenden Recht ist zunächst zwischen
Mobilien und Immobilien zu differenzieren:
Das Eigentum an beweglichen Sachen wird gem. § 929 S. 1 BGB
übertragen, wenn der Eigentümer dem Erwerber die Sache übergibt
und beide über den Eigentumsübergang einig sind. Nach dem
Wortlaut muss die Einigung nur beinhalten, dass das Eigentum an
einer bestimmten Sache vom Eigentümer auf den Erwerber
übergehen soll. Warum die Eigentumsübertragung stattfindet, ist
bedeutungslos.
Demzufolge wird die Einigung als ein dingliches Rechtsgeschäft
bezeichnet, das getrennt von der zugrundeliegenden Verpflichtung
betrachtet werden muss und in seinem Bestand von diesem nicht
abhängt 94 . Letzteres wird als Abstraktionsprinzip bezeichnet 95 und
im BGB bereits dadurch deutlich gemacht, dass die Verpflichtungen
in einem ganz anderen systematischen Kontext (Buch 2,
93 Hupka, ZSS 52, 1 (18, 30).
94 Palandt-Bassenge, § 929, Rnr. 2; Einf. v. § 854, Rnrn. 11, 16;
Schreiber, Sachenrecht, Rnrn. 27, 153.
95 Vgl. statt vieler Schreiber / Kreutz, Jura 1989, 617 ff. .

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Schuldverhältnissse) als der Eigentumserwerb (Buch 3, Sachenrecht)
behandelt werden.
Die Rechtsfolge des § 929 S. 1 BGB tritt somit ein, ohne dass die
Beteiligten sich auf irgendein Kausalgeschäft, dessen Erfüllung sie
herbeiführen wollen, verständigt haben. Die Übergabe des Bargeldes
von ego an tu bei gleichzeitigem Einigsein über den Eigentumsübergang
lässt tu dieses zu Eigentum erlangen.
Für die Übertragung des Eigentums an Grundstücken sind die
§§ 873, 925 BGB einschlägig. Nach § 873 Abs. 1 iVm. § 925
Abs. 1 S. 1 BGB ist wiederum eine Einigung über die Rechtsänderung
und – anstelle der Übergabe – die Eintragung in das
Grundbuch erforderlich. § 873 Abs. 1 BGB ist dem § 929 S. 1 BGB
nachgebildet, die Einigung wird in § 925 Abs. 1 S. 1 BGB als Auflassung
bezeichnet, gehorcht aber ansonsten denselben Regeln 96 .
Infolgedessen ist auch hier die Wirksamkeit eines Kausalgeschäftes
kein Tatbestandsmerkmal. Tu ist, wenn man seine Eintragung in
das Grundbuch unterstellt, Eigentümer des Grundstückes geworden.
Ein Herausgabeanspruch des ego gem. § 985 BGB scheitert daher
in beiden Fällen; dass ego von tu möglicherweise Rückübereignung
des Geldes bzw. des Grundstückes gem. § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1
BGB verlangen kann, ändert an dem wirksamen Eigentumserwerb
nichts. Dieses Ergebnis entspricht dem Willen des Gesetzgebers
und spiegelt die Erwägung wider, dass über die Eigentumsverhältnisse
an Sachen im Interesse des Rechtsverkehrs die
größtmögliche Klarheit herrschen soll 97 .
Wegweisend 98 für diese gesetzgeberische Bewertung war F. C. von
Savigny, der aus Iul. D. 41.1.36 den Gedanken entwickelte, dass der
zwischen dem Veräußerer und dem Erwerber bestehende Konsens
96 Erman-Lorenz, § 873, Rnrn. 1, 12; Schreiber, Sachenrecht, Rnr. 345;
Westermann, BGB-Sachenrecht, Rnrn. 313 ff. .
97 Vgl. Motive III, S. 6 ff. , so insbesondere S. 7.
98 Honsell / Mayer-Maly / Selb, Römisches Recht, S. 160; Kaser / Knütel,
Römisches Privatrecht, S. 153; Schreiber / Kreutz, Jura 1989, 617 (622).

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über den Eigentumsübergang (zusammen mit der Sachübergabe)
zum Erwerb führen solle 99 .
Dass die gesetzgeberische Bewertung selbstverständlich anders
ausfallen kann, zeigt ein Blick nach Österreich und in die
Schweiz 100 : § 380 ABGB bzw. Art. 714 Abs. 1, 922 ZGB machen
den wirksamen Eigentumserwerb von einem Titel abhängig, stellen
also eine kausale Verknüpfung her und folgen insofern Ulpian.
99 v. Savigny, System des heutigen Römischen Rechts, Band 4, S. 160.
100 Vgl. Honsell, Römisches Recht, S. 59; Mayer-Maly, Römisches Recht, S. 72.