Iannis Xenakis
Iannis Xenakis
Iannis Xenakis
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<strong>Iannis</strong> <strong>Xenakis</strong><br />
(1922-2001)<br />
Geschichte und Technik<br />
von<br />
Musique Stochastique – ST<br />
Jeff Schöner<br />
IMPRS<br />
<strong>Iannis</strong> <strong>Xenakis</strong> – p. 1/18
Was ist ST?<br />
ST bezeichnet Musique Stochastique.<br />
ST ist nicht nur eine Komposition, sondern sieben<br />
komponiert durch das gleiche System.<br />
Die Kompositionen sind Januar 1962 angefangen<br />
und September beendet.<br />
<strong>Xenakis</strong> beschrieb ST zuerst in den vierten Kapitel<br />
(Musique stochastique libre, á l’ordinateur) seines<br />
Buches Musique formelles (1963).<br />
<strong>Iannis</strong> <strong>Xenakis</strong> – p. 2/18
Kompositionnamen<br />
Jede Komposition hat einen Nummerncode in der<br />
Form von,<br />
ST/i - f,d<br />
i ist die Anzahl Instrumente<br />
f ist der Nummer der Fassung<br />
d ist das Datum des Rechenlaufs<br />
z.B. ST/10 - 3,060962 ist eine dritte Fassung für<br />
zehn Instrumente, die 6. September 1962<br />
komponiert wurde. Auch heißt sie Atrées.<br />
<strong>Iannis</strong> <strong>Xenakis</strong> – p. 3/18
Stochastique<br />
„Stochastik“, als moderner Sammelbegriff,<br />
umfasst in der Mathematik und Statistik alles,<br />
was mit Wahrscheinlichkeitsrechnung zu tun<br />
hat. Sie beschäftigt sich mit der<br />
mathematischen Analyse zufälliger Ereignisse<br />
und trägt damit zur Instrumentalisierung der<br />
erkannten Gesetzmässigkeiten zum Zwecke<br />
statistischer Untersuchung bei.<br />
—Baltensperger<br />
Also wurden die ST Kompositionen durch<br />
Wahrscheinlichkeit geformt.<br />
<strong>Iannis</strong> <strong>Xenakis</strong> – p. 4/18
Dauern<br />
Die Dauern der Ereignisse (Ton, Klang) gehorchen<br />
der Exponentialverteilung.<br />
P (x) = δ · e −δx<br />
Parameter δ heißt Dichte.<br />
4.5<br />
4<br />
2.5*exp(-2.5*x)<br />
4.5*exp(-4.5*x)<br />
3.5<br />
3<br />
2.5<br />
2<br />
1.5<br />
1<br />
0.5<br />
0<br />
0 0.5 1 1.5 2 2.5 3<br />
<strong>Iannis</strong> <strong>Xenakis</strong> – p. 5/18
Wolken<br />
Wolken bestehen aus vielen zufällig verteilten<br />
Tonpunkten.<br />
Parameter 1: die Dichte, µ (Töne/sec)<br />
Parameter 2: die Intervalle, γ (Halbtönen)<br />
<strong>Iannis</strong> <strong>Xenakis</strong> – p. 6/18
Wolkendichte, µ<br />
Gehorcht die Poisson-Verteilung.<br />
Jede Wolke hat ihre eigene µ, die zufällig bestimmt<br />
wird. Es gibt µ 0 , die ein durchschnittlicher Wert für<br />
die ganze Komposition ist.<br />
P (k) = µk 0<br />
k! e−µ 0<br />
0.35<br />
0.3<br />
0.25<br />
mu = 2.5<br />
mu = 4.5<br />
0.2<br />
0.15<br />
0.1<br />
0.05<br />
0<br />
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10<br />
<strong>Iannis</strong> <strong>Xenakis</strong> – p. 7/18
Wolkentonhöhen, γ<br />
Gehorchen der lineare Verteilung mit Parameter a<br />
(Maximumintervall)<br />
Θ(γ)dγ = 2 a (1 − γ a )dγ<br />
Auch benutzt eine binäre Variable, um zu<br />
bestimmen, ob der Ton steigt oder sinkt.<br />
0.3<br />
0.25<br />
(2.0/80.0)*(1.0-x/80.0)<br />
(2.0/7.2)*(1.0-x/7.2)<br />
0.2<br />
0.15<br />
0.1<br />
0.05<br />
0<br />
0 1 2 3 4 5 6 7<br />
<strong>Iannis</strong> <strong>Xenakis</strong> – p. 8/18
Glissando-Geschwindigkeiten<br />
Gehorchen die Normalverteilung mit Parameter a<br />
(Aggregats-Temperatur).<br />
„Temperatur“? Kinetische Gastheorie gehorcht die<br />
Normalverteilung, und ist die Inspiration von<br />
1.6<br />
<strong>Xenakis</strong>.<br />
f(v) = 2<br />
a √ 2<br />
· e−<br />
v2<br />
1.4<br />
1.2<br />
1<br />
a = 2<br />
a = 1<br />
a 2 0<br />
0.8<br />
0.6<br />
0.4<br />
0.2<br />
-2 -1.5 -1 -0.5 0 0.5 1 1.5 2<br />
<strong>Iannis</strong> <strong>Xenakis</strong> – p. 9/18
Dynamik<br />
vier dynamische „Zonen“: ppp, p, f, ff<br />
64 Kombinationen (von 3), aber nur 44 sind<br />
musikalisch unterscheidbaren<br />
jede Kombination hat die gleiche<br />
Wahrscheinlichkeit: 1<br />
44 , also Gleichverteilung <strong>Iannis</strong> <strong>Xenakis</strong> – p. 10/18
Instrumentwahl<br />
Alle Klangfarben werden in ähnliche Klassen<br />
getrennt, die eindeutige Nummern bekommen.<br />
Zufällig wird einen Prozentwert für jede<br />
Klangfarben-Klasse (nach der linearen Verteilung)<br />
entschieden.<br />
Dieser Wert bestimmt, welchen Teil der Noten der<br />
Klangfarbegruppe spielt.<br />
Es gibt n Kugeln in einer Tasche: ein für jeden Ton,<br />
der möglich gespielt werden kann.<br />
Eine proportionale Anzahl der n Kugeln wurde<br />
zufällig jeder Klasse gegeben.<br />
<strong>Iannis</strong> <strong>Xenakis</strong> – p. 11/18
„Phases fondamentales d’une œuvre<br />
musicale“ / Komposition Prozess<br />
Acht Phasen in zwei Teilen<br />
Eerster Teil: Vorbereitung<br />
1. ursprüngliche Idee (Conceptions initiales)<br />
2. Definition der vorgesehenen klanglichen Elemente<br />
(Définition d’êtres sonores)<br />
3. Makrokomposition: Definition der Transformationen<br />
(Définition des transformations)<br />
4. Mikrokomposition: das vollständige mathematische<br />
Modell definieren (Microcomposition)<br />
5. sequentielle Programmierung des Modells<br />
(Programmation séquentielle)<br />
<strong>Iannis</strong> <strong>Xenakis</strong> – p. 12/18
„Phases fondamentales d’une œuvre<br />
musicale“ / Komposition Prozess<br />
Zweiter Teil: Fabrikation<br />
6. Ausführung der Rechenoperationen (Effectuation des<br />
calculs)<br />
7. Übertragung des numerisch ausgegebenen<br />
Resultates in Musiknotation (Résultat final symbolique)<br />
8. klangliche Realisierung (Incarnation sonore)<br />
<strong>Iannis</strong> <strong>Xenakis</strong> – p. 13/18
Pseudocode<br />
Konstanten, Tafeln berechen<br />
Sequenze (wiederholen bis genug Sequenzen)<br />
Sequenzlänge (exponentialverteilt)<br />
Mittlere Dichte (Poisson-verteilt)<br />
Klangfarben Verteilung / Orchesterbesetzung<br />
Ton (wiederholen bis genug Tönen)<br />
Einsatzzeitpunkt (exponentialverteilt)<br />
Instrumente („Kugeln in einer Tasche“)<br />
Tonhöhe (linear verteilt)<br />
Glissando-Geschwindigkeit (Normalverteilt)<br />
Dauer (Normalverteilt)<br />
Dynamik (Gleichverteilung)<br />
Ausdrücken, etc.<br />
<strong>Iannis</strong> <strong>Xenakis</strong> – p. 14/18
Anmerkung<br />
Für Dauer und Dynamik gibt es eine Tabelle, die<br />
Information über die Möglichkeiten jedes<br />
Instrumententes enthält.<br />
Wenn ein Dauer- oder Dynamikwert zufällig<br />
generiert wird, der nicht möglich gespielt werden<br />
kann, muß ein neuer generiert werden.<br />
<strong>Iannis</strong> <strong>Xenakis</strong> – p. 15/18
Realisation der Komposition: Software<br />
ST wurde mit der Programmierungsprache<br />
FORTRAN programmiert.<br />
Weil eine Rechnung nur Sequential arbeiten kann,<br />
mußte alles sequentiell berechnet werden.<br />
Zudem wurde Funktionprogrammierung nicht<br />
benutzt, sondern sogenannte „spaghetti code“ mit<br />
viele gotos.<br />
Die Komposition wurde nicht in Echtzeit gespielt<br />
oder berechnet, sondern als Seiten von Nummern<br />
ausgedrückt und später zu Notenblätter<br />
überschrieben.<br />
<strong>Iannis</strong> <strong>Xenakis</strong> – p. 16/18
Realisation der Komposition: Hardware<br />
IBM-7090<br />
Es wurde verwendet, um ST zu berechnen.<br />
Es kostete $3.000.000, aber konnte für $70.000 ($<br />
450.000 mit heutigen Dollars) pro Monat gemietet<br />
werden. 32KB Speicher / 460kHz Prozessor<br />
<strong>Iannis</strong> <strong>Xenakis</strong> – p. 17/18
Literatur/Quellen<br />
André Baltensperger, <strong>Iannis</strong> <strong>Xenakis</strong> und die<br />
Stochastische Musik. Komposition im Spannungsfeld von<br />
Architektur und Mathematik, Zürich, Paul Haupt, 1995,<br />
709p. Kapitel III: „Musique Stochastique – ST“,<br />
Anhang: „Mathematische Excursen“<br />
http://www.frobenius.com/7090.htm<br />
<strong>Iannis</strong> <strong>Xenakis</strong> – p. 18/18