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PORTRÄT - os maritime

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<strong>PORTRÄT</strong><br />

Immer in Aktion: „Attessa IV“-<br />

Kapitän Olaf Steckstor (links)<br />

beobachtet mit Kollegen<br />

angespannt das Manöver der<br />

Tender-Crew. Sein Arbeitstag<br />

dauert oft bis zu 16 Stunden.<br />

112 BOOTE EXCLUSIV 1/13


Der lange Weg<br />

zu 100 Metern<br />

Sie sind ein elitärer Zirkel. Weltweit gibt es nur knapp<br />

30 Kapitäne, die Yachten über 100 Meter Länge steuern.<br />

BOOTE EXCLUSIV traf einen der wenigen deutschen.<br />

Text Marcus Krall Fot<strong>os</strong> Marcus Krall, Neil Rabinowitz<br />

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<strong>PORTRÄT</strong><br />

Entspannte Haltung: Auf der 100 Meter langen „Attessa IV“ ist Olaf Steckstor auf seiner Traump<strong>os</strong>ition angekommen.<br />

Der Weg von der Badeplattform zu<br />

seinem Arbeitsplatz ist lang. Geschätzte<br />

150 Meter marschieren<br />

die Stewardess und ich vom Tenderanleger<br />

bis zur Brücke. Treppauf, treppab und<br />

die Eignergemächer leise umgehend –<br />

es ist nicht ganz klar, ob die Nacht dort<br />

drinnen schon zu Ende ist.<br />

„Hier muss man gut zu Fuß sein, oder?“,<br />

begrüßt uns Olaf Steckstor in trockener<br />

norddeutscher Mundart und schließt die<br />

Tür zum Steuerstand der „Attessa IV“.<br />

„So, jetzt weiß der Eigner, dass er mich<br />

nicht stören kann.“ Mein Blick scheint<br />

Bände zu sprechen. Nicht stören? Die<br />

Angestellten seiner eigenen 100-Meter-<br />

Yacht? „Ist eine stille Verabredung. Er<br />

respektiert meine Privatsphäre. Außerdem<br />

weiß er ja, dass ich dich zu Besuch<br />

habe.“ Dennis Washington, einer der<br />

reichsten Männer der Welt (Nr. 205 der<br />

Forbes-Liste), hat also der Geschichte,<br />

die ich Steckstor vorgeschlagen habe,<br />

seinen Segen gegeben: Wie wird man<br />

Kapitän einer 100-Meter-Yacht?<br />

100 Meter, nicht 100 Fuß!<br />

Wir sitzen auf dem Sofa der Brücke, Blick<br />

auf Monaco, und die erste, spontane<br />

Antwort ist verblüffend. „Aus Zufall.“<br />

„Wie wird man Kapitän auf einer<br />

100-Meter-Yacht?“ „Aus Zufall.“<br />

Irgendwann, so Steckstor, sei halt ein<br />

Anruf gekommen, ob er den Job hier<br />

übernehmen könne. Zunächst denkt<br />

er, dass es sich um eine 100-Fuß-Yacht<br />

handelt, weil die Telefonverbindung so<br />

schlecht ist. Als dann aber von der Verantwortung<br />

für 26 Crewmitglieder die<br />

Rede ist, wird ihm klar, dass es sich um<br />

100 Meter handeln muss. Eine Woche<br />

später sei er dann schon ohne jegliches<br />

Vorstellungsgespräch mit dem Eigner<br />

nach St. Maarten geflogen und mit<br />

„Attessa IV“ p<strong>os</strong>twendend über den<br />

Atlantik gefahren. „Die Vorgeschichte<br />

dazu“, schmunzelt er jetzt, „ist allerdings<br />

etwas länger.“<br />

Sie beginnt im Juli 1990. Wie viele seiner<br />

Kollegen steigt Steckstor über die<br />

Marine in die Seefahrt ein. Fährt zehn<br />

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„Attessa IV“ in Fahrt: Die 100 Meter lange und knapp 17 Meter breite Yacht<br />

entstand aus einem Umbau der 92 Meter langen „Evergreen“; das Styling stammt<br />

von Glade Johnson. Bei Topspeed erreicht „Attessa IV“ 25 Knoten.<br />

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<strong>PORTRÄT</strong><br />

Glamouröser Arbeitsplatz: Die Brücke verdient die Auszeichnung „exzellent ausgestattet“.<br />

Auch ihren Ausbau ließ der Eigner auf seiner eigenen Werft durchführen.<br />

Ständige Absprachen: Mit seinen drei<br />

Offizieren plant Steckstor jeden Tag für<br />

Eigner, Gäste und Crew genau durch.<br />

Jahre lang als Offizier und Kapitän auf<br />

Minensuchern und Versorgern bis 120<br />

Meter Länge, erkennt aber schließlich,<br />

dass eine militärische Karriere nicht das<br />

Maß aller Dinge ist. „Leider“, sagt er,<br />

„reicht das militärische Patent nicht komplett<br />

für die Handelsschifffahrt.“<br />

Als Kapitän auf die Schulbank<br />

Also drückt er, bereits mit reichlich Erfahrung<br />

ausgestattet, noch einmal die<br />

Schulbank. In Warnemünde besteht er<br />

die notwendigen Zusatzprüfungen – „das<br />

waren vor allem rechtliche Themen“ –<br />

und muss sich nun „freifahren“, wie<br />

es im <strong>maritime</strong>n Jargon heißt; Meilen<br />

sammeln, um Erfahrung nachzuweisen.<br />

Ein Jahr hält Steckstor es auf einem Containerschiff<br />

aus, bis ihn ein Bekannter<br />

aus dem heimischen Ostfriesland auf ein<br />

95 Meter langes Forschungsschiff der<br />

NATO als Offizier abwirbt. Da es unter<br />

deutscher Flagge fährt und als Hilfsschiff<br />

der Bundeswehr registriert ist, müssen<br />

Kapitän und Offizier aus Deutschland<br />

stammen. Sieben Jahre bleibt Steckstor,<br />

zunächst als zweiter Mann, später als<br />

Kapitän, und genießt die Zeit sehr. „Ein<br />

ganz toller Job. Wir waren weltweit unterwegs<br />

und haben zudem viele Events<br />

für Politiker und Wirtschaftsgrößen ausgerichtet.<br />

Als Kapitän war ich dort ein<br />

Kapitän ganz alter Schule: Repräsentant<br />

und Respektsperson.“<br />

Der nächste „Bruch“ im Lebenslauf<br />

kommt der P<strong>os</strong>ition auf „Attessa IV“<br />

dann langsam näher. Wiederum ein<br />

Bekannter überzeugt ihn, ins Yachting<br />

zu wechseln. Es ist der damalige Kapitän<br />

der 105 Meter langen „Lady Moura“.<br />

Liegeplatz Monaco, 70 Angestellte, eine<br />

ganz andere Welt als bisher.<br />

Schluss nach drei Monaten<br />

„Das Vergnügen“, erinnert sich Steckstor<br />

etwas schmerzlich, „währte allerdings<br />

nur kurz. Nach einem Zwischenfall musste<br />

der Kapitän gehen und ich als sein<br />

Stellvertreter ebenfalls. Das war quasi<br />

ein ungeschriebenes Gesetz.“ Und eine<br />

bittere Erfahrung: den Traumjob bei der<br />

NATO aufgegeben und dann nach drei<br />

Einen Traumjob<br />

aufgegeben und<br />

schnell arbeitsl<strong>os</strong><br />

Monaten arbeitsl<strong>os</strong>. Doch Steckstor<br />

steckt nicht auf, hat Gefallen am Yachtbusiness<br />

gefunden. „Ich machte kleinere<br />

Jobs, Überführungen vom Mittelmeer<br />

in den Mittleren Osten und baute mein<br />

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<strong>PORTRÄT</strong><br />

Fast immer vor Anker: Mit „Attessa IV“ läuft Steckstor kaum eine Marina an. Eigner<br />

Dennis Washington übernachtet lieber etwas abseits der oft engen Liegeplätze.<br />

Netzwerk konsequent aus.“ Er schickt<br />

seinen Lebenslauf um die Welt, verknüpft<br />

sich auf Internet-Plattformen mit<br />

potenziellen Arbeitgebern und sammelt<br />

in Marinas und auf Veranstaltungen fleißig<br />

Visitenkarten.<br />

Dann, völlig unerwartet, kommt die<br />

Anfrage aus Hamburg: Blue Ocean Yacht<br />

Management sucht für die kommenden<br />

zweieinhalb Jahre einen Baukapitän für<br />

die 115 Meter lange „Luna“ und die 163<br />

Meter lange „Eclipse“. Ob sich Steckstor<br />

Bauaufsicht für<br />

insgesamt<br />

278 Yachtmeter<br />

das zutrauen würde? „Ein Wahnsinnsangebot“,<br />

strahlt er noch heute, zwei<br />

Jahre später. Es ist der endgültige Eintritt<br />

in die Oberklasse des Superyachtings.<br />

Steckstor pendelt fortan zwischen den<br />

beiden Bauplätzen in Bremerhaven<br />

(„Luna“) und Hamburg („Eclipse“) und<br />

kontrolliert unter anderem die Installation<br />

der Navigations- und Kommunikationselektronik<br />

oder des Sicherheitsequipments.<br />

„Ich war einer von wenigen<br />

Projektmanagern und der einzige, der<br />

beide Yachten betreute.“<br />

Erfahrung mit Charteryachten<br />

Ständig fahren darf er eine der Yachten<br />

des sehr bekannten Eigners nach den<br />

Seatrials allerdings nicht. „Das war vertraglich<br />

festgehalten. Sobald die Yachten<br />

fertig wären, würden die altbewährten<br />

Kapitäne des Eigners übernehmen.“<br />

Steckstor, zwar mit reichlich Erfahrung<br />

und neuem Wissen ausgestattet, steht<br />

nach einer aufregenden Zeit also wieder<br />

auf der Straße. Allerdings ist er jetzt so<br />

fest im Yachtbusiness verankert, dass er<br />

bereits nach vier Wochen auf einer 60<br />

Meter langen Charteryacht anheuert und<br />

nach einigen Monaten auf ein anderes,<br />

ebenso langes Format wechselt. Erwähnen<br />

möchte er die Namen der beiden<br />

Yachten allerdings nicht. „Das waren<br />

schwierige Jobs, die mir auch die eine<br />

oder andere Schattenseite der Szene<br />

verdeutlicht haben.“ Als einer der Jobs<br />

sogar gesundheitliche Auswirkungen<br />

hat, wechselt Steckstor wieder auf eine<br />

Werft, um einen Neubau zu betreuen,<br />

bis eben besagter Anruf mit der etwas<br />

schlechten Verbindung kommt.<br />

Er kann nur ahnen, wie man auf ihn<br />

aufmerksam wurde, da es ihm der Eigner<br />

bislang nicht mitgeteilt hat – und er<br />

„selbstverständlich nicht gefragt“ hat.<br />

„Ich glaube aber“, so Steckstor, „dass<br />

mich ein mit dem Eigner gut bekannter<br />

Yachtbroker empfohlen hat. Ihm hatte ich<br />

vor einiger Zeit meinen Lebenslauf geschickt.“<br />

Wie der Weg auch war: Das für<br />

sich selbst vor vielen Jahren formulierte<br />

Ziel, irgendwann eine 100-Meter-Yacht<br />

zu fahren, hat er erreicht. Doch ist es<br />

wirklich ein Traumjob? „Nun“, sagt er,<br />

„selbstverständlich ist es ein Traumjob.<br />

Yachten über 100 Meter Länge gibt es<br />

schließlich nicht sehr viele, das ist schon<br />

ein elitärer Zirkel. Wir arbeiten allerdings<br />

auch hart.“ Arbeitstage von 16 Stunden<br />

seien normal, ebenso die ständige Bereitschaft,<br />

sich auf Gäste oder neue Ziele<br />

einzustellen. „Zum Glück ist der Eigner<br />

sehr nett und die Crew eingespielt“, so<br />

Steckstor. „Sonst kann auch auf einer<br />

großen Yacht so etwas wie Lagerkoller<br />

aufkommen.“ Einzig der Kontakt zu seiner<br />

Familie, der fehle ihm schon sehr.<br />

Viele Telefonate könnten den normalen<br />

Alltag daheim nicht ersetzen. Einen kleinen<br />

Wermutstropfen hat der Traumjob<br />

also doch.<br />

Ehrenplatz: Das Stofftier seiner Tochter<br />

steht in Steckstors Kapitänskabine.<br />

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