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<strong>PORTRÄT</strong><br />
Immer in Aktion: „Attessa IV“-<br />
Kapitän Olaf Steckstor (links)<br />
beobachtet mit Kollegen<br />
angespannt das Manöver der<br />
Tender-Crew. Sein Arbeitstag<br />
dauert oft bis zu 16 Stunden.<br />
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Der lange Weg<br />
zu 100 Metern<br />
Sie sind ein elitärer Zirkel. Weltweit gibt es nur knapp<br />
30 Kapitäne, die Yachten über 100 Meter Länge steuern.<br />
BOOTE EXCLUSIV traf einen der wenigen deutschen.<br />
Text Marcus Krall Fot<strong>os</strong> Marcus Krall, Neil Rabinowitz<br />
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<strong>PORTRÄT</strong><br />
Entspannte Haltung: Auf der 100 Meter langen „Attessa IV“ ist Olaf Steckstor auf seiner Traump<strong>os</strong>ition angekommen.<br />
Der Weg von der Badeplattform zu<br />
seinem Arbeitsplatz ist lang. Geschätzte<br />
150 Meter marschieren<br />
die Stewardess und ich vom Tenderanleger<br />
bis zur Brücke. Treppauf, treppab und<br />
die Eignergemächer leise umgehend –<br />
es ist nicht ganz klar, ob die Nacht dort<br />
drinnen schon zu Ende ist.<br />
„Hier muss man gut zu Fuß sein, oder?“,<br />
begrüßt uns Olaf Steckstor in trockener<br />
norddeutscher Mundart und schließt die<br />
Tür zum Steuerstand der „Attessa IV“.<br />
„So, jetzt weiß der Eigner, dass er mich<br />
nicht stören kann.“ Mein Blick scheint<br />
Bände zu sprechen. Nicht stören? Die<br />
Angestellten seiner eigenen 100-Meter-<br />
Yacht? „Ist eine stille Verabredung. Er<br />
respektiert meine Privatsphäre. Außerdem<br />
weiß er ja, dass ich dich zu Besuch<br />
habe.“ Dennis Washington, einer der<br />
reichsten Männer der Welt (Nr. 205 der<br />
Forbes-Liste), hat also der Geschichte,<br />
die ich Steckstor vorgeschlagen habe,<br />
seinen Segen gegeben: Wie wird man<br />
Kapitän einer 100-Meter-Yacht?<br />
100 Meter, nicht 100 Fuß!<br />
Wir sitzen auf dem Sofa der Brücke, Blick<br />
auf Monaco, und die erste, spontane<br />
Antwort ist verblüffend. „Aus Zufall.“<br />
„Wie wird man Kapitän auf einer<br />
100-Meter-Yacht?“ „Aus Zufall.“<br />
Irgendwann, so Steckstor, sei halt ein<br />
Anruf gekommen, ob er den Job hier<br />
übernehmen könne. Zunächst denkt<br />
er, dass es sich um eine 100-Fuß-Yacht<br />
handelt, weil die Telefonverbindung so<br />
schlecht ist. Als dann aber von der Verantwortung<br />
für 26 Crewmitglieder die<br />
Rede ist, wird ihm klar, dass es sich um<br />
100 Meter handeln muss. Eine Woche<br />
später sei er dann schon ohne jegliches<br />
Vorstellungsgespräch mit dem Eigner<br />
nach St. Maarten geflogen und mit<br />
„Attessa IV“ p<strong>os</strong>twendend über den<br />
Atlantik gefahren. „Die Vorgeschichte<br />
dazu“, schmunzelt er jetzt, „ist allerdings<br />
etwas länger.“<br />
Sie beginnt im Juli 1990. Wie viele seiner<br />
Kollegen steigt Steckstor über die<br />
Marine in die Seefahrt ein. Fährt zehn<br />
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„Attessa IV“ in Fahrt: Die 100 Meter lange und knapp 17 Meter breite Yacht<br />
entstand aus einem Umbau der 92 Meter langen „Evergreen“; das Styling stammt<br />
von Glade Johnson. Bei Topspeed erreicht „Attessa IV“ 25 Knoten.<br />
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<strong>PORTRÄT</strong><br />
Glamouröser Arbeitsplatz: Die Brücke verdient die Auszeichnung „exzellent ausgestattet“.<br />
Auch ihren Ausbau ließ der Eigner auf seiner eigenen Werft durchführen.<br />
Ständige Absprachen: Mit seinen drei<br />
Offizieren plant Steckstor jeden Tag für<br />
Eigner, Gäste und Crew genau durch.<br />
Jahre lang als Offizier und Kapitän auf<br />
Minensuchern und Versorgern bis 120<br />
Meter Länge, erkennt aber schließlich,<br />
dass eine militärische Karriere nicht das<br />
Maß aller Dinge ist. „Leider“, sagt er,<br />
„reicht das militärische Patent nicht komplett<br />
für die Handelsschifffahrt.“<br />
Als Kapitän auf die Schulbank<br />
Also drückt er, bereits mit reichlich Erfahrung<br />
ausgestattet, noch einmal die<br />
Schulbank. In Warnemünde besteht er<br />
die notwendigen Zusatzprüfungen – „das<br />
waren vor allem rechtliche Themen“ –<br />
und muss sich nun „freifahren“, wie<br />
es im <strong>maritime</strong>n Jargon heißt; Meilen<br />
sammeln, um Erfahrung nachzuweisen.<br />
Ein Jahr hält Steckstor es auf einem Containerschiff<br />
aus, bis ihn ein Bekannter<br />
aus dem heimischen Ostfriesland auf ein<br />
95 Meter langes Forschungsschiff der<br />
NATO als Offizier abwirbt. Da es unter<br />
deutscher Flagge fährt und als Hilfsschiff<br />
der Bundeswehr registriert ist, müssen<br />
Kapitän und Offizier aus Deutschland<br />
stammen. Sieben Jahre bleibt Steckstor,<br />
zunächst als zweiter Mann, später als<br />
Kapitän, und genießt die Zeit sehr. „Ein<br />
ganz toller Job. Wir waren weltweit unterwegs<br />
und haben zudem viele Events<br />
für Politiker und Wirtschaftsgrößen ausgerichtet.<br />
Als Kapitän war ich dort ein<br />
Kapitän ganz alter Schule: Repräsentant<br />
und Respektsperson.“<br />
Der nächste „Bruch“ im Lebenslauf<br />
kommt der P<strong>os</strong>ition auf „Attessa IV“<br />
dann langsam näher. Wiederum ein<br />
Bekannter überzeugt ihn, ins Yachting<br />
zu wechseln. Es ist der damalige Kapitän<br />
der 105 Meter langen „Lady Moura“.<br />
Liegeplatz Monaco, 70 Angestellte, eine<br />
ganz andere Welt als bisher.<br />
Schluss nach drei Monaten<br />
„Das Vergnügen“, erinnert sich Steckstor<br />
etwas schmerzlich, „währte allerdings<br />
nur kurz. Nach einem Zwischenfall musste<br />
der Kapitän gehen und ich als sein<br />
Stellvertreter ebenfalls. Das war quasi<br />
ein ungeschriebenes Gesetz.“ Und eine<br />
bittere Erfahrung: den Traumjob bei der<br />
NATO aufgegeben und dann nach drei<br />
Einen Traumjob<br />
aufgegeben und<br />
schnell arbeitsl<strong>os</strong><br />
Monaten arbeitsl<strong>os</strong>. Doch Steckstor<br />
steckt nicht auf, hat Gefallen am Yachtbusiness<br />
gefunden. „Ich machte kleinere<br />
Jobs, Überführungen vom Mittelmeer<br />
in den Mittleren Osten und baute mein<br />
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<strong>PORTRÄT</strong><br />
Fast immer vor Anker: Mit „Attessa IV“ läuft Steckstor kaum eine Marina an. Eigner<br />
Dennis Washington übernachtet lieber etwas abseits der oft engen Liegeplätze.<br />
Netzwerk konsequent aus.“ Er schickt<br />
seinen Lebenslauf um die Welt, verknüpft<br />
sich auf Internet-Plattformen mit<br />
potenziellen Arbeitgebern und sammelt<br />
in Marinas und auf Veranstaltungen fleißig<br />
Visitenkarten.<br />
Dann, völlig unerwartet, kommt die<br />
Anfrage aus Hamburg: Blue Ocean Yacht<br />
Management sucht für die kommenden<br />
zweieinhalb Jahre einen Baukapitän für<br />
die 115 Meter lange „Luna“ und die 163<br />
Meter lange „Eclipse“. Ob sich Steckstor<br />
Bauaufsicht für<br />
insgesamt<br />
278 Yachtmeter<br />
das zutrauen würde? „Ein Wahnsinnsangebot“,<br />
strahlt er noch heute, zwei<br />
Jahre später. Es ist der endgültige Eintritt<br />
in die Oberklasse des Superyachtings.<br />
Steckstor pendelt fortan zwischen den<br />
beiden Bauplätzen in Bremerhaven<br />
(„Luna“) und Hamburg („Eclipse“) und<br />
kontrolliert unter anderem die Installation<br />
der Navigations- und Kommunikationselektronik<br />
oder des Sicherheitsequipments.<br />
„Ich war einer von wenigen<br />
Projektmanagern und der einzige, der<br />
beide Yachten betreute.“<br />
Erfahrung mit Charteryachten<br />
Ständig fahren darf er eine der Yachten<br />
des sehr bekannten Eigners nach den<br />
Seatrials allerdings nicht. „Das war vertraglich<br />
festgehalten. Sobald die Yachten<br />
fertig wären, würden die altbewährten<br />
Kapitäne des Eigners übernehmen.“<br />
Steckstor, zwar mit reichlich Erfahrung<br />
und neuem Wissen ausgestattet, steht<br />
nach einer aufregenden Zeit also wieder<br />
auf der Straße. Allerdings ist er jetzt so<br />
fest im Yachtbusiness verankert, dass er<br />
bereits nach vier Wochen auf einer 60<br />
Meter langen Charteryacht anheuert und<br />
nach einigen Monaten auf ein anderes,<br />
ebenso langes Format wechselt. Erwähnen<br />
möchte er die Namen der beiden<br />
Yachten allerdings nicht. „Das waren<br />
schwierige Jobs, die mir auch die eine<br />
oder andere Schattenseite der Szene<br />
verdeutlicht haben.“ Als einer der Jobs<br />
sogar gesundheitliche Auswirkungen<br />
hat, wechselt Steckstor wieder auf eine<br />
Werft, um einen Neubau zu betreuen,<br />
bis eben besagter Anruf mit der etwas<br />
schlechten Verbindung kommt.<br />
Er kann nur ahnen, wie man auf ihn<br />
aufmerksam wurde, da es ihm der Eigner<br />
bislang nicht mitgeteilt hat – und er<br />
„selbstverständlich nicht gefragt“ hat.<br />
„Ich glaube aber“, so Steckstor, „dass<br />
mich ein mit dem Eigner gut bekannter<br />
Yachtbroker empfohlen hat. Ihm hatte ich<br />
vor einiger Zeit meinen Lebenslauf geschickt.“<br />
Wie der Weg auch war: Das für<br />
sich selbst vor vielen Jahren formulierte<br />
Ziel, irgendwann eine 100-Meter-Yacht<br />
zu fahren, hat er erreicht. Doch ist es<br />
wirklich ein Traumjob? „Nun“, sagt er,<br />
„selbstverständlich ist es ein Traumjob.<br />
Yachten über 100 Meter Länge gibt es<br />
schließlich nicht sehr viele, das ist schon<br />
ein elitärer Zirkel. Wir arbeiten allerdings<br />
auch hart.“ Arbeitstage von 16 Stunden<br />
seien normal, ebenso die ständige Bereitschaft,<br />
sich auf Gäste oder neue Ziele<br />
einzustellen. „Zum Glück ist der Eigner<br />
sehr nett und die Crew eingespielt“, so<br />
Steckstor. „Sonst kann auch auf einer<br />
großen Yacht so etwas wie Lagerkoller<br />
aufkommen.“ Einzig der Kontakt zu seiner<br />
Familie, der fehle ihm schon sehr.<br />
Viele Telefonate könnten den normalen<br />
Alltag daheim nicht ersetzen. Einen kleinen<br />
Wermutstropfen hat der Traumjob<br />
also doch.<br />
Ehrenplatz: Das Stofftier seiner Tochter<br />
steht in Steckstors Kapitänskabine.<br />
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