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pdf zum ausdrucken - Vorarlberger Jägerschaft

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42<br />

AUS FRÜHEREN ZEITEN März / April 2011<br />

Jägermord!<br />

Am 13. Juni 1915 wird am Ufer der Ill unterhalb von Feldkirch die nackte Leiche<br />

des Jagdaufsehers Gebhard Scheyer aufgefunden.<br />

Dr. Reinhard E. Bösch<br />

Was war geschehen?<br />

Wenige Jahre vor Ausbruch<br />

des Ersten Weltkrieges hatte<br />

der Feldkircher Rechtsanwalt<br />

Dr. Josef Reich die Gemeindejagd<br />

Göfis gegen seine Konkurrenten,<br />

die Brüder Kaspar<br />

und Franz Greussing aus Göfis,<br />

ersteigert und den als energisch<br />

und furchtlos bekannten<br />

Gebhard Scheyer,<br />

wohnhaft am Ardetzenberg,<br />

mit der Aufsicht betraut.<br />

Göfis war damals ein sehr<br />

wildreiches Gebiet, insbesondere<br />

war der Rotwildbestand<br />

sehr zufriedenstellend.<br />

Leider wirkten sich diese Verhältnisse<br />

auch günstig auf<br />

den Wilddiebstahl aus. Verdächtig<br />

waren vor allem die<br />

Der Tatort im Jahr 1926.<br />

Dorfbewohner. Scheyer beschloss,<br />

gegen den Wildfrevel<br />

energisch vorzugehen. Bei<br />

seinen nunmehr häufigen<br />

Aufenthalten im Revier erschoss<br />

er mehrere wildernde<br />

Hunde, darunter auch den<br />

des Franz Greussing.<br />

Scheyer erkannte wohl, dass<br />

durch diese Eskalation seine<br />

Lage immer bedrohlicher geworden<br />

war, dennoch wollte<br />

er seiner Aufsichtspflicht<br />

nachkommen.<br />

Nachdem er im Frühjahr 1915<br />

in der Langwies mehrere Hirsche<br />

bestätigt hatte, galt es,<br />

sie im Auge zu behalten.<br />

Am 6. Juni gegen halb vier<br />

Uhr morgens verlässt Scheyer<br />

seine Wohnung am Ardetzenberg.<br />

Um etwa fünf Uhr wird er in<br />

Göfis mit zwei Schüssen getötet.<br />

Das wissen wir heute, damals<br />

war der Vorfall vorläufig<br />

vollkommen unklar.<br />

Nachdem Scheyers Haushälterin<br />

Alarm geschlagen hatte,<br />

begann am Tag darauf eine<br />

umfassende Suchaktion, im<br />

Rahmen derselben man Gegenstände<br />

des Vermissten<br />

fand und eine Schleifspur zur<br />

Ill feststellen konnte. Aus der<br />

damals Hochwasser führenden<br />

Ill barg man den mit 30<br />

kg Steinen beschwerten<br />

Rucksack des Opfers.<br />

Scheyer selbst, sein Drilling<br />

und das Fernglas waren verschwunden.<br />

Nach diesen Anzeichen und<br />

Spuren war er getötet, danach<br />

zur Ill geschleift und mit den<br />

Steinen beschwert versenkt<br />

worden. Beim Herausziehen<br />

des Rucksacks hat sich vermutlich<br />

die Leiche gelöst und<br />

wurde vom Wasser weiter<br />

mitgerissen.<br />

Der Verdacht fiel sofort auf<br />

die Brüder Greussing. Es kam<br />

zu Vernehmungen und<br />

Hausdurchsuchungen.<br />

Da schwemmte am 13. Juni<br />

die Ill unterhalb von Feldkirch<br />

die bis auf einen Schuh<br />

entkleidete Leiche Scheyers<br />

an. Sie wies zwei Kugelschüsse<br />

auf der rechten Brustseite<br />

auf. Die beiden Schüsse waren<br />

von Zeugen am Tatmorgen<br />

unmittelbar aufeinanderfolgend<br />

gehört worden, was<br />

zwei Täter sehr wahrscheinlich<br />

machte. Am 15. Juni wurden<br />

Franz und Kaspar Greussing<br />

verhaftet.<br />

Obwohl Zeugen die beiden<br />

zur Tatzeit in der Nähe des<br />

Tatortes gesehen hatten, gelang<br />

es diesen, Alibis beizubringen.<br />

Auch konnte keine<br />

Tatwaffe sichergestellt werden.<br />

Beide Brüder stellten in<br />

Abrede, je gewildert und je<br />

eine Feindschaft gegen<br />

Scheyer gehegt zu haben.<br />

Im August 1915 wurde das<br />

Verfahren eingestellt.<br />

Neben der vorläufig knappen<br />

Beweislage müssen wir uns<br />

auch vor Augen halten, dass<br />

die Menschen damals im<br />

Sommer 1915 andere Sorgen<br />

hatten. Der große Krieg tobte<br />

seit einem Jahr, die k.u.k. Armee<br />

hatte im Osten schwere<br />

Verluste erlitten und nun waren<br />

nach dem Frontwechsel<br />

Italiens die Standschützen,<br />

das letzte Aufgebot Tirols<br />

und Vorarlbergs, an die Südfront<br />

abgegangen. Keine Familie<br />

wurde vom Krieg verschont.<br />

1918 bricht dann das<br />

alte Kaiserreich zusammen<br />

und man wird es als Rest und<br />

Republik eine Zeit lang demokratisch<br />

versuchen.<br />

Aber nicht nur die große Geschichte<br />

ging weiter, sondern<br />

auch die des Jägermordes im<br />

kleinen Göfis.<br />

Wegen fortwährenden Wilddiebstahls,<br />

später bekannt gewordenen<br />

Berichten von Zeugen<br />

und schließlich der<br />

Sicherstellung des Fernglases<br />

des Ermordeten bei einem<br />

der Verdächtigen, kam es im<br />

Sommer 1926 erneut zu intensiven<br />

Erhebungen gegen die<br />

Gebrüder Greussing und es<br />

wurde der mehr als zehn Jahre<br />

zurückliegende Jägermord<br />

neu aufgerollt. Der Gendarm<br />

Gassner aus Frastanz und der<br />

Staatsanwalt Dr. Hans Bitschnau<br />

aus Feldkirch waren<br />

die treibenden Kräfte.


März / April 2011 AUS FRÜHEREN ZEITEN<br />

43<br />

In einer umfassenden, schlüssig<br />

dargelegten Indizienkette,<br />

unterstützt von Zeugenaussagen,<br />

wurde den beiden<br />

leugnenden Angeklagten der<br />

Mord und die Beseitigung<br />

der Leiche, wie oben geschildert,<br />

nachgewiesen.<br />

Am 18.3.1927 werden Franz<br />

und Kaspar Greussing, 66<br />

bzw. 60 Jahre alt, in einem<br />

Schwurgerichtsverfahren zu<br />

je zwölf Jahren schweren Kerkers<br />

mit Dunkelhaft an jedem<br />

6. Juni verurteilt. 1<br />

Das <strong>Vorarlberger</strong> Tagblatt<br />

vom 21.3.1927 berichtet weiters<br />

dazu: „…Die beiden Verurteilten<br />

hörten den Urteilsspruch<br />

ohne jede Bewegung<br />

an….Unter den Zuhörern rief<br />

das Urteil große Bewegung<br />

hervor. Man hörte Rufe des<br />

Bedauerns, aber auch des Unmutes.<br />

Hiemit hat diese<br />

scheußliche Tat endlich ihre<br />

Sühne gefunden und es ist zu<br />

hoffen, dass nunmehr auch in<br />

Göfis Ruhe und Frieden eintreten<br />

wird.“ 2<br />

In diesem Prozess war Ing.<br />

Josef Henrich , Landesforstinspektor<br />

und Leiter der Wild -<br />

bachverbauung, schießtechnischer<br />

Sachverständiger und<br />

damit wesentlich an der Urteilsfindung<br />

beteiligt gewesen.<br />

Dies deshalb, weil Henrich<br />

Gründungsmitglied und<br />

führender Experte des Landesjagdschutzvereins<br />

und<br />

damit waffenkundig war. 3<br />

• Im April 1914 wurde Jagd -<br />

Der Landesjagdschutzverein<br />

war naturgemäß sehr interessiert<br />

an einer konsequenten<br />

Bekämpfung des Wildererunwesens<br />

in Vorarlberg.<br />

Dass diese Problematik in jenen<br />

Jahren eine erhebliche<br />

schwer verletzt. 5 aus dem Hinterhalt dreimal<br />

war, zeigt folgende Auflis -<br />

tung aus den Zwanzigerjahren:<br />

• Am 6. Juli 1902 wurde Josef<br />

Mennel im Vorder-Bregenzerwalde<br />

erschossen… 4<br />

• Im Jahre 1909 wurden gegen<br />

den Jagdaufseher Rinderer<br />

aufseher Ferdinand Wieser<br />

in Frastanz in der sog.<br />

Gafadura von 3 Wilderern<br />

angegriffen und schwer bedroht.<br />

• Am 6. Juni 1915 wurde<br />

Gebhard Scheyer in Göfis<br />

erschossen.<br />

in Maria Grün • Am 21. September 1920<br />

b/ Feldkirch schwere Gewalttätigkeiten…verübt<br />

• Am 26. September wurde<br />

in Nenzing der Jagdaufseher<br />

Haigärtner und Schneeberger<br />

durch einen Schuss<br />

wurde der Jagdaufseher<br />

Glavitschnik von mehreren<br />

Wilderern schwer bedroht.<br />

• 1920 wurde auf Thomas<br />

Scherrer, Jagdaufseher in<br />

Amerlügen, von Wilderern<br />

geschossen, ohne dass er<br />

getroffen wurde.<br />

• Am 7. Oktober 1922 wurde<br />

der Jagdaufseher und unser<br />

Mitglied Strolz von Wilderern<br />

schwer bedroht.<br />

• 19. Juli 1924 wurde der Jagd -<br />

aufseher Jäger von Hohenems<br />

hinter Schuttana von<br />

… Wilderern… schwer miss -<br />

handelt, sodass bei ihm infolge<br />

der Misshandlung<br />

Sinnesstörungen auftraten,<br />

die schliesslich dahin führten,<br />

dass sich Jäger entleibte.<br />

10 Monate Kerker.<br />

• Am 10. November 1926<br />

wurde Jagdaufseher Laschan<br />

von 2 Wilderern<br />

schwer bedroht. Anklage<br />

Mordversuch, Schuldspruch<br />

nach § 81 mit 10 Monaten<br />

schweren Kerker. 6<br />

Im Bild links das Mordopfer Gebhard Scheyer.<br />

In diesem Zusammenhang<br />

wurden von der <strong>Jägerschaft</strong><br />

Merkblätter zur Bekämpfung<br />

des Wildererunwesens herausgebracht<br />

und man setzte<br />

sich für ein erweitertes Waffengebrauchsrecht<br />

für Jagdschutzorgane<br />

ein.<br />

Auf der Jahreshauptversammlung<br />

des <strong>Vorarlberger</strong> Landesjagdschutzvereins<br />

am 3. April<br />

1932 hielt zu diesem Thema im<br />

großen Saale des Deutschen<br />

Hauses (heute Gösserbräu in<br />

Bregenz) sogar der berühmte<br />

Kriminalkommissar Otto Busdorf<br />

aus Berlin einen vielbeachteten<br />

Vortrag (siehe Abb.<br />

links unten). 7<br />

1<br />

<strong>Vorarlberger</strong> <strong>Jägerschaft</strong>,<br />

Nachlass Henrich, Schachtel<br />

„Wilderei“<br />

2<br />

<strong>Vorarlberger</strong> Tagblatt,<br />

21. März 1927, S. 3-4<br />

3<br />

Herbert SAUERWEIN,<br />

Hofrat Henrich <strong>zum</strong> Gedenken.<br />

In: Walserheimat<br />

31 (1982), S 16-20<br />

4<br />

Jubiläumsausgabe <strong>zum</strong><br />

125. Geburtstag von Otto<br />

Busdorf, hg. von Erich HO-<br />

BUSCH, Neumann-Neudamm<br />

2003, S. 74-81 (Nach<br />

dieser Quelle wurde Revierjäger<br />

Kaspar Willi am 6.<br />

Juli 1902 von Josef Mennel<br />

am Ittensberg erschossen)<br />

5<br />

Karl GAMON, Der Mord<br />

im Salarueltal, In: <strong>Vorarlberger</strong><br />

Volkskalender 1990,<br />

S 47-54 (Nach dieser Quelle<br />

wurde Josef Haingärtner<br />

erschossen und Felix<br />

Schneeberger durch einen<br />

Schuss schwer verletzt)<br />

6<br />

Wie Anmerkung 1<br />

7<br />

<strong>Vorarlberger</strong> <strong>Jägerschaft</strong>,<br />

Nachlass Henrich, Schachtel<br />

„Landesjagdschutzverein“

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