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Empieza a ser! - Befreiende Bildungsarbeit nach Paulo Freire mit ...

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Katholische Fachhochschule Nordrhein-Westfalen<br />

- Abteilung Aachen -<br />

Fachbereich Sozialwesen<br />

Diplomarbeit im Studiengang Soziale Arbeit<br />

„<strong>Empieza</strong> a <strong>ser</strong>!“<br />

<strong>Befreiende</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>nach</strong> <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong><br />

<strong>mit</strong> Frauen in Paraguay<br />

Vorgelegt von:<br />

Barbara Pötter<br />

Matrikel-Nummer: 111982<br />

Eingereicht am:<br />

30. November 2007<br />

Erstkorrektorin: Prof. Dr. phil. Liane Schirra-Weirich<br />

Zweitkorrektorin: Prof. Dr. phil. Marianne Genenger-Stricker


Inhaltsverzeichnis<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

1 Einleitung .......................................................................................................4<br />

2 Frau-Sein in Paraguay -<br />

Ein Blick auf die politische Entwicklung und das heutige Paraguay........6<br />

2.1 Frau-Sein in der politischen Entwicklung Paraguays ........................................ 6<br />

2.1.1 Frau-Sein zur Zeit der Conquista und Kolonialzeit .......................................... 7<br />

2.1.2 Frau-Sein während der Militärdiktaturen........................................................ 11<br />

2.1.3 Frau-Sein in der Demokratisierungsphase .................................................... 17<br />

2.2 Frau-Sein im heutigen Paraguay........................................................................ 18<br />

2.2.1 Frauen und Bildung ....................................................................................... 19<br />

2.2.2 Frauen und Arbeit .......................................................................................... 21<br />

2.2.3 Frauen und soziale und politische Partizipation............................................. 24<br />

3 Aspekte der Befreiungspädagogik <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong>s<br />

und feministisch-politischer <strong>Bildungsarbeit</strong> .............................................27<br />

3.1 Die Befreiungspädagogik <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong>s............................................................ 27<br />

3.1.1 Eine Gesellschaft im Übergang ..................................................................... 27<br />

3.1.2 Die befreiende <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong>s ................................................. 30<br />

3.1.2.1 Das Bankiers-Konzept ................................................................................... 30<br />

3.1.2.2 Dialog als Prinzip ........................................................................................... 32<br />

3.1.2.3 Bildung als Erkenntnissituation...................................................................... 35<br />

3.1.2.4 Bewusstseinsbildung ..................................................................................... 36<br />

3.1.2.5 Der politische Aspekt ..................................................................................... 37<br />

3.1.2.6 Die Alphabetisierungs- und Nachalphabetisierungsmethode ........................ 38<br />

3.2 Feministisch-politische <strong>Bildungsarbeit</strong>............................................................. 42<br />

3.2.1 Der Politikbegriff ............................................................................................ 42<br />

3.2.2 Der Begriff des Feminismus........................................................................... 43<br />

3.2.3 Der Gender-Ansatz........................................................................................ 44<br />

3.3 Anstöße der feministisch-politischen <strong>Bildungsarbeit</strong> für die befreiende<br />

<strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong>s.............................................................................. 48<br />

3.4 Paraguay – eine Gesellschaft im Übergang ...................................................... 49<br />

2


Inhaltsverzeichnis<br />

4 <strong>Befreiende</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay –<br />

Eine Aufgabe der Sozialen Arbeit ..............................................................51<br />

4.1 Soziale Arbeit als Menschenrechtsprofession ................................................. 51<br />

4.2 Empowerment als professionelle Haltung der Sozialen Arbeit....................... 54<br />

4.3 Lebensweltorientierung als Rahmenkonzept der Sozialen Arbeit.................. 56<br />

4.4 Notwendiges Kompetenzprofil der Sozialen Arbeit für die Umsetzung der<br />

befreienden <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay ....................................... 58<br />

4.4.1 Fachkompetenz ............................................................................................. 59<br />

4.4.1.1 Gruppen- und sozialraumbezogene Methoden ............................................. 59<br />

4.4.1.2 Berufsfeldspezifische Kompetenzen.............................................................. 65<br />

4.4.2 Sozialkompetenz ........................................................................................... 70<br />

4.4.3 Selbstkompetenz ........................................................................................... 72<br />

5 Notwendigkeit zur Positionierung der Sozialen Arbeit ............................74<br />

6 Literaturverzeichnis.....................................................................................77<br />

Abbildungsverzeichnis.......................................................................................87<br />

Anhang ................................................................................................................88<br />

3


1 Einleitung<br />

1 Einleitung<br />

„<strong>Empieza</strong> a <strong>ser</strong>!“ bedeutet übersetzt “Fange an zu sein!”. Es ist gemeint als ein Aufruf an<br />

Frauen, sich gegenüber Männern als gleichwertig anzusehen und Frauenrechte<br />

einzufordern. Doch es klingt einfacher, als es tatsächlich ist. Denn sonst wäre die<br />

Gleichberechtigung der Geschlechter trotz allen Fortschritts nicht die zentrale<br />

Herausforderung des 21. Jahrhunderts. Frauen auf der ganzen Welt sind heute noch<br />

gegenüber Männern be<strong>nach</strong>teiligt.<br />

„Internationale Studien und Schätzungen belegen:<br />

• Zwei Drittel aller Analphabeten sind Frauen.<br />

• Frauen gehört nur ein Prozent des globalen Vermögens.<br />

• Frauen beziehen nur zehn Prozent der Einkommen und verrichten über<br />

70 Prozent der unbezahlten Arbeit.<br />

• Zwei Drittel der Ärmsten der Welt sind Frauen.<br />

• Frauen in Entwicklungsländern besitzen nur zehn Prozent der<br />

Anbauflächen und weniger als zwei Prozent aller Landtitel, erzeugen<br />

aber bis zu 80 Prozent der Grundnahrungs<strong>mit</strong>tel.<br />

• Frauen stellen nur knapp 17 Prozent aller Parlamentarier und 14 Prozent<br />

aller Führungskräfte in Wirtschaft und Verwaltung weltweit.<br />

• Jährlich sterben rund 600.000 Frauen an Komplikationen während<br />

Schwangerschaft und Geburt.<br />

• Der weibliche Anteil der <strong>mit</strong> HIV-Infizierten ist in den vergangenen 20<br />

Jahren von 35 auf rund 50 Prozent gestiegen.“ 1<br />

Frauen haben dem<strong>nach</strong> einen erheblich schlechteren Zugang zu Bildung, Land, Kapital<br />

und Arbeitsplätzen. Mit Blick auf die Gesamtgesellschaft hat dies einen erheblichen<br />

Wachstumsverlust und Hemmnisse in der Entwicklung zur Folge. 2 Spiegelbildlich<br />

bedeutet es: „Der Schlüssel zur Entwicklung liegt in den Händen der Frauen.“ 3<br />

Dementsprechend sollten Frauen insbesondere bes<strong>ser</strong>e Bildungsmöglichkeiten erhalten,<br />

denn sie sind die Grundlage, um an Kapital und Arbeit teilhaben zu können. Genauer<br />

gesagt fördert Mädchen- und Frauenbildung in der Regel bes<strong>ser</strong>e Bildungs- und auch<br />

Lebensstandards der Gesamtfamilie und steigert die Arbeitsproduktivität; die Geburten-<br />

1 Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) (Hrsg.): Gleichberechtigung.<br />

Schlüssel zur Umsetzung der Millenium<strong>ser</strong>klärung der Vereinten Nationen. Ohne Verlag. Berlin. 2007. Seite 3.<br />

2 Vgl. BMZ. 2007. Seite 6.<br />

3 http://www.bmz.de/de/<strong>ser</strong>vice/infothek/buerger/themen/frauen.pdf vom 18.11.2007.<br />

4


1 Einleitung<br />

und Kindersterblichkeitsrate sinkt, wohingegen sich sie Leben<strong>ser</strong>wartung von Frauen und<br />

Kindern erhöht. 4<br />

„Bildung ist aber auch ein bedeutender Baustein zur gleichberechtigten<br />

Teilhabe an gesellschaftlichen und politischen Entscheidungsprozessen, zur<br />

Wahrnehmung individueller Rechte und [...] [zur Stärkung von<br />

Selbstbestimmung und Autonomie; d.Verf.] von Frauen im privaten und<br />

öffentlichen Leben.“ 5<br />

Daraus lässt sich die Forderung ableiten, dass alle Länder der Welt der Bildung von<br />

Mädchen und Frauen höchste Priorität einräumen sollten.<br />

In die<strong>ser</strong> Arbeit wird nun aber nicht auf die Frauen der ganzen Welt geschaut, sondern<br />

vielmehr soll der Blick sich auf ein Land richten, das in Europa und auch in der restlichen<br />

Welt zumeist ´terra incognita` ist: Paraguay. Kaum jemand weiß etwas über Paraguay, es<br />

sei denn, es besteht ein persönlicher Bezug dorthin. Gerade deshalb ist es wichtig, sich<br />

endlich <strong>mit</strong> der Situation der Frauen Paraguays 6 auseinander zu setzen.<br />

In die<strong>ser</strong> Arbeit soll zunächst geklärt werden, ob die paraguayischen Frauen gegenüber<br />

den Männern in der politischen Entwicklung be<strong>nach</strong>teiligt wurden und wie die Situation<br />

der Frauen heute ist.<br />

Im weiteren Verlauf wird die befreiende <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>nach</strong> <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong> als mögliches<br />

Konzept vorgestellt, um <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay arbeiten zu können <strong>mit</strong> dem Ziel einer<br />

geschlechtergerechteren Gesellschaft. Außerdem wird <strong>Freire</strong>s Pädagogik durch Aspekte<br />

feministisch-politischer <strong>Bildungsarbeit</strong> ergänzt und anschließend auf Paraguay bezogen.<br />

Im Folgenden soll festgestellt werden, ob die Soziale Arbeit als Profession sich dazu<br />

eignet, diese befreiende <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay durchzuführen. Ein<br />

Ausblick nennt abschließend weitere notwendige Voraussetzungen.<br />

4 Vgl. BMZ. 2007. Seite 16.<br />

5 BMZ. 2007. Seite 16.<br />

6 Wenn im Folgenden von ´den Frauen Paraguays` oder ´den Männer Paraguays` die Rede ist, so ist dies<br />

eine vereinfachte Zusammenfassung; denn ´die Frauen Paraguays` und ´die Männer Paraguays` als<br />

homogene Gruppe gibt es selbstverständlich nicht.<br />

5


2 Frau-Sein in Paraguay – Ein Blick auf die politische Entwicklung und das heutige Paraguay<br />

2 Frau-Sein in Paraguay - Ein Blick auf die politische<br />

Entwicklung und das heutige Paraguay<br />

Um Verständnis für die heutige Rolle der Frau in Paraguay gewinnen zu können, wird<br />

zunächst ein Blick auf die politische Entwicklung dieses Landes und insbesondere auf die<br />

Rolle der Frau darin geworfen. Die Geschichte ist für das Land Paraguay von sehr großer<br />

Bedeutung, so dass Hubert Krier sogar von einer tragischen Vergangenheit spricht. 7 In<br />

wiefern diese nun die paraguayische Frau tatsächlich beeinflusst hat und auch heute noch<br />

beeinflusst, soll im Folgenden untersucht werden. Genauer wird hierbei zunächst auf die<br />

indigenen Frauen 8 und später auf die Frauen der Unterschicht im Allgemeinen<br />

eingegangen, da diese den Großteil der Frauen in Paraguay ausmachen.<br />

2.1 Frau-Sein in der politischen Entwicklung Paraguays<br />

Die politische Entwicklung Paraguays kann in drei große Zeitabschnitte eingeteilt werden.<br />

Auf die Zeit der Eroberung und Kolonialisierung folgt die Epoche der verschiedenen<br />

Diktaturperioden <strong>mit</strong> zwei verheerenden Kriegen. Abschließend wird die Zeit der<br />

Demokratisierung und ihre Bedeutung für die Frauen näher betrachtet. Dies führt in das<br />

Kapitel über die Frau im heutigen Paraguay ein, das die momentane Situation<br />

verdeutlicht.<br />

7 Vgl. Krier, Hubert: Tapferes Paraguay. 2., verbes<strong>ser</strong>te und ergänzte Auflage. Marienburg-Verlag (H.O.<br />

Holzner). Würzburg. 1976. Seite 17.<br />

8 Es besteht ein internationales Einverständnis darüber, von indigenen Frauen und Männern beziehungsweise<br />

von indigenen Völkern zu sprechen. Vgl. http://www2.gtz.de/indigenas/deutsch/einleitung/index.html vom<br />

20.11.2007.<br />

Für die Angehörigen eines indigenen Volkes wird auch der Begriff „Indígenas“ benutzt, der sowohl Männer als<br />

auch Frauen umfasst. Vgl. http://www.quetzal-leipzig.de/Themen/Indigenas/txt/20051122-VeraHartwig-<br />

IndianerIndigenIndigenasIndigenismusIndianidad.php vom 21.11.2007.<br />

6


2 Frau-Sein in Paraguay – Ein Blick auf die politische Entwicklung und das heutige Paraguay<br />

2.1.1 Frau-Sein zur Zeit der Conquista 9 und Kolonialzeit<br />

Mit der Hoffnung, Gold und Silber zu finden 10 , kamen die spanischen Eroberer 1537 über<br />

den Río Paraguay in das Land. 11 Sie trafen nicht, wie vermutet, auf ein Gebiet <strong>mit</strong> einer<br />

bereits entwickelten Staatskultur und Wirtschaft, aus denen sie hätten Nutzen ziehen<br />

können 12 , sondern auf ein kriegerisches und halbnomadisches Guaraní-Volk. 13 Nach nur<br />

kurzem Widerstand waren die indigenen Männer den ausgehungerten Spaniern jedoch<br />

freundlich gestimmt und übergaben ihnen schließlich als Unterpfand für ein Bündnis<br />

Lebens<strong>mit</strong>tel und darüber hinaus ihre Frauen und Töchter, die für die Eroberer in jeder<br />

Beziehung sorgen sollten. 14 Die größte Aufgabe der indigenen Frauen bestand darin,<br />

durch gemeinsame Kinder das Übereinkommen <strong>mit</strong> Blutsverbindungen zu sichern 15 ,<br />

wodurch der Grundstein für die Verschmelzung von Spaniern <strong>mit</strong> der autochthonen<br />

Bevölkerung – die Mestizierung – gelegt war. Die MestizInnen 16 wurden aber hier nicht<br />

wie in den anderen Ländern Lateinamerikas als uneheliche Nachkommen marginalisiert,<br />

sondern bildeten bald in Asunción, der 1537 gegründeten und heutigen Hauptstadt 17 , die<br />

Führungselite. 18 Gleichzeitig gewann in der Gesellschaft ein Reziprozitätsprinzip 19 an<br />

9 Der Begriff „Conquista“ kommt aus dem Spanischen und bedeutet übersetzt „Eroberung“. Er „bezeichnet<br />

den Prozeß der Unterwerfung der indianischen Urbevölkerung Amerikas (indígenas)durch die Spanier.“<br />

http://www.quetzal-leipzig.de/lexikon/t6.html vom 21.11.1007.<br />

10 Vgl. Potthast, Barbara: Von Müttern und Machos. Eine Geschichte der Frauen Lateinamerikas. Peter<br />

Hammer Verlag. Wuppertal. 2003. Seite 40/42.; vgl. auch Potthast-Jutkeit, Barbara: „Paradies Mohameds“<br />

oder „Land der Frauen“? Zur Rolle der Frau und Familie in Paraguay im 19. Jahrhundert. Böhlau Verlag. Köln,<br />

Weimar, Wien. 1994. Seite 16f.; Bareiro, Olinda/Barrios, Harald: Paraguay. In: Nohlen, Dieter/Nuscheler,<br />

Franz: Handbuch der Dritten Welt. 1., überarbeiteter und aktualisierter Nachdruck der 3. Auflage. Verlag<br />

J.H.W. Dietz Nachf. GmbH. 1995. Seite 423.<br />

11 Vgl. Potthast-Jutkeit. 1994. Seite 17.<br />

12 Vgl. Potthast. 2003. Seite 40.; vgl. auch Potthast-Jutkeit. 1994. Seite 16.<br />

13 Das Guaraní-Volk ist eines der indigenen Völker im Bereich Paraguays. Vgl. Krier. 1976. Seite 14.<br />

14 Vgl. Potthast. 2003. Seite 41f.; vgl. auch Potthast-Jutkeit. 1994. Seite 16f.; Potthast, Barbara: Aus der<br />

Geschichte Paraguays. Heldinnen und Opfer: Frauen in der paraguayischen Geschichte. In: Deutsches<br />

Weltgebetstagsko<strong>mit</strong>ee: Weltgebetstag. Unter Gottes Zelt vereint. Ideen und Informationen. Arbeitsheft zum<br />

Weltgebetstag. Ohne Verlag. Stein. 2007. Seite 22.<br />

15 Vgl. Potthast. 2007. Seite 22f.<br />

16 In einer Definition von Inca Garcilaso de la Vega, auf die sich Dieter Janik bezieht, werden unter<br />

MestizInnen sowohl die Kinder von einem Spanier und einer India verstanden als auch die Kinder eines Indios<br />

und einer Spanierin. Vgl. Janik, Dieter: Die neuen Menschen der neuen Welt: Zur gesellschaftlichen und<br />

kulturellen Rolle der mestizos. In: Janik, Dieter: Die langen Folgen der kurzen Conquista. Auswirkungen der<br />

spanischen Kolonisierung Amerikas bis heute. Vervuert. Frankfurt am Main. 1994. Seite 50.<br />

17 Vgl. Potthast-Jutkeit. 1994. Seite 18.<br />

18 Potthast-Jutkeit. 1994. Seite 21.<br />

19 Reziprozität bedeutet „Wechselseitigkeit“.; vgl. Duden. Rechtschreibung der deutschen Sprache. 21., völlig<br />

neu bearbeitete und erweiterte Auflage. Dudenverlag. Mannheim, Leipzig, Wien, Zürich. 1996. Seite 622.<br />

Dementsprechend handelt es sich bei dem Reziprozitätsprinzip um einen Grundsatz, der auf<br />

Wechselseitigkeit beruht.<br />

7


2 Frau-Sein in Paraguay – Ein Blick auf die politische Entwicklung und das heutige Paraguay<br />

Bedeutung, welches auf dem Austausch der Frauen zwischen indigenen Männern und<br />

Spaniern basierte und so<strong>mit</strong> zu gegenseitiger Hilfe und Unterstützung verpflichtete. 20 Die<br />

Häuptlinge der Guaraníes <strong>mit</strong> mehreren Frauen erlangten dadurch materiellen Wohlstand<br />

und großen Einfluss 21 , weil die Frauen die von den Männern gerodeten Felder<br />

bestellten. 22 Die Anzahl der Frauen wurde folglich zu einem Gradmes<strong>ser</strong> für politisches<br />

Prestige und die Polygamie zu einem unverzichtbaren Mittel der Machterhaltung. 23 So<br />

hatte jeder Spanier zwischen drei und sieben Frauen, woraus sich der Name „Paradies<br />

Mohameds“, der so häufig für Paraguay benutzt wurde, ableiten lässt. 24 Die Priester des<br />

Landes sahen hierin jedoch ein moralisches Problem, da sie das Verhalten als<br />

sittenwidrig auffassten. 25 Zugleich wurde behauptet, dass die Frauen in erster Linie nicht<br />

als Konkubinen und Sexualobjekte der Eroberer angesehen wurden, sondern als dringend<br />

benötigte Arbeitskräfte. Die Frauen wurden so<strong>mit</strong> austauschbar, was zur Folge hatte,<br />

dass sie ´Warencharakter` besaßen. Hierbei waren sexuelle Kontakte nicht ausgeschlossen,<br />

sondern fielen im Gegenteil unter die Verfügungsgewalt der weißen<br />

Spanier. 26<br />

Bereits zwei Jahre später wuchs jedoch der Unmut der indigenen Männer gegenüber den<br />

Spaniern, denn sie fühlten sich nicht mehr wie Verwandte (tovoyá 27 ) behandelt, sondern<br />

vielmehr wie mindere Menschen (tapi`ís). Es kam zu immer gewalttätigeren Aufständen,<br />

bis die Spanier in die Häu<strong>ser</strong> der Indígenas eindrangen, die Frauen raubten und<br />

vergewaltigten. 28<br />

Die Mestizierung schritt indes weiter fort, wohingegen aber die Anzahl der Guaraníes<br />

beständig abnahm. Grund hierfür waren die eingeschleppten europäischen Krankheiten,<br />

für welche das indigene Volk keine Abwehrkräfte besaß. Des Weiteren wanderten viele<br />

20 Vgl. Potthast-Jutkeit. 1994. Seite 22.; vgl. auch Potthast. 2003. Seite 44f.<br />

21 Vgl. Potthast-Jutkeit. 1994. Seite 23.; vgl. auch Potthast. 2003. Seite 45.<br />

22 Vgl. Potthast. 2003. Seite 45.<br />

23 Vgl. Potthast-Jutkeit. 1994. Seite 23.<br />

Macht wird <strong>nach</strong> Max Weber wie folgt definiert: „Macht bedeutet jede Chance, innerhalb einer sozialen<br />

Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichwohl worauf diese Chance<br />

beruht.“ Weber, Max: Soziologische Grundbegriffe. 3., durchgesehene Auflage. J.C.B. Mohr. Tübingen. 1976.<br />

Seite 71.<br />

24 Vgl. Potthast-Jutkeit. 1994. Seite 23.; vgl. auch Potthast. 2003. Seite 45.; Potthast. 2007. Seite 23.<br />

25 Vgl. Potthast-Jutkeit. 1994. Seite 23.; vgl. auch Potthast. 2007. Seite 23.<br />

26 Vgl. Potthast-Jutkeit. 1994. Seite 24f.; vgl. auch Potthast. 2003. Seite 46f.<br />

27 Die Kursivschrift in diesem Kapitel deutet auf Begriffe aus dem Spanischen oder dem Guaraní, der zweiten<br />

offiziellen Landessprache Paraguays, hin.<br />

28 Vgl. Potthast-Jutkeit. 1994. Seite 25.; vgl. auch Potthast. 2003. Seite 47f.<br />

8


2 Frau-Sein in Paraguay – Ein Blick auf die politische Entwicklung und das heutige Paraguay<br />

der Frauen in die Stadt Asunción, um dort in den Haushalten der Spanier zu arbeiten 29 , so<br />

dass die Zahl der Kinder auf dem Land abnahm und die traditionelle Arbeitsteilung und<br />

die Versorgung der Familien gefährdet waren. 30<br />

Die Abnahme der Guaraníes und die Tatsache, dass wohl keine Edelmetalle in Paraguay<br />

zu finden seien, veranlassten den spanischen Statthalter dazu, im Jahre 1556 in<br />

Paraguay die encomienda einzuführen. 31 Diese beinhaltete die Zwangszuteilung<br />

(repartimiento) der Indígenas zu Arbeitsleistungen an die spanischen Eroberer 32 <strong>mit</strong> dem<br />

Ziel, der sozialen und biologischen Vernichtung der Guaraníes Einhalt zu gebieten und sie<br />

gleichzeitig zu christlichem Leben zu erziehen. 33 Das bis dahin nomadisch lebende<br />

indigene Volk musste sich in festen Dörfern ansiedeln, und die Frauen wurden sexuell<br />

und ökonomisch ausgebeutet. Die Familienstrukturen, das soziale System und die Kultur<br />

der Guaraníes wurden gänzlich zerstört, wodurch sich jedoch eine besondere mestizische<br />

Gesellschaft 34 <strong>mit</strong> einer kreolischen Oberschicht 35 entwickelte. Die Ausbeutung der<br />

indigenen Bevölkerung von Seiten die<strong>ser</strong> Elite hielt konsequent an, denn sie nutzte sie als<br />

unentgeltliche Arbeitskräfte zum Bewirtschaften der Landgüter aus. Daraufhin flohen viele<br />

der Unterdrückten in den Urwald. 36<br />

Diese Ausbeutung durch die encomienda veranlasste alsbald die Jesuiten, die gegen<br />

Ende des 16. Jahrhunderts <strong>nach</strong> Paraguay kamen 37 , so genannte Reduktionen 38<br />

aufzubauen, in denen die Indígenas zum Schutz vor Versklavung zusammengefasst<br />

wurden. 39 Ziel war stets die Zivilisierung, das ´Sesshaftmachen` und die Bekehrung zum<br />

29 Vgl. Potthast-Jutkeit. 1994. Seite 25ff.; vgl. auch Potthast. 2003. Seite 48.<br />

30 Vgl. Potthast. 2003. Seite 48.<br />

31 Vgl. Potthast-Jutkeit. 1994. Seite 28.; vgl. auch Potthast. 2003. Seite 48.<br />

32 Vgl. Kraner, Ulrike: Frauen im vorkolonialen und kolonialen Peru. In: Aguilar, Graciela R./Vogel, Peter<br />

(Hrsg.): Frauen in Lateinamerika: Alltag und Widerstand. Junius. Hamburg. 1983. Seite 26.<br />

33 Vgl. Potthast-Jutkeit. 1994. Seite 28.<br />

34 Vgl. Potthast-Jutkeit. 1994. Seite 29ff.<br />

35 Vgl. Potthast-Jutkeit. 1994. Seite 39.<br />

36 Vgl. Krier. 1976. Seite 21.<br />

37 Vgl. Krier. 1976. Seite 21.; vgl. auch Potthast-Jutkeit. 1994. Seite 42.<br />

38 Der Begriff „Reduktion“ ist aus dem Spanischen von „reducir“ = zusammenführen/rückführen abgeleitet.<br />

Vgl. Gründer, Horst: Der „Jesuitenstaat“ in Paraguay. „Kirchlicher Kolonialismus“ oder „Entwicklungshilfe“<br />

unter kolonialen Vorzeichen? In: Geschichte und Kulturen. Münstersche Zeitschrift zur Geschichte und<br />

Entwicklung der Dritten Welt. 1. Jahrgang. 1988. Seite 4.; vgl. auch Schatz, Klaus: Die Jesuitenreduktionen.<br />

Leistungen und Grenzen. In: Schlegelberger, Bruno/Delgado, Mariano: Ihre Armut macht uns reich. Zur<br />

Geschichte und Gegenwart des Christentums in Lateinamerika. Morus-Verlag, Bernward-Verlag. Berlin,<br />

Hildesheim. 1992. Seite 75.<br />

39 Vgl. Schatz. 1992. Seite 74f.; vgl. auch Gründer. 1988. Seite 4.; Krier. 1976. Seite 24.; Bareiro. 1995. Seite<br />

424.<br />

9


2 Frau-Sein in Paraguay – Ein Blick auf die politische Entwicklung und das heutige Paraguay<br />

christlichen Glauben. 40 Dies widerstrebte schlicht der Idee der spanischen Oberschicht,<br />

das indigene Volk für ihr sozio-ökonomisches System zu nutzen und so wurde es<br />

notwendig, die Reduktionen komplett von den Spaniern abzuschotten. 41 Um ihr Ziel<br />

umsetzen zu können, organisierten und kontrollierten die Patres das Leben in den<br />

Kolonien bis ins kleinste Detail. 42 Denn sie sahen die Guaraníes nicht als vollwertige freie<br />

Menschen an, sondern als erwachsene schutzbedürftige Kinder. 43<br />

„Sie formten und überwachten ihre Denkweise, gewöhnten sie daran, ihnen<br />

erteilte Befehle bedingungslos zu befolgen, und flößten ihnen den Hang zum<br />

einfachen, anspruchslosen Leben und eine religiös motivierte Abneigung<br />

gegen zeitliche Güter ein.“ 44<br />

So waren denn Lebens- und Arbeitsbereiche strikt getrennt und genauestens den beiden<br />

Geschlechtern zugeschrieben. Der Polygamie wurde durch die frühe Ehe 45 und<br />

Bestrafung bei Ehebruch 46 entgegengewirkt. Für den Lebensunterhalt betrieben die<br />

Patres in erster Linie Ackerbau und schickten zugleich die Männer in die nördlichen<br />

Wälder, um dort die Blätter des Mate-Tees, dem einzigen Exportprodukt, zu sammeln.<br />

Diese gefährliche Arbeit dauerte stets einige Monate und kostete meist viele<br />

Menschenleben. Während die Männer unterwegs waren, blieben die Frauen auf sich<br />

allein gestellt und mussten die Versorgung der Familie sichern. Dies führte dazu, dass sie<br />

zum zentralen und stabilisierenden Element der Familie wurden, die häufig aus der Mutter<br />

der Frau, ihren Kindern und ihrer Verwandtschaft bestand. So<strong>mit</strong> wurde die<br />

alleinerziehende Frau schon früh zum Charakteristikum der paraguayischen<br />

Gesellschaft. 47<br />

40 Vgl. Krier. 1976. Seite 21.; vgl. auch Gründer. 1988. Seite 4.; Schatz. 1992. Seite 75.<br />

41 Vgl. Schatz. 1992. Seite 76.; vgl. auch Potthast-Jutkeit. 1994. Seite 43.<br />

42 Vgl. Potthast-Jutkeit. 1994. Seite 43.<br />

43 Vgl. Krier. 1976. Seite 23.; vgl. auch Schatz. 1992. Seite 75.<br />

44 Krier. 1976. Seite 23.<br />

45 Die Mädchen wurden <strong>mit</strong> fünfzehn Jahren und die Jungen <strong>mit</strong> siebzehn Jahren verheiratet. Vgl. Potthast-<br />

Jutkeit. 1994. Seite 43.<br />

46 Als Strafe wurden Stockschläge erteilt. Vgl. Krier. 1976. Seite 23.<br />

47 Vgl. Potthast. 2007. Seite 23f.<br />

Die Jesuiten wurden 1767 aufgrund eines Dekrets des spanischen Königs ausgewiesen und die Reduktionen<br />

unter spanische Verwaltung gestellt. Daraufhin flohen viele der Indígenas in andere Landesteile. Vgl. Krier.<br />

1976. Seite 26.<br />

10


2 Frau-Sein in Paraguay – Ein Blick auf die politische Entwicklung und das heutige Paraguay<br />

2.1.2 Frau-Sein während der Militärdiktaturen<br />

1811 errang Paraguay als eines der ersten Länder Hispanoamerikas 48 seine völkerrechtliche<br />

Unabhängigkeit gegenüber der spanischen Kolonialmacht 49 , und 1813 wurde<br />

die unabhängige Republik ausgerufen. 50<br />

Der Diktator José Gaspar Rodríguez de Francia<br />

Der Rechtsanwalt José Gaspar Rodríguez de Francia hatte die Regierung bereits seit<br />

Beginn der Unabhängigkeitsbewegung inne 51 und war Diktator auf Lebenszeit. 52 Sein<br />

politisches Ziel, welches er ohne menschliche Regung verfolgte 53 , lässt sich folgendermaßen<br />

beschreiben:<br />

„Ein vom Ausland unabhängiges, voll souveränes, <strong>nach</strong> innen allmächtiges<br />

Staatswesen zu schaffen, <strong>mit</strong> einer durch strengsten Gehorsam geeinten,<br />

homogenen, arbeitsamen, spartanisch anspruchslosen, leidenschaftlich<br />

patriotischen Nation, in der es keine rassische, wirtschaftliche oder geistige<br />

Oberschicht, keine Standesunterschiede und Klassen geben sollte.“ 54<br />

Um das Ziel eines allmächtigen Staatswesens zu erreichen, führte er unter anderem ein<br />

Erbverfallsrecht für alle in Paraguay verstorbenen Ausländer ein, wodurch jegliches Erbe<br />

dem Staat zufiel. Dessen Landbesitz vergrößerte sich folglich immens. 55 Nach der<br />

Aufdeckung einer Verschwörung ließ Francia alle auf dem Land lebenden Männer ins<br />

Gefängnis werfen. Dies führte dazu, dass die Frauen für den Unterhalt ihrer Familien<br />

aufkommen mussten. 56 Der große Staatsbesitz ermöglichte es aber den Frauen der<br />

Unterschicht, zu einem sehr geringen Zins kleine Grundstücke zu pachten, so dass sie<br />

ihre Lebensgrundlage sichern konnten, denn die Feldarbeit war traditionell Frauenarbeit. 57<br />

48 Vgl. Potthast-Jutkeit. 1994. Seite 57.<br />

49 Vgl. Bareiro. 1995. Seite 424.<br />

50 Vgl. Potthast-Jutkeit. 1994. Seite 58.; vgl. auch Bareiro. 1995. Seite 424.<br />

51 Vgl. Potthast-Jutkeit. 1994. Seite 58f.<br />

52 Vgl. Potthast-Jutkeit. 1994. Seite 59.; vgl. auch Potthast. 2007. Seite 24.; Krier. 1976. Seite 29.<br />

53 Francia galt als eine überragende und dämonische Persönlichkeit <strong>mit</strong> einer über jeden Zweifel erhabenen<br />

Unbestechlichkeit. Gleichzeitig war er geprägt von düsterem Fanatismus, einem unbeugsamen Starrsinn und<br />

Härte gegen sich selbst. Vgl. Krier. 1976. Seite 29.<br />

54 Krier. 1976. Seite 30.<br />

55 Vgl. Potthast. 2007. Seite 25.<br />

56 Vgl. Potthast-Jutkeit. 1994. Seite 62f.<br />

57 Siehe Kapitel 2.1.1. Seite 7f.<br />

11


2 Frau-Sein in Paraguay – Ein Blick auf die politische Entwicklung und das heutige Paraguay<br />

1862 <strong>mit</strong> 71 Jahren starb, hinterließ er „ein blühendes, schuldenfreies [...] Staatswesen<br />

[und; d.Verf.] eine ausgezeichnete disziplinierte, schlagkräftige [...] Armee.“ 68<br />

Marschall Fransisco Solano López<br />

Alles, was sein Vater Carlos Antonio López bis zu seinem Tod erreicht hatte, machte der<br />

Sohn als sein Nachfolger durch den von ihm angezettelten Tripel-Allianz-Krieg von 1864<br />

bis 1870 zunichte. 69<br />

Bereits 1866 war fast die ganze Agrarwirtschaft in den Händen der Paraguayerinnen 70 , da<br />

alle wehrpflichtigen Männer bereits gefallen oder den Seuchen erlegen waren. 71 Neben<br />

der ohnehin schon von ihnen betriebenen Feldarbeit mussten sie nicht nur spinnen und<br />

weben, sondern auch öffentliche Aufgaben wahrnehmen. Der größte Auftrag bestand<br />

jedoch in der Versorgung des Heeres 72 als Krankenschwestern, Wäscherinnen,<br />

Köchinnen, Heereslieferantinnen und Lagerpflegerinnen. 73 Die Frauen begleiteten das<br />

Heer bis in die undurchdringlichsten Wälder und griffen gegen Kriegsende sogar selbst zu<br />

den Waffen. Diesen residentas ist noch heute ein Denkmal in der Hauptstadt Asunción<br />

gewidmet. 74<br />

Außerdem gab es die so genannten destinadas. Diese Frauen hatten in irgendeiner Art<br />

und Weise Zweifel am Sieg oder Kritik an dem Präsidenten ausgeübt oder gehörten zu<br />

einer verdächtigen Familie. Sie wurden zur Strafe zu Fuß in besonders unzulängliche und<br />

meist klimatisch wenig vorteilhafte Dörfer geschickt, um dort unter strenger Aufsicht und<br />

fern der Familie Feldarbeit zu leisten. 75<br />

68 Krier. 1976. Seite 35.<br />

In Bezug auf die spezielle Rolle der Frau während die<strong>ser</strong> Regierungszeit gibt es kaum Literatur.<br />

Nichtsdestotrotz wird der Präsident und seine politische Ausrichtung an die<strong>ser</strong> Stelle genannt, um zu<br />

verdeutlichen, unter welchen Voraussetzungen sich die heutige Rolle der Frau entwickelt hat.<br />

69 Über die Ursachen und Ziele des Krieges scheiden sich heute noch die Geister. Vgl. Potthast. 2007. Seite<br />

26.<br />

70 Vgl. Potthast, Barbara: Residentas, destinadas y otras heroínas: El nacionalismo paraguayo y el rol de las<br />

mujeres en la Guerra de la Triple Alianza. In: Potthast, Barbara/Scarzanella, Eugenia (Hrsg.): Mujeres y<br />

naciones en América Latina. Problemas de inclusión y exclusión. Iberoamericana, Vervuert. Madrid, Frankfurt<br />

am Main. 2001. Seite 82.<br />

Die<strong>ser</strong> Krieg Brasiliens, Argentiniens und Uruguays gegen Paraguay gilt bis heute als die blutigste und<br />

folgenreichste militärische Auseinandersetzung in Südamerika. Vgl. Potthast-Jutkeit. 1994. Seite 261.<br />

71 Vgl. Potthast-Jutkeit. 1994. Seite 271.<br />

72 Vgl. Potthast-Jutkeit. 1994. Seite 277ff.<br />

73 Vgl. Potthast-Jutkeit. 1994. Seite 279.; vgl. auch Potthast: 2001. Seite 82.<br />

74 Vgl. Potthast. 2007. Seite 26.<br />

75 Vgl. Potthast-Jutkeit. 1994. Seite 311f.<br />

13


2 Frau-Sein in Paraguay – Ein Blick auf die politische Entwicklung und das heutige Paraguay<br />

Ein Großteil sowohl der residentas als auch der destinadas verhungerte gegen Ende des<br />

Krieges oder starb an den Folgen des Hungers und der Erschöpfung. 76<br />

Insgesamt endete der Tripel-Allianz-Krieg <strong>mit</strong> einer völligen Niederlage der Paraguayer<br />

und ließ die Bevölkerungszahl auf etwa 250.000 Einwohner schrumpfen. 77 Es blieben in<br />

erster Linie Frauen, Kinder und Greise; die Männer waren fast alle ums Leben<br />

gekommen 78 , so dass Paraguay bald den Namen „´Land der Frauen`“ 79 innehatte.<br />

Nach seinem Kriegstod 1870 wurde Fransisco Solano López zunächst per Gesetz zum<br />

Verräter seines Landes erklärt, denn er hatte durch seinen Ehrgeiz und Starrsinn das<br />

aufstrebende Land um mehr als ein Jahrhundert zurückgeworfen. Dies wurde allerdings<br />

im Jahre 1927 wieder aufgehoben 80 ; denn:<br />

„Mehr und mehr sah man in dem Diktator den leidenschaftlichen, fanatischen<br />

Patrioten, den Helden, der unter Einsatz seines Lebens für eine große Zukunft<br />

seines Volkes kämpfte und, als er scheiterte, bewußt und furchtlos ´wie<br />

Leonidas` in den Tod ging.“ 81<br />

Gleich da<strong>mit</strong> wurden die residentas, die alles für das Land geopfert und bis zuletzt<br />

erbittert gekämpft hatten, zum Symbol des Heroismus für die Nation. Die residenta wurde<br />

zum<br />

„Sinnbild der aufopfernden, mutigen Paraguayerin stilisiert, zumal sie sich<br />

auch für die Militärregierungen des 20. Jahrhunderts anbot, während die Opfer<br />

der Unterdrückung des Präsidenten, der jegliche Kritik an dem Krieg bestrafte,<br />

nicht beachtet wurden.“ 82<br />

Die größte Leistung der paraguayischen Frauen aus der Unterschicht, der Wiederaufbau<br />

des Landes, wurde indes in keiner Weise gewürdigt. 83 Dabei waren die Frauen nun für<br />

alle Dienste verantwortlich: Von der Feldarbeit und Haustierzucht über die Was<strong>ser</strong>- und<br />

76 Vgl. Potthast-Jutkeit. 1994. Seite 311.<br />

77 Über die Bevölkerungszahl zu Anfang des Krieges gibt es sehr differente Angaben. Sie variieren zwischen<br />

1.337.000 und 425.000 Einwohnern. Die Angaben für die Zahl <strong>nach</strong> dem Krieg stimmen in etwa überein. Vgl.<br />

Krier. 1976. Seite 38.; vgl. auch Potthast-Jutkeit. 1994. Seite 361f.<br />

78 Vgl. Potthast. 2007. Seite 25f.<br />

79 Potthast. 2007. Seite 27.<br />

80 Vgl. Krier. 1976. Seite 38.<br />

81 Krier. 1976. Seite 38.<br />

82 Potthast. 2007. Seite 27.<br />

83 Vgl. Potthast. 2007. Seite 27.<br />

Die Quellenlage hierzu ist aber zum einen schwierig und das Thema eignete sich wohl auch nicht zu<br />

heroisierenden Darstellungen. Vgl. Potthast. 2007. Seite 27.<br />

14


2 Frau-Sein in Paraguay – Ein Blick auf die politische Entwicklung und das heutige Paraguay<br />

Holzversorgung und das Säubern der verwahrlosten Äcker. Sie arbeiteten sogar in den<br />

Yerba-Wäldern und mussten Stoffe, Seife und Wachs produzieren, da an Import nicht zu<br />

denken war. 84<br />

40 weitere Präsidenten in 84 Jahren<br />

Auf Fransisco Solano López folgten in den nächsten 84 Jahren insgesamt 40 weitere<br />

Staatspräsidenten 85 , die zumeist durch Revolutionen oder Staatsstreiche entmachtet<br />

wurden. 86 Insgesamt erholte sich das Land aber allmählich wieder in Bezug auf Wirtschaft<br />

und Infrastruktur; und auch das wiederaufgebaute Erziehungswesen trug langsam<br />

Früchte. 87<br />

In eben diese Zeit fiel der von Bolivien angezettelte Chaco-Krieg 88 , der von 1932 bis 1935<br />

dauerte. 89 Die Paraguayer kämpften wiederum erbittert 90 , und die Frauen leisteten auf ein<br />

Neues relevante Dienste im medizinischen Bereich und der sonstigen Versorgung. Die<br />

Folge dieses Krieges waren starke politische Umwälzungen im Siegerland Paraguay. 91<br />

Präsident Stroessner<br />

Am 8. Mai 1954 brachte ein Militärcoup einen neuen ´starken Mann` an die Macht, den<br />

Brigadegeneral Alfredo Stroessner, der <strong>mit</strong> seiner Amtszeit bis 1989 der langlebigste<br />

Diktator Lateinamerikas war. 92 Sein einziges Ziel war stets die Sicherung seiner Macht 93 ,<br />

84 Vgl. Potthast-Jutkeit. 1994. Seite 348.<br />

85 Vgl. Krier. 1976. Seite 40.; vgl. auch Sosna, Artur: Quo vadis Paraguay? Der Prozess der Demokratisierung<br />

zwischen Anspruch und Wirklichkeit. In: KAS Auslandsinformationen. Heft 6. 2001. Seite 81.<br />

86 Vgl. Krier. 1976. Seite 40.<br />

87 Vgl. Potthast. 2007. Seite 27f.<br />

88 Auslö<strong>ser</strong> des Krieges war der Wille der Bolivianer, ihre Binnenlage zu durchbrechen und Zugang zum Meer<br />

zu erhalten. Vgl. Potthast. 2007. Seite 28.<br />

Außerdem gab es das Gerücht, dass der Chaco große Mengen an Erdöl beherberge. Vgl. Kier. 1976. Seite<br />

40; vgl. auch Potthast. 2007. Seite 28.<br />

89 Vgl. Krier. 1976. Seite 40.<br />

90 Vgl. Krier. 1976. Seite 40.; vgl. auch Potthast. 2007. Seite 28.<br />

91 Vgl. Potthast. 2007. Seite 28.<br />

92 Vgl. Potthast. 2007. Seite 29.<br />

Stroessner galt als fanatischer, von leidenschaftlichem Arbeitsethos durchdrungener Patriot, der die<br />

soldatische Tapferkeit furchtlos verherrlichte. Vgl. Krier. 1976. Seite 43.<br />

Ab dem Zeitpunkt seiner Wahl lenkte er daher Paraguay <strong>mit</strong> ei<strong>ser</strong>ner Hand. Vgl. amnesty international.<br />

Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.: Paraguay. Ein Bericht von amnesty international. Eigenverlag.<br />

Bonn. 1977. Seite 1.; vgl. auch Krier: 1976. Seite 42.<br />

Sein Propagandaspruch war stets „´Frieden und Fortschritt <strong>mit</strong> Stroessner` (´Paz y progreso con<br />

Stroessner`)“. Vgl. Vila, Christina: Die Diktatur des Generals Alfredo Stroessner 1954-1989. In: Deutsches<br />

Weltgebetstagsko<strong>mit</strong>ee e.V.: Weltgebetstag. Unter Gottes Zelt vereint. Ideen und Informationen. Arbeitsheft<br />

zum Weltgebetstag. Ohne Verlag. Stein. 2007. Seite 33.<br />

93 Vgl. Vila. 2007. Seite 33.<br />

15


2 Frau-Sein in Paraguay – Ein Blick auf die politische Entwicklung und das heutige Paraguay<br />

und seine Herrschaft 94 basierte auf dem Rückhalt des Militärs und der einzigen<br />

zugelassen politischen Partei, der Colorado-Partei 95 , die er zu einem Instrument seiner<br />

persönlichen Herrschaft machte. 96 Durch die Hilfe der Colorados versuchte er, <strong>nach</strong><br />

außen hin ein demokratisches Bild abzugeben, hielt aber alle Fäden fest in seiner Hand<br />

und ließ der Opposition keinen Spielraum. 97 Mit dem Argument der Bekämpfung des<br />

Kommunismus und der Förderung des Nationalismus ließ er alle Gegner systematisch<br />

und grausam verfolgen. 98 Obgleich die Regierung versuchte, die Fassade der Legalität<br />

aufrechtzuerhalten, fanden Menschenrechte in Paraguay in keiner Weise Beachtung. 99<br />

Es ist erstaunlich, dass unter so einer Führung auch in Paraguay 1962 das<br />

Frauenwahlrecht eingeführt wurde 100 , obgleich Frauen in Stroessners chauvinistischem<br />

und patriarchalischem Gedankengut nur als Spielfiguren der männlichen Macht Platz<br />

hatten. 101 Schließlich wurde 1967 sogar eine auf demokratischen Prinzipien beruhende<br />

Verfassung verabschiedet. 102 Die Individualrechte durften jedoch laut dem Obersten<br />

Gerichtshof Paraguays aufgehoben werden, wenn im Land ein Notstand herrschte, und<br />

diesen rief Stroessner alle drei Monate aus. Neben den Menschenrechtsverletzungen<br />

kamen immer häufiger Korruptionsfälle und Verwicklungen in Drogenhandel ans<br />

Tageslicht, und schließlich wurde Stroessner 1989 von einer Gruppe aus seinem eigenen<br />

Militär gestürzt. 103 Über den Tag von Stroessners Sturz sagte Line Bareiro, eine Frau, die<br />

die Zeit Stroessners <strong>mit</strong>erlebte, <strong>nach</strong> seinem Tod im August 2006:<br />

94 Der Begriff „Macht“ wurde bereits in Fußnote 23 erläutert. Unter „Herrschaft“ versteht Max Weber<br />

Folgendes: „Herrschaft soll heißen die Chance, für einen Befehl bestimmten Inhalts bei angebbaren Personen<br />

Gehorsam zu finden.“ Weber. 1976. Seite 71.<br />

95 Vgl. Vila. 2007. Seite 33.; vgl. auch Potthast. 2007. Seite 29.<br />

Die Colorado-Partei (Partido Colorado), oder auch Asociación Nacional Republicana (kurz: ANR) genannt, ist<br />

eine der zwei tragenden traditionellen Parteien Paraguays. Sie wurde 1887 gegründet und ist nun seit 1947<br />

ununterbrochen Regierungspartei. Die andere der zwei traditionellen Parteien, der Partido Liberal Radical<br />

Auténtico (kurz: PLRA), ist das Erbe der ebenso 1887 gegründeten Liberalen Partei. Vgl. Zelenka, Markéta:<br />

Wahlen in Paraguay 2003. Technologischer Wandel und erneuter Sieg für die Colorado-Partei. In: Brennpunkt<br />

Lateinamerika. Heft 11. 2003. Seite 107.<br />

96 Vgl. Potthast. 2007. Seite 29.<br />

97 Vgl. amnesty international. 1977. Seite 1.<br />

98 Vgl. Vila. 2007. Seite 34.<br />

99 Vgl. amnesty international. 1977. Seite 1.<br />

100 Vgl. Bareiro. 1995. Seite 425.<br />

Paraguay was das letzte Land Südamerikas, welches das Frauenwahlrecht einführte. Vgl.: Bareiro, Line: Die<br />

Frauen des versteckten Landes. In: Weltgebetstagsko<strong>mit</strong>ee e.V.: Weltgebetstag. Unter Gottes Zelt vereint.<br />

Ideen und Informationen. Arbeitsheft zum Weltgebetstag. Ohne Verlag. Stein. 2007a. Seite 72.<br />

101 Vgl. Soto, Clyde: Die Diktatur und die Frauenbewegung. In: Deutsches Weltgebetstagsko<strong>mit</strong>ee e.V.:<br />

Weltgebetstag. Unter Gottes Zelt vereint. Ideen und Informationen. Arbeitsheft zum Weltgebetstag. Ohne<br />

Verlag. Stein. 2007. Seite 43.<br />

102 Vgl. Sosna. 2001. Seite 85.<br />

103 Vgl. Potthast. 2007. Seite 29.<br />

16


2 Frau-Sein in Paraguay – Ein Blick auf die politische Entwicklung und das heutige Paraguay<br />

„Für mich war der wahre Todestag von Alfredo Stroessner Matiauda der 3.<br />

Februar 1989, der glücklichste Tag meines Lebens. Der Tag, an dem die Freiheit<br />

kam und die schwierige politische Öffnung des Landes begann.“ 104<br />

Ob <strong>mit</strong> dem Tode Stroessners der menschenunwürdigen Unterdrückung – und da<strong>mit</strong> auch<br />

der Unterdrückung der Frauen – tatsächlich ein Ende gesetzt wurde und die Freiheit<br />

begann, wird sich im nächsten Kapitel zeigen. 105<br />

2.1.3 Frau-Sein in der Demokratisierungsphase<br />

Nach 178 Jahren Diktatur konnte im Jahr 1989 nun der Demokratisierungsprozess<br />

beginnen. 106 Unter General Andrés Rodríguez begannen politische Reformen. 107 Die<br />

Frauen Paraguays nutzten diese Gelegenheit, um Vorschläge für eine neue Verfassung<br />

vorzulegen und gleichzeitig eine Frauenbeauftragte zur politischen Förderung der<br />

Chancengleichheit zu fordern. Die Akzeptierung die<strong>ser</strong> Vorschläge erweckte den<br />

Anschein, als ob die Demokratisierung in Paraguay voranschreite. 108 Rodríguez erreichte<br />

bis zum Ende seiner Legislaturperiode 1993 sein größtes Ziel: die Verabschiedung einer<br />

demokratischen Verfassung im Jahre 1992. 109 In die<strong>ser</strong> constitución nacional wurde<br />

erstmals das Prinzip der Gleichheit von Männer- und Frauenrechten dargelegt, und sie<br />

verpflichtete den Staat zu positiven Maßnahmen, um diese Gleichheit zu erreichen. Dabei<br />

sollte die Partizipation der Frauen an der sozialen, politischen und ökonomischen Realität<br />

eine große Rolle spielen. 110 Es darf aber nicht übersehen werden, dass die meisten<br />

Mitglieder der regierenden Colorado-Partei die Demokratie als Mittel zum Zweck<br />

verstanden, es ging ihnen um Machterhalt und nicht um tatsächliche demokratische<br />

Veränderungen. So entstand eine ´defekte Demokratie`, das heißt ein Herrschaftssystem,<br />

104 Bareiro, Line: Die Tode des Stroessner. In: Weltgebetstagsko<strong>mit</strong>ee e.V.: Weltgebetstag. Unter Gottes Zelt<br />

vereint. Ideen und Informationen. Arbeitsheft zum Weltgebetstag. Ohne Verlag. Stein. 2007b. Seite 40f.<br />

105 Obgleich in diesem Kapitel nicht viel über die Rolle der Frau ausgesagt wird, soll dargestellt werden, dass<br />

unter einer solchen Regierung an eine Gleichberechtigung von Männern und Frauen nicht zu denken war.<br />

106 Sosna. 2001. Seite 75.<br />

107 Vgl. Bareiro. 1995. Seite 426.<br />

108 Vgl. Bareiro. 2007a. Seite 72.<br />

109 Vgl. Bareiro. 1995. Seite 426.<br />

110 Vgl. Deutsche Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) GmbH: Paraguay. Perfil del país con<br />

informaciones y comentarios relacionados al desarrollo económico y social. Ohne Verlag. Asunción. 1994.<br />

Seite 69.<br />

17


2 Frau-Sein in Paraguay – Ein Blick auf die politische Entwicklung und das heutige Paraguay<br />

das zwischen einem autokratischen System und einer rechtstaatlichen Demokratie zu<br />

verorten ist. 111<br />

Unter den folgenden Präsidenten Juan Carlos Wasmosy (1993-1998), Raúl Cubas Grau<br />

(1998-1999) und Luís Angel González Macchi (1999-2003) wurden immer wieder<br />

Korruptionsfälle, Schmuggel, Drogenhandel, Putschdrohungen und Putschversuche sowie<br />

sogar politische Morde aufgedeckt. 112 Hierdurch verlor Paraguays Demokratie alsbald<br />

gänzlich „ihre politische Unschuld“. 113<br />

2.2 Frau-Sein im heutigen Paraguay<br />

Vor diesem Hintergrund hat sich in den letzten 18 Jahren ein politisches System<br />

entwickelt, dessen Ergebnisse in vieler Hinsicht schlecht sind. Der allgemein verbreitete<br />

Pessimismus in der Bevölkerung verwundert niemanden, ist es den Regierungen doch bis<br />

heute nicht gelungen, den von den Bürgern erhofften Entwicklungsstand<br />

hervorzubringen. 114 So hatte Paraguay im Jahre 2006 <strong>mit</strong> die schlechtesten Ergebnisse<br />

ganz Südamerikas bezüglich der von der Weltbank entwickelten Governance-<br />

Indikatoren. 115 Wenn sich seit Jahrzehnten aber eine Partei an der Macht hält, welche die<br />

absolute Kontrolle über den Staat, seine Privilegien und Einkommensquellen besitzt und<br />

zudem die Diktaturen überlebt hat, sind auch keine großen Veränderungen zu<br />

erwarten. 116 Das Regierungsprogramm des jetzigen Präsidenten Nicanor Duarte Frutos<br />

nennt sich zwar „´Agenda für ein bes<strong>ser</strong>es Land`“ 117 und beinhaltet wirtschaftliche,<br />

ökonomische und sozialpolitische Reformen, aber <strong>nach</strong> einem Jahr schon wurde 2004<br />

deutlich, dass sich die Bemühungen lediglich auf eine Verbes<strong>ser</strong>ung der öffentlichen<br />

Finanzen und der Funktionsweise der politischen Institutionen konzentrieren. Die<br />

Regierung spart in ihrer Prioritätenliste die Arbeitsmarktpolitik und die Dezentralisierung<br />

111 Vgl. Sosna. 2001. Seite 75f.<br />

112 Vgl. Sosna. 2001. Seite 90f.<br />

113 Sosna. 2001. Seite 92.<br />

114 Vgl. Abente Brun, Diego: Paraguay am Scheideweg. In: KAS Auslandsinformationen. Heft 3. 2007. Seite<br />

81ff.<br />

115 Die Governance-Indikatoren beziehen sich auf folgende Bereiche: Voice and accountability, political<br />

stability, government effectiveness, regulatory quality, rule of law und control of corruption. Vgl.<br />

http://info.worldbank.org/governance/wgi2007/mc_chart.asp vom 03.09.2007.<br />

116 Abente Brun. 2007. Seite 79.<br />

117 Otter, Thomas: Paraguay: Zaghafte „Agenda für ein bes<strong>ser</strong>es Land”. Bilanz <strong>nach</strong> einem Jahr Regierung<br />

Nicanor Duarte. In: Brennpunkt Lateinamerika. Heft 18. 2004. Seite 197.<br />

18


2 Frau-Sein in Paraguay – Ein Blick auf die politische Entwicklung und das heutige Paraguay<br />

aus, und Aktivitäten zu Gleichberechtigung der Geschlechter, Menschenrechten – also<br />

auch Frauenrechten – und Umweltschutz fehlen. Ebenso fehlen konkrete Vorschläge zu<br />

einer Reform der sozialen Sicherungssysteme, und der Kampf gegen die Korruption ist<br />

auch eine Schwachstelle in einem der korruptesten Länder der Welt. Der Stil und das<br />

Wirken der Regierung im politischen Alltag gleicht infolgedessen dem der Vorgängerregierungen.<br />

118<br />

„Auch wenn <strong>nach</strong> außen hin versucht wird, den Anschein zu wecken, dass es<br />

sich um einen neuen Politikstil handelt, wird bei genauerem Betrachten klar,<br />

dass im Grunde genommen bisher alles beim Alten bleibt, aber ein bisschen<br />

effizienter verwaltet und geringfügig solider finanziert wird, durch mehr<br />

Eigen<strong>mit</strong>tel des paraguayischen Staates.“ 119<br />

Inwiefern diese Mi<strong>ser</strong>e sich auf die Situation der Frauen hinsichtlich Bildung, Arbeit und<br />

soziale und politische Partizipation auswirkt und inwiefern das Gesetz zur Gleichheit von<br />

Frau und Mann von 1992 tatsächlich greift, wird im Folgenden untersucht.<br />

2.2.1 Frauen und Bildung<br />

Die Verfassung von 1992, welche auch heute noch Gültigkeit hat, erkennt offiziell das<br />

Recht auf Bildung an. Das beinhaltet auch die Verpflichtung des Staates, öffentliche<br />

Bildung kostenlos zur Verfügung zu stellen. Die Schulpflicht liegt offiziell bei neun Jahren,<br />

aber die Realität belegt, dass dem nicht Rechnung getragen wird. 120 Im Jahre 2004 waren<br />

im ersten Schuljahr insgesamt 187.015 SchülerInnen eingeschrieben, wohingegen es im<br />

neunten Schuljahr nur noch 92.580 SchülerInnen waren. 121 Die Hälfte hat so<strong>mit</strong> die<br />

Schule abgebrochen. Grund hierfür sind meist ökonomische Engpässe der Familie. Denn<br />

die staatlichen Mittel fließen zu 90% in die Personalkosten, so dass viele weitere<br />

Ausgaben wie Bücher, Hefte und Schulkleidung von den Familien selbst getragen werden<br />

müssen. Dabei sind besonders ländliche Schulen betroffen. 122 Hinzu kommt die Tatsache,<br />

118 Vgl. Otter. 2004. Seite 197ff.<br />

119 Otter. 2004. Seite 200.<br />

120<br />

Vgl. Molinas Cabrera, Maria: Das Bildungswesen in Paraguay. In: Weltgebetstagsko<strong>mit</strong>ee e.V.:<br />

Weltgebetstag. Unter Gottes Zelt vereint. Ideen und Informationen. Arbeitsheft zum Weltgebetstag. Ohne<br />

Verlag. Stein. 2007. Seite 84.<br />

121 Vgl. Dirección General de Estadística, Encuestas y Censos (DGEEC): Anuario Estadístico del Paraguay<br />

2005. Eigenverlag. Asunción. 2006. Seite 71.<br />

122 Vgl. Molinas Cabrera. 2007. Seite 84.<br />

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2 Frau-Sein in Paraguay – Ein Blick auf die politische Entwicklung und das heutige Paraguay<br />

dass von den festgelegten 760 Schulstunden, welches die niedrigste Anzahl auf der Welt<br />

ist, die SchülerInnen nur an 70% des Unterrichts teilnehmen. Viele der Kinder und<br />

Jugendlichen müssen auf der Straße arbeiten, viele Mädchen bereits als<br />

Hausangestellte 123 , worauf im folgenden Kapitel näher eingegangen wird. So verwundert<br />

es nicht, dass die Analphabetenrate bei den Frauen bei 8,1% liegt, bei den Männern bei<br />

6,1%. Der Unterschied zwischen Stadt- (4,9%) und Landbevölkerung (10,2%) ist noch<br />

gravierender, und von den indigenen Frauen können sogar 97% nicht lesen und<br />

schreiben. 124<br />

Solche Zahlen sind unfassbar vor dem Hintergrund des allgemeinen Bildungsgesetzes<br />

von 1998 (Nr. 1264), welches auf die effektive Gleichheit der Geschlechter zielt und jede<br />

Diskriminierung aufgrund der Geschlechterzugehörigkeit ablehnt. Trotzdem existieren<br />

auch weiterhin Geschlechtsdiskriminierungen, sowohl im inhaltlichen Lehrstoff als auch –<br />

noch bedeutender – in der Praxis bis hin zur Aufgabenteilung im Unterricht. Auch heute<br />

noch werden sexueller Missbrauch, Hetzjagden auf schwangere Schülerinnen und<br />

Schulverweise für sie registriert. 125<br />

Ein weiteres Problem in der Bildung der Frauen liegt in der Zweisprachigkeit des Landes.<br />

Ab der Einschulung sollen die Kinder in ihrer jeweiligen Muttersprache, also Spanisch<br />

oder Guaraní, der Sprache der Indígenas, die von über 80 Prozent der Bevölkerung im<br />

Alltag benutzt wird 126 , unterrichtet werden. Die jeweils andere Sprache gilt es als<br />

Unterrichtsfach zu belegen. Auch hier sieht die Praxis weit anders aus als die Theorie,<br />

denn das erst seit 15 Jahren in der Schule unterrichtete Guaraní gilt auch weiterhin als die<br />

mindere Sprache neben Spanisch 127 und wird folglich nicht als relevant angesehen.<br />

Außerdem müssen viele Mädchen, wie oben erwähnt, bereits arbeiten und können<br />

deswegen nicht weiter in die Schule gehen.<br />

„Und wieder betrifft es vor allem Mädchen und Frauen, die deshalb kein<br />

Spanisch lernen können und weitere Nachteile auf ihrem Bildungsweg erfahren<br />

müssen.“ 128<br />

123 Vgl. Molinas Cabrera. 2007. Seite 86f.<br />

124 Vgl. Molinas Cabrera. 2007. Seite 86.<br />

125 Vgl. Molinas Cabrera. 2007. Seite 87.<br />

126 Vgl. http://www.lateinamerika<strong>nach</strong>richten.de/?/artikel/2636.html vom 17.11.2007.<br />

127 Vgl. Molinas Cabrera. 2007. Seite 87f.<br />

128 Bareiro. 2007a. Seite 75.<br />

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2 Frau-Sein in Paraguay – Ein Blick auf die politische Entwicklung und das heutige Paraguay<br />

In der Hoffnung auf Arbeit oder Weiterführung ihrer Schulbildung flüchten circa 40% der<br />

14-19-jährigen vom Land in die Stadt – insbesondere Mädchen und Frauen. Laut Artikel<br />

80 der nationalen Konstitution gibt es sogar Mittel für Stipendien und andere Hilfen, um<br />

die intellektuelle, wissenschaftliche, technische oder künstlerische Ausbildung<br />

insbesondere armer Menschen zu fördern. 129 Die Mädchen und Frauen wissen jedoch<br />

nichts davon, und es gibt keine Mechanismen wie beispielsweise Quoten, die bewirken,<br />

dass vor allem mehr Frauen und Menschen vom Land Zugang zum universitären<br />

Ausbildungssystem erhalten. Momentan studieren so<strong>mit</strong> 14,3% der städtischen, aber nur<br />

2,9% der ländlichen Bevölkerung. 130<br />

Es ergibt sich, dass die Mädchen und Frauen Paraguays gegenüber den Jungen und<br />

Männern be<strong>nach</strong>teiligt sind in Bezug auf Bildung und im Bildungssystem stark<br />

diskriminiert werden. Und<br />

„wie der Bericht ´Informe de Paraguay sobre los Objetivos de Desarrollo del<br />

Milenio` [Informationen Paraguays zu den Milleniumsentwicklungszielen;<br />

Anmerkung der Autorin] sagt, dürfen hier in Zukunft auch keine wesentlichen<br />

Änderungen zu erwarten sein, solange es nicht im Hinblick auf die<br />

Ungleichheit der Geschlechter zu grundsätzlichen Verhaltensänderungen und<br />

Veränderungen im Hinblick auf sozioökonomische und soziale<br />

geschlechtsspezifische Barrieren kommt.“ 131<br />

Welche schweren Auswirkungen mangelnde Bildung für Frauen haben kann, zeigt das<br />

nächste Kapitel.<br />

2.2.2 Frauen und Arbeit<br />

Wird der Aspekt ´Frauen und Arbeit` in Betracht gezogen, so muss zunächst auf einige<br />

generelle Daten hingewiesen werden. Von einer Bevölkerung von 5.946.471 132 im Jahre<br />

129 Vgl. Molinas Cabrera. 2007. Seite 87.<br />

130 Vgl. Molinas Cabrera. 2007. Seite 85.<br />

131 Molinas Cabrera. 2007. Seite 87.<br />

132 Bei der zugrundliegenden Umfrage wurden 2 Landesteile (departamentos) nicht <strong>mit</strong>eingeschlossen, so<br />

dass nicht von einer Gesamtbevölkerungszahl von 6.009.143 Einwohnern ausgegangen wird, sondern von<br />

5.946.471. Vgl. Dirección General de Estadística, Encuestas y Censos (DGEEC): Indicadores del Mercado<br />

Laboral en Paraguay. Encuesta Permanante de Hogares 2006 (EPH 2006). Eigenverlag. Fernando de la<br />

Mora. 2007. Seite 7.<br />

21


2 Frau-Sein in Paraguay – Ein Blick auf die politische Entwicklung und das heutige Paraguay<br />

2006 arbeiteten von den ökonomisch Aktiven 133 ´nur` 45,3% Frauen im Gegensatz zu<br />

73,7% Männern. 134 Des Weiteren waren 6,7% aller ökonomisch Aktiven ohne<br />

Beschäftigung und 24,0% in einer unterbezahlten Beschäftigung, wobei die Anzahl der<br />

Frauen höher war als die der Männer. 135 Insgesamt hat sich die Armut seit dem Sturz<br />

Stroessners im Jahre 1989 also fast verdoppelt. Die Menschen Paraguays leben heute<br />

folglich schlechter als zu Zeiten der Diktatur. 136<br />

Von der genannten Arbeitslosenquote sind 5,3% Männer betroffen und 8,8% Frauen. 137<br />

Diese Differenzen zwischen Frauen und Männern hängen zum einen <strong>mit</strong> der Tatsache<br />

zusammen, dass die Frauen an den privaten Raum des Hauses gebunden werden 138 und<br />

zum anderen, dass den Frauen Zugangsmöglichkeiten zu Arbeit von Beginn an verwehrt<br />

bleiben. So besitzen zum Beispiel Frauen nur 8% Ländereien, und ohne Landbesitz<br />

werden ihnen keine Kredite zugesprochen. 139 Ein ebenso relevanter, wenn nicht noch<br />

wichtigerer Grund ist die mangelnde Bildung. 140 Viele Mädchen – oft noch unter zehn<br />

Jahren – werden früh von ihren Eltern als Hausmädchen (criadazgo) in reiche Familien<br />

geschickt, von denen sie Schule, Kleidung und Essen bezahlt bekommen. 141 Insgesamt<br />

verrichten mindestens drei von zehn Mädchen Hausarbeit im Sinne einer solchen<br />

´bezahlten` Beschäftigung. Im Gegensatz zu in Haushalten arbeitenden Jungen haben die<br />

Mädchen einen längeren Arbeitstag, meist keine Pause und viele müssen auch am<br />

Sonntag ihre Arbeit verrichten. 142 So liegt auch die Arbeitszeit der Mädchen generell<br />

höher als die der Jungen. Im Jahre 2000/2001 arbeiteten Mädchen zwischen fünf und<br />

siebzehn Jahren durchschnittlich 37,1 Stunden pro Woche, die Jungen hingegen 32,1<br />

Stunden. 143<br />

Diese Arbeit als criadazgo ist eine Ausbeutung – vor allem junger Mädchen – der<br />

schlimmsten Art und wird zudem in keiner Weise angemessen belohnt 144 , erhalten 95%<br />

133 Als ökonomisch aktiv gelten in Paraguay alle Beschäftigten und Nichtbeschäftigten ab dem Arbeitsalter von<br />

10 Jahren. Vgl. DGEEC. 2007. Seite 7.<br />

134 Vgl. DGEEC. 2006. Seite 6f.<br />

135 Vgl. DGEEC. 2007. Seite 11.<br />

136 Vgl. Molinas Cabrera. 2007. Seite 70.<br />

137 Vgl. DGEEC. 2007. Seite 9.<br />

138 Vgl. Eckholdt, Margit: „Frauen-Kirche“ in Lateinamerika. Zur Stellung von Frauen in Gesellschaft und<br />

Kirche Lateinamerikas. In: Stimmen der Zeit. Band 218. 2000. Seite 223.<br />

139 Vgl. Bareiro. 2007a. Seite 74.<br />

140 Siehe Kapitel 2.2.1.<br />

141 Vgl. Molinas Cabrera. 2007. Seite 87.<br />

142 Vgl. UNICEF: Niñez y adolescencia trabajadora en Paraguay. Eigenverlag. Asunción. 2004. Seite 45f.<br />

143 Vgl. UNICEF. 2004. Seite 34.<br />

144 Vgl. Molinas Cabrera. 2007. Seite 87.<br />

22


2 Frau-Sein in Paraguay – Ein Blick auf die politische Entwicklung und das heutige Paraguay<br />

doch weniger als den Mindestlohn 145 ; die Jungen bekommen wiederum circa 20% mehr<br />

Gehalt. 146 Die Arbeitsbedingungen sind in der Praxis äußerst diskriminierend, obgleich die<br />

Arbeit in der Theorie <strong>mit</strong> hohem Wert belegt sein soll. 147<br />

Bei den erwachsenen Frauen, insbesondere bei den Hausangestellten, sind die<br />

Verhältnisse ebenso diskriminierend. Obwohl die Arbeit als Hausangestellte die<br />

Hauptbeschäftigung der Frauen Paraguays ist, sind die gesetzlichen Regelungen<br />

schlechter als bei anderen Arbeitsverhältnissen. Das Arbeitsgesetz von 1989, welches<br />

zwar 1994 verbes<strong>ser</strong>t wurde, aber dennoch diskriminierend bleibt, zeigt dies:<br />

„So bleibt der zwölfstündige Arbeitstag aufrechterhalten; die wöchentliche<br />

Ruhepause ist nicht verpflichtend; die zu entrichtenden Tätigkeiten sind meist<br />

nicht spezifisch aufgelistet; der Lohn darf 40% des legalen Mindestlohns nicht<br />

überschreiten; es besteht kein Anrecht auf Altersvorsorge. Dies und noch<br />

weitere Bestimmungen können nur als ein Überbleibsel des Sklavenrechtes<br />

verstanden werden.“ 148<br />

In Bezug auf Arbeit sind aber die indigenen Frauen in Paraguay am schlimmsten<br />

betroffen. 80% der gesamten indigenen Bevölkerung Paraguays spricht ausschließlich<br />

Guaraní, und die Analphabetenquote liegt, wie bereits im vorigen Kapitel erwähnt, bei den<br />

Frauen bei immensen 97%. 149 In den letzten Jahren gingen immer mehr indigene Frauen<br />

in die Hauptstadt, wo sie jedoch meist nur durch Betteln überleben können, denn sie<br />

haben wegen ihrer Einsprachigkeit und fehlender Kenntnisse im Lesen und Schreiben<br />

keine Chance auf Integration in den Arbeitsmarkt und zudem auch keinen rechtlichen<br />

Schutz. 150<br />

Das heißt, laut Verfassung haben Männer und Frauen in Bezug auf Arbeit zwar die<br />

gleichen Rechte und Pflichten – bis auf den Mutterschutz – und ist keine Diskriminierung<br />

am Arbeitsplatz zulässig, in der Realität sieht dies aber anders aus. Die Diskriminierung<br />

145 Die Mädchen bekommen durchschnittlich 50% des Mindestlohns. Vgl. Bareiro, Line/Soto, Lilian/Valiente,<br />

Hugo: Necesarias, invisibles, discriminadas. Las Trabajadoras del <strong>ser</strong>vicio doméstico en el Paraguay. OIT,<br />

IPEC Sudamérica. Lima. 2005. Seite 10.<br />

146 Vgl. Bareiro. 2005. Seite 10.<br />

147 Vgl. Bareiro. 2005. Seite 14.<br />

148 Bareiro. 2007a. Seite 74.<br />

149 Vgl. Kapitel 2.2.1. Seite 20.<br />

150 Vgl. Bareiro. 2007a. Seite 74.<br />

23


2 Frau-Sein in Paraguay – Ein Blick auf die politische Entwicklung und das heutige Paraguay<br />

geht beispielsweise soweit, dass einige Privatunternehmen die Frauen vor ihrer<br />

Einstellung einem Schwangerschaftstest unterziehen. 151<br />

Die Frauen Paraguays arbeiten viel und fleißig und mögen dabei im Allgemeinen<br />

selbstsicher wirken, „stark und hart arbeitend zu sein, beinhaltet aber leider nicht, über<br />

Macht zu verfügen.“ 152<br />

2.2.3 Frauen und soziale und politische Partizipation<br />

Wenn es um die Teilhabe von Macht geht, werden unter den Frauen die<br />

Klassenunterschiede deutlich. Nur die Frauen aus den oberen Schichten gelangen zu<br />

Einfluss, denn sie haben eine ausreichende schulische Bildung genossen und so<strong>mit</strong> den<br />

Zugang zu den politischen und wirtschaftlichen Kreisen. 153 Aus die<strong>ser</strong> städtischen Mittelund<br />

Oberschicht, die sich Bildung leisten kann, stammen auch die Frauen, die sich in<br />

Paraguay für die Verbes<strong>ser</strong>ung der sozialen und rechtlichen Situation der Frauen<br />

einsetzten. Ihnen gelang es, das Prinzip der Gleichheit der Geschlechter in der<br />

Verfassung von 1992 zu verankern und Verbes<strong>ser</strong>ungen im Arbeitsrecht von 1994 zu<br />

bewirken. Dass diese Gesetze nicht ausreichend Beachtung finden, wurde in den<br />

vorherigen Kapiteln bereits dargelegt.<br />

Inzwischen gibt es verschiedene Frauengruppen, die im öffentlichen Leben und in der<br />

Politik eine wichtige Rolle spielen. 154 Dennoch beträgt die durchschnittliche Frauenquote<br />

im Parlament momentan nur 10,4% – weniger als der Durchschnitt in Lateinamerika – und<br />

die städtischen Ämter sind nur zu 5% von Frauen besetzt. Erst bei der letzten Wahl 2003<br />

wurde eine Frau zur Gouverneurin gewählt, und die Anzahl der Ministerinnen ist auf drei<br />

von neun MinisterInnen gestiegen. 155<br />

Die Regierung Paraguays lässt also allmählich die Partizipation von Frauen zu, ist aber<br />

noch weit davon entfernt, sich tatsächlich als demokratisch im Sinne von gleichberechtigt<br />

bezeichnen zu können, denn von Partizipation von Frauen aus den unteren Schichten<br />

151 Canense, Mercedes/Pino, Cecilia: Aktueller Bericht über Paraguay. In: Kuñakarai. Frauen in Paraguay<br />

erzählen aus ihrem Leben. Herausgegeben von der Arbeitsgemeinschaft der Frauenarbeit im GAW. Ohne<br />

Jahr. Seite 39.<br />

152 Bareiro. 2007a. Seite 71.<br />

153 Vgl. Eckholt. 2000. Seite 222.<br />

154 Vgl. Potthast. 2007. Seite 30f.<br />

155 Vgl. Bareiro. 2007a. Seite 76.<br />

24


2 Frau-Sein in Paraguay – Ein Blick auf die politische Entwicklung und das heutige Paraguay<br />

wird hier nicht einmal gesprochen. Generell bleibt es die Aufgabe der Frau, ´Hausfrau` zu<br />

sein und nicht an der Öffentlichkeit teilzuhaben. 156<br />

Zusammenfassung<br />

Obgleich die Quellenverfügbarkeit über die Rolle der Frau seit der Conquista bis heute<br />

sehr different ist 157 , ist Paraguay von allen Staaten Hispanoamerikas das Land, welches<br />

diesem Thema in der Geschichte am meisten Aufmerksamkeit geschenkt hat, jedenfalls<br />

wenn es um das allgemeine Bewusstsein und die offizielle Darstellung der nationalen<br />

Geschichte geht. In letzterem Fall handelt es sich aber nicht um ein Interesse an der Frau<br />

selbst, sondern vielmehr „um einen stark ideologisch geprägten Diskurs, der vor allem<br />

dazu dient, den paraguayischen Nationalismus zu stärken.“ 158 Eben die<strong>ser</strong> Nationalismus<br />

basiert auf dem Bewusstsein, eine andersartige historische Entwicklung durchlaufen zu<br />

haben als die anderen hispanoamerikanischen Länder und dadurch die besondere<br />

paraguayische Gesellschaftsstruktur erlangt zu haben. Bei dem Bewusstsein konzentriert<br />

sich das Interesse besonders auf die Conquista und den Tripel-Allianz-Krieg, in denen die<br />

Frauen einen entscheidenden Anteil hatten. Jedoch sind die Darstellungen häufig<br />

harmonisierend und heroisierend, obwohl von Harmonie in diesen Zeiten tatsächlich nicht<br />

die Rede sein kann. 159 Heute würden Frauenforscherinnen in Bezug auf die Eroberung<br />

Paraguays sagen: „Die Conquista Amerikas war nicht die Eroberung der Frauen, sondern<br />

die der Verfügungsgewalt über Frauen.“ 160<br />

Direkter kann die Unterdrückung der Frau zu die<strong>ser</strong> Zeit wohl nicht formuliert werden,<br />

denn der Aspekt der Ausbeutung der fraulichen Arbeitskraft zieht sich seit der<br />

Unabhängigkeit durch die gesamte politische Entwicklung – bis heute.<br />

Obgleich Paraguay also die wichtigsten Verträge auf nationaler Ebene in Bezug auf die<br />

Menschenrechte unterschrieben hat, werden die Frauen noch heute in allen Lebens- und<br />

Arbeitsbereichen diskriminiert. 161 Dabei sind die hier dargelegten Aspekte nur ein<br />

Bruchteil der Diskriminierungen, denn sie setzen sich fort in den Bereichen Gesundheit,<br />

Gewalt, sexuelle Ausbeutung, Menschenhandel und hohe Müttersterblichkeit. Unter den<br />

156 Vgl. GTZ. 1994. Seite 166.<br />

157 Vgl. Potthast-Jutkeit. 1994. Seite 9ff.<br />

158 Potthast-Jutkeit. 1994. Seite 2.<br />

159 Vgl. Potthast-Jutkeit. 1994. Seite 2f.<br />

160 Potthast. 2003. Seite 11.<br />

161 Vgl. Bareiro. 2007a. Seite 73.<br />

25


2 Frau-Sein in Paraguay – Ein Blick auf die politische Entwicklung und das heutige Paraguay<br />

beschrieben heutigen Bedingungen befinden sich immer mehr Aussagen von Frauen, die<br />

besagen, dass<br />

„´Demokratie nicht nährt`, dass wir [die Bevölkerung Paraguays; d. Verf.] in<br />

der Diktatur bes<strong>ser</strong> lebten`, dass das Land eine starke Hand braucht, dass es<br />

35 Jahre Frieden und Fortschritt waren, dass ich [die Sprecherin; d. Verf.]<br />

zwischen 1954 und 1989 ´glücklich war ohne es zu wissen`“. 162<br />

Es ist fast unglaublich, dass sich das Land <strong>nach</strong> den Zeiten der Diktatur Stroessners<br />

zurücksehnt, und nur zu verstehen vor dem Hintergrund einer Regierung, die sich zwar<br />

demokratisch nennt, aber überwiegend Machtspiele im Programm hat. Wenn die<br />

Regierung der Armut nicht den Kampf ansagt und sich nicht dafür einsetzt, dass die<br />

Gesetze zur Gleichstellung eingehalten werden, dann müssen sich die Frauen selbst auf<br />

den Weg machen, um zu gleichberechtigten Staatsbürgerinnen zu werden.<br />

162<br />

González Vera, Myriam: Was geschieht <strong>mit</strong> der Erinnerung an die Diktatur? In: Deutsches<br />

Weltgebetstagsko<strong>mit</strong>ee e.V.: Weltgebetstag. Unter Gottes Zelt vereint. Ideen und Informationen. Arbeitsheft<br />

zum Weltgebetstag. Ohne Verlag. Stein. 2007. Seite 40f.<br />

26


3 Aspekte der Befreiungspädagogik <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong>s und feministisch-politischer <strong>Bildungsarbeit</strong><br />

3 Aspekte der Befreiungspädagogik <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong>s<br />

und feministisch-politischer <strong>Bildungsarbeit</strong><br />

Da<strong>mit</strong> Paraguays Frauen diesen Weg überhaupt gehen können, müssen ihnen<br />

Unterstützungsmöglichkeiten geboten werden. Dies sollten pädagogische Hilfen sein, die<br />

darauf zielen, zu einem Leben in Freiheit und Würde zu gelangen. Die befreiende<br />

<strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>nach</strong> <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong>, die in diesem Kapitel dargelegt wird, könnte sich als<br />

Handlungstheorie anbieten, möglicherweise ergänzt durch Aspekte feministischpolitischer<br />

<strong>Bildungsarbeit</strong>. Ob sich <strong>Freire</strong>s Ansatz jedoch tatsächlich auf die Frauen<br />

Paraguays anwenden lassen kann, wird schließlich am Ende des Kapitels herausgearbeitet.<br />

3.1 Die Befreiungspädagogik <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong>s<br />

Die Befreiungspädagogik <strong>nach</strong> <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong> hat bereits vielen Pädagogen 163 , Soziologen,<br />

Psychologen, Theologen und Anderen im Hinblick auf Erwachsenenbildung relevante<br />

Impulse geben können und durch Kritik und Gegenkritik den Wissenschaften zu<br />

fruchtbarer Dynamik verholfen. Seine Methode ist in Afrika, Asien, Lateinamerika und<br />

auch in Europa „zum Symbol für erfolgreiche Überwindung des Analphabetismus<br />

geworden, für die Mündigkeit und die Würde des geschundenen Menschen.“ 164<br />

<strong>Freire</strong> hat die auf seinem humanistischen Menschenbild gründende Befreiungspädagogik<br />

in und für Brasilien aus seiner eigenen Lebenssituation herausentwickelt. Um das<br />

Konzept <strong>nach</strong>vollziehen zu können, wird es hier in den wichtigsten Aspekten aufgezeigt.<br />

3.1.1 Eine Gesellschaft im Übergang<br />

<strong>Freire</strong> geht bei seiner Befreiungspädagogik immer zunächst von einer ´Gesellschaft im<br />

Übergang` aus. In diesem Zustand befindet sie sich, wenn sie von einer kolonialen,<br />

abhängigen Gesellschaft zu einer Industriegesellschaft werden will und bereits an<br />

163 In diesem Kapitel über die Befreiungspädagogik <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong>s wird bewusst die männliche Form von<br />

Personen oder Personengruppen benutzt. Zur Erklärung wird auf diesen Aspekt später noch näher<br />

eingegangen.<br />

164 Brühl, Dieter: Das dialogische Prinzip bei <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong>. In: Dabisch, Joachim (Hrsg.): Dialogische<br />

Erziehung bei <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong>. <strong>Freire</strong>-Jahrbuch 1999. Verlag Dialogische Erziehung. 1999. Seite 11.<br />

27


3 Aspekte der Befreiungspädagogik <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong>s und feministisch-politischer <strong>Bildungsarbeit</strong><br />

demokratischem Gedankengut orientiert ist. Da<strong>mit</strong> beschreibt er die Phase zwischen einer<br />

´geschlossenen` und einer ´offenen` Gesellschaft. 165 Eine ´geschlossene` Gesellschaft ist<br />

dadurch charakterisiert, dass ihre Ökonomie vom Rohstoffexport bestimmt und durch<br />

ausländische Märkte beherrscht wird. <strong>Freire</strong> bezeichnet sie auch als eine ´Objekt`-<br />

Gesellschaft, die kein nationales Bewusstsein hat und dabei rückwärtsgewandt,<br />

analphabetisch, antidialogisch und elitär ist. 166 Nach außen hin steht sie in Abhängigkeit<br />

zu den ´Subjekt`-Gesellschaften, <strong>nach</strong> innen etabliert und reproduziert sich ein<br />

Machtgefälle zwischen der dominierenden Eliteklasse und dem Volk, der Mehrheit der<br />

Gesellschaft. 167 Es bestehen also innergesellschaftliche Unterdrückungsverhältnisse, die<br />

sich seit der Kolonisierung <strong>mit</strong> ihren jahrhundertlangen politischen, ökonomischen und<br />

kulturellen Abhängigkeiten durch die Gesellschaft ziehen. 168 Durch den Klassencharakter<br />

wird die Entwicklung einer offenen, demokratischen Gesellschaft verhindert, denn die<br />

sozioökonomische Struktur der Klassengesellschaft ist die Ursache der Unterdrückungsverhältnisse,<br />

so dass der Begriff ´Kultur des Schweigens` in den Vordergrund tritt.<br />

Schweigen meint in diesem Fall eine Reaktion ohne kritische Qualität. 169 Die ´Kultur des<br />

Schweigens` analysiert <strong>Freire</strong> anhand der Beziehungsstruktur zwischen Unterdrückern<br />

und Unterdrückten. 170<br />

„Für die Unterdrücker bezieht sich ´menschliches Wesen` nur auf sich selbst.<br />

Andere Menschen sind ´Dinge`. Für die Unterdrücker gibt es nur ein Recht: ihr<br />

Recht, in Frieden zu leben, gegenüber dem Recht der Unterdrückten, das<br />

nicht einmal immer beachtet, sondern höchstens zugestanden wird: zu<br />

überleben.“ 171<br />

Und sogar dieses Recht haben die Unterdrückten nur deshalb, weil die Unterdrücker sie<br />

für ihre eigene Existenz benötigen, das heißt, sie werden auf den Status von Objekten<br />

165 Vgl. Rösch, Christoph: Die Erziehungskonzeption <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong>s. Lang. Frankfurt am Main, Bern, New York,<br />

Paris. 1987. Seite 39.; vgl. auch Bendit, René/Heimbucher, Achim: Von <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong> lernen. Ein neuer Ansatz<br />

für Pädagogik und Sozialarbeit. Juventa Verlag. München. 1977. Seite 24ff.<br />

166 Vgl. <strong>Freire</strong>, <strong>Paulo</strong>: Erziehung als Praxis der Freiheit. Kreuz Verlag. Stuttgart, Berlin. 1974. Seite 17.; vgl.<br />

auch Rösch. 1987. Seite 40.; Bendit. 1977. Seite 27.<br />

167 Vgl. Baquero, Patricia: Unterdrückung, Geschlecht und Befreiung. Eine Annäherung an <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong>s<br />

Befreiungsansatz. In: Knauth, Thorsten/Schroeder, Joachim (Hrsg.): Über Befreiung. Befreiungspädagogik,<br />

Befreiungsphilosophie und Befreiungstheologie im Dialog. Waxmann. Münster, New York, München, Berlin.<br />

1998. Seite 149.<br />

168 Vgl. Baquero. 1998. Seite 148.<br />

169 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1974. Seite 35f.<br />

170 Vgl. Rösch. 1987. Seite 47f.<br />

171 <strong>Freire</strong>, <strong>Paulo</strong>: Pädagogik der Unterdrückten. Kreuz Verlag. Stuttgart, Berlin. 1971. Seite 56.<br />

28


3 Aspekte der Befreiungspädagogik <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong>s und feministisch-politischer <strong>Bildungsarbeit</strong><br />

reduziert. Für die Unterdrücker ist ´Sein` gleich ´Haben`, also wollen sie ´sein`, um sich<br />

als die Klasse der ´Habenden` bezeichnen zu können. 172 Dadurch wird das Volk zum<br />

Eigentum der Unterdrücker, und die Elite sieht es als ihre Aufgabe, es daran zu hindern,<br />

sich seiner Unterdrückungssituation bewusst zu werden 173 , geschweige denn über sein<br />

Schicksal selbst zu entscheiden. 174 Zu diesem Zweck werden Mythen, also Zwecklügen,<br />

in die Unterdrückten ´eingelagert`, die über Massenmedien und insbesondere das<br />

Schulwesen verbreitet werden. 175 Dadurch wird die Fähigkeit der unterworfenen Mehrheit,<br />

sich befreiendes Wissen anzueignen, direkt aufgehoben 176 , und stattdessen<br />

internalisieren sie diese Mythen der Unterdrücker. 177<br />

„Die innere Unterwerfung vor der Übermacht der Macht führt dazu, daß die<br />

Unterdrückten sich selbst so sehen, wie die Unterdrücker sie sehen, nämlich<br />

als ´nichtig`, daß alles, was sie erfahren, eine immer neue Bestätigung die<strong>ser</strong><br />

Nichtigkeit wird: Armut, Unwissenheit, Fremdbestimmung, Not.“ 178<br />

Das Bild des Unterdrückers wird so sehr internalisiert und die Richtlinien akzeptiert, dass<br />

das Volk letztlich Furcht vor der Freiheit hat. Denn Freiheit würde bedeuten, dieses Bild<br />

aus sich zu vertreiben und stattdessen autonom und verantwortungsbewusst zu<br />

werden. 179 Der unterdrückte Mensch befindet sich in einem inneren Zwiespalt: Auf der<br />

einen Seite entdeckt er, dass er ohne Freiheit nicht leben kann, auf der anderen Seite<br />

aber fürchtet er sie. 180 Bleibt er unfähig, seine Realität zu verändern, passt er sich an die<br />

Unterdrückungssituation an 181 und bleibt so<strong>mit</strong> passiver Zuschauer der Politik. 182<br />

Anpassung ist jedoch ein typisches Merkmal von Tieren, und so werden die Menschen<br />

durch die Übernahme dieses Merkmals folglich ´entmenschlicht`. 183 Dabei ist die ´wahre`<br />

Berufung des Menschen stattdessen die Humanisierung 184 , um die Fragen der Zeit<br />

begreifen und so<strong>mit</strong> den sozialen Kontext kritisch reflektieren zu können, denn der<br />

172 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 56f.<br />

173 Vgl. Rösch. 1987. Seite 48.<br />

174 Vgl. Bendit. 1977. Seite 29.<br />

175 Vgl. Rösch. 1987. Seite 48.<br />

176 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 12.<br />

177 Vgl. Rösch. 1987. Seite 48.<br />

178 <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 10.<br />

179 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 42., vgl. auch Rösch. 1987. Seite 48f.<br />

180 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 43.<br />

181 Vgl. <strong>Freire</strong> 1974. Seite 11.<br />

182 Vgl. Rösch. 1987. Seite 40.<br />

183 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1974. Seite 11.<br />

184 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 38.<br />

29


3 Aspekte der Befreiungspädagogik <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong>s und feministisch-politischer <strong>Bildungsarbeit</strong><br />

humanisierte Mensch lebt <strong>mit</strong> der Welt und nicht bloß in ihr. Er will als Subjekt der<br />

Geschichte in die Realität eingreifen und aktiv an der Veränderung der Welt <strong>mit</strong>wirken. 185<br />

Würden nun die unterdrückten Menschen humanisiert, so bräche das bisherige<br />

Kräftegleichgewicht auseinanderbrechen, und die Öffnung der Gesellschaft könnte<br />

voranschreiten. 186 Diese beinhaltet die politische Partizipation des Volkes und dessen<br />

Eintritt in die Geschichte. Eine offene Gesellschaft bezieht den Menschen also in den<br />

Demokratisierungsprozess <strong>mit</strong> ein und lässt ihn da<strong>mit</strong> nicht länger als passiven Zuschauer<br />

außen vor. 187<br />

Da<strong>mit</strong> die unterdrückten Menschen nun zu humanisierten Menschen werden können,<br />

bedürfen sie der Hilfe zur Selbsthilfe. Denn nur dadurch konfrontieren sie sich <strong>mit</strong> den<br />

eigenen Problemen und können ihre eigene Genesung vorantreiben. Es muss also eine<br />

Pädagogik <strong>mit</strong> dem Volk geben und nicht eine Pädagogik für das Volk. 188<br />

3.1.2 Die befreiende <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong>s<br />

Die Forderung <strong>Freire</strong>s <strong>nach</strong> einer Pädagogik <strong>mit</strong> dem Volk führt zu der Annahme, dass<br />

die vorherrschende Bildung einer ´Gesellschaft im Übergang` eine Bildung für das Volk<br />

ist. Deswegen wird im Folgenden zunächst skizziert, was <strong>Freire</strong> darunter versteht, um<br />

anschließend zu erläutern, wie er alternativ dazu eine Bildung <strong>mit</strong> dem Volk begreift.<br />

3.1.2.1 Das Bankiers-Konzept<br />

<strong>Freire</strong> bezeichnet das herrschende Bildungssystem einer ´Gesellschaft im Übergang` – im<br />

Vergleich <strong>mit</strong> dem Bankwesen – als ´Bankiers-Konzept`. Die Schüler sind die ´Anlage-<br />

Objekte` und der Lehrer 189 der ´Anleger`, der den Schülern ´Einlagen` gibt. Die Schüler<br />

nehmen diese entgegen, ordnen und stapeln sie. 190 Die Beziehung zwischen Lehrer<br />

(Subjekt) und Schülern (Objekten) ist dem<strong>nach</strong> antidialogisch, da die Aufgabe des<br />

185 Vgl. Rösch. 1987. Seite 40f.<br />

186 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1974. Seite 17.<br />

187 Vgl. Rösch. 1987. Seite 40.<br />

188 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1974. Seite 25f.<br />

189 Für den Begriff des Pädagogen benutzt <strong>Freire</strong> auch synonym die Ausdrücke Lehrer, Erzieher oder<br />

Koordinator.<br />

190 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 74.<br />

30


3 Aspekte der Befreiungspädagogik <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong>s und feministisch-politischer <strong>Bildungsarbeit</strong><br />

Lehrers darin besteht, die Schüler <strong>mit</strong> Bildungsinhalten zu ´füllen`. Die Schüler haben<br />

jedoch zu den Inhalten keinerlei Bezug, denn letztere sind losgelöst von der Wirklichkeit<br />

der Lernenden und enthalten für sie so<strong>mit</strong> keine Bedeutung. 191 Das führt dazu, dass die<br />

Schüler den <strong>mit</strong>geteilten Inhalt mechanisch auswendig lernen und die<strong>ser</strong> deswegen leicht<br />

leblos und versteinert wird. Das Lehrer-Schüler-Verhältnis besitzt daher grundsätzlich<br />

über<strong>mit</strong>telnden Charakter, wobei Erkenntnis die Gabe ist, die von den Wissenden an die<br />

absolut Unwissenden weitergegeben wird – ein typisches Charakteristikum für die<br />

Ideologie der Unterdrückung. Durch die Absolutheit der Unwissenheit rechtfertigt der<br />

Lehrer sein Dasein. 192 Gleichzeitig werden aber die Schüler zu passiven Wesen, deren<br />

Kräfte minimalisiert und die zur Anpassung erzogen werden. 193 So können sie kein<br />

kritisches Bewusstsein entwickeln, wie es entstehen würde, wenn sie verändernd in die<br />

Welt eingreifen würden. Genau dies ist das Interesse der Unterdrücker: Sie wollen nicht,<br />

dass die von ihnen beherrschte Welt erkannt oder verwandelt wird. 194 „Der erzogene<br />

Mensch ist der angepaßte Mensch, denn er paßt bes<strong>ser</strong> in die Welt.“ 195 Das ´Bankiers-<br />

Konzept` beruht also auf der Voraussetzung einer Spaltung zwischen Mensch und Welt:<br />

Der Mensch ist nur in der Welt, aber nicht <strong>mit</strong> ihr oder <strong>mit</strong> anderen. Der Mensch ist<br />

Zuschauer, kein Neuschöpfer 196 – im Gegenteil, seine kreativen Möglichkeiten werden<br />

außer Kraft gesetzt. 197<br />

Als logische Konsequenz ergibt sich, dass ein auf Befreiung des Menschen ausgerichtetes<br />

Bildungskonzept auf dialogischen Beziehungen aufbauen und sich von einer<br />

antidialogischen Erziehung gänzlich verabschieden muss. 198 Es setzt an der Lösung des<br />

Lehrer-Schüler-Widerspruchs an 199 und nimmt die Lebenssituation der Schüler als<br />

Problem wahr 200 , um die unterdrückten Menschen daraus zu befreien.<br />

191 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 73.; vgl. auch Rösch. 1987. Seite 62.<br />

192 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 73f.<br />

193 Vgl. Rösch. 1987. Seite 62.<br />

194 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 76.<br />

195 <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 79.<br />

196 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 78.<br />

197 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 81.<br />

198 Vgl. Rösch. 1987. Seite 63.<br />

199 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 75.<br />

200 Vgl. Rösch. 1987. Seite 63.<br />

31


3 Aspekte der Befreiungspädagogik <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong>s und feministisch-politischer <strong>Bildungsarbeit</strong><br />

3.1.2.2 Dialog als Prinzip<br />

Der Dialog wird so zu einem unausweichlichen Prinzip der Befreiungspädagogik, da nur<br />

er wirklich Kommunikation schaffen kann. 201 Und nur in der Kommunikation <strong>mit</strong> anderen<br />

verwirklicht der Mensch sein soziales Wesen, sein ´Menschsein`. 202<br />

Nach <strong>Freire</strong> ist der Dialog eine Beziehung der Empathie, welche zwischen zwei ´Polen`<br />

stattfindet, die auf einer gemeinsamen Suche sind. 203 Letztere ergibt sich aus der<br />

Formulierung der Probleme in ihrem Verhältnis zur Welt. Folglich bezeichnet <strong>Freire</strong> seine<br />

Pädagogik auch als problemformulierende Bildung. Durch den Dialog zerbricht die<br />

traditionelle Rolle des ´Lehrers der Schüler` und auch die Rolle der ´Schüler des<br />

Lehrers`. 204 Es entstehen ´Lehrer-Schüler` und ´Schüler-Lehrer`, das heißt, der Lehrer ist<br />

nicht mehr nur Lehrender, sondern lernt selbst durch den Dialog <strong>mit</strong> den Schülern.<br />

Ebenso lassen sich die Schüler nicht nur belehren, sondern lehren ihrerseits. Lehrer und<br />

Schüler werden gemeinsam für einen Prozess verantwortlich, durch den alle wachsen,<br />

und die Schüler werden zu kritischen Mitforschern im Dialog <strong>mit</strong> dem Lehrer, bleiben<br />

so<strong>mit</strong> nicht mehr nur ´brave` Zuhörer. 205 Denn je mehr die Schüler vor Probleme gestellt<br />

werden, desto mehr werden sie herausgefordert und fühlen sich verpflichtet, diese<br />

Herausforderung anzunehmen. Letztere wird in einen Gesamtzusammenhang gestellt und<br />

<strong>mit</strong> anderen Problemen verknüpft, so dass das daraus resultierende Begreifen zu immer<br />

kritischerem Denken führt. Der Schüler beginnt, seine Verpflichtungen zu erkennen. 206<br />

Das menschliche Bewusstsein gilt für <strong>Freire</strong> folglich nicht als ´leeres Gefäß`, das es zu<br />

´füllen` gilt, sondern das Bewusstsein ist vielmehr auf die Wirklichkeit gerichtet, in der es<br />

dialektische Mensch-Welt-Beziehungen zu reflektieren gilt. In diesen Beziehungen<br />

verändern die Menschen die Welt und erfahren schließlich selbst die Auswirkungen die<strong>ser</strong><br />

Veränderungen. Es gibt also keine Objekte mehr, sondern die Menschen werden als<br />

bewusste, <strong>mit</strong>wirkende ´Mit-Subjekte` anerkannt. 207 Der Ausgangspunkt ist dabei immer<br />

die Geschichtlichkeit des Menschen, das heißt das Begreifen des Menschen als<br />

historisches Wesen, im Gegensatz zu der ´Bankiers-Methode`. Die problemformulierende<br />

201 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1974. Seite 62.<br />

202 Vgl. Brühl. 1999. Seite 12.<br />

203 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1974. Seite 61.<br />

204 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 84.<br />

205 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 84.; vgl. auch Bendit. 1977. Seite 42f.<br />

206 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 84ff.<br />

207 Vgl. Rösch. 1987. Seite 57.<br />

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3 Aspekte der Befreiungspädagogik <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong>s und feministisch-politischer <strong>Bildungsarbeit</strong><br />

Bildung bestätigt den Menschen als Wesen im Prozess des Werdens, denn er ist ein<br />

unvollendetes, unfertiges Wesen in und <strong>mit</strong> einer unvollendeten Wirklichkeit. Dies führt zu<br />

der Tatsache, dass auch Erziehung und Bildung fortlaufende Prozesse sind 208 , in denen<br />

der Lehrer von Anfang an revolutionär, also dialogisch sein muss. 209<br />

Um einen ´richtigen` Dialog zu führen, sind für <strong>Freire</strong> die Aspekte Wort, Liebe, Demut,<br />

Glaube, Hoffnung und kritisches Denken relevant.<br />

Das Wort macht gemäß <strong>Freire</strong> das Wesen des Dialogs aus, wobei es mehr ist als bloß<br />

ein Instrument, das den Dialog ermöglicht. 210 Es beinhaltet zwei Dimensionen: Aktion und<br />

Reflexion, die in radikaler Interaktion stehen. Denn wird eine Dimension ver<strong>nach</strong>lässigt,<br />

so leidet automatisch die andere. Fehlt der Reflexion die Aktion, so führt dies zu reinem<br />

Verbalismus, die Worte sind nur leeres Geschwätz. Mangelt es der Aktion wiederum an<br />

Reflexion, so kommt es zu bloßem Aktivismus. 211 Menschliche Praxis vollzieht sich nun in<br />

genau die<strong>ser</strong> dialektischen Spannung von Aktion und Reflexion. Beinhaltet das Wort also<br />

beide Dimensionen, stimmen Wort und Tat des Menschen überein. 212 „Ein wirkliches Wort<br />

sagen heißt daher, die Welt verändern.“ 213<br />

Die Unterdrückten werden jedoch <strong>mit</strong> falschen Worten seitens der Unterdrücker ´genährt`<br />

und dadurch manipuliert, domestiziert und so<strong>mit</strong> ihrer eigenen Worte beraubt. Dabei<br />

beinhaltet menschliche Existenz jedoch die Benennung und Veränderung der Welt. 214 Der<br />

Dialog ist dem<strong>nach</strong> eine existentielle Notwendigkeit und darf nicht zu einem Instrument<br />

werden, um andere zu beherrschen. Vielmehr ist er die Eroberung der Welt zur Befreiung<br />

der Menschen. Ein Wort zu sagen ist schließlich nicht nur das Privileg von wenigen<br />

elitären Menschen, sondern das Recht eines Jeden. 215<br />

´Wahrer` Dialog kann des Weiteren nur dort existieren, wo es nicht an tiefer Liebe für die<br />

Welt und die Menschen mangelt. Denn Liebe ist einerseits die Begründung des Dialogs<br />

und andererseits der Dialog selbst. In Bezug auf die Unterdrückten besteht sie in der<br />

Hingabe an die Sache der Befreiung. Nur unter der Voraussetzung eben die<strong>ser</strong> Hingabe<br />

kann Liebe dialogisch sein. Sie darf nicht sentimental sein und auch nicht als Vorwand der<br />

208 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 89.<br />

209 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 92.<br />

210 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 93.; vgl. auch Rösch. 1987. Seite 58.<br />

211 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 93.; vgl. auch Rösch. 1987. Seite 58.; Bendit. 1977. Seite 41.<br />

212 Vgl. Rösch. 1987. Seite 58.<br />

213 <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 93.<br />

214 Vgl. Rösch. 1987. Seite 58.<br />

215 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 95.<br />

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3 Aspekte der Befreiungspädagogik <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong>s und feministisch-politischer <strong>Bildungsarbeit</strong><br />

Manipulation dienen. Erst durch die Beseitigung der Unterdrückungssituation kann die<br />

Liebe wiederhergestellt werden, die durch eben diese Situation unmöglich wurde. 216<br />

Der Dialog kann aber andererseits nicht ohne Demut leben, denn Selbstgenügsamkeit ist<br />

nicht vereinbar <strong>mit</strong> dem Dialog. Menschen, die glauben, die einzig richtige Wahrheit<br />

gefunden zu haben, können nicht Partner eines Volkes werden, welches die Welt<br />

verändern will. 217<br />

Die wichtigste Forderung an den Dialog ist jedoch der Glaube. Einen<br />

„Glauben an den Menschen, einen Glauben an seine Macht, zu schaffen und<br />

neu zu schaffen, zu machen und neu zu machen, Glauben an seine Berufung,<br />

voller Mensch zu sein (was kein Privileg einer Elite ist, sondern das<br />

Geburtsrecht aller Menschen).“ 218<br />

Für <strong>Freire</strong> ist der Glaube deswegen so relevant, weil er sich an Menschen ohne Hoffnung<br />

auf Verbes<strong>ser</strong>ung der Lebenssituation wendet. Die<strong>ser</strong> tiefe Glaube an die Berufung des<br />

Menschen, Subjekt seiner eigenen Emanzipation zu werden, bildet folglich die Grundlage<br />

für das Zustandekommen des Dialogs und die Basis dafür, dass die Befreiung von den<br />

Unterdrückten selbst getragen werden kann. Denn führt ein Revolutionär einen Kampf für<br />

das Volk, so behandelt er es weiterhin wie Objekte und belässt es in der ´Kultur des<br />

Schweigens`. Es kommt zu einer neuen Form der Unterdrückung. Das heißt, ohne einen<br />

tiefen Glauben an den Menschen kann es keinen Dialog als horizontale Kommunikation<br />

geben. 219<br />

Wo Menschen das Ziel haben ´volle`, also bewusste Menschen zu werden, muss der<br />

Dialog <strong>mit</strong> Hoffnung gespeist sein. Denn<br />

„Hoffnung wurzelt in der Unvollendetheit des Menschen, aus der er sich in<br />

beständigem Suchen herausentwickelt – in einem Suchen, das nur in<br />

Gemeinschaft <strong>mit</strong> anderen vollzogen werden kann.“ 220<br />

Wenn die Dialogpartner dagegen nichts von ihrer Mühe erhoffen, so bleibt ihre<br />

Begegnung sowohl hohl und steril als auch bürokratisch und langweilig. 221<br />

216 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 95f.; vgl. auch Rösch. 1987. Seite 59.<br />

217 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 97; vgl. auch Rösch. 1987. Seite 60.<br />

218 <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 98.; vgl. auch Rösch. 1987. Seite 60f.<br />

219 Vgl. Rösch. 1987. Seite 61.<br />

220 <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 99.; vgl. auch Rösch. 1987. Seite 61.<br />

221 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 99.; vgl. auch Rösch. 1987. Seite 6.<br />

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3 Aspekte der Befreiungspädagogik <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong>s und feministisch-politischer <strong>Bildungsarbeit</strong><br />

Außerdem müssen die im Dialog Stehenden sich auf kritisches Denken einlassen, denn<br />

nur durch die Forderung des Dialogs <strong>nach</strong> eben diesem ermöglicht tatsächlich die<br />

Erzeugung kritischen Denkens. 222 Das kritische Denken steht eng in Verbindung zu der<br />

beschriebenen Wechselwirkung von Aktion und Reflexion, denn es kann sich nicht vom<br />

Handeln lösen. 223<br />

<strong>Freire</strong> fasst zusammen: „Ohne Dialog gibt es keine Kommunikation, und ohne<br />

Kommunikation kann es keine wahre Bildung geben.“ 224<br />

3.1.2.3 Bildung als Erkenntnissituation<br />

Wenn also Kommunikation der Ausgangspunkt ´wahrer` Bildung ist, so kann der Mensch<br />

nicht isoliert leben, sondern ist auf das ´Du` angewiesen. Er braucht also stets andere<br />

Subjekte, um über ein Objekt zu reflektieren. Diese Kommunikation, in der die Situation<br />

als Problem (das Objekt) zu ihrem Gegenstand wird, hat schließlich ein Ergebnis: die<br />

Erkenntnis. 225 Denn der Erkenntnisakt ist ein Prozess des Verstehens, Begreifens und<br />

Veränderns der Welt 226 durch die dialektische Beziehung zwischen Mensch und Welt.<br />

Allein kann das denkende Subjekt folglich nicht zu Erkenntnis kommen. 227<br />

Für den Lehrer bedeutet dies, dass er gemeinsam <strong>mit</strong> den Schülern Bedingungen<br />

schaffen muss, unter denen ´wahre` Erkenntnis möglich ist. 228 Er muss <strong>mit</strong> den Lernenden<br />

ins Gespräch kommen, <strong>mit</strong> ihnen diskutieren, da<strong>mit</strong> sie die Welt, in der sie leben,<br />

erkennen und begreifen. Er soll ihnen also nicht nur wie in der ´Bankiers-Methode`<br />

Informationen über<strong>mit</strong>teln, ihnen Wissen überstülpen, sondern <strong>mit</strong> ihnen gemeinsam<br />

erkennen. 229<br />

222 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 100.<br />

223 Vgl. auch Rösch. 1987. Seite 62.<br />

224 <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 100.<br />

225 Vgl. Rösch. 1987. Seite 64.; vgl. auch Bendit. 1977. Seite 39.<br />

226 Vgl. <strong>Freire</strong>, <strong>Paulo</strong>: Der Lehrer ist Politiker und Künstler. Neue Texte zu befreiender <strong>Bildungsarbeit</strong>.<br />

Rowohlt. Reinbek bei Hamburg. 1981. Seite 105.<br />

227 Vgl. Rösch. 1987. Seite 63ff.<br />

228 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 85f.<br />

229 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1981. Seite 104.<br />

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3 Aspekte der Befreiungspädagogik <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong>s und feministisch-politischer <strong>Bildungsarbeit</strong><br />

Erst durch ´wahre` Erkenntnis wird es möglich, die magischen, fatalistischen und<br />

mechanistischen Weltdeutungen aufzudecken und zu überwinden 230 und zu einem<br />

wahrhaft bewussten und kritischen Menschen zu werden. 231 Bildung als Erkenntnissituation<br />

kann so<strong>mit</strong> keine Bildung zur Anpassung sein, sondern vielmehr „Bildung zur<br />

Integration des Menschen <strong>mit</strong> seiner ständig veränderten Welt.“ 232<br />

3.1.2.4 Bewusstseinsbildung<br />

Das Ziel der Bildungskonzeption <strong>Freire</strong>s ist die ´conscientização`233 , die<br />

Bewusstseinsbildung. 234 <strong>Freire</strong> definiert sie wie folgt:<br />

„Die <strong>mit</strong> der kulturellen Aktion zur Befreiung gemeinte Bewußtseinsbildung ist<br />

der Prozeß, durch den das Subjekt in der Beziehung Subjekt-Objekt [...] in<br />

kritischer Weise die dialektische Einheit zwischen dem Ich und dem Objekt<br />

erfaßt.“ 235<br />

Da<strong>mit</strong> wird noch einmal die Bedeutung der Praxis und da<strong>mit</strong> die Einheit der Aktion-<br />

Reflexion hervorgehoben. Außerdem begreift <strong>Freire</strong> die Bewusstseinsbildung im Sinne<br />

einer Entmythologisierung, und sie kann so<strong>mit</strong> nicht von der herrschenden sozialen<br />

Klasse geleistet werden, die schließlich die Mythen ins Leben gerufen hat. Sie ist<br />

„Aufgabe der revolutionären Avantgarde“ 236 , welche die Menschen <strong>mit</strong> sich selbst, ihrem<br />

Selbstportrait und ihrer gesellschaftlichen Wirklichkeit herausfordernd konfrontiert, um<br />

Bewusstsein zu erlangen. 237<br />

„Der sich bewußtwerdende Mensch beginnt seine subjektiven Erfahrungen der<br />

Unterdrückung in der Gesamtheit der gesellschaftlichen Verhältnisse zu sehen<br />

und diese zu hinterfragen. Er erkennt sich als Unterdrückten, auf den der<br />

Unterdrücker angewiesen ist, will er auch weiterhin Unterdrücker sein.“ 238<br />

230 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 91.; vgl. auch Rösch. 1987. Seite 65.<br />

231 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 86.<br />

232 Bendit. 1977. Seite 45.<br />

233 Der Begriff „conscientização“ kommt aus dem Portugiesischen.<br />

234 Vgl. Rösch. 1987. Seite 67.<br />

235 <strong>Freire</strong>. 1981. Seite 58.<br />

236 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1981. Seite 58.<br />

237 Vgl. Rösch. 1987. Seite 67.<br />

238 Vgl. Rösch. 1987. Seite 67f.<br />

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3 Aspekte der Befreiungspädagogik <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong>s und feministisch-politischer <strong>Bildungsarbeit</strong><br />

Die<strong>ser</strong> Prozess hin zu einem bewussten, also kritischen Wesen, findet auf<br />

unterschiedlichen Bewusstseinsstufen statt 239 und verlangt nicht nur die Veränderung von<br />

Wertvorstellungen, sondern auch die Transformation der Praxis, indem sich gesellschaftliche<br />

Kräfte vereinen und Strukturen verändern. 240<br />

3.1.2.5 Der politische Aspekt<br />

Über die Bedeutung des politischen Charakters von Erziehung, so <strong>Freire</strong> selbst, ist in<br />

seinen ersten Schriften nicht viel zu finden. 241 Umso mehr Aufmerksamkeit schenkt er ihm<br />

in seinen berühmten Werken „Dialog als Prinzip“ und „Der Lehrer ist Politiker und<br />

Künstler“. Darin betont er, dass das Ziel der Veränderung eindeutig eine politische<br />

Klarheit benötigt, eine „politische Klarheit darüber, zu welchem Zweck, wie und zu wessen<br />

Gunsten die Politik betrieben wird.“ 242 Der Pädagoge muss also eine politische Einstellung<br />

haben, eine politische Entscheidung treffen, die schließlich die Wahl bestimmter<br />

Techniken sowie Methoden beeinflusst 243 und so<strong>mit</strong> sein Handeln bestimmt. 244 Dadurch<br />

wird bereits die Erstellung des programmatischen Inhalts zu einem eminent politischen<br />

Akt.<br />

In Situationen der Unterdrückung bedarf es einer Politik, die gemeinsam <strong>mit</strong> der<br />

Bevölkerung gemacht wird, so dass „die Bevölkerung in kritischem Bewußtsein am<br />

Wiederaufbau ihrer Gesellschaft partizipiert.“ 245 Dazu muss das Projekt <strong>mit</strong> dem Ziel der<br />

Befreiung von Anfang an von der betroffenen Bevölkerung als ihr Eigenes übernommen<br />

werden. Gleichzeitig sollten die Forderungen, welche die Bevölkerung stellt, idealerweise<br />

<strong>mit</strong> den politischen Prinzipien der führenden Partei und der Regierung übereinstimmen;<br />

eine Regierung, die Wert legt auf die kritische und bewusste Partizipation des Volkes an<br />

dem Aufbau einer neuen Gesellschaft. Denn ein Land ohne die Unterstützung der<br />

Regierung aufzubauen ist schwierig. Zusammenfassend bedeutet dies, dass Projekte zur<br />

Befreiung der Unterdrückten auf strukturellen Veränderungen, die gerade im Vollzug sind<br />

239 Vgl. Rösch. 1987. Seite 67.<br />

240 Vgl. Rösch. 1987. Seite 68.<br />

241 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1981. Seite 62.<br />

242 <strong>Freire</strong>. 1980. Seite 109.<br />

243 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1980. Seite 109.<br />

244 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1981. Seite 106.<br />

245 <strong>Freire</strong>. 1980. Seite 109.<br />

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3 Aspekte der Befreiungspädagogik <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong>s und feministisch-politischer <strong>Bildungsarbeit</strong><br />

oder un<strong>mit</strong>telbar bevorstehen, aufbauen 246 , also in einen gesamtgesellschaftlichen<br />

Rahmen gesehen werden sollten. 247 Denn<br />

„wenn nicht eine radikale Veränderung der Gesellschaftsstruktur stattfindet,<br />

[...] werden sie [die Menschen; d. Verf.] die gleichen bleiben, in der gleichen<br />

Weise ausgebeutet, wobei es keine Rolle spielt, ob es einigen von ihnen<br />

gelungen ist, die Ursache der Ausbeutungssituation zu erkennen. Die<br />

Aufdeckung der Realität ist ohne eindeutig auf diese Realität ausgerichtete<br />

politische Aktion schlichtweg sinnlos.“ 248<br />

Dies bedeutet jedoch nicht, dass keine Aktionen erfolgen sollten, wenn sich die<br />

Gesellschaft nicht verändert. Es gilt vielmehr, die Freiräume in der Gesellschaft zu<br />

erkennen und diese so zu nutzen, wie es unter den historischen Bedingungen möglich<br />

ist. 249<br />

Der Lehrer muss also immer Politiker und Künstler zugleich sein. 250 Seine Tätigkeiten<br />

bleiben stets politisch, ob er sich dessen bewusst ist oder nicht. 251<br />

3.1.2.6 Die Alphabetisierungs- und Nachalphabetisierungsmethode<br />

Dieses Kapitel geht der Frage <strong>nach</strong>, wie das pädagogische Denken <strong>Freire</strong>s sich in der<br />

Praxis zeigt. Dies lässt sich anhand seiner Alphabetisierungsmethode konkretisieren.<br />

Die Methode der Alphabetisierung beginnt zunächst <strong>mit</strong> einer Untersuchung des<br />

Wortschatzes der Gruppe, <strong>mit</strong> der gearbeitet werden soll. 252 Dazu treten die Erzieher<br />

bereits vor gemeinsamen Gruppentreffen, den so genannten Kulturzirkeln, <strong>mit</strong> den<br />

Alphabetisanden in Dialog. Da die befreiende Alphabetisierung vom Volk selbst getragen<br />

sein muss 253 , bedarf es dazu eines Höchstmaßes an Mitwirkung der Menschen. Um eine<br />

Bildung von oben zu verhindern, benutzt <strong>Freire</strong> so genannte ´generative Wörter`254 , die für<br />

die betroffene Gruppe existentielle Bedeutungen haben. Diese können sowohl<br />

Redeweisen, Wörter als auch Ausdrücke sein, wichtig ist, dass sie <strong>mit</strong> der Erfahrungswelt<br />

246 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1980. Seite 145f.<br />

247 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1980. Seite 113.<br />

248 <strong>Freire</strong>. 1981. Seite 55.<br />

249 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1981. Seite 96.<br />

250 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1981. Seite 88.<br />

251 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1981. Seite 98.; vgl. auch <strong>Freire</strong>. 1980. Seite 110.<br />

252 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1974. Seite 66.<br />

253 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1980. Seite 80.<br />

254 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 123.; vgl. auch Rösch. 1987. Seite 69.<br />

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3 Aspekte der Befreiungspädagogik <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong>s und feministisch-politischer <strong>Bildungsarbeit</strong><br />

der Menschen verbunden sind. 255 Die Erzieher erfahren dies durch Interviews in<br />

informellen Zusammenkünften <strong>mit</strong> den Bewohnern des Gebietes. 256 Dadurch werden<br />

Sehnsüchte, Frustrationen, Unglaube, Hoffnung und die Intensität des Bedürfnisses <strong>nach</strong><br />

Teilnahme deutlich. 257<br />

Im weiteren Verlauf treffen die Erzieher eine Auswahl der ´generativen Wörter`, anhand<br />

derer typische existentielle Situationen der Gruppe bildlich dargestellt, also ´kodiert`<br />

werden. Die ´Kodierungen` gelten als Herausforderungen für die Gruppenteilnehmer, da<br />

sie verschiedene Elemente beinhalten, die von den Mitgliedern gemeinsam <strong>mit</strong> dem<br />

Koordinator ´dekodiert` werden müssen. 258 Durch die Diskussion über die ´kodierte`<br />

Situation in all ihren Aspekten gelangen die Teilnehmer so zu einem kritischen<br />

Bewusstsein. 259 Darauf aufbauend wird die Aufmerksamkeit durch den Erzieher auf das<br />

´generative Wort` gelenkt, so dass dieses anhand von Bildern visuell erfasst werden kann.<br />

Es wird eine „semantische Beziehung zwischen Wort und bezeichnetem Gegenstand<br />

hergestellt“ 260 , wodurch die Teilnehmer allmählich das Lesen und Schreiben erlernen. 261<br />

Die Auseinandersetzung <strong>mit</strong> den alltäglichen Problemen eröffnet aber auch Perspektiven<br />

für die Analyse regionaler und nationaler Probleme. 262<br />

Die <strong>nach</strong>alphabetische Erwachsenenbildung<br />

Die Nachalphabetisierungsphase ist unlösbar <strong>mit</strong> der Alphabetisierung verbunden. Sie<br />

setzt diese fort, intensiviert und diversifiziert den in der Alphabetisierung beginnenden<br />

Erkenntnisakt. Beide Teile ergeben zusammen zwei Momente des gleichen<br />

gesellschaftlichen Bildungsprozesses. Der Erkenntnisakt vollzieht sich dabei stets in der<br />

Umsetzung einer Theorie in die Praxis. 263<br />

255 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1974. Seite 66f.<br />

256 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1980. Seite 66.; vgl. auch <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 123f.; Rösch. 1987. Seite 69.<br />

257 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1980. Seite 67.<br />

258 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1974. Seite 69.; vgl. auch Rösch. 1987. Seite 70.<br />

Beispiel für ein ´generatives Wort` und seine ´Kodierung`: Generatives Wort → Arbeit, Kodierung → Männer<br />

und Frauen bei der Arbeit. Vgl. <strong>Freire</strong>. 1980. Seite 101.<br />

259 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1974. Seite 69.<br />

260 <strong>Freire</strong>. 1974. Seite 70.<br />

261 Um tatsächlich Lesen und Schreiben zu lernen, bedarf es selbstverständlich mehr als nur der<br />

semantischen Verbindung von Wort und Gegenstand beziehungsweise Situation. Dies an die<strong>ser</strong> Stelle weiter<br />

zu erläutern, würde jedoch den Rahmen der Arbeit sprengen. Für genauere Informationen vgl. <strong>Freire</strong>. 1974.<br />

Seite 70ff.<br />

262 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1974. Seite 69.; vgl. auch Rösch. Seite 70.<br />

263 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1980. Seite 108.<br />

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3 Aspekte der Befreiungspädagogik <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong>s und feministisch-politischer <strong>Bildungsarbeit</strong><br />

Das Muster ist ähnlich dem der Alphabetisierung, jedoch wird jetzt in der ersten Phase<br />

<strong>nach</strong> ´generativen Themen` und nicht mehr nur <strong>nach</strong> ´generativen Wörtern` gesucht.<br />

Diese Themen können epochal weit gefasst sein oder sich im engeren Sinne auf<br />

Charakteristiken für Gesellschaften beziehen, wie beispielsweise das Thema der<br />

Herrschaft. 264 Um diese Themen zu finden, müssen die Erzieher das Leben in der Region<br />

unter die Lupe nehmen, also die Redensart der Menschen, ihren Lebensstil, wie auch ihr<br />

Verhalten in Kirche und Arbeit. 265 Denn die ´generativen Themen` sind ausschließlich<br />

innerhalb des Mensch-Welt-Verhältnisses erfassbar, das heißt in den Beziehungen des<br />

Menschen <strong>mit</strong> der Welt. 266 Nach der Auswahl der ´generativen Themen` werden<br />

existentielle Grenzsituationen 267 wiederum ´kodiert`, also verschlüsselt dargestellt. 268<br />

Während des ´Dekodierens` wird schließlich die Grenzsituation aufgespaltet und die<br />

jeweiligen Teile auf ihre Funktionen in der Interaktion <strong>mit</strong>einander analysiert. 269 Die<br />

Menschen stellen außerdem dar, wie sie die Welt sehen und wie sie in der Grenzsituation<br />

handelten. 270 Durch diese Auseinandersetzung können die Teilnehmer allmählich in der<br />

Grenzsituation einen Sinn sehen. 271 Sie kommen zu einem neuen Verständnis und zu<br />

neuem Wissen. 272 <strong>Freire</strong> formuliert wie folgt:<br />

„Nur wo sich diese Situation nicht mehr als festgefügte, sich abschließende<br />

Wirklichkeit oder als quälende Sackgasse präsentiert, wo Menschen anfangen<br />

können, sie als objektiv-problematische Situation zu begreifen – nur dort kann<br />

es Verpflichtung geben. Menschen tauchen aus ihrer Überflutung herauf und<br />

gewinnen die Fähigkeit, dort, wo sie enthüllt wird, in die Wirklichkeit<br />

einzugreifen. Das Eingreifen in die Wirklichkeit – das historische<br />

Gewahrwerden im eigentlichen Sinn – stellt sich so dar als ein Schritt über das<br />

Auftauchen hinaus und ergibt sich aus der conscientização der Situation.“ 273<br />

Der Mensch ist also durch das Eingreifen in die Welt auf dem Weg, ein bewusster Mensch<br />

zu werden und so<strong>mit</strong> seine Würde wiederzugewinnen.<br />

264 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 114.<br />

265 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 125.<br />

266 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 118<br />

267 Eine Grenzsituation kommt immer dann zustande, wenn eine Situation auf der einen Seite Menschen<br />

direkt oder indirekt dient, anderen Menschen aber auf der anderen Seite das Existenzrecht, die Freiheit,<br />

bestreitet. Vgl. <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 113.; vgl. auch Rösch. 1987. Seite 52.<br />

268 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 117.<br />

269 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 117.<br />

270 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 130.; vgl. auch Rösch. 1987. Seite 75.<br />

271 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 117.<br />

272 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 130.<br />

273 <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 122.<br />

40


3 Aspekte der Befreiungspädagogik <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong>s und feministisch-politischer <strong>Bildungsarbeit</strong><br />

Zusammenfassung<br />

<strong>Freire</strong>s Konzept der befreienden <strong>Bildungsarbeit</strong> ist zwar ein sehr guter Ansatz, um <strong>mit</strong><br />

unterdrückten Menschen im Allgemeinen arbeiten zu können, aber aus seinen<br />

anthropologischen Aussagen geht ein deutlicher androzentrischer 274 Duktus hervor, denn<br />

er spricht von Menschen, ohne eine Unterscheidung von Mann und Frau zu machen. Die<br />

Frage des Geschlechts taucht in seinen Hauptwerken also nicht auf. Ebenso zeigt sich<br />

der Androzentrismus in <strong>Freire</strong>s Sprache. Er spricht stets von dem Lehrer, dem Schüler,<br />

dem Unterdrücker, dem Unterdrückten. Die weibliche Form findet keine Berücksichtigung,<br />

die Frauen werden höchstens in den Begriffen <strong>mit</strong>gemeint. 275<br />

Bei der Untersuchung des Unterdrückerphänomens geht <strong>Freire</strong> ebenso wenig auf das<br />

Geschlechterverhältnis ein, sondern beschränkt sich lediglich auf die Unterdrückung der<br />

Armen durch die Reichen. Dass diese Unterdrückung aber unterschiedliche<br />

Auswirkungen auf Frauen und Männer hat, erwähnt er nicht. 276<br />

Nichtsdestotrotz kann seine Theorie der Unterdrückung Anstöße für die<br />

lateinamerikanische <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> Frauen bringen, denn die Analyse der<br />

Unterdrückung ist sehr allgemein und abstrakt, so dass sie auch auf die Unterdrückung<br />

von Frauen angewandt werden kann. Die Untersuchung über die Aneignung des<br />

´Unterdrücktseins` und deren Verfestigung in der Persönlichkeitsstruktur hat dennoch<br />

Gültigkeit. Die Internalisierung der Wertvorstellungen und Richtlinien der Unterdrücker,<br />

also der Männer, hat nämlich zur Folge, dass die Frauen sich in hierarchischen<br />

Geschlechterverhältnissen <strong>mit</strong> den Augen der Männer sehen und sich an männlichen<br />

Maßstäben messen. Dadurch wächst die Selbsterniedrigung und geringes Selbstvertrauen.<br />

Und gerade in einer dualen Ökonomie, die sich in Marktökonomie und<br />

Familienökonomie gliedert, ist die Geschlechterhierarchie und die geschlechtsspezifische<br />

Arbeitsteilung enorm. 277<br />

274 Unter Androzentrismus versteht Silvia Hagleitner „jene Sicht-, Denk- und Handlungsweise, die vorgibt,<br />

geschlechtsneutral zu sein, in Wahrheit aber geschlechtliche Differenz und da<strong>mit</strong> die Unterschiedlichkeit von<br />

Mann-Sein und Frau-Sein in un<strong>ser</strong>er Gesellschaft ausblendet.“ Hagleitner, Silvia: Mit Lust an der Welt – in<br />

Sorge um sie. Feministisch-politische <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>nach</strong> <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong> und Ruth C. Cohn. Matthias-<br />

Grünewald-Verlag. Mainz. 1996. Seite 102.<br />

275 Vgl. Hagleitner. 1996. Seite 102.<br />

276 Vgl. Hagleitner. 1996. Seite 103.<br />

277 Vgl. Hagleitner. 1996. Seite 104f.<br />

41


3 Aspekte der Befreiungspädagogik <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong>s und feministisch-politischer <strong>Bildungsarbeit</strong><br />

Deswegen darf gerade in Südamerika die Befreiungstheorie nicht die Frauen außer Acht<br />

lassen, die auf kultureller, politischer und wirtschaftlicher Ebene gegenüber den Männern<br />

strukturell be<strong>nach</strong>teiligt sind.<br />

3.2 Feministisch-politische <strong>Bildungsarbeit</strong><br />

Die Forderung <strong>nach</strong> speziell femininen Aspekten in der Befreiungstheorie wird deutlich.<br />

So könnte die feministisch-politische <strong>Bildungsarbeit</strong> diese möglicherweise erweitern<br />

beziehungsweise ergänzen, so dass sie einer <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> Frauen gerecht wird.<br />

Dazu müssen zunächst die Begriffe „Politik“, „Feminismus“ und „Gender“ verdeutlicht<br />

werden, um zu klären, welche Gesichtspunkte tatsächlich brauchbar sind.<br />

3.2.1 Der Politikbegriff<br />

Der einer politischen <strong>Bildungsarbeit</strong> zugrundegelegte Politikbegriff bestimmt jeweils deren<br />

theoretische und praktische Reichweite, denn es ist der Politikwissenschaft bisher noch<br />

nicht gelungen, eine einheitliche Definition von Politik zu finden. Doch es ist eindeutig,<br />

dass ein frauengerechter Politikbegriff die Realität von Frauen beinhalten, diese zum<br />

Thema machen und da<strong>mit</strong> den Interessen von Frauen Raum geben muss. 278<br />

Ein enger staats- und institutionenzentrierter Begriff wäre in diesem Rahmen nicht<br />

angebracht, da er die politisch-öffentliche Sphäre von der privat-häuslichen Sphäre trennt<br />

und da<strong>mit</strong> Frauen direkt aus dem politischen Bereich ausschließt. Dadurch werden die<br />

weiblichen Interessen sowie Bedürfnisse ausgegrenzt und Frauen in ihren Aussagen und<br />

Handlungsvollzügen diskriminiert. Es ist also ein Politikbegriff notwendig, der eben diese<br />

Polarisierung nicht vornimmt. 279 Mitte der 70er Jahre forderten in Deutschland die Frauen<br />

die Vergesellschaftung von Familie und Beziehung und machten da<strong>mit</strong> bisher unpolitische<br />

Themen aus dem Privaten öffentlich, was durch den Slogan „´Das Private ist politisch!`“ 280<br />

278 Vgl. Hagleitner. 1996. Seite 28.<br />

279 Vgl. Hagleitner. 1996. Seite 28f.<br />

280 Gieseke, Wiltrud: Politische Frauenbildung. In: Sotelo, Elisabeth de: Frauenweiterbildung. Innovative<br />

Bildungstheorien und kritische Anwendungen. Deutscher Studien Verlag. Weinheim. 2000. Seite 51.; vgl. auch<br />

Hagleitner. 1996. Seite 29; Mies, Maria: Patriarchat und Kapital. Frauen in der internationalen Arbeitsteilung.<br />

4. Auflage. Rotpunktverlag. Fulda. 1992. Seite 14.; Holland-Cunz, Barbara: Demokratiekritik: Zu Staatsbildern,<br />

Politikbegriffen und Demokratieformen. In: Becker, Ruth/Kortendiek, Beate (Hrsg): Handbuch Frauen- und<br />

42


3 Aspekte der Befreiungspädagogik <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong>s und feministisch-politischer <strong>Bildungsarbeit</strong><br />

deutlich wurde. Daraus lässt sich folgern, dass ein weit gefasster Politikbegriff jeden<br />

Gesellschaftsbereich als potentiell politisch, also veränderbar und demokratisierbar<br />

ansieht. Nach Silvia Hagleitner sind hierbei auch unbewusste, ungeplante und spontane<br />

Handlungsformen politisch bedeutsam, obgleich sie nicht un<strong>mit</strong>telbar politisch sind.<br />

Ebenso relevant ist die Tatsache, dass immer ein Zusammenhang besteht zwischen den<br />

Mikrobereichen 281 Familie, Schule oder ähnlichen Gruppen und dem Makrobereich Staat<br />

und Gesellschaft; das heißt, sie beeinflussen sich gegenseitig. 282<br />

Wenn nun Politik in Bezug zu Demokratie steht, so „wird Macht zu einem umkämpften,<br />

knappen Gut, denn es gibt mehr MachtinteressentInnen als Machtpositionen.“ 283 So<strong>mit</strong><br />

wird der Machtkonflikt zu einem Wesensmerkmal der Demokratie. Mit dem<br />

demokratischen Politikbegriff ist logischerweise auch ein partizipatorischer verbunden,<br />

denn in der demokratischen Politik soll durch Partizipation und aktive Mitgestaltung die<br />

Macht beschränkt werden. Dazu müssen sich zunächst von einem bestimmten Problem<br />

Betroffene <strong>mit</strong>einander austauschen und sich <strong>mit</strong> der Situation auseinandersetzen. Erst<br />

dann können gesellschaftliche Veränderungen stattfinden. Soziales und politisches<br />

Handeln wird so<strong>mit</strong> zu einem kollektiven Vorgang. 284<br />

3.2.2 Der Begriff des Feminismus<br />

Analog zu dem Politikbegriff lässt sich auch der Begriff des Feminismus nicht eindeutig<br />

definieren, da es viele verschiedene Ausrichtungen gibt und er zudem dem historischen<br />

Wandel unterworfen ist. Eine für diese Arbeit angebrachte Definition zeigt jedoch Paula-<br />

Irene Villa auf, welche Feminismus versteht als<br />

„die Einsicht in strukturelle, herrschaftsförmige, historisch gewordene<br />

Ungleichheit und Ungleichwertigkeit der Geschlechter im Zusammenhang <strong>mit</strong><br />

Geschlechterforschung. Theorie, Methoden, Empirie. VS Verlag für Sozialwissenschaften. Wiesbaden. 2004.<br />

Seite 469.<br />

281 Die Soziologie unterscheidet soziale Phänomene auf verschiedenen Ebenen. Die Mikroebene bezieht sich<br />

auf kleine Gruppen wie beispielsweise die Familie oder Intimgruppen und das zwischenmenschliche Verhalten<br />

der einzelnen Individuen. Auf der Mesoebene – der intermediären Ebene – treffen Handeln und soziale<br />

Systeme aufeinander. Die Gesellschaft als soziales Gebilde wird im Rahmen der Makroebene untersucht. Vgl.<br />

http://www.mikrooekonomie.de/Soziologie.html vom 20.11.2007.<br />

282 Vgl. Hagleitner. 1996. Seite 29f.<br />

283 Hagleitner. 1996. Seite 32.<br />

284 Vgl. Hagleitner. 1996. Seite 32f.<br />

43


3 Aspekte der Befreiungspädagogik <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong>s und feministisch-politischer <strong>Bildungsarbeit</strong><br />

anderen (Ungleichheits-) Strukturen sowie der Anspruch, anhand<br />

verschiedener Praxen diese Strukturen zu überwinden.“ 285<br />

Der Feminismus ist also eine politische, da interessensgeleitete Bewegung <strong>mit</strong> dem Ziel,<br />

patriarchale Herrschaftsstrukturen aufzuheben. Denn durch bestehende Machtverhältnisse<br />

in einem Patriarchat werden Frauen durch Männer ausgebeutet und unterdrückt:<br />

Die Frauen sind den Männern aufgrund ihrer Geschlechterrolle 286 unterworfen und die<br />

Männer können über die Arbeitskraft der Frauen verfügen. Patriarchat wird dabei also<br />

verstanden als ein kulturelles und historisches Phänomen, an dessen Spitze die Männer<br />

stehen und das sich durch Sozialisation verfestigt hat. Feminismus zielt in diesem Sinne<br />

auf die Befreiung aus diesen Herrschaftsverhältnissen <strong>mit</strong> dem Streben <strong>nach</strong> Selbstbestimmung<br />

und Unabhängigkeit. 287<br />

Frauen aus Asien, Südamerika und Afrika lehnten den westlichen Begriff des Feminismus<br />

zunächst ab, da er zu sehr von dem Problem der Armut und Entwicklung des Landes<br />

ablenke. Nach der Internationalen UNO-Zwischen-Frauenkonferenz 1980 in Kopenhagen<br />

wurde er jedoch auch in deren Diskussionen und Schriften nicht mehr vermieden. 288<br />

3.2.3 Der Gender-Ansatz<br />

Der Begriff des Patriarchats lässt auf Differenzen in der Geschlechterbeziehung<br />

schließen. Dem<strong>nach</strong> muss an die<strong>ser</strong> Stelle auch auf den Gender-Ansatz eingegangen<br />

werden, der in den 80er Jahren als neues Paradigma in der Entwicklungs-<br />

285 Villa, Paula-Irene: Woran erkenne ich eine Feministin? Polemische und programmatische Gedanken zur<br />

Politisierung von Erfahrungen. In: Knapp, Gudrun-Alexi/Wetterer, Angelika (Hrsg.): Achsen der Differenz.<br />

Gesellschaftstheorie und feministische Kritik II. Westfälisches Dampfboot. Münster. 2003. Seite 266.<br />

286 Auf die Bedeutung von Geschlechterrollen wird im nächsten Kapitel näher eingegangen.<br />

287 Vgl. Hagleitner. 1996. Seite 36.<br />

Maria Mies geht von einem weiter gefassten Begriff des Patriarchats aus, der in erster Linie von marxistisch<br />

und sozialistisch orientierten Frauen benutzt wird, denn sie bezieht die ökonomischen Verhältnisse einer<br />

Gesellschaft <strong>mit</strong> ein. Vgl. Mies. 1992. Seite 23.<br />

Das Patriarchat als System ist dem<strong>nach</strong> ganz eng <strong>mit</strong> dem Kapitalismus, den sie als dessen universalste<br />

Äußerungsform ansieht, und seinen Gesetzmäßigkeiten verbunden. Frauenunterdrückung ist also ein<br />

wesentlicher Bestandteil kapitalistisch-patriarchaler Produktionsverhältnisse: „Sie ist Bestandteil des<br />

Paradigmas ewigen Wachstums, stetig sich vergrößernder Produktivkräfte, einer unbeschränkten Ausbeutung<br />

der Natur, einer unbeschränkten Warenproduktion, stetig sich ausbreitender Märkte und unendlicher<br />

Akkumulation des fixen Kapitals.“ Mies. 1992. Seite 36f.<br />

Politisches Ziel des Feminismus ist folglich die Überwindung des kapitalistischen Patriarchats und das<br />

Schaffen einer Realität ohne jegliche Ausbeutung und Zerstörung. Vgl. Mies. 1992. Seite 36.<br />

288 Vgl. Mies. 1992. Seite 15f.<br />

44


3 Aspekte der Befreiungspädagogik <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong>s und feministisch-politischer <strong>Bildungsarbeit</strong><br />

zusammenarbeit 289 entstand. Er war eine Reaktion auf bisherige isolierte Maßnahmen der<br />

vorangegangen Frauenförderung 290 , denn der bisherige Ansatz der<br />

„Integration von Frauen in die Erwerbsarbeit und auch in das Bildungs- und<br />

Gesundheitssystem mag Lebens- und Arbeitsbedingungen zwar graduell<br />

verbes<strong>ser</strong>t haben, hat jedoch in keinem kapitalistischen oder sozialistischen<br />

Land die Hierarchie der Geschlechter beseitigt, sondern dem patriarchal<br />

bestimmten Geschlechterverhältnis höchstens neue Ausdrucks- und<br />

Verlaufsnormen gegeben.“ 291<br />

Der Begriff Gender löste in der institutionalisierten Entwicklungszusammenarbeit alsbald<br />

schließlich den der Frauenförderung im oben genannten Sinne ab. Das Gender-Konzept<br />

wird als ein offenes und dynamisches verstanden 292 , welches die Geschlechtergleichheit<br />

als gesellschaftlichen Anspruch zugrunde legt, aber gleichzeitig Differenzbeobachtungen<br />

293 nutzt, um die Geschlechterspiele zu analysieren. 294 Der alleinige und<br />

isolierende Fokus auf Frauen soll überwunden 295 und stattdessen beide Perspektiven, die<br />

der Männer und Frauen, erfasst werden. Erst dadurch können die<br />

289 Der Begriff der Entwicklungszusammenarbeit hat den der Entwicklungshilfe abgelöst und ist Teil der<br />

deutschen Entwicklungspolitik. Er bezieht sich auf die entwicklungspolitische Zusammenarbeit Deutschlands<br />

<strong>mit</strong> Ländern und Organisationen. Letztere werden jedoch heute nicht mehr als Hilfeempfänger, sondern<br />

vielmehr als Partner angesehen. Vgl. http://www.bmz.de/de/<strong>ser</strong>vice/fragen/index.html vom 15.11.2007.<br />

290<br />

Vgl. Többe-Schukalla, Monika: Gender-Perspektiven in der Entwicklungszusammenarbeit. In:<br />

Hasenjürgen, Brigitte/Rohleder, Christiane (Hrsg.): Geschlecht im sozialen Kontext. Perspektiven für die<br />

Soziale Arbeit. Verlag Barbara Budrich. Opladen. 2005. Seite 289.<br />

291 Wichterich, Christa: Paradigmenwechsel. Von der „Integration in die Entwicklung“ zur „Feminisierung der<br />

Entwicklung“. In: Peripherie. Zeitschrift für Politik und Ökonomie in der dritten Welt. Heft 25/26. 1987. Seite<br />

127.<br />

292 Vgl. Többe-Schukalla. 2005. Seite 289f.<br />

293 In der Frauenbewegung gibt es verschiedene ´Weiblichkeitsentwürfe`, die durch die Gleichheitstheorie<br />

einerseits und die Differenztheorie andererseits beschrieben werden. Die Gleichheitstheorie geht davon aus,<br />

dass Frauen erst dann Befreiung und Selbstverwirklichung erreichen können, wenn sie durch gleiche<br />

Chancen und Rechte an männlicher Macht teilhaben können. Dazu sollen sie sich männliche Werte und<br />

Vorgehensweisen aneignen, um ein vollständiger Mensch zu werden. Die<strong>ser</strong> Ansatz verleugnet jedoch das<br />

Frau-Sein und verfestigt das Bild der ´passiven` Frau. Die Differenztheorie wird vor allem durch Christa<br />

Mulack vertreten. Mulack ist laut Hagleitner der Ansicht, dass die Frauen sich auf ihre weiblichen Fähigkeiten<br />

und Stärken besinnen sollen, so dass sie durch diese Bewusstwerdung den Kampf um Gleichberechtigung<br />

nicht mehr führen müssen. Es wird eine weibliche Gegenwelt im Gegensatz zu der Männerwelt aufgebaut.<br />

Vgl. Hagleitner. Seite 41ff.<br />

In der Differenztheorie gehen die Unterschiede zwischen Frauen <strong>nach</strong> Klasse und Ethnie unter. Außerdem<br />

besteht durch das zugrundegelegte Denkmuster der Zweigeschlechtlichkeit die Gefahr der Entstehung einer<br />

„überhistorischen Ideologisierung des Weiblichen“. Lenz, Ilse: Neue Nachrichten von Nirgendwo? Zu neuen<br />

Perspektiven in der Geschlechterfrage. In: Hasenjürgen, Brigitte/Preuß, Sabine (Hrsg.): Frauenarbeit –<br />

Frauenpolitik. Internationale Diskussionen. Westfälisches Dampfboot. Münster. 1993. Seite 107f.<br />

294 Vgl. Gieseke, Wiltrud. 2000. Seite 49f.<br />

295 Vgl. Többe-Schukalla. 2005. Seite 293.<br />

45


3 Aspekte der Befreiungspädagogik <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong>s und feministisch-politischer <strong>Bildungsarbeit</strong><br />

Geschlechterverhältnisse in einem soziokulturellen Kontext erkannt werden und<br />

bestehende Ungleichheiten gemäß einer egalitären Machtverteilung verändert werden. 296<br />

Die Ausgangslage dieses Ansatzes ist die Differenzierung zwischen sex, dem<br />

biologischen und angeborenen Geschlecht, und gender, dem sozialen Geschlecht.<br />

Letzteres ist eine soziale Konstruktion, die sich aus Einstellungsmustern und Rollen<br />

ergibt, die von Männern und Frauen während der Sozialisation erlernt werden. Der Begriff<br />

Gender wird folglich kulturell bestimmt. 297<br />

In der konkreten Gender-Analyse wird die geschlechtsspezifische Arbeits- und<br />

Aufgabenverteilung wie auch deren Wahrnehmung und Bewertung untersucht. 298 Dazu<br />

wird zwischen so genannten ´strategic gender needs` und ´practical gender needs`<br />

unterschieden. Die ´strategic gender needs` beziehen sich auf die Erkenntnis und<br />

Veränderung struktureller Ursachen von Unterdrückungsverhältnissen. Rechte,<br />

Arbeitsbezahlung, Macht und politische Handlungsstrategien müssen <strong>mit</strong> dem Ziel der<br />

Gleichstellung von Frauen und Männern verändert werden. 299 ´Practical gender needs`<br />

beinhalten alle Grundbedürfnisse zur Sicherung des Überlebens, die beispielsweise durch<br />

einkommensschaffende Maßnahmen und Unterstützung im Basisgesundheitsdienst<br />

zufrieden gestellt werden könnten. Da aber die typischen einkommens- und<br />

beschäftigungsschaffenden Maßnahmen nicht zur Befreiung der Frauen aus ihren<br />

marginalen Positionen führen 300 , bedarf die Frauenemanzipation einer Transformation des<br />

Gesellschaftssystems. 301<br />

In diesem Sinne wurde Mitte der 80er das Empowerment 302 zu einem bedeutsamen Ziel<br />

des Gender-Ansatzes in der Entwicklungszusammenarbeit. 303 Denn das Empowerment ist<br />

ein Konzept,<br />

296 Vgl. Bartels, Ulrike: Vom Gender-Ansatz in der Entwicklungspolitik. In: ila. Zeitschrift der Informationsstelle<br />

Lateinamerika. Heft 206. 1997. Seite 44f.<br />

297 Vgl. Bartels. 1997. Seite 44.; vgl. auch Preuß, Sabine/Seyfferth, Anne: Defizite und Alternativen in den<br />

Strategien zur Frauenförderung. In: Hasenjürgen, Bigitte/Preuß, Sabine: Frauenarbeit – Frauenpolitik.<br />

Internationale Diskussionen. Westfälisches Dampfboot. Münster. 1993. Seite 118.; Derichs-Kunstmann, Karin:<br />

Vom Geschlechter-Verhältnis in der Weiterbildung zum „Gender-Training“. Entwicklungen der<br />

Geschlechterthematik. In: Sotelo, Elisabeth de: Frauenweiterbildung. Innovative Bildungstheorien und<br />

kritische Anwendungen. Deutscher Studienverlag. 2000. Seite 112.<br />

298 Vgl. Bartels. 1997. Seite 44.<br />

299 Vgl. Többe-Schukalla. 2005. Seite 294.; vgl. auch Preuß. 1993. Seite 118.<br />

300 Vgl. Preuß. 1993. Seite 118ff.<br />

301 Vgl. Többe-Schukalla. 2005. Seite 294.<br />

302 Empowerment bedeutet „´Selbst-Bemächtigung`, ´Stärkung von Autonomie und Selbstbestimmung`.“;<br />

Herriger, Norbert: Empowerment in der Sozialen Arbeit. Eine Einführung. 3., erweiterte und aktualisierte<br />

Auflage. Kohlhammer. Stuttgart. 2006. Seite 13.<br />

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3 Aspekte der Befreiungspädagogik <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong>s und feministisch-politischer <strong>Bildungsarbeit</strong><br />

„das Geschlechtergerechtigkeit in bottom-up-Prozessen, von der<br />

gesellschaftlichen Basis aus, erreichen und die individuelle Emanzipation von<br />

Frauen <strong>mit</strong> der Transformation gesellschaftlicher Ungleichheitslagen<br />

verknüpfen will.“ 304<br />

Mit Empowerment ist gleichzeitig die Forderung <strong>nach</strong> Partizipation in den Vordergrund<br />

getreten, die eine kontinuierliche Integration der Zielgruppeninteressen notwendig<br />

macht. 305<br />

Wird der Gender-Ansatz auch häufig kritisiert und mag er allein nicht direkt zu einer<br />

Überwindung der strukturellen Diskriminierung der Frauen führen 306 , so regt er doch einen<br />

gesellschaftlichen Gestaltungsprozess an, „der sowohl politische Aktionsfelder, Sozialräume<br />

(strategische Interessen) als auch un<strong>mit</strong>telbare Lebenswelten (praktische<br />

Interessen) umfasst.“ 307 Durch sein langfristiges Ziel des Empowerment an der Basis ist er<br />

häufig konkreter und effektiver als halbherzige Lösungen von Frauenfragen von oben. 308<br />

Zusammenfassung<br />

Auf der Basis der erläuterten Begriffe Politik, Feminismus und Empowerment im Gender-<br />

Kontext kann feministisch-politische <strong>Bildungsarbeit</strong> verstanden werden als<br />

„ein von Frauen geplantes und <strong>mit</strong> Frauen durchgeführtes gemeinsames<br />

Lernen, ein Lernen wider die [...] patriarchalen Gesetzmäßigkeiten, ein<br />

Herausbilden von Selbstdefinition und Selbstbewusstsein der Frauen, ein<br />

Befreien der Frauen aus einengenden Denk- und Rollenmustern.“ 309<br />

Sie kann als Reflexions-, Aktivierungs- und Befreiungsarbeit definiert werden. 310<br />

303 Vgl. Többe-Schukalla. 2005. Seite 294.<br />

304 Ruppert, Uta: Frauenpolitik in der Globalisierung: Zwischen feministischer Kritik, Gender Mainstreaming<br />

und Empowerment. In: Randzio-Plath, Christa (Hrsg.): Frauen und Globalisierung. Zur Geschlechtergerechtigkeit<br />

in der Dritten Welt. Verlag J.H.W. Dietz. Bonn. 2004. Seite 28.<br />

305 Vgl. Többe-Schukalla. 2005. Seite 294.<br />

306 Vgl. Bartels. 1997. Seite 45.<br />

307 Többe-Schukalla. 2005. Seite 296.<br />

308 Vgl. Ruppert. 2004. Seite 28.<br />

309 Hagleitner. 1996. Seite 67.<br />

310 Vgl. Hagleitner. 1996. Seite 69.<br />

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3 Aspekte der Befreiungspädagogik <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong>s und feministisch-politischer <strong>Bildungsarbeit</strong><br />

3.3 Anstöße der feministisch-politischen <strong>Bildungsarbeit</strong> für die befreiende<br />

<strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong>s<br />

Aus der obigen Darstellung der befreienden <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>nach</strong> <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong> und der<br />

feiministisch-politischen <strong>Bildungsarbeit</strong> kristallisiert sich heraus, dass beide Ansätze das<br />

gleiche Ziel verfolgen: Die Befreiung der Menschen anhand von Befähigungsprozessen.<br />

Beide Konzepte sind sich einig, dass dies nur im Dialog <strong>mit</strong> anderen stattfinden kann, also<br />

durch Arbeit in einem Kollektiv. Daraus und aus der Absicht, bestehende Strukturen zu<br />

verändern, ergibt sich der politische Aspekt, den beide für unerlässlich halten, um<br />

tatsächlich etwas in der Gesellschaft bewirken zu können. Dabei geht feministischpolitische<br />

<strong>Bildungsarbeit</strong> jedoch über <strong>Freire</strong> hinaus, da sie auch den privaten Bereich zum<br />

öffentlichen Thema macht. Beide Ansätze verdeutlichen, dass Bildung allein keine<br />

Strukturen verändern kann.<br />

Des Weiteren ergänzt aber die feministisch-politische <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>Freire</strong>s Konzept um<br />

einige Aspekte. So sollte zunächst der Lehrer durch die Lehrerin ersetzt werden, da es<br />

sinnvoller ist, wenn Frauen anstelle von Männern <strong>mit</strong> unterdrückten Frauen arbeiten.<br />

Denn die feministische <strong>Bildungsarbeit</strong> geht von dem Frau-Sein als entscheidender<br />

Erfahrung aus 311 , welche ein Mann selbstverständlich nicht teilen kann. Aus die<strong>ser</strong><br />

Erfahrung heraus ergeben sich auch die Themen, die in der konkreten Alphabetisierung<br />

und Nachalphabetisierung analysiert werden. Zudem ist Frauenbildung an Zuneigung<br />

füreinander geknüpft, sie ist also „eine Praxis gelebter Frauenfreundschaft“. 312 Ebenso<br />

relevant ist die Tatsache, dass in der Frauenbildungsarbeit nicht von ´Lehrerinnen` und<br />

´Schülerinnen` gesprochen wird, sondern alle Frauen als Teilnehmerinnen des Bildungsprozesses<br />

gelten. Dies ergibt sich jedoch bereits aus der Tatsache, dass<br />

Frauenbildungsarbeit außerschulisch stattfindet. 313<br />

Die Gender-Analyse dient als ein Werkzeug zum bes<strong>ser</strong>en Verständnis der<br />

Lebensweltkonstruktionen von Männern und Frauen und bildet so<strong>mit</strong> die Ausgangslage<br />

der <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> Frauen. Auch bei <strong>Freire</strong> gehört zunächst das Untersuchen der<br />

Alltagswelt der Gruppe <strong>mit</strong> ihren Konstruktionen zur Alphabetisierungsmethode. In diesem<br />

Sinn kann die Gender-Analyse die allgemeiner gehaltene Untersuchung ergänzen.<br />

311 Vgl. Schiersmann, Christiane: Frauenbildung. Konzepte, Erfahrungen, Perspektiven. Juventa Verlag.<br />

Weinheim, München. 1992. Seite 32.<br />

312 Hagleitner. 1996. Seite 109.<br />

313 Vgl. Hagleitner. 1996. Seite 111.<br />

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3 Aspekte der Befreiungspädagogik <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong>s und feministisch-politischer <strong>Bildungsarbeit</strong><br />

Werden nun diese Aspekte aus der feministisch-politischen <strong>Bildungsarbeit</strong> in der<br />

Befreiungspädagogik <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong>s berücksichtigt, so kann sein Konzept generell auch<br />

auf Frauen, die durch Männer unterdrückt werden, angewandt werden.<br />

3.4 Paraguay – eine Gesellschaft im Übergang<br />

Ob sich <strong>Freire</strong>s Konzept <strong>mit</strong> Ergänzung der feministischen Aspekte nun insbesondere für<br />

die <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> unterdrückten Frauen Paraguays eignet, soll in diesem Kapitel<br />

geklärt werden. Die mögliche Anwendung hängt davon ab, ob Paraguay eine<br />

´Gesellschaft im Übergang`314 ist, denn diese bildet für <strong>Freire</strong> die Ausgangslage für eine<br />

politische Alphabetisierung.<br />

Paraguay war eine abhängige koloniale Gesellschaft 315 , die sich seit dem Jahre 1989 in<br />

einem Demokratisierungsprozess befindet. 316 Dennoch gibt es auch heute noch<br />

Machtspiele in der Eliteklasse, währenddessen das Volk kaum Beachtung findet. Dies<br />

spiegelt sich insbesondere in der aufgezeigten hohen Analphabetenrate, besonders der<br />

Frauen, aber auch in der hohen Arbeitslosenzahl. 317<br />

Wird nun aber der feministische Aspekt in <strong>Freire</strong>s Konzept <strong>mit</strong>einbezogen, so spielt das<br />

Gefälle zwischen der Elite und dem Volk in die<strong>ser</strong> Arbeit nicht die bedeutendste Rolle.<br />

Viel relevanter ist die Tatsache, dass Frauen in Paraguay von Männern in allen Lebensund<br />

Arbeitsbereichen Jahrhunderte lang von der Kolonialisierung bis heute unterdrückt<br />

wurden und auch heute noch werden. 318 Die Ausbeutung geht also <strong>mit</strong> patriarchalen<br />

Herrschaftsverhältnissen einher 319 , die eine geschlechtergerechte Demokratie verhindern.<br />

Denn Männer als Vertreter des von Natur aus ´stärkeren` Geschlechts sehen sich selbst<br />

als ´menschliche Wesen`, wohingegen die paraguayischen Frauen auf ihre Arbeitskraft<br />

reduziert und da<strong>mit</strong> als ´Dinge` für die eigene Existenz benötigt werden. 320 Indem sie<br />

Verfügungsgewalt besitzen, werden die Männer zu ´Habenden` und die Paraguayerinnen<br />

gleichzeitig zu Objekten. Dadurch entsteht <strong>nach</strong> <strong>Freire</strong> die ´Kultur des Schweigens`. 321<br />

314 Vgl. Kapitel 3.1.1.<br />

315 Vgl. Kapitel 2.1.1.<br />

316 Vgl. Kapitel 2.1.3.<br />

317 Vgl. Kapitel 2.2.<br />

318 Vgl. Kapitel 2.<br />

319 Vgl. Kapitel 3.2.2. Seite 44.<br />

320 Vgl. Kapitel 2.<br />

321 Vgl. Kapitel 3.1.1. Seite 28f.<br />

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3 Aspekte der Befreiungspädagogik <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong>s und feministisch-politischer <strong>Bildungsarbeit</strong><br />

Den Mythos, sie seien passive Wesen, haben die Paraguayerinnen schon lange<br />

internalisiert, was sich dadurch zeigt, dass sie sich angepasst haben und zum größten<br />

Teil bloß Zuschauerinnen der Politik sind. 322 Durch die Anpassung an die Sichtweisen von<br />

Männern, das Nicht-Verändern der Realität, haben sie sich laut <strong>Freire</strong> selbst<br />

´entmenschlicht`. 323 Paraguay ist dem<strong>nach</strong> eine ´Gesellschaft im Übergang`.<br />

Die Ausgangslage, um <strong>nach</strong> <strong>Freire</strong> <strong>mit</strong> paraguayischen Frauen arbeiten zu können, ist<br />

folglich gegeben. Die eigentliche <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> dem Ziel der Humanisierung im Sinne<br />

von politischer Partizipation könnte also in Angriff genommen werden.<br />

322 Vgl. Kapitel 2 und Kapitel 3.1.1. Seite 29.<br />

323 Vgl. Kapitel 3.1.1. Seite 29.<br />

50


4 <strong>Befreiende</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay – Eine Aufgabe der Sozialen Arbeit<br />

4 <strong>Befreiende</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay –<br />

Eine Aufgabe der Sozialen Arbeit<br />

Nun bleibt zu klären, welche Profession sich am besten dazu eignet, die befreiende<br />

<strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> den Frauen Paraguays durchzuführen. Dafür käme die Soziale Arbeit in<br />

Frage, die in die<strong>ser</strong> Arbeit gemäß der Definition des Internationalen Berufsverbands der<br />

Sozialarbeitenden aus dem Jahr 2000 verstanden wird. Dort wird sie wie folgt<br />

beschrieben:<br />

„Soziale Arbeit ist eine Profession, die sozialen Wandel, Problemlösungen in<br />

menschlichen Beziehungen sowie die Ermächtigung und Befreiung von<br />

Menschen fördert, um ihr Wohlbefinden zu verbes<strong>ser</strong>n. Indem sie sich auf<br />

Theorien menschlichen Verhaltens sowie sozialer Systeme als<br />

Erklärungsbasis stützt, interveniert Soziale Arbeit im Schnittpunkt zwischen<br />

Individuum und Umwelt/Gesellschaft. Dabei sind die Prinzipien der<br />

Menschenrechte und sozialer Gerechtigkeit für die Soziale Arbeit von<br />

fundamentaler Bedeutung.“ 324<br />

An die<strong>ser</strong> Stelle wird die Soziale Arbeit auf der Basis die<strong>ser</strong> Definition genauer betrachtet<br />

und auf ihre Bedeutung für eine befreiende <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay hin<br />

untersucht. Die Perspektive wird auf die Themen Menschenrechte, Empowerment,<br />

Lebensweltorientierung und spezielle Kompetenzen der Sozialen Arbeit gerichtet.<br />

4.1 Soziale Arbeit als Menschenrechtsprofession<br />

Indem die Soziale Arbeit sich gemäß der oben genannten Definition als Menschenrechtsprofession<br />

versteht, fordert sie einen weltweiten Bewusstseinsbildungsprozess über<br />

soziale Probleme. Diese Forderung ging einher <strong>mit</strong> der weltweiten „´Kampagne für<br />

Menschenrechte`“ 325 , die das UNO-Zentrum für Menschenrechte in Genf 1992 führte, um<br />

da<strong>mit</strong> der Weltöffentlichkeit in das Bewusstsein zu rufen, dass „die Menschenrechte nicht<br />

nur eine universelle Aufgabe, sondern seit 1992 zentraler Bestandteil des internationalen<br />

324 Staub-Bernasconi, Silvia: Soziale Arbeit als (eine) „Menschenrechtsprofession“. In: Sorg, Richard (Hrsg.):<br />

Soziale Arbeit zwischen Politik und Wissenschaft. Ein Projekt des Fachbereichs Sozialpädagogik der<br />

Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg. LIT Verlag. Münster, Hamburg, London. 2003. Seite<br />

20.<br />

325 Staub-Bernasconi. 2003. Seite 21.<br />

51


4 <strong>Befreiende</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay – Eine Aufgabe der Sozialen Arbeit<br />

Rechts“ 326 sind. Vor diesem Hintergrund veröffentlichte das Centre of Human Rights der<br />

UNO in Kooperation <strong>mit</strong> der International Federation of Social Workers (IFSW) und der<br />

International Association of Schools of Social Work (IASSW) ein Manual <strong>mit</strong> dem Titel<br />

„´Human Rigths and Social Work`“. 327 Gemäß diesem verlangt die Wissenschaft der<br />

Sozialen Arbeit das Anknüpfen an die Menschen selbst <strong>mit</strong> ihren Bedürfnissen, ihrer<br />

Situation, ihren Problemen und Ressourcen. Außerdem geht sie davon aus, dass jeder<br />

Mensch lern-, reflexions- und handlungsfähig ist und dadurch sich selbst wie auch seine<br />

Umwelt verändern kann. Aus den Bedürfnissen der Menschen ergeben sich schließlich<br />

die konkreten Handlungsansätze, denn deren Befriedigung ist laut dem Manual keine<br />

subjektive Wahl, sondern vielmehr eine Forderung <strong>nach</strong> sozialer Gerechtigkeit. Dies lässt<br />

sich dadurch erklären, dass die Erfüllung menschlicher Bedürfnisse stets von anderen<br />

Menschen und arbeitsteiligen Prozessen abhängig ist, wodurch Machtverhältnisse,<br />

Be<strong>nach</strong>teiligungs- und Herrschaftsstrukturen entstehen. 328 Es geht also gleichzeitig auch<br />

immer um die Befriedigung grundlegender sozialer Ansprüche. 329 Für die professionelle<br />

Soziale Arbeit <strong>mit</strong> menschenrechtlichem Bezugsrahmen besteht nun die Aufgabe konkret<br />

darin,<br />

„a) auf der Grundlage wissenschaftlicher Forschung auf die Bedingungen und<br />

Folgen verletzter Bedürfnisse und Wünsche hinzuweisen, b) die privatisierten<br />

Nöte, wenn immer möglich zusammen <strong>mit</strong> den AdressatInnen, in öffentliche<br />

Themen zu verwandeln [...] und c) individuelle wie kollektive<br />

Bewertungsprozesse im Zusammenhang <strong>mit</strong> verletzter Bedürfnisbefriedigung<br />

in Gang zu setzen, die sich an der Vorstellung universeller Bedürfnisse und<br />

korrespondierender universeller Werte orientieren.“ 330<br />

Das erste sozialarbeiterische Organisationsprinzip der Bedürfnisorientierung wird so<strong>mit</strong><br />

durch das zweite der Menschen- und Sozialrechte ergänzt. 331 Zwar steht die Soziale<br />

Arbeit in ihrer Ausübung dabei in Abhängigkeit zu den von der Gesellschaft zur Verfügung<br />

326 Staub-Bernasconi. 2003. Seite 21f.<br />

327 Schneider, Volker: Sozialarbeit zwischen Politik und professionellem Auftrag: Hat sie ein politisches<br />

Mandat? In: Merten, Roland (Hrsg.): Hat Soziale Arbeit ein politisches Mandat? Positionen zu einem strittigen<br />

Thema. Leske + Budrich. Opladen. 2001. Seite 32.<br />

328 Vgl. Staub-Bernasconi. 2003. Seite 27ff.<br />

Silvia Staub-Bernasconi geht als Beispiel auf Frauen ein, die ein „kulturell legitimiertes Gewaltverhältnis<br />

zwischen Mann und Frau internalisiert haben, aus dem sie sich nicht zuletzt aus ökonomischen Gründen nicht<br />

herauszulösen vermögen.“ Staub-Bernasconi. 2003. Seite 29.<br />

329 Vgl. Schneider. 2001. Seite 32.<br />

330 Staub-Bernasconi. 2003. Seite 30.<br />

331 Vgl. Staub-Bernasconi. 2003. Seite 28.<br />

52


4 <strong>Befreiende</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay – Eine Aufgabe der Sozialen Arbeit<br />

gestellten Ressourcen und wird durch Machtträger und Kontrollinstanzen bestimmt, sie<br />

kann sich aber eigenbestimmte und selbstdefinierte Aufträge erteilen, denn das Manual<br />

kann als „eine Art symbolische oder kulturelle Ressource“ 332 wahrgenommen werden.<br />

Dadurch muss sie nicht warten, bis ihre sozialen Auftraggeber ihr Denken und Handeln<br />

legitimieren. Vielmehr bedürfen die Staaten der Hilfe bei der Umsetzung der<br />

Menschenrechte, da sie als unzuverlässige Verwalter gelten. 333 Der Auftrag ergibt sich<br />

jedoch nicht nur aus der Eigenwahrnehmung und da<strong>mit</strong> dem professionellen<br />

Selbstverständnis, sondern auch aus dem von der UNO <strong>mit</strong>getragenen Fremdbild der<br />

Sozialen Arbeit. 334 Dadurch hat die Soziale Arbeit einen fremdbestimmten Auftraggeber,<br />

einen so genannten Mandatar. Indem sie dabei für die Beseitigung gesellschaftlicher<br />

Ungleichheiten und für soziale Gerechtigkeit eintritt, hat sie folglich ein politisches<br />

Mandat. 335<br />

Bezug zu befreiender <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>nach</strong> <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong> <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay<br />

Indem sich Soziale Arbeit als Menschenrechtsprofession versteht, nimmt sie<br />

Ungerechtigkeiten und Be<strong>nach</strong>teiligungen von Bevölkerungsgruppen wahr und zielt auf<br />

Unterstützung beim Entwickeln beziehungsweise den Wiedergewinnen sozialer und<br />

politischer Kompetenzen 336 anhand von Befreiungsprozessen. <strong>Freire</strong> geht ebenso von<br />

innergesellschaftlichen Unterdrückungsverhältnissen aus 337 , die es <strong>mit</strong>tels eines<br />

Ermächtigungsprozesses im Sinne von Bewusstseinsbildung durch politische Alphabetisierung<br />

zu überwinden gilt 338 , um als gleichwertiger Mensch an der Veränderung der<br />

Welt teilhaben zu können. Dies ist für ihn das Recht eines jeden Menschen. 339 In Bezug<br />

auf die Frauen Paraguays resultiert daraus insbesondere die Gleichstellung der<br />

Geschlechter, die <strong>mit</strong> Artikel 2 der Menschenrecht<strong>ser</strong>klärung einhergeht:<br />

332 Staub-Bernasconi. 2003. Seite 30.<br />

333 Vgl. Staub-Bernasconi. 2003. Seite 30.<br />

334 Vgl. Schneider. 2001. Seite 33f.<br />

335 Vgl. Kusche, Christoph/Krüger, Rolf: Sozialarbeit muss sich endlich zu ihrem politischen Mandat bekennen!<br />

In: Merten, Roland (Hrsg.): Hat Soziale Arbeit ein politisches Mandat? Positionen zu einem strittigen Thema.<br />

Leske + Budrich. Opladen. 2001. Seite 15f.<br />

336 Vgl. Zwicker-Pelzer, Renate: Befreiungspädagogik und Soziale Arbeit. Nachdenken über ein spannendes<br />

Verhältnis. In: Lutz, Ronald (Hrsg.): <strong>Befreiende</strong> Sozialarbeit. Skizzen einer Vision. <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong> Verlag.<br />

Oldenburg 2005. Seite 33.<br />

337 Vgl. Kapitel 3.1.1.<br />

338 Vgl. Kapitel 3.1.2.4.<br />

339 Vgl. Kapitel 3.1.2.2. Seite 33.<br />

53


4 <strong>Befreiende</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay – Eine Aufgabe der Sozialen Arbeit<br />

„Jeder hat Anspruch auf alle in die<strong>ser</strong> Erklärung verkündeten Rechte und<br />

Freiheiten, ohne irgendeinen Unterschied, etwa <strong>nach</strong> Rasse, Hautfarbe,<br />

Geschlecht, Sprache, Religion, politischer oder sonstiger Anschauung,<br />

nationaler oder sozialer Herkunft, Vermögen, Geburt oder sonstigem<br />

Stand.“ 340<br />

In dem Kampf um soziale Gerechtigkeit setzt die Soziale Arbeit ebenso wie <strong>Freire</strong> an den<br />

Bedürfnissen der Menschen beziehungsweise in ihrer konkreten Lebenssituation an. 341<br />

Wie auch die Soziale Arbeit basiert <strong>Freire</strong>s Pädagogik auf der Annahme, dass jedes<br />

menschliche Wesen – und da<strong>mit</strong> auch jede Frau – lern-, handlungs- und reflexionsfähig<br />

ist. 342 Indem er auf Veränderung gesellschaftlicher Strukturen und aktiver Mitgestaltung<br />

der Realität zielt, ist sein Handeln politisches Handeln 343 , wie auch Soziale Arbeit immer<br />

politisch ist.<br />

4.2 Empowerment als professionelle Haltung der Sozialen Arbeit<br />

Da die Soziale Arbeit unter anderem die Ermächtigung und Befreiung der Menschen zum<br />

Ziel hat und an ihren Bedürfnissen anknüpft, kann das Empowerment-Konzept 344 als<br />

professionelle Haltung <strong>mit</strong> dem Fokus auf der Förderung von Potentialen zu<br />

Selbstorganisation und gemeinschaftlichem Handeln angesehen werden. Empowerment<br />

orientiert sich also an Stärken und Kompetenzen, die für die individuelle<br />

Lebensbewältigung und -gestaltung förderlich sind. 345 Die Forderung <strong>nach</strong> mehr<br />

demokratischer Selbstbestimmung und Kontrolle über den eigenen Lebensweg von<br />

Menschen, die sich bisher als ausgegrenzt, stigmatisiert und minderwertig ansehen, steht<br />

im Mittelpunkt. Dazu bedarf es der Selbstaneignung von Wissen, also der Bildung oder<br />

auch ´Selbstexpertisierung`. 346 Michael Galuske deutet auf die Förderung von Politik-<br />

340 http://www2.amnesty.de/internet/deall.nsf/windexde/TH2004001 vom 8.11.2007.<br />

341 Vgl. Kapitel 3.1.2.2. Seite 32 und Kapitel 3.1.2.6.<br />

342 Vgl. Kapitel 3.1.2.<br />

343 Vgl. Kapitel 3.1.2.5 und Kapitel 3.2.1.<br />

344 Vgl. Kapitel 3.2.3. Seite 46.<br />

345 Vgl. Galuske, Michael: Methoden der Sozialen Arbeit. Eine Einführung. 6. Auflage. Juventa Verlag.<br />

Weinheim, München. 2005. Seite 270.<br />

346 Vgl. Sohns, Armin: Empowerment als Leitlinie Sozialer Arbeit. In: Michel-Schwartze, Brigitta (Hrsg.):<br />

Methodenbuch Soziale Arbeit. Basiswissen für die Praxis. VS Verlag für Sozialwissenschaften. Wiesbaden.<br />

2007. Seite 75f.<br />

54


4 <strong>Befreiende</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay – Eine Aufgabe der Sozialen Arbeit<br />

fähigkeit im Sinne von Organisations- und Konfliktfähigkeit hin, um (politische)<br />

Partizipationsspielräume erweitern zu können. 347<br />

Heiner Keupp definiert Empowerment wie folgt:<br />

„E. [Empowerment, d. Verf.] meint den Prozess, innerhalb dessen Menschen<br />

sich ermutigt fühlen, ihre eigenen Angelegenheiten in die Hand zu nehmen,<br />

ihre eigenen Kräfte und Kompetenzen zu entdecken und ernst zu nehmen und<br />

den Wert selbsterarbeiteter Lösungen schätzen zu lernen. E. bezieht sich auf<br />

einen Prozess, in dem die Kooperation von gleichen oder ähnlichen<br />

Problemen betroffener Personen durch ihre Zusammenarbeit zu<br />

synergetischen Effekten führt. Aus der Sicht professioneller und institutioneller<br />

Hilfen bedeutet die E.-Perspektive die aktive Förderung solcher solidarischer<br />

Formen von Selbstorganisation.“ 348<br />

Grundsätzlich baut das Empowerment also auf dem Zutrauen und Vertrauen seitens der<br />

Sozialarbeiterinnen 349 in die Adressatinnen 350 auf, dass diese ihr Leben selbst organisieren<br />

und ihren Alltag bewältigen können. Letztere bestimmen den Auftrag und die<br />

Durchführung und geben gleichzeitig aber ihre Verantwortung nicht ab. 351 Dem<strong>nach</strong> ist in<br />

diesem Prozess besonders das Schaffen einer symmetrischen Arbeitsbeziehung 352<br />

zwischen Sozialarbeiterin und Klientinnen relevant, um die Gleichberechtigung zwischen<br />

beiden Parteien deutlich zu machen. 353 Dabei spielt das Gespräch als zentrale Methode<br />

eine besondere Rolle. Denn es sollen in ersten Treffen Aspekte der Vergangenheit<br />

aufgegriffen, verbalisiert und da<strong>mit</strong> wieder offenbart werden. Dadurch erfährt die Sozialarbeiterin<br />

zum einen Einblicke in die Entstehung und Hintergründe der aktuellen Situation,<br />

und zum anderen werden die Klientinnen <strong>mit</strong> Assoziationen konfrontiert. Dies fördert die<br />

persönliche Bindung zwischen den Gesprächspartnerinnen. 354<br />

347 Vgl. Galuske. 1998. Seite 270.<br />

348 Keupp, Heiner: Empowerment. In: Kreft, Dieter/Mielenz, Ingrid (Hrsg.): Wörterbuch Soziale Arbeit.<br />

Aufgaben, Praxisfelder, Begriffe und Methoden der Sozialarbeit und Sozialpädagogik. 4., vollständig<br />

überarbeitete und erweiterte Auflage. Beltz Verlag. Weinheim, Basel. 1996. Seite 164.<br />

349 Ab diesem Punkt der Arbeit wird nur noch die weibliche Form von in der Sozialarbeit Tätigen gewählt, da –<br />

wie bereits in Kapitel 3.3 herausgestellt – eine weibliche Person die <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> Frauen durchführen<br />

sollte. Außerdem sind es zumeist Frauen, die in der Sozialen Arbeit tätig sind.<br />

350 Ebenso wird ab diesem Zeitpunkt nur noch von Klientinnen, Adressatinnen und Teilnehmerinnen<br />

gesprochen, da es in der gesamten Ausführung um die <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> Frauen geht.<br />

351 Vgl. Sohns. 2007. Seite 75.<br />

352 Eine symmetrische Arbeitsbeziehung ist gekennzeichnet durch partnerschaftliches Verhalten ohne<br />

Bevormundung, aber <strong>mit</strong> gleichverteilter Verantwortung. Vgl. http://www.empowerment.de/materialien_1.html<br />

vom 1.11.2007.<br />

353 http://www.empowerment.de/materialien_1.html vom 1.11.2007.<br />

354 Vgl. Sohns. 2007. Seite 89.<br />

55


4 <strong>Befreiende</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay – Eine Aufgabe der Sozialen Arbeit<br />

Das Empowerment kann auf drei verschiedenen Ebenen greifen: auf der Individualebene,<br />

der Gruppenebene und der strukturell-organisatorischen Ebene. 355 Letztere ist notwendig,<br />

da<strong>mit</strong> die politische Durchsetzung von Interessen wahrscheinlicher wird. 356<br />

Bezug zu befreiender <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>nach</strong> <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong> <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay<br />

Das Empowerment hat viele relevante Aspekte, die auch <strong>Freire</strong> in seiner Konzeption für<br />

bedeutend erachtet. Indem es mehr demokratische Selbstbestimmung anhand kollektiver<br />

Prozesse fordert und dabei die ´Selbstexpertisierung` in den Mittelpunkt rückt, trifft es<br />

genau <strong>Freire</strong>s Ansatz. Denn in der politischen Alphabetisierung und Nachalphabetisierung<br />

begegnen sich Menschen – in diesem Fall Frauen –, die sich anhand von Bildungsprozessen<br />

<strong>mit</strong> dem gleichen Problem – hier der Geschlechterbe<strong>nach</strong>teiligung – auseinandersetzen<br />

und schließlich solidarisch werden, um mehr Partizipation zu erlangen. 357<br />

Dabei glaubt <strong>Freire</strong> von Grund auf an die Fähigkeit eines jeden Menschen, etwas<br />

schaffen zu können, weswegen er die ´Bankiers-Methode`358 strikt ablehnt und<br />

stattdessen auf eine gleichwertige Beziehung zwischen Lehrerin beziehungsweise<br />

Sozialarbeiterin und Teilnehmerinnen setzt. Hierbei geben die Frauen ihre Verantwortung<br />

nicht ab. Der Dialog ist – wie auch im Empowerment – das wichtigste Element in der<br />

Beziehung; denn darin werden die Probleme konkret formuliert, so dass die Menschen<br />

Erkenntnis gewinnen können. 359<br />

4.3 Lebensweltorientierung als Rahmenkonzept der Sozialen Arbeit<br />

In den letzten Jahrzehnten hat sich in der Sozialen Arbeit die Lebensweltorientierung als<br />

Rahmenkonzept durchgesetzt. 360<br />

355 Auf der Individualebene sollen Menschen in ihrem Bewusstsein gestärkt werden, dass sie Situationen<br />

grundsätzlich selbst beeinflussen können. Dies gelingt am besten in Gruppenzusammenhängen <strong>mit</strong><br />

Gleichgesinnten, beispielsweise in Selbsthilfegruppen. Auf der strukturell-organisatorische Ebene sollen die<br />

Interessen politisch eingebunden werden. Vgl. Galuske. 2005. Seite 271f.<br />

356 Vgl. Galuske. 2005. Seite 272.<br />

357 Vgl. Kapitel 3.1.2.6.<br />

358 Vgl. Kapitel 3.1.2.1.<br />

359 Vgl. Kapitel 3.1.2.2.<br />

360 Thiersch, Hans: Lebensweltorientierte Soziale Arbeit. Aufgaben der Praxis im sozialen Wandel. Juventa<br />

Verlag. Weinheim, München. 1992. Seite 5.<br />

56


4 <strong>Befreiende</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay – Eine Aufgabe der Sozialen Arbeit<br />

„Lebensweltorientierung nimmt den Alltag der Adressaten, d.h. den Ort, wo<br />

Probleme entstehen, wo leben gelebt wird, wo die Adressaten selbst mehr<br />

oder minder angemessene Strategien der Lebensbewältigung praktizieren, als<br />

originären Ort sozialpädagogischen Handelns in den Blick.“ 361<br />

Dadurch greift sie im Sinne der genannten Definition von Sozialer Arbeit im Schnittpunkt<br />

zwischen Individuum und Umwelt/Gesellschaft ein. Eine lebensweltorientierte Soziale<br />

Arbeit nimmt also Bezug auf gegebene Lebensverhältnisse, auf individuelle, soziale und<br />

politische Ressourcen wie auch auf soziale Netzwerke sowie lokale und regionale<br />

Strukturen. 362 Sie betrachtet den Alltag dem<strong>nach</strong> ganzheitlich, das heißt <strong>mit</strong> allen<br />

Möglichkeiten und Schwierigkeiten. 363 Doch ist die Lebensweltorientierung „kein<br />

affirmatives, sondern ein kritisches Konzept.“ 364 Denn indem lebensweltorientierte Soziale<br />

Arbeit Strukturen untersucht, nimmt sie auch Ungleichheiten wahr. Folglich wendet sie<br />

sich an Menschen, die an den Rand der Gesellschaft gedrückt werden und <strong>mit</strong> den<br />

gegeben Ressourcen nicht zurechtkommen. 365 Sie muss den Alltag der Klientinnen<br />

kritisch betrachten und Täuschungen aufdecken. Dabei gilt die Klientin – wie auch im<br />

Empowerment – immer als kompetent, ihre eigenes Leben zu gestalten. Ziel<br />

lebensweltorientierter Sozialer Arbeit ist so<strong>mit</strong> „die Unterstützung bei der Konstitution<br />

eines gelingenderen Alltags.“ 366<br />

Bezug zu befreiender <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>nach</strong> <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong> <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay<br />

Die Lebensweltorientierung der Sozialen Arbeit entspricht <strong>Freire</strong>s Ansatz genau. In seiner<br />

Alphabetisierungs- und Nachalphbetisierungsmethode tritt die Sozialarbeiterin noch vor<br />

Beginn der eigentlichen <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> den Menschen in einen Dialog, um herauszufinden,<br />

wie sich die konkrete Lebenssituation in der betroffenen Region darstellt. Aus<br />

den Ergebnissen ergeben sich schließlich die Bildungsinhalte. 367 Das heißt in diesem Fall,<br />

die Frauen Paraguays lernen anhand ihrer eigenen Situation des Be<strong>nach</strong>teiligtseins, die<br />

sie in der Gruppe analysieren, das Lesen und Schreiben. Letzteres ist für die Frauen<br />

wichtig, um sich im Alltags- und Arbeitsleben bes<strong>ser</strong> behaupten zu können. Durch das<br />

361 Galuske. 2005. Seite 145.<br />

362 Vgl. Thiersch. 1992. Seite 5.<br />

363 Vgl. Thiersch. 1992. Seite 24.<br />

364 Thiersch. 1992. Seite 25.<br />

365 Vgl. Thiersch. 1992. Seite 26.<br />

366 Galuske. 2005. Seite 146.<br />

367 Vgl. Kapitel 3.1.2.6.<br />

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4 <strong>Befreiende</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay – Eine Aufgabe der Sozialen Arbeit<br />

Auseinandersetzen <strong>mit</strong> der eigenen Situation werden zudem die von den Männern<br />

´eingelagerten` Mythen aufgedeckt und die Frauen üben sich im kritischen Denken. 368 In<br />

dem Sinn ist befreiende <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> paraguayischen Frauen lebensweltorientiert.<br />

4.4 Notwendiges Kompetenzprofil der Sozialen Arbeit für die Umsetzung<br />

der befreienden <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay<br />

Die Soziale Arbeit beruht laut zugrundegelegter Definition auf wissenschaftlichen<br />

Erkenntnissen, die sich aus dem Wechselverhältnis von Praxi<strong>ser</strong>fahrungen und deren<br />

theoretischer Reflexion ergeben. 369 Dem<strong>nach</strong> brauchen Sozialarbeiterinnen bestimmte<br />

praxisbezogene Kenntnisse, Fertigkeiten, Fähigkeiten und Einstellungen, um sich auf<br />

einen Aufgabenbereich einstellen und ihn erfolgreich bewältigen zu können 370 , also<br />

handlungsfähig zu werden. Diese werden als Schlüsselqualifikationen bezeichnet 371 und<br />

gliedern sich im Rahmen eines ganzheitlichen Modells in Fachkompetenz, Sozialkompetenz<br />

und Selbstkompetenz. 372 Die verschiedenen Kompetenzen sollen <strong>mit</strong>tels<br />

Reflexion, Erfahrung und Training zu einer gestützten Handlungsfähigkeit führen, die über<br />

bloßes Alltagshandeln hinausgeht. 373 Die Kompetenzen können dabei nicht gänzlich<br />

voneinander getrennt werden, da sie sich stets gegenseitig beeinflussen. 374<br />

Nachfolgend werden die einzelnen Bereiche Fach-, Sozial- und Selbstkompetenz näher<br />

betrachtet.<br />

368 Vgl. Kapitel 3.1.2.4 und Kapitel 3.1.2.6.<br />

369<br />

Vgl. Katholische Fachhochschule Nordrhein-Westfalen (KFH NW): Rahmenstudienordnung &<br />

Diplomprüfungsordnung. Fachbereiche Sozialwesen. Ohne Verlag. Aachen, Köln, Münster, Paderborn. 2001.<br />

Seite 5.<br />

370 Vgl. KFH NW. 2001. Seite 5.; vgl. auch Lang, Rudolf W.: Schlüsselqualifikationen. Handlungs- und<br />

Methodenkompetenz, Personale und Soziale Kompetenz. Verlag C.H. Beck. Nördlingen. 2000. Seite 36.;<br />

Brake, Roland: Die Funktion von Selbsterfahrung im Studium der Sozialen Arbeit. Jacobs. Lage. 2002. Seite<br />

85.<br />

371 Vgl. KFH NW. 2001. Seite 5; vgl. auch. Lang. 2000. Seite 36.<br />

372 Vgl. KFH NW. 2001. Seite 5.; vgl. auch Lang. 2000. Seite 36.; Brake. 2002. Seite 87.<br />

373 Vgl. Brake. 2002. Seite 87.<br />

374 Vgl. Lang. 2000. Seite 36.<br />

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4 <strong>Befreiende</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay – Eine Aufgabe der Sozialen Arbeit<br />

4.4.1 Fachkompetenz<br />

Als Fach- oder auch Sachkompetenzen der Sozialen Arbeit werden in erster Linie<br />

sozialarbeitswissenschaftliche basale Theorie- und Methodenkenntnisse verstanden, wie<br />

auch berufsfeldspezifische Grundlagen und praktische Erfahrungen. 375 Ebenso zählen<br />

Organisations- und Verwaltungswissen sowie Kenntnisse über Indikation und Verfahren<br />

dazu. 376 Zu kognitiv erlernbarem Grundlagenwissen gehören Inhalte aus den Bereichen<br />

Psychologie, Rechtswissenschaft, Soziologie, Kulturpädagogik, Politikwissenschaft,<br />

Sozialmedizin, Theologie, Philosophie, Angewandte Praxisforschung, Techniken<br />

beruflichen Handelns und Sozialmanagement. 377 Dadurch wird die Soziale Arbeit zu einer<br />

interdisziplinären Handlungswissenschaft.<br />

Im Folgenden werden nun die für diese Arbeit relevanten klassischen Methoden wie auch<br />

verschiedene berufsfeldspezifische Kompetenzen im Hinblick auf eine <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong><br />

Frauen in Paraguay.<br />

4.4.1.1 Gruppen- und sozialraumbezogene Methoden<br />

Eine Methode ist <strong>nach</strong> Karlheinz A. Geißler und Marianne Hege „ein vorausgedachter<br />

Plan der Vorgehensweise.“ 378 Dadurch gehen sie von der Planbarkeit sozialarbeiterischer<br />

Handlungsabläufe aus, wobei die Zielgerichtetheit ein wesentlicher Bestandteil<br />

methodischen Handelns ist. Ziel und Methode entfalten und entwickeln sich jedoch stets<br />

in einem Prozess der Wechselwirkung. 379<br />

Zu den klassischen gruppen- und sozialraumbezogenen Methoden zählen die Soziale<br />

Gruppenarbeit und die Gemeinwesenarbeit 380 , die an die<strong>ser</strong> Stelle näher beleuchtet<br />

werden.<br />

375 Vgl. KFH NW. 2001. Seite 5.; vgl. auch Brake. 2002. Seite 91.<br />

376 Vgl. KFH NW. 2001. Seite 5.<br />

377 Vgl. KFH NW. 2001. Seite 10ff.<br />

378 Geißler, Karlheinz A./Hege, Marianne: Konzepte sozialpädagogischen Handelns. Ein Leitfaden für soziale<br />

Berufe. 10., aktualisierte Auflage. Beltz Verlag. Weinheim, Basel. 2001. Seite 24.<br />

379 Vgl. Geißler. 2001. Seite 25.<br />

380 Vgl. Galuske. 2005. Seite 71.<br />

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4 <strong>Befreiende</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay – Eine Aufgabe der Sozialen Arbeit<br />

a. Die Soziale Gruppenarbeit<br />

Die Soziale Gruppenarbeit wird in die<strong>ser</strong> Arbeit <strong>nach</strong> Gisela Konopka verstanden als<br />

„eine Methode der Sozialarbeit, die den Einzelnen durch sinnvolle<br />

Gruppenerlebnisse hilft, ihre soziale Funktionsfähigkeit zu steigern und ihren<br />

persönlichen Problemen, ihren Gruppenproblemen oder den Problemen des<br />

öffentlichen Lebens bes<strong>ser</strong> gewachsen zu sein.“ 381<br />

Komponenten der Sozialen Gruppenarbeit sind dem<strong>nach</strong> „die Person in der Gruppe, die<br />

Gruppe, das Problem – manchmal das der einzelnen Person, manchmal das der<br />

einzelnen Gruppe, manchmal das des ganzen Gemeinwesens – und die Umwelt.“ 382<br />

Der Sozialen Gruppenarbeit liegt eine Menschenansicht zugrunde, die sich auf die<br />

<strong>mit</strong>menschliche, natürliche und soziologisch-ökonomische Umwelt bezieht. Dadurch<br />

erkennt sie an, dass kein Mensch unabhängig von anderen Einflüssen leben kann. Jeder<br />

Mensch tritt ständig in Beziehung zu anderen, verändert die anderen und wird dadurch<br />

gleichzeitig wiederum von den anderen verändert; es besteht eine ständige<br />

Wechselwirkung. 383 Bedeutsames Kennzeichen der Sozialen Gruppenarbeit ist so<strong>mit</strong> die<br />

Interaktion. 384 Die Gruppe dient folglich nicht dem Selbstzweck, sondern ist vielmehr<br />

gleichzeitig Ort und Medium der Erziehung 385 , indem die Beziehungen zwischen<br />

Sozialarbeiterin und Teilnehmerinnen bewusst genutzt werden. Die Sozialarbeiterin gilt<br />

hierbei als ´Befähigerin` und hilft den Klientinnen und der Gruppe bei dem richtigen<br />

Gebrauch ihrer Fähigkeiten und Kräfte. 386 Durch diese Beziehungen wird Kommunikation<br />

überhaupt erst möglich, und die Beziehungsqualität entscheidet über den Erfolg der<br />

Sozialen Gruppenarbeit. Denn „Hilfe kann nur aus einer Beziehung erwachsen, die auf<br />

Vertrauen und gegenseitiger Achtung gegründet ist.“ 387 Durch das gemeinsame<br />

Gruppenerleben wird schließlich die soziale Funktionsfähigkeit jedes Einzelnen wieder<br />

hergestellt. Soziale Gruppenarbeit ist in diesem Sinne sozialintegrativ. 388<br />

381 Konopka, Gisela: Soziale Gruppenarbeit. Ein helfender Prozeß. Verlag Julius Beltz. Weinheim, Berlin.<br />

1968. Seite 35.<br />

382 Konopka. 1968. Seite 40.<br />

383 Vgl. Konopka. 1968. Seite 49.<br />

384 Vgl. Konopka. 1968. Seite 63.<br />

385 Vgl. Galuske. 2005. Seite 92.<br />

386 Vgl. Konopka. 1968. Seite 87.<br />

387 Konopka. 1968. Seite 113.<br />

388 Vgl. Geißler. 2001. Seite 202.<br />

60


4 <strong>Befreiende</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay – Eine Aufgabe der Sozialen Arbeit<br />

Eine geschulte Sozialarbeiterin agiert in der Sozialen Gruppenarbeit nicht intuitiv, sondern<br />

stets in geübter Selbstkontrolle. Dabei ist zu beachten, dass der Führungsstil 389<br />

unterschiedliche Auswirkungen auf die Gruppe hat. Deswegen muss die Pädagogin als<br />

„strategisches Zentrum der Einwirkung auf und Veränderung von Individuen“ 390 ihre<br />

Stilgestaltung <strong>mit</strong>samt ihres Kommunikations- und Verhaltensrepertoires bewusst<br />

reflektieren und gestalten. Techniken und Verhaltensweisen sollen die Sozialpädagogin in<br />

dem gruppendynamischen Verfahren unterstützen. Als Beispiele können soziometrische<br />

Verfahren 391 , Techniken der Gesprächsführung und Techniken der Selbst- und Fremdwahrnehmung<br />

392 angeführt werden. Je <strong>nach</strong> Arbeitskontext fällt die Gruppenarbeit jedoch<br />

entsprechend anders aus 393 , denn der Inhalt der Gruppe spielt eine wichtige Rolle. Die<strong>ser</strong><br />

hängt von den Problemlagen der Mitglieder ab und wird von diesen bestimmt. 394<br />

Bezug zu befreiender <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>nach</strong> <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong> <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay<br />

Die Soziale Gruppenarbeit weist auf einen ganz wichtigen Punkt <strong>Freire</strong>s hin, indem sie die<br />

Bedeutung von Interaktion beschreibt. Denn <strong>Freire</strong>s Grundaussage ist, dass der Mensch<br />

nicht nur in einer Welt lebt, sondern vielmehr <strong>mit</strong> ihr und <strong>mit</strong> anderen. 395 Und erst durch<br />

diese Mensch-Welt-Beziehungen beginnen Menschen, ihre Welt zu verändern. 396<br />

Dadurch wird auch bei <strong>Freire</strong> die Gruppenarbeit selbst zum Ort und Medium der<br />

Erziehung. So gibt es die Möglichkeit, be<strong>nach</strong>teiligte und unterdrückte Interessen einer<br />

Gruppe – hier der Frauen Paraguays – zu artikulieren und politische Forderungen zu<br />

formulieren. 397<br />

389 Es gibt unterschiedliche Führungsstile in der Sozialen Gruppenarbeit. So kann die Leitung beispielsweise<br />

autokratisch, demokratisch oder <strong>nach</strong> dem ´Laissez-faire`-Prinzip gehandhabt werden. Vgl. Galuske. 2005.<br />

Seite 95.<br />

390 Galuske. 2005. Seite 95.<br />

391 Die Soziometrie ist eine empirische Methode, um Gruppen zu erforschen. Es geht um die Analyse von<br />

Beziehungen untereinander, der Struktur der Gruppe und der Stellung einzelner Individuen. Dazu werden die<br />

einzelnen Personen schriftlich befragt. Vgl. Schäfers, Bernhard (Hrsg.): Grundbegriffe der Soziologie. 8.,<br />

überarbeitete Auflage. Leske + Budrich. Opladen. 2003. Seite 226.<br />

392 Zu Techniken der Gesprächsführung zählen beispielsweise Kleingruppenarbeit, Brainstorming oder<br />

Sachverständigenbefragungen. Eine relevante Technik der Selbst- und Fremdwahrnehmung ist das<br />

Rollenspiel. Vgl. Galuske. 2005. Seite 96.<br />

393 Vgl. Galuske. 2005. Seite 95ff.<br />

394 Vgl. Geißler. 2001. Seite 199.<br />

395 Vgl. Kapitel 3.1.1. Seite 30.<br />

396 Vgl. Kapitel 3.1.2.2. Seite 32.<br />

397 Vgl. Geißler. 2001. Seite 199.<br />

61


4 <strong>Befreiende</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay – Eine Aufgabe der Sozialen Arbeit<br />

b. Gemeinwesenarbeit<br />

Fritz Karas und Wolfgang Hinte definieren Gemeinwesenarbeit wie folgt:<br />

„Gemeinwesenarbeit ist eine Methode, die einen Komplex von Initiativen<br />

auslöst, durch die die Bevölkerung einer räumlichen Einheit gemeinsame<br />

Probleme erkennt, alte Ohnmacht<strong>ser</strong>fahrungen überwindet und eigene Kräfte<br />

entwickelt, um sich zu solidarisieren und Betroffenheit konstruktiv anzugehen.<br />

Menschen lernen dabei, persönliche Defizite aufzuarbeiten und individuelle<br />

Stabilität zu entwickeln und arbeiten gleichzeitig an der Beseitigung akuter<br />

Notstände (kurzfristig) und an der Beseitigung von Ursachen von<br />

Be<strong>nach</strong>teiligung und Unterdrückung.“ 398<br />

Aus die<strong>ser</strong> Definition geht hervor, dass die Gemeinwesenarbeit im Gegensatz zur<br />

Sozialen Gruppenarbeit stärker gesellschaftsbezogen beziehungsweise sogar <strong>mit</strong> der<br />

Gesellschaft verflochten ist und durch sie bestimmt wird. 399 Denn diese Methode wendet<br />

sich gegen die Individualisierung sozialer Probleme und definiert und bearbeitet sie aus<br />

einer gesellschaftlichen Perspektive heraus. 400<br />

Ausgangspunkt von Gemeinwesenarbeit sind deshalb soziale Konflikte in einem sozialen<br />

Netzwerk, das sich territorial, kategorial und/oder funktional 401 abgrenzen lässt. 402 Die<br />

verschiedenen Formen bilden stets eine integrative Einheit und dürfen nicht losgelöst<br />

voneinander praktiziert werden. Um ein Gemeinwesen zunächst einmal beschreiben zu<br />

können, müssen folgende Faktoren untersucht werden: topographische Kenntnisse 403 ,<br />

Selbstverständnis der Bevölkerung 404 , vorhandene Gruppen und deren Zusammenspiel in<br />

Bezug auf Macht, Autorität und Kommunikation und letztlich lokale Ressourcen. 405 Davon<br />

ausgehend zielt Gemeinwesenarbeit auf die Aktivierung der Bevölkerung, wobei sie die<br />

398 Karas, Fritz/Hinte, Wolfgang: Grundprogramm Gemeinwesenarbeit. Praxis des sozialen Lernens in offenen<br />

pädagogischen Feldern. Jugenddienst-Verlag. Wuppertal. 1978. Seite 30f.<br />

399 Vgl. Noack, Winfried: Gemeinwesenarbeit. Ein Lehr- und Arbeitsbuch. Lambertus-Verlag. Freiburg im<br />

Breisgau. 1999. Seite 7.<br />

400 Vgl. Galuske. 2005. Seite 102.; vgl. auch Noack. 1999. Seite 13.<br />

401 Eine territoriale Gemeinwesenarbeit bezieht sich auf einen geographisch abgegrenzten Raum wie zum<br />

Beispiel Stadtteil, Gemeinde oder Nachbarschaft. Die Kategorie richtet sich immer auf bestimmte strukturell<br />

be<strong>nach</strong>teiligte Bevölkerungsgruppen, die sich beispielsweise <strong>nach</strong> Ethnie, Geschlecht oder Alter<br />

unterscheiden. Der funktionale Aspekt wird durch Bereiche wie Bildung, Arbeit, Wohnen, Verkehr oder Freizeit<br />

bestimmt. Vgl. Noack. 1999. Seite 11.; vgl. auch Galuske. 2005. Seite 101.<br />

402 Vgl. Galuske. 2005. Seite 102.; vgl. auch Noack. 1999. Seite 11ff.<br />

403<br />

Zu topographischen Kenntnissen zählen beispielsweise Einwohnerzahl, Standort und Serviceeinrichtungen.<br />

Vgl. Noack. 1999. Seite 13.<br />

404 Das Selbstverständnis einer Bevölkerung beinhaltet Werte, Kultur und Lebensstile. Vgl. Noack. 1999. Seite<br />

13.<br />

405 Lokale Ressourcen beziehen sich auf Hilfseinrichtungen und Formen gegenseitiger Hilfe. Vgl. Noack.<br />

1999. Seite 13.<br />

62


4 <strong>Befreiende</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay – Eine Aufgabe der Sozialen Arbeit<br />

Ressource ´Gemeinschaft` nutzt, um die jeweiligen sozialen Problemlagen zu bearbeiten.<br />

Da<strong>mit</strong> müssen auch Qualifizierungs- und Bildungsprozesse einhergehen, so dass die<br />

Individuen auch über das vorhandene Maß hinaus befähigt werden, um die Probleme der<br />

Gruppe schließlich selbst in die Hand zu nehmen. 406 Dazu arbeitet Gemeinwesenarbeit<br />

makrosystemisch 407 in Koordination und Kooperation <strong>mit</strong> Behörden und Institutionen.<br />

Ebenso bedient sie sich neben der anderen klassischen Sozialarbeitsmethoden der<br />

Einzelfallhilfe und Gruppenarbeit 408 politischer Arbeitsweisen wie Demonstrationen und<br />

Bürgerversammlungen. Außerdem nutzt sie empirische Sozialforschungsmethoden wie<br />

die Aktionsforschung und Selbstüberprüfung. 409<br />

Je <strong>nach</strong>dem auf welche Art der Aktivierung 410 Gemeinwesenarbeit zielt, ergeben sich<br />

unterschiedliche Konzepte, die sich insbesondere in Hinblick auf (politische) Leitideen und<br />

Ziele unterscheiden, aber sich auch in der Vorstellung der Rolle der Subjekte und<br />

Gruppen im Veränderungsprozess und in Bezug auf Techniken und Verfahrensweisen<br />

differenzieren. 411 Dementsprechend gibt es die Modelle der wohlfahrtsstaatlichen,<br />

integrativen, aggressiven oder katalytisch-aktivierenden Gemeinwesenarbeit. 412 Die<strong>ser</strong><br />

Arbeit entspricht in erster Linie letzteres Konzept, denn es zielt auf eine herrschaftsfreie<br />

Gesellschaft ohne Unterdrückungsverhältnisse. Die Menschen sollen sich <strong>mit</strong>tels ihrer<br />

Gruppen und nicht per Fremdbestimmung selbst helfen und dadurch eine Gesellschaft<br />

schaffen, in der Solidarität an hoher Stelle steht, in der Menschen ihre Fähigkeiten frei<br />

entfalten können und so zu einem kreativ-sozialen Leben gelangen. 413 Dass<br />

Gemeinwesenarbeit allein nicht zu diesem Ziel führen kann, ist auch den Entwicklern<br />

Karas/Hinte bewusst. 414 Jedoch sollen Selbsthilfegruppen initiiert, unterstützt und <strong>mit</strong>tels<br />

Hilfe der Sozialarbeiterin vernetzt werden. 415 Durch diesen Prozess soll politische<br />

Partizipation ermöglicht werden, denn als Mikronetze helfen sich Initiativgruppen selbst,<br />

auf der Mesoebene kooperieren sie <strong>mit</strong>einander und auf der Makroebene stehen sie <strong>mit</strong><br />

406 Vgl. Galuske. 2005. Seite 102.<br />

407 Die Begriffe „Mikro-, Meso- und Makroebene“ wurden bereits in Fußnote 281 erläutert.<br />

408 Vgl. Noack. 1999. Seite 13.; vgl. auch Galuske. 2005. Seite 102.<br />

409 Vgl. Noack. 1999. Seite 13.<br />

410<br />

Die Aktivierung kann auf (kon<strong>ser</strong>vative) Systemerhaltung, evolutionäre Systemveränderung oder<br />

revolutionäre Systemveränderung zielen. Vgl. Galuske. 2005. Seite 103.<br />

411 Vgl. Galuske. 2005. Seite 103.<br />

412 Zum weiteren Verständnis der verschiedenen Modelle vgl. Galuske. 2005. Seite 103f.; vgl. auch Noack.<br />

1999. Seite 18ff.<br />

413 Vgl. Galuske. 2005. Seite 105.; vgl. auch Noack. 1999. Seite 20.<br />

414 Vgl. Galuske. 2005. Seite 105.<br />

415 Vgl. Galuske. 2005. Seite 205.; vgl. auch Noack. 1999. Seite 20f.<br />

63


4 <strong>Befreiende</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay – Eine Aufgabe der Sozialen Arbeit<br />

Behörden in Verbindung. 416 Die Sozialarbeiterin soll dabei im Sinne eines Katalysators<br />

Veränderungen in Gang bringen, beobachten, informieren, trainieren, kritisieren,<br />

provozieren und ver<strong>mit</strong>teln. 417<br />

Abschließend lässt sich zusammenfassen:<br />

„Gemeinwesenarbeit versteht sich auch als schichtenspezifische<br />

<strong>Bildungsarbeit</strong>, durch die sie politisch aktives Lernen und Handeln ermöglicht<br />

und Einsichten in die strukturelle Bedingtheit von Konflikten ver<strong>mit</strong>telt. Da<strong>mit</strong><br />

trägt sie zur Überwindung der Entfremdung bei und ermöglicht Entwicklung<br />

von selbstbestimmt handelnden Personen. Sie ist in gewissem Sinne<br />

Befreiungsarbeit, indem sie Scheinbedürfnisse aufdeckt, Grundbedürfnisse<br />

bewußt macht und indem sie hilft, solche Bedürfnisse durchzusetzen.“ 418<br />

Bezug zu befreiender <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>nach</strong> <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong> <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay<br />

Indem Gemeinwesenarbeit soziale Probleme aus gesellschaftlicher Perspektive<br />

betrachtet, agiert sie ganz im Sinne <strong>Freire</strong>s, der auch in der Lebenswelt der Klientinnen<br />

ansetzt, die Probleme aber auf gegebene Unterdrückungsverhältnisse zurückführt. 419 Um<br />

jedoch überhaupt <strong>mit</strong> den Menschen politische Alphabetisierung durchführen zu können,<br />

muss auch <strong>nach</strong> <strong>Freire</strong> zunächst die Lebenswelt untersucht werden. Auf den Ergebnissen<br />

baut schließlich die <strong>Bildungsarbeit</strong> auf, die jedoch von den Menschen selbst getragen sein<br />

muss. 420 Dadurch wird die ´Gemeinschaft` selbst als Ressource genutzt. Folglich geht es<br />

auch bei <strong>Freire</strong>s Alphabetisierungsmethode um Gruppenselbsthilfe.<br />

Der Beziehungsgestaltung zwischen Sozialarbeiterin und Teilnehmerinnen wird in der<br />

Gemeinwesenarbeit allerdings nicht so eine große Bedeutung beigemessen wie bei<br />

<strong>Freire</strong> 421 , weswegen die Kenntnisse der Sozialen Gruppenarbeit an Bedeutung gewinnen<br />

und die Gemeinwesenarbeit ergänzen.<br />

In Bezug auf die in der Gemeinwesenarbeit geforderte Kooperation <strong>mit</strong> anderen<br />

Institutionen auf der Makroebene stimmt auch <strong>Freire</strong> zu, wenn er sagt, dass Befreiungs-<br />

416 Vgl. Noack. 1999. Seite 21.<br />

417 Vgl. Galuske. 2005. Seite 106.<br />

418 Noack. 1999. Seite 14.<br />

419 Vgl. Kapitel 3.1.1. und Kapitel 3.1.2.4.<br />

420 Vgl. Kapitel 3.1.2.6.<br />

421 Vgl. Kapitel 3.1.2.2.<br />

64


4 <strong>Befreiende</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay – Eine Aufgabe der Sozialen Arbeit<br />

arbeit nur dann radikale Veränderungen erzielen kann, wenn sie Unterstützung von<br />

führenden Parteien oder anderen politischen Gruppen hat. 422<br />

Die Gemeinwesenarbeit spiegelt sozusagen <strong>Freire</strong>s Alphabetisierungsmethode im Sinne<br />

befreiender <strong>Bildungsarbeit</strong> wider, da sie in ihren Grundzügen <strong>mit</strong> der Befreiungsarbeit<br />

übereinstimmt.<br />

4.4.1.2 Berufsfeldspezifische Kompetenzen<br />

Die Soziale Arbeit lässt sich in viele verschiedene Arbeitsschwerpunkte unterteilen wie<br />

beispielsweise Bildungs-, Freizeit- und Kulturarbeit, Kinder-, Jugend- und Familienhilfe,<br />

Soziale Dienste, Gesundheitsförderung, Heilpädagogik und Rehabilitation. 423 In die<strong>ser</strong><br />

Arbeit geht es in erster Linie um die <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> dem Ziel, eine geschlechtergerechte<br />

Demokratie zu erreichen. Gleichzeitig geht es um Kulturarbeit, da die<br />

<strong>Bildungsarbeit</strong> in Paraguay stattfinden soll. Vor diesem Hintergrund sind insbesondere<br />

Gender-Kompetenz und Interkulturelle Kompetenz als berufsfeldspezifische Schlüsselqualifikationen<br />

für die Soziale Arbeit gefragt.<br />

a. Gender-Kompetenz<br />

Wenn von Gender 424 -Kompetenz die Rede ist, wird in erster Linie davon ausgegangen,<br />

dass politisches und organisatorisches Handeln nie geschlechtsneutral ist. Sowohl<br />

Männer wie Frauen sind davon in verschiedenen Lebenslagen betroffen, und es hat auf<br />

beide Gruppen jeweils unterschiedliche Auswirkungen. 425 Gender-Kompetenz gilt vor<br />

diesem Hintergrund als Schlüsselqualifikation 426 und ist Voraussetzung für eine<br />

erfolgversprechende Gleichstellungspolitik; sie wird sogar als Querschnittsaufgabe<br />

gefordert. 427<br />

422 Vgl. Kapitel 3.1.2.5.<br />

423 Vgl. KFH NW. 2001. Seite 8.<br />

424 Der Begriff „Gender“ wurde bereits in Kapitel 3.2.3 erläutert.<br />

425 Vgl. Blickhäu<strong>ser</strong>, Angelika/Bargen, Henning von: Mehr Qualität durch Gender-Kompetenz. Ein Wegwei<strong>ser</strong><br />

für Training und Beratung im Gender Mainstreaming. Ulrike Helmer Verlag. Königstein/Taunus. 2006. Seite<br />

10.<br />

426 Vgl. Blickhäu<strong>ser</strong>. 2006. Seite 10.; vgl. auch<br />

http://www.medien-bildung.net/pdf/themen_seiten/metz_goeckel_roloff.pdf vom 23.10.2007.<br />

427 Vgl. http://www.genderkompetenz.info/index.print.html vom 23.10.2007.<br />

65


4 <strong>Befreiende</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay – Eine Aufgabe der Sozialen Arbeit<br />

„Gender-Kompetenz ist [...] das Wissen, in Verhalten und Einstellungen von<br />

Frauen und Männern soziale Festlegungen im (privaten, beruflichen,<br />

universitären) Alltag zu erkennen und die Fähigkeit, so da<strong>mit</strong> umzugehen,<br />

dass beiden Geschlechtern neue und vielfältige Entwicklungsmöglichkeiten<br />

eröffnet werden.“ 428<br />

Gender-Kompetenz kann in die Komponenten Wissen und Können unterteilt werden.<br />

Wissen umfasst die Kenntnis über die Konstitution von Geschlechterrollen und deren<br />

Differenzierungen. Da<strong>mit</strong> einhergehen muss das Wissen über die komplexen Strukturen<br />

von Geschlechterverhältnissen und Kenntnisse über Geschlechtertheorien. 429 Darüber<br />

hinaus wird kontextbezogenes Detailwissen gefordert 430 , das heißt ein Bewusstsein über<br />

die unterschiedlichen Rahmenbedingungen und Voraussetzungen der jeweiligen Lebenswelt,<br />

in der beide Geschlechter ihre Vielfältigkeit und Differenz leben, das Wahrnehmen<br />

der Geschlechterrollen in ihrem soziokulturellen Umfeld. 431 Erst durch diese Kenntnisse<br />

wird Gender-Wissen zu einem integralen Bestandteil von Fachwissen. 432<br />

Können bezieht sich zum einen auf Methoden und Instrumente, deren Anwendung auf die<br />

Identifizierung von Gender-Aspekten in Handlungsfeldern und Sachgebieten zielt, zum<br />

anderen sind hier soziale, kommunikative und personale Kompetenzen 433 inbegriffen.<br />

Gerade die kommunikative Kompetenz ist unabdingbar in Bezug auf Gender-Wissen, da<br />

die männlichen und weiblichen Sprach- und Kommunikationsverhalten sehr different<br />

sind. 434 Des Weiteren bedarf es der Fähigkeit zum Perspektivwechsel, der Transferfähigkeit,<br />

um Gender konkret am Arbeitsplatz anwenden zu können, außerdem der<br />

Reflexionsfähigkeit in Bezug auf die eigene Geschlechterrolle und hinsichtlich der<br />

gesellschaftlichen Geschlechterrollen. 435<br />

428 http://www.medien-bildung.net/pdf/themen_seiten/metz_goeckel_roloff.pdf vom 23.10.2007.<br />

429 Vgl. Blickhäu<strong>ser</strong>. 2006. Seite 12.; vgl. auch<br />

http://www.medien-bildung.net/pdf/themen_seiten/metz_goeckel_roloff.pdf vom 23.10.2007.<br />

430 Vgl. http://www.medien-bildung.net/pdf/themen_seiten/metz_goeckel_roloff.pdf vom 23.10.2007.<br />

431 Vgl. Vgl. Blickhäu<strong>ser</strong>. 2006. Seite 12.<br />

432 Vgl. www.genderkompetenz.info/index.print.html vom 23.10.2007.<br />

433 Auf die Begriffe „Soziakompetenz“ und „personale Kompetenz“ wird in Kapitel 4.3.2 beziehungsweise<br />

Kapitel 4.3.3 näher eingegangen.<br />

434 Vgl. http://www.medien-bildung.net/pdf/themen_seiten/metz_goeckel_roloff.pdf vom 23.10.2007.<br />

435 Vgl. Blickhäu<strong>ser</strong>. 2006. Seite 12.<br />

66


4 <strong>Befreiende</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay – Eine Aufgabe der Sozialen Arbeit<br />

Bezug zu befreiender <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>nach</strong> <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong> <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay<br />

Da in die<strong>ser</strong> Arbeit die Pädagogik <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong>s auf unterdrückte Frauen angewandt wird,<br />

ist Gender-Kompetenz als Voraussetzung Sozialer Arbeit unerlässlich. Denn nehmen<br />

Sozialarbeiterinnen die Arbeit <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay heute auf und erkunden deren<br />

Lebenswelt, so stoßen sie alsbald auf das Thema Be<strong>nach</strong>teiligung gegenüber den<br />

Männern, da diese in allen Lebensbereichen deutlich wird. 436 Um diese Unterdrückung<br />

<strong>nach</strong>vollziehen zu können, müssen die Sozialarbeiterinnen sich <strong>mit</strong> ihren Ursachen<br />

auseinandersetzen und da<strong>mit</strong> auch <strong>mit</strong> den sozialen Konstruktionen der Geschlechterrollen,<br />

die sich kulturell entwickelt haben und heute bestehen und gelebt werden. 437<br />

Dadurch wird der Gender-Aspekt auch <strong>Freire</strong>s Pädagogik gerecht, die von dem<br />

Menschen als geschichtlichem Wesen ausgeht. 438 Erst wenn die Sozialarbeiterin sich<br />

dieses Wissen als Ausgangslage angeeignet hat, kann sie eine <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> Frauen<br />

in Angriff nehmen.<br />

Aufgrund der hier dargestellten Tatsache, dass Männer und Frauen unterschiedliche<br />

Kommunikationsverhalten haben, wird nochmals 439 belegt, dass nur eine weibliche Sozialarbeiterin<br />

die <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> Frauen ausführen sollte.<br />

b. Interkulturelle Kompetenz<br />

Ebenso wie die Gender-Kompetenz gilt die Interkulturelle Kompetenz als eine<br />

Schlüsselqualifikation Sozialer Arbeit 440 beziehungsweise wird sie auch als<br />

Querschnittsaufgabe verstanden. 441 Sie ist die notwendige persönliche Voraussetzung,<br />

um angemessen und erfolgreich in einer fremden kulturellen Umgebung, <strong>mit</strong> Angehörigen<br />

anderer Kulturen agieren zu können. 442<br />

Professionelles interkulturelles Handeln im Sinne von Entwicklungszusammenarbeit<br />

basiert zunächst einmal auf einem Grundlagenwissen über die Gesellschaft, in der<br />

gearbeitet wird, <strong>mit</strong> den Aspekten Sozialisation, Länder- und Kulturkunde,<br />

436 Vgl. Kapitel 2.2.<br />

437 Vgl. Kapitel 3.2.3.<br />

438 Vgl. Kapitel 3.1.2.2. Seite 32.<br />

439 Vgl. Kapitel 3.3. Seite 48.<br />

440 Vgl. Mar Castro Varela, María do: Interkulturelle Kompetenz – ein Diskurs in der Krise. In: Auernheimer,<br />

Georg: Interkulturelle Kompetenz und pädagogische Professionalität. Leske + Budrich. Opladen. 2002. Seite<br />

35.<br />

441 Vgl. Büschges-Abel, Winfried: Menschenrechte und Sozialarbeit – Sieben Notizen zu einem prekären<br />

Anliegen. In: iza. zeitschrift für migration und soziale arbeit. Heft 1. 2003. Seite 19.<br />

442 Vgl. Hinz-Rommel, Wolfgang: Interkulturelle Kompetenz. Ein neues Anforderungsprofil für die soziale<br />

Arbeit. Waxmann. Münster, New York. 1994. Seite 56.; vgl. auch Mar Castro Varela. 2002. Seite 35.<br />

67


4 <strong>Befreiende</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay – Eine Aufgabe der Sozialen Arbeit<br />

Sprachentwicklung/Zwei- und Mehrsprachigkeit, Identitätsentwicklung, Vorurteile,<br />

pädagogische Konzepte und Religion. 443<br />

Als konkrete Kompetenzen in Bezug auf professionelles interkulturelles Handeln von<br />

Mitarbeitern in Entwicklungsdiensten unterscheidet Rolf Arnold sechs Aspekte:<br />

• bürokratische Kompetenz, also operativer Umgang <strong>mit</strong> formalrechtlichen<br />

Angelegenheiten einer Organisation;<br />

• politisch-strategische Kompetenz, also strategisches Handhaben von Akzeptanz- und<br />

Verhandlungsspielräumen in einer Organisation;<br />

• Entscheidungskompetenz, insbesondere flexible Auseinandersetzung <strong>mit</strong> neuen<br />

Aufgaben und rasche Erarbeitung pragmatischer Problemlösungen;<br />

• Kooperationskompetenz bezogen auf den kollegialen Umgang <strong>mit</strong> anderen Personen;<br />

• fachliche Kompetenz im Sinne der Analyse- und Entscheidungsfähigkeit bei fachlichen<br />

Problemen, wozu es soziologischer Kenntnisse über Entwicklungsprobleme und<br />

Wissen über sektorale Aspekte bedarf;<br />

• reflexive Kompetenz im Sinne der Abwägung und des Ausrichten des eigenen<br />

Handelns in Bezug auf die langfristigen Folgen für das jeweilige Entwicklungsland. 444<br />

Die<strong>ser</strong> Ansatz hat<br />

„den Vorteil, nicht nur personale, sondern auch strukturspezifische Anteile<br />

interkultureller Handlungskompetenz <strong>mit</strong> zu berücksichtigen. Denn es geht<br />

nicht nur um die individuellen Fähigkeiten und Charakterzüge von Personen,<br />

sondern Handlungskompetenz muß in einem weiten Rahmen verstanden<br />

werden, der die subjektive Wahrnehmung von und das Verhältnis der<br />

einzelnen Institutionen, die Funktion und die Arbeitsweise von Organisationen<br />

in einer fremden Kultur <strong>mit</strong> einschließt.“ 445<br />

Als zentrale Anforderungen, um im Ausland effektive Arbeit leisten zu können, bleiben<br />

jedoch die Kommunikations- und Anpassungsfähigkeit. 446 Daneben beschreibt Terence P.<br />

Hannigan weitere wichtige Faktoren, die deutlich machen, dass Kommunikation nicht nur<br />

aus Sprache besteht und nur ein Element neben vielen ist:<br />

443 Vgl. Hinz-Rommel. 1994. Seite 68.<br />

444 Vgl. Hinz-Rommel. 1994. Seite 59f.<br />

445 Hinz-Rommel. 1994. Seite 60.<br />

446 Vgl. Hinz-Rommel. 1994. Seite 62.<br />

68


4 <strong>Befreiende</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay – Eine Aufgabe der Sozialen Arbeit<br />

„(1)Gewandtheit im Umgang <strong>mit</strong> unterschiedlichen Personen <strong>mit</strong><br />

verschiedenen Kommunikationsstilen und Persönlichkeitsfaktoren,<br />

(2) gute Sprachkenntnisse,<br />

(3) aktives und passives Beherrschen der nonverbalen Kommunikationsformen<br />

der fremden Kultur,<br />

(4) Geduld und Beharrlichkeit [...],<br />

(5) Höflichkeit [...],<br />

(6) Bereitschaft, sich auf die neue Umgebung einzulassen,<br />

(7) Respekt vor und Interesse für die fremde Kultur,<br />

(8) Gefühl für ein angemessenes Handeln, wann Anpassung und wann<br />

Durchhaltevermögen [...] verlangt sind,<br />

(9) Bewältigung von Frustration und Andersartigkeit.“ 447<br />

Ebenso relevant sind weitere Kompetenzen wie Einfühlungsvermögen, Offenheit,<br />

Konfliktfähigkeit, Toleranz und Kooperationsfähigkeit. 448<br />

Zu einem Anforderungsprofil für erfolgreiche interkulturelle Kommunikation gehören also<br />

sowohl Wissensanteile, bestimmte Fähigkeiten und Fertigkeiten wie auch<br />

persönlichkeitskonstituierende Aspekte. 449 Denn gleichzeitig ist auch eine Selbstreflexivität<br />

notwendig, die sich in der Auseinandersetzung <strong>mit</strong> Selbst- und Fremdbildern,<br />

Vorurteilen, Projektionen, Einstellungen und der eigenen Macht widerspiegelt. 450<br />

Bezug zu befreiender <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>nach</strong> <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong> <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay<br />

Da es in die<strong>ser</strong> Aufzeichnung um die Arbeit <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay geht, die durch<br />

Sozialarbeiterinnen im Entwicklungsdienst geleistet werden soll, ist die interkulturelle<br />

Kompetenz unerlässlich. Als Sozialarbeiterin einer anderen Herkunft ist es notwendig, ein<br />

bestimmtes Grundlagenwissen über Paraguay zu haben. Dieses wird allein dazu benötigt,<br />

um im Sinne <strong>Freire</strong>s als Ausgangslage von Paraguay als einer ´Gesellschaft im<br />

Übergang`451 sprechen und darauf aufbauend die <strong>Bildungsarbeit</strong> anvisieren zu können.<br />

Bloßes Grundlagenwissen reicht für eine Arbeit <strong>mit</strong> dem Volk jedoch nicht aus. Ebenso<br />

relevant ist die Voraussetzung der Kommunikationsfähigkeit, gerade da der Dialog bei<br />

<strong>Freire</strong> das Element ist, um überhaupt zu ´wahrer` Bildung zu gelangen. 452 Wenn nun der<br />

447 Hinz-Rommel. 1994. Seite 63.<br />

448 Vgl. Hinz-Rommel. 1994. Seite 69.<br />

449 Vgl. Hinz-Rommel. 1994. Seite 68.<br />

450 Vgl. Hinz-Rommel. 1994. Seite 68.; vgl. auch Gültekin, Nevâl: Interkulturelle Kompetenz als Standard in<br />

der Sozialen Arbeit. In: neue praxis. Zeitschrift für Sozialarbeit, Sozialpädagogik und Sozialpolitik. 33.<br />

Jahrgang. 2003. Seite 97.<br />

451 Vgl. Kapitel 3.1.1.<br />

452 Vgl. Kapitel 3.1.2.2.<br />

69


4 <strong>Befreiende</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay – Eine Aufgabe der Sozialen Arbeit<br />

Mensch stets auf sein Gegenüber als Kommunikationspartnerin angewiesen ist, die<br />

Sozialarbeiterin aber den fremden Kommunikationsstilen nicht gerecht wird und das<br />

Gegenüber nicht versteht, so könnte die <strong>Bildungsarbeit</strong> von vornherein zum Scheitern<br />

verurteilt sein.<br />

Ebenso wichtig wird <strong>nach</strong> Arnold die interkulturelle Kompetenz in Bezug auf strukturelle<br />

Aspekte in Organisationen erachtet. Gerade die<strong>ser</strong> Gesichtspunkt ist auch für Paraguay<br />

unerlässlich, denn in einem Land, das auch heute noch stark geprägt ist durch<br />

Korruptionsverhalten und Machtspiele 453 , gilt es sich seinen Weg zu bahnen, um da<strong>mit</strong><br />

umzugehen und trotzdem erfolgreich arbeiten zu können.<br />

Ohne interkulturelle Kompetenz braucht folglich niemand den Versuch zu unternehmen, in<br />

einer anderen Kultur <strong>Bildungsarbeit</strong> zu leisten.<br />

4.4.2 Sozialkompetenz<br />

Indem Soziale Arbeit gemäß der zugrundegelegten Definition im Schnittpunkt zwischen<br />

Individuum und Gesellschaft agiert, befindet sie sich stets in direktem Umgang <strong>mit</strong><br />

Einzelnen, Familien oder Gruppen; dadurch ist sie immer interaktionelle Arbeit. Da<br />

Sozialarbeiterinnen in diesem Handlungsgeschehen durch den wechselseitigen Prozess<br />

zugleich Subjekt und Objekt sind, benötigen sie für die Interaktion neben Theorien auch<br />

soziale Kompetenzen beziehungsweise Kommunikationskompetenz. Vielmehr befähigt<br />

die Sozialkompetenz erst das Handeln in der Interaktion <strong>mit</strong> Klientinnen. 454 Nach<br />

Geißler/Hege wird soziale Kompetenz in der Sozialen Arbeit wie folgt definiert:<br />

„Soziale Kompetenz meint die Fähigkeit, sich auf die Klienten <strong>mit</strong> ihren<br />

Bedürfnissen und Anforderungen einzustellen bzw. einzulassen, über die<br />

Situationen und deren Bedingungen selbst <strong>nach</strong>denken zu können und sich<br />

nicht in ihr zu verfangen.“ 455<br />

Soziale Kompetenz ist ein Bündel von Fähigkeiten und Fertigkeiten, die<br />

zusammenspielen, um zusätzlich zu der fachlichen Kompetenz Einfluss nehmen zu<br />

können auf Personen, Gruppen oder Systeme, um also in sozialen Situationen auf<br />

453 Vgl. Kapitel 2.2. Seite 18.<br />

454 Vgl. Brake. 2002. Seite 92f.<br />

455 Geißler. 2001. Seite 232.<br />

70


4 <strong>Befreiende</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay – Eine Aufgabe der Sozialen Arbeit<br />

zwischenmenschlicher Ebene kommunizieren und kooperieren zu können. 456<br />

Kommunikationsfähigkeit gilt folglich als die Basiskompetenz der Sozialen Arbeit. 457 Denn<br />

diese braucht jede Sozialarbeiterin, um sich je <strong>nach</strong> Kommunikationspartnerin in den je<br />

verschiedenen Welten bewegen zu können. 458 Kommunikation wird als „Interaktion,<br />

Transaktion, Verständigung, Austausch, Perspektivenverschränkung, Wahrnehmung,<br />

Deutung, kurz: in Beziehung treten“ 459 beschrieben. Ebenso bedarf es in der Sozialen<br />

Arbeit der Empathie, also der Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen, und einer<br />

gewissen Rollenflexibilität, denn der Arbeitsbereich weist einen hohen Rollenspielraum<br />

auf, und zudem werden durch die unterschiedlichen Erwartungsträger verschiedene<br />

Anforderungen an die Sozialarbeiterinnen gestellt. 460 Außerdem benötigen<br />

Sozialpädagoginnen Nähe-Distanz-Varianz, Teamfähigkeit, Kooperationsarbeit <strong>mit</strong><br />

Organisationen und natürlich Solidarität <strong>mit</strong> be<strong>nach</strong>teiligten Gesellschaftsgruppen. 461<br />

Bezug zu befreiender <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>nach</strong> <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong> <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay<br />

Die Forderung <strong>nach</strong> Kommunikationsfähigkeit wurde in die<strong>ser</strong> Arbeit schon häufiger<br />

erwähnt, was ihre Relevanz deutlich macht. Hier wird jedoch offensichtlich, dass sie nicht<br />

nur in Bezug auf Geschlechter- und interkulturelle Fragen von Bedeutung, sondern<br />

generell notwendig ist, um <strong>mit</strong> anderen Menschen in Beziehung zu treten, also um sozial<br />

arbeiten zu können. Für <strong>Freire</strong> macht insbesondere der Dialog die Beziehung aus, da nur<br />

er Kommunikation schaffen kann. Ebenso wie die Soziale Arbeit Empathiefähigkeit<br />

fordert, sieht <strong>Freire</strong> sogar den Dialog als eine Beziehung der ´Empathie` selbst an. Durch<br />

Kommunikation zerbrechen dem<strong>nach</strong> die alten Lehrstrukturen, und Veränderung kann<br />

langsam in Gang kommen. 462 <strong>Freire</strong>s Pädagogik basiert also auf Kommunikation und<br />

kann ohne sie nicht greifen, wie auch Soziale Arbeit ohne sie keine fruchtbare<br />

Helferbeziehungen aufbauen könnte.<br />

456 Vgl. Langmaack, Barbara: Soziale Kompetenz. Verhalten steuert den Erfolg. Beltz Verlag. Weinheim,<br />

Basel. 2004. Seite 21.<br />

457 Effinger, Herbert: Kommunikative Handlungskompetenz in der Sozialen Arbeite – Was ist das eigentlich?<br />

In: Effinger, Herbert/Märtens, Michael (Hrsg.): Professionell kommunizieren. Elementare<br />

Handlungskompetenz in der Sozialen Arbeit. Evangelische Verlagsanstalt GmbH. Leipzig. 2003. Seite 17.<br />

458 Vgl. Effinger. 2003. Seite 10.<br />

459 Effinger. 2003. Seite 11.<br />

460 Vgl. Geißler. 2001. Seite 232f.<br />

461 Vgl. KFH NW. 2001. Seite 5.<br />

462 Vgl. Kapitel 3.1.2.2.<br />

71


4 <strong>Befreiende</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay – Eine Aufgabe der Sozialen Arbeit<br />

4.4.3 Selbstkompetenz<br />

Selbstkompetenz wird auch als selbstreflexive Kompetenz bezeichnet. Sie wird<br />

verstanden als<br />

„die Fähigkeit der Selbstreflexion auf die eigenen Motive und<br />

Kompetenzkapazitäten hin, also Kompetenzen, die auf emotionale und<br />

motivationale Komponenten der Identität Einfluss haben können.“ 463<br />

Konkreter bedeutet dies, dass das professionelle Handeln von Sozialarbeiterinnen stets<br />

durch deren subjektive Lebensgeschichte beeinflusst wird und sich die berufliche Identität<br />

schließlich erst aus diesen Erfahrungen, deren Reflexion und der kritischen Aufarbeitung<br />

bilden kann. Es gilt also, die Entwicklung nicht zu leugnen, sondern sie vielmehr in das<br />

professionelle Handeln zu integrieren und dadurch eigene Persönlichkeitsanteile zum<br />

Ausdruck kommen zu lassen. 464 Hierdurch unterscheidet sich die Soziale Arbeit am<br />

wesentlichsten vom Alltagshandeln. 465 Weiterhin bezieht sich die Selbstkompetenz auf die<br />

Reflexion des methodischen Handelns und den Einsatz der eigenen Person, auf<br />

Kenntnisse im Hinblick auf die eigene Belastbarkeit, Wissen um Grenzsituationen und auf<br />

Selbstbewusstheit. 466 Durch die Reflexion wird diese Kompetenz zu einer der Grundlegenden<br />

in der Helferbeziehung; denn durch sie wird es möglich, wissenschaftliche<br />

Konzepte zu analysieren und auf ihre Bedeutung für die Soziale Arbeit hin zu überprüfen.<br />

Gleichzeitig dient sie der Beleuchtung eigener Emotionen und Motivationen. 467<br />

Bezug zu befreiender <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>nach</strong> <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong> <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay<br />

Mit der Selbstreflexivität beziehungsweise -reflexion wird wohl der wichtigste Aspekt<br />

<strong>Freire</strong>s in Bezug auf den Dialog angesprochen. Indem Soziale Arbeit als Handlungswissenschaft<br />

zum einen agiert, zum anderen ihr Handeln überdenkt, finden stets sowohl<br />

Aktion als auch Reflexion statt. Das ständige Handeln ist unabdingbar, denn das „Handeln<br />

muss immer wieder Gegenstand der Reflexion und die Reflexion zum Ausgangspunkt des<br />

Handelns werden. Sie sind nicht trennbar.“ 468 <strong>Freire</strong> ist genau die<strong>ser</strong> Ansicht, denn gemäß<br />

463 Brake. 2002. Seite 93.<br />

464 Vgl. Geißler. 2001. Seite 229.<br />

465 Vgl. Brake. 2002. Seite 93.<br />

466 Vgl. KFH NW. 2001. Seite 5.<br />

467 Vgl. Brake. 2002. Seite 94f.<br />

468 Zwicker-Pelzer. 2005. Seite 38.<br />

72


4 <strong>Befreiende</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay – Eine Aufgabe der Sozialen Arbeit<br />

seiner Pädagogik lernen Menschen erst dann Verantwortung zu übernehmen, wenn sie<br />

ihr eigenes Handeln reflektieren. Durch diese Auseinandersetzung kommt der Mensch zu<br />

wahrer Erkenntnis und ist so auf dem Weg zu einem bewussten Menschen. 469 Da die<br />

Sozialarbeiterin immer zugleich Subjekt und Objekt in einer Beziehung ist 470 , muss auch<br />

sie, wie <strong>Freire</strong> fordert, stets ihr Handeln reflektieren.<br />

Zusammenfassung<br />

Die Soziale Arbeit und die Befreiungspädagogik <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong>s haben viele Schnittstellen.<br />

Indem beide soziale Probleme sehen und deren Lösung vor dem Hintergrund<br />

gesellschaftlicher Veränderungen anstreben, haben sie die gleiche Ausgangsbasis.<br />

Daneben kann die Soziale Arbeit <strong>Freire</strong>s Ansatz ergänzen, beispielsweise durch die<br />

Aspekte der Sozialen Gruppenarbeit, wie auch die befreiende <strong>Bildungsarbeit</strong> der Sozialen<br />

Arbeit dienlich sein kann, indem sie beispielsweise die politische Alphabetisierung als<br />

spezielle Form von Gemeinwesenarbeit anwendet.<br />

Die Soziale Arbeit ist so<strong>mit</strong> dafür geeignet, befreiende <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> Frauen in<br />

Paraguay in Angriff zu nehmen.<br />

469 Vgl. Kapitel 3.1.2.2, Kapitel 3.1.2.3 und Kapitel 3.1.2.4.<br />

470 Vgl. Kapitel 4.4.2. Seite 70.<br />

73


5 Notwendigkeit zur Positionierung der Sozialen Arbeit<br />

5 Notwendigkeit zur Positionierung der Sozialen Arbeit<br />

Es wurde herausgestellt, dass die Soziale Arbeit einerseits aufgrund ihrer Qualifikationen<br />

imstande ist, befreiende <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>nach</strong> <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong> durchzuführen, und diese auf<br />

Frauen anwenden kann. Andererseits weist sie die Kapazitäten auf, <strong>Bildungsarbeit</strong><br />

anhand interkultureller Kompetenzen in Lateinamerika umzusetzen.<br />

Dem<strong>nach</strong> sollte sie eigentlich integriert sein in die deutsche Entwicklungszusammenarbeit,<br />

denn diese entsendet durch verschiedene staatliche oder nichtstaatliche<br />

Organisationen Personen unterschiedlicher Professionen in Entwicklungsländer, um dort<br />

die Regierungen zu unterstützen. Im Rahmen der Millenium<strong>ser</strong>klärung der Vereinten<br />

Nationen und ihren Entwicklungszielen 471 liegt ein besonderes Augenmerk auf dem Kampf<br />

gegen Geschlechterungerechtigkeit. 472<br />

Denn „Ziel [der deutschen Entwicklungszusammenarbeit; d. Verf.] ist es, zur<br />

gleichberechtigten Teilhabe von Frauen am Entwicklungsprozess beizutragen<br />

und dadurch ihre Be<strong>nach</strong>teiligung zu verringern.“ 473<br />

Um dieses und auch andere Ziele zu erreichen, bedient sich die<br />

Entwicklungszusammenarbeit bereits der Leitprinzipien der Sozialen Arbeit. 474 Schon seit<br />

den 90er Jahren werden die Aspekte Lebensweltorientierung, Empowerment,<br />

Ressourcenaktivierung und Hilfe zur Selbsthilfe als etablierte Methoden und<br />

Handlungsansätze genutzt. 475 Außerdem ist Entwicklungspolitik im Sinne von<br />

Geschlechterpolitik auch gleichzeitig immer Menschenrechtspolitik, sowie auch die<br />

471 Die Millenium<strong>ser</strong>klärung wurde im Jahr 2000 auf dem bis dahin größten Gipfeltreffen, zu dem Vertreter aus<br />

189 Ländern kamen, in New York verabschiedet und bildet die internationale politische Agenda für das 21.<br />

Jahrhundert. „Aus der Erklärung wurden später acht internationale Entwicklungsziele abgeleitet, die<br />

Millenniumsentwicklungsziele (´Millennium Development Goals`, MDGs):<br />

• MDG1: den Anteil der Weltbevölkerung, der unter extremer Armut und Hunger leidet, halbieren<br />

• MDG 2: allen Kindern eine Grundschulausbildung ermöglichen<br />

• MDG 3: die Gleichstellung der Geschlechter fördern und die Rechte von Frauen stärken<br />

• MDG 4: die Kindersterblichkeit verringern<br />

• MDG 5: die Gesundheit der Mütter verbes<strong>ser</strong>n<br />

• MDG 6: HIV/AIDS, Malaria und andere übertragbare Krankheiten bekämpfen<br />

• MDG 7: den Schutz der Umwelt verbes<strong>ser</strong>n<br />

• MDG 8: eine weltweite Entwicklungspartnerschaft aufbauen<br />

Mit vereinten Kräften will die internationale Gemeinschaft diese Ziele bis zum Jahr 2015 erreichen.“<br />

http://www.bmz.de/de/ziele/ziele/millenniumsziele/index.html vom 17.11. 2007.<br />

472 Vgl. BMZ. 2007. Seite 9.<br />

473 BMZ. 2007. Seite 9.<br />

474 Vgl. Többe-Schukalla. 2005. Seite 303.<br />

475 Vgl. Többe-Schukalla. 2005. Seite 308.<br />

74


5 Notwendigkeit zur Positionierung der Sozialen Arbeit<br />

Soziale Arbeit eine Menschenrechtsprofession ist. 476 Vor diesem Hintergrund stellt sich<br />

die Frage, warum die Soziale Arbeit es bisher noch nicht geschafft hat, „ihre Relevanz für<br />

die Entwicklungszusammenarbeit ausreichend herzustellen und konsequent<br />

einzufordern.“ 477<br />

Ebenso legt die Entwicklungszusammenarbeit dar, dass sie nicht länger nur punktuelle<br />

Hilfe im Sinne von einkommensschaffenden Maßnahmen leisten, sondern vielmehr<br />

<strong>nach</strong>haltige Entwicklung fördern will. 478 In diesem Rahmen wird <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> Frauen<br />

bereits <strong>mit</strong>tels funktional ausgerichteter Alphabetisierungsprogramme <strong>mit</strong> Erfolg<br />

durchgeführt, wobei es nicht um undifferenzierte „Massen-Alphabetisierung“ 479 geht. Da<br />

die wirtschaftliche Be<strong>nach</strong>teiligung von Frauen jedoch nicht gänzlich ausgeblendet<br />

werden darf, kann die Nachalphabetisierungsphase neben dem Kampf um<br />

Geschlechtergerechtigkeit durchaus <strong>mit</strong> einkommensschaffenden Tätigkeiten verbunden<br />

werden. 480 Dadurch ließen sich ´strategic gender needs` und ´practical gender needs`481<br />

verknüpfen. Eine solche<br />

„Hinwendung zu den ´Gesichtern der Armut` [...] bedeutet ein Denken im<br />

Plural jenseits der eigenen Erfahrungsspielräume und bedarf eines<br />

umfassenden professionellen Kompetenzprofils der EntwicklungsexpertInnen.“<br />

482<br />

Die Soziale Arbeit besitzt ein solches interdisziplinäres Kompetenzprofil <strong>mit</strong><br />

unterschiedlichen Kenntnissen und Erfahrungen 483 ; sie muss sich nur endlich in der<br />

Entwicklungszusammenarbeit positionieren. Dies ist die Voraussetzung dafür, dass sie<br />

befreiende <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay durchführen und so<strong>mit</strong> auf globaler<br />

Ebene einen Beitrag zur Erfüllung der Milleniumsentwicklungsziele leisten kann.<br />

Sollte der Sozialen Arbeit diese Positionierung gelingen, so steht einer befreienden<br />

<strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay jedoch noch eine Hürde bevor. Denn die<br />

476 Vgl. Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) (Hrsg.): Wirtschaft –<br />

Soziales – Entwicklung. Armut bekämpfen und Gerechtigkeit schaffen. Ohne Verlag. Bonn. 2004. Seite 26.<br />

477 Többe-Schukalla. 2005. Seite 308.<br />

478 BMZ. 2004. Seite 8.<br />

479 http://www.bmz.de/de/<strong>ser</strong>vice/infothek/evaluierung/Projektuebergreifend/grundbildung01/GrundbQA-d-neupdf.pdf<br />

vom 11.11.2007.<br />

480 Vgl. http://www.bmz.de/de/<strong>ser</strong>vice/infothek/evaluierung/Projektuebergreifend/grundbildung01/GrundbQA-dneu-pdf.pdf<br />

vom 11.11.2007.<br />

481 Vgl. Kapitel 3.2.3. Seite 46.<br />

482 Többe-Schukalla. 2005. Seite 308.<br />

483 Vgl. Kapitel 4.<br />

75


5 Notwendigkeit zur Positionierung der Sozialen Arbeit<br />

Forderung <strong>nach</strong> strukturellen Veränderungen des jeweiligen Landes stellen sowohl<br />

<strong>Freire</strong> 484 , die feministisch-politische <strong>Bildungsarbeit</strong> 485 als auch die Entwicklungszusammenarbeit<br />

selbst. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und<br />

Entwicklung macht deutlich: „Entwicklung muss von innen kommen. Den Hauptbeitrag für<br />

ihren wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt erbringen die Partnerländer selbst.“ 486<br />

Vor dem dargelegten Hintergrund wird von der gegenwärtigen Regierung unter Duarte<br />

Frutos 487 indes keine große Veränderung mehr zu erwarten sein, denn bisher hat er keine<br />

relevanten Verbes<strong>ser</strong>ungen erzielen können, und seine Amtszeit läuft im Jahre 2008<br />

aus. 488 Es ist an der Zeit, dass ein Präsident gewählt wird, der nicht Mitglied der seit<br />

Jahrzehnten herrschenden Colorado-Partei ist und nur seine eigene Machterhaltung im<br />

Visier hat. Große Hoffnung setzt die paraguayische Bevölkerung deswegen momentan<br />

auf den ehemaligen Erzbischof Fernando Lugo, der bereits im Dezember 2006 sein<br />

Priesteramt niederlegte, um im nächsten Jahr bei den Präsidentschaftswahlen anzutreten.<br />

„Er sagt: ´Meine erste Sorge sind nicht politische Interessen. Meine erste Sorge ist das<br />

Volk.´“ 489 Dementsprechend gehören ihm momentan in allen Umfragen die meisten<br />

Sympathien, doch sein Wahlsieg ist deswegen noch lange nicht gesichert. Es ist nämlich<br />

fraglich, „ob die Colorados friedlich die Regierung abgeben werden, sollten sie bei den<br />

Wahlen unterliegen.“ 490 Paraguay steht also am Scheideweg.<br />

Doch würde es Lugo tatsächlich gelingen, „die Kirche der Armen <strong>mit</strong> den Reichen an<br />

einen Tisch [zu; d. Verf.] bringen“ 491 wäre dies „ein ganz neuer Akt der<br />

Befreiungstheologie“ 492 , der durch eine befreiende <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> Frauen von unten –<br />

durchgeführt durch die Soziale Arbeit – noch bes<strong>ser</strong> vorangetrieben werden könnte. So<strong>mit</strong><br />

würde Paraguay schon einmal einen kleinen Schritt auf dem langen Weg hin zu einer<br />

Geschlechtergerechtigkeit im Sinne des dritten Milleniumsentwicklungsziels gehen.<br />

484 Vgl. Kapitel 3.1.2.5.<br />

485 Vgl. Kapitel 3.2.1 und Kapitel 3.2.2.<br />

486 http://www.bmz.de/de/<strong>ser</strong>vice/infothek/bildung/unterricht/Gr18neu02L.pdf vom 17.11.2007.<br />

487 Vgl. Kapitel 2.2. Seite 18.<br />

488 Vgl. http://www.lateinamerika<strong>nach</strong>richten.de/?/artikel/2636.html vom 17.11.2007.<br />

489 http://www.dfp.deutsche-fachpresse.com/2006/10/06/praesident-wider-willen-der-bischof-lugo-fuehrt-inder-waehlergunst/<br />

vom 17.11.2007.<br />

490 http://www.lateinamerika<strong>nach</strong>richten.de/?/artikel/2636.html vom 17.11.2007.<br />

491 Schmidt-Häuer, Christian: Diener zweier Herren. In: DIE ZEIT. Heft 15. 2007. Seite 2.<br />

492 Schmidt-Häuer. 2007. Seite 2.<br />

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und Gegenwart des Christentums in Lateinamerika. Morus-Verlag, Bernward-<br />

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http://www2.gtz.de/indigenas/deutsch/einleitung/index.html vom 20.11.2007.<br />

86


Abbildungsverzeichnis<br />

Abbildungsverzeichnis<br />

Abb. 1: Denkmal für die residentas in Asunción................................................................ 88<br />

Abb. 2: Armenviertel in Asunción. ..................................................................................... 89<br />

Abb. 3: Hütte auf dem Land. ............................................................................................. 89<br />

Abb. 4: Paraguayische Frau <strong>mit</strong> vier Kindern und Enkel................................................... 90<br />

Abb. 5: Typisches Bild: Die Tochter wäscht, der Vater entspannt..................................... 90<br />

Abb. 6: Straßenverkäuferin. .............................................................................................. 91<br />

Abb. 7: Haushaltsangestellte............................................................................................. 91<br />

Abb. 8: Indigene Frauen beim Verkauf in Asunción. ......................................................... 92<br />

Abb. 9: Indigene Frau beim Knüpfen von Armbändern. .................................................... 92<br />

Abb. 10: Frauen bei der <strong>Bildungsarbeit</strong>............................................................................. 93<br />

Abb. 11: Frauen bei der Kleingruppenarbeit...................................................................... 93<br />

87


Anhang<br />

Anhang<br />

Abb. 1: Denkmal für die residentas in Asunción.<br />

Quelle: Barbara Potthast-Jutkeit. 1994.<br />

88


Anhang<br />

Abb. 2: Armenviertel in Asunción.<br />

Quelle: Barbara Pötter. 2007.<br />

Abb. 3: Hütte auf dem Land.<br />

Quelle: Barbara Pötter. 2007.<br />

89


Anhang<br />

Abb. 4: Paraguayische Frau <strong>mit</strong> vier Kindern und Enkel.<br />

Quelle: Barbara Pötter. 2007.<br />

Abb. 5: Typisches Bild: Die Tochter wäscht, der Vater entspannt.<br />

Quelle: Barbara Pötter. 2007.<br />

90


Anhang<br />

Abb. 6: Straßenverkäuferin.<br />

Quelle: Barbara Pötter. 2007.<br />

Abb. 7: Haushaltsangestellte.<br />

Quelle: Barbara Pötter. 2007.<br />

91


Anhang<br />

Abb. 8: Indigene Frauen beim Verkauf in Asunción.<br />

Quelle: Barbara Pötter. 2007.<br />

Abb. 9: Indigene Frau beim Knüpfen von Armbändern.<br />

Quelle: Barbara Pötter. 2007.<br />

92


Anhang<br />

Abb. 10: Frauen bei der <strong>Bildungsarbeit</strong>.<br />

Quelle: Barbara Pötter. 2007.<br />

Abb. 11: Frauen bei der Kleingruppenarbeit.<br />

Quelle: Barbara Pötter. 2007.<br />

93


Erklärung<br />

Ich erkläre hier<strong>mit</strong>,<br />

• dass ich die vorliegende Studienarbeit selbstständig angefertigt,<br />

• keine anderen als die angegebenen Quellen benutzt,<br />

• die wörtlich oder dem Inhalt <strong>nach</strong> aus fremden Arbeiten entnommenen Stellen,<br />

bildlichen Darstellungen und dergleichen als solche genau kenntlich gemacht und<br />

• keine unerlaubte fremde Hilfe in Anspruch genommen habe.<br />

Aachen, den 30. November 2007<br />

Zusatzerklärung<br />

Ich erkläre außerdem,<br />

• dass meine Diplomarbeit der Bibliothek der Katholischen Fachhochschule<br />

Nordrhein-Westfalen zur Verfügung gestellt werden darf, sofern sie <strong>mit</strong> der<br />

Note 2,0 oder bes<strong>ser</strong> bewertet wird.<br />

Aachen, den 30. November 2007

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