Empieza a ser! - Befreiende Bildungsarbeit nach Paulo Freire mit ...
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Katholische Fachhochschule Nordrhein-Westfalen<br />
- Abteilung Aachen -<br />
Fachbereich Sozialwesen<br />
Diplomarbeit im Studiengang Soziale Arbeit<br />
„<strong>Empieza</strong> a <strong>ser</strong>!“<br />
<strong>Befreiende</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>nach</strong> <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong><br />
<strong>mit</strong> Frauen in Paraguay<br />
Vorgelegt von:<br />
Barbara Pötter<br />
Matrikel-Nummer: 111982<br />
Eingereicht am:<br />
30. November 2007<br />
Erstkorrektorin: Prof. Dr. phil. Liane Schirra-Weirich<br />
Zweitkorrektorin: Prof. Dr. phil. Marianne Genenger-Stricker
Inhaltsverzeichnis<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
1 Einleitung .......................................................................................................4<br />
2 Frau-Sein in Paraguay -<br />
Ein Blick auf die politische Entwicklung und das heutige Paraguay........6<br />
2.1 Frau-Sein in der politischen Entwicklung Paraguays ........................................ 6<br />
2.1.1 Frau-Sein zur Zeit der Conquista und Kolonialzeit .......................................... 7<br />
2.1.2 Frau-Sein während der Militärdiktaturen........................................................ 11<br />
2.1.3 Frau-Sein in der Demokratisierungsphase .................................................... 17<br />
2.2 Frau-Sein im heutigen Paraguay........................................................................ 18<br />
2.2.1 Frauen und Bildung ....................................................................................... 19<br />
2.2.2 Frauen und Arbeit .......................................................................................... 21<br />
2.2.3 Frauen und soziale und politische Partizipation............................................. 24<br />
3 Aspekte der Befreiungspädagogik <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong>s<br />
und feministisch-politischer <strong>Bildungsarbeit</strong> .............................................27<br />
3.1 Die Befreiungspädagogik <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong>s............................................................ 27<br />
3.1.1 Eine Gesellschaft im Übergang ..................................................................... 27<br />
3.1.2 Die befreiende <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong>s ................................................. 30<br />
3.1.2.1 Das Bankiers-Konzept ................................................................................... 30<br />
3.1.2.2 Dialog als Prinzip ........................................................................................... 32<br />
3.1.2.3 Bildung als Erkenntnissituation...................................................................... 35<br />
3.1.2.4 Bewusstseinsbildung ..................................................................................... 36<br />
3.1.2.5 Der politische Aspekt ..................................................................................... 37<br />
3.1.2.6 Die Alphabetisierungs- und Nachalphabetisierungsmethode ........................ 38<br />
3.2 Feministisch-politische <strong>Bildungsarbeit</strong>............................................................. 42<br />
3.2.1 Der Politikbegriff ............................................................................................ 42<br />
3.2.2 Der Begriff des Feminismus........................................................................... 43<br />
3.2.3 Der Gender-Ansatz........................................................................................ 44<br />
3.3 Anstöße der feministisch-politischen <strong>Bildungsarbeit</strong> für die befreiende<br />
<strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong>s.............................................................................. 48<br />
3.4 Paraguay – eine Gesellschaft im Übergang ...................................................... 49<br />
2
Inhaltsverzeichnis<br />
4 <strong>Befreiende</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay –<br />
Eine Aufgabe der Sozialen Arbeit ..............................................................51<br />
4.1 Soziale Arbeit als Menschenrechtsprofession ................................................. 51<br />
4.2 Empowerment als professionelle Haltung der Sozialen Arbeit....................... 54<br />
4.3 Lebensweltorientierung als Rahmenkonzept der Sozialen Arbeit.................. 56<br />
4.4 Notwendiges Kompetenzprofil der Sozialen Arbeit für die Umsetzung der<br />
befreienden <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay ....................................... 58<br />
4.4.1 Fachkompetenz ............................................................................................. 59<br />
4.4.1.1 Gruppen- und sozialraumbezogene Methoden ............................................. 59<br />
4.4.1.2 Berufsfeldspezifische Kompetenzen.............................................................. 65<br />
4.4.2 Sozialkompetenz ........................................................................................... 70<br />
4.4.3 Selbstkompetenz ........................................................................................... 72<br />
5 Notwendigkeit zur Positionierung der Sozialen Arbeit ............................74<br />
6 Literaturverzeichnis.....................................................................................77<br />
Abbildungsverzeichnis.......................................................................................87<br />
Anhang ................................................................................................................88<br />
3
1 Einleitung<br />
1 Einleitung<br />
„<strong>Empieza</strong> a <strong>ser</strong>!“ bedeutet übersetzt “Fange an zu sein!”. Es ist gemeint als ein Aufruf an<br />
Frauen, sich gegenüber Männern als gleichwertig anzusehen und Frauenrechte<br />
einzufordern. Doch es klingt einfacher, als es tatsächlich ist. Denn sonst wäre die<br />
Gleichberechtigung der Geschlechter trotz allen Fortschritts nicht die zentrale<br />
Herausforderung des 21. Jahrhunderts. Frauen auf der ganzen Welt sind heute noch<br />
gegenüber Männern be<strong>nach</strong>teiligt.<br />
„Internationale Studien und Schätzungen belegen:<br />
• Zwei Drittel aller Analphabeten sind Frauen.<br />
• Frauen gehört nur ein Prozent des globalen Vermögens.<br />
• Frauen beziehen nur zehn Prozent der Einkommen und verrichten über<br />
70 Prozent der unbezahlten Arbeit.<br />
• Zwei Drittel der Ärmsten der Welt sind Frauen.<br />
• Frauen in Entwicklungsländern besitzen nur zehn Prozent der<br />
Anbauflächen und weniger als zwei Prozent aller Landtitel, erzeugen<br />
aber bis zu 80 Prozent der Grundnahrungs<strong>mit</strong>tel.<br />
• Frauen stellen nur knapp 17 Prozent aller Parlamentarier und 14 Prozent<br />
aller Führungskräfte in Wirtschaft und Verwaltung weltweit.<br />
• Jährlich sterben rund 600.000 Frauen an Komplikationen während<br />
Schwangerschaft und Geburt.<br />
• Der weibliche Anteil der <strong>mit</strong> HIV-Infizierten ist in den vergangenen 20<br />
Jahren von 35 auf rund 50 Prozent gestiegen.“ 1<br />
Frauen haben dem<strong>nach</strong> einen erheblich schlechteren Zugang zu Bildung, Land, Kapital<br />
und Arbeitsplätzen. Mit Blick auf die Gesamtgesellschaft hat dies einen erheblichen<br />
Wachstumsverlust und Hemmnisse in der Entwicklung zur Folge. 2 Spiegelbildlich<br />
bedeutet es: „Der Schlüssel zur Entwicklung liegt in den Händen der Frauen.“ 3<br />
Dementsprechend sollten Frauen insbesondere bes<strong>ser</strong>e Bildungsmöglichkeiten erhalten,<br />
denn sie sind die Grundlage, um an Kapital und Arbeit teilhaben zu können. Genauer<br />
gesagt fördert Mädchen- und Frauenbildung in der Regel bes<strong>ser</strong>e Bildungs- und auch<br />
Lebensstandards der Gesamtfamilie und steigert die Arbeitsproduktivität; die Geburten-<br />
1 Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) (Hrsg.): Gleichberechtigung.<br />
Schlüssel zur Umsetzung der Millenium<strong>ser</strong>klärung der Vereinten Nationen. Ohne Verlag. Berlin. 2007. Seite 3.<br />
2 Vgl. BMZ. 2007. Seite 6.<br />
3 http://www.bmz.de/de/<strong>ser</strong>vice/infothek/buerger/themen/frauen.pdf vom 18.11.2007.<br />
4
1 Einleitung<br />
und Kindersterblichkeitsrate sinkt, wohingegen sich sie Leben<strong>ser</strong>wartung von Frauen und<br />
Kindern erhöht. 4<br />
„Bildung ist aber auch ein bedeutender Baustein zur gleichberechtigten<br />
Teilhabe an gesellschaftlichen und politischen Entscheidungsprozessen, zur<br />
Wahrnehmung individueller Rechte und [...] [zur Stärkung von<br />
Selbstbestimmung und Autonomie; d.Verf.] von Frauen im privaten und<br />
öffentlichen Leben.“ 5<br />
Daraus lässt sich die Forderung ableiten, dass alle Länder der Welt der Bildung von<br />
Mädchen und Frauen höchste Priorität einräumen sollten.<br />
In die<strong>ser</strong> Arbeit wird nun aber nicht auf die Frauen der ganzen Welt geschaut, sondern<br />
vielmehr soll der Blick sich auf ein Land richten, das in Europa und auch in der restlichen<br />
Welt zumeist ´terra incognita` ist: Paraguay. Kaum jemand weiß etwas über Paraguay, es<br />
sei denn, es besteht ein persönlicher Bezug dorthin. Gerade deshalb ist es wichtig, sich<br />
endlich <strong>mit</strong> der Situation der Frauen Paraguays 6 auseinander zu setzen.<br />
In die<strong>ser</strong> Arbeit soll zunächst geklärt werden, ob die paraguayischen Frauen gegenüber<br />
den Männern in der politischen Entwicklung be<strong>nach</strong>teiligt wurden und wie die Situation<br />
der Frauen heute ist.<br />
Im weiteren Verlauf wird die befreiende <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>nach</strong> <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong> als mögliches<br />
Konzept vorgestellt, um <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay arbeiten zu können <strong>mit</strong> dem Ziel einer<br />
geschlechtergerechteren Gesellschaft. Außerdem wird <strong>Freire</strong>s Pädagogik durch Aspekte<br />
feministisch-politischer <strong>Bildungsarbeit</strong> ergänzt und anschließend auf Paraguay bezogen.<br />
Im Folgenden soll festgestellt werden, ob die Soziale Arbeit als Profession sich dazu<br />
eignet, diese befreiende <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay durchzuführen. Ein<br />
Ausblick nennt abschließend weitere notwendige Voraussetzungen.<br />
4 Vgl. BMZ. 2007. Seite 16.<br />
5 BMZ. 2007. Seite 16.<br />
6 Wenn im Folgenden von ´den Frauen Paraguays` oder ´den Männer Paraguays` die Rede ist, so ist dies<br />
eine vereinfachte Zusammenfassung; denn ´die Frauen Paraguays` und ´die Männer Paraguays` als<br />
homogene Gruppe gibt es selbstverständlich nicht.<br />
5
2 Frau-Sein in Paraguay – Ein Blick auf die politische Entwicklung und das heutige Paraguay<br />
2 Frau-Sein in Paraguay - Ein Blick auf die politische<br />
Entwicklung und das heutige Paraguay<br />
Um Verständnis für die heutige Rolle der Frau in Paraguay gewinnen zu können, wird<br />
zunächst ein Blick auf die politische Entwicklung dieses Landes und insbesondere auf die<br />
Rolle der Frau darin geworfen. Die Geschichte ist für das Land Paraguay von sehr großer<br />
Bedeutung, so dass Hubert Krier sogar von einer tragischen Vergangenheit spricht. 7 In<br />
wiefern diese nun die paraguayische Frau tatsächlich beeinflusst hat und auch heute noch<br />
beeinflusst, soll im Folgenden untersucht werden. Genauer wird hierbei zunächst auf die<br />
indigenen Frauen 8 und später auf die Frauen der Unterschicht im Allgemeinen<br />
eingegangen, da diese den Großteil der Frauen in Paraguay ausmachen.<br />
2.1 Frau-Sein in der politischen Entwicklung Paraguays<br />
Die politische Entwicklung Paraguays kann in drei große Zeitabschnitte eingeteilt werden.<br />
Auf die Zeit der Eroberung und Kolonialisierung folgt die Epoche der verschiedenen<br />
Diktaturperioden <strong>mit</strong> zwei verheerenden Kriegen. Abschließend wird die Zeit der<br />
Demokratisierung und ihre Bedeutung für die Frauen näher betrachtet. Dies führt in das<br />
Kapitel über die Frau im heutigen Paraguay ein, das die momentane Situation<br />
verdeutlicht.<br />
7 Vgl. Krier, Hubert: Tapferes Paraguay. 2., verbes<strong>ser</strong>te und ergänzte Auflage. Marienburg-Verlag (H.O.<br />
Holzner). Würzburg. 1976. Seite 17.<br />
8 Es besteht ein internationales Einverständnis darüber, von indigenen Frauen und Männern beziehungsweise<br />
von indigenen Völkern zu sprechen. Vgl. http://www2.gtz.de/indigenas/deutsch/einleitung/index.html vom<br />
20.11.2007.<br />
Für die Angehörigen eines indigenen Volkes wird auch der Begriff „Indígenas“ benutzt, der sowohl Männer als<br />
auch Frauen umfasst. Vgl. http://www.quetzal-leipzig.de/Themen/Indigenas/txt/20051122-VeraHartwig-<br />
IndianerIndigenIndigenasIndigenismusIndianidad.php vom 21.11.2007.<br />
6
2 Frau-Sein in Paraguay – Ein Blick auf die politische Entwicklung und das heutige Paraguay<br />
2.1.1 Frau-Sein zur Zeit der Conquista 9 und Kolonialzeit<br />
Mit der Hoffnung, Gold und Silber zu finden 10 , kamen die spanischen Eroberer 1537 über<br />
den Río Paraguay in das Land. 11 Sie trafen nicht, wie vermutet, auf ein Gebiet <strong>mit</strong> einer<br />
bereits entwickelten Staatskultur und Wirtschaft, aus denen sie hätten Nutzen ziehen<br />
können 12 , sondern auf ein kriegerisches und halbnomadisches Guaraní-Volk. 13 Nach nur<br />
kurzem Widerstand waren die indigenen Männer den ausgehungerten Spaniern jedoch<br />
freundlich gestimmt und übergaben ihnen schließlich als Unterpfand für ein Bündnis<br />
Lebens<strong>mit</strong>tel und darüber hinaus ihre Frauen und Töchter, die für die Eroberer in jeder<br />
Beziehung sorgen sollten. 14 Die größte Aufgabe der indigenen Frauen bestand darin,<br />
durch gemeinsame Kinder das Übereinkommen <strong>mit</strong> Blutsverbindungen zu sichern 15 ,<br />
wodurch der Grundstein für die Verschmelzung von Spaniern <strong>mit</strong> der autochthonen<br />
Bevölkerung – die Mestizierung – gelegt war. Die MestizInnen 16 wurden aber hier nicht<br />
wie in den anderen Ländern Lateinamerikas als uneheliche Nachkommen marginalisiert,<br />
sondern bildeten bald in Asunción, der 1537 gegründeten und heutigen Hauptstadt 17 , die<br />
Führungselite. 18 Gleichzeitig gewann in der Gesellschaft ein Reziprozitätsprinzip 19 an<br />
9 Der Begriff „Conquista“ kommt aus dem Spanischen und bedeutet übersetzt „Eroberung“. Er „bezeichnet<br />
den Prozeß der Unterwerfung der indianischen Urbevölkerung Amerikas (indígenas)durch die Spanier.“<br />
http://www.quetzal-leipzig.de/lexikon/t6.html vom 21.11.1007.<br />
10 Vgl. Potthast, Barbara: Von Müttern und Machos. Eine Geschichte der Frauen Lateinamerikas. Peter<br />
Hammer Verlag. Wuppertal. 2003. Seite 40/42.; vgl. auch Potthast-Jutkeit, Barbara: „Paradies Mohameds“<br />
oder „Land der Frauen“? Zur Rolle der Frau und Familie in Paraguay im 19. Jahrhundert. Böhlau Verlag. Köln,<br />
Weimar, Wien. 1994. Seite 16f.; Bareiro, Olinda/Barrios, Harald: Paraguay. In: Nohlen, Dieter/Nuscheler,<br />
Franz: Handbuch der Dritten Welt. 1., überarbeiteter und aktualisierter Nachdruck der 3. Auflage. Verlag<br />
J.H.W. Dietz Nachf. GmbH. 1995. Seite 423.<br />
11 Vgl. Potthast-Jutkeit. 1994. Seite 17.<br />
12 Vgl. Potthast. 2003. Seite 40.; vgl. auch Potthast-Jutkeit. 1994. Seite 16.<br />
13 Das Guaraní-Volk ist eines der indigenen Völker im Bereich Paraguays. Vgl. Krier. 1976. Seite 14.<br />
14 Vgl. Potthast. 2003. Seite 41f.; vgl. auch Potthast-Jutkeit. 1994. Seite 16f.; Potthast, Barbara: Aus der<br />
Geschichte Paraguays. Heldinnen und Opfer: Frauen in der paraguayischen Geschichte. In: Deutsches<br />
Weltgebetstagsko<strong>mit</strong>ee: Weltgebetstag. Unter Gottes Zelt vereint. Ideen und Informationen. Arbeitsheft zum<br />
Weltgebetstag. Ohne Verlag. Stein. 2007. Seite 22.<br />
15 Vgl. Potthast. 2007. Seite 22f.<br />
16 In einer Definition von Inca Garcilaso de la Vega, auf die sich Dieter Janik bezieht, werden unter<br />
MestizInnen sowohl die Kinder von einem Spanier und einer India verstanden als auch die Kinder eines Indios<br />
und einer Spanierin. Vgl. Janik, Dieter: Die neuen Menschen der neuen Welt: Zur gesellschaftlichen und<br />
kulturellen Rolle der mestizos. In: Janik, Dieter: Die langen Folgen der kurzen Conquista. Auswirkungen der<br />
spanischen Kolonisierung Amerikas bis heute. Vervuert. Frankfurt am Main. 1994. Seite 50.<br />
17 Vgl. Potthast-Jutkeit. 1994. Seite 18.<br />
18 Potthast-Jutkeit. 1994. Seite 21.<br />
19 Reziprozität bedeutet „Wechselseitigkeit“.; vgl. Duden. Rechtschreibung der deutschen Sprache. 21., völlig<br />
neu bearbeitete und erweiterte Auflage. Dudenverlag. Mannheim, Leipzig, Wien, Zürich. 1996. Seite 622.<br />
Dementsprechend handelt es sich bei dem Reziprozitätsprinzip um einen Grundsatz, der auf<br />
Wechselseitigkeit beruht.<br />
7
2 Frau-Sein in Paraguay – Ein Blick auf die politische Entwicklung und das heutige Paraguay<br />
Bedeutung, welches auf dem Austausch der Frauen zwischen indigenen Männern und<br />
Spaniern basierte und so<strong>mit</strong> zu gegenseitiger Hilfe und Unterstützung verpflichtete. 20 Die<br />
Häuptlinge der Guaraníes <strong>mit</strong> mehreren Frauen erlangten dadurch materiellen Wohlstand<br />
und großen Einfluss 21 , weil die Frauen die von den Männern gerodeten Felder<br />
bestellten. 22 Die Anzahl der Frauen wurde folglich zu einem Gradmes<strong>ser</strong> für politisches<br />
Prestige und die Polygamie zu einem unverzichtbaren Mittel der Machterhaltung. 23 So<br />
hatte jeder Spanier zwischen drei und sieben Frauen, woraus sich der Name „Paradies<br />
Mohameds“, der so häufig für Paraguay benutzt wurde, ableiten lässt. 24 Die Priester des<br />
Landes sahen hierin jedoch ein moralisches Problem, da sie das Verhalten als<br />
sittenwidrig auffassten. 25 Zugleich wurde behauptet, dass die Frauen in erster Linie nicht<br />
als Konkubinen und Sexualobjekte der Eroberer angesehen wurden, sondern als dringend<br />
benötigte Arbeitskräfte. Die Frauen wurden so<strong>mit</strong> austauschbar, was zur Folge hatte,<br />
dass sie ´Warencharakter` besaßen. Hierbei waren sexuelle Kontakte nicht ausgeschlossen,<br />
sondern fielen im Gegenteil unter die Verfügungsgewalt der weißen<br />
Spanier. 26<br />
Bereits zwei Jahre später wuchs jedoch der Unmut der indigenen Männer gegenüber den<br />
Spaniern, denn sie fühlten sich nicht mehr wie Verwandte (tovoyá 27 ) behandelt, sondern<br />
vielmehr wie mindere Menschen (tapi`ís). Es kam zu immer gewalttätigeren Aufständen,<br />
bis die Spanier in die Häu<strong>ser</strong> der Indígenas eindrangen, die Frauen raubten und<br />
vergewaltigten. 28<br />
Die Mestizierung schritt indes weiter fort, wohingegen aber die Anzahl der Guaraníes<br />
beständig abnahm. Grund hierfür waren die eingeschleppten europäischen Krankheiten,<br />
für welche das indigene Volk keine Abwehrkräfte besaß. Des Weiteren wanderten viele<br />
20 Vgl. Potthast-Jutkeit. 1994. Seite 22.; vgl. auch Potthast. 2003. Seite 44f.<br />
21 Vgl. Potthast-Jutkeit. 1994. Seite 23.; vgl. auch Potthast. 2003. Seite 45.<br />
22 Vgl. Potthast. 2003. Seite 45.<br />
23 Vgl. Potthast-Jutkeit. 1994. Seite 23.<br />
Macht wird <strong>nach</strong> Max Weber wie folgt definiert: „Macht bedeutet jede Chance, innerhalb einer sozialen<br />
Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichwohl worauf diese Chance<br />
beruht.“ Weber, Max: Soziologische Grundbegriffe. 3., durchgesehene Auflage. J.C.B. Mohr. Tübingen. 1976.<br />
Seite 71.<br />
24 Vgl. Potthast-Jutkeit. 1994. Seite 23.; vgl. auch Potthast. 2003. Seite 45.; Potthast. 2007. Seite 23.<br />
25 Vgl. Potthast-Jutkeit. 1994. Seite 23.; vgl. auch Potthast. 2007. Seite 23.<br />
26 Vgl. Potthast-Jutkeit. 1994. Seite 24f.; vgl. auch Potthast. 2003. Seite 46f.<br />
27 Die Kursivschrift in diesem Kapitel deutet auf Begriffe aus dem Spanischen oder dem Guaraní, der zweiten<br />
offiziellen Landessprache Paraguays, hin.<br />
28 Vgl. Potthast-Jutkeit. 1994. Seite 25.; vgl. auch Potthast. 2003. Seite 47f.<br />
8
2 Frau-Sein in Paraguay – Ein Blick auf die politische Entwicklung und das heutige Paraguay<br />
der Frauen in die Stadt Asunción, um dort in den Haushalten der Spanier zu arbeiten 29 , so<br />
dass die Zahl der Kinder auf dem Land abnahm und die traditionelle Arbeitsteilung und<br />
die Versorgung der Familien gefährdet waren. 30<br />
Die Abnahme der Guaraníes und die Tatsache, dass wohl keine Edelmetalle in Paraguay<br />
zu finden seien, veranlassten den spanischen Statthalter dazu, im Jahre 1556 in<br />
Paraguay die encomienda einzuführen. 31 Diese beinhaltete die Zwangszuteilung<br />
(repartimiento) der Indígenas zu Arbeitsleistungen an die spanischen Eroberer 32 <strong>mit</strong> dem<br />
Ziel, der sozialen und biologischen Vernichtung der Guaraníes Einhalt zu gebieten und sie<br />
gleichzeitig zu christlichem Leben zu erziehen. 33 Das bis dahin nomadisch lebende<br />
indigene Volk musste sich in festen Dörfern ansiedeln, und die Frauen wurden sexuell<br />
und ökonomisch ausgebeutet. Die Familienstrukturen, das soziale System und die Kultur<br />
der Guaraníes wurden gänzlich zerstört, wodurch sich jedoch eine besondere mestizische<br />
Gesellschaft 34 <strong>mit</strong> einer kreolischen Oberschicht 35 entwickelte. Die Ausbeutung der<br />
indigenen Bevölkerung von Seiten die<strong>ser</strong> Elite hielt konsequent an, denn sie nutzte sie als<br />
unentgeltliche Arbeitskräfte zum Bewirtschaften der Landgüter aus. Daraufhin flohen viele<br />
der Unterdrückten in den Urwald. 36<br />
Diese Ausbeutung durch die encomienda veranlasste alsbald die Jesuiten, die gegen<br />
Ende des 16. Jahrhunderts <strong>nach</strong> Paraguay kamen 37 , so genannte Reduktionen 38<br />
aufzubauen, in denen die Indígenas zum Schutz vor Versklavung zusammengefasst<br />
wurden. 39 Ziel war stets die Zivilisierung, das ´Sesshaftmachen` und die Bekehrung zum<br />
29 Vgl. Potthast-Jutkeit. 1994. Seite 25ff.; vgl. auch Potthast. 2003. Seite 48.<br />
30 Vgl. Potthast. 2003. Seite 48.<br />
31 Vgl. Potthast-Jutkeit. 1994. Seite 28.; vgl. auch Potthast. 2003. Seite 48.<br />
32 Vgl. Kraner, Ulrike: Frauen im vorkolonialen und kolonialen Peru. In: Aguilar, Graciela R./Vogel, Peter<br />
(Hrsg.): Frauen in Lateinamerika: Alltag und Widerstand. Junius. Hamburg. 1983. Seite 26.<br />
33 Vgl. Potthast-Jutkeit. 1994. Seite 28.<br />
34 Vgl. Potthast-Jutkeit. 1994. Seite 29ff.<br />
35 Vgl. Potthast-Jutkeit. 1994. Seite 39.<br />
36 Vgl. Krier. 1976. Seite 21.<br />
37 Vgl. Krier. 1976. Seite 21.; vgl. auch Potthast-Jutkeit. 1994. Seite 42.<br />
38 Der Begriff „Reduktion“ ist aus dem Spanischen von „reducir“ = zusammenführen/rückführen abgeleitet.<br />
Vgl. Gründer, Horst: Der „Jesuitenstaat“ in Paraguay. „Kirchlicher Kolonialismus“ oder „Entwicklungshilfe“<br />
unter kolonialen Vorzeichen? In: Geschichte und Kulturen. Münstersche Zeitschrift zur Geschichte und<br />
Entwicklung der Dritten Welt. 1. Jahrgang. 1988. Seite 4.; vgl. auch Schatz, Klaus: Die Jesuitenreduktionen.<br />
Leistungen und Grenzen. In: Schlegelberger, Bruno/Delgado, Mariano: Ihre Armut macht uns reich. Zur<br />
Geschichte und Gegenwart des Christentums in Lateinamerika. Morus-Verlag, Bernward-Verlag. Berlin,<br />
Hildesheim. 1992. Seite 75.<br />
39 Vgl. Schatz. 1992. Seite 74f.; vgl. auch Gründer. 1988. Seite 4.; Krier. 1976. Seite 24.; Bareiro. 1995. Seite<br />
424.<br />
9
2 Frau-Sein in Paraguay – Ein Blick auf die politische Entwicklung und das heutige Paraguay<br />
christlichen Glauben. 40 Dies widerstrebte schlicht der Idee der spanischen Oberschicht,<br />
das indigene Volk für ihr sozio-ökonomisches System zu nutzen und so wurde es<br />
notwendig, die Reduktionen komplett von den Spaniern abzuschotten. 41 Um ihr Ziel<br />
umsetzen zu können, organisierten und kontrollierten die Patres das Leben in den<br />
Kolonien bis ins kleinste Detail. 42 Denn sie sahen die Guaraníes nicht als vollwertige freie<br />
Menschen an, sondern als erwachsene schutzbedürftige Kinder. 43<br />
„Sie formten und überwachten ihre Denkweise, gewöhnten sie daran, ihnen<br />
erteilte Befehle bedingungslos zu befolgen, und flößten ihnen den Hang zum<br />
einfachen, anspruchslosen Leben und eine religiös motivierte Abneigung<br />
gegen zeitliche Güter ein.“ 44<br />
So waren denn Lebens- und Arbeitsbereiche strikt getrennt und genauestens den beiden<br />
Geschlechtern zugeschrieben. Der Polygamie wurde durch die frühe Ehe 45 und<br />
Bestrafung bei Ehebruch 46 entgegengewirkt. Für den Lebensunterhalt betrieben die<br />
Patres in erster Linie Ackerbau und schickten zugleich die Männer in die nördlichen<br />
Wälder, um dort die Blätter des Mate-Tees, dem einzigen Exportprodukt, zu sammeln.<br />
Diese gefährliche Arbeit dauerte stets einige Monate und kostete meist viele<br />
Menschenleben. Während die Männer unterwegs waren, blieben die Frauen auf sich<br />
allein gestellt und mussten die Versorgung der Familie sichern. Dies führte dazu, dass sie<br />
zum zentralen und stabilisierenden Element der Familie wurden, die häufig aus der Mutter<br />
der Frau, ihren Kindern und ihrer Verwandtschaft bestand. So<strong>mit</strong> wurde die<br />
alleinerziehende Frau schon früh zum Charakteristikum der paraguayischen<br />
Gesellschaft. 47<br />
40 Vgl. Krier. 1976. Seite 21.; vgl. auch Gründer. 1988. Seite 4.; Schatz. 1992. Seite 75.<br />
41 Vgl. Schatz. 1992. Seite 76.; vgl. auch Potthast-Jutkeit. 1994. Seite 43.<br />
42 Vgl. Potthast-Jutkeit. 1994. Seite 43.<br />
43 Vgl. Krier. 1976. Seite 23.; vgl. auch Schatz. 1992. Seite 75.<br />
44 Krier. 1976. Seite 23.<br />
45 Die Mädchen wurden <strong>mit</strong> fünfzehn Jahren und die Jungen <strong>mit</strong> siebzehn Jahren verheiratet. Vgl. Potthast-<br />
Jutkeit. 1994. Seite 43.<br />
46 Als Strafe wurden Stockschläge erteilt. Vgl. Krier. 1976. Seite 23.<br />
47 Vgl. Potthast. 2007. Seite 23f.<br />
Die Jesuiten wurden 1767 aufgrund eines Dekrets des spanischen Königs ausgewiesen und die Reduktionen<br />
unter spanische Verwaltung gestellt. Daraufhin flohen viele der Indígenas in andere Landesteile. Vgl. Krier.<br />
1976. Seite 26.<br />
10
2 Frau-Sein in Paraguay – Ein Blick auf die politische Entwicklung und das heutige Paraguay<br />
2.1.2 Frau-Sein während der Militärdiktaturen<br />
1811 errang Paraguay als eines der ersten Länder Hispanoamerikas 48 seine völkerrechtliche<br />
Unabhängigkeit gegenüber der spanischen Kolonialmacht 49 , und 1813 wurde<br />
die unabhängige Republik ausgerufen. 50<br />
Der Diktator José Gaspar Rodríguez de Francia<br />
Der Rechtsanwalt José Gaspar Rodríguez de Francia hatte die Regierung bereits seit<br />
Beginn der Unabhängigkeitsbewegung inne 51 und war Diktator auf Lebenszeit. 52 Sein<br />
politisches Ziel, welches er ohne menschliche Regung verfolgte 53 , lässt sich folgendermaßen<br />
beschreiben:<br />
„Ein vom Ausland unabhängiges, voll souveränes, <strong>nach</strong> innen allmächtiges<br />
Staatswesen zu schaffen, <strong>mit</strong> einer durch strengsten Gehorsam geeinten,<br />
homogenen, arbeitsamen, spartanisch anspruchslosen, leidenschaftlich<br />
patriotischen Nation, in der es keine rassische, wirtschaftliche oder geistige<br />
Oberschicht, keine Standesunterschiede und Klassen geben sollte.“ 54<br />
Um das Ziel eines allmächtigen Staatswesens zu erreichen, führte er unter anderem ein<br />
Erbverfallsrecht für alle in Paraguay verstorbenen Ausländer ein, wodurch jegliches Erbe<br />
dem Staat zufiel. Dessen Landbesitz vergrößerte sich folglich immens. 55 Nach der<br />
Aufdeckung einer Verschwörung ließ Francia alle auf dem Land lebenden Männer ins<br />
Gefängnis werfen. Dies führte dazu, dass die Frauen für den Unterhalt ihrer Familien<br />
aufkommen mussten. 56 Der große Staatsbesitz ermöglichte es aber den Frauen der<br />
Unterschicht, zu einem sehr geringen Zins kleine Grundstücke zu pachten, so dass sie<br />
ihre Lebensgrundlage sichern konnten, denn die Feldarbeit war traditionell Frauenarbeit. 57<br />
48 Vgl. Potthast-Jutkeit. 1994. Seite 57.<br />
49 Vgl. Bareiro. 1995. Seite 424.<br />
50 Vgl. Potthast-Jutkeit. 1994. Seite 58.; vgl. auch Bareiro. 1995. Seite 424.<br />
51 Vgl. Potthast-Jutkeit. 1994. Seite 58f.<br />
52 Vgl. Potthast-Jutkeit. 1994. Seite 59.; vgl. auch Potthast. 2007. Seite 24.; Krier. 1976. Seite 29.<br />
53 Francia galt als eine überragende und dämonische Persönlichkeit <strong>mit</strong> einer über jeden Zweifel erhabenen<br />
Unbestechlichkeit. Gleichzeitig war er geprägt von düsterem Fanatismus, einem unbeugsamen Starrsinn und<br />
Härte gegen sich selbst. Vgl. Krier. 1976. Seite 29.<br />
54 Krier. 1976. Seite 30.<br />
55 Vgl. Potthast. 2007. Seite 25.<br />
56 Vgl. Potthast-Jutkeit. 1994. Seite 62f.<br />
57 Siehe Kapitel 2.1.1. Seite 7f.<br />
11
2 Frau-Sein in Paraguay – Ein Blick auf die politische Entwicklung und das heutige Paraguay<br />
1862 <strong>mit</strong> 71 Jahren starb, hinterließ er „ein blühendes, schuldenfreies [...] Staatswesen<br />
[und; d.Verf.] eine ausgezeichnete disziplinierte, schlagkräftige [...] Armee.“ 68<br />
Marschall Fransisco Solano López<br />
Alles, was sein Vater Carlos Antonio López bis zu seinem Tod erreicht hatte, machte der<br />
Sohn als sein Nachfolger durch den von ihm angezettelten Tripel-Allianz-Krieg von 1864<br />
bis 1870 zunichte. 69<br />
Bereits 1866 war fast die ganze Agrarwirtschaft in den Händen der Paraguayerinnen 70 , da<br />
alle wehrpflichtigen Männer bereits gefallen oder den Seuchen erlegen waren. 71 Neben<br />
der ohnehin schon von ihnen betriebenen Feldarbeit mussten sie nicht nur spinnen und<br />
weben, sondern auch öffentliche Aufgaben wahrnehmen. Der größte Auftrag bestand<br />
jedoch in der Versorgung des Heeres 72 als Krankenschwestern, Wäscherinnen,<br />
Köchinnen, Heereslieferantinnen und Lagerpflegerinnen. 73 Die Frauen begleiteten das<br />
Heer bis in die undurchdringlichsten Wälder und griffen gegen Kriegsende sogar selbst zu<br />
den Waffen. Diesen residentas ist noch heute ein Denkmal in der Hauptstadt Asunción<br />
gewidmet. 74<br />
Außerdem gab es die so genannten destinadas. Diese Frauen hatten in irgendeiner Art<br />
und Weise Zweifel am Sieg oder Kritik an dem Präsidenten ausgeübt oder gehörten zu<br />
einer verdächtigen Familie. Sie wurden zur Strafe zu Fuß in besonders unzulängliche und<br />
meist klimatisch wenig vorteilhafte Dörfer geschickt, um dort unter strenger Aufsicht und<br />
fern der Familie Feldarbeit zu leisten. 75<br />
68 Krier. 1976. Seite 35.<br />
In Bezug auf die spezielle Rolle der Frau während die<strong>ser</strong> Regierungszeit gibt es kaum Literatur.<br />
Nichtsdestotrotz wird der Präsident und seine politische Ausrichtung an die<strong>ser</strong> Stelle genannt, um zu<br />
verdeutlichen, unter welchen Voraussetzungen sich die heutige Rolle der Frau entwickelt hat.<br />
69 Über die Ursachen und Ziele des Krieges scheiden sich heute noch die Geister. Vgl. Potthast. 2007. Seite<br />
26.<br />
70 Vgl. Potthast, Barbara: Residentas, destinadas y otras heroínas: El nacionalismo paraguayo y el rol de las<br />
mujeres en la Guerra de la Triple Alianza. In: Potthast, Barbara/Scarzanella, Eugenia (Hrsg.): Mujeres y<br />
naciones en América Latina. Problemas de inclusión y exclusión. Iberoamericana, Vervuert. Madrid, Frankfurt<br />
am Main. 2001. Seite 82.<br />
Die<strong>ser</strong> Krieg Brasiliens, Argentiniens und Uruguays gegen Paraguay gilt bis heute als die blutigste und<br />
folgenreichste militärische Auseinandersetzung in Südamerika. Vgl. Potthast-Jutkeit. 1994. Seite 261.<br />
71 Vgl. Potthast-Jutkeit. 1994. Seite 271.<br />
72 Vgl. Potthast-Jutkeit. 1994. Seite 277ff.<br />
73 Vgl. Potthast-Jutkeit. 1994. Seite 279.; vgl. auch Potthast: 2001. Seite 82.<br />
74 Vgl. Potthast. 2007. Seite 26.<br />
75 Vgl. Potthast-Jutkeit. 1994. Seite 311f.<br />
13
2 Frau-Sein in Paraguay – Ein Blick auf die politische Entwicklung und das heutige Paraguay<br />
Ein Großteil sowohl der residentas als auch der destinadas verhungerte gegen Ende des<br />
Krieges oder starb an den Folgen des Hungers und der Erschöpfung. 76<br />
Insgesamt endete der Tripel-Allianz-Krieg <strong>mit</strong> einer völligen Niederlage der Paraguayer<br />
und ließ die Bevölkerungszahl auf etwa 250.000 Einwohner schrumpfen. 77 Es blieben in<br />
erster Linie Frauen, Kinder und Greise; die Männer waren fast alle ums Leben<br />
gekommen 78 , so dass Paraguay bald den Namen „´Land der Frauen`“ 79 innehatte.<br />
Nach seinem Kriegstod 1870 wurde Fransisco Solano López zunächst per Gesetz zum<br />
Verräter seines Landes erklärt, denn er hatte durch seinen Ehrgeiz und Starrsinn das<br />
aufstrebende Land um mehr als ein Jahrhundert zurückgeworfen. Dies wurde allerdings<br />
im Jahre 1927 wieder aufgehoben 80 ; denn:<br />
„Mehr und mehr sah man in dem Diktator den leidenschaftlichen, fanatischen<br />
Patrioten, den Helden, der unter Einsatz seines Lebens für eine große Zukunft<br />
seines Volkes kämpfte und, als er scheiterte, bewußt und furchtlos ´wie<br />
Leonidas` in den Tod ging.“ 81<br />
Gleich da<strong>mit</strong> wurden die residentas, die alles für das Land geopfert und bis zuletzt<br />
erbittert gekämpft hatten, zum Symbol des Heroismus für die Nation. Die residenta wurde<br />
zum<br />
„Sinnbild der aufopfernden, mutigen Paraguayerin stilisiert, zumal sie sich<br />
auch für die Militärregierungen des 20. Jahrhunderts anbot, während die Opfer<br />
der Unterdrückung des Präsidenten, der jegliche Kritik an dem Krieg bestrafte,<br />
nicht beachtet wurden.“ 82<br />
Die größte Leistung der paraguayischen Frauen aus der Unterschicht, der Wiederaufbau<br />
des Landes, wurde indes in keiner Weise gewürdigt. 83 Dabei waren die Frauen nun für<br />
alle Dienste verantwortlich: Von der Feldarbeit und Haustierzucht über die Was<strong>ser</strong>- und<br />
76 Vgl. Potthast-Jutkeit. 1994. Seite 311.<br />
77 Über die Bevölkerungszahl zu Anfang des Krieges gibt es sehr differente Angaben. Sie variieren zwischen<br />
1.337.000 und 425.000 Einwohnern. Die Angaben für die Zahl <strong>nach</strong> dem Krieg stimmen in etwa überein. Vgl.<br />
Krier. 1976. Seite 38.; vgl. auch Potthast-Jutkeit. 1994. Seite 361f.<br />
78 Vgl. Potthast. 2007. Seite 25f.<br />
79 Potthast. 2007. Seite 27.<br />
80 Vgl. Krier. 1976. Seite 38.<br />
81 Krier. 1976. Seite 38.<br />
82 Potthast. 2007. Seite 27.<br />
83 Vgl. Potthast. 2007. Seite 27.<br />
Die Quellenlage hierzu ist aber zum einen schwierig und das Thema eignete sich wohl auch nicht zu<br />
heroisierenden Darstellungen. Vgl. Potthast. 2007. Seite 27.<br />
14
2 Frau-Sein in Paraguay – Ein Blick auf die politische Entwicklung und das heutige Paraguay<br />
Holzversorgung und das Säubern der verwahrlosten Äcker. Sie arbeiteten sogar in den<br />
Yerba-Wäldern und mussten Stoffe, Seife und Wachs produzieren, da an Import nicht zu<br />
denken war. 84<br />
40 weitere Präsidenten in 84 Jahren<br />
Auf Fransisco Solano López folgten in den nächsten 84 Jahren insgesamt 40 weitere<br />
Staatspräsidenten 85 , die zumeist durch Revolutionen oder Staatsstreiche entmachtet<br />
wurden. 86 Insgesamt erholte sich das Land aber allmählich wieder in Bezug auf Wirtschaft<br />
und Infrastruktur; und auch das wiederaufgebaute Erziehungswesen trug langsam<br />
Früchte. 87<br />
In eben diese Zeit fiel der von Bolivien angezettelte Chaco-Krieg 88 , der von 1932 bis 1935<br />
dauerte. 89 Die Paraguayer kämpften wiederum erbittert 90 , und die Frauen leisteten auf ein<br />
Neues relevante Dienste im medizinischen Bereich und der sonstigen Versorgung. Die<br />
Folge dieses Krieges waren starke politische Umwälzungen im Siegerland Paraguay. 91<br />
Präsident Stroessner<br />
Am 8. Mai 1954 brachte ein Militärcoup einen neuen ´starken Mann` an die Macht, den<br />
Brigadegeneral Alfredo Stroessner, der <strong>mit</strong> seiner Amtszeit bis 1989 der langlebigste<br />
Diktator Lateinamerikas war. 92 Sein einziges Ziel war stets die Sicherung seiner Macht 93 ,<br />
84 Vgl. Potthast-Jutkeit. 1994. Seite 348.<br />
85 Vgl. Krier. 1976. Seite 40.; vgl. auch Sosna, Artur: Quo vadis Paraguay? Der Prozess der Demokratisierung<br />
zwischen Anspruch und Wirklichkeit. In: KAS Auslandsinformationen. Heft 6. 2001. Seite 81.<br />
86 Vgl. Krier. 1976. Seite 40.<br />
87 Vgl. Potthast. 2007. Seite 27f.<br />
88 Auslö<strong>ser</strong> des Krieges war der Wille der Bolivianer, ihre Binnenlage zu durchbrechen und Zugang zum Meer<br />
zu erhalten. Vgl. Potthast. 2007. Seite 28.<br />
Außerdem gab es das Gerücht, dass der Chaco große Mengen an Erdöl beherberge. Vgl. Kier. 1976. Seite<br />
40; vgl. auch Potthast. 2007. Seite 28.<br />
89 Vgl. Krier. 1976. Seite 40.<br />
90 Vgl. Krier. 1976. Seite 40.; vgl. auch Potthast. 2007. Seite 28.<br />
91 Vgl. Potthast. 2007. Seite 28.<br />
92 Vgl. Potthast. 2007. Seite 29.<br />
Stroessner galt als fanatischer, von leidenschaftlichem Arbeitsethos durchdrungener Patriot, der die<br />
soldatische Tapferkeit furchtlos verherrlichte. Vgl. Krier. 1976. Seite 43.<br />
Ab dem Zeitpunkt seiner Wahl lenkte er daher Paraguay <strong>mit</strong> ei<strong>ser</strong>ner Hand. Vgl. amnesty international.<br />
Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.: Paraguay. Ein Bericht von amnesty international. Eigenverlag.<br />
Bonn. 1977. Seite 1.; vgl. auch Krier: 1976. Seite 42.<br />
Sein Propagandaspruch war stets „´Frieden und Fortschritt <strong>mit</strong> Stroessner` (´Paz y progreso con<br />
Stroessner`)“. Vgl. Vila, Christina: Die Diktatur des Generals Alfredo Stroessner 1954-1989. In: Deutsches<br />
Weltgebetstagsko<strong>mit</strong>ee e.V.: Weltgebetstag. Unter Gottes Zelt vereint. Ideen und Informationen. Arbeitsheft<br />
zum Weltgebetstag. Ohne Verlag. Stein. 2007. Seite 33.<br />
93 Vgl. Vila. 2007. Seite 33.<br />
15
2 Frau-Sein in Paraguay – Ein Blick auf die politische Entwicklung und das heutige Paraguay<br />
und seine Herrschaft 94 basierte auf dem Rückhalt des Militärs und der einzigen<br />
zugelassen politischen Partei, der Colorado-Partei 95 , die er zu einem Instrument seiner<br />
persönlichen Herrschaft machte. 96 Durch die Hilfe der Colorados versuchte er, <strong>nach</strong><br />
außen hin ein demokratisches Bild abzugeben, hielt aber alle Fäden fest in seiner Hand<br />
und ließ der Opposition keinen Spielraum. 97 Mit dem Argument der Bekämpfung des<br />
Kommunismus und der Förderung des Nationalismus ließ er alle Gegner systematisch<br />
und grausam verfolgen. 98 Obgleich die Regierung versuchte, die Fassade der Legalität<br />
aufrechtzuerhalten, fanden Menschenrechte in Paraguay in keiner Weise Beachtung. 99<br />
Es ist erstaunlich, dass unter so einer Führung auch in Paraguay 1962 das<br />
Frauenwahlrecht eingeführt wurde 100 , obgleich Frauen in Stroessners chauvinistischem<br />
und patriarchalischem Gedankengut nur als Spielfiguren der männlichen Macht Platz<br />
hatten. 101 Schließlich wurde 1967 sogar eine auf demokratischen Prinzipien beruhende<br />
Verfassung verabschiedet. 102 Die Individualrechte durften jedoch laut dem Obersten<br />
Gerichtshof Paraguays aufgehoben werden, wenn im Land ein Notstand herrschte, und<br />
diesen rief Stroessner alle drei Monate aus. Neben den Menschenrechtsverletzungen<br />
kamen immer häufiger Korruptionsfälle und Verwicklungen in Drogenhandel ans<br />
Tageslicht, und schließlich wurde Stroessner 1989 von einer Gruppe aus seinem eigenen<br />
Militär gestürzt. 103 Über den Tag von Stroessners Sturz sagte Line Bareiro, eine Frau, die<br />
die Zeit Stroessners <strong>mit</strong>erlebte, <strong>nach</strong> seinem Tod im August 2006:<br />
94 Der Begriff „Macht“ wurde bereits in Fußnote 23 erläutert. Unter „Herrschaft“ versteht Max Weber<br />
Folgendes: „Herrschaft soll heißen die Chance, für einen Befehl bestimmten Inhalts bei angebbaren Personen<br />
Gehorsam zu finden.“ Weber. 1976. Seite 71.<br />
95 Vgl. Vila. 2007. Seite 33.; vgl. auch Potthast. 2007. Seite 29.<br />
Die Colorado-Partei (Partido Colorado), oder auch Asociación Nacional Republicana (kurz: ANR) genannt, ist<br />
eine der zwei tragenden traditionellen Parteien Paraguays. Sie wurde 1887 gegründet und ist nun seit 1947<br />
ununterbrochen Regierungspartei. Die andere der zwei traditionellen Parteien, der Partido Liberal Radical<br />
Auténtico (kurz: PLRA), ist das Erbe der ebenso 1887 gegründeten Liberalen Partei. Vgl. Zelenka, Markéta:<br />
Wahlen in Paraguay 2003. Technologischer Wandel und erneuter Sieg für die Colorado-Partei. In: Brennpunkt<br />
Lateinamerika. Heft 11. 2003. Seite 107.<br />
96 Vgl. Potthast. 2007. Seite 29.<br />
97 Vgl. amnesty international. 1977. Seite 1.<br />
98 Vgl. Vila. 2007. Seite 34.<br />
99 Vgl. amnesty international. 1977. Seite 1.<br />
100 Vgl. Bareiro. 1995. Seite 425.<br />
Paraguay was das letzte Land Südamerikas, welches das Frauenwahlrecht einführte. Vgl.: Bareiro, Line: Die<br />
Frauen des versteckten Landes. In: Weltgebetstagsko<strong>mit</strong>ee e.V.: Weltgebetstag. Unter Gottes Zelt vereint.<br />
Ideen und Informationen. Arbeitsheft zum Weltgebetstag. Ohne Verlag. Stein. 2007a. Seite 72.<br />
101 Vgl. Soto, Clyde: Die Diktatur und die Frauenbewegung. In: Deutsches Weltgebetstagsko<strong>mit</strong>ee e.V.:<br />
Weltgebetstag. Unter Gottes Zelt vereint. Ideen und Informationen. Arbeitsheft zum Weltgebetstag. Ohne<br />
Verlag. Stein. 2007. Seite 43.<br />
102 Vgl. Sosna. 2001. Seite 85.<br />
103 Vgl. Potthast. 2007. Seite 29.<br />
16
2 Frau-Sein in Paraguay – Ein Blick auf die politische Entwicklung und das heutige Paraguay<br />
„Für mich war der wahre Todestag von Alfredo Stroessner Matiauda der 3.<br />
Februar 1989, der glücklichste Tag meines Lebens. Der Tag, an dem die Freiheit<br />
kam und die schwierige politische Öffnung des Landes begann.“ 104<br />
Ob <strong>mit</strong> dem Tode Stroessners der menschenunwürdigen Unterdrückung – und da<strong>mit</strong> auch<br />
der Unterdrückung der Frauen – tatsächlich ein Ende gesetzt wurde und die Freiheit<br />
begann, wird sich im nächsten Kapitel zeigen. 105<br />
2.1.3 Frau-Sein in der Demokratisierungsphase<br />
Nach 178 Jahren Diktatur konnte im Jahr 1989 nun der Demokratisierungsprozess<br />
beginnen. 106 Unter General Andrés Rodríguez begannen politische Reformen. 107 Die<br />
Frauen Paraguays nutzten diese Gelegenheit, um Vorschläge für eine neue Verfassung<br />
vorzulegen und gleichzeitig eine Frauenbeauftragte zur politischen Förderung der<br />
Chancengleichheit zu fordern. Die Akzeptierung die<strong>ser</strong> Vorschläge erweckte den<br />
Anschein, als ob die Demokratisierung in Paraguay voranschreite. 108 Rodríguez erreichte<br />
bis zum Ende seiner Legislaturperiode 1993 sein größtes Ziel: die Verabschiedung einer<br />
demokratischen Verfassung im Jahre 1992. 109 In die<strong>ser</strong> constitución nacional wurde<br />
erstmals das Prinzip der Gleichheit von Männer- und Frauenrechten dargelegt, und sie<br />
verpflichtete den Staat zu positiven Maßnahmen, um diese Gleichheit zu erreichen. Dabei<br />
sollte die Partizipation der Frauen an der sozialen, politischen und ökonomischen Realität<br />
eine große Rolle spielen. 110 Es darf aber nicht übersehen werden, dass die meisten<br />
Mitglieder der regierenden Colorado-Partei die Demokratie als Mittel zum Zweck<br />
verstanden, es ging ihnen um Machterhalt und nicht um tatsächliche demokratische<br />
Veränderungen. So entstand eine ´defekte Demokratie`, das heißt ein Herrschaftssystem,<br />
104 Bareiro, Line: Die Tode des Stroessner. In: Weltgebetstagsko<strong>mit</strong>ee e.V.: Weltgebetstag. Unter Gottes Zelt<br />
vereint. Ideen und Informationen. Arbeitsheft zum Weltgebetstag. Ohne Verlag. Stein. 2007b. Seite 40f.<br />
105 Obgleich in diesem Kapitel nicht viel über die Rolle der Frau ausgesagt wird, soll dargestellt werden, dass<br />
unter einer solchen Regierung an eine Gleichberechtigung von Männern und Frauen nicht zu denken war.<br />
106 Sosna. 2001. Seite 75.<br />
107 Vgl. Bareiro. 1995. Seite 426.<br />
108 Vgl. Bareiro. 2007a. Seite 72.<br />
109 Vgl. Bareiro. 1995. Seite 426.<br />
110 Vgl. Deutsche Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) GmbH: Paraguay. Perfil del país con<br />
informaciones y comentarios relacionados al desarrollo económico y social. Ohne Verlag. Asunción. 1994.<br />
Seite 69.<br />
17
2 Frau-Sein in Paraguay – Ein Blick auf die politische Entwicklung und das heutige Paraguay<br />
das zwischen einem autokratischen System und einer rechtstaatlichen Demokratie zu<br />
verorten ist. 111<br />
Unter den folgenden Präsidenten Juan Carlos Wasmosy (1993-1998), Raúl Cubas Grau<br />
(1998-1999) und Luís Angel González Macchi (1999-2003) wurden immer wieder<br />
Korruptionsfälle, Schmuggel, Drogenhandel, Putschdrohungen und Putschversuche sowie<br />
sogar politische Morde aufgedeckt. 112 Hierdurch verlor Paraguays Demokratie alsbald<br />
gänzlich „ihre politische Unschuld“. 113<br />
2.2 Frau-Sein im heutigen Paraguay<br />
Vor diesem Hintergrund hat sich in den letzten 18 Jahren ein politisches System<br />
entwickelt, dessen Ergebnisse in vieler Hinsicht schlecht sind. Der allgemein verbreitete<br />
Pessimismus in der Bevölkerung verwundert niemanden, ist es den Regierungen doch bis<br />
heute nicht gelungen, den von den Bürgern erhofften Entwicklungsstand<br />
hervorzubringen. 114 So hatte Paraguay im Jahre 2006 <strong>mit</strong> die schlechtesten Ergebnisse<br />
ganz Südamerikas bezüglich der von der Weltbank entwickelten Governance-<br />
Indikatoren. 115 Wenn sich seit Jahrzehnten aber eine Partei an der Macht hält, welche die<br />
absolute Kontrolle über den Staat, seine Privilegien und Einkommensquellen besitzt und<br />
zudem die Diktaturen überlebt hat, sind auch keine großen Veränderungen zu<br />
erwarten. 116 Das Regierungsprogramm des jetzigen Präsidenten Nicanor Duarte Frutos<br />
nennt sich zwar „´Agenda für ein bes<strong>ser</strong>es Land`“ 117 und beinhaltet wirtschaftliche,<br />
ökonomische und sozialpolitische Reformen, aber <strong>nach</strong> einem Jahr schon wurde 2004<br />
deutlich, dass sich die Bemühungen lediglich auf eine Verbes<strong>ser</strong>ung der öffentlichen<br />
Finanzen und der Funktionsweise der politischen Institutionen konzentrieren. Die<br />
Regierung spart in ihrer Prioritätenliste die Arbeitsmarktpolitik und die Dezentralisierung<br />
111 Vgl. Sosna. 2001. Seite 75f.<br />
112 Vgl. Sosna. 2001. Seite 90f.<br />
113 Sosna. 2001. Seite 92.<br />
114 Vgl. Abente Brun, Diego: Paraguay am Scheideweg. In: KAS Auslandsinformationen. Heft 3. 2007. Seite<br />
81ff.<br />
115 Die Governance-Indikatoren beziehen sich auf folgende Bereiche: Voice and accountability, political<br />
stability, government effectiveness, regulatory quality, rule of law und control of corruption. Vgl.<br />
http://info.worldbank.org/governance/wgi2007/mc_chart.asp vom 03.09.2007.<br />
116 Abente Brun. 2007. Seite 79.<br />
117 Otter, Thomas: Paraguay: Zaghafte „Agenda für ein bes<strong>ser</strong>es Land”. Bilanz <strong>nach</strong> einem Jahr Regierung<br />
Nicanor Duarte. In: Brennpunkt Lateinamerika. Heft 18. 2004. Seite 197.<br />
18
2 Frau-Sein in Paraguay – Ein Blick auf die politische Entwicklung und das heutige Paraguay<br />
aus, und Aktivitäten zu Gleichberechtigung der Geschlechter, Menschenrechten – also<br />
auch Frauenrechten – und Umweltschutz fehlen. Ebenso fehlen konkrete Vorschläge zu<br />
einer Reform der sozialen Sicherungssysteme, und der Kampf gegen die Korruption ist<br />
auch eine Schwachstelle in einem der korruptesten Länder der Welt. Der Stil und das<br />
Wirken der Regierung im politischen Alltag gleicht infolgedessen dem der Vorgängerregierungen.<br />
118<br />
„Auch wenn <strong>nach</strong> außen hin versucht wird, den Anschein zu wecken, dass es<br />
sich um einen neuen Politikstil handelt, wird bei genauerem Betrachten klar,<br />
dass im Grunde genommen bisher alles beim Alten bleibt, aber ein bisschen<br />
effizienter verwaltet und geringfügig solider finanziert wird, durch mehr<br />
Eigen<strong>mit</strong>tel des paraguayischen Staates.“ 119<br />
Inwiefern diese Mi<strong>ser</strong>e sich auf die Situation der Frauen hinsichtlich Bildung, Arbeit und<br />
soziale und politische Partizipation auswirkt und inwiefern das Gesetz zur Gleichheit von<br />
Frau und Mann von 1992 tatsächlich greift, wird im Folgenden untersucht.<br />
2.2.1 Frauen und Bildung<br />
Die Verfassung von 1992, welche auch heute noch Gültigkeit hat, erkennt offiziell das<br />
Recht auf Bildung an. Das beinhaltet auch die Verpflichtung des Staates, öffentliche<br />
Bildung kostenlos zur Verfügung zu stellen. Die Schulpflicht liegt offiziell bei neun Jahren,<br />
aber die Realität belegt, dass dem nicht Rechnung getragen wird. 120 Im Jahre 2004 waren<br />
im ersten Schuljahr insgesamt 187.015 SchülerInnen eingeschrieben, wohingegen es im<br />
neunten Schuljahr nur noch 92.580 SchülerInnen waren. 121 Die Hälfte hat so<strong>mit</strong> die<br />
Schule abgebrochen. Grund hierfür sind meist ökonomische Engpässe der Familie. Denn<br />
die staatlichen Mittel fließen zu 90% in die Personalkosten, so dass viele weitere<br />
Ausgaben wie Bücher, Hefte und Schulkleidung von den Familien selbst getragen werden<br />
müssen. Dabei sind besonders ländliche Schulen betroffen. 122 Hinzu kommt die Tatsache,<br />
118 Vgl. Otter. 2004. Seite 197ff.<br />
119 Otter. 2004. Seite 200.<br />
120<br />
Vgl. Molinas Cabrera, Maria: Das Bildungswesen in Paraguay. In: Weltgebetstagsko<strong>mit</strong>ee e.V.:<br />
Weltgebetstag. Unter Gottes Zelt vereint. Ideen und Informationen. Arbeitsheft zum Weltgebetstag. Ohne<br />
Verlag. Stein. 2007. Seite 84.<br />
121 Vgl. Dirección General de Estadística, Encuestas y Censos (DGEEC): Anuario Estadístico del Paraguay<br />
2005. Eigenverlag. Asunción. 2006. Seite 71.<br />
122 Vgl. Molinas Cabrera. 2007. Seite 84.<br />
19
2 Frau-Sein in Paraguay – Ein Blick auf die politische Entwicklung und das heutige Paraguay<br />
dass von den festgelegten 760 Schulstunden, welches die niedrigste Anzahl auf der Welt<br />
ist, die SchülerInnen nur an 70% des Unterrichts teilnehmen. Viele der Kinder und<br />
Jugendlichen müssen auf der Straße arbeiten, viele Mädchen bereits als<br />
Hausangestellte 123 , worauf im folgenden Kapitel näher eingegangen wird. So verwundert<br />
es nicht, dass die Analphabetenrate bei den Frauen bei 8,1% liegt, bei den Männern bei<br />
6,1%. Der Unterschied zwischen Stadt- (4,9%) und Landbevölkerung (10,2%) ist noch<br />
gravierender, und von den indigenen Frauen können sogar 97% nicht lesen und<br />
schreiben. 124<br />
Solche Zahlen sind unfassbar vor dem Hintergrund des allgemeinen Bildungsgesetzes<br />
von 1998 (Nr. 1264), welches auf die effektive Gleichheit der Geschlechter zielt und jede<br />
Diskriminierung aufgrund der Geschlechterzugehörigkeit ablehnt. Trotzdem existieren<br />
auch weiterhin Geschlechtsdiskriminierungen, sowohl im inhaltlichen Lehrstoff als auch –<br />
noch bedeutender – in der Praxis bis hin zur Aufgabenteilung im Unterricht. Auch heute<br />
noch werden sexueller Missbrauch, Hetzjagden auf schwangere Schülerinnen und<br />
Schulverweise für sie registriert. 125<br />
Ein weiteres Problem in der Bildung der Frauen liegt in der Zweisprachigkeit des Landes.<br />
Ab der Einschulung sollen die Kinder in ihrer jeweiligen Muttersprache, also Spanisch<br />
oder Guaraní, der Sprache der Indígenas, die von über 80 Prozent der Bevölkerung im<br />
Alltag benutzt wird 126 , unterrichtet werden. Die jeweils andere Sprache gilt es als<br />
Unterrichtsfach zu belegen. Auch hier sieht die Praxis weit anders aus als die Theorie,<br />
denn das erst seit 15 Jahren in der Schule unterrichtete Guaraní gilt auch weiterhin als die<br />
mindere Sprache neben Spanisch 127 und wird folglich nicht als relevant angesehen.<br />
Außerdem müssen viele Mädchen, wie oben erwähnt, bereits arbeiten und können<br />
deswegen nicht weiter in die Schule gehen.<br />
„Und wieder betrifft es vor allem Mädchen und Frauen, die deshalb kein<br />
Spanisch lernen können und weitere Nachteile auf ihrem Bildungsweg erfahren<br />
müssen.“ 128<br />
123 Vgl. Molinas Cabrera. 2007. Seite 86f.<br />
124 Vgl. Molinas Cabrera. 2007. Seite 86.<br />
125 Vgl. Molinas Cabrera. 2007. Seite 87.<br />
126 Vgl. http://www.lateinamerika<strong>nach</strong>richten.de/?/artikel/2636.html vom 17.11.2007.<br />
127 Vgl. Molinas Cabrera. 2007. Seite 87f.<br />
128 Bareiro. 2007a. Seite 75.<br />
20
2 Frau-Sein in Paraguay – Ein Blick auf die politische Entwicklung und das heutige Paraguay<br />
In der Hoffnung auf Arbeit oder Weiterführung ihrer Schulbildung flüchten circa 40% der<br />
14-19-jährigen vom Land in die Stadt – insbesondere Mädchen und Frauen. Laut Artikel<br />
80 der nationalen Konstitution gibt es sogar Mittel für Stipendien und andere Hilfen, um<br />
die intellektuelle, wissenschaftliche, technische oder künstlerische Ausbildung<br />
insbesondere armer Menschen zu fördern. 129 Die Mädchen und Frauen wissen jedoch<br />
nichts davon, und es gibt keine Mechanismen wie beispielsweise Quoten, die bewirken,<br />
dass vor allem mehr Frauen und Menschen vom Land Zugang zum universitären<br />
Ausbildungssystem erhalten. Momentan studieren so<strong>mit</strong> 14,3% der städtischen, aber nur<br />
2,9% der ländlichen Bevölkerung. 130<br />
Es ergibt sich, dass die Mädchen und Frauen Paraguays gegenüber den Jungen und<br />
Männern be<strong>nach</strong>teiligt sind in Bezug auf Bildung und im Bildungssystem stark<br />
diskriminiert werden. Und<br />
„wie der Bericht ´Informe de Paraguay sobre los Objetivos de Desarrollo del<br />
Milenio` [Informationen Paraguays zu den Milleniumsentwicklungszielen;<br />
Anmerkung der Autorin] sagt, dürfen hier in Zukunft auch keine wesentlichen<br />
Änderungen zu erwarten sein, solange es nicht im Hinblick auf die<br />
Ungleichheit der Geschlechter zu grundsätzlichen Verhaltensänderungen und<br />
Veränderungen im Hinblick auf sozioökonomische und soziale<br />
geschlechtsspezifische Barrieren kommt.“ 131<br />
Welche schweren Auswirkungen mangelnde Bildung für Frauen haben kann, zeigt das<br />
nächste Kapitel.<br />
2.2.2 Frauen und Arbeit<br />
Wird der Aspekt ´Frauen und Arbeit` in Betracht gezogen, so muss zunächst auf einige<br />
generelle Daten hingewiesen werden. Von einer Bevölkerung von 5.946.471 132 im Jahre<br />
129 Vgl. Molinas Cabrera. 2007. Seite 87.<br />
130 Vgl. Molinas Cabrera. 2007. Seite 85.<br />
131 Molinas Cabrera. 2007. Seite 87.<br />
132 Bei der zugrundliegenden Umfrage wurden 2 Landesteile (departamentos) nicht <strong>mit</strong>eingeschlossen, so<br />
dass nicht von einer Gesamtbevölkerungszahl von 6.009.143 Einwohnern ausgegangen wird, sondern von<br />
5.946.471. Vgl. Dirección General de Estadística, Encuestas y Censos (DGEEC): Indicadores del Mercado<br />
Laboral en Paraguay. Encuesta Permanante de Hogares 2006 (EPH 2006). Eigenverlag. Fernando de la<br />
Mora. 2007. Seite 7.<br />
21
2 Frau-Sein in Paraguay – Ein Blick auf die politische Entwicklung und das heutige Paraguay<br />
2006 arbeiteten von den ökonomisch Aktiven 133 ´nur` 45,3% Frauen im Gegensatz zu<br />
73,7% Männern. 134 Des Weiteren waren 6,7% aller ökonomisch Aktiven ohne<br />
Beschäftigung und 24,0% in einer unterbezahlten Beschäftigung, wobei die Anzahl der<br />
Frauen höher war als die der Männer. 135 Insgesamt hat sich die Armut seit dem Sturz<br />
Stroessners im Jahre 1989 also fast verdoppelt. Die Menschen Paraguays leben heute<br />
folglich schlechter als zu Zeiten der Diktatur. 136<br />
Von der genannten Arbeitslosenquote sind 5,3% Männer betroffen und 8,8% Frauen. 137<br />
Diese Differenzen zwischen Frauen und Männern hängen zum einen <strong>mit</strong> der Tatsache<br />
zusammen, dass die Frauen an den privaten Raum des Hauses gebunden werden 138 und<br />
zum anderen, dass den Frauen Zugangsmöglichkeiten zu Arbeit von Beginn an verwehrt<br />
bleiben. So besitzen zum Beispiel Frauen nur 8% Ländereien, und ohne Landbesitz<br />
werden ihnen keine Kredite zugesprochen. 139 Ein ebenso relevanter, wenn nicht noch<br />
wichtigerer Grund ist die mangelnde Bildung. 140 Viele Mädchen – oft noch unter zehn<br />
Jahren – werden früh von ihren Eltern als Hausmädchen (criadazgo) in reiche Familien<br />
geschickt, von denen sie Schule, Kleidung und Essen bezahlt bekommen. 141 Insgesamt<br />
verrichten mindestens drei von zehn Mädchen Hausarbeit im Sinne einer solchen<br />
´bezahlten` Beschäftigung. Im Gegensatz zu in Haushalten arbeitenden Jungen haben die<br />
Mädchen einen längeren Arbeitstag, meist keine Pause und viele müssen auch am<br />
Sonntag ihre Arbeit verrichten. 142 So liegt auch die Arbeitszeit der Mädchen generell<br />
höher als die der Jungen. Im Jahre 2000/2001 arbeiteten Mädchen zwischen fünf und<br />
siebzehn Jahren durchschnittlich 37,1 Stunden pro Woche, die Jungen hingegen 32,1<br />
Stunden. 143<br />
Diese Arbeit als criadazgo ist eine Ausbeutung – vor allem junger Mädchen – der<br />
schlimmsten Art und wird zudem in keiner Weise angemessen belohnt 144 , erhalten 95%<br />
133 Als ökonomisch aktiv gelten in Paraguay alle Beschäftigten und Nichtbeschäftigten ab dem Arbeitsalter von<br />
10 Jahren. Vgl. DGEEC. 2007. Seite 7.<br />
134 Vgl. DGEEC. 2006. Seite 6f.<br />
135 Vgl. DGEEC. 2007. Seite 11.<br />
136 Vgl. Molinas Cabrera. 2007. Seite 70.<br />
137 Vgl. DGEEC. 2007. Seite 9.<br />
138 Vgl. Eckholdt, Margit: „Frauen-Kirche“ in Lateinamerika. Zur Stellung von Frauen in Gesellschaft und<br />
Kirche Lateinamerikas. In: Stimmen der Zeit. Band 218. 2000. Seite 223.<br />
139 Vgl. Bareiro. 2007a. Seite 74.<br />
140 Siehe Kapitel 2.2.1.<br />
141 Vgl. Molinas Cabrera. 2007. Seite 87.<br />
142 Vgl. UNICEF: Niñez y adolescencia trabajadora en Paraguay. Eigenverlag. Asunción. 2004. Seite 45f.<br />
143 Vgl. UNICEF. 2004. Seite 34.<br />
144 Vgl. Molinas Cabrera. 2007. Seite 87.<br />
22
2 Frau-Sein in Paraguay – Ein Blick auf die politische Entwicklung und das heutige Paraguay<br />
doch weniger als den Mindestlohn 145 ; die Jungen bekommen wiederum circa 20% mehr<br />
Gehalt. 146 Die Arbeitsbedingungen sind in der Praxis äußerst diskriminierend, obgleich die<br />
Arbeit in der Theorie <strong>mit</strong> hohem Wert belegt sein soll. 147<br />
Bei den erwachsenen Frauen, insbesondere bei den Hausangestellten, sind die<br />
Verhältnisse ebenso diskriminierend. Obwohl die Arbeit als Hausangestellte die<br />
Hauptbeschäftigung der Frauen Paraguays ist, sind die gesetzlichen Regelungen<br />
schlechter als bei anderen Arbeitsverhältnissen. Das Arbeitsgesetz von 1989, welches<br />
zwar 1994 verbes<strong>ser</strong>t wurde, aber dennoch diskriminierend bleibt, zeigt dies:<br />
„So bleibt der zwölfstündige Arbeitstag aufrechterhalten; die wöchentliche<br />
Ruhepause ist nicht verpflichtend; die zu entrichtenden Tätigkeiten sind meist<br />
nicht spezifisch aufgelistet; der Lohn darf 40% des legalen Mindestlohns nicht<br />
überschreiten; es besteht kein Anrecht auf Altersvorsorge. Dies und noch<br />
weitere Bestimmungen können nur als ein Überbleibsel des Sklavenrechtes<br />
verstanden werden.“ 148<br />
In Bezug auf Arbeit sind aber die indigenen Frauen in Paraguay am schlimmsten<br />
betroffen. 80% der gesamten indigenen Bevölkerung Paraguays spricht ausschließlich<br />
Guaraní, und die Analphabetenquote liegt, wie bereits im vorigen Kapitel erwähnt, bei den<br />
Frauen bei immensen 97%. 149 In den letzten Jahren gingen immer mehr indigene Frauen<br />
in die Hauptstadt, wo sie jedoch meist nur durch Betteln überleben können, denn sie<br />
haben wegen ihrer Einsprachigkeit und fehlender Kenntnisse im Lesen und Schreiben<br />
keine Chance auf Integration in den Arbeitsmarkt und zudem auch keinen rechtlichen<br />
Schutz. 150<br />
Das heißt, laut Verfassung haben Männer und Frauen in Bezug auf Arbeit zwar die<br />
gleichen Rechte und Pflichten – bis auf den Mutterschutz – und ist keine Diskriminierung<br />
am Arbeitsplatz zulässig, in der Realität sieht dies aber anders aus. Die Diskriminierung<br />
145 Die Mädchen bekommen durchschnittlich 50% des Mindestlohns. Vgl. Bareiro, Line/Soto, Lilian/Valiente,<br />
Hugo: Necesarias, invisibles, discriminadas. Las Trabajadoras del <strong>ser</strong>vicio doméstico en el Paraguay. OIT,<br />
IPEC Sudamérica. Lima. 2005. Seite 10.<br />
146 Vgl. Bareiro. 2005. Seite 10.<br />
147 Vgl. Bareiro. 2005. Seite 14.<br />
148 Bareiro. 2007a. Seite 74.<br />
149 Vgl. Kapitel 2.2.1. Seite 20.<br />
150 Vgl. Bareiro. 2007a. Seite 74.<br />
23
2 Frau-Sein in Paraguay – Ein Blick auf die politische Entwicklung und das heutige Paraguay<br />
geht beispielsweise soweit, dass einige Privatunternehmen die Frauen vor ihrer<br />
Einstellung einem Schwangerschaftstest unterziehen. 151<br />
Die Frauen Paraguays arbeiten viel und fleißig und mögen dabei im Allgemeinen<br />
selbstsicher wirken, „stark und hart arbeitend zu sein, beinhaltet aber leider nicht, über<br />
Macht zu verfügen.“ 152<br />
2.2.3 Frauen und soziale und politische Partizipation<br />
Wenn es um die Teilhabe von Macht geht, werden unter den Frauen die<br />
Klassenunterschiede deutlich. Nur die Frauen aus den oberen Schichten gelangen zu<br />
Einfluss, denn sie haben eine ausreichende schulische Bildung genossen und so<strong>mit</strong> den<br />
Zugang zu den politischen und wirtschaftlichen Kreisen. 153 Aus die<strong>ser</strong> städtischen Mittelund<br />
Oberschicht, die sich Bildung leisten kann, stammen auch die Frauen, die sich in<br />
Paraguay für die Verbes<strong>ser</strong>ung der sozialen und rechtlichen Situation der Frauen<br />
einsetzten. Ihnen gelang es, das Prinzip der Gleichheit der Geschlechter in der<br />
Verfassung von 1992 zu verankern und Verbes<strong>ser</strong>ungen im Arbeitsrecht von 1994 zu<br />
bewirken. Dass diese Gesetze nicht ausreichend Beachtung finden, wurde in den<br />
vorherigen Kapiteln bereits dargelegt.<br />
Inzwischen gibt es verschiedene Frauengruppen, die im öffentlichen Leben und in der<br />
Politik eine wichtige Rolle spielen. 154 Dennoch beträgt die durchschnittliche Frauenquote<br />
im Parlament momentan nur 10,4% – weniger als der Durchschnitt in Lateinamerika – und<br />
die städtischen Ämter sind nur zu 5% von Frauen besetzt. Erst bei der letzten Wahl 2003<br />
wurde eine Frau zur Gouverneurin gewählt, und die Anzahl der Ministerinnen ist auf drei<br />
von neun MinisterInnen gestiegen. 155<br />
Die Regierung Paraguays lässt also allmählich die Partizipation von Frauen zu, ist aber<br />
noch weit davon entfernt, sich tatsächlich als demokratisch im Sinne von gleichberechtigt<br />
bezeichnen zu können, denn von Partizipation von Frauen aus den unteren Schichten<br />
151 Canense, Mercedes/Pino, Cecilia: Aktueller Bericht über Paraguay. In: Kuñakarai. Frauen in Paraguay<br />
erzählen aus ihrem Leben. Herausgegeben von der Arbeitsgemeinschaft der Frauenarbeit im GAW. Ohne<br />
Jahr. Seite 39.<br />
152 Bareiro. 2007a. Seite 71.<br />
153 Vgl. Eckholt. 2000. Seite 222.<br />
154 Vgl. Potthast. 2007. Seite 30f.<br />
155 Vgl. Bareiro. 2007a. Seite 76.<br />
24
2 Frau-Sein in Paraguay – Ein Blick auf die politische Entwicklung und das heutige Paraguay<br />
wird hier nicht einmal gesprochen. Generell bleibt es die Aufgabe der Frau, ´Hausfrau` zu<br />
sein und nicht an der Öffentlichkeit teilzuhaben. 156<br />
Zusammenfassung<br />
Obgleich die Quellenverfügbarkeit über die Rolle der Frau seit der Conquista bis heute<br />
sehr different ist 157 , ist Paraguay von allen Staaten Hispanoamerikas das Land, welches<br />
diesem Thema in der Geschichte am meisten Aufmerksamkeit geschenkt hat, jedenfalls<br />
wenn es um das allgemeine Bewusstsein und die offizielle Darstellung der nationalen<br />
Geschichte geht. In letzterem Fall handelt es sich aber nicht um ein Interesse an der Frau<br />
selbst, sondern vielmehr „um einen stark ideologisch geprägten Diskurs, der vor allem<br />
dazu dient, den paraguayischen Nationalismus zu stärken.“ 158 Eben die<strong>ser</strong> Nationalismus<br />
basiert auf dem Bewusstsein, eine andersartige historische Entwicklung durchlaufen zu<br />
haben als die anderen hispanoamerikanischen Länder und dadurch die besondere<br />
paraguayische Gesellschaftsstruktur erlangt zu haben. Bei dem Bewusstsein konzentriert<br />
sich das Interesse besonders auf die Conquista und den Tripel-Allianz-Krieg, in denen die<br />
Frauen einen entscheidenden Anteil hatten. Jedoch sind die Darstellungen häufig<br />
harmonisierend und heroisierend, obwohl von Harmonie in diesen Zeiten tatsächlich nicht<br />
die Rede sein kann. 159 Heute würden Frauenforscherinnen in Bezug auf die Eroberung<br />
Paraguays sagen: „Die Conquista Amerikas war nicht die Eroberung der Frauen, sondern<br />
die der Verfügungsgewalt über Frauen.“ 160<br />
Direkter kann die Unterdrückung der Frau zu die<strong>ser</strong> Zeit wohl nicht formuliert werden,<br />
denn der Aspekt der Ausbeutung der fraulichen Arbeitskraft zieht sich seit der<br />
Unabhängigkeit durch die gesamte politische Entwicklung – bis heute.<br />
Obgleich Paraguay also die wichtigsten Verträge auf nationaler Ebene in Bezug auf die<br />
Menschenrechte unterschrieben hat, werden die Frauen noch heute in allen Lebens- und<br />
Arbeitsbereichen diskriminiert. 161 Dabei sind die hier dargelegten Aspekte nur ein<br />
Bruchteil der Diskriminierungen, denn sie setzen sich fort in den Bereichen Gesundheit,<br />
Gewalt, sexuelle Ausbeutung, Menschenhandel und hohe Müttersterblichkeit. Unter den<br />
156 Vgl. GTZ. 1994. Seite 166.<br />
157 Vgl. Potthast-Jutkeit. 1994. Seite 9ff.<br />
158 Potthast-Jutkeit. 1994. Seite 2.<br />
159 Vgl. Potthast-Jutkeit. 1994. Seite 2f.<br />
160 Potthast. 2003. Seite 11.<br />
161 Vgl. Bareiro. 2007a. Seite 73.<br />
25
2 Frau-Sein in Paraguay – Ein Blick auf die politische Entwicklung und das heutige Paraguay<br />
beschrieben heutigen Bedingungen befinden sich immer mehr Aussagen von Frauen, die<br />
besagen, dass<br />
„´Demokratie nicht nährt`, dass wir [die Bevölkerung Paraguays; d. Verf.] in<br />
der Diktatur bes<strong>ser</strong> lebten`, dass das Land eine starke Hand braucht, dass es<br />
35 Jahre Frieden und Fortschritt waren, dass ich [die Sprecherin; d. Verf.]<br />
zwischen 1954 und 1989 ´glücklich war ohne es zu wissen`“. 162<br />
Es ist fast unglaublich, dass sich das Land <strong>nach</strong> den Zeiten der Diktatur Stroessners<br />
zurücksehnt, und nur zu verstehen vor dem Hintergrund einer Regierung, die sich zwar<br />
demokratisch nennt, aber überwiegend Machtspiele im Programm hat. Wenn die<br />
Regierung der Armut nicht den Kampf ansagt und sich nicht dafür einsetzt, dass die<br />
Gesetze zur Gleichstellung eingehalten werden, dann müssen sich die Frauen selbst auf<br />
den Weg machen, um zu gleichberechtigten Staatsbürgerinnen zu werden.<br />
162<br />
González Vera, Myriam: Was geschieht <strong>mit</strong> der Erinnerung an die Diktatur? In: Deutsches<br />
Weltgebetstagsko<strong>mit</strong>ee e.V.: Weltgebetstag. Unter Gottes Zelt vereint. Ideen und Informationen. Arbeitsheft<br />
zum Weltgebetstag. Ohne Verlag. Stein. 2007. Seite 40f.<br />
26
3 Aspekte der Befreiungspädagogik <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong>s und feministisch-politischer <strong>Bildungsarbeit</strong><br />
3 Aspekte der Befreiungspädagogik <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong>s<br />
und feministisch-politischer <strong>Bildungsarbeit</strong><br />
Da<strong>mit</strong> Paraguays Frauen diesen Weg überhaupt gehen können, müssen ihnen<br />
Unterstützungsmöglichkeiten geboten werden. Dies sollten pädagogische Hilfen sein, die<br />
darauf zielen, zu einem Leben in Freiheit und Würde zu gelangen. Die befreiende<br />
<strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>nach</strong> <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong>, die in diesem Kapitel dargelegt wird, könnte sich als<br />
Handlungstheorie anbieten, möglicherweise ergänzt durch Aspekte feministischpolitischer<br />
<strong>Bildungsarbeit</strong>. Ob sich <strong>Freire</strong>s Ansatz jedoch tatsächlich auf die Frauen<br />
Paraguays anwenden lassen kann, wird schließlich am Ende des Kapitels herausgearbeitet.<br />
3.1 Die Befreiungspädagogik <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong>s<br />
Die Befreiungspädagogik <strong>nach</strong> <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong> hat bereits vielen Pädagogen 163 , Soziologen,<br />
Psychologen, Theologen und Anderen im Hinblick auf Erwachsenenbildung relevante<br />
Impulse geben können und durch Kritik und Gegenkritik den Wissenschaften zu<br />
fruchtbarer Dynamik verholfen. Seine Methode ist in Afrika, Asien, Lateinamerika und<br />
auch in Europa „zum Symbol für erfolgreiche Überwindung des Analphabetismus<br />
geworden, für die Mündigkeit und die Würde des geschundenen Menschen.“ 164<br />
<strong>Freire</strong> hat die auf seinem humanistischen Menschenbild gründende Befreiungspädagogik<br />
in und für Brasilien aus seiner eigenen Lebenssituation herausentwickelt. Um das<br />
Konzept <strong>nach</strong>vollziehen zu können, wird es hier in den wichtigsten Aspekten aufgezeigt.<br />
3.1.1 Eine Gesellschaft im Übergang<br />
<strong>Freire</strong> geht bei seiner Befreiungspädagogik immer zunächst von einer ´Gesellschaft im<br />
Übergang` aus. In diesem Zustand befindet sie sich, wenn sie von einer kolonialen,<br />
abhängigen Gesellschaft zu einer Industriegesellschaft werden will und bereits an<br />
163 In diesem Kapitel über die Befreiungspädagogik <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong>s wird bewusst die männliche Form von<br />
Personen oder Personengruppen benutzt. Zur Erklärung wird auf diesen Aspekt später noch näher<br />
eingegangen.<br />
164 Brühl, Dieter: Das dialogische Prinzip bei <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong>. In: Dabisch, Joachim (Hrsg.): Dialogische<br />
Erziehung bei <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong>. <strong>Freire</strong>-Jahrbuch 1999. Verlag Dialogische Erziehung. 1999. Seite 11.<br />
27
3 Aspekte der Befreiungspädagogik <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong>s und feministisch-politischer <strong>Bildungsarbeit</strong><br />
demokratischem Gedankengut orientiert ist. Da<strong>mit</strong> beschreibt er die Phase zwischen einer<br />
´geschlossenen` und einer ´offenen` Gesellschaft. 165 Eine ´geschlossene` Gesellschaft ist<br />
dadurch charakterisiert, dass ihre Ökonomie vom Rohstoffexport bestimmt und durch<br />
ausländische Märkte beherrscht wird. <strong>Freire</strong> bezeichnet sie auch als eine ´Objekt`-<br />
Gesellschaft, die kein nationales Bewusstsein hat und dabei rückwärtsgewandt,<br />
analphabetisch, antidialogisch und elitär ist. 166 Nach außen hin steht sie in Abhängigkeit<br />
zu den ´Subjekt`-Gesellschaften, <strong>nach</strong> innen etabliert und reproduziert sich ein<br />
Machtgefälle zwischen der dominierenden Eliteklasse und dem Volk, der Mehrheit der<br />
Gesellschaft. 167 Es bestehen also innergesellschaftliche Unterdrückungsverhältnisse, die<br />
sich seit der Kolonisierung <strong>mit</strong> ihren jahrhundertlangen politischen, ökonomischen und<br />
kulturellen Abhängigkeiten durch die Gesellschaft ziehen. 168 Durch den Klassencharakter<br />
wird die Entwicklung einer offenen, demokratischen Gesellschaft verhindert, denn die<br />
sozioökonomische Struktur der Klassengesellschaft ist die Ursache der Unterdrückungsverhältnisse,<br />
so dass der Begriff ´Kultur des Schweigens` in den Vordergrund tritt.<br />
Schweigen meint in diesem Fall eine Reaktion ohne kritische Qualität. 169 Die ´Kultur des<br />
Schweigens` analysiert <strong>Freire</strong> anhand der Beziehungsstruktur zwischen Unterdrückern<br />
und Unterdrückten. 170<br />
„Für die Unterdrücker bezieht sich ´menschliches Wesen` nur auf sich selbst.<br />
Andere Menschen sind ´Dinge`. Für die Unterdrücker gibt es nur ein Recht: ihr<br />
Recht, in Frieden zu leben, gegenüber dem Recht der Unterdrückten, das<br />
nicht einmal immer beachtet, sondern höchstens zugestanden wird: zu<br />
überleben.“ 171<br />
Und sogar dieses Recht haben die Unterdrückten nur deshalb, weil die Unterdrücker sie<br />
für ihre eigene Existenz benötigen, das heißt, sie werden auf den Status von Objekten<br />
165 Vgl. Rösch, Christoph: Die Erziehungskonzeption <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong>s. Lang. Frankfurt am Main, Bern, New York,<br />
Paris. 1987. Seite 39.; vgl. auch Bendit, René/Heimbucher, Achim: Von <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong> lernen. Ein neuer Ansatz<br />
für Pädagogik und Sozialarbeit. Juventa Verlag. München. 1977. Seite 24ff.<br />
166 Vgl. <strong>Freire</strong>, <strong>Paulo</strong>: Erziehung als Praxis der Freiheit. Kreuz Verlag. Stuttgart, Berlin. 1974. Seite 17.; vgl.<br />
auch Rösch. 1987. Seite 40.; Bendit. 1977. Seite 27.<br />
167 Vgl. Baquero, Patricia: Unterdrückung, Geschlecht und Befreiung. Eine Annäherung an <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong>s<br />
Befreiungsansatz. In: Knauth, Thorsten/Schroeder, Joachim (Hrsg.): Über Befreiung. Befreiungspädagogik,<br />
Befreiungsphilosophie und Befreiungstheologie im Dialog. Waxmann. Münster, New York, München, Berlin.<br />
1998. Seite 149.<br />
168 Vgl. Baquero. 1998. Seite 148.<br />
169 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1974. Seite 35f.<br />
170 Vgl. Rösch. 1987. Seite 47f.<br />
171 <strong>Freire</strong>, <strong>Paulo</strong>: Pädagogik der Unterdrückten. Kreuz Verlag. Stuttgart, Berlin. 1971. Seite 56.<br />
28
3 Aspekte der Befreiungspädagogik <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong>s und feministisch-politischer <strong>Bildungsarbeit</strong><br />
reduziert. Für die Unterdrücker ist ´Sein` gleich ´Haben`, also wollen sie ´sein`, um sich<br />
als die Klasse der ´Habenden` bezeichnen zu können. 172 Dadurch wird das Volk zum<br />
Eigentum der Unterdrücker, und die Elite sieht es als ihre Aufgabe, es daran zu hindern,<br />
sich seiner Unterdrückungssituation bewusst zu werden 173 , geschweige denn über sein<br />
Schicksal selbst zu entscheiden. 174 Zu diesem Zweck werden Mythen, also Zwecklügen,<br />
in die Unterdrückten ´eingelagert`, die über Massenmedien und insbesondere das<br />
Schulwesen verbreitet werden. 175 Dadurch wird die Fähigkeit der unterworfenen Mehrheit,<br />
sich befreiendes Wissen anzueignen, direkt aufgehoben 176 , und stattdessen<br />
internalisieren sie diese Mythen der Unterdrücker. 177<br />
„Die innere Unterwerfung vor der Übermacht der Macht führt dazu, daß die<br />
Unterdrückten sich selbst so sehen, wie die Unterdrücker sie sehen, nämlich<br />
als ´nichtig`, daß alles, was sie erfahren, eine immer neue Bestätigung die<strong>ser</strong><br />
Nichtigkeit wird: Armut, Unwissenheit, Fremdbestimmung, Not.“ 178<br />
Das Bild des Unterdrückers wird so sehr internalisiert und die Richtlinien akzeptiert, dass<br />
das Volk letztlich Furcht vor der Freiheit hat. Denn Freiheit würde bedeuten, dieses Bild<br />
aus sich zu vertreiben und stattdessen autonom und verantwortungsbewusst zu<br />
werden. 179 Der unterdrückte Mensch befindet sich in einem inneren Zwiespalt: Auf der<br />
einen Seite entdeckt er, dass er ohne Freiheit nicht leben kann, auf der anderen Seite<br />
aber fürchtet er sie. 180 Bleibt er unfähig, seine Realität zu verändern, passt er sich an die<br />
Unterdrückungssituation an 181 und bleibt so<strong>mit</strong> passiver Zuschauer der Politik. 182<br />
Anpassung ist jedoch ein typisches Merkmal von Tieren, und so werden die Menschen<br />
durch die Übernahme dieses Merkmals folglich ´entmenschlicht`. 183 Dabei ist die ´wahre`<br />
Berufung des Menschen stattdessen die Humanisierung 184 , um die Fragen der Zeit<br />
begreifen und so<strong>mit</strong> den sozialen Kontext kritisch reflektieren zu können, denn der<br />
172 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 56f.<br />
173 Vgl. Rösch. 1987. Seite 48.<br />
174 Vgl. Bendit. 1977. Seite 29.<br />
175 Vgl. Rösch. 1987. Seite 48.<br />
176 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 12.<br />
177 Vgl. Rösch. 1987. Seite 48.<br />
178 <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 10.<br />
179 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 42., vgl. auch Rösch. 1987. Seite 48f.<br />
180 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 43.<br />
181 Vgl. <strong>Freire</strong> 1974. Seite 11.<br />
182 Vgl. Rösch. 1987. Seite 40.<br />
183 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1974. Seite 11.<br />
184 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 38.<br />
29
3 Aspekte der Befreiungspädagogik <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong>s und feministisch-politischer <strong>Bildungsarbeit</strong><br />
humanisierte Mensch lebt <strong>mit</strong> der Welt und nicht bloß in ihr. Er will als Subjekt der<br />
Geschichte in die Realität eingreifen und aktiv an der Veränderung der Welt <strong>mit</strong>wirken. 185<br />
Würden nun die unterdrückten Menschen humanisiert, so bräche das bisherige<br />
Kräftegleichgewicht auseinanderbrechen, und die Öffnung der Gesellschaft könnte<br />
voranschreiten. 186 Diese beinhaltet die politische Partizipation des Volkes und dessen<br />
Eintritt in die Geschichte. Eine offene Gesellschaft bezieht den Menschen also in den<br />
Demokratisierungsprozess <strong>mit</strong> ein und lässt ihn da<strong>mit</strong> nicht länger als passiven Zuschauer<br />
außen vor. 187<br />
Da<strong>mit</strong> die unterdrückten Menschen nun zu humanisierten Menschen werden können,<br />
bedürfen sie der Hilfe zur Selbsthilfe. Denn nur dadurch konfrontieren sie sich <strong>mit</strong> den<br />
eigenen Problemen und können ihre eigene Genesung vorantreiben. Es muss also eine<br />
Pädagogik <strong>mit</strong> dem Volk geben und nicht eine Pädagogik für das Volk. 188<br />
3.1.2 Die befreiende <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong>s<br />
Die Forderung <strong>Freire</strong>s <strong>nach</strong> einer Pädagogik <strong>mit</strong> dem Volk führt zu der Annahme, dass<br />
die vorherrschende Bildung einer ´Gesellschaft im Übergang` eine Bildung für das Volk<br />
ist. Deswegen wird im Folgenden zunächst skizziert, was <strong>Freire</strong> darunter versteht, um<br />
anschließend zu erläutern, wie er alternativ dazu eine Bildung <strong>mit</strong> dem Volk begreift.<br />
3.1.2.1 Das Bankiers-Konzept<br />
<strong>Freire</strong> bezeichnet das herrschende Bildungssystem einer ´Gesellschaft im Übergang` – im<br />
Vergleich <strong>mit</strong> dem Bankwesen – als ´Bankiers-Konzept`. Die Schüler sind die ´Anlage-<br />
Objekte` und der Lehrer 189 der ´Anleger`, der den Schülern ´Einlagen` gibt. Die Schüler<br />
nehmen diese entgegen, ordnen und stapeln sie. 190 Die Beziehung zwischen Lehrer<br />
(Subjekt) und Schülern (Objekten) ist dem<strong>nach</strong> antidialogisch, da die Aufgabe des<br />
185 Vgl. Rösch. 1987. Seite 40f.<br />
186 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1974. Seite 17.<br />
187 Vgl. Rösch. 1987. Seite 40.<br />
188 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1974. Seite 25f.<br />
189 Für den Begriff des Pädagogen benutzt <strong>Freire</strong> auch synonym die Ausdrücke Lehrer, Erzieher oder<br />
Koordinator.<br />
190 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 74.<br />
30
3 Aspekte der Befreiungspädagogik <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong>s und feministisch-politischer <strong>Bildungsarbeit</strong><br />
Lehrers darin besteht, die Schüler <strong>mit</strong> Bildungsinhalten zu ´füllen`. Die Schüler haben<br />
jedoch zu den Inhalten keinerlei Bezug, denn letztere sind losgelöst von der Wirklichkeit<br />
der Lernenden und enthalten für sie so<strong>mit</strong> keine Bedeutung. 191 Das führt dazu, dass die<br />
Schüler den <strong>mit</strong>geteilten Inhalt mechanisch auswendig lernen und die<strong>ser</strong> deswegen leicht<br />
leblos und versteinert wird. Das Lehrer-Schüler-Verhältnis besitzt daher grundsätzlich<br />
über<strong>mit</strong>telnden Charakter, wobei Erkenntnis die Gabe ist, die von den Wissenden an die<br />
absolut Unwissenden weitergegeben wird – ein typisches Charakteristikum für die<br />
Ideologie der Unterdrückung. Durch die Absolutheit der Unwissenheit rechtfertigt der<br />
Lehrer sein Dasein. 192 Gleichzeitig werden aber die Schüler zu passiven Wesen, deren<br />
Kräfte minimalisiert und die zur Anpassung erzogen werden. 193 So können sie kein<br />
kritisches Bewusstsein entwickeln, wie es entstehen würde, wenn sie verändernd in die<br />
Welt eingreifen würden. Genau dies ist das Interesse der Unterdrücker: Sie wollen nicht,<br />
dass die von ihnen beherrschte Welt erkannt oder verwandelt wird. 194 „Der erzogene<br />
Mensch ist der angepaßte Mensch, denn er paßt bes<strong>ser</strong> in die Welt.“ 195 Das ´Bankiers-<br />
Konzept` beruht also auf der Voraussetzung einer Spaltung zwischen Mensch und Welt:<br />
Der Mensch ist nur in der Welt, aber nicht <strong>mit</strong> ihr oder <strong>mit</strong> anderen. Der Mensch ist<br />
Zuschauer, kein Neuschöpfer 196 – im Gegenteil, seine kreativen Möglichkeiten werden<br />
außer Kraft gesetzt. 197<br />
Als logische Konsequenz ergibt sich, dass ein auf Befreiung des Menschen ausgerichtetes<br />
Bildungskonzept auf dialogischen Beziehungen aufbauen und sich von einer<br />
antidialogischen Erziehung gänzlich verabschieden muss. 198 Es setzt an der Lösung des<br />
Lehrer-Schüler-Widerspruchs an 199 und nimmt die Lebenssituation der Schüler als<br />
Problem wahr 200 , um die unterdrückten Menschen daraus zu befreien.<br />
191 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 73.; vgl. auch Rösch. 1987. Seite 62.<br />
192 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 73f.<br />
193 Vgl. Rösch. 1987. Seite 62.<br />
194 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 76.<br />
195 <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 79.<br />
196 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 78.<br />
197 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 81.<br />
198 Vgl. Rösch. 1987. Seite 63.<br />
199 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 75.<br />
200 Vgl. Rösch. 1987. Seite 63.<br />
31
3 Aspekte der Befreiungspädagogik <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong>s und feministisch-politischer <strong>Bildungsarbeit</strong><br />
3.1.2.2 Dialog als Prinzip<br />
Der Dialog wird so zu einem unausweichlichen Prinzip der Befreiungspädagogik, da nur<br />
er wirklich Kommunikation schaffen kann. 201 Und nur in der Kommunikation <strong>mit</strong> anderen<br />
verwirklicht der Mensch sein soziales Wesen, sein ´Menschsein`. 202<br />
Nach <strong>Freire</strong> ist der Dialog eine Beziehung der Empathie, welche zwischen zwei ´Polen`<br />
stattfindet, die auf einer gemeinsamen Suche sind. 203 Letztere ergibt sich aus der<br />
Formulierung der Probleme in ihrem Verhältnis zur Welt. Folglich bezeichnet <strong>Freire</strong> seine<br />
Pädagogik auch als problemformulierende Bildung. Durch den Dialog zerbricht die<br />
traditionelle Rolle des ´Lehrers der Schüler` und auch die Rolle der ´Schüler des<br />
Lehrers`. 204 Es entstehen ´Lehrer-Schüler` und ´Schüler-Lehrer`, das heißt, der Lehrer ist<br />
nicht mehr nur Lehrender, sondern lernt selbst durch den Dialog <strong>mit</strong> den Schülern.<br />
Ebenso lassen sich die Schüler nicht nur belehren, sondern lehren ihrerseits. Lehrer und<br />
Schüler werden gemeinsam für einen Prozess verantwortlich, durch den alle wachsen,<br />
und die Schüler werden zu kritischen Mitforschern im Dialog <strong>mit</strong> dem Lehrer, bleiben<br />
so<strong>mit</strong> nicht mehr nur ´brave` Zuhörer. 205 Denn je mehr die Schüler vor Probleme gestellt<br />
werden, desto mehr werden sie herausgefordert und fühlen sich verpflichtet, diese<br />
Herausforderung anzunehmen. Letztere wird in einen Gesamtzusammenhang gestellt und<br />
<strong>mit</strong> anderen Problemen verknüpft, so dass das daraus resultierende Begreifen zu immer<br />
kritischerem Denken führt. Der Schüler beginnt, seine Verpflichtungen zu erkennen. 206<br />
Das menschliche Bewusstsein gilt für <strong>Freire</strong> folglich nicht als ´leeres Gefäß`, das es zu<br />
´füllen` gilt, sondern das Bewusstsein ist vielmehr auf die Wirklichkeit gerichtet, in der es<br />
dialektische Mensch-Welt-Beziehungen zu reflektieren gilt. In diesen Beziehungen<br />
verändern die Menschen die Welt und erfahren schließlich selbst die Auswirkungen die<strong>ser</strong><br />
Veränderungen. Es gibt also keine Objekte mehr, sondern die Menschen werden als<br />
bewusste, <strong>mit</strong>wirkende ´Mit-Subjekte` anerkannt. 207 Der Ausgangspunkt ist dabei immer<br />
die Geschichtlichkeit des Menschen, das heißt das Begreifen des Menschen als<br />
historisches Wesen, im Gegensatz zu der ´Bankiers-Methode`. Die problemformulierende<br />
201 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1974. Seite 62.<br />
202 Vgl. Brühl. 1999. Seite 12.<br />
203 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1974. Seite 61.<br />
204 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 84.<br />
205 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 84.; vgl. auch Bendit. 1977. Seite 42f.<br />
206 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 84ff.<br />
207 Vgl. Rösch. 1987. Seite 57.<br />
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3 Aspekte der Befreiungspädagogik <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong>s und feministisch-politischer <strong>Bildungsarbeit</strong><br />
Bildung bestätigt den Menschen als Wesen im Prozess des Werdens, denn er ist ein<br />
unvollendetes, unfertiges Wesen in und <strong>mit</strong> einer unvollendeten Wirklichkeit. Dies führt zu<br />
der Tatsache, dass auch Erziehung und Bildung fortlaufende Prozesse sind 208 , in denen<br />
der Lehrer von Anfang an revolutionär, also dialogisch sein muss. 209<br />
Um einen ´richtigen` Dialog zu führen, sind für <strong>Freire</strong> die Aspekte Wort, Liebe, Demut,<br />
Glaube, Hoffnung und kritisches Denken relevant.<br />
Das Wort macht gemäß <strong>Freire</strong> das Wesen des Dialogs aus, wobei es mehr ist als bloß<br />
ein Instrument, das den Dialog ermöglicht. 210 Es beinhaltet zwei Dimensionen: Aktion und<br />
Reflexion, die in radikaler Interaktion stehen. Denn wird eine Dimension ver<strong>nach</strong>lässigt,<br />
so leidet automatisch die andere. Fehlt der Reflexion die Aktion, so führt dies zu reinem<br />
Verbalismus, die Worte sind nur leeres Geschwätz. Mangelt es der Aktion wiederum an<br />
Reflexion, so kommt es zu bloßem Aktivismus. 211 Menschliche Praxis vollzieht sich nun in<br />
genau die<strong>ser</strong> dialektischen Spannung von Aktion und Reflexion. Beinhaltet das Wort also<br />
beide Dimensionen, stimmen Wort und Tat des Menschen überein. 212 „Ein wirkliches Wort<br />
sagen heißt daher, die Welt verändern.“ 213<br />
Die Unterdrückten werden jedoch <strong>mit</strong> falschen Worten seitens der Unterdrücker ´genährt`<br />
und dadurch manipuliert, domestiziert und so<strong>mit</strong> ihrer eigenen Worte beraubt. Dabei<br />
beinhaltet menschliche Existenz jedoch die Benennung und Veränderung der Welt. 214 Der<br />
Dialog ist dem<strong>nach</strong> eine existentielle Notwendigkeit und darf nicht zu einem Instrument<br />
werden, um andere zu beherrschen. Vielmehr ist er die Eroberung der Welt zur Befreiung<br />
der Menschen. Ein Wort zu sagen ist schließlich nicht nur das Privileg von wenigen<br />
elitären Menschen, sondern das Recht eines Jeden. 215<br />
´Wahrer` Dialog kann des Weiteren nur dort existieren, wo es nicht an tiefer Liebe für die<br />
Welt und die Menschen mangelt. Denn Liebe ist einerseits die Begründung des Dialogs<br />
und andererseits der Dialog selbst. In Bezug auf die Unterdrückten besteht sie in der<br />
Hingabe an die Sache der Befreiung. Nur unter der Voraussetzung eben die<strong>ser</strong> Hingabe<br />
kann Liebe dialogisch sein. Sie darf nicht sentimental sein und auch nicht als Vorwand der<br />
208 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 89.<br />
209 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 92.<br />
210 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 93.; vgl. auch Rösch. 1987. Seite 58.<br />
211 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 93.; vgl. auch Rösch. 1987. Seite 58.; Bendit. 1977. Seite 41.<br />
212 Vgl. Rösch. 1987. Seite 58.<br />
213 <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 93.<br />
214 Vgl. Rösch. 1987. Seite 58.<br />
215 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 95.<br />
33
3 Aspekte der Befreiungspädagogik <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong>s und feministisch-politischer <strong>Bildungsarbeit</strong><br />
Manipulation dienen. Erst durch die Beseitigung der Unterdrückungssituation kann die<br />
Liebe wiederhergestellt werden, die durch eben diese Situation unmöglich wurde. 216<br />
Der Dialog kann aber andererseits nicht ohne Demut leben, denn Selbstgenügsamkeit ist<br />
nicht vereinbar <strong>mit</strong> dem Dialog. Menschen, die glauben, die einzig richtige Wahrheit<br />
gefunden zu haben, können nicht Partner eines Volkes werden, welches die Welt<br />
verändern will. 217<br />
Die wichtigste Forderung an den Dialog ist jedoch der Glaube. Einen<br />
„Glauben an den Menschen, einen Glauben an seine Macht, zu schaffen und<br />
neu zu schaffen, zu machen und neu zu machen, Glauben an seine Berufung,<br />
voller Mensch zu sein (was kein Privileg einer Elite ist, sondern das<br />
Geburtsrecht aller Menschen).“ 218<br />
Für <strong>Freire</strong> ist der Glaube deswegen so relevant, weil er sich an Menschen ohne Hoffnung<br />
auf Verbes<strong>ser</strong>ung der Lebenssituation wendet. Die<strong>ser</strong> tiefe Glaube an die Berufung des<br />
Menschen, Subjekt seiner eigenen Emanzipation zu werden, bildet folglich die Grundlage<br />
für das Zustandekommen des Dialogs und die Basis dafür, dass die Befreiung von den<br />
Unterdrückten selbst getragen werden kann. Denn führt ein Revolutionär einen Kampf für<br />
das Volk, so behandelt er es weiterhin wie Objekte und belässt es in der ´Kultur des<br />
Schweigens`. Es kommt zu einer neuen Form der Unterdrückung. Das heißt, ohne einen<br />
tiefen Glauben an den Menschen kann es keinen Dialog als horizontale Kommunikation<br />
geben. 219<br />
Wo Menschen das Ziel haben ´volle`, also bewusste Menschen zu werden, muss der<br />
Dialog <strong>mit</strong> Hoffnung gespeist sein. Denn<br />
„Hoffnung wurzelt in der Unvollendetheit des Menschen, aus der er sich in<br />
beständigem Suchen herausentwickelt – in einem Suchen, das nur in<br />
Gemeinschaft <strong>mit</strong> anderen vollzogen werden kann.“ 220<br />
Wenn die Dialogpartner dagegen nichts von ihrer Mühe erhoffen, so bleibt ihre<br />
Begegnung sowohl hohl und steril als auch bürokratisch und langweilig. 221<br />
216 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 95f.; vgl. auch Rösch. 1987. Seite 59.<br />
217 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 97; vgl. auch Rösch. 1987. Seite 60.<br />
218 <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 98.; vgl. auch Rösch. 1987. Seite 60f.<br />
219 Vgl. Rösch. 1987. Seite 61.<br />
220 <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 99.; vgl. auch Rösch. 1987. Seite 61.<br />
221 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 99.; vgl. auch Rösch. 1987. Seite 6.<br />
34
3 Aspekte der Befreiungspädagogik <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong>s und feministisch-politischer <strong>Bildungsarbeit</strong><br />
Außerdem müssen die im Dialog Stehenden sich auf kritisches Denken einlassen, denn<br />
nur durch die Forderung des Dialogs <strong>nach</strong> eben diesem ermöglicht tatsächlich die<br />
Erzeugung kritischen Denkens. 222 Das kritische Denken steht eng in Verbindung zu der<br />
beschriebenen Wechselwirkung von Aktion und Reflexion, denn es kann sich nicht vom<br />
Handeln lösen. 223<br />
<strong>Freire</strong> fasst zusammen: „Ohne Dialog gibt es keine Kommunikation, und ohne<br />
Kommunikation kann es keine wahre Bildung geben.“ 224<br />
3.1.2.3 Bildung als Erkenntnissituation<br />
Wenn also Kommunikation der Ausgangspunkt ´wahrer` Bildung ist, so kann der Mensch<br />
nicht isoliert leben, sondern ist auf das ´Du` angewiesen. Er braucht also stets andere<br />
Subjekte, um über ein Objekt zu reflektieren. Diese Kommunikation, in der die Situation<br />
als Problem (das Objekt) zu ihrem Gegenstand wird, hat schließlich ein Ergebnis: die<br />
Erkenntnis. 225 Denn der Erkenntnisakt ist ein Prozess des Verstehens, Begreifens und<br />
Veränderns der Welt 226 durch die dialektische Beziehung zwischen Mensch und Welt.<br />
Allein kann das denkende Subjekt folglich nicht zu Erkenntnis kommen. 227<br />
Für den Lehrer bedeutet dies, dass er gemeinsam <strong>mit</strong> den Schülern Bedingungen<br />
schaffen muss, unter denen ´wahre` Erkenntnis möglich ist. 228 Er muss <strong>mit</strong> den Lernenden<br />
ins Gespräch kommen, <strong>mit</strong> ihnen diskutieren, da<strong>mit</strong> sie die Welt, in der sie leben,<br />
erkennen und begreifen. Er soll ihnen also nicht nur wie in der ´Bankiers-Methode`<br />
Informationen über<strong>mit</strong>teln, ihnen Wissen überstülpen, sondern <strong>mit</strong> ihnen gemeinsam<br />
erkennen. 229<br />
222 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 100.<br />
223 Vgl. auch Rösch. 1987. Seite 62.<br />
224 <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 100.<br />
225 Vgl. Rösch. 1987. Seite 64.; vgl. auch Bendit. 1977. Seite 39.<br />
226 Vgl. <strong>Freire</strong>, <strong>Paulo</strong>: Der Lehrer ist Politiker und Künstler. Neue Texte zu befreiender <strong>Bildungsarbeit</strong>.<br />
Rowohlt. Reinbek bei Hamburg. 1981. Seite 105.<br />
227 Vgl. Rösch. 1987. Seite 63ff.<br />
228 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 85f.<br />
229 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1981. Seite 104.<br />
35
3 Aspekte der Befreiungspädagogik <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong>s und feministisch-politischer <strong>Bildungsarbeit</strong><br />
Erst durch ´wahre` Erkenntnis wird es möglich, die magischen, fatalistischen und<br />
mechanistischen Weltdeutungen aufzudecken und zu überwinden 230 und zu einem<br />
wahrhaft bewussten und kritischen Menschen zu werden. 231 Bildung als Erkenntnissituation<br />
kann so<strong>mit</strong> keine Bildung zur Anpassung sein, sondern vielmehr „Bildung zur<br />
Integration des Menschen <strong>mit</strong> seiner ständig veränderten Welt.“ 232<br />
3.1.2.4 Bewusstseinsbildung<br />
Das Ziel der Bildungskonzeption <strong>Freire</strong>s ist die ´conscientização`233 , die<br />
Bewusstseinsbildung. 234 <strong>Freire</strong> definiert sie wie folgt:<br />
„Die <strong>mit</strong> der kulturellen Aktion zur Befreiung gemeinte Bewußtseinsbildung ist<br />
der Prozeß, durch den das Subjekt in der Beziehung Subjekt-Objekt [...] in<br />
kritischer Weise die dialektische Einheit zwischen dem Ich und dem Objekt<br />
erfaßt.“ 235<br />
Da<strong>mit</strong> wird noch einmal die Bedeutung der Praxis und da<strong>mit</strong> die Einheit der Aktion-<br />
Reflexion hervorgehoben. Außerdem begreift <strong>Freire</strong> die Bewusstseinsbildung im Sinne<br />
einer Entmythologisierung, und sie kann so<strong>mit</strong> nicht von der herrschenden sozialen<br />
Klasse geleistet werden, die schließlich die Mythen ins Leben gerufen hat. Sie ist<br />
„Aufgabe der revolutionären Avantgarde“ 236 , welche die Menschen <strong>mit</strong> sich selbst, ihrem<br />
Selbstportrait und ihrer gesellschaftlichen Wirklichkeit herausfordernd konfrontiert, um<br />
Bewusstsein zu erlangen. 237<br />
„Der sich bewußtwerdende Mensch beginnt seine subjektiven Erfahrungen der<br />
Unterdrückung in der Gesamtheit der gesellschaftlichen Verhältnisse zu sehen<br />
und diese zu hinterfragen. Er erkennt sich als Unterdrückten, auf den der<br />
Unterdrücker angewiesen ist, will er auch weiterhin Unterdrücker sein.“ 238<br />
230 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 91.; vgl. auch Rösch. 1987. Seite 65.<br />
231 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 86.<br />
232 Bendit. 1977. Seite 45.<br />
233 Der Begriff „conscientização“ kommt aus dem Portugiesischen.<br />
234 Vgl. Rösch. 1987. Seite 67.<br />
235 <strong>Freire</strong>. 1981. Seite 58.<br />
236 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1981. Seite 58.<br />
237 Vgl. Rösch. 1987. Seite 67.<br />
238 Vgl. Rösch. 1987. Seite 67f.<br />
36
3 Aspekte der Befreiungspädagogik <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong>s und feministisch-politischer <strong>Bildungsarbeit</strong><br />
Die<strong>ser</strong> Prozess hin zu einem bewussten, also kritischen Wesen, findet auf<br />
unterschiedlichen Bewusstseinsstufen statt 239 und verlangt nicht nur die Veränderung von<br />
Wertvorstellungen, sondern auch die Transformation der Praxis, indem sich gesellschaftliche<br />
Kräfte vereinen und Strukturen verändern. 240<br />
3.1.2.5 Der politische Aspekt<br />
Über die Bedeutung des politischen Charakters von Erziehung, so <strong>Freire</strong> selbst, ist in<br />
seinen ersten Schriften nicht viel zu finden. 241 Umso mehr Aufmerksamkeit schenkt er ihm<br />
in seinen berühmten Werken „Dialog als Prinzip“ und „Der Lehrer ist Politiker und<br />
Künstler“. Darin betont er, dass das Ziel der Veränderung eindeutig eine politische<br />
Klarheit benötigt, eine „politische Klarheit darüber, zu welchem Zweck, wie und zu wessen<br />
Gunsten die Politik betrieben wird.“ 242 Der Pädagoge muss also eine politische Einstellung<br />
haben, eine politische Entscheidung treffen, die schließlich die Wahl bestimmter<br />
Techniken sowie Methoden beeinflusst 243 und so<strong>mit</strong> sein Handeln bestimmt. 244 Dadurch<br />
wird bereits die Erstellung des programmatischen Inhalts zu einem eminent politischen<br />
Akt.<br />
In Situationen der Unterdrückung bedarf es einer Politik, die gemeinsam <strong>mit</strong> der<br />
Bevölkerung gemacht wird, so dass „die Bevölkerung in kritischem Bewußtsein am<br />
Wiederaufbau ihrer Gesellschaft partizipiert.“ 245 Dazu muss das Projekt <strong>mit</strong> dem Ziel der<br />
Befreiung von Anfang an von der betroffenen Bevölkerung als ihr Eigenes übernommen<br />
werden. Gleichzeitig sollten die Forderungen, welche die Bevölkerung stellt, idealerweise<br />
<strong>mit</strong> den politischen Prinzipien der führenden Partei und der Regierung übereinstimmen;<br />
eine Regierung, die Wert legt auf die kritische und bewusste Partizipation des Volkes an<br />
dem Aufbau einer neuen Gesellschaft. Denn ein Land ohne die Unterstützung der<br />
Regierung aufzubauen ist schwierig. Zusammenfassend bedeutet dies, dass Projekte zur<br />
Befreiung der Unterdrückten auf strukturellen Veränderungen, die gerade im Vollzug sind<br />
239 Vgl. Rösch. 1987. Seite 67.<br />
240 Vgl. Rösch. 1987. Seite 68.<br />
241 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1981. Seite 62.<br />
242 <strong>Freire</strong>. 1980. Seite 109.<br />
243 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1980. Seite 109.<br />
244 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1981. Seite 106.<br />
245 <strong>Freire</strong>. 1980. Seite 109.<br />
37
3 Aspekte der Befreiungspädagogik <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong>s und feministisch-politischer <strong>Bildungsarbeit</strong><br />
oder un<strong>mit</strong>telbar bevorstehen, aufbauen 246 , also in einen gesamtgesellschaftlichen<br />
Rahmen gesehen werden sollten. 247 Denn<br />
„wenn nicht eine radikale Veränderung der Gesellschaftsstruktur stattfindet,<br />
[...] werden sie [die Menschen; d. Verf.] die gleichen bleiben, in der gleichen<br />
Weise ausgebeutet, wobei es keine Rolle spielt, ob es einigen von ihnen<br />
gelungen ist, die Ursache der Ausbeutungssituation zu erkennen. Die<br />
Aufdeckung der Realität ist ohne eindeutig auf diese Realität ausgerichtete<br />
politische Aktion schlichtweg sinnlos.“ 248<br />
Dies bedeutet jedoch nicht, dass keine Aktionen erfolgen sollten, wenn sich die<br />
Gesellschaft nicht verändert. Es gilt vielmehr, die Freiräume in der Gesellschaft zu<br />
erkennen und diese so zu nutzen, wie es unter den historischen Bedingungen möglich<br />
ist. 249<br />
Der Lehrer muss also immer Politiker und Künstler zugleich sein. 250 Seine Tätigkeiten<br />
bleiben stets politisch, ob er sich dessen bewusst ist oder nicht. 251<br />
3.1.2.6 Die Alphabetisierungs- und Nachalphabetisierungsmethode<br />
Dieses Kapitel geht der Frage <strong>nach</strong>, wie das pädagogische Denken <strong>Freire</strong>s sich in der<br />
Praxis zeigt. Dies lässt sich anhand seiner Alphabetisierungsmethode konkretisieren.<br />
Die Methode der Alphabetisierung beginnt zunächst <strong>mit</strong> einer Untersuchung des<br />
Wortschatzes der Gruppe, <strong>mit</strong> der gearbeitet werden soll. 252 Dazu treten die Erzieher<br />
bereits vor gemeinsamen Gruppentreffen, den so genannten Kulturzirkeln, <strong>mit</strong> den<br />
Alphabetisanden in Dialog. Da die befreiende Alphabetisierung vom Volk selbst getragen<br />
sein muss 253 , bedarf es dazu eines Höchstmaßes an Mitwirkung der Menschen. Um eine<br />
Bildung von oben zu verhindern, benutzt <strong>Freire</strong> so genannte ´generative Wörter`254 , die für<br />
die betroffene Gruppe existentielle Bedeutungen haben. Diese können sowohl<br />
Redeweisen, Wörter als auch Ausdrücke sein, wichtig ist, dass sie <strong>mit</strong> der Erfahrungswelt<br />
246 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1980. Seite 145f.<br />
247 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1980. Seite 113.<br />
248 <strong>Freire</strong>. 1981. Seite 55.<br />
249 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1981. Seite 96.<br />
250 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1981. Seite 88.<br />
251 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1981. Seite 98.; vgl. auch <strong>Freire</strong>. 1980. Seite 110.<br />
252 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1974. Seite 66.<br />
253 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1980. Seite 80.<br />
254 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 123.; vgl. auch Rösch. 1987. Seite 69.<br />
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3 Aspekte der Befreiungspädagogik <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong>s und feministisch-politischer <strong>Bildungsarbeit</strong><br />
der Menschen verbunden sind. 255 Die Erzieher erfahren dies durch Interviews in<br />
informellen Zusammenkünften <strong>mit</strong> den Bewohnern des Gebietes. 256 Dadurch werden<br />
Sehnsüchte, Frustrationen, Unglaube, Hoffnung und die Intensität des Bedürfnisses <strong>nach</strong><br />
Teilnahme deutlich. 257<br />
Im weiteren Verlauf treffen die Erzieher eine Auswahl der ´generativen Wörter`, anhand<br />
derer typische existentielle Situationen der Gruppe bildlich dargestellt, also ´kodiert`<br />
werden. Die ´Kodierungen` gelten als Herausforderungen für die Gruppenteilnehmer, da<br />
sie verschiedene Elemente beinhalten, die von den Mitgliedern gemeinsam <strong>mit</strong> dem<br />
Koordinator ´dekodiert` werden müssen. 258 Durch die Diskussion über die ´kodierte`<br />
Situation in all ihren Aspekten gelangen die Teilnehmer so zu einem kritischen<br />
Bewusstsein. 259 Darauf aufbauend wird die Aufmerksamkeit durch den Erzieher auf das<br />
´generative Wort` gelenkt, so dass dieses anhand von Bildern visuell erfasst werden kann.<br />
Es wird eine „semantische Beziehung zwischen Wort und bezeichnetem Gegenstand<br />
hergestellt“ 260 , wodurch die Teilnehmer allmählich das Lesen und Schreiben erlernen. 261<br />
Die Auseinandersetzung <strong>mit</strong> den alltäglichen Problemen eröffnet aber auch Perspektiven<br />
für die Analyse regionaler und nationaler Probleme. 262<br />
Die <strong>nach</strong>alphabetische Erwachsenenbildung<br />
Die Nachalphabetisierungsphase ist unlösbar <strong>mit</strong> der Alphabetisierung verbunden. Sie<br />
setzt diese fort, intensiviert und diversifiziert den in der Alphabetisierung beginnenden<br />
Erkenntnisakt. Beide Teile ergeben zusammen zwei Momente des gleichen<br />
gesellschaftlichen Bildungsprozesses. Der Erkenntnisakt vollzieht sich dabei stets in der<br />
Umsetzung einer Theorie in die Praxis. 263<br />
255 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1974. Seite 66f.<br />
256 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1980. Seite 66.; vgl. auch <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 123f.; Rösch. 1987. Seite 69.<br />
257 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1980. Seite 67.<br />
258 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1974. Seite 69.; vgl. auch Rösch. 1987. Seite 70.<br />
Beispiel für ein ´generatives Wort` und seine ´Kodierung`: Generatives Wort → Arbeit, Kodierung → Männer<br />
und Frauen bei der Arbeit. Vgl. <strong>Freire</strong>. 1980. Seite 101.<br />
259 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1974. Seite 69.<br />
260 <strong>Freire</strong>. 1974. Seite 70.<br />
261 Um tatsächlich Lesen und Schreiben zu lernen, bedarf es selbstverständlich mehr als nur der<br />
semantischen Verbindung von Wort und Gegenstand beziehungsweise Situation. Dies an die<strong>ser</strong> Stelle weiter<br />
zu erläutern, würde jedoch den Rahmen der Arbeit sprengen. Für genauere Informationen vgl. <strong>Freire</strong>. 1974.<br />
Seite 70ff.<br />
262 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1974. Seite 69.; vgl. auch Rösch. Seite 70.<br />
263 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1980. Seite 108.<br />
39
3 Aspekte der Befreiungspädagogik <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong>s und feministisch-politischer <strong>Bildungsarbeit</strong><br />
Das Muster ist ähnlich dem der Alphabetisierung, jedoch wird jetzt in der ersten Phase<br />
<strong>nach</strong> ´generativen Themen` und nicht mehr nur <strong>nach</strong> ´generativen Wörtern` gesucht.<br />
Diese Themen können epochal weit gefasst sein oder sich im engeren Sinne auf<br />
Charakteristiken für Gesellschaften beziehen, wie beispielsweise das Thema der<br />
Herrschaft. 264 Um diese Themen zu finden, müssen die Erzieher das Leben in der Region<br />
unter die Lupe nehmen, also die Redensart der Menschen, ihren Lebensstil, wie auch ihr<br />
Verhalten in Kirche und Arbeit. 265 Denn die ´generativen Themen` sind ausschließlich<br />
innerhalb des Mensch-Welt-Verhältnisses erfassbar, das heißt in den Beziehungen des<br />
Menschen <strong>mit</strong> der Welt. 266 Nach der Auswahl der ´generativen Themen` werden<br />
existentielle Grenzsituationen 267 wiederum ´kodiert`, also verschlüsselt dargestellt. 268<br />
Während des ´Dekodierens` wird schließlich die Grenzsituation aufgespaltet und die<br />
jeweiligen Teile auf ihre Funktionen in der Interaktion <strong>mit</strong>einander analysiert. 269 Die<br />
Menschen stellen außerdem dar, wie sie die Welt sehen und wie sie in der Grenzsituation<br />
handelten. 270 Durch diese Auseinandersetzung können die Teilnehmer allmählich in der<br />
Grenzsituation einen Sinn sehen. 271 Sie kommen zu einem neuen Verständnis und zu<br />
neuem Wissen. 272 <strong>Freire</strong> formuliert wie folgt:<br />
„Nur wo sich diese Situation nicht mehr als festgefügte, sich abschließende<br />
Wirklichkeit oder als quälende Sackgasse präsentiert, wo Menschen anfangen<br />
können, sie als objektiv-problematische Situation zu begreifen – nur dort kann<br />
es Verpflichtung geben. Menschen tauchen aus ihrer Überflutung herauf und<br />
gewinnen die Fähigkeit, dort, wo sie enthüllt wird, in die Wirklichkeit<br />
einzugreifen. Das Eingreifen in die Wirklichkeit – das historische<br />
Gewahrwerden im eigentlichen Sinn – stellt sich so dar als ein Schritt über das<br />
Auftauchen hinaus und ergibt sich aus der conscientização der Situation.“ 273<br />
Der Mensch ist also durch das Eingreifen in die Welt auf dem Weg, ein bewusster Mensch<br />
zu werden und so<strong>mit</strong> seine Würde wiederzugewinnen.<br />
264 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 114.<br />
265 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 125.<br />
266 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 118<br />
267 Eine Grenzsituation kommt immer dann zustande, wenn eine Situation auf der einen Seite Menschen<br />
direkt oder indirekt dient, anderen Menschen aber auf der anderen Seite das Existenzrecht, die Freiheit,<br />
bestreitet. Vgl. <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 113.; vgl. auch Rösch. 1987. Seite 52.<br />
268 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 117.<br />
269 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 117.<br />
270 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 130.; vgl. auch Rösch. 1987. Seite 75.<br />
271 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 117.<br />
272 Vgl. <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 130.<br />
273 <strong>Freire</strong>. 1971. Seite 122.<br />
40
3 Aspekte der Befreiungspädagogik <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong>s und feministisch-politischer <strong>Bildungsarbeit</strong><br />
Zusammenfassung<br />
<strong>Freire</strong>s Konzept der befreienden <strong>Bildungsarbeit</strong> ist zwar ein sehr guter Ansatz, um <strong>mit</strong><br />
unterdrückten Menschen im Allgemeinen arbeiten zu können, aber aus seinen<br />
anthropologischen Aussagen geht ein deutlicher androzentrischer 274 Duktus hervor, denn<br />
er spricht von Menschen, ohne eine Unterscheidung von Mann und Frau zu machen. Die<br />
Frage des Geschlechts taucht in seinen Hauptwerken also nicht auf. Ebenso zeigt sich<br />
der Androzentrismus in <strong>Freire</strong>s Sprache. Er spricht stets von dem Lehrer, dem Schüler,<br />
dem Unterdrücker, dem Unterdrückten. Die weibliche Form findet keine Berücksichtigung,<br />
die Frauen werden höchstens in den Begriffen <strong>mit</strong>gemeint. 275<br />
Bei der Untersuchung des Unterdrückerphänomens geht <strong>Freire</strong> ebenso wenig auf das<br />
Geschlechterverhältnis ein, sondern beschränkt sich lediglich auf die Unterdrückung der<br />
Armen durch die Reichen. Dass diese Unterdrückung aber unterschiedliche<br />
Auswirkungen auf Frauen und Männer hat, erwähnt er nicht. 276<br />
Nichtsdestotrotz kann seine Theorie der Unterdrückung Anstöße für die<br />
lateinamerikanische <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> Frauen bringen, denn die Analyse der<br />
Unterdrückung ist sehr allgemein und abstrakt, so dass sie auch auf die Unterdrückung<br />
von Frauen angewandt werden kann. Die Untersuchung über die Aneignung des<br />
´Unterdrücktseins` und deren Verfestigung in der Persönlichkeitsstruktur hat dennoch<br />
Gültigkeit. Die Internalisierung der Wertvorstellungen und Richtlinien der Unterdrücker,<br />
also der Männer, hat nämlich zur Folge, dass die Frauen sich in hierarchischen<br />
Geschlechterverhältnissen <strong>mit</strong> den Augen der Männer sehen und sich an männlichen<br />
Maßstäben messen. Dadurch wächst die Selbsterniedrigung und geringes Selbstvertrauen.<br />
Und gerade in einer dualen Ökonomie, die sich in Marktökonomie und<br />
Familienökonomie gliedert, ist die Geschlechterhierarchie und die geschlechtsspezifische<br />
Arbeitsteilung enorm. 277<br />
274 Unter Androzentrismus versteht Silvia Hagleitner „jene Sicht-, Denk- und Handlungsweise, die vorgibt,<br />
geschlechtsneutral zu sein, in Wahrheit aber geschlechtliche Differenz und da<strong>mit</strong> die Unterschiedlichkeit von<br />
Mann-Sein und Frau-Sein in un<strong>ser</strong>er Gesellschaft ausblendet.“ Hagleitner, Silvia: Mit Lust an der Welt – in<br />
Sorge um sie. Feministisch-politische <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>nach</strong> <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong> und Ruth C. Cohn. Matthias-<br />
Grünewald-Verlag. Mainz. 1996. Seite 102.<br />
275 Vgl. Hagleitner. 1996. Seite 102.<br />
276 Vgl. Hagleitner. 1996. Seite 103.<br />
277 Vgl. Hagleitner. 1996. Seite 104f.<br />
41
3 Aspekte der Befreiungspädagogik <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong>s und feministisch-politischer <strong>Bildungsarbeit</strong><br />
Deswegen darf gerade in Südamerika die Befreiungstheorie nicht die Frauen außer Acht<br />
lassen, die auf kultureller, politischer und wirtschaftlicher Ebene gegenüber den Männern<br />
strukturell be<strong>nach</strong>teiligt sind.<br />
3.2 Feministisch-politische <strong>Bildungsarbeit</strong><br />
Die Forderung <strong>nach</strong> speziell femininen Aspekten in der Befreiungstheorie wird deutlich.<br />
So könnte die feministisch-politische <strong>Bildungsarbeit</strong> diese möglicherweise erweitern<br />
beziehungsweise ergänzen, so dass sie einer <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> Frauen gerecht wird.<br />
Dazu müssen zunächst die Begriffe „Politik“, „Feminismus“ und „Gender“ verdeutlicht<br />
werden, um zu klären, welche Gesichtspunkte tatsächlich brauchbar sind.<br />
3.2.1 Der Politikbegriff<br />
Der einer politischen <strong>Bildungsarbeit</strong> zugrundegelegte Politikbegriff bestimmt jeweils deren<br />
theoretische und praktische Reichweite, denn es ist der Politikwissenschaft bisher noch<br />
nicht gelungen, eine einheitliche Definition von Politik zu finden. Doch es ist eindeutig,<br />
dass ein frauengerechter Politikbegriff die Realität von Frauen beinhalten, diese zum<br />
Thema machen und da<strong>mit</strong> den Interessen von Frauen Raum geben muss. 278<br />
Ein enger staats- und institutionenzentrierter Begriff wäre in diesem Rahmen nicht<br />
angebracht, da er die politisch-öffentliche Sphäre von der privat-häuslichen Sphäre trennt<br />
und da<strong>mit</strong> Frauen direkt aus dem politischen Bereich ausschließt. Dadurch werden die<br />
weiblichen Interessen sowie Bedürfnisse ausgegrenzt und Frauen in ihren Aussagen und<br />
Handlungsvollzügen diskriminiert. Es ist also ein Politikbegriff notwendig, der eben diese<br />
Polarisierung nicht vornimmt. 279 Mitte der 70er Jahre forderten in Deutschland die Frauen<br />
die Vergesellschaftung von Familie und Beziehung und machten da<strong>mit</strong> bisher unpolitische<br />
Themen aus dem Privaten öffentlich, was durch den Slogan „´Das Private ist politisch!`“ 280<br />
278 Vgl. Hagleitner. 1996. Seite 28.<br />
279 Vgl. Hagleitner. 1996. Seite 28f.<br />
280 Gieseke, Wiltrud: Politische Frauenbildung. In: Sotelo, Elisabeth de: Frauenweiterbildung. Innovative<br />
Bildungstheorien und kritische Anwendungen. Deutscher Studien Verlag. Weinheim. 2000. Seite 51.; vgl. auch<br />
Hagleitner. 1996. Seite 29; Mies, Maria: Patriarchat und Kapital. Frauen in der internationalen Arbeitsteilung.<br />
4. Auflage. Rotpunktverlag. Fulda. 1992. Seite 14.; Holland-Cunz, Barbara: Demokratiekritik: Zu Staatsbildern,<br />
Politikbegriffen und Demokratieformen. In: Becker, Ruth/Kortendiek, Beate (Hrsg): Handbuch Frauen- und<br />
42
3 Aspekte der Befreiungspädagogik <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong>s und feministisch-politischer <strong>Bildungsarbeit</strong><br />
deutlich wurde. Daraus lässt sich folgern, dass ein weit gefasster Politikbegriff jeden<br />
Gesellschaftsbereich als potentiell politisch, also veränderbar und demokratisierbar<br />
ansieht. Nach Silvia Hagleitner sind hierbei auch unbewusste, ungeplante und spontane<br />
Handlungsformen politisch bedeutsam, obgleich sie nicht un<strong>mit</strong>telbar politisch sind.<br />
Ebenso relevant ist die Tatsache, dass immer ein Zusammenhang besteht zwischen den<br />
Mikrobereichen 281 Familie, Schule oder ähnlichen Gruppen und dem Makrobereich Staat<br />
und Gesellschaft; das heißt, sie beeinflussen sich gegenseitig. 282<br />
Wenn nun Politik in Bezug zu Demokratie steht, so „wird Macht zu einem umkämpften,<br />
knappen Gut, denn es gibt mehr MachtinteressentInnen als Machtpositionen.“ 283 So<strong>mit</strong><br />
wird der Machtkonflikt zu einem Wesensmerkmal der Demokratie. Mit dem<br />
demokratischen Politikbegriff ist logischerweise auch ein partizipatorischer verbunden,<br />
denn in der demokratischen Politik soll durch Partizipation und aktive Mitgestaltung die<br />
Macht beschränkt werden. Dazu müssen sich zunächst von einem bestimmten Problem<br />
Betroffene <strong>mit</strong>einander austauschen und sich <strong>mit</strong> der Situation auseinandersetzen. Erst<br />
dann können gesellschaftliche Veränderungen stattfinden. Soziales und politisches<br />
Handeln wird so<strong>mit</strong> zu einem kollektiven Vorgang. 284<br />
3.2.2 Der Begriff des Feminismus<br />
Analog zu dem Politikbegriff lässt sich auch der Begriff des Feminismus nicht eindeutig<br />
definieren, da es viele verschiedene Ausrichtungen gibt und er zudem dem historischen<br />
Wandel unterworfen ist. Eine für diese Arbeit angebrachte Definition zeigt jedoch Paula-<br />
Irene Villa auf, welche Feminismus versteht als<br />
„die Einsicht in strukturelle, herrschaftsförmige, historisch gewordene<br />
Ungleichheit und Ungleichwertigkeit der Geschlechter im Zusammenhang <strong>mit</strong><br />
Geschlechterforschung. Theorie, Methoden, Empirie. VS Verlag für Sozialwissenschaften. Wiesbaden. 2004.<br />
Seite 469.<br />
281 Die Soziologie unterscheidet soziale Phänomene auf verschiedenen Ebenen. Die Mikroebene bezieht sich<br />
auf kleine Gruppen wie beispielsweise die Familie oder Intimgruppen und das zwischenmenschliche Verhalten<br />
der einzelnen Individuen. Auf der Mesoebene – der intermediären Ebene – treffen Handeln und soziale<br />
Systeme aufeinander. Die Gesellschaft als soziales Gebilde wird im Rahmen der Makroebene untersucht. Vgl.<br />
http://www.mikrooekonomie.de/Soziologie.html vom 20.11.2007.<br />
282 Vgl. Hagleitner. 1996. Seite 29f.<br />
283 Hagleitner. 1996. Seite 32.<br />
284 Vgl. Hagleitner. 1996. Seite 32f.<br />
43
3 Aspekte der Befreiungspädagogik <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong>s und feministisch-politischer <strong>Bildungsarbeit</strong><br />
anderen (Ungleichheits-) Strukturen sowie der Anspruch, anhand<br />
verschiedener Praxen diese Strukturen zu überwinden.“ 285<br />
Der Feminismus ist also eine politische, da interessensgeleitete Bewegung <strong>mit</strong> dem Ziel,<br />
patriarchale Herrschaftsstrukturen aufzuheben. Denn durch bestehende Machtverhältnisse<br />
in einem Patriarchat werden Frauen durch Männer ausgebeutet und unterdrückt:<br />
Die Frauen sind den Männern aufgrund ihrer Geschlechterrolle 286 unterworfen und die<br />
Männer können über die Arbeitskraft der Frauen verfügen. Patriarchat wird dabei also<br />
verstanden als ein kulturelles und historisches Phänomen, an dessen Spitze die Männer<br />
stehen und das sich durch Sozialisation verfestigt hat. Feminismus zielt in diesem Sinne<br />
auf die Befreiung aus diesen Herrschaftsverhältnissen <strong>mit</strong> dem Streben <strong>nach</strong> Selbstbestimmung<br />
und Unabhängigkeit. 287<br />
Frauen aus Asien, Südamerika und Afrika lehnten den westlichen Begriff des Feminismus<br />
zunächst ab, da er zu sehr von dem Problem der Armut und Entwicklung des Landes<br />
ablenke. Nach der Internationalen UNO-Zwischen-Frauenkonferenz 1980 in Kopenhagen<br />
wurde er jedoch auch in deren Diskussionen und Schriften nicht mehr vermieden. 288<br />
3.2.3 Der Gender-Ansatz<br />
Der Begriff des Patriarchats lässt auf Differenzen in der Geschlechterbeziehung<br />
schließen. Dem<strong>nach</strong> muss an die<strong>ser</strong> Stelle auch auf den Gender-Ansatz eingegangen<br />
werden, der in den 80er Jahren als neues Paradigma in der Entwicklungs-<br />
285 Villa, Paula-Irene: Woran erkenne ich eine Feministin? Polemische und programmatische Gedanken zur<br />
Politisierung von Erfahrungen. In: Knapp, Gudrun-Alexi/Wetterer, Angelika (Hrsg.): Achsen der Differenz.<br />
Gesellschaftstheorie und feministische Kritik II. Westfälisches Dampfboot. Münster. 2003. Seite 266.<br />
286 Auf die Bedeutung von Geschlechterrollen wird im nächsten Kapitel näher eingegangen.<br />
287 Vgl. Hagleitner. 1996. Seite 36.<br />
Maria Mies geht von einem weiter gefassten Begriff des Patriarchats aus, der in erster Linie von marxistisch<br />
und sozialistisch orientierten Frauen benutzt wird, denn sie bezieht die ökonomischen Verhältnisse einer<br />
Gesellschaft <strong>mit</strong> ein. Vgl. Mies. 1992. Seite 23.<br />
Das Patriarchat als System ist dem<strong>nach</strong> ganz eng <strong>mit</strong> dem Kapitalismus, den sie als dessen universalste<br />
Äußerungsform ansieht, und seinen Gesetzmäßigkeiten verbunden. Frauenunterdrückung ist also ein<br />
wesentlicher Bestandteil kapitalistisch-patriarchaler Produktionsverhältnisse: „Sie ist Bestandteil des<br />
Paradigmas ewigen Wachstums, stetig sich vergrößernder Produktivkräfte, einer unbeschränkten Ausbeutung<br />
der Natur, einer unbeschränkten Warenproduktion, stetig sich ausbreitender Märkte und unendlicher<br />
Akkumulation des fixen Kapitals.“ Mies. 1992. Seite 36f.<br />
Politisches Ziel des Feminismus ist folglich die Überwindung des kapitalistischen Patriarchats und das<br />
Schaffen einer Realität ohne jegliche Ausbeutung und Zerstörung. Vgl. Mies. 1992. Seite 36.<br />
288 Vgl. Mies. 1992. Seite 15f.<br />
44
3 Aspekte der Befreiungspädagogik <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong>s und feministisch-politischer <strong>Bildungsarbeit</strong><br />
zusammenarbeit 289 entstand. Er war eine Reaktion auf bisherige isolierte Maßnahmen der<br />
vorangegangen Frauenförderung 290 , denn der bisherige Ansatz der<br />
„Integration von Frauen in die Erwerbsarbeit und auch in das Bildungs- und<br />
Gesundheitssystem mag Lebens- und Arbeitsbedingungen zwar graduell<br />
verbes<strong>ser</strong>t haben, hat jedoch in keinem kapitalistischen oder sozialistischen<br />
Land die Hierarchie der Geschlechter beseitigt, sondern dem patriarchal<br />
bestimmten Geschlechterverhältnis höchstens neue Ausdrucks- und<br />
Verlaufsnormen gegeben.“ 291<br />
Der Begriff Gender löste in der institutionalisierten Entwicklungszusammenarbeit alsbald<br />
schließlich den der Frauenförderung im oben genannten Sinne ab. Das Gender-Konzept<br />
wird als ein offenes und dynamisches verstanden 292 , welches die Geschlechtergleichheit<br />
als gesellschaftlichen Anspruch zugrunde legt, aber gleichzeitig Differenzbeobachtungen<br />
293 nutzt, um die Geschlechterspiele zu analysieren. 294 Der alleinige und<br />
isolierende Fokus auf Frauen soll überwunden 295 und stattdessen beide Perspektiven, die<br />
der Männer und Frauen, erfasst werden. Erst dadurch können die<br />
289 Der Begriff der Entwicklungszusammenarbeit hat den der Entwicklungshilfe abgelöst und ist Teil der<br />
deutschen Entwicklungspolitik. Er bezieht sich auf die entwicklungspolitische Zusammenarbeit Deutschlands<br />
<strong>mit</strong> Ländern und Organisationen. Letztere werden jedoch heute nicht mehr als Hilfeempfänger, sondern<br />
vielmehr als Partner angesehen. Vgl. http://www.bmz.de/de/<strong>ser</strong>vice/fragen/index.html vom 15.11.2007.<br />
290<br />
Vgl. Többe-Schukalla, Monika: Gender-Perspektiven in der Entwicklungszusammenarbeit. In:<br />
Hasenjürgen, Brigitte/Rohleder, Christiane (Hrsg.): Geschlecht im sozialen Kontext. Perspektiven für die<br />
Soziale Arbeit. Verlag Barbara Budrich. Opladen. 2005. Seite 289.<br />
291 Wichterich, Christa: Paradigmenwechsel. Von der „Integration in die Entwicklung“ zur „Feminisierung der<br />
Entwicklung“. In: Peripherie. Zeitschrift für Politik und Ökonomie in der dritten Welt. Heft 25/26. 1987. Seite<br />
127.<br />
292 Vgl. Többe-Schukalla. 2005. Seite 289f.<br />
293 In der Frauenbewegung gibt es verschiedene ´Weiblichkeitsentwürfe`, die durch die Gleichheitstheorie<br />
einerseits und die Differenztheorie andererseits beschrieben werden. Die Gleichheitstheorie geht davon aus,<br />
dass Frauen erst dann Befreiung und Selbstverwirklichung erreichen können, wenn sie durch gleiche<br />
Chancen und Rechte an männlicher Macht teilhaben können. Dazu sollen sie sich männliche Werte und<br />
Vorgehensweisen aneignen, um ein vollständiger Mensch zu werden. Die<strong>ser</strong> Ansatz verleugnet jedoch das<br />
Frau-Sein und verfestigt das Bild der ´passiven` Frau. Die Differenztheorie wird vor allem durch Christa<br />
Mulack vertreten. Mulack ist laut Hagleitner der Ansicht, dass die Frauen sich auf ihre weiblichen Fähigkeiten<br />
und Stärken besinnen sollen, so dass sie durch diese Bewusstwerdung den Kampf um Gleichberechtigung<br />
nicht mehr führen müssen. Es wird eine weibliche Gegenwelt im Gegensatz zu der Männerwelt aufgebaut.<br />
Vgl. Hagleitner. Seite 41ff.<br />
In der Differenztheorie gehen die Unterschiede zwischen Frauen <strong>nach</strong> Klasse und Ethnie unter. Außerdem<br />
besteht durch das zugrundegelegte Denkmuster der Zweigeschlechtlichkeit die Gefahr der Entstehung einer<br />
„überhistorischen Ideologisierung des Weiblichen“. Lenz, Ilse: Neue Nachrichten von Nirgendwo? Zu neuen<br />
Perspektiven in der Geschlechterfrage. In: Hasenjürgen, Brigitte/Preuß, Sabine (Hrsg.): Frauenarbeit –<br />
Frauenpolitik. Internationale Diskussionen. Westfälisches Dampfboot. Münster. 1993. Seite 107f.<br />
294 Vgl. Gieseke, Wiltrud. 2000. Seite 49f.<br />
295 Vgl. Többe-Schukalla. 2005. Seite 293.<br />
45
3 Aspekte der Befreiungspädagogik <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong>s und feministisch-politischer <strong>Bildungsarbeit</strong><br />
Geschlechterverhältnisse in einem soziokulturellen Kontext erkannt werden und<br />
bestehende Ungleichheiten gemäß einer egalitären Machtverteilung verändert werden. 296<br />
Die Ausgangslage dieses Ansatzes ist die Differenzierung zwischen sex, dem<br />
biologischen und angeborenen Geschlecht, und gender, dem sozialen Geschlecht.<br />
Letzteres ist eine soziale Konstruktion, die sich aus Einstellungsmustern und Rollen<br />
ergibt, die von Männern und Frauen während der Sozialisation erlernt werden. Der Begriff<br />
Gender wird folglich kulturell bestimmt. 297<br />
In der konkreten Gender-Analyse wird die geschlechtsspezifische Arbeits- und<br />
Aufgabenverteilung wie auch deren Wahrnehmung und Bewertung untersucht. 298 Dazu<br />
wird zwischen so genannten ´strategic gender needs` und ´practical gender needs`<br />
unterschieden. Die ´strategic gender needs` beziehen sich auf die Erkenntnis und<br />
Veränderung struktureller Ursachen von Unterdrückungsverhältnissen. Rechte,<br />
Arbeitsbezahlung, Macht und politische Handlungsstrategien müssen <strong>mit</strong> dem Ziel der<br />
Gleichstellung von Frauen und Männern verändert werden. 299 ´Practical gender needs`<br />
beinhalten alle Grundbedürfnisse zur Sicherung des Überlebens, die beispielsweise durch<br />
einkommensschaffende Maßnahmen und Unterstützung im Basisgesundheitsdienst<br />
zufrieden gestellt werden könnten. Da aber die typischen einkommens- und<br />
beschäftigungsschaffenden Maßnahmen nicht zur Befreiung der Frauen aus ihren<br />
marginalen Positionen führen 300 , bedarf die Frauenemanzipation einer Transformation des<br />
Gesellschaftssystems. 301<br />
In diesem Sinne wurde Mitte der 80er das Empowerment 302 zu einem bedeutsamen Ziel<br />
des Gender-Ansatzes in der Entwicklungszusammenarbeit. 303 Denn das Empowerment ist<br />
ein Konzept,<br />
296 Vgl. Bartels, Ulrike: Vom Gender-Ansatz in der Entwicklungspolitik. In: ila. Zeitschrift der Informationsstelle<br />
Lateinamerika. Heft 206. 1997. Seite 44f.<br />
297 Vgl. Bartels. 1997. Seite 44.; vgl. auch Preuß, Sabine/Seyfferth, Anne: Defizite und Alternativen in den<br />
Strategien zur Frauenförderung. In: Hasenjürgen, Bigitte/Preuß, Sabine: Frauenarbeit – Frauenpolitik.<br />
Internationale Diskussionen. Westfälisches Dampfboot. Münster. 1993. Seite 118.; Derichs-Kunstmann, Karin:<br />
Vom Geschlechter-Verhältnis in der Weiterbildung zum „Gender-Training“. Entwicklungen der<br />
Geschlechterthematik. In: Sotelo, Elisabeth de: Frauenweiterbildung. Innovative Bildungstheorien und<br />
kritische Anwendungen. Deutscher Studienverlag. 2000. Seite 112.<br />
298 Vgl. Bartels. 1997. Seite 44.<br />
299 Vgl. Többe-Schukalla. 2005. Seite 294.; vgl. auch Preuß. 1993. Seite 118.<br />
300 Vgl. Preuß. 1993. Seite 118ff.<br />
301 Vgl. Többe-Schukalla. 2005. Seite 294.<br />
302 Empowerment bedeutet „´Selbst-Bemächtigung`, ´Stärkung von Autonomie und Selbstbestimmung`.“;<br />
Herriger, Norbert: Empowerment in der Sozialen Arbeit. Eine Einführung. 3., erweiterte und aktualisierte<br />
Auflage. Kohlhammer. Stuttgart. 2006. Seite 13.<br />
46
3 Aspekte der Befreiungspädagogik <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong>s und feministisch-politischer <strong>Bildungsarbeit</strong><br />
„das Geschlechtergerechtigkeit in bottom-up-Prozessen, von der<br />
gesellschaftlichen Basis aus, erreichen und die individuelle Emanzipation von<br />
Frauen <strong>mit</strong> der Transformation gesellschaftlicher Ungleichheitslagen<br />
verknüpfen will.“ 304<br />
Mit Empowerment ist gleichzeitig die Forderung <strong>nach</strong> Partizipation in den Vordergrund<br />
getreten, die eine kontinuierliche Integration der Zielgruppeninteressen notwendig<br />
macht. 305<br />
Wird der Gender-Ansatz auch häufig kritisiert und mag er allein nicht direkt zu einer<br />
Überwindung der strukturellen Diskriminierung der Frauen führen 306 , so regt er doch einen<br />
gesellschaftlichen Gestaltungsprozess an, „der sowohl politische Aktionsfelder, Sozialräume<br />
(strategische Interessen) als auch un<strong>mit</strong>telbare Lebenswelten (praktische<br />
Interessen) umfasst.“ 307 Durch sein langfristiges Ziel des Empowerment an der Basis ist er<br />
häufig konkreter und effektiver als halbherzige Lösungen von Frauenfragen von oben. 308<br />
Zusammenfassung<br />
Auf der Basis der erläuterten Begriffe Politik, Feminismus und Empowerment im Gender-<br />
Kontext kann feministisch-politische <strong>Bildungsarbeit</strong> verstanden werden als<br />
„ein von Frauen geplantes und <strong>mit</strong> Frauen durchgeführtes gemeinsames<br />
Lernen, ein Lernen wider die [...] patriarchalen Gesetzmäßigkeiten, ein<br />
Herausbilden von Selbstdefinition und Selbstbewusstsein der Frauen, ein<br />
Befreien der Frauen aus einengenden Denk- und Rollenmustern.“ 309<br />
Sie kann als Reflexions-, Aktivierungs- und Befreiungsarbeit definiert werden. 310<br />
303 Vgl. Többe-Schukalla. 2005. Seite 294.<br />
304 Ruppert, Uta: Frauenpolitik in der Globalisierung: Zwischen feministischer Kritik, Gender Mainstreaming<br />
und Empowerment. In: Randzio-Plath, Christa (Hrsg.): Frauen und Globalisierung. Zur Geschlechtergerechtigkeit<br />
in der Dritten Welt. Verlag J.H.W. Dietz. Bonn. 2004. Seite 28.<br />
305 Vgl. Többe-Schukalla. 2005. Seite 294.<br />
306 Vgl. Bartels. 1997. Seite 45.<br />
307 Többe-Schukalla. 2005. Seite 296.<br />
308 Vgl. Ruppert. 2004. Seite 28.<br />
309 Hagleitner. 1996. Seite 67.<br />
310 Vgl. Hagleitner. 1996. Seite 69.<br />
47
3 Aspekte der Befreiungspädagogik <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong>s und feministisch-politischer <strong>Bildungsarbeit</strong><br />
3.3 Anstöße der feministisch-politischen <strong>Bildungsarbeit</strong> für die befreiende<br />
<strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong>s<br />
Aus der obigen Darstellung der befreienden <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>nach</strong> <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong> und der<br />
feiministisch-politischen <strong>Bildungsarbeit</strong> kristallisiert sich heraus, dass beide Ansätze das<br />
gleiche Ziel verfolgen: Die Befreiung der Menschen anhand von Befähigungsprozessen.<br />
Beide Konzepte sind sich einig, dass dies nur im Dialog <strong>mit</strong> anderen stattfinden kann, also<br />
durch Arbeit in einem Kollektiv. Daraus und aus der Absicht, bestehende Strukturen zu<br />
verändern, ergibt sich der politische Aspekt, den beide für unerlässlich halten, um<br />
tatsächlich etwas in der Gesellschaft bewirken zu können. Dabei geht feministischpolitische<br />
<strong>Bildungsarbeit</strong> jedoch über <strong>Freire</strong> hinaus, da sie auch den privaten Bereich zum<br />
öffentlichen Thema macht. Beide Ansätze verdeutlichen, dass Bildung allein keine<br />
Strukturen verändern kann.<br />
Des Weiteren ergänzt aber die feministisch-politische <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>Freire</strong>s Konzept um<br />
einige Aspekte. So sollte zunächst der Lehrer durch die Lehrerin ersetzt werden, da es<br />
sinnvoller ist, wenn Frauen anstelle von Männern <strong>mit</strong> unterdrückten Frauen arbeiten.<br />
Denn die feministische <strong>Bildungsarbeit</strong> geht von dem Frau-Sein als entscheidender<br />
Erfahrung aus 311 , welche ein Mann selbstverständlich nicht teilen kann. Aus die<strong>ser</strong><br />
Erfahrung heraus ergeben sich auch die Themen, die in der konkreten Alphabetisierung<br />
und Nachalphabetisierung analysiert werden. Zudem ist Frauenbildung an Zuneigung<br />
füreinander geknüpft, sie ist also „eine Praxis gelebter Frauenfreundschaft“. 312 Ebenso<br />
relevant ist die Tatsache, dass in der Frauenbildungsarbeit nicht von ´Lehrerinnen` und<br />
´Schülerinnen` gesprochen wird, sondern alle Frauen als Teilnehmerinnen des Bildungsprozesses<br />
gelten. Dies ergibt sich jedoch bereits aus der Tatsache, dass<br />
Frauenbildungsarbeit außerschulisch stattfindet. 313<br />
Die Gender-Analyse dient als ein Werkzeug zum bes<strong>ser</strong>en Verständnis der<br />
Lebensweltkonstruktionen von Männern und Frauen und bildet so<strong>mit</strong> die Ausgangslage<br />
der <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> Frauen. Auch bei <strong>Freire</strong> gehört zunächst das Untersuchen der<br />
Alltagswelt der Gruppe <strong>mit</strong> ihren Konstruktionen zur Alphabetisierungsmethode. In diesem<br />
Sinn kann die Gender-Analyse die allgemeiner gehaltene Untersuchung ergänzen.<br />
311 Vgl. Schiersmann, Christiane: Frauenbildung. Konzepte, Erfahrungen, Perspektiven. Juventa Verlag.<br />
Weinheim, München. 1992. Seite 32.<br />
312 Hagleitner. 1996. Seite 109.<br />
313 Vgl. Hagleitner. 1996. Seite 111.<br />
48
3 Aspekte der Befreiungspädagogik <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong>s und feministisch-politischer <strong>Bildungsarbeit</strong><br />
Werden nun diese Aspekte aus der feministisch-politischen <strong>Bildungsarbeit</strong> in der<br />
Befreiungspädagogik <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong>s berücksichtigt, so kann sein Konzept generell auch<br />
auf Frauen, die durch Männer unterdrückt werden, angewandt werden.<br />
3.4 Paraguay – eine Gesellschaft im Übergang<br />
Ob sich <strong>Freire</strong>s Konzept <strong>mit</strong> Ergänzung der feministischen Aspekte nun insbesondere für<br />
die <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> unterdrückten Frauen Paraguays eignet, soll in diesem Kapitel<br />
geklärt werden. Die mögliche Anwendung hängt davon ab, ob Paraguay eine<br />
´Gesellschaft im Übergang`314 ist, denn diese bildet für <strong>Freire</strong> die Ausgangslage für eine<br />
politische Alphabetisierung.<br />
Paraguay war eine abhängige koloniale Gesellschaft 315 , die sich seit dem Jahre 1989 in<br />
einem Demokratisierungsprozess befindet. 316 Dennoch gibt es auch heute noch<br />
Machtspiele in der Eliteklasse, währenddessen das Volk kaum Beachtung findet. Dies<br />
spiegelt sich insbesondere in der aufgezeigten hohen Analphabetenrate, besonders der<br />
Frauen, aber auch in der hohen Arbeitslosenzahl. 317<br />
Wird nun aber der feministische Aspekt in <strong>Freire</strong>s Konzept <strong>mit</strong>einbezogen, so spielt das<br />
Gefälle zwischen der Elite und dem Volk in die<strong>ser</strong> Arbeit nicht die bedeutendste Rolle.<br />
Viel relevanter ist die Tatsache, dass Frauen in Paraguay von Männern in allen Lebensund<br />
Arbeitsbereichen Jahrhunderte lang von der Kolonialisierung bis heute unterdrückt<br />
wurden und auch heute noch werden. 318 Die Ausbeutung geht also <strong>mit</strong> patriarchalen<br />
Herrschaftsverhältnissen einher 319 , die eine geschlechtergerechte Demokratie verhindern.<br />
Denn Männer als Vertreter des von Natur aus ´stärkeren` Geschlechts sehen sich selbst<br />
als ´menschliche Wesen`, wohingegen die paraguayischen Frauen auf ihre Arbeitskraft<br />
reduziert und da<strong>mit</strong> als ´Dinge` für die eigene Existenz benötigt werden. 320 Indem sie<br />
Verfügungsgewalt besitzen, werden die Männer zu ´Habenden` und die Paraguayerinnen<br />
gleichzeitig zu Objekten. Dadurch entsteht <strong>nach</strong> <strong>Freire</strong> die ´Kultur des Schweigens`. 321<br />
314 Vgl. Kapitel 3.1.1.<br />
315 Vgl. Kapitel 2.1.1.<br />
316 Vgl. Kapitel 2.1.3.<br />
317 Vgl. Kapitel 2.2.<br />
318 Vgl. Kapitel 2.<br />
319 Vgl. Kapitel 3.2.2. Seite 44.<br />
320 Vgl. Kapitel 2.<br />
321 Vgl. Kapitel 3.1.1. Seite 28f.<br />
49
3 Aspekte der Befreiungspädagogik <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong>s und feministisch-politischer <strong>Bildungsarbeit</strong><br />
Den Mythos, sie seien passive Wesen, haben die Paraguayerinnen schon lange<br />
internalisiert, was sich dadurch zeigt, dass sie sich angepasst haben und zum größten<br />
Teil bloß Zuschauerinnen der Politik sind. 322 Durch die Anpassung an die Sichtweisen von<br />
Männern, das Nicht-Verändern der Realität, haben sie sich laut <strong>Freire</strong> selbst<br />
´entmenschlicht`. 323 Paraguay ist dem<strong>nach</strong> eine ´Gesellschaft im Übergang`.<br />
Die Ausgangslage, um <strong>nach</strong> <strong>Freire</strong> <strong>mit</strong> paraguayischen Frauen arbeiten zu können, ist<br />
folglich gegeben. Die eigentliche <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> dem Ziel der Humanisierung im Sinne<br />
von politischer Partizipation könnte also in Angriff genommen werden.<br />
322 Vgl. Kapitel 2 und Kapitel 3.1.1. Seite 29.<br />
323 Vgl. Kapitel 3.1.1. Seite 29.<br />
50
4 <strong>Befreiende</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay – Eine Aufgabe der Sozialen Arbeit<br />
4 <strong>Befreiende</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay –<br />
Eine Aufgabe der Sozialen Arbeit<br />
Nun bleibt zu klären, welche Profession sich am besten dazu eignet, die befreiende<br />
<strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> den Frauen Paraguays durchzuführen. Dafür käme die Soziale Arbeit in<br />
Frage, die in die<strong>ser</strong> Arbeit gemäß der Definition des Internationalen Berufsverbands der<br />
Sozialarbeitenden aus dem Jahr 2000 verstanden wird. Dort wird sie wie folgt<br />
beschrieben:<br />
„Soziale Arbeit ist eine Profession, die sozialen Wandel, Problemlösungen in<br />
menschlichen Beziehungen sowie die Ermächtigung und Befreiung von<br />
Menschen fördert, um ihr Wohlbefinden zu verbes<strong>ser</strong>n. Indem sie sich auf<br />
Theorien menschlichen Verhaltens sowie sozialer Systeme als<br />
Erklärungsbasis stützt, interveniert Soziale Arbeit im Schnittpunkt zwischen<br />
Individuum und Umwelt/Gesellschaft. Dabei sind die Prinzipien der<br />
Menschenrechte und sozialer Gerechtigkeit für die Soziale Arbeit von<br />
fundamentaler Bedeutung.“ 324<br />
An die<strong>ser</strong> Stelle wird die Soziale Arbeit auf der Basis die<strong>ser</strong> Definition genauer betrachtet<br />
und auf ihre Bedeutung für eine befreiende <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay hin<br />
untersucht. Die Perspektive wird auf die Themen Menschenrechte, Empowerment,<br />
Lebensweltorientierung und spezielle Kompetenzen der Sozialen Arbeit gerichtet.<br />
4.1 Soziale Arbeit als Menschenrechtsprofession<br />
Indem die Soziale Arbeit sich gemäß der oben genannten Definition als Menschenrechtsprofession<br />
versteht, fordert sie einen weltweiten Bewusstseinsbildungsprozess über<br />
soziale Probleme. Diese Forderung ging einher <strong>mit</strong> der weltweiten „´Kampagne für<br />
Menschenrechte`“ 325 , die das UNO-Zentrum für Menschenrechte in Genf 1992 führte, um<br />
da<strong>mit</strong> der Weltöffentlichkeit in das Bewusstsein zu rufen, dass „die Menschenrechte nicht<br />
nur eine universelle Aufgabe, sondern seit 1992 zentraler Bestandteil des internationalen<br />
324 Staub-Bernasconi, Silvia: Soziale Arbeit als (eine) „Menschenrechtsprofession“. In: Sorg, Richard (Hrsg.):<br />
Soziale Arbeit zwischen Politik und Wissenschaft. Ein Projekt des Fachbereichs Sozialpädagogik der<br />
Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg. LIT Verlag. Münster, Hamburg, London. 2003. Seite<br />
20.<br />
325 Staub-Bernasconi. 2003. Seite 21.<br />
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4 <strong>Befreiende</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay – Eine Aufgabe der Sozialen Arbeit<br />
Rechts“ 326 sind. Vor diesem Hintergrund veröffentlichte das Centre of Human Rights der<br />
UNO in Kooperation <strong>mit</strong> der International Federation of Social Workers (IFSW) und der<br />
International Association of Schools of Social Work (IASSW) ein Manual <strong>mit</strong> dem Titel<br />
„´Human Rigths and Social Work`“. 327 Gemäß diesem verlangt die Wissenschaft der<br />
Sozialen Arbeit das Anknüpfen an die Menschen selbst <strong>mit</strong> ihren Bedürfnissen, ihrer<br />
Situation, ihren Problemen und Ressourcen. Außerdem geht sie davon aus, dass jeder<br />
Mensch lern-, reflexions- und handlungsfähig ist und dadurch sich selbst wie auch seine<br />
Umwelt verändern kann. Aus den Bedürfnissen der Menschen ergeben sich schließlich<br />
die konkreten Handlungsansätze, denn deren Befriedigung ist laut dem Manual keine<br />
subjektive Wahl, sondern vielmehr eine Forderung <strong>nach</strong> sozialer Gerechtigkeit. Dies lässt<br />
sich dadurch erklären, dass die Erfüllung menschlicher Bedürfnisse stets von anderen<br />
Menschen und arbeitsteiligen Prozessen abhängig ist, wodurch Machtverhältnisse,<br />
Be<strong>nach</strong>teiligungs- und Herrschaftsstrukturen entstehen. 328 Es geht also gleichzeitig auch<br />
immer um die Befriedigung grundlegender sozialer Ansprüche. 329 Für die professionelle<br />
Soziale Arbeit <strong>mit</strong> menschenrechtlichem Bezugsrahmen besteht nun die Aufgabe konkret<br />
darin,<br />
„a) auf der Grundlage wissenschaftlicher Forschung auf die Bedingungen und<br />
Folgen verletzter Bedürfnisse und Wünsche hinzuweisen, b) die privatisierten<br />
Nöte, wenn immer möglich zusammen <strong>mit</strong> den AdressatInnen, in öffentliche<br />
Themen zu verwandeln [...] und c) individuelle wie kollektive<br />
Bewertungsprozesse im Zusammenhang <strong>mit</strong> verletzter Bedürfnisbefriedigung<br />
in Gang zu setzen, die sich an der Vorstellung universeller Bedürfnisse und<br />
korrespondierender universeller Werte orientieren.“ 330<br />
Das erste sozialarbeiterische Organisationsprinzip der Bedürfnisorientierung wird so<strong>mit</strong><br />
durch das zweite der Menschen- und Sozialrechte ergänzt. 331 Zwar steht die Soziale<br />
Arbeit in ihrer Ausübung dabei in Abhängigkeit zu den von der Gesellschaft zur Verfügung<br />
326 Staub-Bernasconi. 2003. Seite 21f.<br />
327 Schneider, Volker: Sozialarbeit zwischen Politik und professionellem Auftrag: Hat sie ein politisches<br />
Mandat? In: Merten, Roland (Hrsg.): Hat Soziale Arbeit ein politisches Mandat? Positionen zu einem strittigen<br />
Thema. Leske + Budrich. Opladen. 2001. Seite 32.<br />
328 Vgl. Staub-Bernasconi. 2003. Seite 27ff.<br />
Silvia Staub-Bernasconi geht als Beispiel auf Frauen ein, die ein „kulturell legitimiertes Gewaltverhältnis<br />
zwischen Mann und Frau internalisiert haben, aus dem sie sich nicht zuletzt aus ökonomischen Gründen nicht<br />
herauszulösen vermögen.“ Staub-Bernasconi. 2003. Seite 29.<br />
329 Vgl. Schneider. 2001. Seite 32.<br />
330 Staub-Bernasconi. 2003. Seite 30.<br />
331 Vgl. Staub-Bernasconi. 2003. Seite 28.<br />
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4 <strong>Befreiende</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay – Eine Aufgabe der Sozialen Arbeit<br />
gestellten Ressourcen und wird durch Machtträger und Kontrollinstanzen bestimmt, sie<br />
kann sich aber eigenbestimmte und selbstdefinierte Aufträge erteilen, denn das Manual<br />
kann als „eine Art symbolische oder kulturelle Ressource“ 332 wahrgenommen werden.<br />
Dadurch muss sie nicht warten, bis ihre sozialen Auftraggeber ihr Denken und Handeln<br />
legitimieren. Vielmehr bedürfen die Staaten der Hilfe bei der Umsetzung der<br />
Menschenrechte, da sie als unzuverlässige Verwalter gelten. 333 Der Auftrag ergibt sich<br />
jedoch nicht nur aus der Eigenwahrnehmung und da<strong>mit</strong> dem professionellen<br />
Selbstverständnis, sondern auch aus dem von der UNO <strong>mit</strong>getragenen Fremdbild der<br />
Sozialen Arbeit. 334 Dadurch hat die Soziale Arbeit einen fremdbestimmten Auftraggeber,<br />
einen so genannten Mandatar. Indem sie dabei für die Beseitigung gesellschaftlicher<br />
Ungleichheiten und für soziale Gerechtigkeit eintritt, hat sie folglich ein politisches<br />
Mandat. 335<br />
Bezug zu befreiender <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>nach</strong> <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong> <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay<br />
Indem sich Soziale Arbeit als Menschenrechtsprofession versteht, nimmt sie<br />
Ungerechtigkeiten und Be<strong>nach</strong>teiligungen von Bevölkerungsgruppen wahr und zielt auf<br />
Unterstützung beim Entwickeln beziehungsweise den Wiedergewinnen sozialer und<br />
politischer Kompetenzen 336 anhand von Befreiungsprozessen. <strong>Freire</strong> geht ebenso von<br />
innergesellschaftlichen Unterdrückungsverhältnissen aus 337 , die es <strong>mit</strong>tels eines<br />
Ermächtigungsprozesses im Sinne von Bewusstseinsbildung durch politische Alphabetisierung<br />
zu überwinden gilt 338 , um als gleichwertiger Mensch an der Veränderung der<br />
Welt teilhaben zu können. Dies ist für ihn das Recht eines jeden Menschen. 339 In Bezug<br />
auf die Frauen Paraguays resultiert daraus insbesondere die Gleichstellung der<br />
Geschlechter, die <strong>mit</strong> Artikel 2 der Menschenrecht<strong>ser</strong>klärung einhergeht:<br />
332 Staub-Bernasconi. 2003. Seite 30.<br />
333 Vgl. Staub-Bernasconi. 2003. Seite 30.<br />
334 Vgl. Schneider. 2001. Seite 33f.<br />
335 Vgl. Kusche, Christoph/Krüger, Rolf: Sozialarbeit muss sich endlich zu ihrem politischen Mandat bekennen!<br />
In: Merten, Roland (Hrsg.): Hat Soziale Arbeit ein politisches Mandat? Positionen zu einem strittigen Thema.<br />
Leske + Budrich. Opladen. 2001. Seite 15f.<br />
336 Vgl. Zwicker-Pelzer, Renate: Befreiungspädagogik und Soziale Arbeit. Nachdenken über ein spannendes<br />
Verhältnis. In: Lutz, Ronald (Hrsg.): <strong>Befreiende</strong> Sozialarbeit. Skizzen einer Vision. <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong> Verlag.<br />
Oldenburg 2005. Seite 33.<br />
337 Vgl. Kapitel 3.1.1.<br />
338 Vgl. Kapitel 3.1.2.4.<br />
339 Vgl. Kapitel 3.1.2.2. Seite 33.<br />
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4 <strong>Befreiende</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay – Eine Aufgabe der Sozialen Arbeit<br />
„Jeder hat Anspruch auf alle in die<strong>ser</strong> Erklärung verkündeten Rechte und<br />
Freiheiten, ohne irgendeinen Unterschied, etwa <strong>nach</strong> Rasse, Hautfarbe,<br />
Geschlecht, Sprache, Religion, politischer oder sonstiger Anschauung,<br />
nationaler oder sozialer Herkunft, Vermögen, Geburt oder sonstigem<br />
Stand.“ 340<br />
In dem Kampf um soziale Gerechtigkeit setzt die Soziale Arbeit ebenso wie <strong>Freire</strong> an den<br />
Bedürfnissen der Menschen beziehungsweise in ihrer konkreten Lebenssituation an. 341<br />
Wie auch die Soziale Arbeit basiert <strong>Freire</strong>s Pädagogik auf der Annahme, dass jedes<br />
menschliche Wesen – und da<strong>mit</strong> auch jede Frau – lern-, handlungs- und reflexionsfähig<br />
ist. 342 Indem er auf Veränderung gesellschaftlicher Strukturen und aktiver Mitgestaltung<br />
der Realität zielt, ist sein Handeln politisches Handeln 343 , wie auch Soziale Arbeit immer<br />
politisch ist.<br />
4.2 Empowerment als professionelle Haltung der Sozialen Arbeit<br />
Da die Soziale Arbeit unter anderem die Ermächtigung und Befreiung der Menschen zum<br />
Ziel hat und an ihren Bedürfnissen anknüpft, kann das Empowerment-Konzept 344 als<br />
professionelle Haltung <strong>mit</strong> dem Fokus auf der Förderung von Potentialen zu<br />
Selbstorganisation und gemeinschaftlichem Handeln angesehen werden. Empowerment<br />
orientiert sich also an Stärken und Kompetenzen, die für die individuelle<br />
Lebensbewältigung und -gestaltung förderlich sind. 345 Die Forderung <strong>nach</strong> mehr<br />
demokratischer Selbstbestimmung und Kontrolle über den eigenen Lebensweg von<br />
Menschen, die sich bisher als ausgegrenzt, stigmatisiert und minderwertig ansehen, steht<br />
im Mittelpunkt. Dazu bedarf es der Selbstaneignung von Wissen, also der Bildung oder<br />
auch ´Selbstexpertisierung`. 346 Michael Galuske deutet auf die Förderung von Politik-<br />
340 http://www2.amnesty.de/internet/deall.nsf/windexde/TH2004001 vom 8.11.2007.<br />
341 Vgl. Kapitel 3.1.2.2. Seite 32 und Kapitel 3.1.2.6.<br />
342 Vgl. Kapitel 3.1.2.<br />
343 Vgl. Kapitel 3.1.2.5 und Kapitel 3.2.1.<br />
344 Vgl. Kapitel 3.2.3. Seite 46.<br />
345 Vgl. Galuske, Michael: Methoden der Sozialen Arbeit. Eine Einführung. 6. Auflage. Juventa Verlag.<br />
Weinheim, München. 2005. Seite 270.<br />
346 Vgl. Sohns, Armin: Empowerment als Leitlinie Sozialer Arbeit. In: Michel-Schwartze, Brigitta (Hrsg.):<br />
Methodenbuch Soziale Arbeit. Basiswissen für die Praxis. VS Verlag für Sozialwissenschaften. Wiesbaden.<br />
2007. Seite 75f.<br />
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4 <strong>Befreiende</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay – Eine Aufgabe der Sozialen Arbeit<br />
fähigkeit im Sinne von Organisations- und Konfliktfähigkeit hin, um (politische)<br />
Partizipationsspielräume erweitern zu können. 347<br />
Heiner Keupp definiert Empowerment wie folgt:<br />
„E. [Empowerment, d. Verf.] meint den Prozess, innerhalb dessen Menschen<br />
sich ermutigt fühlen, ihre eigenen Angelegenheiten in die Hand zu nehmen,<br />
ihre eigenen Kräfte und Kompetenzen zu entdecken und ernst zu nehmen und<br />
den Wert selbsterarbeiteter Lösungen schätzen zu lernen. E. bezieht sich auf<br />
einen Prozess, in dem die Kooperation von gleichen oder ähnlichen<br />
Problemen betroffener Personen durch ihre Zusammenarbeit zu<br />
synergetischen Effekten führt. Aus der Sicht professioneller und institutioneller<br />
Hilfen bedeutet die E.-Perspektive die aktive Förderung solcher solidarischer<br />
Formen von Selbstorganisation.“ 348<br />
Grundsätzlich baut das Empowerment also auf dem Zutrauen und Vertrauen seitens der<br />
Sozialarbeiterinnen 349 in die Adressatinnen 350 auf, dass diese ihr Leben selbst organisieren<br />
und ihren Alltag bewältigen können. Letztere bestimmen den Auftrag und die<br />
Durchführung und geben gleichzeitig aber ihre Verantwortung nicht ab. 351 Dem<strong>nach</strong> ist in<br />
diesem Prozess besonders das Schaffen einer symmetrischen Arbeitsbeziehung 352<br />
zwischen Sozialarbeiterin und Klientinnen relevant, um die Gleichberechtigung zwischen<br />
beiden Parteien deutlich zu machen. 353 Dabei spielt das Gespräch als zentrale Methode<br />
eine besondere Rolle. Denn es sollen in ersten Treffen Aspekte der Vergangenheit<br />
aufgegriffen, verbalisiert und da<strong>mit</strong> wieder offenbart werden. Dadurch erfährt die Sozialarbeiterin<br />
zum einen Einblicke in die Entstehung und Hintergründe der aktuellen Situation,<br />
und zum anderen werden die Klientinnen <strong>mit</strong> Assoziationen konfrontiert. Dies fördert die<br />
persönliche Bindung zwischen den Gesprächspartnerinnen. 354<br />
347 Vgl. Galuske. 1998. Seite 270.<br />
348 Keupp, Heiner: Empowerment. In: Kreft, Dieter/Mielenz, Ingrid (Hrsg.): Wörterbuch Soziale Arbeit.<br />
Aufgaben, Praxisfelder, Begriffe und Methoden der Sozialarbeit und Sozialpädagogik. 4., vollständig<br />
überarbeitete und erweiterte Auflage. Beltz Verlag. Weinheim, Basel. 1996. Seite 164.<br />
349 Ab diesem Punkt der Arbeit wird nur noch die weibliche Form von in der Sozialarbeit Tätigen gewählt, da –<br />
wie bereits in Kapitel 3.3 herausgestellt – eine weibliche Person die <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> Frauen durchführen<br />
sollte. Außerdem sind es zumeist Frauen, die in der Sozialen Arbeit tätig sind.<br />
350 Ebenso wird ab diesem Zeitpunkt nur noch von Klientinnen, Adressatinnen und Teilnehmerinnen<br />
gesprochen, da es in der gesamten Ausführung um die <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> Frauen geht.<br />
351 Vgl. Sohns. 2007. Seite 75.<br />
352 Eine symmetrische Arbeitsbeziehung ist gekennzeichnet durch partnerschaftliches Verhalten ohne<br />
Bevormundung, aber <strong>mit</strong> gleichverteilter Verantwortung. Vgl. http://www.empowerment.de/materialien_1.html<br />
vom 1.11.2007.<br />
353 http://www.empowerment.de/materialien_1.html vom 1.11.2007.<br />
354 Vgl. Sohns. 2007. Seite 89.<br />
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4 <strong>Befreiende</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay – Eine Aufgabe der Sozialen Arbeit<br />
Das Empowerment kann auf drei verschiedenen Ebenen greifen: auf der Individualebene,<br />
der Gruppenebene und der strukturell-organisatorischen Ebene. 355 Letztere ist notwendig,<br />
da<strong>mit</strong> die politische Durchsetzung von Interessen wahrscheinlicher wird. 356<br />
Bezug zu befreiender <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>nach</strong> <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong> <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay<br />
Das Empowerment hat viele relevante Aspekte, die auch <strong>Freire</strong> in seiner Konzeption für<br />
bedeutend erachtet. Indem es mehr demokratische Selbstbestimmung anhand kollektiver<br />
Prozesse fordert und dabei die ´Selbstexpertisierung` in den Mittelpunkt rückt, trifft es<br />
genau <strong>Freire</strong>s Ansatz. Denn in der politischen Alphabetisierung und Nachalphabetisierung<br />
begegnen sich Menschen – in diesem Fall Frauen –, die sich anhand von Bildungsprozessen<br />
<strong>mit</strong> dem gleichen Problem – hier der Geschlechterbe<strong>nach</strong>teiligung – auseinandersetzen<br />
und schließlich solidarisch werden, um mehr Partizipation zu erlangen. 357<br />
Dabei glaubt <strong>Freire</strong> von Grund auf an die Fähigkeit eines jeden Menschen, etwas<br />
schaffen zu können, weswegen er die ´Bankiers-Methode`358 strikt ablehnt und<br />
stattdessen auf eine gleichwertige Beziehung zwischen Lehrerin beziehungsweise<br />
Sozialarbeiterin und Teilnehmerinnen setzt. Hierbei geben die Frauen ihre Verantwortung<br />
nicht ab. Der Dialog ist – wie auch im Empowerment – das wichtigste Element in der<br />
Beziehung; denn darin werden die Probleme konkret formuliert, so dass die Menschen<br />
Erkenntnis gewinnen können. 359<br />
4.3 Lebensweltorientierung als Rahmenkonzept der Sozialen Arbeit<br />
In den letzten Jahrzehnten hat sich in der Sozialen Arbeit die Lebensweltorientierung als<br />
Rahmenkonzept durchgesetzt. 360<br />
355 Auf der Individualebene sollen Menschen in ihrem Bewusstsein gestärkt werden, dass sie Situationen<br />
grundsätzlich selbst beeinflussen können. Dies gelingt am besten in Gruppenzusammenhängen <strong>mit</strong><br />
Gleichgesinnten, beispielsweise in Selbsthilfegruppen. Auf der strukturell-organisatorische Ebene sollen die<br />
Interessen politisch eingebunden werden. Vgl. Galuske. 2005. Seite 271f.<br />
356 Vgl. Galuske. 2005. Seite 272.<br />
357 Vgl. Kapitel 3.1.2.6.<br />
358 Vgl. Kapitel 3.1.2.1.<br />
359 Vgl. Kapitel 3.1.2.2.<br />
360 Thiersch, Hans: Lebensweltorientierte Soziale Arbeit. Aufgaben der Praxis im sozialen Wandel. Juventa<br />
Verlag. Weinheim, München. 1992. Seite 5.<br />
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4 <strong>Befreiende</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay – Eine Aufgabe der Sozialen Arbeit<br />
„Lebensweltorientierung nimmt den Alltag der Adressaten, d.h. den Ort, wo<br />
Probleme entstehen, wo leben gelebt wird, wo die Adressaten selbst mehr<br />
oder minder angemessene Strategien der Lebensbewältigung praktizieren, als<br />
originären Ort sozialpädagogischen Handelns in den Blick.“ 361<br />
Dadurch greift sie im Sinne der genannten Definition von Sozialer Arbeit im Schnittpunkt<br />
zwischen Individuum und Umwelt/Gesellschaft ein. Eine lebensweltorientierte Soziale<br />
Arbeit nimmt also Bezug auf gegebene Lebensverhältnisse, auf individuelle, soziale und<br />
politische Ressourcen wie auch auf soziale Netzwerke sowie lokale und regionale<br />
Strukturen. 362 Sie betrachtet den Alltag dem<strong>nach</strong> ganzheitlich, das heißt <strong>mit</strong> allen<br />
Möglichkeiten und Schwierigkeiten. 363 Doch ist die Lebensweltorientierung „kein<br />
affirmatives, sondern ein kritisches Konzept.“ 364 Denn indem lebensweltorientierte Soziale<br />
Arbeit Strukturen untersucht, nimmt sie auch Ungleichheiten wahr. Folglich wendet sie<br />
sich an Menschen, die an den Rand der Gesellschaft gedrückt werden und <strong>mit</strong> den<br />
gegeben Ressourcen nicht zurechtkommen. 365 Sie muss den Alltag der Klientinnen<br />
kritisch betrachten und Täuschungen aufdecken. Dabei gilt die Klientin – wie auch im<br />
Empowerment – immer als kompetent, ihre eigenes Leben zu gestalten. Ziel<br />
lebensweltorientierter Sozialer Arbeit ist so<strong>mit</strong> „die Unterstützung bei der Konstitution<br />
eines gelingenderen Alltags.“ 366<br />
Bezug zu befreiender <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>nach</strong> <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong> <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay<br />
Die Lebensweltorientierung der Sozialen Arbeit entspricht <strong>Freire</strong>s Ansatz genau. In seiner<br />
Alphabetisierungs- und Nachalphbetisierungsmethode tritt die Sozialarbeiterin noch vor<br />
Beginn der eigentlichen <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> den Menschen in einen Dialog, um herauszufinden,<br />
wie sich die konkrete Lebenssituation in der betroffenen Region darstellt. Aus<br />
den Ergebnissen ergeben sich schließlich die Bildungsinhalte. 367 Das heißt in diesem Fall,<br />
die Frauen Paraguays lernen anhand ihrer eigenen Situation des Be<strong>nach</strong>teiligtseins, die<br />
sie in der Gruppe analysieren, das Lesen und Schreiben. Letzteres ist für die Frauen<br />
wichtig, um sich im Alltags- und Arbeitsleben bes<strong>ser</strong> behaupten zu können. Durch das<br />
361 Galuske. 2005. Seite 145.<br />
362 Vgl. Thiersch. 1992. Seite 5.<br />
363 Vgl. Thiersch. 1992. Seite 24.<br />
364 Thiersch. 1992. Seite 25.<br />
365 Vgl. Thiersch. 1992. Seite 26.<br />
366 Galuske. 2005. Seite 146.<br />
367 Vgl. Kapitel 3.1.2.6.<br />
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4 <strong>Befreiende</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay – Eine Aufgabe der Sozialen Arbeit<br />
Auseinandersetzen <strong>mit</strong> der eigenen Situation werden zudem die von den Männern<br />
´eingelagerten` Mythen aufgedeckt und die Frauen üben sich im kritischen Denken. 368 In<br />
dem Sinn ist befreiende <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> paraguayischen Frauen lebensweltorientiert.<br />
4.4 Notwendiges Kompetenzprofil der Sozialen Arbeit für die Umsetzung<br />
der befreienden <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay<br />
Die Soziale Arbeit beruht laut zugrundegelegter Definition auf wissenschaftlichen<br />
Erkenntnissen, die sich aus dem Wechselverhältnis von Praxi<strong>ser</strong>fahrungen und deren<br />
theoretischer Reflexion ergeben. 369 Dem<strong>nach</strong> brauchen Sozialarbeiterinnen bestimmte<br />
praxisbezogene Kenntnisse, Fertigkeiten, Fähigkeiten und Einstellungen, um sich auf<br />
einen Aufgabenbereich einstellen und ihn erfolgreich bewältigen zu können 370 , also<br />
handlungsfähig zu werden. Diese werden als Schlüsselqualifikationen bezeichnet 371 und<br />
gliedern sich im Rahmen eines ganzheitlichen Modells in Fachkompetenz, Sozialkompetenz<br />
und Selbstkompetenz. 372 Die verschiedenen Kompetenzen sollen <strong>mit</strong>tels<br />
Reflexion, Erfahrung und Training zu einer gestützten Handlungsfähigkeit führen, die über<br />
bloßes Alltagshandeln hinausgeht. 373 Die Kompetenzen können dabei nicht gänzlich<br />
voneinander getrennt werden, da sie sich stets gegenseitig beeinflussen. 374<br />
Nachfolgend werden die einzelnen Bereiche Fach-, Sozial- und Selbstkompetenz näher<br />
betrachtet.<br />
368 Vgl. Kapitel 3.1.2.4 und Kapitel 3.1.2.6.<br />
369<br />
Vgl. Katholische Fachhochschule Nordrhein-Westfalen (KFH NW): Rahmenstudienordnung &<br />
Diplomprüfungsordnung. Fachbereiche Sozialwesen. Ohne Verlag. Aachen, Köln, Münster, Paderborn. 2001.<br />
Seite 5.<br />
370 Vgl. KFH NW. 2001. Seite 5.; vgl. auch Lang, Rudolf W.: Schlüsselqualifikationen. Handlungs- und<br />
Methodenkompetenz, Personale und Soziale Kompetenz. Verlag C.H. Beck. Nördlingen. 2000. Seite 36.;<br />
Brake, Roland: Die Funktion von Selbsterfahrung im Studium der Sozialen Arbeit. Jacobs. Lage. 2002. Seite<br />
85.<br />
371 Vgl. KFH NW. 2001. Seite 5; vgl. auch. Lang. 2000. Seite 36.<br />
372 Vgl. KFH NW. 2001. Seite 5.; vgl. auch Lang. 2000. Seite 36.; Brake. 2002. Seite 87.<br />
373 Vgl. Brake. 2002. Seite 87.<br />
374 Vgl. Lang. 2000. Seite 36.<br />
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4 <strong>Befreiende</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay – Eine Aufgabe der Sozialen Arbeit<br />
4.4.1 Fachkompetenz<br />
Als Fach- oder auch Sachkompetenzen der Sozialen Arbeit werden in erster Linie<br />
sozialarbeitswissenschaftliche basale Theorie- und Methodenkenntnisse verstanden, wie<br />
auch berufsfeldspezifische Grundlagen und praktische Erfahrungen. 375 Ebenso zählen<br />
Organisations- und Verwaltungswissen sowie Kenntnisse über Indikation und Verfahren<br />
dazu. 376 Zu kognitiv erlernbarem Grundlagenwissen gehören Inhalte aus den Bereichen<br />
Psychologie, Rechtswissenschaft, Soziologie, Kulturpädagogik, Politikwissenschaft,<br />
Sozialmedizin, Theologie, Philosophie, Angewandte Praxisforschung, Techniken<br />
beruflichen Handelns und Sozialmanagement. 377 Dadurch wird die Soziale Arbeit zu einer<br />
interdisziplinären Handlungswissenschaft.<br />
Im Folgenden werden nun die für diese Arbeit relevanten klassischen Methoden wie auch<br />
verschiedene berufsfeldspezifische Kompetenzen im Hinblick auf eine <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong><br />
Frauen in Paraguay.<br />
4.4.1.1 Gruppen- und sozialraumbezogene Methoden<br />
Eine Methode ist <strong>nach</strong> Karlheinz A. Geißler und Marianne Hege „ein vorausgedachter<br />
Plan der Vorgehensweise.“ 378 Dadurch gehen sie von der Planbarkeit sozialarbeiterischer<br />
Handlungsabläufe aus, wobei die Zielgerichtetheit ein wesentlicher Bestandteil<br />
methodischen Handelns ist. Ziel und Methode entfalten und entwickeln sich jedoch stets<br />
in einem Prozess der Wechselwirkung. 379<br />
Zu den klassischen gruppen- und sozialraumbezogenen Methoden zählen die Soziale<br />
Gruppenarbeit und die Gemeinwesenarbeit 380 , die an die<strong>ser</strong> Stelle näher beleuchtet<br />
werden.<br />
375 Vgl. KFH NW. 2001. Seite 5.; vgl. auch Brake. 2002. Seite 91.<br />
376 Vgl. KFH NW. 2001. Seite 5.<br />
377 Vgl. KFH NW. 2001. Seite 10ff.<br />
378 Geißler, Karlheinz A./Hege, Marianne: Konzepte sozialpädagogischen Handelns. Ein Leitfaden für soziale<br />
Berufe. 10., aktualisierte Auflage. Beltz Verlag. Weinheim, Basel. 2001. Seite 24.<br />
379 Vgl. Geißler. 2001. Seite 25.<br />
380 Vgl. Galuske. 2005. Seite 71.<br />
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4 <strong>Befreiende</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay – Eine Aufgabe der Sozialen Arbeit<br />
a. Die Soziale Gruppenarbeit<br />
Die Soziale Gruppenarbeit wird in die<strong>ser</strong> Arbeit <strong>nach</strong> Gisela Konopka verstanden als<br />
„eine Methode der Sozialarbeit, die den Einzelnen durch sinnvolle<br />
Gruppenerlebnisse hilft, ihre soziale Funktionsfähigkeit zu steigern und ihren<br />
persönlichen Problemen, ihren Gruppenproblemen oder den Problemen des<br />
öffentlichen Lebens bes<strong>ser</strong> gewachsen zu sein.“ 381<br />
Komponenten der Sozialen Gruppenarbeit sind dem<strong>nach</strong> „die Person in der Gruppe, die<br />
Gruppe, das Problem – manchmal das der einzelnen Person, manchmal das der<br />
einzelnen Gruppe, manchmal das des ganzen Gemeinwesens – und die Umwelt.“ 382<br />
Der Sozialen Gruppenarbeit liegt eine Menschenansicht zugrunde, die sich auf die<br />
<strong>mit</strong>menschliche, natürliche und soziologisch-ökonomische Umwelt bezieht. Dadurch<br />
erkennt sie an, dass kein Mensch unabhängig von anderen Einflüssen leben kann. Jeder<br />
Mensch tritt ständig in Beziehung zu anderen, verändert die anderen und wird dadurch<br />
gleichzeitig wiederum von den anderen verändert; es besteht eine ständige<br />
Wechselwirkung. 383 Bedeutsames Kennzeichen der Sozialen Gruppenarbeit ist so<strong>mit</strong> die<br />
Interaktion. 384 Die Gruppe dient folglich nicht dem Selbstzweck, sondern ist vielmehr<br />
gleichzeitig Ort und Medium der Erziehung 385 , indem die Beziehungen zwischen<br />
Sozialarbeiterin und Teilnehmerinnen bewusst genutzt werden. Die Sozialarbeiterin gilt<br />
hierbei als ´Befähigerin` und hilft den Klientinnen und der Gruppe bei dem richtigen<br />
Gebrauch ihrer Fähigkeiten und Kräfte. 386 Durch diese Beziehungen wird Kommunikation<br />
überhaupt erst möglich, und die Beziehungsqualität entscheidet über den Erfolg der<br />
Sozialen Gruppenarbeit. Denn „Hilfe kann nur aus einer Beziehung erwachsen, die auf<br />
Vertrauen und gegenseitiger Achtung gegründet ist.“ 387 Durch das gemeinsame<br />
Gruppenerleben wird schließlich die soziale Funktionsfähigkeit jedes Einzelnen wieder<br />
hergestellt. Soziale Gruppenarbeit ist in diesem Sinne sozialintegrativ. 388<br />
381 Konopka, Gisela: Soziale Gruppenarbeit. Ein helfender Prozeß. Verlag Julius Beltz. Weinheim, Berlin.<br />
1968. Seite 35.<br />
382 Konopka. 1968. Seite 40.<br />
383 Vgl. Konopka. 1968. Seite 49.<br />
384 Vgl. Konopka. 1968. Seite 63.<br />
385 Vgl. Galuske. 2005. Seite 92.<br />
386 Vgl. Konopka. 1968. Seite 87.<br />
387 Konopka. 1968. Seite 113.<br />
388 Vgl. Geißler. 2001. Seite 202.<br />
60
4 <strong>Befreiende</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay – Eine Aufgabe der Sozialen Arbeit<br />
Eine geschulte Sozialarbeiterin agiert in der Sozialen Gruppenarbeit nicht intuitiv, sondern<br />
stets in geübter Selbstkontrolle. Dabei ist zu beachten, dass der Führungsstil 389<br />
unterschiedliche Auswirkungen auf die Gruppe hat. Deswegen muss die Pädagogin als<br />
„strategisches Zentrum der Einwirkung auf und Veränderung von Individuen“ 390 ihre<br />
Stilgestaltung <strong>mit</strong>samt ihres Kommunikations- und Verhaltensrepertoires bewusst<br />
reflektieren und gestalten. Techniken und Verhaltensweisen sollen die Sozialpädagogin in<br />
dem gruppendynamischen Verfahren unterstützen. Als Beispiele können soziometrische<br />
Verfahren 391 , Techniken der Gesprächsführung und Techniken der Selbst- und Fremdwahrnehmung<br />
392 angeführt werden. Je <strong>nach</strong> Arbeitskontext fällt die Gruppenarbeit jedoch<br />
entsprechend anders aus 393 , denn der Inhalt der Gruppe spielt eine wichtige Rolle. Die<strong>ser</strong><br />
hängt von den Problemlagen der Mitglieder ab und wird von diesen bestimmt. 394<br />
Bezug zu befreiender <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>nach</strong> <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong> <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay<br />
Die Soziale Gruppenarbeit weist auf einen ganz wichtigen Punkt <strong>Freire</strong>s hin, indem sie die<br />
Bedeutung von Interaktion beschreibt. Denn <strong>Freire</strong>s Grundaussage ist, dass der Mensch<br />
nicht nur in einer Welt lebt, sondern vielmehr <strong>mit</strong> ihr und <strong>mit</strong> anderen. 395 Und erst durch<br />
diese Mensch-Welt-Beziehungen beginnen Menschen, ihre Welt zu verändern. 396<br />
Dadurch wird auch bei <strong>Freire</strong> die Gruppenarbeit selbst zum Ort und Medium der<br />
Erziehung. So gibt es die Möglichkeit, be<strong>nach</strong>teiligte und unterdrückte Interessen einer<br />
Gruppe – hier der Frauen Paraguays – zu artikulieren und politische Forderungen zu<br />
formulieren. 397<br />
389 Es gibt unterschiedliche Führungsstile in der Sozialen Gruppenarbeit. So kann die Leitung beispielsweise<br />
autokratisch, demokratisch oder <strong>nach</strong> dem ´Laissez-faire`-Prinzip gehandhabt werden. Vgl. Galuske. 2005.<br />
Seite 95.<br />
390 Galuske. 2005. Seite 95.<br />
391 Die Soziometrie ist eine empirische Methode, um Gruppen zu erforschen. Es geht um die Analyse von<br />
Beziehungen untereinander, der Struktur der Gruppe und der Stellung einzelner Individuen. Dazu werden die<br />
einzelnen Personen schriftlich befragt. Vgl. Schäfers, Bernhard (Hrsg.): Grundbegriffe der Soziologie. 8.,<br />
überarbeitete Auflage. Leske + Budrich. Opladen. 2003. Seite 226.<br />
392 Zu Techniken der Gesprächsführung zählen beispielsweise Kleingruppenarbeit, Brainstorming oder<br />
Sachverständigenbefragungen. Eine relevante Technik der Selbst- und Fremdwahrnehmung ist das<br />
Rollenspiel. Vgl. Galuske. 2005. Seite 96.<br />
393 Vgl. Galuske. 2005. Seite 95ff.<br />
394 Vgl. Geißler. 2001. Seite 199.<br />
395 Vgl. Kapitel 3.1.1. Seite 30.<br />
396 Vgl. Kapitel 3.1.2.2. Seite 32.<br />
397 Vgl. Geißler. 2001. Seite 199.<br />
61
4 <strong>Befreiende</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay – Eine Aufgabe der Sozialen Arbeit<br />
b. Gemeinwesenarbeit<br />
Fritz Karas und Wolfgang Hinte definieren Gemeinwesenarbeit wie folgt:<br />
„Gemeinwesenarbeit ist eine Methode, die einen Komplex von Initiativen<br />
auslöst, durch die die Bevölkerung einer räumlichen Einheit gemeinsame<br />
Probleme erkennt, alte Ohnmacht<strong>ser</strong>fahrungen überwindet und eigene Kräfte<br />
entwickelt, um sich zu solidarisieren und Betroffenheit konstruktiv anzugehen.<br />
Menschen lernen dabei, persönliche Defizite aufzuarbeiten und individuelle<br />
Stabilität zu entwickeln und arbeiten gleichzeitig an der Beseitigung akuter<br />
Notstände (kurzfristig) und an der Beseitigung von Ursachen von<br />
Be<strong>nach</strong>teiligung und Unterdrückung.“ 398<br />
Aus die<strong>ser</strong> Definition geht hervor, dass die Gemeinwesenarbeit im Gegensatz zur<br />
Sozialen Gruppenarbeit stärker gesellschaftsbezogen beziehungsweise sogar <strong>mit</strong> der<br />
Gesellschaft verflochten ist und durch sie bestimmt wird. 399 Denn diese Methode wendet<br />
sich gegen die Individualisierung sozialer Probleme und definiert und bearbeitet sie aus<br />
einer gesellschaftlichen Perspektive heraus. 400<br />
Ausgangspunkt von Gemeinwesenarbeit sind deshalb soziale Konflikte in einem sozialen<br />
Netzwerk, das sich territorial, kategorial und/oder funktional 401 abgrenzen lässt. 402 Die<br />
verschiedenen Formen bilden stets eine integrative Einheit und dürfen nicht losgelöst<br />
voneinander praktiziert werden. Um ein Gemeinwesen zunächst einmal beschreiben zu<br />
können, müssen folgende Faktoren untersucht werden: topographische Kenntnisse 403 ,<br />
Selbstverständnis der Bevölkerung 404 , vorhandene Gruppen und deren Zusammenspiel in<br />
Bezug auf Macht, Autorität und Kommunikation und letztlich lokale Ressourcen. 405 Davon<br />
ausgehend zielt Gemeinwesenarbeit auf die Aktivierung der Bevölkerung, wobei sie die<br />
398 Karas, Fritz/Hinte, Wolfgang: Grundprogramm Gemeinwesenarbeit. Praxis des sozialen Lernens in offenen<br />
pädagogischen Feldern. Jugenddienst-Verlag. Wuppertal. 1978. Seite 30f.<br />
399 Vgl. Noack, Winfried: Gemeinwesenarbeit. Ein Lehr- und Arbeitsbuch. Lambertus-Verlag. Freiburg im<br />
Breisgau. 1999. Seite 7.<br />
400 Vgl. Galuske. 2005. Seite 102.; vgl. auch Noack. 1999. Seite 13.<br />
401 Eine territoriale Gemeinwesenarbeit bezieht sich auf einen geographisch abgegrenzten Raum wie zum<br />
Beispiel Stadtteil, Gemeinde oder Nachbarschaft. Die Kategorie richtet sich immer auf bestimmte strukturell<br />
be<strong>nach</strong>teiligte Bevölkerungsgruppen, die sich beispielsweise <strong>nach</strong> Ethnie, Geschlecht oder Alter<br />
unterscheiden. Der funktionale Aspekt wird durch Bereiche wie Bildung, Arbeit, Wohnen, Verkehr oder Freizeit<br />
bestimmt. Vgl. Noack. 1999. Seite 11.; vgl. auch Galuske. 2005. Seite 101.<br />
402 Vgl. Galuske. 2005. Seite 102.; vgl. auch Noack. 1999. Seite 11ff.<br />
403<br />
Zu topographischen Kenntnissen zählen beispielsweise Einwohnerzahl, Standort und Serviceeinrichtungen.<br />
Vgl. Noack. 1999. Seite 13.<br />
404 Das Selbstverständnis einer Bevölkerung beinhaltet Werte, Kultur und Lebensstile. Vgl. Noack. 1999. Seite<br />
13.<br />
405 Lokale Ressourcen beziehen sich auf Hilfseinrichtungen und Formen gegenseitiger Hilfe. Vgl. Noack.<br />
1999. Seite 13.<br />
62
4 <strong>Befreiende</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay – Eine Aufgabe der Sozialen Arbeit<br />
Ressource ´Gemeinschaft` nutzt, um die jeweiligen sozialen Problemlagen zu bearbeiten.<br />
Da<strong>mit</strong> müssen auch Qualifizierungs- und Bildungsprozesse einhergehen, so dass die<br />
Individuen auch über das vorhandene Maß hinaus befähigt werden, um die Probleme der<br />
Gruppe schließlich selbst in die Hand zu nehmen. 406 Dazu arbeitet Gemeinwesenarbeit<br />
makrosystemisch 407 in Koordination und Kooperation <strong>mit</strong> Behörden und Institutionen.<br />
Ebenso bedient sie sich neben der anderen klassischen Sozialarbeitsmethoden der<br />
Einzelfallhilfe und Gruppenarbeit 408 politischer Arbeitsweisen wie Demonstrationen und<br />
Bürgerversammlungen. Außerdem nutzt sie empirische Sozialforschungsmethoden wie<br />
die Aktionsforschung und Selbstüberprüfung. 409<br />
Je <strong>nach</strong>dem auf welche Art der Aktivierung 410 Gemeinwesenarbeit zielt, ergeben sich<br />
unterschiedliche Konzepte, die sich insbesondere in Hinblick auf (politische) Leitideen und<br />
Ziele unterscheiden, aber sich auch in der Vorstellung der Rolle der Subjekte und<br />
Gruppen im Veränderungsprozess und in Bezug auf Techniken und Verfahrensweisen<br />
differenzieren. 411 Dementsprechend gibt es die Modelle der wohlfahrtsstaatlichen,<br />
integrativen, aggressiven oder katalytisch-aktivierenden Gemeinwesenarbeit. 412 Die<strong>ser</strong><br />
Arbeit entspricht in erster Linie letzteres Konzept, denn es zielt auf eine herrschaftsfreie<br />
Gesellschaft ohne Unterdrückungsverhältnisse. Die Menschen sollen sich <strong>mit</strong>tels ihrer<br />
Gruppen und nicht per Fremdbestimmung selbst helfen und dadurch eine Gesellschaft<br />
schaffen, in der Solidarität an hoher Stelle steht, in der Menschen ihre Fähigkeiten frei<br />
entfalten können und so zu einem kreativ-sozialen Leben gelangen. 413 Dass<br />
Gemeinwesenarbeit allein nicht zu diesem Ziel führen kann, ist auch den Entwicklern<br />
Karas/Hinte bewusst. 414 Jedoch sollen Selbsthilfegruppen initiiert, unterstützt und <strong>mit</strong>tels<br />
Hilfe der Sozialarbeiterin vernetzt werden. 415 Durch diesen Prozess soll politische<br />
Partizipation ermöglicht werden, denn als Mikronetze helfen sich Initiativgruppen selbst,<br />
auf der Mesoebene kooperieren sie <strong>mit</strong>einander und auf der Makroebene stehen sie <strong>mit</strong><br />
406 Vgl. Galuske. 2005. Seite 102.<br />
407 Die Begriffe „Mikro-, Meso- und Makroebene“ wurden bereits in Fußnote 281 erläutert.<br />
408 Vgl. Noack. 1999. Seite 13.; vgl. auch Galuske. 2005. Seite 102.<br />
409 Vgl. Noack. 1999. Seite 13.<br />
410<br />
Die Aktivierung kann auf (kon<strong>ser</strong>vative) Systemerhaltung, evolutionäre Systemveränderung oder<br />
revolutionäre Systemveränderung zielen. Vgl. Galuske. 2005. Seite 103.<br />
411 Vgl. Galuske. 2005. Seite 103.<br />
412 Zum weiteren Verständnis der verschiedenen Modelle vgl. Galuske. 2005. Seite 103f.; vgl. auch Noack.<br />
1999. Seite 18ff.<br />
413 Vgl. Galuske. 2005. Seite 105.; vgl. auch Noack. 1999. Seite 20.<br />
414 Vgl. Galuske. 2005. Seite 105.<br />
415 Vgl. Galuske. 2005. Seite 205.; vgl. auch Noack. 1999. Seite 20f.<br />
63
4 <strong>Befreiende</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay – Eine Aufgabe der Sozialen Arbeit<br />
Behörden in Verbindung. 416 Die Sozialarbeiterin soll dabei im Sinne eines Katalysators<br />
Veränderungen in Gang bringen, beobachten, informieren, trainieren, kritisieren,<br />
provozieren und ver<strong>mit</strong>teln. 417<br />
Abschließend lässt sich zusammenfassen:<br />
„Gemeinwesenarbeit versteht sich auch als schichtenspezifische<br />
<strong>Bildungsarbeit</strong>, durch die sie politisch aktives Lernen und Handeln ermöglicht<br />
und Einsichten in die strukturelle Bedingtheit von Konflikten ver<strong>mit</strong>telt. Da<strong>mit</strong><br />
trägt sie zur Überwindung der Entfremdung bei und ermöglicht Entwicklung<br />
von selbstbestimmt handelnden Personen. Sie ist in gewissem Sinne<br />
Befreiungsarbeit, indem sie Scheinbedürfnisse aufdeckt, Grundbedürfnisse<br />
bewußt macht und indem sie hilft, solche Bedürfnisse durchzusetzen.“ 418<br />
Bezug zu befreiender <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>nach</strong> <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong> <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay<br />
Indem Gemeinwesenarbeit soziale Probleme aus gesellschaftlicher Perspektive<br />
betrachtet, agiert sie ganz im Sinne <strong>Freire</strong>s, der auch in der Lebenswelt der Klientinnen<br />
ansetzt, die Probleme aber auf gegebene Unterdrückungsverhältnisse zurückführt. 419 Um<br />
jedoch überhaupt <strong>mit</strong> den Menschen politische Alphabetisierung durchführen zu können,<br />
muss auch <strong>nach</strong> <strong>Freire</strong> zunächst die Lebenswelt untersucht werden. Auf den Ergebnissen<br />
baut schließlich die <strong>Bildungsarbeit</strong> auf, die jedoch von den Menschen selbst getragen sein<br />
muss. 420 Dadurch wird die ´Gemeinschaft` selbst als Ressource genutzt. Folglich geht es<br />
auch bei <strong>Freire</strong>s Alphabetisierungsmethode um Gruppenselbsthilfe.<br />
Der Beziehungsgestaltung zwischen Sozialarbeiterin und Teilnehmerinnen wird in der<br />
Gemeinwesenarbeit allerdings nicht so eine große Bedeutung beigemessen wie bei<br />
<strong>Freire</strong> 421 , weswegen die Kenntnisse der Sozialen Gruppenarbeit an Bedeutung gewinnen<br />
und die Gemeinwesenarbeit ergänzen.<br />
In Bezug auf die in der Gemeinwesenarbeit geforderte Kooperation <strong>mit</strong> anderen<br />
Institutionen auf der Makroebene stimmt auch <strong>Freire</strong> zu, wenn er sagt, dass Befreiungs-<br />
416 Vgl. Noack. 1999. Seite 21.<br />
417 Vgl. Galuske. 2005. Seite 106.<br />
418 Noack. 1999. Seite 14.<br />
419 Vgl. Kapitel 3.1.1. und Kapitel 3.1.2.4.<br />
420 Vgl. Kapitel 3.1.2.6.<br />
421 Vgl. Kapitel 3.1.2.2.<br />
64
4 <strong>Befreiende</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay – Eine Aufgabe der Sozialen Arbeit<br />
arbeit nur dann radikale Veränderungen erzielen kann, wenn sie Unterstützung von<br />
führenden Parteien oder anderen politischen Gruppen hat. 422<br />
Die Gemeinwesenarbeit spiegelt sozusagen <strong>Freire</strong>s Alphabetisierungsmethode im Sinne<br />
befreiender <strong>Bildungsarbeit</strong> wider, da sie in ihren Grundzügen <strong>mit</strong> der Befreiungsarbeit<br />
übereinstimmt.<br />
4.4.1.2 Berufsfeldspezifische Kompetenzen<br />
Die Soziale Arbeit lässt sich in viele verschiedene Arbeitsschwerpunkte unterteilen wie<br />
beispielsweise Bildungs-, Freizeit- und Kulturarbeit, Kinder-, Jugend- und Familienhilfe,<br />
Soziale Dienste, Gesundheitsförderung, Heilpädagogik und Rehabilitation. 423 In die<strong>ser</strong><br />
Arbeit geht es in erster Linie um die <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> dem Ziel, eine geschlechtergerechte<br />
Demokratie zu erreichen. Gleichzeitig geht es um Kulturarbeit, da die<br />
<strong>Bildungsarbeit</strong> in Paraguay stattfinden soll. Vor diesem Hintergrund sind insbesondere<br />
Gender-Kompetenz und Interkulturelle Kompetenz als berufsfeldspezifische Schlüsselqualifikationen<br />
für die Soziale Arbeit gefragt.<br />
a. Gender-Kompetenz<br />
Wenn von Gender 424 -Kompetenz die Rede ist, wird in erster Linie davon ausgegangen,<br />
dass politisches und organisatorisches Handeln nie geschlechtsneutral ist. Sowohl<br />
Männer wie Frauen sind davon in verschiedenen Lebenslagen betroffen, und es hat auf<br />
beide Gruppen jeweils unterschiedliche Auswirkungen. 425 Gender-Kompetenz gilt vor<br />
diesem Hintergrund als Schlüsselqualifikation 426 und ist Voraussetzung für eine<br />
erfolgversprechende Gleichstellungspolitik; sie wird sogar als Querschnittsaufgabe<br />
gefordert. 427<br />
422 Vgl. Kapitel 3.1.2.5.<br />
423 Vgl. KFH NW. 2001. Seite 8.<br />
424 Der Begriff „Gender“ wurde bereits in Kapitel 3.2.3 erläutert.<br />
425 Vgl. Blickhäu<strong>ser</strong>, Angelika/Bargen, Henning von: Mehr Qualität durch Gender-Kompetenz. Ein Wegwei<strong>ser</strong><br />
für Training und Beratung im Gender Mainstreaming. Ulrike Helmer Verlag. Königstein/Taunus. 2006. Seite<br />
10.<br />
426 Vgl. Blickhäu<strong>ser</strong>. 2006. Seite 10.; vgl. auch<br />
http://www.medien-bildung.net/pdf/themen_seiten/metz_goeckel_roloff.pdf vom 23.10.2007.<br />
427 Vgl. http://www.genderkompetenz.info/index.print.html vom 23.10.2007.<br />
65
4 <strong>Befreiende</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay – Eine Aufgabe der Sozialen Arbeit<br />
„Gender-Kompetenz ist [...] das Wissen, in Verhalten und Einstellungen von<br />
Frauen und Männern soziale Festlegungen im (privaten, beruflichen,<br />
universitären) Alltag zu erkennen und die Fähigkeit, so da<strong>mit</strong> umzugehen,<br />
dass beiden Geschlechtern neue und vielfältige Entwicklungsmöglichkeiten<br />
eröffnet werden.“ 428<br />
Gender-Kompetenz kann in die Komponenten Wissen und Können unterteilt werden.<br />
Wissen umfasst die Kenntnis über die Konstitution von Geschlechterrollen und deren<br />
Differenzierungen. Da<strong>mit</strong> einhergehen muss das Wissen über die komplexen Strukturen<br />
von Geschlechterverhältnissen und Kenntnisse über Geschlechtertheorien. 429 Darüber<br />
hinaus wird kontextbezogenes Detailwissen gefordert 430 , das heißt ein Bewusstsein über<br />
die unterschiedlichen Rahmenbedingungen und Voraussetzungen der jeweiligen Lebenswelt,<br />
in der beide Geschlechter ihre Vielfältigkeit und Differenz leben, das Wahrnehmen<br />
der Geschlechterrollen in ihrem soziokulturellen Umfeld. 431 Erst durch diese Kenntnisse<br />
wird Gender-Wissen zu einem integralen Bestandteil von Fachwissen. 432<br />
Können bezieht sich zum einen auf Methoden und Instrumente, deren Anwendung auf die<br />
Identifizierung von Gender-Aspekten in Handlungsfeldern und Sachgebieten zielt, zum<br />
anderen sind hier soziale, kommunikative und personale Kompetenzen 433 inbegriffen.<br />
Gerade die kommunikative Kompetenz ist unabdingbar in Bezug auf Gender-Wissen, da<br />
die männlichen und weiblichen Sprach- und Kommunikationsverhalten sehr different<br />
sind. 434 Des Weiteren bedarf es der Fähigkeit zum Perspektivwechsel, der Transferfähigkeit,<br />
um Gender konkret am Arbeitsplatz anwenden zu können, außerdem der<br />
Reflexionsfähigkeit in Bezug auf die eigene Geschlechterrolle und hinsichtlich der<br />
gesellschaftlichen Geschlechterrollen. 435<br />
428 http://www.medien-bildung.net/pdf/themen_seiten/metz_goeckel_roloff.pdf vom 23.10.2007.<br />
429 Vgl. Blickhäu<strong>ser</strong>. 2006. Seite 12.; vgl. auch<br />
http://www.medien-bildung.net/pdf/themen_seiten/metz_goeckel_roloff.pdf vom 23.10.2007.<br />
430 Vgl. http://www.medien-bildung.net/pdf/themen_seiten/metz_goeckel_roloff.pdf vom 23.10.2007.<br />
431 Vgl. Vgl. Blickhäu<strong>ser</strong>. 2006. Seite 12.<br />
432 Vgl. www.genderkompetenz.info/index.print.html vom 23.10.2007.<br />
433 Auf die Begriffe „Soziakompetenz“ und „personale Kompetenz“ wird in Kapitel 4.3.2 beziehungsweise<br />
Kapitel 4.3.3 näher eingegangen.<br />
434 Vgl. http://www.medien-bildung.net/pdf/themen_seiten/metz_goeckel_roloff.pdf vom 23.10.2007.<br />
435 Vgl. Blickhäu<strong>ser</strong>. 2006. Seite 12.<br />
66
4 <strong>Befreiende</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay – Eine Aufgabe der Sozialen Arbeit<br />
Bezug zu befreiender <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>nach</strong> <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong> <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay<br />
Da in die<strong>ser</strong> Arbeit die Pädagogik <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong>s auf unterdrückte Frauen angewandt wird,<br />
ist Gender-Kompetenz als Voraussetzung Sozialer Arbeit unerlässlich. Denn nehmen<br />
Sozialarbeiterinnen die Arbeit <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay heute auf und erkunden deren<br />
Lebenswelt, so stoßen sie alsbald auf das Thema Be<strong>nach</strong>teiligung gegenüber den<br />
Männern, da diese in allen Lebensbereichen deutlich wird. 436 Um diese Unterdrückung<br />
<strong>nach</strong>vollziehen zu können, müssen die Sozialarbeiterinnen sich <strong>mit</strong> ihren Ursachen<br />
auseinandersetzen und da<strong>mit</strong> auch <strong>mit</strong> den sozialen Konstruktionen der Geschlechterrollen,<br />
die sich kulturell entwickelt haben und heute bestehen und gelebt werden. 437<br />
Dadurch wird der Gender-Aspekt auch <strong>Freire</strong>s Pädagogik gerecht, die von dem<br />
Menschen als geschichtlichem Wesen ausgeht. 438 Erst wenn die Sozialarbeiterin sich<br />
dieses Wissen als Ausgangslage angeeignet hat, kann sie eine <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> Frauen<br />
in Angriff nehmen.<br />
Aufgrund der hier dargestellten Tatsache, dass Männer und Frauen unterschiedliche<br />
Kommunikationsverhalten haben, wird nochmals 439 belegt, dass nur eine weibliche Sozialarbeiterin<br />
die <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> Frauen ausführen sollte.<br />
b. Interkulturelle Kompetenz<br />
Ebenso wie die Gender-Kompetenz gilt die Interkulturelle Kompetenz als eine<br />
Schlüsselqualifikation Sozialer Arbeit 440 beziehungsweise wird sie auch als<br />
Querschnittsaufgabe verstanden. 441 Sie ist die notwendige persönliche Voraussetzung,<br />
um angemessen und erfolgreich in einer fremden kulturellen Umgebung, <strong>mit</strong> Angehörigen<br />
anderer Kulturen agieren zu können. 442<br />
Professionelles interkulturelles Handeln im Sinne von Entwicklungszusammenarbeit<br />
basiert zunächst einmal auf einem Grundlagenwissen über die Gesellschaft, in der<br />
gearbeitet wird, <strong>mit</strong> den Aspekten Sozialisation, Länder- und Kulturkunde,<br />
436 Vgl. Kapitel 2.2.<br />
437 Vgl. Kapitel 3.2.3.<br />
438 Vgl. Kapitel 3.1.2.2. Seite 32.<br />
439 Vgl. Kapitel 3.3. Seite 48.<br />
440 Vgl. Mar Castro Varela, María do: Interkulturelle Kompetenz – ein Diskurs in der Krise. In: Auernheimer,<br />
Georg: Interkulturelle Kompetenz und pädagogische Professionalität. Leske + Budrich. Opladen. 2002. Seite<br />
35.<br />
441 Vgl. Büschges-Abel, Winfried: Menschenrechte und Sozialarbeit – Sieben Notizen zu einem prekären<br />
Anliegen. In: iza. zeitschrift für migration und soziale arbeit. Heft 1. 2003. Seite 19.<br />
442 Vgl. Hinz-Rommel, Wolfgang: Interkulturelle Kompetenz. Ein neues Anforderungsprofil für die soziale<br />
Arbeit. Waxmann. Münster, New York. 1994. Seite 56.; vgl. auch Mar Castro Varela. 2002. Seite 35.<br />
67
4 <strong>Befreiende</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay – Eine Aufgabe der Sozialen Arbeit<br />
Sprachentwicklung/Zwei- und Mehrsprachigkeit, Identitätsentwicklung, Vorurteile,<br />
pädagogische Konzepte und Religion. 443<br />
Als konkrete Kompetenzen in Bezug auf professionelles interkulturelles Handeln von<br />
Mitarbeitern in Entwicklungsdiensten unterscheidet Rolf Arnold sechs Aspekte:<br />
• bürokratische Kompetenz, also operativer Umgang <strong>mit</strong> formalrechtlichen<br />
Angelegenheiten einer Organisation;<br />
• politisch-strategische Kompetenz, also strategisches Handhaben von Akzeptanz- und<br />
Verhandlungsspielräumen in einer Organisation;<br />
• Entscheidungskompetenz, insbesondere flexible Auseinandersetzung <strong>mit</strong> neuen<br />
Aufgaben und rasche Erarbeitung pragmatischer Problemlösungen;<br />
• Kooperationskompetenz bezogen auf den kollegialen Umgang <strong>mit</strong> anderen Personen;<br />
• fachliche Kompetenz im Sinne der Analyse- und Entscheidungsfähigkeit bei fachlichen<br />
Problemen, wozu es soziologischer Kenntnisse über Entwicklungsprobleme und<br />
Wissen über sektorale Aspekte bedarf;<br />
• reflexive Kompetenz im Sinne der Abwägung und des Ausrichten des eigenen<br />
Handelns in Bezug auf die langfristigen Folgen für das jeweilige Entwicklungsland. 444<br />
Die<strong>ser</strong> Ansatz hat<br />
„den Vorteil, nicht nur personale, sondern auch strukturspezifische Anteile<br />
interkultureller Handlungskompetenz <strong>mit</strong> zu berücksichtigen. Denn es geht<br />
nicht nur um die individuellen Fähigkeiten und Charakterzüge von Personen,<br />
sondern Handlungskompetenz muß in einem weiten Rahmen verstanden<br />
werden, der die subjektive Wahrnehmung von und das Verhältnis der<br />
einzelnen Institutionen, die Funktion und die Arbeitsweise von Organisationen<br />
in einer fremden Kultur <strong>mit</strong> einschließt.“ 445<br />
Als zentrale Anforderungen, um im Ausland effektive Arbeit leisten zu können, bleiben<br />
jedoch die Kommunikations- und Anpassungsfähigkeit. 446 Daneben beschreibt Terence P.<br />
Hannigan weitere wichtige Faktoren, die deutlich machen, dass Kommunikation nicht nur<br />
aus Sprache besteht und nur ein Element neben vielen ist:<br />
443 Vgl. Hinz-Rommel. 1994. Seite 68.<br />
444 Vgl. Hinz-Rommel. 1994. Seite 59f.<br />
445 Hinz-Rommel. 1994. Seite 60.<br />
446 Vgl. Hinz-Rommel. 1994. Seite 62.<br />
68
4 <strong>Befreiende</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay – Eine Aufgabe der Sozialen Arbeit<br />
„(1)Gewandtheit im Umgang <strong>mit</strong> unterschiedlichen Personen <strong>mit</strong><br />
verschiedenen Kommunikationsstilen und Persönlichkeitsfaktoren,<br />
(2) gute Sprachkenntnisse,<br />
(3) aktives und passives Beherrschen der nonverbalen Kommunikationsformen<br />
der fremden Kultur,<br />
(4) Geduld und Beharrlichkeit [...],<br />
(5) Höflichkeit [...],<br />
(6) Bereitschaft, sich auf die neue Umgebung einzulassen,<br />
(7) Respekt vor und Interesse für die fremde Kultur,<br />
(8) Gefühl für ein angemessenes Handeln, wann Anpassung und wann<br />
Durchhaltevermögen [...] verlangt sind,<br />
(9) Bewältigung von Frustration und Andersartigkeit.“ 447<br />
Ebenso relevant sind weitere Kompetenzen wie Einfühlungsvermögen, Offenheit,<br />
Konfliktfähigkeit, Toleranz und Kooperationsfähigkeit. 448<br />
Zu einem Anforderungsprofil für erfolgreiche interkulturelle Kommunikation gehören also<br />
sowohl Wissensanteile, bestimmte Fähigkeiten und Fertigkeiten wie auch<br />
persönlichkeitskonstituierende Aspekte. 449 Denn gleichzeitig ist auch eine Selbstreflexivität<br />
notwendig, die sich in der Auseinandersetzung <strong>mit</strong> Selbst- und Fremdbildern,<br />
Vorurteilen, Projektionen, Einstellungen und der eigenen Macht widerspiegelt. 450<br />
Bezug zu befreiender <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>nach</strong> <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong> <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay<br />
Da es in die<strong>ser</strong> Aufzeichnung um die Arbeit <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay geht, die durch<br />
Sozialarbeiterinnen im Entwicklungsdienst geleistet werden soll, ist die interkulturelle<br />
Kompetenz unerlässlich. Als Sozialarbeiterin einer anderen Herkunft ist es notwendig, ein<br />
bestimmtes Grundlagenwissen über Paraguay zu haben. Dieses wird allein dazu benötigt,<br />
um im Sinne <strong>Freire</strong>s als Ausgangslage von Paraguay als einer ´Gesellschaft im<br />
Übergang`451 sprechen und darauf aufbauend die <strong>Bildungsarbeit</strong> anvisieren zu können.<br />
Bloßes Grundlagenwissen reicht für eine Arbeit <strong>mit</strong> dem Volk jedoch nicht aus. Ebenso<br />
relevant ist die Voraussetzung der Kommunikationsfähigkeit, gerade da der Dialog bei<br />
<strong>Freire</strong> das Element ist, um überhaupt zu ´wahrer` Bildung zu gelangen. 452 Wenn nun der<br />
447 Hinz-Rommel. 1994. Seite 63.<br />
448 Vgl. Hinz-Rommel. 1994. Seite 69.<br />
449 Vgl. Hinz-Rommel. 1994. Seite 68.<br />
450 Vgl. Hinz-Rommel. 1994. Seite 68.; vgl. auch Gültekin, Nevâl: Interkulturelle Kompetenz als Standard in<br />
der Sozialen Arbeit. In: neue praxis. Zeitschrift für Sozialarbeit, Sozialpädagogik und Sozialpolitik. 33.<br />
Jahrgang. 2003. Seite 97.<br />
451 Vgl. Kapitel 3.1.1.<br />
452 Vgl. Kapitel 3.1.2.2.<br />
69
4 <strong>Befreiende</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay – Eine Aufgabe der Sozialen Arbeit<br />
Mensch stets auf sein Gegenüber als Kommunikationspartnerin angewiesen ist, die<br />
Sozialarbeiterin aber den fremden Kommunikationsstilen nicht gerecht wird und das<br />
Gegenüber nicht versteht, so könnte die <strong>Bildungsarbeit</strong> von vornherein zum Scheitern<br />
verurteilt sein.<br />
Ebenso wichtig wird <strong>nach</strong> Arnold die interkulturelle Kompetenz in Bezug auf strukturelle<br />
Aspekte in Organisationen erachtet. Gerade die<strong>ser</strong> Gesichtspunkt ist auch für Paraguay<br />
unerlässlich, denn in einem Land, das auch heute noch stark geprägt ist durch<br />
Korruptionsverhalten und Machtspiele 453 , gilt es sich seinen Weg zu bahnen, um da<strong>mit</strong><br />
umzugehen und trotzdem erfolgreich arbeiten zu können.<br />
Ohne interkulturelle Kompetenz braucht folglich niemand den Versuch zu unternehmen, in<br />
einer anderen Kultur <strong>Bildungsarbeit</strong> zu leisten.<br />
4.4.2 Sozialkompetenz<br />
Indem Soziale Arbeit gemäß der zugrundegelegten Definition im Schnittpunkt zwischen<br />
Individuum und Gesellschaft agiert, befindet sie sich stets in direktem Umgang <strong>mit</strong><br />
Einzelnen, Familien oder Gruppen; dadurch ist sie immer interaktionelle Arbeit. Da<br />
Sozialarbeiterinnen in diesem Handlungsgeschehen durch den wechselseitigen Prozess<br />
zugleich Subjekt und Objekt sind, benötigen sie für die Interaktion neben Theorien auch<br />
soziale Kompetenzen beziehungsweise Kommunikationskompetenz. Vielmehr befähigt<br />
die Sozialkompetenz erst das Handeln in der Interaktion <strong>mit</strong> Klientinnen. 454 Nach<br />
Geißler/Hege wird soziale Kompetenz in der Sozialen Arbeit wie folgt definiert:<br />
„Soziale Kompetenz meint die Fähigkeit, sich auf die Klienten <strong>mit</strong> ihren<br />
Bedürfnissen und Anforderungen einzustellen bzw. einzulassen, über die<br />
Situationen und deren Bedingungen selbst <strong>nach</strong>denken zu können und sich<br />
nicht in ihr zu verfangen.“ 455<br />
Soziale Kompetenz ist ein Bündel von Fähigkeiten und Fertigkeiten, die<br />
zusammenspielen, um zusätzlich zu der fachlichen Kompetenz Einfluss nehmen zu<br />
können auf Personen, Gruppen oder Systeme, um also in sozialen Situationen auf<br />
453 Vgl. Kapitel 2.2. Seite 18.<br />
454 Vgl. Brake. 2002. Seite 92f.<br />
455 Geißler. 2001. Seite 232.<br />
70
4 <strong>Befreiende</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay – Eine Aufgabe der Sozialen Arbeit<br />
zwischenmenschlicher Ebene kommunizieren und kooperieren zu können. 456<br />
Kommunikationsfähigkeit gilt folglich als die Basiskompetenz der Sozialen Arbeit. 457 Denn<br />
diese braucht jede Sozialarbeiterin, um sich je <strong>nach</strong> Kommunikationspartnerin in den je<br />
verschiedenen Welten bewegen zu können. 458 Kommunikation wird als „Interaktion,<br />
Transaktion, Verständigung, Austausch, Perspektivenverschränkung, Wahrnehmung,<br />
Deutung, kurz: in Beziehung treten“ 459 beschrieben. Ebenso bedarf es in der Sozialen<br />
Arbeit der Empathie, also der Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen, und einer<br />
gewissen Rollenflexibilität, denn der Arbeitsbereich weist einen hohen Rollenspielraum<br />
auf, und zudem werden durch die unterschiedlichen Erwartungsträger verschiedene<br />
Anforderungen an die Sozialarbeiterinnen gestellt. 460 Außerdem benötigen<br />
Sozialpädagoginnen Nähe-Distanz-Varianz, Teamfähigkeit, Kooperationsarbeit <strong>mit</strong><br />
Organisationen und natürlich Solidarität <strong>mit</strong> be<strong>nach</strong>teiligten Gesellschaftsgruppen. 461<br />
Bezug zu befreiender <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>nach</strong> <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong> <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay<br />
Die Forderung <strong>nach</strong> Kommunikationsfähigkeit wurde in die<strong>ser</strong> Arbeit schon häufiger<br />
erwähnt, was ihre Relevanz deutlich macht. Hier wird jedoch offensichtlich, dass sie nicht<br />
nur in Bezug auf Geschlechter- und interkulturelle Fragen von Bedeutung, sondern<br />
generell notwendig ist, um <strong>mit</strong> anderen Menschen in Beziehung zu treten, also um sozial<br />
arbeiten zu können. Für <strong>Freire</strong> macht insbesondere der Dialog die Beziehung aus, da nur<br />
er Kommunikation schaffen kann. Ebenso wie die Soziale Arbeit Empathiefähigkeit<br />
fordert, sieht <strong>Freire</strong> sogar den Dialog als eine Beziehung der ´Empathie` selbst an. Durch<br />
Kommunikation zerbrechen dem<strong>nach</strong> die alten Lehrstrukturen, und Veränderung kann<br />
langsam in Gang kommen. 462 <strong>Freire</strong>s Pädagogik basiert also auf Kommunikation und<br />
kann ohne sie nicht greifen, wie auch Soziale Arbeit ohne sie keine fruchtbare<br />
Helferbeziehungen aufbauen könnte.<br />
456 Vgl. Langmaack, Barbara: Soziale Kompetenz. Verhalten steuert den Erfolg. Beltz Verlag. Weinheim,<br />
Basel. 2004. Seite 21.<br />
457 Effinger, Herbert: Kommunikative Handlungskompetenz in der Sozialen Arbeite – Was ist das eigentlich?<br />
In: Effinger, Herbert/Märtens, Michael (Hrsg.): Professionell kommunizieren. Elementare<br />
Handlungskompetenz in der Sozialen Arbeit. Evangelische Verlagsanstalt GmbH. Leipzig. 2003. Seite 17.<br />
458 Vgl. Effinger. 2003. Seite 10.<br />
459 Effinger. 2003. Seite 11.<br />
460 Vgl. Geißler. 2001. Seite 232f.<br />
461 Vgl. KFH NW. 2001. Seite 5.<br />
462 Vgl. Kapitel 3.1.2.2.<br />
71
4 <strong>Befreiende</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay – Eine Aufgabe der Sozialen Arbeit<br />
4.4.3 Selbstkompetenz<br />
Selbstkompetenz wird auch als selbstreflexive Kompetenz bezeichnet. Sie wird<br />
verstanden als<br />
„die Fähigkeit der Selbstreflexion auf die eigenen Motive und<br />
Kompetenzkapazitäten hin, also Kompetenzen, die auf emotionale und<br />
motivationale Komponenten der Identität Einfluss haben können.“ 463<br />
Konkreter bedeutet dies, dass das professionelle Handeln von Sozialarbeiterinnen stets<br />
durch deren subjektive Lebensgeschichte beeinflusst wird und sich die berufliche Identität<br />
schließlich erst aus diesen Erfahrungen, deren Reflexion und der kritischen Aufarbeitung<br />
bilden kann. Es gilt also, die Entwicklung nicht zu leugnen, sondern sie vielmehr in das<br />
professionelle Handeln zu integrieren und dadurch eigene Persönlichkeitsanteile zum<br />
Ausdruck kommen zu lassen. 464 Hierdurch unterscheidet sich die Soziale Arbeit am<br />
wesentlichsten vom Alltagshandeln. 465 Weiterhin bezieht sich die Selbstkompetenz auf die<br />
Reflexion des methodischen Handelns und den Einsatz der eigenen Person, auf<br />
Kenntnisse im Hinblick auf die eigene Belastbarkeit, Wissen um Grenzsituationen und auf<br />
Selbstbewusstheit. 466 Durch die Reflexion wird diese Kompetenz zu einer der Grundlegenden<br />
in der Helferbeziehung; denn durch sie wird es möglich, wissenschaftliche<br />
Konzepte zu analysieren und auf ihre Bedeutung für die Soziale Arbeit hin zu überprüfen.<br />
Gleichzeitig dient sie der Beleuchtung eigener Emotionen und Motivationen. 467<br />
Bezug zu befreiender <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>nach</strong> <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong> <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay<br />
Mit der Selbstreflexivität beziehungsweise -reflexion wird wohl der wichtigste Aspekt<br />
<strong>Freire</strong>s in Bezug auf den Dialog angesprochen. Indem Soziale Arbeit als Handlungswissenschaft<br />
zum einen agiert, zum anderen ihr Handeln überdenkt, finden stets sowohl<br />
Aktion als auch Reflexion statt. Das ständige Handeln ist unabdingbar, denn das „Handeln<br />
muss immer wieder Gegenstand der Reflexion und die Reflexion zum Ausgangspunkt des<br />
Handelns werden. Sie sind nicht trennbar.“ 468 <strong>Freire</strong> ist genau die<strong>ser</strong> Ansicht, denn gemäß<br />
463 Brake. 2002. Seite 93.<br />
464 Vgl. Geißler. 2001. Seite 229.<br />
465 Vgl. Brake. 2002. Seite 93.<br />
466 Vgl. KFH NW. 2001. Seite 5.<br />
467 Vgl. Brake. 2002. Seite 94f.<br />
468 Zwicker-Pelzer. 2005. Seite 38.<br />
72
4 <strong>Befreiende</strong> <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay – Eine Aufgabe der Sozialen Arbeit<br />
seiner Pädagogik lernen Menschen erst dann Verantwortung zu übernehmen, wenn sie<br />
ihr eigenes Handeln reflektieren. Durch diese Auseinandersetzung kommt der Mensch zu<br />
wahrer Erkenntnis und ist so auf dem Weg zu einem bewussten Menschen. 469 Da die<br />
Sozialarbeiterin immer zugleich Subjekt und Objekt in einer Beziehung ist 470 , muss auch<br />
sie, wie <strong>Freire</strong> fordert, stets ihr Handeln reflektieren.<br />
Zusammenfassung<br />
Die Soziale Arbeit und die Befreiungspädagogik <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong>s haben viele Schnittstellen.<br />
Indem beide soziale Probleme sehen und deren Lösung vor dem Hintergrund<br />
gesellschaftlicher Veränderungen anstreben, haben sie die gleiche Ausgangsbasis.<br />
Daneben kann die Soziale Arbeit <strong>Freire</strong>s Ansatz ergänzen, beispielsweise durch die<br />
Aspekte der Sozialen Gruppenarbeit, wie auch die befreiende <strong>Bildungsarbeit</strong> der Sozialen<br />
Arbeit dienlich sein kann, indem sie beispielsweise die politische Alphabetisierung als<br />
spezielle Form von Gemeinwesenarbeit anwendet.<br />
Die Soziale Arbeit ist so<strong>mit</strong> dafür geeignet, befreiende <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> Frauen in<br />
Paraguay in Angriff zu nehmen.<br />
469 Vgl. Kapitel 3.1.2.2, Kapitel 3.1.2.3 und Kapitel 3.1.2.4.<br />
470 Vgl. Kapitel 4.4.2. Seite 70.<br />
73
5 Notwendigkeit zur Positionierung der Sozialen Arbeit<br />
5 Notwendigkeit zur Positionierung der Sozialen Arbeit<br />
Es wurde herausgestellt, dass die Soziale Arbeit einerseits aufgrund ihrer Qualifikationen<br />
imstande ist, befreiende <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>nach</strong> <strong>Paulo</strong> <strong>Freire</strong> durchzuführen, und diese auf<br />
Frauen anwenden kann. Andererseits weist sie die Kapazitäten auf, <strong>Bildungsarbeit</strong><br />
anhand interkultureller Kompetenzen in Lateinamerika umzusetzen.<br />
Dem<strong>nach</strong> sollte sie eigentlich integriert sein in die deutsche Entwicklungszusammenarbeit,<br />
denn diese entsendet durch verschiedene staatliche oder nichtstaatliche<br />
Organisationen Personen unterschiedlicher Professionen in Entwicklungsländer, um dort<br />
die Regierungen zu unterstützen. Im Rahmen der Millenium<strong>ser</strong>klärung der Vereinten<br />
Nationen und ihren Entwicklungszielen 471 liegt ein besonderes Augenmerk auf dem Kampf<br />
gegen Geschlechterungerechtigkeit. 472<br />
Denn „Ziel [der deutschen Entwicklungszusammenarbeit; d. Verf.] ist es, zur<br />
gleichberechtigten Teilhabe von Frauen am Entwicklungsprozess beizutragen<br />
und dadurch ihre Be<strong>nach</strong>teiligung zu verringern.“ 473<br />
Um dieses und auch andere Ziele zu erreichen, bedient sich die<br />
Entwicklungszusammenarbeit bereits der Leitprinzipien der Sozialen Arbeit. 474 Schon seit<br />
den 90er Jahren werden die Aspekte Lebensweltorientierung, Empowerment,<br />
Ressourcenaktivierung und Hilfe zur Selbsthilfe als etablierte Methoden und<br />
Handlungsansätze genutzt. 475 Außerdem ist Entwicklungspolitik im Sinne von<br />
Geschlechterpolitik auch gleichzeitig immer Menschenrechtspolitik, sowie auch die<br />
471 Die Millenium<strong>ser</strong>klärung wurde im Jahr 2000 auf dem bis dahin größten Gipfeltreffen, zu dem Vertreter aus<br />
189 Ländern kamen, in New York verabschiedet und bildet die internationale politische Agenda für das 21.<br />
Jahrhundert. „Aus der Erklärung wurden später acht internationale Entwicklungsziele abgeleitet, die<br />
Millenniumsentwicklungsziele (´Millennium Development Goals`, MDGs):<br />
• MDG1: den Anteil der Weltbevölkerung, der unter extremer Armut und Hunger leidet, halbieren<br />
• MDG 2: allen Kindern eine Grundschulausbildung ermöglichen<br />
• MDG 3: die Gleichstellung der Geschlechter fördern und die Rechte von Frauen stärken<br />
• MDG 4: die Kindersterblichkeit verringern<br />
• MDG 5: die Gesundheit der Mütter verbes<strong>ser</strong>n<br />
• MDG 6: HIV/AIDS, Malaria und andere übertragbare Krankheiten bekämpfen<br />
• MDG 7: den Schutz der Umwelt verbes<strong>ser</strong>n<br />
• MDG 8: eine weltweite Entwicklungspartnerschaft aufbauen<br />
Mit vereinten Kräften will die internationale Gemeinschaft diese Ziele bis zum Jahr 2015 erreichen.“<br />
http://www.bmz.de/de/ziele/ziele/millenniumsziele/index.html vom 17.11. 2007.<br />
472 Vgl. BMZ. 2007. Seite 9.<br />
473 BMZ. 2007. Seite 9.<br />
474 Vgl. Többe-Schukalla. 2005. Seite 303.<br />
475 Vgl. Többe-Schukalla. 2005. Seite 308.<br />
74
5 Notwendigkeit zur Positionierung der Sozialen Arbeit<br />
Soziale Arbeit eine Menschenrechtsprofession ist. 476 Vor diesem Hintergrund stellt sich<br />
die Frage, warum die Soziale Arbeit es bisher noch nicht geschafft hat, „ihre Relevanz für<br />
die Entwicklungszusammenarbeit ausreichend herzustellen und konsequent<br />
einzufordern.“ 477<br />
Ebenso legt die Entwicklungszusammenarbeit dar, dass sie nicht länger nur punktuelle<br />
Hilfe im Sinne von einkommensschaffenden Maßnahmen leisten, sondern vielmehr<br />
<strong>nach</strong>haltige Entwicklung fördern will. 478 In diesem Rahmen wird <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> Frauen<br />
bereits <strong>mit</strong>tels funktional ausgerichteter Alphabetisierungsprogramme <strong>mit</strong> Erfolg<br />
durchgeführt, wobei es nicht um undifferenzierte „Massen-Alphabetisierung“ 479 geht. Da<br />
die wirtschaftliche Be<strong>nach</strong>teiligung von Frauen jedoch nicht gänzlich ausgeblendet<br />
werden darf, kann die Nachalphabetisierungsphase neben dem Kampf um<br />
Geschlechtergerechtigkeit durchaus <strong>mit</strong> einkommensschaffenden Tätigkeiten verbunden<br />
werden. 480 Dadurch ließen sich ´strategic gender needs` und ´practical gender needs`481<br />
verknüpfen. Eine solche<br />
„Hinwendung zu den ´Gesichtern der Armut` [...] bedeutet ein Denken im<br />
Plural jenseits der eigenen Erfahrungsspielräume und bedarf eines<br />
umfassenden professionellen Kompetenzprofils der EntwicklungsexpertInnen.“<br />
482<br />
Die Soziale Arbeit besitzt ein solches interdisziplinäres Kompetenzprofil <strong>mit</strong><br />
unterschiedlichen Kenntnissen und Erfahrungen 483 ; sie muss sich nur endlich in der<br />
Entwicklungszusammenarbeit positionieren. Dies ist die Voraussetzung dafür, dass sie<br />
befreiende <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay durchführen und so<strong>mit</strong> auf globaler<br />
Ebene einen Beitrag zur Erfüllung der Milleniumsentwicklungsziele leisten kann.<br />
Sollte der Sozialen Arbeit diese Positionierung gelingen, so steht einer befreienden<br />
<strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> Frauen in Paraguay jedoch noch eine Hürde bevor. Denn die<br />
476 Vgl. Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) (Hrsg.): Wirtschaft –<br />
Soziales – Entwicklung. Armut bekämpfen und Gerechtigkeit schaffen. Ohne Verlag. Bonn. 2004. Seite 26.<br />
477 Többe-Schukalla. 2005. Seite 308.<br />
478 BMZ. 2004. Seite 8.<br />
479 http://www.bmz.de/de/<strong>ser</strong>vice/infothek/evaluierung/Projektuebergreifend/grundbildung01/GrundbQA-d-neupdf.pdf<br />
vom 11.11.2007.<br />
480 Vgl. http://www.bmz.de/de/<strong>ser</strong>vice/infothek/evaluierung/Projektuebergreifend/grundbildung01/GrundbQA-dneu-pdf.pdf<br />
vom 11.11.2007.<br />
481 Vgl. Kapitel 3.2.3. Seite 46.<br />
482 Többe-Schukalla. 2005. Seite 308.<br />
483 Vgl. Kapitel 4.<br />
75
5 Notwendigkeit zur Positionierung der Sozialen Arbeit<br />
Forderung <strong>nach</strong> strukturellen Veränderungen des jeweiligen Landes stellen sowohl<br />
<strong>Freire</strong> 484 , die feministisch-politische <strong>Bildungsarbeit</strong> 485 als auch die Entwicklungszusammenarbeit<br />
selbst. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und<br />
Entwicklung macht deutlich: „Entwicklung muss von innen kommen. Den Hauptbeitrag für<br />
ihren wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt erbringen die Partnerländer selbst.“ 486<br />
Vor dem dargelegten Hintergrund wird von der gegenwärtigen Regierung unter Duarte<br />
Frutos 487 indes keine große Veränderung mehr zu erwarten sein, denn bisher hat er keine<br />
relevanten Verbes<strong>ser</strong>ungen erzielen können, und seine Amtszeit läuft im Jahre 2008<br />
aus. 488 Es ist an der Zeit, dass ein Präsident gewählt wird, der nicht Mitglied der seit<br />
Jahrzehnten herrschenden Colorado-Partei ist und nur seine eigene Machterhaltung im<br />
Visier hat. Große Hoffnung setzt die paraguayische Bevölkerung deswegen momentan<br />
auf den ehemaligen Erzbischof Fernando Lugo, der bereits im Dezember 2006 sein<br />
Priesteramt niederlegte, um im nächsten Jahr bei den Präsidentschaftswahlen anzutreten.<br />
„Er sagt: ´Meine erste Sorge sind nicht politische Interessen. Meine erste Sorge ist das<br />
Volk.´“ 489 Dementsprechend gehören ihm momentan in allen Umfragen die meisten<br />
Sympathien, doch sein Wahlsieg ist deswegen noch lange nicht gesichert. Es ist nämlich<br />
fraglich, „ob die Colorados friedlich die Regierung abgeben werden, sollten sie bei den<br />
Wahlen unterliegen.“ 490 Paraguay steht also am Scheideweg.<br />
Doch würde es Lugo tatsächlich gelingen, „die Kirche der Armen <strong>mit</strong> den Reichen an<br />
einen Tisch [zu; d. Verf.] bringen“ 491 wäre dies „ein ganz neuer Akt der<br />
Befreiungstheologie“ 492 , der durch eine befreiende <strong>Bildungsarbeit</strong> <strong>mit</strong> Frauen von unten –<br />
durchgeführt durch die Soziale Arbeit – noch bes<strong>ser</strong> vorangetrieben werden könnte. So<strong>mit</strong><br />
würde Paraguay schon einmal einen kleinen Schritt auf dem langen Weg hin zu einer<br />
Geschlechtergerechtigkeit im Sinne des dritten Milleniumsentwicklungsziels gehen.<br />
484 Vgl. Kapitel 3.1.2.5.<br />
485 Vgl. Kapitel 3.2.1 und Kapitel 3.2.2.<br />
486 http://www.bmz.de/de/<strong>ser</strong>vice/infothek/bildung/unterricht/Gr18neu02L.pdf vom 17.11.2007.<br />
487 Vgl. Kapitel 2.2. Seite 18.<br />
488 Vgl. http://www.lateinamerika<strong>nach</strong>richten.de/?/artikel/2636.html vom 17.11.2007.<br />
489 http://www.dfp.deutsche-fachpresse.com/2006/10/06/praesident-wider-willen-der-bischof-lugo-fuehrt-inder-waehlergunst/<br />
vom 17.11.2007.<br />
490 http://www.lateinamerika<strong>nach</strong>richten.de/?/artikel/2636.html vom 17.11.2007.<br />
491 Schmidt-Häuer, Christian: Diener zweier Herren. In: DIE ZEIT. Heft 15. 2007. Seite 2.<br />
492 Schmidt-Häuer. 2007. Seite 2.<br />
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86
Abbildungsverzeichnis<br />
Abbildungsverzeichnis<br />
Abb. 1: Denkmal für die residentas in Asunción................................................................ 88<br />
Abb. 2: Armenviertel in Asunción. ..................................................................................... 89<br />
Abb. 3: Hütte auf dem Land. ............................................................................................. 89<br />
Abb. 4: Paraguayische Frau <strong>mit</strong> vier Kindern und Enkel................................................... 90<br />
Abb. 5: Typisches Bild: Die Tochter wäscht, der Vater entspannt..................................... 90<br />
Abb. 6: Straßenverkäuferin. .............................................................................................. 91<br />
Abb. 7: Haushaltsangestellte............................................................................................. 91<br />
Abb. 8: Indigene Frauen beim Verkauf in Asunción. ......................................................... 92<br />
Abb. 9: Indigene Frau beim Knüpfen von Armbändern. .................................................... 92<br />
Abb. 10: Frauen bei der <strong>Bildungsarbeit</strong>............................................................................. 93<br />
Abb. 11: Frauen bei der Kleingruppenarbeit...................................................................... 93<br />
87
Anhang<br />
Anhang<br />
Abb. 1: Denkmal für die residentas in Asunción.<br />
Quelle: Barbara Potthast-Jutkeit. 1994.<br />
88
Anhang<br />
Abb. 2: Armenviertel in Asunción.<br />
Quelle: Barbara Pötter. 2007.<br />
Abb. 3: Hütte auf dem Land.<br />
Quelle: Barbara Pötter. 2007.<br />
89
Anhang<br />
Abb. 4: Paraguayische Frau <strong>mit</strong> vier Kindern und Enkel.<br />
Quelle: Barbara Pötter. 2007.<br />
Abb. 5: Typisches Bild: Die Tochter wäscht, der Vater entspannt.<br />
Quelle: Barbara Pötter. 2007.<br />
90
Anhang<br />
Abb. 6: Straßenverkäuferin.<br />
Quelle: Barbara Pötter. 2007.<br />
Abb. 7: Haushaltsangestellte.<br />
Quelle: Barbara Pötter. 2007.<br />
91
Anhang<br />
Abb. 8: Indigene Frauen beim Verkauf in Asunción.<br />
Quelle: Barbara Pötter. 2007.<br />
Abb. 9: Indigene Frau beim Knüpfen von Armbändern.<br />
Quelle: Barbara Pötter. 2007.<br />
92
Anhang<br />
Abb. 10: Frauen bei der <strong>Bildungsarbeit</strong>.<br />
Quelle: Barbara Pötter. 2007.<br />
Abb. 11: Frauen bei der Kleingruppenarbeit.<br />
Quelle: Barbara Pötter. 2007.<br />
93
Erklärung<br />
Ich erkläre hier<strong>mit</strong>,<br />
• dass ich die vorliegende Studienarbeit selbstständig angefertigt,<br />
• keine anderen als die angegebenen Quellen benutzt,<br />
• die wörtlich oder dem Inhalt <strong>nach</strong> aus fremden Arbeiten entnommenen Stellen,<br />
bildlichen Darstellungen und dergleichen als solche genau kenntlich gemacht und<br />
• keine unerlaubte fremde Hilfe in Anspruch genommen habe.<br />
Aachen, den 30. November 2007<br />
Zusatzerklärung<br />
Ich erkläre außerdem,<br />
• dass meine Diplomarbeit der Bibliothek der Katholischen Fachhochschule<br />
Nordrhein-Westfalen zur Verfügung gestellt werden darf, sofern sie <strong>mit</strong> der<br />
Note 2,0 oder bes<strong>ser</strong> bewertet wird.<br />
Aachen, den 30. November 2007