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Louis Althusser: Ideologie und ideologische Staatsapparate Über ...

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Verkörperung des bew<strong>und</strong>ernswerten Wortes ihres Gebetes: "Also sei es!"<br />

Ja, die Subjekte "funktionieren ganz von alleine". Das ganze Geheimnis dieser Wirkung liegt in den<br />

beiden ersten Momenten des vierfachen Systems, von dem wir gesprochen haben, oder wenn man so<br />

will, in der Vieldeutigkeit des Ausdrucks Subjekt. Die geläufige Bedeutung dieses Wortes ist 1. eine<br />

freie Subjektivität, also ein Zentrum von Initiativen, das der Urheber seiner Handlungen ist, für die es<br />

die Verantwortung trägt; 2. ein unterworfenes Individuum, das einer höheren Autorität unterworfen ist<br />

<strong>und</strong> keine andere Freiheit als die der freiwilligen Unterwerfung besitzt. In der letzten Bedeutung liegt<br />

der Sinn jener Vieldeutigkeit, die nur den Effekt wiederspiegelt, der sie hervorruft: das Individuum<br />

wird als (freies) Subjekt angerufen, damit es sich freiwillig den Befehlen des SUBJEKTS fügt, damit<br />

es also (freiwillig) sich in die Unterwerfung fügt <strong>und</strong> folglich "von allein" die Gesten <strong>und</strong> Handlungen<br />

seiner Unterwerfung "vollzieht". Subjekte existieren nur durch <strong>und</strong> für ihre Unterwerfung. Sie<br />

funktionieren daher "ganz von alleine".<br />

"Also sei es!". . . . Dieses Wort, das den angestrebten Effekt anzeigt, ist zugleich ein Beweis dafür, daß<br />

es nicht "von Natur aus" so ist; von Natur aus" will sagen: außerhalb dieses Gebets, also außerhalb der<br />

<strong>ideologische</strong>n Intervention. Das Wort beweist, daß es so sein muß, damit die Dinge sind, was sie sein<br />

müssen; sprechen wir es aus: damit die Reproduktion der Produktionsverhältnisse bis in den<br />

Produktions- <strong>und</strong> Zirkulationsprozeß Tag für Tag im "Bewußtsein" gewährleistet sind, d.h. im<br />

Verhalten der Individuen-Subjekte in ihren jeweiligen Stellungen, die ihnen die gesellschaftlichtechnische<br />

Arbeitsteilung in der Produktion, der Ausbeutung, der Repression, der Ideologisierung, der<br />

wissenschaftlichen Praxis etc. zuweist. Worum handelt es sich in der Tat bei diesem Mechanismus der<br />

spiegelhaften Anerkennung des SUBJEKTS <strong>und</strong> der durch die Anrufung als Subjekte gesetzten<br />

Individuen? Worum handelt es sich bei der Gewißheit, die den Subjekten durch das SUBJEKT<br />

gegeben wird, wenn sie sich freiwillig in ihre Unterwerfung unter die "Gebote" des SUBJEKTS<br />

fügen? Die Realität, von der in diesem Mechanismus die Rede ist <strong>und</strong> die notwendigerweise in den<br />

Formen der Anerkennung nicht erkannt wird (<strong>Ideologie</strong> = Wiedererkennen/Nichterkennen), ist in der<br />

Tat letztlich die Reproduktion der Produktionsverhältnisse <strong>und</strong> der aus ihnen abgeleiteten Verhältnisse.<br />

PS.<br />

Januar - April 1969<br />

- Wenngleich diese sehr schematischen Thesen einige Aspekte der Funktionsweise des <strong>Über</strong>baus <strong>und</strong><br />

seiner Interventionsweise in die Basis erhellen, so sind sie doch ohne Frage abstrakt <strong>und</strong> lassen<br />

notwendig wichtige Probleme ungelöst, auf die noch kurz eingegangen werden muß:<br />

1) das Problem des Gesamtprozesses der Realisierung der Reproduktion der Produktionsverhältnisse.<br />

Als ein Element dieses Prozesses tragen die ISAs zu dieser Reproduktion bei. Der Standpunkt ihres<br />

bloßen Beitrages bleibt jedoch abstrakt.<br />

Diese Reproduktion kann nur innerhalb des Produktions- <strong>und</strong> Zirkulationsprozesses realisiert<br />

werden, <strong>und</strong> zwar durch den Mechanismus dieser Prozesse, durch welche die Ausbildung der<br />

Arbeiter "vollendet" wird <strong>und</strong> ihnen Stellen zugewiesen werden etc. In dem inneren Mechanismus<br />

dieser Prozesse kommen die Auswirkungen der verschiedenen <strong>Ideologie</strong>n zum Tragen, vor allem der<br />

rechtlich-moralischen <strong>Ideologie</strong>.<br />

Dieser Standpunkt bleibt jedoch immer noch abstrakt. Denn in einer Klassengesellschaft sind die<br />

Produktionsverhältnisse Ausbeutungsverhältnisse, also Verhältnisse von antagonistischen Klassen. Die<br />

Reproduktion der Produktionsverhältnisse, letztes Ziel der herrschenden Klasse, kann daher keine<br />

bloße technische Operation sein, in der die Individuen für die verschiedenen ihnen zugewiesenen<br />

Stellen innerhalb der "technischen" Arbeitsteilung ausgebildet <strong>und</strong> verteilt werden. In Wirklichkeit<br />

existiert die "technische" Arbeitsteilung nur in der <strong>Ideologie</strong> der herrschenden Klasse: Jede<br />

"technische" Arbeitsteilung, jede "technische" Organisation der Arbeit ist nur die Form <strong>und</strong> die Hülle<br />

einer gesellschaftlichen (= klassenmäßigen) Teilung <strong>und</strong> Organisation der Arbeit. Die Reproduktion<br />

der Produktionsverhältnisse kann daher nur ein Vorgang sein, der durch die Klassen bestimmt wird.<br />

Sie wird verwirklicht durch einen Klassenkampf, in dem sich herrschende <strong>und</strong> ausgebeutete Klasse<br />

gegenüberstehen.

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