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Weiterlesen - Deutsche Cichliden-Gesellschaft eV

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Mehr als ein Phantom: der Joturo<br />

Uwe Werner<br />

Ich weiß nicht, wie oft ich Anfang der achtziger Jahre über Fowlers Erstbeschreibung von Cichlasoma<br />

ramsdeni (1938) und den Bildern in Rivero & Rivas (1940) gesessen habe, weil ich überzeugt<br />

war, dass es diesen <strong>Cichliden</strong> tatsächlich gibt. Anderen <strong>Cichliden</strong>-Freaks ging es ähnlich, und so<br />

reiste Heiner Garbe mehrfach nach Kuba, um diese Art aufzuspüren. Aber dort, wo sie eigentlich<br />

vorkommen sollte, fand er sie nicht. Wahrscheinlich ist sie an ihrer Typuslokalität ausgestorben.<br />

Es ist Garbes Hartnäckigkeit zu verdanken, dass<br />

er schließlich doch fündig wurde und diesen auffälligen<br />

Buntbarsch einführen konnte. Nein, bunt<br />

sind die heute als Nandopsis ramsdeni geführten<br />

Buntbarsche nicht, und doch fallen sie sofort ins<br />

Auge. Und das liegt, so paradox es klingen mag,<br />

vor allem an ihrer Farblosigkeit, aber auch an<br />

ihrer außergewöhnlichen Form. Als man im Jahre<br />

1995 die ersten Nachzuchten bekommen konnte,<br />

waren die Fische denn auch heiß begehrt, doch<br />

leider ließ das Interesse viel zu schnell nach. Ob<br />

die Art heute noch als Aquarienfisch verfügbar<br />

ist, weiß ich nicht. In jedem Falle wird es schwer<br />

sein, sie erneut einzuführen…<br />

Biajaca und Joturo<br />

Von der karibischen Insel Kuba sind zwei Buntbarscharten<br />

bekannt, die nur dort vorkommen,<br />

also dort endemisch sind. Uns Aquarianern ist<br />

der ‚Kubabuntbarsch’ Nandopsis tetracanthus, von<br />

dem mehrere Populationen oder Unterarten<br />

beschrieben sind, schon länger bekannt. Das gilt<br />

zumindest für zwei dieser Formen, die von den<br />

Inselbewohnern alle mit demselben Populärna-<br />

Oben: Im Rio Toa lebt N. ramsdeni syntop mit einer gestreckten "Bergform" von N. tetracanthus<br />

- Foto: H. Garbe.<br />

DCG-Informationen 43 (7): 147-156 147


148<br />

DCG-Informationen 43 (7): 147-156


Gegenüber: Der Rio Sagua im Bergland des östlichen Kuba, Lebensraum von N. ramsdeni -<br />

Foto: H. Garbe<br />

Oben: Auch die kleineren Weibchen entwickeln eine "spitze" Kopfbeule.<br />

Unten: Zum Vergleich ein Pärchen von N. tetracanthus mit frei schwimmenden Jungfischen<br />

DCG-Informationen 43 (7): 147-156 149


Oben: Die Berge von Baracoa - Foto: H. Garbe<br />

Gegenüber: Ältere Männchen sind eine eindrucksvolle Erscheinung.<br />

men belegt und als ‚Biajaca’ bezeichnet werden.<br />

Sie sind seit den achtziger Jahren als Aquarienfische<br />

verfügbar.<br />

Die zweite auf Kuba lebende Art wurde erst<br />

zum Jahresbeginn 1995 für die Aquarienhaltung<br />

nach Deutschland eingeführt und ist sicher nur<br />

einer ganz begrenzten Anzahl Aquarianer<br />

bekannt. Ich meine die Art Nandopsis ramsdeni,<br />

die in ihrer Heimat beziehungsweise an den in<br />

der wissenschaftlichen Beschreibung angegebenen<br />

Fundorten nicht mehr auffindbare ist. Für die<br />

tatsächliche Existenz dieser ‚verschollenen’ Art<br />

spricht jedoch unter anderem, dass sie einen eigenen<br />

Populärnamen besitzt und bei den Einheimischen<br />

‚Joturo’ heißt.<br />

Allerdings wussten wir bis zum Jahreswechsel<br />

1994/1995 nicht mit letzter Gewissheit, dass sich<br />

hinter diesem Namen tatsächlich eine gute Art<br />

verbirgt: Es hätte sich vielleicht auch um eine<br />

Population von N. tetracanthus handeln können.<br />

Für die Eigenständigkeit sprach allerdings die<br />

Tatsache, dass sowohl Fowler (1938) als auch<br />

Howell Rivero & Rivas (1940) darauf hingewiesen<br />

hatten, dass sich ‚Joturo’ und ‚Biajaca’ so sehr<br />

unterscheiden, dass schon bei oberflächlicher<br />

Betrachtung klar sei, dass es sich um zwei Arten<br />

handeln müsse.<br />

N. tetracanthus ist nämlich ein walzenförmiger,<br />

recht plump und massig gebauter Cichlide, während<br />

N. ramsdeni seitlich außerordentlich stark<br />

zusammengedrückt und auch deutlich höher<br />

gebaut ist. Außerdem unterscheiden sich die<br />

Kopfform, von der noch die Rede sein wird, wie<br />

auch die Färbung und das Zeichnungsmuster.<br />

N. tetracanthus zeigt fast immer ein stark ausgeprägtes<br />

Muster aus schwarzen oder schwarzbraunen<br />

Binden und Flecken. Die Grundfärbung ist<br />

zwar heller, aber gelblich und stellenweise sogar<br />

metallisch kupferfarben. Die Männchen werden<br />

deutlich größer, entwickeln längere Flossen und<br />

eine gleichmäßig vorgewölbtes Stirnprofil. Die<br />

Weibchen bleiben etwa ein Drittel kleiner. Man<br />

150<br />

DCG-Informationen 43 (7): 147-156


erkennt sie schon bei einer Größe von 4 bis 5<br />

Zentimetern an einer im vorderen und mittleren<br />

Bereich dunklen Zone in der Rückenflosse und<br />

an einer dunklen Kehl- und Brustpartie, die sich<br />

stimmungsabhängig von der Unterlippe bis in die<br />

Afterflosse erstrecken kann. Alles in allem<br />

erscheinen sie dunkler gefärbt und — zumindest<br />

in der Erregung — kontrastreicher gezeichnet.<br />

N. ramsdeni ist dagegen eher einfarbig grau und<br />

zeigt nur als Jungfisch angedeutete Querbinden.<br />

Erwachsene Tiere präsentieren sich später gelegentlich<br />

graubraun, häufiger aber hellgrau, bei<br />

Wohlbefinden und in der Fortpflanzungszeit<br />

sogar nahezu weiß, mit dunklen Schuppenzentren<br />

auf den Körperseiten, die schwarze Zonen<br />

bilden. Die kleineren Weibchen haben meist gar<br />

keinen oder nur einen angedeuteten, verwaschenen<br />

und sehr kleinen Fleck im mittleren Bereich<br />

der Rückenflosse und tendieren zu einer stärkeren<br />

Kontrastfärbung, was bedeutet, dass die<br />

Grundfärbung insgesamt heller ist, während alle<br />

dunklen Partien intensiv schwarz werden.<br />

Aber auch im Detail unterscheiden sich die beiden<br />

Arten deutlich, man muss nur genau hinsehen.<br />

So besitzt — und das ist ein wesentlicher<br />

Unterschied! — N. ramsdeni in der Afterflosse<br />

fünf Stacheln, während es bei N. tetracanthus, was<br />

schon der wissenschaftliche Artname (‚Vierstachelbuntbarsch’)<br />

ausdrückt, nur vier sind. Hinzu<br />

kommt, dass das Maul von N. ramsdeni kleiner ist<br />

und der Unterkiefer nicht vorsteht. Bei N. ramsdeni<br />

sind auch die Wangenschuppen größer und zu<br />

nur vier Reihen geordnet, während N. tetracanthus<br />

sechs bis acht Reihen deutlich kleinerer<br />

Wangenschuppen besitzt. Die Rücken- und die<br />

Afterflosse sind bei N. tetracanthus nur unwesentlich<br />

ausgezogen, während sie bei N. ramsdeni<br />

in langen Fäden auslaufen, die im Extremfall bis<br />

zum Hinterrand der Schwanzflosse reichen.<br />

Außerdem entwickelt die letztgenannte Art in<br />

beiden Geschlechtern einen deutlichen und ‚spitzen’<br />

Stirnbuckel, was bei N. tetracanthus weniger<br />

der Fall ist, obwohl auch diese Art — zumindest<br />

im männlichen Geschlecht — einen leichten<br />

Stirnbuckel entwickeln kann.<br />

Der Artname von Nandopsis ramsdenis ist ein<br />

Widmungsname. Fowler hatte diesen aus dem<br />

äußersten Osten Kubas stammenden <strong>Cichliden</strong><br />

DCG-Informationen 43 (7): 147-156 151


zu Ehren des Sammlers Dr. Charles T. Ramsden<br />

benannt. Der zur Beschreibung vorliegende<br />

Holotypus war im Arroyo Hondo bei den Ortschaften<br />

Jamaica und Yateras östlich von Guantánamo<br />

gefangen worden. Er misst 234 mm. Die<br />

Paratypen stammen aus dem Guaso River, einem<br />

Zufluss zum Guantánamo. In diesen Flüssen findet<br />

man die Art heute aber wohl nicht mehr, was<br />

allerdings nicht mit letzter Gewissheit gesagt werden<br />

kann. Da beide Flüsse heute trübes Wasser<br />

152<br />

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Gegenüber, oben: Nach dem Putzen des Laichsubstrats werden in aller Ruhe die Eier angeheftet<br />

und besamt.<br />

Gegenüber, unten: Verpaarte Tiere begrüßen sich in Schräglage mit aufgestellten Flossen.<br />

Oben: Auch nach ein paar Wochen hilft der Vater noch beim Führen der Jungen.<br />

führen, erscheint es mir zu gewagt, Restvorkommen<br />

völlig auszuschließen. Auf jeden Fall handelt<br />

es sich aber um Süßwasserbewohner. Schon<br />

Howell Rivero & Rivas (1940) betonten, dass N.<br />

ramsdeni nicht in Brack- oder Seewasserzonen<br />

vordringt.<br />

Verschwunden — und wieder entdeckt<br />

Bei Nandopsis ramsdeni handelt es sich um einen<br />

Großcichliden, dessen Fleisch sehr schmackhaft<br />

ist. Howell Rivero & Rivas zitieren jedenfalls ein<br />

altes kubanisches Sprichwort, das da lautet: „El<br />

que coma Joturo y se bañe en el Rio Guaso no<br />

deja a Guantánamo.“ (Wer Joturo isst und im Rio<br />

Guaso badet, verlässt Guantanamo nicht mehr.)<br />

Das war wohl auch der Grund, warum das kubanische<br />

Landwirtschaftsministerium im Jahre<br />

1939 mehr als 4000 (!) dieser Buntbarsche in verschiedenen<br />

Flüssen Kubas aussetzte, um den<br />

Bestand zu sichern. Und bei dieser Aktion<br />

beschränkte man sich nicht nur auf das natürliche<br />

Verbreitungsgebiet der Art, also auf den Osten<br />

der Insel, sondern versuchte auch, sie weiter westlich<br />

anzusiedeln. Doch alle Bemühungen blieben<br />

— zumindest zunächst — ohne Erfolg: Jedenfalls<br />

fand Garbe, der N. ramsdeni Ende der achtziger<br />

Jahre gezielt an den in der wissenschaftlichen<br />

Literatur erwähnten Stellen suchte, die Fische<br />

zunächst nicht. Im Jahre 1990 berichtete er sogar,<br />

dass die Kubaner nicht einmal mehr wüssten, was<br />

für eine Art Buntbarsch sich hinter dem Populärnamen<br />

‚Joturo’ verberge.<br />

Doch Garbe gab nicht auf! Nach seinem Misserfolg<br />

im Jahre 1990 suchte er hartnäckig weiter<br />

und reiste im Dezember 1994 erneut ins östliche<br />

Kuba, um nun auch in den Bergflüssen nach N.<br />

ramsdeni zu suchen. Und diesmal wurde er fündig.<br />

Zwar konnte er die Art in den von Fowler<br />

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zw. Rivero & Rivas angegebenen Flüssen wiederum<br />

nicht finden, begab sich dann aber von dem<br />

auf etwa 800 m über NN gelegenen Ort Bayate<br />

aus nach Norden und überquerte die Wasserscheide,<br />

um bei Jagueyon in einem Zufluss zum<br />

Rio Sagua zu fischen. Und dort, in kühlem Wasser<br />

von nur 21 °C (9 °KH, 13 °dGH; pH 8,5), fand er<br />

die lange gesuchten N. ramsdeni syntop mit einigen<br />

wenigen, wohl aufgrund einer Anpassung an<br />

das Fließwasser recht gestreckten N. tetracanthus,<br />

und einigen — hier wie vielerorts in Mittelamerika<br />

— ausgesetzten Tilapien einer nicht näher<br />

identifizierten Art.<br />

Später fand Garbe N. ramsdeni auch in einem<br />

der oberen Zuläufe zum Rio Toa, der im östlichen<br />

Kuba die Berge von Baracoa entwässert. Bei der<br />

Ortschaft Palenque, auf etwa 750 m über NN und<br />

damit wiederum sehr hoch gelegen, fand er die<br />

Fische erneut in klarem, leicht strömendem Wasser<br />

mit ähnlichen Werten wie bei Jagueyon.<br />

Garbe äußerte übrigens die Vermutung, dass<br />

sich die Buntbarsche in diesen Bergflüssen von<br />

den dort reichlich vorhandenen Algen ernähren,<br />

die Kiesel und Kalksteine überziehen. Wahrscheinlich<br />

fressen sie aber auch die zahlreich vorhandenen,<br />

vor allem nachts das Freiwasser bevölkernden<br />

Süßwassergarnelen (‚Schwimmgarnelen’),<br />

die stellenweise so häufig sind, dass sie ihm<br />

das Fotografieren unter Wasser sehr erschwerten.<br />

Nachdem Garbe über seine Reisen berichtet<br />

und seine Fundstellen publik gemacht hatte,<br />

begaben sich auch amerikanische Buntbarschfreunde<br />

nach Kuba, um N. ramsdeni aufzuspüren.<br />

Tallet (1996), der ebenfalls fündig wurde, nannte<br />

noch zwei weitere Flüsse, in denen die Art lebt.<br />

Das heutige Verbreitungsgebiet umfasst nach seinen<br />

Angaben die Flüsse Bano, Maniacales und<br />

Purialitos (bei El Salvador), Yateras (bei La Felicidad),<br />

Toa (bei Palenque), und Sagua (bei Jagueyon).<br />

Tallet gibt weiterhin an, dass das kubanische<br />

Instituto Nacional de la Pesca im Jahre 1969<br />

erneut Joturos ausgesetzt habe, und zwar westlich<br />

des natürlichen Verbreitungsgebietes in verschiednen<br />

Seen. Aufgelistet sind die Laguna Leoneros,<br />

die zum Cauto-Einzug gehört und in der<br />

Gramma Provinz liegt, außerdem verschiedene<br />

‚Stauseen’, nämlich die Presa Caonao, die Presa<br />

Mañana de Santa Ana der Provinz Camaguey und<br />

die Presa Aridanes nördlich der Provinz Sancti<br />

Spiritus. Es erscheint unwahrscheinlich, dass sich<br />

die Art nicht in irgendeinem dieser Seen hat<br />

ansiedeln können.<br />

Unten: Dominierende Männchen neigen dazu, in der Mitte ihres Reviers zu gähnen, um so<br />

Stärke zu demonstrieren.<br />

154<br />

DCG-Informationen 43 (7): 147-156


Trotz dieser positiven Nachrichten bleibt festzuhalten,<br />

dass N. ramsdeni in den nach Süden<br />

entwässernden Flüssen Ostkubas wohl nicht<br />

mehr vorkommt. Wahrscheinlich sind sie aufgrund<br />

der ständig schlechter werdenden Wasserqualität<br />

verschwunden: Garbe berichtete jedenfalls,<br />

dass bestimmte Flussabschnitte des Rio<br />

Guaso und des Rio Guantánamo durch Industrieabwässer<br />

und Siedlungskloaken stark belastet<br />

seien. Hinzu komme der immer stärker werdende<br />

Konkurrenzdruck: Neben den recht aggressiven<br />

N. tetracanthus haben sich nämlich ausgesetzte<br />

Tilapien und Forellenbarsche (Micropterus) derart<br />

vermehrt, dass sich die vergleichsweise<br />

zurückhaltenden N. ramsdeni wohl nicht behaupten<br />

konnten.<br />

Pflege und Fortpflanzungsverhalten<br />

Ich habe N. ramsdeni sowohl selbst gepflegt als<br />

auch Erfahrungen mit Garbe und anderen Mitgliedern<br />

der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Cichliden</strong>-<strong>Gesellschaft</strong><br />

aus meinem Bekanntenkreis ausgetauscht, die<br />

diesen Großcichliden — die Art wird um 30 Zentimeter<br />

lang — ebenfalls pflegten. Alles in allem<br />

handelt es sich trotz ihrer relativen Größe um<br />

zurückhaltende, manchmal sogar etwas scheue<br />

und nur wenig aggressive Buntbarsche, die im<br />

Aquarium jedes zu bewältigende Futter nehmen:<br />

Jüngere Exemplare stürzen sich gierig auf gefrostete<br />

Mückenlarven, Mysis, Krill und Artemia.<br />

Älteren Tieren kann man auch Garnelen,<br />

Muschelfleisch, Bachflohkrebse und gehackten<br />

Fisch (etwa zerschnittene Stinte) geben, doch<br />

dürfen die Futterbrocken nicht gar so groß sein,<br />

da N. ramsdeni — wie schon gesagt — recht kleinmäulig<br />

ist. Die Tatsache, dass alle Altersstufen<br />

ebenso gierig Flockenfutter und Sticks fressen,<br />

erleichtert uns ihre Haltung im Aquarium.<br />

Auch die Vermehrung ist nicht schwierig und<br />

gelingt schon mit recht jungen Exemplaren. Vielleicht<br />

sollte ich sogar sagen, dass junge Paare williger<br />

— und in kürzeren Zeitabständen — laichen<br />

als ältere. Nach meinen Erfahrungen laichen die<br />

Weibchen bereits mit etwa 10, die Männchen mit<br />

ungefähr 12 Zentimeter Gesamtlänge. Jungfische<br />

kann man vorübergehend in Aquarien ab 100<br />

Zentimeter Kantenlänge unterbringen, doch<br />

muss man, nachdem sich ein Paar gefunden hat,<br />

alle überzähligen Artgenossen entfernen, da sie<br />

energisch verbissen werden. Nur in genügend<br />

großen Aquarien um zwei Meter Kantenlänge<br />

kann man weitgehend bedenkenlos auch eine<br />

Gruppe dieser — vor allem durch ihre ausgefallene<br />

Form attraktiv wirkenden — Buntbarsche<br />

gemeinsam pflegen.<br />

Ein Aquarium für N. ramsdeni muss in jedem<br />

Fall mit Steinen und Wurzeln versteckreich eingerichtet<br />

werden, wobei es weniger auf ‚enge’ Höhlen,<br />

als vielmehr auf die Schaffung ‚lichter’ Unterstände,<br />

Sichtschutz und eine Strukturierung der<br />

Bodenfläche ankommt. Höhere Pflanzen, insbesondere<br />

härtere Arten, werden von den Fischen<br />

nicht angegangen, so dass sie ebenfalls zur Dekoration<br />

geeignet sind. Im Zuge der Fortpflanzungsvorbereitungen<br />

graben sie aber störende Pflanzen<br />

aus — was praktisch alle Großcichliden tun —<br />

oder beißen sie kurzerhand ab.<br />

Sobald die Tiere geschlechtsreif werden, verändern<br />

die Weibchen ihre Färbung. Ihr vorher weitgehend<br />

einheitlich graue bis grau-braune Körper<br />

hellt in seinen Konturen auf, während auf dem<br />

Körper und in der Rückenflosse dunkle Flecke —<br />

im Einzelfall auch größere Flächen — schwarz<br />

hervortreten. So präsentieren sie sich mit aufgestellten<br />

Flossen den stärksten Männchen, die die<br />

werbenden Weibchen anfangs noch verjagen, bis<br />

sie sie nach ein paar Tagen für immer längere Zeit<br />

in unmittelbarer Nähe dulden und ihrerseits balzen,<br />

indem sie sich schräg vor dem Weibchen in<br />

Position bringen und mit aufgestellten Flossen<br />

mit dem Körper schlagen, um Größe und Kraft zu<br />

demonstrieren.<br />

Später folgt das Männchen dem Weibchen und<br />

inspiziert mit ihm mögliche Laichplätze, auf die<br />

beide Partner mit gesenktem Kopf stößelnd hindeuten.<br />

Beginnen die Tiere dann gemeinsam zu<br />

graben, wird man sich wundern, welche enormen<br />

Mengen Sand und Kies sie bewegen!<br />

N. ramsdeni ist ein typischer Offenbrüter, auch<br />

wenn die Art zumeist an vertikalen, schrägen<br />

oder horizontalen Flächen laicht, die beide Partner<br />

zuvor intensiv mit den Mäulern bearbeitet<br />

DCG-Informationen 43 (7): 147-156 155


oder ‚geputzt’ haben. Die kleinen, gelblich-transparenten<br />

Eier fallen auf ähnlich gefärbten Unterlagen<br />

kaum auf. Sie werden fast ausschließlich<br />

vom Weibchen, das häufig nahezu Körperkontakt<br />

zum Gelege aufnimmt, befächelt und belutscht.<br />

Verdorbene Eier pickt es gezielt aus dem Gelege<br />

heraus. Das Männchen beschränkt sich auf die<br />

Verteidigung des Umfeldes und verjagt potentielle<br />

Bruträuber, wobei insbesondere Artgenossen<br />

heftig attackiert werden.<br />

Bei 27 °C schlüpfen die Larven bereits nach<br />

Ablauf von vier Tagen. Die weitere Entwicklungszeit<br />

bis zum frei schwimmenden Jungfisch ist<br />

dagegen deutlich länger und dauert etwa sieben<br />

Tage. Während dieser Zeit werden die Larven von<br />

beiden Alttieren gemeinsam in engen Gruben am<br />

Boden untergebracht, die fast immer von irgendwelchen<br />

Steinen flankiert sind, so dass kaum die<br />

Gefahr besteht, dass die Larven durch nachrutschenden<br />

Sand verschüttet werden. Nach meinen<br />

Erfahrungen werden die Larven in der Regel nur<br />

einmal, gelegentlich aber auch mehrfach von<br />

ihren Eltern umgebettet.<br />

Schwimmen die anfangs winzig wirkenden<br />

Jungfische frei, kann man sie sofort mit Artemia-<br />

Nauplien anfüttern. Sie halten sich zunächst dicht<br />

beisammen und folgen den Führungssignalen<br />

ihrer Eltern beziehungweise der Mutter, deren<br />

Schwarz-Weiß-Kontraste nun besonders intensiv<br />

ausgeprägt sind. Das Weibchen dominiert aber<br />

nicht nur hinsichtlich der Brutpflegefärbung, sondern<br />

auch bezüglich ihres Engagements. Dennoch<br />

kommt es gelegentlich vor, dass das stärkere<br />

Männchen die Brutpflege an sich reißt, das Weibchen<br />

verjagt und die Jungen allein betreut. In solchen<br />

Fällen rate ich dazu, die Jungfische abzusaugen,<br />

weil die Männchen nach anfänglicher<br />

Euphorie häufig doch nicht ausdauernd genug<br />

pflegen und die Jungen dann verloren gehen.<br />

Die Aufzucht der Jungfische gelingt nicht<br />

immer ohne Probleme, obwohl sie anfangs<br />

schnell wachsen und sehr robust scheinen. Es<br />

kommt aber wie bei N. tetracanthus und anderen<br />

Buntbarschen aus Mittel- und Südamerika vor,<br />

dass nahezu alle Tiere einer Brut, wenn sie zwei<br />

bis drei Zentimeter lang sind, plötzlich das Fressen<br />

einstellen, apathisch in den Ecken des Aquariums<br />

stehen und nach kurzer Zeit eingehen,<br />

wobei sie meist dunkle Flecke auf dem Körper<br />

zeigen. Dieses Phänomen tritt insbesondere bei<br />

der Vergesellschaftung mit anderen Fischen oder<br />

nach dem Umsetzen auf, scheint also eine Stressreaktion<br />

zu sein. Man sollte Jungfische dieser Art<br />

also besser unter sich aufziehen! Erwachsene<br />

beziehungweise geschlechtsreife Tiere, die umgesetzt<br />

werden und in ihrer neuen Umgebung<br />

sofort überlegen sind, verkraften einen solchen<br />

Umzug dagegen in der Regel ohne Probleme.<br />

Literatur:<br />

FOWLER, H. W. (1938): A Small Collection of Fresh-water<br />

Fishes from Eastern Cuba. Proc. Acad. Nat. Scie. Phil., Vol.<br />

XC: 143-146.<br />

GARBE, H. (1990): Schwarze Schönheiten von der roten Insel.<br />

Auf der Suche nach aquaristisch neuen Varianten von<br />

„Cichlasoma“ tetracanthus im Südwesten und Südosten<br />

Kubas. DCG-Info 21 (1): 1-10.<br />

GARBE, H. (1995): Ein Phantom meldet sih<br />

zurück.“Cichlasoma“ ramsdeni erstmals lebend nach<br />

Europa eingeführt. DATZ 48: 248-253.<br />

HOWELL RIVERO, L. & L. R. RIVAS (1940): Algunas consideraciones<br />

sobre los ciclidos de Cuba. Mem Soc. Cub. Hist.<br />

Nat., Vol. 14, No. 4: 373-395.<br />

STAWIKOWSKI, R. & U. WERNER (1998): Die Buntbarsche<br />

Amerikas, Band 1. Stuttgart, 540 S.<br />

TALLET L., C. (1996): Meet the Joturo again.Trop. Fish Hobby.<br />

44 (8): 94-104..<br />

WERNER, U. (1984): Ein Traum wurde Wirklichkeit: Zur<br />

Neueinführung von Cichlasoma tetracanthus, dem<br />

Kubabuntbarsch. Das Aquarium 177: 126-131<br />

Fotos ohne andere Angaben: Uwe Werner<br />

Uwe Werner ist begeisterter<br />

Aquarianer und <strong>Cichliden</strong>-<br />

Freak, der in erster Linie<br />

Buntbarsche aus Mittel- und<br />

Südamerika pflegt, seit ein<br />

paar Jahren auch aus Westafrika.<br />

Er hat viele ichthyologische Sammelreisen<br />

unternommen und berichtet mehr oder<br />

weniger regelmäßig über seine Erlebnisse und<br />

Erfahrungen in der einschlägigen Literatur.<br />

156<br />

DCG-Informationen 43 (7): 147-156

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