Der Psychotherapie – RAUM - Matthias Witzel
Der Psychotherapie – RAUM - Matthias Witzel
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1<br />
<strong>Der</strong> <strong>Psychotherapie</strong> <strong>–</strong> <strong>RAUM</strong><br />
Anmerkungen zur Interdependenz von innerpsychischer Weite und<br />
der Setting-Variable <strong>RAUM</strong> im psychotherapeutischen Prozess 1<br />
„Die Umgebung, in der der Mensch sich den größten Teil des Tages aufhält,<br />
bestimmt seinen Charakter.” Thomas von Aquin<br />
„<strong>Der</strong> Raum ist dem Ort, was die Ewigkeit der Zeit ist.“ Joseph Joubert<br />
„Lass Raum sein in unserem Zusammensein.“ Kahlil Gibran<br />
1. <strong>Der</strong> <strong>Psychotherapie</strong>-<strong>RAUM</strong>: Ein erkenntnisförderndes Subjekt? S. 1<br />
2. Raumwirkung und <strong>Psychotherapie</strong> S. 2<br />
3. <strong>Der</strong> <strong>Psychotherapie</strong>-<strong>RAUM</strong> im Kontext der eng-weit-Dynamik S. 3<br />
4. <strong>Psychotherapie</strong>-RÄUME in der Klinik 2 S. 4<br />
5. CONCLUSIO: Zur Implementierung in der Klinik S. 6<br />
*******<br />
1. <strong>Der</strong> <strong>Psychotherapie</strong>-<strong>RAUM</strong>: Ein erkenntnisförderndes Subjekt?<br />
<strong>Der</strong> Behandlungsraum beim Psychotherapeuten ist ein Ort für spezifische, prägende<br />
<strong>RAUM</strong>-Erfahrungen. Wird der Psychotherapeut das erste Mal aufgesucht, ist der<br />
<strong>RAUM</strong> noch durch nichts gefärbt als durch die Erwartung, dort Hilfe zu bekommen. Er<br />
ist noch ein bedeutungsfreier Raum. Aber schon der Erstkontakt, in dem häufig zum<br />
1 Kapitel 1-3: vgl. <strong>Witzel</strong>, M. 1999, <strong>Der</strong> Raum in der <strong>Psychotherapie</strong>. Unveröffentlichter Text im Rahmen<br />
einer Lehrveranstaltung an der Europäischen Akademie für Gesundheit EAG/FPI<br />
2 Ursprüngliche Motivation den Text zu verfassen waren die bis dahin inadäquaten räumlichen<br />
Arbeitsbedingungen für PsychotherapeutInnen in der AESKULAP-Klinik in Brunnen/Schweiz
2<br />
ersten Mal im Leben hinreichend ein professioneller Empathie-<strong>RAUM</strong> für die<br />
umfassende Darlegung (Körper/Seele/Geist) eines Seelenschmerzes gestaltet und<br />
bereitgestellt und wird, haftet beim nächsten Besuch noch subjektiv im Raum. <strong>Der</strong><br />
Behandlungsraum wird nun für den Patienten zum „Ort, an dem ich mich artikulieren<br />
kann“, zum „Ort, an dem mir empathisch zugehört wird“ und zum Ort, wo ich<br />
bewusstseinsweitende, kreativitätsfördernde Experimente wagen darf“. Nach und nach<br />
häufen sich die subjektiven Erfahrungen mit dem Raum. Lange verdrängt gewesene<br />
Ereignisse, die zum ersten Mal zur Sprache gekommen sind, verweben sich mit den<br />
Möbeln (Therapiestuhl, Entspannungsliege) und mit dem Raum zu einer nicht mehr<br />
isolierbaren Textur. Erkenntnisse, die der Patient in diesem Raum hat, werden<br />
unbewusst dem Raum selbst als erkenntnisförderndem Subjekt zugesprochen: <strong>Der</strong><br />
Behandlungsraum wird zu einem Ort, an dem man das Ungeheuerliche beim Namen<br />
nennt, ohne daß es verhängnisvolle Folgen hätte.<br />
Es bleibt also festzuhalten, daß ein zunächst neutraler Raum, auch ein<br />
psychotherapeutischer Behandlungsraum, durch die in ihm vollzogenen gemeinsamen<br />
Handlungen zum subjektiv bedeutsamen Raum wird. Starke Gefühle, die ein<br />
Patient möglicherweise zum ersten Mal in diesem Raum hat zeigen können,<br />
scheinen nun dem Raum selbst als dessen eigene Qualität anzuhaften.<br />
2. Raumwirkung und <strong>Psychotherapie</strong><br />
„Raumwirkung“ ist ein sich wechselseitig durchdringender Zustand zwischen Mensch<br />
und Raum. Man kann nicht generalisierend eine Gleichung aufstellen, derzufolge ein<br />
bestimmter Raum jeden Menschen unfehlbar in eine bestimmte Stimmung bringen wird,<br />
etwa mit dem Dictum „düstere, enge und klamme Räume machen Angst“. So kann eine<br />
düstere Höhle für den einen ein Ort des Schreckens sein, während vielleicht ein anderer<br />
in einer Trauerstimmung gerade dort Trost findet. Verschiedene Räume können auf<br />
denselben Menschen in der gleichen Gestimmtheit gleich wirken. Umgekehrt kann<br />
derselbe Raum auf verschiedene Menschen eine völlig unterschiedliche Wirkung<br />
entfalten. Gleichwohl gilt erfahrungsgemäss, dass der Ort des Seins die Seinsqualität<br />
mitdefiniert, dass der Ort eines Wirkens auch Wirkfaktor ist. Erfahrungsgemäss gilt<br />
auch, dass die Mehrheit leidender Menschen gewisse <strong>RAUM</strong>-Parameter als unterstützend<br />
und andere als weniger förderlich für ihre jeweiligen Heilsprozesse erleben.<br />
Die „Anstrengungen“ im psychotherapeutischen Korrespondenzprozess zwischen<br />
Patienten und seinem Therapeuten folgen nicht den marktwirtschaftlichen Gesetzen<br />
des schneller, besser, billiger, sondern es geht bei ihnen um eine Bemühung der<br />
Selbstversenkung, der Bewusstwerdung, der Überwindung jahre- und<br />
jahrzehntealter innerer Barrieren, ein Aufweichen neurotischer Gewohnheiten.<br />
Somit ist der <strong>RAUM</strong> dieser Bemühungen auch kein <strong>RAUM</strong>, welcher nach<br />
marktwirtschaftlichen Kriterien definiert, konzipiert und ausgestaltet werden<br />
sollte. Es können daher auch für die <strong>RAUM</strong>-Konzeption eines <strong>Psychotherapie</strong>-<br />
<strong>RAUM</strong>ES nicht kritiklos die Ergebnisse der Wirkungsästhetikforschung 3 übernommen<br />
werden. Es interessiert hier nämlich nicht die Frage, ob Menschen lieber in Einzel- oder Großraumbüros<br />
arbeiten, ebenso wenig wie die Frage, ob Türen zu Gang und Nachbarräumen grundsätzlich offen oder<br />
3 Diese stellt innerhalb der Sozialpsychologie als Raumpsychologie seit knapp dreißig Jahren einen eigenen<br />
Forschungszweig dar, vgl. u.a. Fischer, M. (1999).
3<br />
geschlossen sein sollten, ob der Mensch Sonne und Grünpflanzen braucht, und bei welchen circadianen<br />
Kurven die Leistungskurve absinkt oder ansteigt.<br />
Denn die zu erbringende „Leistung“ im Rahmen einer <strong>Psychotherapie</strong> ist nicht im<br />
ökonomischen Sinne quantifizierbar und optimierbar. Wird im kapitalistischen<br />
Arbeitsprozess eine Anstrengung gefordert, die im wesentlichen an schnellen und<br />
reibungslosen Produktionsabläufen bei effizienter Ausnutzung begrenzter Produktions-<br />
<strong>RAUM</strong>E interessiert ist (wie z.B. auch oftmals in den Sekretariaten von Kliniken) <strong>–</strong> gilt<br />
es in der <strong>Psychotherapie</strong> in achtsamer Verlangsamung die Handlungs- und<br />
Erlebensdynamik eines Patienten neu zu rhythmisieren und behutsam<br />
auszubalancieren. <strong>Der</strong> dazu notwendige Harmonisierungs-<strong>RAUM</strong> sollte demnach<br />
nach total anderen Parametern, als nach denen eines ergonomisch optimierten<br />
Produktions-<strong>RAUM</strong>es, gestaltet sein. In Bezug auf die <strong>Psychotherapie</strong> ist das<br />
Erkenntnisinteresse, wie Mensch und Raum sich wechselseitig durchdringen, demnach<br />
ganz anders gelagert. Es ist in größeren Bögen gespannt als im unmittelbaren<br />
Verwertungsinteresse der Leistung der jeweiligen „Rauminsassen“.<br />
Es gilt vielmehr immer wieder den Focus darauf zu richten und herausfinden, wodurch<br />
Bewusstwerdungs- und Heilungsprozesse im psychotherapeutischen <strong>RAUM</strong><br />
begünstigt und wodurch sie möglicherweise behindert werden.<br />
Jeder <strong>RAUM</strong> bietet eine gewisse Stimmung an. Er begünstigt bestimmte Affekte und<br />
verhindert eher das Aufkommen anderer Affekte. Natürlich hängt die Wirkung auch<br />
wesentlich von den Personen selbst ab, die sich darin befinden. Sie hängt außerdem von<br />
der traditionellen Verwendungsweise des Raumes ab. Für die <strong>Psychotherapie</strong><br />
interessiert aber nicht nur, was ein Raum vorstellt, was er ist, sondern auch,<br />
welche Entwicklungspotentiale sich in und durch diesen Raum anbieten. Denn<br />
schließlich sollen im <strong>Psychotherapie</strong>-<strong>RAUM</strong> Wachstumsprozesse in Gang gesetzt<br />
werden, die eine progressive Selbsterkenntnis und Heilung des Selbst ermöglichen.<br />
3. <strong>Der</strong> <strong>Psychotherapie</strong>-<strong>RAUM</strong> im Kontext der eng-weit-Dynamik<br />
Die eng-weit-Dynamik hat eine unübersehbare psychische Qualität. Wer dauerhaft<br />
unter Angst leidet, dem krampft sich „alles“ zusammen: Muskeln und Gefäße<br />
kontrahieren und verhindern eine gesunde Durchblutung.<br />
Geistig verengte oder eingeengte Menschen sind sozial unangenehm; sie fallen durch engherzige<br />
Auslegung von Vorschriften auf, haben einen eingeengten Wahrnehmungshorizont und wirken dadurch<br />
beengend. Mit engstirnigen Menschen möchte niemand zu tun haben. Sie setzen einen unter Druck und wirken<br />
so bedrückend.<br />
Demgegenüber schätzen wir weitblickende Menschen, weitherzige Auffassungen und weitgespannte<br />
Wünsche; wir mögen weitläufige Gärten und sagen von einem Menschen, sein Blick habe sich durch<br />
zahlreiche Reisen geweitet oder er habe durch Weiterbildungen seinen beruflichen Horizont erweitert.<br />
Weite bedarf der menschlichen Aktivität, sie kommt nicht von selbst zu einem.<br />
Sie hat auch keine konkrete Zielangabe, sondern dehnt sich unbestimmt vor einem aus.<br />
Auch die Konzepte der erstzunehmenden psychotherapeutischen Verfahren<br />
beziehen in diesem „eng-weit-Dualismus“ eindeutig Position: Sie wollen Weite<br />
vermitteln, nicht Enge, und sie wollen dazu Weite geben. <strong>Der</strong> Patient soll nicht auf<br />
einen engen Glaubenskanon eingeschworen werden, sondern soll innerlich weit werden;<br />
er soll in Hinblick auf seine Disponibilität nicht eingeengt werden, sondern aus der Fülle
4<br />
der Entscheidungsmöglichkeiten, die Weite vermittelt, seine optimale Wahl treffen.<br />
Psychotherapeutisch arbeiten heißt auch, die Perspektive des eigenen Lebens zu<br />
weiten und das zu sehen, was man vorher nicht sehen konnte.<br />
Diesen Aspekt gilt es bei der atmosphärischen und der Raumgestaltung auch mit<br />
zu berücksichtigen. Einerseits will der Psychotherapeut den Patienten nicht einengen und<br />
festklemmen, andererseits will er ihn auch nicht der Ödnis unendlicher Weite ausliefern,<br />
die weit und breit keine schützende Unterkunft bietet und in der keine Orientierung<br />
möglich ist. <strong>Psychotherapie</strong> will befreiend, öffnend und weitend und nicht<br />
drückend, beengend und belastend sein und wirken.<br />
Eng ist, was die Entfaltung des Lebens behindert, weit ist, was diesem einen<br />
hinreichenden Entfaltungsbereich freigibt:<br />
Enge und Weite stimmen einen Raum ganz maßgeblich. Ein enger Raum kann bei<br />
jemandem, der innerlich sich immer schon eng macht, dieses destruktive<br />
Persönlichkeits-Muster spiegeln und vornehmlich auch weiter aufrechterhalten<br />
helfen. Ein enger Raum kann retraumatisieren: Ehemals traumatische<br />
Einengungs- und Verengungserfahrungen werden durch enge Raume<br />
angetriggert.<br />
Ein weiter Raum beängstigt ihn unter Umständen erst einmal, jedoch kann er im<br />
günstigen Fall mit Hilfe der therapeutischen Präsenz zum Experiment der Weite<br />
der Ausweitung, des Ausschreitens und des Tieferdurchatmens ermutigt und<br />
einladen werden. Die Dynamik vom angstinduzierten Tunnelblick zur mutigen<br />
Perspektivenweitung wird von der Therapeut-Patient-Dyade ermöglicht oder<br />
(unbewusst) verhindert/vermieden.<br />
Bei all dem bestimmen natürlich subjektive Gewohnheit und sozio-kulturelle Einbindung<br />
über das Gefühl von Enge und Weite wesentlich mit. Was dem einen als weit erscheint,<br />
das empfindet der andere als eben noch ausreichend oder schon beengend. Wo der eine<br />
sich zur Arbeit in eine enge Klause zurückzieht, da braucht der andre einen ganzen Saal,<br />
um sich entfalten zu können.<br />
Auf alle Fälle aber wäre es fatal, wenn ein zu enger Raum von der Mehrheit der Patienten<br />
als zu eng und damit einengend und kontraproduktiv für innere Aus-Weitungsprozesse<br />
und psychische Wachstumsdynamiken erlebt würde. 4<br />
4. <strong>Psychotherapie</strong>- RÄUME in der Klinik<br />
„<strong>Der</strong> Ort des Wirkens ist Wirkfaktor“ M.W.<br />
<strong>Psychotherapie</strong>-RÄUME auch in der Klinik<br />
4 Eine gegenpolare Erfahrung zu diesem wachstumsblockierenden einengenden Setting wäre etwa in den<br />
<strong>RAUM</strong>-Parametern gotischer Kathedralen möglich: Hier macht das Individuum die Erfahrung einer<br />
inneren Weite, in der das Ich in den Raum hineingezogen wird und in der großen, aufwärtsführenden<br />
Bewegung gleichsam seelisch sich öffnend mitschwingt.
5<br />
…sind RÄUME, in denen TherapeutInnen arbeiten, die den <strong>Psychotherapie</strong>-<br />
<strong>RAUM</strong> in Übereinstimmung mit den Konzepten der in der Schweiz anerkannten<br />
<strong>Psychotherapie</strong>verfahren unterschiedlichster Provenienz (<strong>Psychotherapie</strong>-<br />
CHARTA <strong>–</strong> krankenkassenanerkannt), als ein essentielles therapeutisches<br />
Medium verstehen und nutzen.<br />
…sind Räume, die gleichzeitig: Selbst-Erfahrungs-<strong>RAUM</strong>, Begegnungs-<strong>RAUM</strong>,<br />
Wahrnehmungs-<strong>RAUM</strong>, Experimentier- und Kreativitäts-<strong>RAUM</strong>, Sicherheits-<br />
Geborgenheits- und Schutz-<strong>RAUM</strong> („Safe Place“- vgl.Katz-Bernstein,N. 5 ), Modell<br />
für heilen Selbst-<strong>RAUM</strong>, Selbst-Regulations-<strong>RAUM</strong> (u.a. Nähe-Distanz-<br />
Regulation) und in all dem ein Heil-<strong>RAUM</strong> sein können.<br />
…sind RÄUME in denen professionelle psychotherapeutische Arbeit getan wird,<br />
bei der geht davon ausgegangen wird, dass der äussere, gestaltete<br />
Behandlungs-<strong>RAUM</strong> des Psychotherapeuten und der seelische Raum des<br />
Patienten/Klienten wechselseitig aufeinander einwirken, so dass der eine<br />
zum wesentlichen Impulsgeber für den anderen wird. Diese wechselseitige<br />
Durchdringung ist (für den Patienten in der Regel unbewusst) wichtige<br />
Wirkgrösse (Brumund&Märtens 1996 6 ).<br />
…sind RÄUME, die qua ihrer Qualität und spezifischen Eigenschaften<br />
wesentlich den therapeutischen Prozess in seiner heilenden Wirkung mitprägen,<br />
den effektiven Outcome mitkonstituieren. <strong>Der</strong> therapeutische Raum ist damit<br />
einer der sog. „unspezifischen Heilfaktoren“ 7 : Im je gearteten physikalischen<br />
<strong>RAUM</strong> werden seelisch-körperlich-geistige Räume (Innenräume, Seelenräume)<br />
im Korrespondenzprozess zwischen Patienten und Therapeuten kreiert und<br />
ausgestaltet: Es geschieht dort Kreation und Integration heilsamer Prozesse.<br />
…sind RÄUME die mit dem Patienten/Klienten während des<br />
psychotherapeutischen Prozesses in einen noch nicht näher bekannten<br />
Wirkungszusammenhang treten. Es kann aber angenommen werden, daß das<br />
jeweilige schrittweise Gewahrwerden des Therapieraumes mit dem<br />
schrittweisen Begreifen unbewußter innerer Prozesse einhergeht.<br />
…sind RÄUME, die immer auch ein sog. „Safe Place“ 8 für den Patienten sind:<br />
Im <strong>Psychotherapie</strong>-<strong>RAUM</strong>, der sog. „dritten schützenden Haut“ wird die<br />
Geborgenheit induzierende Raumatmosphäre auch gefördert oder begrenzt<br />
durch eine adäquate oder inadäquate physische Grösse des Raumes, was<br />
infolgedessen dann ebenfalls die Möglichkeiten der innerpsychischen Weitung,<br />
Entfaltung und Entwicklung beeinflusst.<br />
5 vgl. Anmerkung 6<br />
6 vgl. Brumund, L.& Märtens,M. in: Gestalt und Integration 1997/98. Die 14 Heilfaktoren in der<br />
Integrativen Therapie, Paderborn1998, Junfermann.<br />
7 idem<br />
8 vgl. Hensler, Ute Elisabeth, Graduierungsarbeit am EAG/FPI, <strong>Der</strong> eigene Ort - Safe Place-Arbeit mit<br />
essgestörten Jugendlichen. Hückeswagen: EAG 2008 (Konzept des Safe Place, wie es im Rahmen der<br />
Integrativen Therapie von N. Katz-Bernstein entwickelt wurde).
6<br />
…sind RÄUME für beziehungsreiche Wechselverhältnisse: Räume zum<br />
Denken und damit Denk-<strong>RAUM</strong>, zum Regredieren und damit Regressions-<br />
<strong>RAUM</strong>, zum Progression und damit Progressions-<strong>RAUM</strong>, zum Intervenieren<br />
und damit Raum für das das konkrete Sitzen auf dem <strong>Psychotherapie</strong>stuhl. Und<br />
wenn der Patient im Verlauf der <strong>Psychotherapie</strong> immer mehr heilsame Impulse<br />
der <strong>Psychotherapie</strong> integriert - wenn also jeder Aspekt des<br />
Wechselverhältnisses zwischen Patienten und Psychotherapeuten wichtig<br />
ist - dann muß anzunehmen sein, daß auch jeder Aspekt des Settings, in dem<br />
dieses Wechselverhältnis sich vollzieht, wichtig ist. Nicht nur alle Elemente<br />
des internalisierten Prozesses sind also bedeutsam, sondern auch alle<br />
Teile des Settings, was bedeutet, auch alle Aspekte und Eigenschaften des<br />
<strong>Psychotherapie</strong>-<strong>RAUM</strong>ES.<br />
…sind Räume und der Ort des Seins der Seinsqualität mitdefiniert, der Ort<br />
eines (Heil-)Wirkens welcher auch (Heil-)Faktor ist.<br />
<br />
…sind RÄUME, welche zur Verfügung gestellt sein sollen mit bewusst<br />
gestalteten und verantworteten atmosphärischen und physischen Eigenschaften,<br />
damit der Patient innere Heilräume, wahrnehmen, öffnen, formen und kreativ<br />
erschliessen kann.<br />
5. CONCLUSIO:<br />
Zur Implementierung in der Klinik<br />
Es kommen in der Klinik Menschen mit sehr starken Lebens-Ängsten, deren Seelen<br />
oft jahrzehntelang eingesperrt war, die nicht retraumatisiert oder negativ<br />
angetriggert werden dürfen. Es braucht daher genügend grosse, weite, helle, liebevoll<br />
eingerichtete Räume als unbedingte Voraussetzung für einen konstruktiven<br />
psychotherapeutischen Prozess.<br />
Denn:<br />
Enge, niedrige, dunkle Räume in der Klinik<br />
blockieren Impulse des Wachstums und der Weitung, haben für die je schon<br />
bedrückten Patienten etwas zusätzlich Niederdrückendes, setzen Patienten<br />
unter inneren Druck und wirken so bedrückend.<br />
vermitteln Enge und verstärken Angst. Durch den Verlust der räumlichen<br />
Tiefendimension erscheint die Umwelt dem Patienten als einengend flächig. Enge<br />
wird von ihm oft zusammen mit Bedeutungslosigkeit empfunden. In der<br />
Konfrontation mit einem engen, niedrigen, dunklen Raum wird der Patient<br />
zudem unweigerlich in die Gefahr von Retraumatisierungen gebracht (vgl. Punkt 5).<br />
<br />
spiegeln destruktiv die Flachheit und Enge der eigenen Identität und<br />
verspielen unprofessionell die Chance, dem Patienten ein Gegenmodell für die<br />
von ihm oft flach und eng wahrgenommene (innere und äussere Lebens-)Welt<br />
zur Verfügung zu stellen.
7<br />
verhindern die Anwendung einer Vielfalt psychotherapeutischer<br />
Interventionstechniken und <strong>–</strong>methoden: Kreative Techniken, Anger-<br />
Management, Nähe-Distanz-Regulationen, bewegungstherapeutische und <strong>–</strong><br />
meditative Ansatze, thymopraktische Ansätze, musiktherapeutische Zugänge<br />
etc.<br />
Triggern ehemals traumatische Einengungs- und Verengungserfahrungen<br />
an und provozieren Retraumatisierungen.<br />
Grosszügige, helle, weite <strong>Psychotherapie</strong>räume in der Klinik unterstützen<br />
den Weg<br />
zu mehr innerer Weitung und innerem <strong>RAUM</strong> (contra Angst) 9 .<br />
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zu mehr innerer Erhellung und Neuorientierung (contra Depression).<br />
zu nachnährenden Geborgenheitserfahrungen und damit zum Aufbau von<br />
Selbst-Vertrauen (Reparenting/Nachnährung) 10 .<br />
zum Erlernen von adäquater Nähe-Distanz-Regulation (man muss dazu zum<br />
Therapeuten prinzipiell auch in räumliche Distanz gehen können).<br />
für Autonomie- und Individuationsprozesse (was ebenfalls prinzipiell<br />
genügend räumlichen Abstand zum Therapeuten ermöglichen muss <strong>–</strong> vgl. Nähe-<br />
Distanz-Regulation).<br />
mehr Vitalität (contra Energiemangel/Burnout), sind Modell und adäquater<br />
Experiementierraum zur Neugestaltung innerer und äusserer Lebenswelten<br />
(bewegungstherapeutische und <strong>–</strong>meditative Ansatze, thymopraktische Ansätze,<br />
musiktherapeutische Zugänge etc.).<br />
zum Erlernen von konstruktivem Anger-Management: Aggressionsbalancierungsübungen<br />
zum Wahrzunehmen, Wertzuschätzen, Auszudrücken<br />
und Integrieren von (selbst- und fremddestruktiven) aggressiven<br />
Impulsen (was sehr viel <strong>RAUM</strong> benötigt).<br />
zum Erlernen sich in neue (heilere) innere und äussere Lebens-Räume<br />
hineinzuöffnen: ist Atem-<strong>RAUM</strong> zum tiefem Ein- und Ausatmen, kreiert Hör-<br />
Räume, um die zartesten eigenen Seelenstimmen zu vernehmen, ist empathischer<br />
Raum zum wohlbeschützten Emergieren u.a. von Angst, Wut, Trauer, Scham,<br />
Zuversicht, Freude und Liebe.<br />
9<br />
Angst vom Lateinischen angus = eng<br />
10 Petzold, Hilarion: Integrative Therapie. Modelle, Theorien und Methoden für eine schulenübergreifende <strong>Psychotherapie</strong>.<br />
Bände 1 - 3. Junfermann, Paderborn 1993
8<br />
Ein weiter, grosszügiger <strong>Psychotherapie</strong>raum in der Klinik würde in diesem polyvalenten<br />
Sinne aktive Be-WEG-ung des Menschen fördern, eine raumnehmende Bewegung<br />
hin zur horizonterweiternden, heilenden Erfahrung.<br />
Ein adäquater psychotherapeutischer Raum hinsichtlich Weite, Grösse, Lichtverhältnisse,<br />
Raumatmosphäre, Kontext ist eine notwendige Voraussetzung für professionelles<br />
psychotherapeutisches Intervenieren in der Klinik, und zwar als essentieller Teil<br />
der ganzheitlichen Medizin.<br />
UND ZUM SCHLUSS NOCH GANZ EINFACH FORMULIERT DIE<br />
QUINTESSENZEN:<br />
Ein adäquater psychotherapeutischer Raum hinsichtlich Weite, Grösse, Lichtverhältnisse,<br />
Raumatmosphäre, Kontext ist eine notwendige Voraussetzung für professionelles<br />
psychotherapeutisches Intervenieren in der Klinik, und zwar als essentieller Teil<br />
der ganzheitlichen Medizin.<br />
Mangelt es essentiell bei einem Teil leidet der gesamte Kontext.<br />
<strong>Der</strong> Umgang mit der aus psychotherapeutischer Perspektive wesentlichen<br />
<strong>RAUM</strong>-Thematik könnte folgenden Eindruck entstehen lassen: Alles was mit<br />
den somatischen Aspekten des Heilungsprozesses zu tun hat erfährt wesentlich<br />
mehr Wertschätzung als die seelische Heilungsprozesse. Dies wäre genau<br />
dasselbe fatale (unheilsame) Einstellungs- und Verhaltensmuster, das viele<br />
unserer PatientInnen unbewusst leben.<br />
Es wäre auf alle Fälle „günstig“, wenn bzgl. Bewusstheit und Achtsamkeit die in<br />
der Klinik Tätigen konstruktives Beziehungs- und Verhaltensmodell wären.<br />
Folgende Prämisse wäre daher therapeutisch nicht professionell:<br />
„Erst die Ökonomie, dann die Seele“.<br />
Das wäre das Gegenteil eines vorbildlichen Modells für ganzheitliche Heilung!<br />
Die Entscheidung, welcher Raum in der Klinik hinreichend dafür genügt im konkreten<br />
Kontext kann eigentlich nur in Zusammenarbeit mit den das Thema betreffenden<br />
Therapeuten gefällt werden, da nur diese - logischerweise qua fachspezifischer<br />
Ausbildung und Berufserfahrung - die notwendige Fachkompetenz mitbringen.<br />
Dabei geht überhaupt nicht um optimale Voraussetzungen, sondern um notwendige<br />
Minimalvoraussetzungen.<br />
Um den realen Gegebenheiten in der Klinik auch Rechnung zu tragen (Realitätsprinzip), ist bis zur in<br />
Aussicht gestellten baulichen Neukonzeptualisierung der Klinik eine vorübergehende Lösung im Raum<br />
C7 denkbar.<br />
Dass Entscheidungsprozesse in diesem Sinne bis jetzt nicht - und vor allem nicht partizipativ - erfolgt<br />
sind, weist (zumindest in der Bewertung des Autors) auf einen Professionalisierungsbedarf hinsichtlich<br />
der hier erörterten Thematik hin.<br />
Mit zuversichtlichen Grüssen für gute, professionelle Weiterentwicklungen in einem <strong>–</strong> natürlich unter Berücksichtigung<br />
der aktuellen ökonomischen Bedingungen - möglichst partizipativen Korrespondenzprozess.<br />
Brunnen, Dez.08 <strong>Matthias</strong> <strong>Witzel</strong>
9<br />
Fachpsychologe für <strong>Psychotherapie</strong> FSP, Klinischer Psychologe BDP<br />
Integrativer Psychotherapeut, Musiktherapeut und Lehrtherapeut EAG/FPI<br />
APERO -Einladung
10<br />
im neuen PSYCHOTHERAPIE- RÄUMCHEN<br />
AN ALLE AERZTE, SONSTIGEN HEILER und HEILERSGEHILFEN<br />
Programm:<br />
-Life-Musik (a bissarl Klezmer)<br />
-Lukullisches (was es so im Tal gibt)<br />
-Alchemie vom Feinsten (Guter Rotwein)<br />
-Gemütliche Enge (siehe: Platons Höhlengleichnis u. Klaustrophobiefludding)<br />
-und damit: Kostenlose Selbsterfahrung(gesparte Tantiemen: ca.160$)<br />
-das eine oder andere Lachen<br />
Mittwoch, den x.12.08, 5.Stock, Raum xz