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Ironie und Bildlichkeit in Ror Wolfs Raoul Tranchirers ... - Bora

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etrachtet Schlegel se<strong>in</strong>e <strong>Ironie</strong> der <strong>Ironie</strong> als Selbstzweck <strong>und</strong> als die<br />

Vervollkommnung literarischer <strong>und</strong> ästhetischer Praxis. Denn „<strong>Ironie</strong> ist eigentlich<br />

das höchste Gut <strong>und</strong> der Mittelpunkt der Menschheit.“ 136<br />

Die literarische <strong>Ironie</strong> lässt sich deutlich von der rhetorischen <strong>Ironie</strong><br />

unterscheiden. Die rhetorische bzw. verbale <strong>Ironie</strong> wird als e<strong>in</strong> decorum der Rede<br />

e<strong>in</strong>gesetzt <strong>und</strong> läuft auf e<strong>in</strong>e punktuelle Verstellung der Aussage <strong>in</strong> der Rede- bzw.<br />

Textsituation h<strong>in</strong>aus. Diesbezüglich hält Schlegel Varianten der <strong>Ironie</strong> wie der<br />

„groben“, der „fe<strong>in</strong>en“, der „extrafe<strong>in</strong>en“, der „dramatischen“ <strong>und</strong> der „doppelten“<br />

<strong>Ironie</strong> se<strong>in</strong> Konzept e<strong>in</strong>er <strong>Ironie</strong> der <strong>Ironie</strong> entgegen. Die stabile <strong>und</strong> „redliche“, d.h.<br />

die rhetorische <strong>Ironie</strong> sieht Schlegel<br />

am re<strong>in</strong>sten <strong>und</strong> ursprünglichsten <strong>in</strong> alten Gärten angebracht, wo<br />

w<strong>und</strong>erbar liebliche Grotten den gefühlvollen Fre<strong>und</strong> der Natur <strong>in</strong> ihren<br />

kühlen Schoß locken, um ihn dann von allen Seiten mit Wasser reichlich<br />

zu bespritzen. 137<br />

Er ironisiert somit die Auffassung e<strong>in</strong>er unter Umständen „extrafe<strong>in</strong>en“ <strong>Ironie</strong>, die als<br />

decorum der Rede harmlos sei <strong>und</strong> lediglich punktuell gebraucht werde. 138 Diese<br />

Gegenposition wird aufgezeichnet, ohne dass Schlegel im Klartext äußert, was die<br />

Funktion se<strong>in</strong>er Unverständlichkeit ist <strong>und</strong> wor<strong>in</strong> se<strong>in</strong>e <strong>Ironie</strong> der <strong>Ironie</strong> besteht. Mit<br />

der <strong>Ironie</strong>, so Schlegel, „ist durchaus nicht zu scherzen“ 139 . Er verzichtet dabei auf e<strong>in</strong><br />

System der <strong>Ironie</strong>, denn sie „entsteht auf mehr als e<strong>in</strong>em Wege“ – sie entziehe sich<br />

e<strong>in</strong>er deklarativen, positiven Bestimmung ihrer Merkmale. Im Gegensatz zu der<br />

e<strong>in</strong>fachen, verstellenden <strong>Ironie</strong> ist die literarische <strong>Ironie</strong> nicht bloß e<strong>in</strong> Mittel des<br />

Scherzes <strong>und</strong> der „uneigentlichen“ Rede, sondern sie wird als e<strong>in</strong>e <strong>Ironie</strong> auf Dauer<br />

136 Schlegel, zit. nach Japp 1983:191.<br />

137 Schlegel 1967:369.<br />

138 Schlegel charakterisiert die Kritiker der komplexen <strong>Ironie</strong> mit e<strong>in</strong>er Analogie über die verme<strong>in</strong>tliche<br />

„Objektivität des Goldes“, das als Mitteilung, so Schlegel ironisch, wohl nicht als „unverständlich“<br />

beurteilt worden wäre: „Schon oft hatte ich die Objektivität des Goldes im Stillen bew<strong>und</strong>ert, ja, ich<br />

darf wohl sagen angebetet. Bei den Ch<strong>in</strong>esen, dachte ich, bei den Engländern, bei den Russen, […]<br />

kurz überall wo es nur e<strong>in</strong>ige Bildung <strong>und</strong> Aufklärung gibt, ist das Silber, das Gold verständlich <strong>und</strong><br />

durch das Gold alles übrige. Wenn nun erst jeder Künstler diese Materien <strong>in</strong> h<strong>in</strong>reichender Quantität<br />

besitzt, so darf er ja nur se<strong>in</strong>e Werke <strong>in</strong> Basrelief schreiben, mit goldnen Lettern auf silbernen Tafeln.<br />

Wer würde e<strong>in</strong>e so schön gedruckte Schrift, mit der großen Äußerung, sie sei unverständlich,<br />

zurückweisen wollen?“ (S. 365) Schlegels Athenäum beherbergt als Forum literarischer Künste radikal<br />

andere Voraussetzungen für sprachliche Verständigung, als was <strong>in</strong> der normalsprachlichen<br />

Kommunikation der Fall ist. Als ironischen Gegensatz dazu nennt Schlegel die „silberne Tafel“ mit<br />

„goldnen Lettern“, die wegen ihres edlen Aussehens nicht als unverständlich bezeichnet worden wären.<br />

Über die tatsächliche Bedeutung jener goldnen Lettern wird nichts gesagt, vielmehr benutzt sie<br />

Schlegel als e<strong>in</strong>e Konkretisierung der Vorstellung, dass es e<strong>in</strong>e klare, „verständliche“ Sprache gäbe, <strong>in</strong><br />

der alle Mitteilungen verständlich wären. Die Unverständlichkeit hat demnach ke<strong>in</strong>e äußeren Attribute,<br />

die ihre Qualitäten anzeigen könnten.<br />

139 Schlegel 1967:370.<br />

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