Download - Hund und Katz
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Artikel vom 26.06.2012<br />
in der<br />
Bei Tina Schich kommen <strong>H<strong>und</strong></strong>e auf die<br />
Couch<br />
Die Verwaltungsangestellte ließ sich nebenberuflich zur<br />
Tierpsychologin ausbilden - 26.06. 15:23 Uhr<br />
Marktbergel - Männer springen vom Sofa auf. Sie reißen die Arme in die Höhe <strong>und</strong> brüllen:<br />
Tor, Tor, Tor. Eine Szene, die derzeit des Öfteren in hiesigen Wohnzimmern zu sehen <strong>und</strong> hören<br />
ist. Für Milu ist die Fußball-Europameisterschaft keine schöne Zeit. Die Retrieverhündin<br />
bekommt Angst <strong>und</strong> winselt, wenn die Männer toben.<br />
Üblicherweise werden <strong>H<strong>und</strong></strong>e bei Tina Schich (hier mit <strong>H<strong>und</strong></strong> Milu) nicht auf dem Sofa<br />
therapiert. Sie lehrt <strong>H<strong>und</strong></strong>ehalter ihre Tiere besser zu verstehen, <strong>und</strong> löst Probleme mit ihnen<br />
gemeinsam.<br />
Foto: Katrin Müller<br />
Das lag an einer Fehlprägung im Welpenalter, erklärt ihre Besitzerin Tina Schich. Die<br />
<strong>H<strong>und</strong></strong>epsychologin hatte das zehn Wochen alte Tier 2002 zu einem Fernsehabend bei<br />
Fre<strong>und</strong>en mitgenommen. Geschaut wurde das Finale der Fußball-Weltmeisterschaft. Beim<br />
Spiel Deutschland gegen Brasilien sprangen die Männer wohl eher aus Verzweiflung <strong>und</strong> Wut<br />
auf <strong>und</strong> schrien herum, denn Brasilien holte sich mit 2:0 den Titel.
Milu erinnert sich wohl bis heute. Tina Schich hat die Hündin jetzt soweit, dass sie sich<br />
zumindest wieder Fußballspiele ansehen <strong>und</strong> -hören kann. Wenn Männer dabei brüllen <strong>und</strong><br />
hochspringen, mag sie das aber noch immer nicht. Auf die Idee, <strong>H<strong>und</strong></strong>epsychologin zu<br />
werden, ist die 41Jährige durch ihre Tierbetreuung gekommen, die sie seit 2007 mit ihrem<br />
Mann Stefan betreibt.<br />
Lernen im Rudel<br />
Das Konzept ist etwas Besonderes: Die Schichs beherbergen auf ihrem Anwesen in<br />
Marktbergel immer nur einen <strong>H<strong>und</strong></strong>. Neben Milu haben sie noch Brooklyn, einen Retrieverrüden.<br />
Milu <strong>und</strong> Brooklyn nehmen den fremden <strong>H<strong>und</strong></strong> in ihr Rudel auf. Das ermöglicht Tina<br />
Schich, das Verhalten von <strong>H<strong>und</strong></strong>en besser zu studieren. Immer öfter bekam sie von <strong>H<strong>und</strong></strong>ehaltern<br />
gesagt, dass ihre <strong>H<strong>und</strong></strong>e besser hören würde, nachdem sie aus der Pension kommen.<br />
Tina Schich entschied sich für ein Fernstudium zur <strong>H<strong>und</strong></strong>epsychologin, das sie 2010<br />
abschloss. Nun bietet sie neben der <strong>H<strong>und</strong></strong>ebetreuung Einzelunterricht, Verhaltensberatung,<br />
Workshops, Seminare, Welpenfrüherziehung <strong>und</strong> vieles mehr an.<br />
Hauptberuflich arbeitet sie als Verwaltungsangestellte in Vollzeit bei einer Behörde in<br />
Nürnberg. Den Beruf mit dem Hobby vereinbaren kann sie, weil sie viel von zu Hause aus<br />
arbeitet. Die 41-Jährige ist schwerbehindert, deshalb ist es ihr wichtig, zu vermitteln, dass<br />
auch Menschen mit Handicap einen <strong>H<strong>und</strong></strong> führen können. „Man muss keine Kraft haben,<br />
einen <strong>H<strong>und</strong></strong> zu führen, man muss ein Rudel mental führen können.“<br />
Mit eingespannt in die Trainingseinheiten wird auch ihr Mann: Einen Besoffenen, Jogger oder<br />
Radfahrer spielen, das ist der Lehrer schon gewohnt. Therapiert werden beispielsweise <strong>H<strong>und</strong></strong>e<br />
mit ausgeprägtem Jagdverhalten, ängstliche <strong>H<strong>und</strong></strong>e, die nichts kennen, oder Angstbeißer <strong>und</strong><br />
Tiere mit einem Rangordnungsproblem. „Die Gr<strong>und</strong>lage ist Wissen, dann kommt Vertrauen<br />
<strong>und</strong> erst dann Erziehung“, sagt Tina Schich.<br />
Auch der <strong>H<strong>und</strong></strong>ehalter wird einbezogen<br />
Wenn ein <strong>H<strong>und</strong></strong>ehalter mit seinem Tier zu ihr kommt, macht sie zunächst eine Anamnese, das<br />
heißt, sie erörtert das Problem. Dann entwickelt sie einen individuellen Therapieplan. „Ich<br />
nehme den <strong>H<strong>und</strong></strong>ehalter an der Hand <strong>und</strong> er muss das Gelernte zu Hause umsetzen. Ich<br />
begleite ihn, bis das Ziel erreicht ist.“ Ein Border-Collie, der Radfahrer jagt, wolle diese<br />
eigentlich zusammentreiben. Das sei der Urinstinkt eines Hüteh<strong>und</strong>es, erklärt Schich. Oft hätten<br />
Besitzer es verpasst, im Welpenalter zu lehren, dass er das nicht dürfe.<br />
Es könne aber auch sein, dass der Arbeitsh<strong>und</strong> unterfordert ist. Wenn der Radler dann weg ist,<br />
meint der <strong>H<strong>und</strong></strong>, er hatte Recht, sagt Schich. Ziel sei, dass der <strong>H<strong>und</strong></strong> richtig gelenkt werde.<br />
„Man wird einem Jagdh<strong>und</strong> beispielsweise nie das Jagen austreiben. Man muss ihm lernen:<br />
Du darfst jagen, aber nur, wenn ich es dir erlaube“, erklärt Schich. Problemrassen <strong>und</strong><br />
Listenh<strong>und</strong>e gibt es für die 41-Jährige nicht. „Es ist ein Kommunikationsproblem zwischen<br />
Mensch <strong>und</strong> <strong>H<strong>und</strong></strong>.“
Gut findet Schich den sogenannten <strong>H<strong>und</strong></strong>eführerschein. In der Schweiz müssen Herrchen seit<br />
2010 einen <strong>H<strong>und</strong></strong>eführerschein vorweisen, wenn sie einen <strong>H<strong>und</strong></strong> kaufen wollen. In Wien<br />
werden Besitzer einer solchen Erlaubnis für ein Jahr von der <strong>H<strong>und</strong></strong>esteuer befreit. Diese<br />
Lösung könnte sich Schich auch für Deutschland vorstellen. „Ich würde mir wünschen, dass<br />
jeder <strong>H<strong>und</strong></strong>ehalter zumindest einen Kurs besucht.“<br />
<strong>H<strong>und</strong></strong> geht in die Schule<br />
Derzeit erarbeiten Tina <strong>und</strong> Stefan Schich ein neues Konzept. Sie wollen mehr <strong>H<strong>und</strong></strong>e in den<br />
Schulunterricht integrieren. Gerade verhaltensgestörte Kinder könne man so besser zum<br />
Lernen animieren, erklärt Schich. Die Schichs wollen Kurse für Lehrer anbieten, in denen sie<br />
die nötigen Voraussetzungen <strong>und</strong> die richtige Handhabung mit den Tieren lernen.<br />
Die Seminare wollen sie, wenn möglich, mit dem Bayerische Lehrer- <strong>und</strong> Lehrerinnenverband<br />
(BLLV) anbieten. Nähere Informationen zur Arbeit von Tina Schich gibt es im<br />
Internet unter www.tierbetreuung-h<strong>und</strong>-<strong>und</strong>-katz.de.<br />
Katrin Müller