WER ZULETZT LACHT
WER ZULETZT LACHT
WER ZULETZT LACHT
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
ARENA::<br />
MORITZ<br />
BLEIBTREU :: WOHNEN MIT TOMMY<br />
LEE UND SLASH :: BERUF: EX-SEXSYMBOL ::<br />
SAMY DELUXE :: NEUE FILME & CDS<br />
<strong>WER</strong> <strong>ZULETZT</strong> <strong>LACHT</strong><br />
Zum Brüllen komisch: Das Leben Heinz Strunks kommt jetzt ins Kino<br />
Foto: Philipp Rathmer<br />
Der lustigste Mann Deutschlands<br />
hatte in seinem Leben nie viel<br />
zu lachen. Er wurde auf der<br />
falschen Seite der Elbe in Harburg geboren,<br />
jenem tristen Hamburger Stadtteil,<br />
in dem auch einige der Terroristen<br />
des 11. September hausten. Er wuchs<br />
ohne Vater, dafür mit einer schwer<br />
depressiven Mutter auf, die früh starb.<br />
Und als ob das nicht schon Schicksal<br />
genug wäre, litt er jahrelang an Akne.<br />
„Nicht irgendeine harmlose Teenager-<br />
Akne, die irgendwann von alleine<br />
wieder verschwindet, sondern die<br />
Erwachsenen-Variante, Acne Conglobata.“<br />
Nicht weiter überraschend also,<br />
dass dieser Mann selbst depressiv<br />
wurde, als Jugendlicher mit Angstzuständen<br />
zu kämpfen hatte und sich so<br />
oft wie möglich volllaufen ließ.<br />
Niemand könnte es Mathias Halfpape,<br />
der sich seit Jahren Heinz Strunk<br />
nennt, ernsthaft verübeln, läge er dem<br />
Steuerzahler auf der Tasche und investierte<br />
er seinen Hartz-IV-Regelsatz in<br />
Flaschenbier und Camel ohne. Doch<br />
statt Kippen und Krombacher gibt es<br />
heute Champagner, dazu Parpadelle<br />
vom Chefkoch des Park Hyatt Hotels in<br />
Hamburg. Und die Rechnung bezahlt<br />
nicht die Solidargemeinschaft, sondern<br />
die Filmfirma Universal.<br />
Denn die Leiden des jungen Strunk haben<br />
sich am Ende bezahlt gemacht. Aber<br />
eins nach dem anderen. Um Strunk zu<br />
verstehen, muss man von Anfang an seine<br />
Karriere verfolgen, die so zäh verlief<br />
wie Butter in der kalten Pfanne.<br />
Nach dem Abitur studiert Strunk<br />
Musik, träumt von einer Karriere als<br />
Pop-Produzent und spielt Saxophon für<br />
Fettes Brot, die Ärzte, die Goldenen<br />
Zitronen, sogar für Howard Carpendale.<br />
Der künstlerische Durchbruch gelingt<br />
ihm allerdings nie, obwohl er als einer<br />
der talentiertesten Saxophonisten<br />
Deutschlands gilt. Die einzigen Konstanten<br />
in seinem Leben: Bier und<br />
Daddelautomaten, in denen er im Lauf<br />
der Jahre rund 30.000 Euro versenkt.<br />
Und die Band Tiffanys, eine fünfköpfige<br />
Tanzkombo, die in pinken Sakkos auf<br />
Schützenfesten zwischen Finkenwerder<br />
und Klein Eilstorf für Stimmung sorgt.<br />
▲
ARENA:: HELD<br />
FLEISCH IST MEIN GEMÜSE Ein Leben<br />
zwischen Flaschenbier, Hackbällchen und<br />
Camel ohne. Weiber? Fehlanzeige. Selbst<br />
wenn die wollten, klappte es nie richtig. Den<br />
jungen Heinz Strunk verkörpert Maxim Mehmet<br />
Garant für ein zufriedenes Publikum:<br />
An der Nordseeküste von Klaus und<br />
Klaus. Mit glamourösem Rock’n’Roll-<br />
Leben hat Strunks Dasein so viel gemein<br />
wie ein Roberto-Blanco-Medley<br />
mit Pink Floyds The Dark Side Of The<br />
Moon. „Weiber“, erinnert er sich, „waren<br />
totale Fehlanzeige, denn mit ihrem<br />
Sozialprestige bewegen sich Tanzmucker<br />
ungefähr auf dem Niveau von Aushilfskellnern.“<br />
1997 schmeißt ihn der patriarchalische<br />
Bandleader nach zwölf Jahren ohne weitere<br />
Erklärung raus. Strunk zieht nach<br />
Hamburg, auf die richtige Seite der Elbe,<br />
wo die Sonne heller zu strahlen scheint<br />
und sein Leben ein wenig an Fahrt gewinnt.<br />
Zusammen mit Rocko Schamoni<br />
und Jacques Palminger gründet er das<br />
Komik-Kollektiv Studio Braun. Die<br />
aberwitzigen Telefonstreiche des Trios<br />
werden schnell Kult, Geld verdienen<br />
lässt sich damit nicht. „Keine unserer<br />
CDs hat sich mehr als 6000 Mal<br />
verkauft“, erzählt Strunk. Er heuert<br />
deshalb als Radiomoderator bei FM4<br />
und Radio Fritz an, erhält sogar seine<br />
eigene Call-in-Show beim Musikkanal<br />
Viva. Doch alle seine Sendungen werden<br />
nach kurzer Zeit wegen Erfolglosigkeit<br />
wieder eingestellt.<br />
Strunk ist 40, deprimiert und hat<br />
keine Ahnung, was er mit seinem Leben<br />
anfangen soll. Also beginnt er an<br />
einem Buch zu arbeiten. In Fleisch<br />
ist mein Gemüse beschreibt er die<br />
skurrilen Jahre, in denen er sich mit<br />
Tiffanys durch die Provinz muckte.<br />
Weder der Rowohlt Verlag noch der<br />
Autor glauben an den Erfolg. „Zwar<br />
war das Thema Tanzmusik in der Gegenwartsliteratur<br />
noch unbeackertes<br />
Brachland“, sagt Strunk, „mit mehr<br />
als 1000 verkauften Exemplaren habe<br />
ich dennoch nicht gerechnet.“<br />
Aus 1000 werden 260.000. Zeitweilig<br />
steht der Roman auf Platz drei in<br />
der Amazon-Bestenliste, und sein Autor<br />
sitzt plötzlich bei Stefan Raab auf<br />
dem Sofa. Ganz unverhofft hat Strunk<br />
mit Fleisch ist mein Gemüse einen<br />
der komischsten Romane der Gegenwart<br />
geschrieben. Seine Methode: Im<br />
Gegensatz zu anderen autobiografisch<br />
gefärbten Werken wie Tommy Jauds<br />
Vollidiot oder Benjamin von Stuckrad<br />
Barres Soloalbum versucht er erst gar<br />
nicht, sich selbst als sympathischen<br />
Antihelden zu präsentieren. Er ist einfach<br />
nur Antiheld. Strunks Komik<br />
liegt in der brachialen Ehrlichkeit,<br />
mit der er sein unspek ta kuläres Leben<br />
und die Welt, in der es stattfindet,<br />
schildert. Diese wird unter seinem mikroskopischen<br />
Blick zwar um kein<br />
bisschen weniger versöhnlich, erscheint<br />
aber auf einmal unglaublich<br />
lachhaft. Sein Humor ist subtil,<br />
nordisch trocken und um vieles intelligenter<br />
als alles, womit sich deutsche<br />
Comedy-Nasen im TV produzieren.<br />
Der Musiker und Autor Sven<br />
Regener (Herr Lehmann) hat einmal<br />
gesagt, dass einem jeder leid tun müsse,<br />
der Strunks Buch nicht gelesen hat.<br />
Der Hamburger Regisseur und Grimme-<br />
Preisträger Christian Görlitz (Freier<br />
Fall) wollte nicht zu diesen Menschen<br />
gehören, las und wusste sofort: „Das<br />
ist ein Kinostoff.“<br />
TIFFANYS<br />
Mitte rechts:<br />
Der junge Heinz<br />
Strunk (l.) mit<br />
Bandleader bei<br />
einem ihrer<br />
Auftritte<br />
STUDIO BRAUN<br />
Rechts unten:<br />
Das Komik-<br />
Kollektiv Studio<br />
Braun. Großartige<br />
Telefonstreiche,<br />
aber<br />
leider erfolglos<br />
Am 17. April startet seine Verfilmung<br />
in den deutschen Kinos. Zwölf<br />
Jahre Tiffanys, gelungen eingedampft<br />
auf 97 Minuten. Kein Klamauk, keine<br />
weitere dieser deutschen Komödien,<br />
in denen atemlos ein Gag dem anderen<br />
hinterherhechelt. Sondern ein<br />
ehrlicher Film mit einem großartigen<br />
Maxim Mehmet in der Rolle des<br />
Heinz Strunk. Nur das Happy End<br />
wird Fans des Buches verwirren. Ein<br />
Ende, das dem Roman nicht wirklich<br />
gerecht wird, aber stellvertretend<br />
steht für die glückliche Wendung im<br />
Leben des inzwischen 45-jährigen<br />
Heinz Strunk.<br />
Der sitzt mittlerweile neben seiner<br />
neuen Freundin Yvonne an der Hotelbar,<br />
trinkt sein sechstes Glas Champagner<br />
und wirkt überaus zufrieden.<br />
Nach ihrem Freund befragt, während<br />
der kurz raus ist, sagt Yvonne: „Ich<br />
liebe ihn.“ Und nach kurzem Zögern:<br />
„Schreiben Sie das bitte. Ich habe ihm<br />
das nämlich noch nie gesagt.“<br />
Text: Tobias Pützer<br />
Fotos: PR (3), Privat<br />
10 MATADOR