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aus NZZ Archiv, zum alten Zürichkrieg in der Schodoler Chronik u.a. ...

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3lcuc 3iird]cr 3ci!iim\ WOCHENENDE Freitag, 31. JUi 1981 Nr. 175 67<br />

«<br />

«<br />

Ifelk<br />

AT/nc rfie topographische Genauigkeit anstrebende Darstellung des Kriegsschauplatzes von 1440. Am l<strong>in</strong>ken Ufer des Zürichsees erkennt man die Geme<strong>in</strong>den Horgen. Thalwil ud<br />

n Kilchberg.<br />

WO e<strong>in</strong><br />

erste, für 'Aurich demütigende<br />

Friedensvere<strong>in</strong>barung abgeschlossen wurde. Im See liegen die heiden Inseln Ufenau und Lützelau, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Mille des Ufersaumes die weit <strong>in</strong>s Wasser h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>ragende bewaldete Halb<strong>in</strong>sel Au.<br />

Der Alte <strong>Zürichkrieg</strong> im Spiegel <strong>der</strong> <strong>Schodoler</strong>-<strong>Chronik</strong><br />

Von Alfred Cattani<br />

Er gilt noch immer als e<strong>in</strong>es <strong>der</strong> düstersten Kapitel de r<br />

Schweizer Geschichte, de r Alte <strong>Zürichkrieg</strong>. Es war e<strong>in</strong> mit<br />

hasserfüllter Erbitterung geführter Kampf, de r 1436 nach dem<br />

Tode des letzten Grafen von Toggenburg um dessen Erbe entbrannte<br />

und <strong>der</strong> sich fast an<strong>der</strong>thalb Jahrzehnte h<strong>in</strong>durch, immer<br />

wie<strong>der</strong> jäh aufflammend, h<strong>in</strong>zog, ehe 1450 e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>igermas<br />

sen haltbarer Friede zwischen den Parteien geschlossen werden<br />

konnte. Und auch dann dauerte es noch Jahre, bis die Wunden<br />

vernarbt waren und die Bande zwischen Zürich und den Eidgenossen<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er feierlichen Versöhnung neu bekräftigt wurden.<br />

Kampf mit wechselnden Fronten<br />

Aeusserlich gesehen war es e<strong>in</strong> Krieg zwischen de r Stadt Zürich<br />

und dem Lande Schwyz um die Beherrschung <strong>der</strong> Strassen<br />

nach Graubünden, die durch Gebiete führten, von denen beide<br />

Teile glaubten, sie seien für sie lebenswichtig und unentbehrlich.<br />

Der Krieg gewann jedoch weitere Dimensionen, weil auch<br />

noch an<strong>der</strong>e vom Erbe des Toggenburgers zu profitieren hofften<br />

und Zürich wie Schwyz, gelenkt von den ehrgeizigen Politikern<br />

Rudolf Stüssi und Ital Red<strong>in</strong>g, ihre weitgespannten Verb<strong>in</strong>dungen<br />

spielen Messen. In die Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung am Alpennordrand<br />

mengten sich bald fast alle Mächte des Spätmittelalters:<br />

die übrigen Eidgenossen, die süddeutschen Reichsstädte,<br />

das H<strong>aus</strong> Oesterreich, die adeligen Herrschaften, die Kurfürsten,<br />

de r Kaiser, ja sogar das zu dieser Zeit gerade <strong>in</strong> Basel<br />

tagende Kirchenkonzil. So erhielt de r Krieg, wie die neuere<br />

Forschung festgestellt hat, europäischen Charakter mit immer<br />

wie<strong>der</strong> wechselnden Fronten. Noch war das eidgenössische Geme<strong>in</strong>schaftsbewusstse<strong>in</strong><br />

nicht so stark, dass man e<strong>in</strong>fach von<br />

e<strong>in</strong>em «Bürgerkrieg» hätte sprechen können. Beide Parteien<br />

suchten den «Erzfe<strong>in</strong>d» Oesterreich für ihre Zwecke e<strong>in</strong>zuspan-<br />

nen: <strong>der</strong> listige und gewandte Schwyzer Landammann Red<strong>in</strong>g<br />

verstand es, alle übrigen eidgenössischen Orte auf se<strong>in</strong>e Seite zu<br />

ziehen, während de r diplomatisch weit weniger geschickt agierende<br />

Bürgermeister Stüssi Zürichs Freundschaft mit dem Kaiser<br />

und den Reichsstädten <strong>aus</strong>zunützen trachtete.<br />

im<br />

jj^j<br />

Zimmerleute heim Bau von Kriegsschiffen. Der Alte <strong>Zürichkrieg</strong> wurde<br />

<strong>zum</strong> Teil auf dem Zürichsee geführt.<br />

Der Kampf wurde nicht nur mit politischen und militärischen<br />

Mitteln, son<strong>der</strong>n auch mit wirtschaftlichen geführt. Zürich<br />

sperrte Schwyz und Glarus die Getreidezufuhr, was <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Zeit, da durch Hagelschlag und an<strong>der</strong>e Wetterunbill die Lebensmittel<br />

ohneh<strong>in</strong> knapp waren, als unnötige zusätzliche Härte<br />

Die mit Zürich verbündeten Rapperswiler überfallen Schwyzer Bauern, die<br />

den Markt besuchen, und werfen sie <strong>in</strong> den See.<br />

tfcSSSS<br />

Eidgenössische Truppen marschieren über den Etzel, vorbei an Galgen und<br />

Rad. Im Vor<strong>der</strong>grund e<strong>in</strong> M<strong>in</strong><strong>der</strong> Bettler mit se<strong>in</strong>em Hund.<br />

Ueherfall auf das Städtchen Wil.<br />

Gegen die brennende und plün<strong>der</strong>nde<br />

Soldateska wehrt sich e<strong>in</strong>e Frau mit dem Sp<strong>in</strong>nrocken.<br />

Schwyzer Artillerie beschiesst von e<strong>in</strong>em Floss <strong>aus</strong> Rapperswil. Der Schwyzer<br />

Ammann Hans Ab Iberg wird von e<strong>in</strong>em Geschoss getroffen.<br />

Neue Zürcher Zeitung vom 31.07.1981


68 Freitag, 31. Juli 1981 Nr. 175<br />

WOCHENENDE ülcuc (Siirdjcr M\u%<br />

bee<strong>in</strong>druckte und erschütterte. In den zahlreichen spätmittelalterlichen<br />

<strong>Chronik</strong>en spiegelt sich die Parteiung jener Tage wi<strong>der</strong>:<br />

Der Schwyzer Landschreiber Hans Fründ übermittelt <strong>der</strong><br />

Nachwelt e<strong>in</strong> <strong>in</strong> schwyzerischem S<strong>in</strong>ne gefärbtes Werk, wahrend<br />

die Kl<strong>in</strong>genberger <strong>Chronik</strong> den Zürcher Standpunkt verficht.<br />

An<strong>der</strong>e Chronisten kopierten diese Vorlagen, aber Irüiids<br />

E<strong>in</strong>fluss erwies sich als nachhaltiger; er hat das Urteil <strong>der</strong><br />

Schweizer Historiker bis <strong>in</strong> unsere Zeit bee<strong>in</strong>flusst.<br />

In den Jahrzehnten nach dem Alten <strong>Zürichkrieg</strong> entstanden<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Schweiz erstmals bebil<strong>der</strong>te <strong>Chronik</strong>en, jene des Benedikt<br />

Tschachtlan, dann das grosse Werk des Berners Diebold<br />

Schill<strong>in</strong>g Amtliche Berner <strong>Chronik</strong>, Burgun<strong>der</strong><br />

Spiezer <strong>Chronik</strong>.<br />

<strong>Chronik</strong> , die <strong>Chronik</strong> se<strong>in</strong>es gleichnamigen Neffen<br />

<strong>in</strong> Luzern sowie Gerold Edlibachs Zürcher <strong>Chronik</strong>en. Fast am<br />

L<strong>in</strong>de dieser Reihe steht <strong>der</strong> Bremgartner Wernher <strong>Schodoler</strong>,<br />

dessen dreibündiges Werk gegenwärtig, <strong>zum</strong> grossen Teil naturgetreu<br />

wie<strong>der</strong>gegeben,<br />

im Luzerner Faksimile- Verlag ersche<strong>in</strong>t.<br />

<strong>Schodoler</strong><br />

s <strong>Chronik</strong>, zwischen 1510 und 1535 entstanden,<br />

zeichnet sich, abgesehen von e<strong>in</strong>igen Passagen über Bremgarten<br />

und die Schil<strong>der</strong>ung eigenen Erlebens <strong>in</strong> den italienischen Kriegen,<br />

kaum durch Orig<strong>in</strong>alität <strong>aus</strong>. Es ist weitgehend Kopie an<strong>der</strong>er<br />

<strong>Chronik</strong>en, e<strong>in</strong>e Arbeit, so <strong>der</strong> Autor selber, «colligirt»<br />

<strong>aus</strong> an<strong>der</strong>en Werken. Die <strong>Chronik</strong> umfasst drei Bande, <strong>der</strong>en<br />

erster von den Anfangen <strong>der</strong> Eidgenossenschaft bis <strong>zum</strong> Konzil<br />

von Konstanz reicht, während <strong>der</strong> zweite, dem die hier reproduzierten<br />

Bil<strong>der</strong> entnommen s<strong>in</strong>d (13 von <strong>in</strong>sgesamt 132), den<br />

Alten <strong>Zürichkrieg</strong> schil<strong>der</strong>t und <strong>der</strong> dritte weiterführt bis zu den<br />

Mailan<strong>der</strong> Feldzügen.<br />

Stadtschreiber und Schultheiss<br />

Der Verfasser dieser <strong>Chronik</strong>, Wernher <strong>Schodoler</strong>. um 1490<br />

<strong>in</strong> Bremgarten geboren, war als Jüngl<strong>in</strong>g Kanzleigehilfe beim<br />

berühmten Diebold Schill<strong>in</strong>g <strong>in</strong> Bern. 1510 kehrte er nach se<strong>in</strong>er<br />

Heimatstadt zurück, wurde erst Stadtschreiber und später<br />

Schultheiss. Se<strong>in</strong>e unmissverständlich eidgenössische Haltung<br />

Bremgarten war damals Teil e<strong>in</strong>er geme<strong>in</strong>en Herrschaft<br />

E<strong>in</strong> Höhepunkt <strong>der</strong> Gr<strong>aus</strong>amkeile<br />

n<br />

des Allen <strong>Zürichkrieg</strong>es ist die Bluttat von Greifensee vom 28. Mai 1444. Die Besatzung des Städtchens, die sich<br />

unter Anfuhrung des Harts von Breitenlandenbcrg tapfer gegen die eidgenössische Uebermacht gewehrt halte, wurde nach ihrer Uehergahe auf e<strong>in</strong>er<br />

Wiese bei Nänikon enthauptet. 62 Menschen fanden den Tod durch das Schwert. Ihre Namen s<strong>in</strong>d noch heute auf e<strong>in</strong>em Gedenkste<strong>in</strong> verzeichnet, <strong>der</strong><br />

sich an <strong>der</strong> H<strong>in</strong>richtungsstätte erhebt.<br />

empfunden wurde. Und das alles spielte sich vor dem sozialen Uebergabe am 28. Mai 1444 auf e<strong>in</strong>e Wiese bei Nänikon geführt<br />

H<strong>in</strong>tergrund e<strong>in</strong>es um se<strong>in</strong>e Existenz und se<strong>in</strong>e Privilegien r<strong>in</strong>genden<br />

Adels ab, dessen Positionen durch die Bünde zwischen Die tollkühne Verwegenheit <strong>der</strong> siegestrunkenen Eidgenos-<br />

und dort enthauptet.<br />

Stadtbürgern und Bauernschaften im ganzen Gebiet zwischen<br />

Rhe<strong>in</strong> und Alpen sen zerbrach erst e<strong>in</strong>ige Monate später <strong>in</strong> St. Jakob an <strong>der</strong> Birs<br />

aufs äusserste bedroht waren.<br />

bei Basel. Damals drohte sich <strong>der</strong> Krieg vollends <strong>zum</strong> europäischen<br />

Aufgewühlte R<strong>in</strong>gen <strong>aus</strong>zuweiten, als e<strong>in</strong> Heer französischer Söldner,<br />

Leidenschaften<br />

die «Armagnaken», gerufen vom habsburgischen deutschen<br />

Die Folgen dieses Aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong>prallens politischer, König,<br />

sozialer<br />

unter Führung des Dauph<strong>in</strong>, des späteren Louis XL, <strong>zum</strong><br />

und wirtschaftlicher Gegensätze waren verheerend. Leidenschaften<br />

und Emotionen wurden aufgewühlt. genossen<br />

Entsatz des belagerten Zürich heranrückte. E<strong>in</strong>e Handvoll Eid-<br />

In manchem ersche<strong>in</strong>t<br />

<strong>der</strong> Alte <strong>Zürichkrieg</strong> wie e<strong>in</strong>e Vorwegnahme dessen, was und wurde fast bis <strong>zum</strong> letzten Mann nie<strong>der</strong>gemetzelt.<br />

warf sich dem vielfach überlegenen Fe<strong>in</strong>d entgegen<br />

sich zweihun<strong>der</strong>t Jahre später im Dreissigjährigen Krieg <strong>in</strong> Das Massaker von St. Jakob an <strong>der</strong> Birs markierte Höhepunkt<br />

und Wende des Krieges zugleich. Zürich erhielt e<strong>in</strong>e<br />

Deutschland abspielen sollte: verwüstete Landstriche, geplün<strong>der</strong>te<br />

Städte, gnadenlose H<strong>in</strong>richtung gefangener Gegner, Atemp<strong>aus</strong>e, die Belagerung wurde abgebrochen; gleichzeitig<br />

Kampf bis <strong>zum</strong> Aeussersten. Dreimal brachen die Eidgenossen aber verzichtete das französische Heer angesichts <strong>der</strong> eigenen<br />

mit voller Heeresmacht über die zürcherische Landschaft here<strong>in</strong>:<br />

1440, 1443 und 1444, und jedesmal vermochte sich die Frankreich<br />

schweren Verluste auf e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>bruch <strong>in</strong> die Eidgenossenschaft<br />

Stadt kaum zu wehren, son<strong>der</strong>n musste ihre Truppen strebte e<strong>in</strong> Bündnis mit den Schweizern an und<br />

schleunigst<br />

h<strong>in</strong>ter die schützenden Mauern zurückziehen und die eige-<br />

und schwerwiegende Spätfolge des Kampfes von St. Jakob. Der<br />

leitete so die Epoche <strong>der</strong> Soldverträge e<strong>in</strong>, e<strong>in</strong>e tiefgreifende<br />

Krieg<br />

nen Untertanen <strong>der</strong> Wut und <strong>der</strong> Willkür des Fe<strong>in</strong>des überlassen.<br />

Zu Wasser wie zu Lande waren Zürichs Gegner überlegen, zwar noch jahrelang h<strong>in</strong>, aber se<strong>in</strong>e Stosskraft war gebrochen.<br />

zwischen Zürich und den übrigen Eidgenossen zog sich<br />

und das än<strong>der</strong>te sich auch nicht, als die isolierte Stadt schliesslich<br />

e<strong>in</strong> enges Bündnis mit Oesterreich e<strong>in</strong>g<strong>in</strong>g. Im Gegenteil: <strong>aus</strong>brechenden Kämpfen, während die Politiker <strong>in</strong> endlosen<br />

Die marodierende Soldateska wütete weiter <strong>in</strong> da und dort jäh<br />

<strong>zum</strong> äusseren Krieg kam nun noch <strong>der</strong> <strong>in</strong>nere. Die eidgenössische<br />

Partei <strong>in</strong> Zürich wurde unterdrückt, gen.<br />

und ihre Führer wurden<br />

h<strong>in</strong>gerichtet, während dr<strong>aus</strong>sen im Lande die Eidgenossen<br />

Parteiische Chronisten<br />

an ihren Fe<strong>in</strong>den blutige Rache übten. Die 62 Mann <strong>der</strong> Besatzung<br />

des eroberten Städtchens Greifensee wurden nach <strong>der</strong> Krieg die damals lebende und auch die folgende Generation<br />

Verständlich, dass e<strong>in</strong> solcher mit Härte und Hass geführter<br />

tief<br />

Verhandlungen um günstige Positionen für e<strong>in</strong>en Ausgleich ran-<br />

%<br />

VW,<br />

Der See »ar<strong>der</strong> wichtigste Verb<strong>in</strong>dungsweg für Nachschub und Verprovi-<br />

Witterung. Mit Schaffen wurden Lebensmittel, hier vor allem Würste, nach<br />

Rapperswil gebracht, um Truppen und Bevölkerung zu verpflegen.<br />

f<strong>in</strong>det sich nicht nur <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er <strong>Chronik</strong>, <strong>in</strong> welcher er für Schwyz<br />

und gegen Zürich Partei ergreift. Auch <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er politischen<br />

Aktivität richtete sich <strong>Schodoler</strong> nach den <strong>in</strong>neren fünf Orten.<br />

Als Bremgarten reformiert wurde, blieb er katholisch, verlor<br />

zeitweise se<strong>in</strong> Schultheissenamt und erhielt es erst wie<strong>der</strong> nach<br />

<strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>lage Zürichs bei Kappel. <strong>Schodoler</strong> starb 5 1<br />

jährig, im<br />

Oktober 1541, an <strong>der</strong> Pest. Mit ihm starben fast gleichzeitig fünf<br />

se<strong>in</strong>er K<strong>in</strong><strong>der</strong> und weitere Verwandte. Ganze Familien wurden<br />

damals von grassierenden Seuchen dah<strong>in</strong>gerafft, denen die Mediz<strong>in</strong><br />

jener Zeit machtlos gegenüberstand.<br />

<strong>Schodoler</strong>s dreibändiges Werk ist heute noch vollständig erh<strong>alten</strong>,<br />

aber nur <strong>der</strong> zweite Band blieb im <strong>Archiv</strong> von Bremgarten.<br />

Der erste wurde, nachdem er lange Zeit verschollen und<br />

nur <strong>in</strong> Abschriften bekannt war. erst 1951 wie<strong>der</strong> entdeckt und<br />

bef<strong>in</strong>det sich heule <strong>in</strong> de r Ueberl<strong>in</strong>ger Leopold-Sophien-Bibliothek.<br />

Der dritte Band gelangte zunächst <strong>in</strong> den Besitz de r Zuger<br />

Familie Zurlauben und liegt heute <strong>in</strong> de r Kantonsbibliothek <strong>in</strong><br />

Aarau.<br />

Im illustrierten Teil ist <strong>Schodoler</strong>s Unternehmen e<strong>in</strong> Torso<br />

geblieben. Lediglich <strong>der</strong> zweite und <strong>der</strong> dritte Band enth<strong>alten</strong><br />

Bil<strong>der</strong>, und nur <strong>der</strong> zweite ist koloriert; im ersten Band blieben<br />

die für Bil<strong>der</strong> <strong>aus</strong>gesparten Fel<strong>der</strong> leer. Die <strong>Chronik</strong> entstand<br />

im Teamwork. Es waren mehrere Zeichner unterschiedlicher<br />

Fertigkeit an <strong>der</strong> Arbeit. Beim zweiten Band kann man drei<br />

Zeichner und zwei Maler unterscheiden. Sie s<strong>in</strong>d bis heute anonym<br />

geblieben. Die besseren Bil<strong>der</strong> wurden dem Stil <strong>der</strong> Zeit<br />

entsprechend mit e<strong>in</strong>em Monogramm den Initialen HD<br />

und e<strong>in</strong>em Schweizerdolch signiert.<br />

Das gr<strong>aus</strong>ame Gesicht des Krieges<br />

Auch wenn die künstlerische Qualität von <strong>Schodoler</strong>s <strong>Chronik</strong><br />

teilweise unter jener vergleichbarer zeitgenössischer Werke<br />

liegt, so vermitteln die Bil<strong>der</strong> doch e<strong>in</strong>en erschütternden E<strong>in</strong>blick<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Epoche, die von Unsicherheit<br />

, Greueln und Gr<strong>aus</strong>amkeiten<br />

geprägt war. «Es s<strong>in</strong>d die Eidgenossen jener Zeit,<br />

entfernt von den späteren mehr o<strong>der</strong> weniger idealisierten Darstellungen<br />

<strong>aus</strong> <strong>der</strong> ersten Hälfte des 16. Jahrhun<strong>der</strong>ts, die ja<br />

manchmal wie Modebil<strong>der</strong> anmuten. Bei Kampfszenen ... erblidcen<br />

wir die rohe Unbekümmertheit <strong>der</strong> Zeit, die vor ke<strong>in</strong>er,<br />

auch krassen Darstellung zurückschreckt. Für Tracht und Bewaffnung<br />

s<strong>in</strong>d hier Belege gegeben, die unbed<strong>in</strong>gt zuverlässig<br />

s<strong>in</strong>d. Die <strong>alten</strong> Eidgenossen treten auf diesen Bil<strong>der</strong>n auf, wie<br />

sie wirklich waren» (E. A. Gessler: Die Schweizer Bil<strong>der</strong>chroniken<br />

des 15. und 16. Jahrhun<strong>der</strong>ts).<br />

Neue Zürcher Zeitung vom 31.07.1981


3iird)cr deHtttig<br />

31ciic WOCHENENDE<br />

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Freitag, 31. Juli 1981 Nr. 175 69<br />

Individuelles drückt sich <strong>in</strong> den oft dilettantisch anmutenden<br />

Zeichnungen viel stärker <strong>aus</strong> als <strong>in</strong> den typisierenden Darstellungen<br />

künstlerisch höherstehen<strong>der</strong> Werke, <strong>in</strong> denen mittelalterlicher<br />

Formalismus noch weitgehend die Bil<strong>der</strong> prägt. Neben<br />

a\Vv8cv )vSvAM IWtt-rrv)<br />

marschierenden Soldaten bewegt sich e<strong>in</strong> bl<strong>in</strong><strong>der</strong> Bettler mit se<strong>in</strong>em<br />

Hund, <strong>in</strong> Greifensee klettern Neugierige auf die Bäume,<br />

um die H<strong>in</strong>richte igsszene besser verfolgen zu können, e<strong>in</strong>e<br />

Frau wird an den Be<strong>in</strong>en hochgezogen und fast auf den Kopf<br />

gestellt, e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Frau schlügt verzweifelt mit e<strong>in</strong>em Sp<strong>in</strong>nrocken<br />

auf Bewaffnete e<strong>in</strong>, die ihr H<strong>aus</strong> plün<strong>der</strong>n. Man erfährt<br />

aber auch e<strong>in</strong>iges über die «logistische» Seite des Krieges:<br />

Nachschub auf dem Seeweg, Erstellung von Befestigungsanlagen,<br />

Bau von Kriegsschiffen. Überraschend ist bei <strong>der</strong> Darstellung<br />

von Landschaften das Streben nach topographischer<br />

Treue; l<strong>in</strong>kes Zürichseeufer o<strong>der</strong> Reussschleife bei Bremgarten<br />

s<strong>in</strong>d leicht zu lokalisieren. Hier waren ohne Zweifel Zeichner<br />

am Werk, welche die Gegend <strong>aus</strong> eigener Anschauung kannten<br />

und sich von stereotypen Vorstellungen zu lösen suchten.<br />

Bemerkenswert vor allem aber bleibt die Aussagekraft <strong>der</strong><br />

Bil<strong>der</strong>, die ihre Mi<strong>in</strong>gel vergessen lüssi. Aus ihnen kann man<br />

noch heute all jene überbordenden Leidenschaften her<strong>aus</strong>fühlen,<br />

welche den unseligen Alten <strong>Zürichkrieg</strong> begleiteten. Roheit,<br />

iäii<br />

Gewalt und Zerstörung prägen das Leben. Hier zeigt <strong>der</strong> Krieg<br />

unverhüllt se<strong>in</strong> gr<strong>aus</strong>ames Gesicht. Als mahnende Stimmen beh<strong>alten</strong><br />

so die <strong>in</strong> ihrer fast naiven Offenheit doppelt e<strong>in</strong>prägsamen<br />

Zeichnungen ihren Wert und ihre Bedeutung über die Jahrhun<strong>der</strong>te<br />

weg, die sie von uns trennen.<br />

Benützte Literatur:<br />

Die eidgenössische <strong>Chronik</strong> des Wernher <strong>Schodoler</strong> 1510 (um Faksimile-Verlag,<br />

Luzern 1980 Drei Hände. Der dritle Hand isl I9K0 erschienen,<br />

<strong>der</strong> zweite ersche<strong>in</strong>t <strong>in</strong> diesen Wochen, <strong>der</strong> erste, niclitr.iksimilierl, mit Kommentar<br />

1982.<br />

Hans Herger: Der Alle <strong>Zürichkrieg</strong> im Rahmen <strong>der</strong> europäischen Politik.<br />

Zürich 1978.<br />

Die Schweizer Bil<strong>der</strong>chroniken des 15. und 16. Jahrhun<strong>der</strong>ts. E<strong>in</strong>leiten<strong>der</strong><br />

Text von Walter Muschg. Zürich 1941,<br />

Josef Zenip: Die schweizerischen Bil<strong>der</strong>chroniken und ihre Architekturdarstellungen.<br />

Zürich 1897.<br />

Jakob Stammler: Der Chronist Werner <strong>Schodoler</strong>. In: <strong>Archiv</strong> des Hislorischen<br />

Vere<strong>in</strong>s des Kantons Hern. XIII. Hand, Drilles Heft. Hern 1892.<br />

E<strong>in</strong> Rille hat den Absagebrief <strong>in</strong> <strong>der</strong> Tasche stall an e<strong>in</strong>er Stange gelragen.<br />

Er wird deshalb mit dem Tod bedroht.<br />

E<strong>in</strong>e beliebte Kriegsbeute war das Vieh.<br />

Eidgenossen rauben <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gegend<br />

von WH e<strong>in</strong>e Herde und treiben sie weg.<br />

Geschlagene Zürcher Truppen ziehen sich über den See h<strong>in</strong>ter die schützenden Mauern <strong>der</strong> Stadt :itruck.<br />

4<br />

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