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franzis - Extremfotografie.pdf

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Michael Nagel, Helge Süß, Reinhard Wagner, Martin Rietze, Michael Risch<br />

<strong>Extremfotografie</strong>


Michael Nagel / Helge Süß / Reinhard Wagner<br />

Martin Rietze / Michael Risch<br />

<strong>Extremfotografie</strong><br />

Arktis, Vulkane, unter Wasser, Hochgebirge, Sterne<br />

Mit 275 Abbildungen


Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek<br />

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;<br />

detaillierte Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.<br />

Hinweis: Alle Angaben in diesem Buch wurden vom Autor mit größter Sorgfalt erarbeitet bzw. zusammengestellt und unter Einschaltung wirksamer Kontrollmaßnahmen<br />

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© 2011 Franzis Verlag GmbH, 85540 Haar bei München<br />

Alle Rechte vorbehalten, auch die der fotomechanischen Wiedergabe und der Speicherung in elektronischen Medien. Das Erstellen und Verbreiten von Kopien auf<br />

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Die meisten Produktbezeichnungen von Hard- und Software sowie Firmennamen und Firmenlogos, die in diesem Werk genannt werden, sind in der Regel gleichzeitig<br />

auch eingetragene Warenzeichen und sollten als solche betrachtet werden. Der Verlag folgt bei den Produktbezeichnungen im Wesentlichen den Schreibweisen<br />

der Hersteller.<br />

Herausgeber: Ulrich Dorn<br />

Satz & Layout: G&U Language & Publishing Services GmbH, Flensburg<br />

art & design: www.ideehoch2.de<br />

Druck: GGP Media GmbH, Pößneck<br />

Printed in Germany<br />

ISBN 978-3-645-60131-3


EXTREMFOTOGRAFIE<br />

VORWORT<br />

Vorwort<br />

Lieber Leser, Sie halten ein außergewöhnliches<br />

Buch in Ihren Händen. Zum ersten Mal<br />

haben sich fünf Fotografen, jeder Einzelne<br />

in seinem speziellen fotografischen Bereich<br />

ein erfahrener Profi, in diesem mitreißenden<br />

Werk zusammengefunden, um Sie mit<br />

allen Informationen zu versorgen, die Sie<br />

für das Fotografieren in extremen Situationen<br />

benötigen.<br />

Welche Vorbereitungen sind nötig? Hält<br />

meine Kameraausrüstung den Strapazen<br />

stand? Was muss ich unbedingt berücksichtigen?<br />

Die Antworten darauf und viele<br />

weitere Hinweise finden Sie, kurzweilig erzählt,<br />

mit vielen hilfreichen Empfehlungen<br />

und eindrucksvollen Aufnahmen unterlegt,<br />

in diesem Buch – ein echter Augenschmaus.<br />

Doch warum extreme Fotografie? Was trieb<br />

und treibt die Autoren an, sich eben dort<br />

aufzuhalten, wo „man“ normalerweise keinen<br />

Finger auf den Auslöser einer Kamera<br />

setzen würde? In der hochdigitalisierten<br />

Welt der Fotografie, die es vielen Menschen<br />

ermöglicht, immer und zu jeder Zeit auf den<br />

Auslöser zu drücken, verliert das Foto seine<br />

Einzigartigkeit, und der kreative Raum für<br />

neue Bildideen wird ständig kleiner. Geht<br />

es Ihnen auch so? Alles wurde irgendwie<br />

irgendwann schon mal fotografiert, kopiert<br />

oder am Rechner mittels Bildnachbearbeitung<br />

„geshoppt“.<br />

Um sich wirksam aus der Masse der digitalen<br />

Fastfoodfotografie abzuheben, bleibt<br />

demnach nur die Flucht nach vorn. Auf der<br />

Suche nach neuen Motiven muss man jedoch<br />

gewillt sein, vom normalen Weg abzuweichen<br />

und physische Strapazen, aber<br />

auch Enttäuschungen in Kauf zu nehmen.<br />

Das erfordert in der ersten Phase viel Zeit<br />

für die Vorbereitungen sowie in der Phase<br />

der Umsetzung Geduld und Disziplin vor<br />

Ort und natürlich fundierte Kenntnisse über<br />

die räumliche Umgebung und deren Lichtbedingungen.<br />

Und hier setzen wir in unserem Buch an:<br />

Wir helfen Ihnen, sich optimal vorzubereiten,<br />

und begleiten Sie auf dem Weg der<br />

extremen Fotografie von der Wüste auf die<br />

Berge, durch Eis und Schnee, hinauf auf den<br />

Vulkan und runter auf den Meeresgrund.<br />

Eine spannende Reise, viel Erfolg und außergewöhnliche<br />

Aufnahmen sind Ihnen sicher.<br />

Bestimmt!<br />

Michael Nagel<br />

Ascheberg im September 2011<br />

5


INHALT<br />

Adrenalinschub am Polarkreis 16<br />

Kalt, kälter, Nordfinnland 21<br />

Zauberwelt aus Schnee und Eis 21<br />

Ein gefühlter Temperaturvergleich 22<br />

Erlaubt ist alles, was warm hält 23<br />

Wollmütze, Fellmütze, Sturmhaube 24<br />

Zwiebelkleidung unter der Winterjacke 27<br />

Wasserdichte Winterstiefel 27<br />

Schneeschuhe? – Nein danke! 28<br />

Gamaschen? – Ja bitte! 29<br />

Fingerhandschuh oder Fäustling? 30<br />

Grenzen von Mensch und Material 31<br />

Auf den mobilen Untersatz kommt es an 31<br />

Spontane Notmaßnahmen am Fahrzeug 32<br />

Vorsicht bei Fototouren um –35 °C 33<br />

Energiereserven für den Körper 34<br />

Kameras und der Kältefaktor 34<br />

Mit UV-Filter als Frontlinsenschutz 36<br />

Kaum Einschränkungen bei Blitzgeräten 37<br />

Leichte Beeinträchtigung der Stativköpfe 37<br />

Überraschung: kälteresistente Speichermedien 38<br />

Riskanter Einsatz mobiler Datenspeicher 39<br />

Vereiste Reißverschlüsse geschmeidig machen 39<br />

Ein Wort zur Sensorreinigung 39<br />

Fototechnik unter realen Bedingungen 41<br />

Zuverlässiger Auslöser selbst bei Eiseskälte 41<br />

Bildrauschen? – Einfach cool bleiben! 44<br />

Abstecher in die Belichtungsmessung 45<br />

Wichtig zu wissen: die mittlere Dichte 45<br />

Schwerpunkt der Messung in Suchermitte 46<br />

Auch aus großer Entfernung exakt anmessen 47<br />

Exakte Motivanalyse per Mehrfeld messung 47<br />

Motive suchen, finden und komponieren 48<br />

Ran ans Motiv! 48<br />

Nehmen Sie sich viel, viel Zeit! 50<br />

Unterschiedliche Tageszeiten und Perspektiven 50<br />

Setzen Sie knackige Akzente 52<br />

Hochformat, Querformat – oder beides? 52<br />

Kleine Dinge im diffusen Licht 54<br />

Ganz dicht dran: Makro im Schnee 54<br />

6


EXTREMFOTOGRAFIE<br />

INHALT<br />

Fotografieren mit gewollter Unschärfe 55<br />

Weite Winkel extrem 55<br />

Auch trübe Tage haben was 57<br />

Eisige Glücksmomente 58<br />

Finnlands unfassbar blaue Stunde 61<br />

Künstliche Lichtquellen in der Polarnacht 61<br />

Schneewesen, Eismonster und Trolle 64<br />

Eisskulpturen mit der Motor säge 66<br />

Eisskulpturen selbst bauen 66<br />

Illuminieren mit Fackelkerzen 68<br />

Lichtmalerei – so geht’s! 69<br />

Gute Ergebnisse bei völliger Dunkelheit 70<br />

Originelle Ideen sind das A und O 71<br />

Auf dem Weg zum ersten Lichtbild 72<br />

Die Krux mit dem Nordlicht 74<br />

Was ist das Nordlicht? 75<br />

Auf den Standort kommt es an 77<br />

Vorbereitung ist alles 78<br />

Relevante Kameraeinstellung en detail 79<br />

Energiequelle Akku 84<br />

Die Sache mit der Farbe 84<br />

Digitale Bilder für die Ewigkeit? 84<br />

Faszinierende Unterwasserwelt 86<br />

Im Meer und in Süßwasserseen 91<br />

Wissen ist Macht 91<br />

Ehrenkodex der Taucher 93<br />

Anforderungen an Mensch und Material 93<br />

Reif für die Unterwasserfotografie? 94<br />

Trockentraining im Schwimmbad 94<br />

Entscheidungen vor dem Tauchgang 95<br />

Ins Wasser, aus dem Wasser 95<br />

Kameras unter Wasser 96<br />

Objektive für unter Wasser 98<br />

Passende Unterwassergehäuse 101<br />

Licht in der Dunkelheit 106<br />

Kleine Helfer immer dabei 109<br />

Kamerapflege und Wartungstipps 110<br />

Ihre Gesundheit steht an erster Stelle 112<br />

Fliegen mit der Fotoausrüstung 112<br />

7


INHALT<br />

Geheimnisse guter Unterwasserfotos 114<br />

Manuelle Kameraeinstellung 114<br />

Parameter für Nah- und Makroaufnahmen 115<br />

Parameter für Weitwinkelaufnahmen 116<br />

Ausleuchtung und Lichtführung im Wasser 117<br />

Exakte Bildbeurteilung 119<br />

Mut zur Entscheidung 120<br />

Reserven für die Bildbearbeitung 121<br />

Bildgestaltung unter Wasser 121<br />

Die Farbe des Wassers 121<br />

Salzwasser versus Süßwasser 123<br />

Trübe Aussichten? 123<br />

Blickrichtung und Kameraposition 124<br />

Zum Teil über, zum Teil unter Wasser 125<br />

Größenverhältnisse unter Wasser 127<br />

Der Kunst ihre Zeit, der Zeit ihre Kunst 128<br />

Ihr Tauchpartner, Ihr Modell 128<br />

Fischporträts mit Standardzoom 129<br />

Gute Beziehungen gleich reizvolle Motive 130<br />

Der Schwarm 130<br />

Geheimnisumwitterte Wracks 131<br />

Tolle Spots und Unterwasserressorts 133<br />

Stille Bergseen in den Alpen 133<br />

Grüner See bei Tragöß 135<br />

Tauchen in Flüssen 135<br />

Spektakulärer Süßwassertauchgang in Silfra 135<br />

Heißwasserschlot am Meeresgrund des Eyjafjörður 136<br />

Fotogene Wracks auf Zypern 138<br />

Muck diving in der Lembeh Strait 139<br />

Galapagos, der Name ist Programm 139<br />

Höhlentauchen der Spitzenklasse: Taïn und La Sirena 142<br />

Rifftauchen auf Wakatobi 142<br />

Atem beraubendes Hochgebirge 144<br />

O Täler weit, o Höhen 149<br />

Anforderungen an Mensch und Material 149<br />

Körperliche Fitness 150<br />

Vorzugsweise mit Bergpartner 150<br />

Studium des Bergwetters 151<br />

Vorsicht, Lawinengefahr! 151<br />

Knoten und Sicherungstechniken 152<br />

8


EXTREMFOTOGRAFIE<br />

INHALT<br />

Kompass und Kartenmaterial 152<br />

Die Sternentabelle des Fotografen 153<br />

Wasser und konzentrierte Kalorien 153<br />

Klimatische Extreme, Feind der Kamera 154<br />

Mechanische Schätzchen, immer bereit 154<br />

Bergsteigen mit Kamera 156<br />

Fotografie mit Bergsteigen 157<br />

Hochgebirge, die Domäne der Weitwinkel 159<br />

Ausnahme: lange Telebrennweiten 164<br />

Polfilter, im Gebirge ein Muss 166<br />

Bildstabilisator oder besser mit Stativ? 167<br />

Bildbeurteilung mit Live-View 170<br />

Bildgestaltung oberhalb der Baumgrenze 171<br />

An erster Stelle steht die Bildidee 171<br />

Tourenplanung mit iPhone und iPad 171<br />

Der Beweis: das Gipfelfoto 173<br />

Eindrucksvolle Bergpanoramen 173<br />

Personen vor grandioser Kulisse 174<br />

Skifahrer während der rasanten Abfahrt 175<br />

Kletterer in der Wand 176<br />

Klärung der Größenverhältnisse 178<br />

Schattenrisse vor grandiosem Hintergrund 180<br />

Halt! Blitzlicht im Gebirge? 181<br />

Stürzende Linien auch im Gebirge 182<br />

Die Sache mit dem roten Pullover 183<br />

Wasserfälle, Seen und reißende Bergbäche 184<br />

Sonne und Mond in den Bergen 189<br />

Dramatische Wetter 190<br />

Regeln vor der Erstbesteigung 192<br />

Nehmen Sie sich Zeit 192<br />

Unterschätzen Sie die Witterung nicht 192<br />

Respektieren Sie Betretungsverbote 193<br />

Schreiben Sie Ihre Touren ins Hüttenbuch 194<br />

Stay alert! Bleiben Sie wachsam! 194<br />

Auf geht’s Buam: Hütten in den Alpen 196<br />

Mitgliedschaft im Alpenverein 196<br />

1.327 m: Tutzinger Hütte 197<br />

1.834 m: Erfurter Hütte im Rofan 198<br />

2.177 m: Riemannhaus am Steinernen Meer 198<br />

2.389 m: Olperer Hütte in den Zillertaler Alpen 198<br />

2.438 m: Dreizinnenhütte in den Dolomiten 198<br />

9


INHALT<br />

2.700 m: Dachstein-Gletscherbahn 198<br />

2.690 m: Kandersteg im Berner Oberland 199<br />

3.883 m: Seilbahn auf den Aiguille du Midi 199<br />

Tanz auf dem Vulkan 200<br />

Vulkanausbruch live 205<br />

Ohne extrem hohen Aufwand und Glück geht nichts 205<br />

Lohnenswerte Motive auch bei verpasster Eruption 206<br />

Ideale Locations für ambitionierte Fotografen 207<br />

Spektakulär: die Aschewolke des Eyjafjallajökull 208<br />

Bildgestaltungstipps für angehende Vulkanfotografen 210<br />

Anforderungen an Mensch und Material 211<br />

Was zählt, sind Geduld und Konzentration 211<br />

Psychische Härte und Glück 211<br />

Risiken beim Tanz auf dem Vulkan 212<br />

Das ist die größte Gefahr bei einem Vulkanausbruch 213<br />

Glutlawinen aus heißer Asche, Gasen und Gestein 213<br />

Welcher Kameratyp eignet sich am besten? 214<br />

Hier trennt sich die Spreu vom Weizen 215<br />

Kontrastunterschiede deutlich machen 216<br />

Extrem heiße Glutlawinen bei Nacht 217<br />

Unverhofft kommt oft: das richtige Stativ 220<br />

Betauung, Korrosion und Abnutzung 221<br />

Ascheeruptionswolke vor Sternenhimmel 221<br />

Zoomobjektive oder lichtstarke Festbrennweiten? 223<br />

Rauchringe mit einem Teleobjektiv einfangen 225<br />

Gute Fokussierung macht den Unterschied 226<br />

Unvorhersehbare Blitzentladungen einfrieren 227<br />

Traumobjektiv für nächtliche Vulkan fotografie 228<br />

Mein Objektivpark! – In der Praxis vielfach bewährt 229<br />

Ein Problem, das nicht verschwiegen werden soll 231<br />

Unberechenbar: graue Vulkane 232<br />

Lebensgefährlich! – Glutlawinen aus dem Nichts 232<br />

Warnzeichen bei schnell aufsteigenden Aschewolken 233<br />

In Deckung! – Steinschlag und Lavabomben 233<br />

Vorsicht! – Unerwartete Einwirkung giftiger Gase 234<br />

An Schwefelquellen auftretender Schwefelbrand 235<br />

Einbruchgefahr bei dünnem und unterhöhltem Boden 236<br />

Einfache Regeln gegen extreme Hitze abstrahlung 236<br />

10


EXTREMFOTOGRAFIE<br />

INHALT<br />

Lavaströme, Lavafälle, Lavaseen 237<br />

Einmalige Blicke auf dahinschießende Lavaströme 239<br />

Nahezu unkritisch: Aufnahmen zähflüssiger Lavaströme 239<br />

Zur richtigen Zeit am richtigen Ort: spektakuläre Lavafälle 240<br />

Faszinierendes Spiel zwischen Wasser und Lava 241<br />

Gefährlich! – Heiße Lava und das Meer 242<br />

Unerschöpfliches Reservoir unter schiedlichster Motive 242<br />

Sensationelle Bilder aktiver Lavadome 244<br />

Gefahrenpotenzial aktiver Lavadome 245<br />

Lavaseen bieten immer wieder gute Fotogelegenheiten 245<br />

Intensives Farbenspiel in Kraterseen 246<br />

Aufsteigende Lavablasen und Fontänen in Lavaseen 247<br />

Achtung! – Hitzeschutz für exponierte Hautstellen und die Kamera 249<br />

Explosiv: Strombolianische Eruptionen und Lavafontänen 249<br />

Eindrucksvolles Schauspiel von Lavafontänen 251<br />

Lavafontänen und platzende Lavablasen 252<br />

Darauf ist im Umfeld von Lavafontänen zu achten 253<br />

Platzende Schlammvulkane und heiße Springquellen 254<br />

Spektakuläre Farbenspiele seltener Erscheinungsformen 255<br />

Blick in den Sternen himmel 256<br />

Voraussetzungen für die Astrofotografie 261<br />

In der frühen Dämmerung 262<br />

Zwischen Dämmerung und Nacht 263<br />

Mit den Belichtungszeiten spielen 263<br />

Dunkle Mondseite im aschgrauen Licht 263<br />

Arbeiten mit langen Belichtungszeiten 264<br />

Ein alter Trick – die Hutmethode 264<br />

Mond- und Sonnenfinsternisse 264<br />

Blutrot romantische Mondfinsternis 264<br />

Dramatische Effekte bei der Sonnen finsternis 265<br />

Sternenhimmel mit Weitwinkel 267<br />

Sterne mutieren zu ästhetischen Strichspuren 268<br />

Belichtungszeiten und Objektiv brennweiten 268<br />

Ideale Brennweiten für die Stativkamera 269<br />

Unendlich ist nicht gleich unendlich 269<br />

11


INHALT<br />

Landschaft als Hintergrund 270<br />

Balance zwischen ISO und Blende 270<br />

Blick in die Milchstraße 271<br />

Sternstrichspuren als Stilmittel 272<br />

Nachteil der Digitaltechnik 274<br />

Extreme Belichtungszeiten 274<br />

Motorischer Ausgleich der Erdrotation 275<br />

Arbeiten mit parallaktischer Montierung 276<br />

Optimierte Kameras für die Astrofotografie 277<br />

Langbrennweitige Teleobjektive 277<br />

Sehr lange Brennweiten 278<br />

Fortgeschrittene Astro fotografie 279<br />

Index 282<br />

Bildnachweis 287<br />

12


EXTREMFOTOGRAFIE<br />

INHALT<br />

13


INHALT<br />

1<br />

Adrenalinschub am Polarkreis 16<br />

2<br />

Faszinierende Unterwasserwelt 86<br />

3<br />

Atem beraubendes Hochgebirge 144<br />

14


EXTREMFOTOGRAFIE<br />

INHALT<br />

4<br />

Tanz auf dem Vulkan 200<br />

5<br />

Blick in den Sternen himmel 256<br />

Index 282<br />

Bildnachweis 287<br />

15


KAPITEL 1<br />

ADRENALINSCHUB<br />

AM POLARKREIS<br />

Adrenalinschub am Polarkreis<br />

21 Kalt, kälter, Nordfinnland<br />

21 Zauberwelt aus Schnee und Eis<br />

22 Ein gefühlter Temperaturvergleich<br />

23 Erlaubt ist alles, was warm hält<br />

24 Wollmütze, Fellmütze, Sturmhaube<br />

27 Zwiebelkleidung unter der Winterjacke<br />

27 Wasserdichte Winterstiefel<br />

28 Schneeschuhe? – Nein danke!<br />

29 Gamaschen? – Ja bitte!<br />

30 Fingerhandschuh oder Fäustling?<br />

31 Grenzen von Mensch und<br />

Material<br />

31 Auf den mobilen Untersatz kommt es an<br />

32 Spontane Notmaßnahmen am Fahrzeug<br />

33 Vorsicht bei Fototouren um –35 °C<br />

34 Energiereserven für den Körper<br />

34 Kameras und der Kältefaktor<br />

36 Mit UV-Filter als Frontlinsenschutz<br />

37 Kaum Einschränkungen bei Blitzgeräten<br />

37 Leichte Beeinträchtigung der Stativköpfe<br />

38 Überraschung: kälteresistente<br />

Speichermedien<br />

39 Riskanter Einsatz mobiler Datenspeicher<br />

39 Vereiste Reißverschlüsse geschmeidig<br />

machen<br />

39 Ein Wort zur Sensorreinigung<br />

41 Fototechnik unter realen<br />

Bedingungen<br />

41 Zuverlässiger Auslöser selbst bei Eiseskälte<br />

44 Bildrauschen? – Einfach cool bleiben!<br />

45 Abstecher in die Belichtungsmessung<br />

45 Wichtig zu wissen: die mittlere Dichte<br />

46 Schwerpunkt der Messung in Suchermitte<br />

47 Auch aus großer Entfernung exakt<br />

anmessen<br />

47 Exakte Motivanalyse per Mehrfeldmessung<br />

48 Motive suchen, finden und<br />

komponieren<br />

48 Ran ans Motiv!<br />

50 Nehmen Sie sich viel, viel Zeit!<br />

50 Unterschiedliche Tageszeiten und<br />

Perspektiven<br />

52 Setzen Sie knackige Akzente<br />

52 Hochformat, Querformat – oder beides?<br />

54 Kleine Dinge im diffusen Licht<br />

54 Ganz dicht dran: Makro im Schnee<br />

55 Fotografieren mit gewollter Unschärfe<br />

55 Weite Winkel extrem<br />

57 Auch trübe Tage haben was<br />

58 Eisige Glücksmomente<br />

61 Finnlands unfassbar blaue Stunde<br />

61 Künstliche Lichtquellen in der Polarnacht<br />

64 Schneewesen, Eismonster und Trolle<br />

66 Eisskulpturen mit der Motor säge<br />

66 Eisskulpturen selbst bauen<br />

68 Illuminieren mit Fackelkerzen<br />

69 Lichtmalerei – so geht’s!<br />

70 Gute Ergebnisse bei völliger Dunkelheit<br />

71 Originelle Ideen sind das A und O<br />

72 Auf dem Weg zum ersten Lichtbild<br />

74 Die Krux mit dem Nordlicht<br />

75 Was ist das Nordlicht?<br />

77 Auf den Standort kommt es an<br />

78 Vorbereitung ist alles<br />

79 Relevante Kameraeinstellung en detail<br />

84 Energiequelle Akku<br />

84 Die Sache mit der Farbe<br />

84 Digitale Bilder für die Ewigkeit?<br />

19


AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 17 mm<br />

Belichtung 30 s<br />

Blende<br />

f/4,0<br />

ISO 100<br />

Der Kick beim Klick. Zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Allen anderen Menschen zu zeigen:<br />

„Seht mal, ich war da!“<br />

1<br />

Adrenalinschub am Polarkreis<br />

Worin liegt eigentlich der Reiz des Extremen in der Fotografie? Warum nehmen viele<br />

Fotografen – völlig unabhängig davon, ob Amateur oder Profi – eine oftmals anstrengende<br />

und teure Reise unter ungünstigsten Witterungsbedingungen auf sich, um in den letzten<br />

Winkeln unseres Planeten zu fotografieren? Und das, wo doch offensichtlich fast alles<br />

erforscht, umfangreich fotografisch dokumentiert und in irgendeiner Form veröffentlicht<br />

worden ist? Die Antwort ist einfach und klingt plausibel: Zum einen ist es die persönliche<br />

physische Herausforderung, das Erleben und Überschreiten des eigenen Grenzbereichs,<br />

und zum anderen – natürlich – die Hoffnung auf den einen Moment, den fotografischen<br />

Glücksmoment!<br />

20


KAPITEL 1<br />

ADRENALINSCHUB<br />

AM POLARKREIS<br />

Kalt, kälter, Nordfinnland<br />

Adrenalin schießt durch den Körper, man<br />

wird eins mit seiner Kamera und ist wie berauscht<br />

von diesem unbeschreiblichen<br />

Augenblick. Ich selbst habe dieses Gefühl<br />

immer dann verspürt, wenn ich bei eisiger<br />

Kälte irgendwo da oben in Nordfinnland<br />

durch den Sucher meiner vereisten Kamera<br />

blickte. Vor mir das vermeintlich perfekte<br />

Motiv und um mich herum die ideale<br />

Wunschlichtstimmung. Insgeheim hoffend,<br />

dass die hochsensible Technologie in meinen<br />

Händen mich in diesem entscheidenden<br />

Moment nicht im Stich lässt, dass Blende,<br />

Verschluss und Elektronik einwandfrei<br />

funktionieren. Dann wartete ich ungeduldig,<br />

bis das verzögernd ansprechende LC-Display<br />

meiner DSLR-Kamera endlich das Ergebnis<br />

anzeigte.<br />

ÜBER DEN AUTOR<br />

Zauberwelt aus Schnee und Eis<br />

Kann es für uns Fotografen einen schöneren<br />

Moment geben? Ich behaupte: Nein! Allein<br />

die Gewissheit zu haben, in diesem Augenblick<br />

der einzige Mensch hier in dieser<br />

schneeweißen Einöde zu sein, der dieses<br />

Motiv für sich allein entdeckt und fotografiert<br />

hat, lässt die stechenden Schmerzen<br />

in den eiskalten Extremitäten für einige Minuten<br />

vergessen. Und wenn Sie, liebe Leser,<br />

beim Betrachten der einen oder anderen<br />

Aufnahme in diesem Kapitel auch ein bisschen<br />

Herzklopfen verspüren sollten, genau<br />

wie der Verfasser dieses Texts zum damaligen<br />

Zeitpunkt der Aufnahme, wissen Sie<br />

sehr genau, wovon ich spreche.<br />

Die Aufnahmen in diesem Buchbeitrag entstanden<br />

in den Jahren 2001 bis 2007 während<br />

der Wintermonate Januar und Februar<br />

im Raum Kuusamo und im Oulanka-Nationalpark<br />

. Wir erkundeten fotografisch die<br />

Berge Muovaara , Iivaara und den berühmten<br />

Rukatunturi . Mithilfe der Fotogruppe<br />

Michael Nagel , 1963 in Kiel geboren,<br />

absolvierte nach Abschluss einer<br />

Ausbildung im Kunsthandwerk eine<br />

weitere Ausbildung als Fotograf und<br />

Fotofachhandelswirt. Ab 1988 war<br />

er bei Nikon Deutschland im Bereich<br />

Öffentlichkeitsarbeit und zuletzt<br />

als Trainer für den Fotofachhandel<br />

tätig. Seit 2001 unterstützt Michael<br />

Nagel hauptberuflich als Dozent,<br />

Trainer und Projektleiter das Team<br />

des Photo+Medienforums in Kiel<br />

im Bereich der Aus- und Weiterbildung<br />

und führt bundesweit für die<br />

Fotoindustrie und den Fotofachhandel<br />

Schulungen und Seminare<br />

durch. Der Schwerpunkt seiner<br />

fotografischen Arbeit liegt in der<br />

experimentellen Fotografie und in<br />

der Landschaftsfotografie .<br />

21


AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 15 mm<br />

Belichtung 1/350 s<br />

Blende<br />

f/5,6<br />

ISO 400<br />

konstruierten und bauten wir aufwendige<br />

Eisskulpturen und -monumente, filigrane<br />

Lichtinstallationen und ein etwas unförmiges<br />

Iglu.<br />

Die im Folgenden geschilderten persönlichen<br />

Erfahrungen sollen Ihnen die nötige<br />

Unterstützung geben, um gut auf die extreme<br />

Kälte vorbereitet zu sein und Ausfälle<br />

beim Material zu verhindern. Trotzdem<br />

kann nicht ausgeschlossen werden, dass<br />

Ihre Kamera oder ein wichtiges Zubehörteil<br />

Ihrer Ausrüstung unverhofft und im falschen<br />

Moment den Geist aufgibt. Extreme<br />

Kälte fordert Mensch und Material weit<br />

bis über die physischen und physikalischen<br />

Grenzen hinaus. Und jenseits der Grenzen<br />

gibt es bekanntlich keine Garantie.<br />

Als ich vor vielen Jahren zum ersten Mal die<br />

faszinierenden Bilder eines befreundeten<br />

Finnlandfotografen bei einer Vernissage betrachtete,<br />

war ich wie gefesselt von der skurrilen<br />

Schönheit der fotografierten Eis- und<br />

Schneegestalten sowie von den ungewöhnlichen<br />

Lichtverhältnissen und -stimmungen<br />

unweit des Nordpolarkreises. Monate später<br />

beschlossen der besagte finnlandaffine<br />

Fotograf Klaus Radtke und ich, bundesweit<br />

Fotoreisen nach Lappland für jene Menschen<br />

anzubieten, die mit uns zusammen dort oben<br />

das Besondere erleben und fotografisch festhalten<br />

möchten.<br />

Ein gefühlter Temperaturvergleich<br />

Wie kann man sich als in gemäßigten Klimazonen<br />

lebender Mittel- oder Nordeuropäer<br />

eigentlich die extrem kalten Temperaturen<br />

in Finnland vorstellen? Nachfolgend versuche<br />

ich, einen „gefühlten“, also rein subjekti-<br />

Es gibt keinen schöneren Moment! Allein in einer<br />

Zauberwelt aus Schnee und Eis.<br />

22


KAPITEL 1<br />

ADRENALINSCHUB<br />

AM POLARKREIS<br />

ven Vergleich zwischen der trockenen Kälte<br />

Nordfinnlands und der eher feuchten Kälte<br />

meiner norddeutschen Heimat aufzustellen.<br />

MANN AUS DEM EIS<br />

• Finnische Temperaturen von –10 bis<br />

–15 °C fühlen sich noch ganz angenehm<br />

an. Bis –20 °C kann man sogar ohne Gesichtsschutz<br />

fotografieren und sich im<br />

Freien durchaus einen ganzen Tag lang<br />

aufhalten – vorausgesetzt, der eisige<br />

Wind hält sich in Grenzen.<br />

• Ab –25 bis –30 °C setze ich zusätzlich<br />

die dicke Sturmhaube auf und bin nur<br />

noch maximal drei bis vier Stunden<br />

ohne wärmende Unterbrechung im<br />

Freien. Diese Temperaturen sind gefühlt<br />

vergleichbar mit den feuchten –20 °C<br />

bei uns im Norden. Das Atmen fällt einem<br />

deutlich schwerer, und übermäßige<br />

körperliche Anstrengungen sollten<br />

– abhängig vom Gesundheitszustand<br />

und der eigenen körperlichen Fitness –<br />

gedrosselt werden.<br />

Klaus Radtke lebt seit über 40 Jahren<br />

regelmäßig für mehrere Monate<br />

zusammen mit seiner Frau Raili in<br />

einer urgemütlichen Hütte nur wenige<br />

Kilometer von Kuusamo entfernt und<br />

kennt natürlich die sehenswerten<br />

Motive Nordfinnlands. Zu seinen<br />

besonderen Begabungen gehört,<br />

zur richtigen Zeit am richtigen Ort<br />

zu sein, selbst kleinste Motive im<br />

Schnee zu entdecken und auch erste<br />

Anzeichen von Nordlichtern frühzeitig<br />

erkennen zu können.<br />

Klaus Radtke veranstaltet seit über<br />

zwanzig Jahren erfolgreich Fotoreisen<br />

nach Nordfinnland, mit der Garantie<br />

für aussergewöhnliche Motive.<br />

• Zwischen –30 und –40 °C wird es richtig<br />

ungemütlich, insbesondere dann,<br />

wenn ein eisiger Wind den Körper zusätzlich<br />

auskühlt. Jetzt wird das Atmen<br />

weiter erschwert, und bereits kleinste<br />

Anstrengungen können gefährlich werden,<br />

wenn man dabei auch noch tief<br />

durchatmen muss. Es schmerzt in der<br />

Lunge, wenn die eiskalte Luft zu tief in<br />

die Lungenflügel gesogen wird.<br />

Erlaubt ist alles, was warm hält<br />

Unabhängig von der Marke und Ihren persönlichen<br />

Vorlieben können Sie für warme<br />

Bekleidung sehr viel Geld ausgeben, ohne<br />

wirklich sicher zu sein, das Richtige gekauft<br />

zu haben. Ob die teure Markenjacke wirklich<br />

winddicht ist und die Hightechstiefel<br />

23


AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 300 mm<br />

Belichtung 1/250 s<br />

Blende<br />

f/5,6<br />

ISO 100<br />

Hauptsache, die Kleidung hält warm und schützt vor Feuchtigkeit.<br />

tatsächlich bis –20 °C warm halten, merkt<br />

man leider erst in der Kälte. Vorab hilft bei<br />

der Wahl der Bekleidung und Ausrüstung<br />

unter Umständen die Beurteilung anderer<br />

Outdoorfans oder -fotografen z. B. in den<br />

Internetforen oder auch auf der Website<br />

bzw. im Onlineshop des Herstellers. Vielleicht<br />

hat ja auch schon jemand seine Meinung<br />

getwittert oder auf einer der sozialen<br />

Plattformen hinterlassen.<br />

Doch Vorsicht! Wenn ein Artikel auffallend<br />

oft und übertrieben hoch gelobt wird: Es<br />

könnte auch eine positiv manipulierte Herstellermeinung<br />

zu lesen sein, der man eher<br />

skeptisch gegenüberstehen sollte.<br />

Natürlich helfen auch Testergebnisse in<br />

den entsprechenden Fachpublikationen. In<br />

den letzten Jahren haben die Hersteller bekannter<br />

Outdoorartikel eine schier unübersichtliche<br />

Auswahl an Jacken , Hosen und<br />

Stiefeln in ihr Sortiment aufgenommen, und<br />

man kommt um eine persönliche Beratung<br />

einfach nicht herum. Informieren Sie sich<br />

trotzdem vorher genau über die Produkte,<br />

die Sie kaufen bzw. anschauen möchten,<br />

und stellen Sie gezielte Fragen an den Verkäufer,<br />

um seine Fachkenntnis besser einschätzen<br />

zu können.<br />

Wollmütze, Fellmütze, Sturmhaube<br />

Fangen wir also mit der Bekleidungsberatung<br />

am besten da an, wo der Körper die<br />

meiste Wärme an die Umgebung abgibt<br />

und folglich sehr schnell auskühlen kann:<br />

ganz oben am Kopf. Die notwendige Mütze<br />

sollte rundherum geschlossen sein und über<br />

zusätzliche Klettverschlüsse oder Schnürbändchen<br />

verfügen. Hier empfehle ich den<br />

Typ „winddichte Kappe mit Ohrenklappen<br />

und Schnürzug“, z. B. aus 100 % Polyester,<br />

mit Polyurethan-Membran, die den Kopf<br />

rundherum gut schützt, wenn der eisige<br />

Wind einem um die Ohren pfeift.<br />

24


Zusätzlich habe ich mir für normale finnische<br />

Temperaturen, also um die –10 bis<br />

–15 °C, eine original finnische Wollmütze<br />

vor Ort gekauft. Als störend erwies sich in<br />

der Praxis jedoch der Blendschutz, also das<br />

„Vordach“, da man die Mütze zum Fotografieren<br />

nach oben schieben muss, um mit<br />

dem Auge das gesamte Sucherbild überblicken<br />

zu können. Von Vorteil ist dieser<br />

Blendschutz jedoch immer dann, wenn man<br />

über längere Zeit im Freien wandert und einem<br />

die Sonne frontal ins Gesicht scheint.<br />

Auch echte Fellmützen mit seitlichen Ohrenklappen<br />

sind nach meiner Erfahrung<br />

angenehm warm und schützen sehr effektiv<br />

gegen Kälte und den rauen Wind. Leider<br />

sind diese Mützen nicht jedermanns Sache,<br />

wie ich am eigenen Leibe erfahren durfte.<br />

Auf einer meiner ersten Finnlandreisen<br />

habe ich die wenige Tage zuvor erworbene<br />

Fellmütze direkt in Kuusamo beim dortigen<br />

Wintersportausrüster umgetauscht gegen<br />

eine echte Finnenmütze ohne Fell. Warum?<br />

Die feinen Fellhärchen, die unablässig<br />

auf meiner Gesichtshaut kitzelten, hätten<br />

mich auf Dauer vermutlich an den Rand des<br />

Wahnsinns gebracht.<br />

Falls Sie vor Ort eine Tour mit einem Skidoo,<br />

also einem Motorschlitten, unternehmen<br />

möchten, sollten Sie beim Packen des<br />

Koffers zusätzlich noch eine dünne Sturmhaube<br />

für den hierfür benötigten Motorradhelm<br />

einplanen, der beim Skidoo-Verleih<br />

mit angemietet wird. Die Haube schützt<br />

zwar nicht vor dem eisigen Fahrtwind, sorgt<br />

aber für die nötige Hygiene und muss, falls<br />

nicht vorhanden, dort für viel Geld gekauft<br />

werden.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 135 mm<br />

Belichtung 1/5 s<br />

Blende<br />

f/10,0<br />

ISO 200<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 55 mm<br />

Belichtung 1/80 s<br />

Blende<br />

f/4,2<br />

ISO 100<br />

Oben: Ideal ist die geschlossene Mütze mit<br />

Gesichtsschutz.<br />

Unten: Original finnische Wollmütze mit Ohrenklappen.<br />

25


Nützliches, aber lautes<br />

Spaßmobil: der Skidoo.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 17 mm<br />

Belichtung 1/1000 s<br />

Blende<br />

f/5,3<br />

ISO 400<br />

Für extrem eisige Temperaturen von unter<br />

–35 °C und sehr kalte Winde habe ich zur<br />

Sicherheit noch eine zusätzliche dickere<br />

Sturmhaube mit Nasenschutz aus 70 %<br />

Merinowolle und 30 % Polyamid im Gepäck.<br />

Sie beugt schmerzhaften Erfrierungen im<br />

Gesicht vor und schützt über einen langen<br />

Zeitraum sehr effektiv. Die Haube lässt sich<br />

zusätzlich noch mit einer klassischen Wintermütze<br />

ohne Ohrenklappen kombinieren<br />

und hat sich in der eisigen Kälte des finnischen<br />

Winters sehr bewährt. Außerdem<br />

hat sie noch einen weiteren angenehmen<br />

Nebeneffekt: Die kalte Außenluft wird beim<br />

26


KAPITEL 1<br />

ADRENALINSCHUB<br />

AM POLARKREIS<br />

Einatmen durch die Nase oder den Mund<br />

etwas angewärmt und erleichtert somit<br />

das Luftholen. Und einen Schal brauchen<br />

Sie auch nicht zusätzlich mitzunehmen.<br />

Cremen Sie Ihre Haut mit einer fetthaltigen<br />

Creme zusätzlich gut ein, denn sie wird bei<br />

der Kälte sehr in Anspruch genommen.<br />

AUSFLÜGE<br />

MIT DEM SKIDOO<br />

Übrigens – Ausflüge mit dem<br />

Skidoo sind nicht nur spaßig,<br />

sondern oftmals auch notwendig,<br />

wenn Sie z. B. den 470 m<br />

hohen Gipfel des Bergs IIvaara<br />

bequem mit schwerem Gepäck<br />

bezwingen wollen, um ihn<br />

dann in aller Ruhe fotografisch<br />

abwandern zu können. Naturliebhaber<br />

hingegen sollten<br />

die Finger von den schnellen<br />

Schneemotorrädern mit Walzenantrieb<br />

lassen: Sie sind laut,<br />

stören die landschaftliche Idylle<br />

und verpesten mit ihren Abgasen<br />

die klare finnische Luft.<br />

Leider sieht man das subjektiv<br />

ganz anders, wenn man selbst<br />

im Sattel sitzt und am Gasgriff<br />

dreht.<br />

Zwiebelkleidung unter der Winterjacke<br />

Unter der warmen, atmungsaktiven Winterjacke<br />

sollten Sie vorzugsweise Zwiebelkleidung,<br />

also ein bis zwei dünne Kleidungsstücke<br />

z. B. aus Fleece oder einem<br />

ähnlichen Material tragen. Jede zusätzliche<br />

Luft- bzw. Kleidungsschicht isoliert nämlich<br />

hervorragend und hält somit schön warm.<br />

Unter der Thermohose, mit Hosenträgern<br />

und praktischen Seitentaschen mit Klettverschlüssen,<br />

trage ich eng anliegende, lange<br />

Thermounterwäsche. Die Socken sollten<br />

unbedingt aus einem atmungsaktiven Material<br />

sein und nicht im Schuh verrutschen,<br />

sonst droht Gefahr von schmerzhafter<br />

Blasenbildung an den Füßen. Ein einzelnes<br />

Paar Socken hat sich nach meiner Erfahrung<br />

als ideal herausgestellt, damit die Luft<br />

im Stiefel ausreichend Volumen hat und<br />

zirkulieren kann. Je weniger Luft zwischen<br />

Socke und Schuh verbleibt, desto schlechter<br />

ist die schützende Isolierung gegen die<br />

Kälte. Und – sind die Füße erst unterkühlt,<br />

friert man schnell am ganzen Körper und<br />

kann im Wortsinn einpacken.<br />

Wasserdichte Winterstiefel<br />

Nachdem ich bei einem namenhaften deutschen<br />

Outdoorausstatter meine ersten<br />

Winterschuhe gekauft hatte, merkte ich<br />

leider erst vor Ort, also in Finnland, dass der<br />

Stiefelschaft viel zu niedrig war und schon<br />

bei Schneehöhen ab 15 cm der Schnee in die<br />

Schuhe fiel, dort schmolz und dann schnell<br />

für kalte Füße sorgte. Leider hatte mich der<br />

freundliche Verkäufer auf diese Problematik<br />

nicht aufmerksam gemacht. Also beschaffte<br />

ich mir kurzerhand bei einem Wintersportausstatter<br />

in Kuusamo hohe Winterstiefel<br />

mit einer speziell gummierten und wasserundurchlässigen<br />

Sohle. Bei Langzeitaufnahmen<br />

im vom Schmelzwasser durchtränkten<br />

Schnee hatten sich diese Stiefel bereits<br />

27


Sie können natürlich auch mit den Schneeschuhen<br />

zum Motiv wandern und diese vor<br />

Ort ausziehen, um eindrucksvolle Aufnahmen<br />

zu machen. Mir persönlich war diese<br />

schuhgebundene Alternative jedoch zu hinderlich<br />

und schränkte meinen Bewegungsdrang<br />

ein.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 100 mm<br />

Belichtung 4,0 s<br />

Blende<br />

f/4,0<br />

ISO 400<br />

Analoge Aufnahme<br />

einer Eis-Licht-<br />

Installation auf dem<br />

Kuusamo-See.<br />

beim ersten Einsatz sofort bezahlt gemacht:<br />

Selbst nach vielen Stunden bekam ich weder<br />

kalte noch nasse Füße und konnte deutlich<br />

länger fotografieren als so mancher Teilnehmer<br />

meiner Reisegruppe, deren Schuhwerk<br />

feucht und kältedurchlässig wurde. Fotografisch<br />

belohnt wurde ich außerdem mit eindrucksvollen<br />

Motiven einer wunderschönen,<br />

von der Fotogruppe selbst entworfenen und<br />

gestalteten Eis-Licht-Installation auf dem<br />

Kuusamo-See.<br />

Schneeschuhe? – Nein danke!<br />

Oftmals liegt der Schnee in Nordfinnland<br />

an ungeschützten Stellen bis zu einem Meter<br />

hoch, und das Heranpirschen an lohnende<br />

Motive gestaltet sich als sehr schwierig<br />

und kraftraubend. Hier helfen Schneeschuhe,<br />

die es in Finnland fast überall zu leihen<br />

oder auch zu kaufen gibt, wirklich spürbar<br />

weiter. Man kommt sehr zügig und ohne<br />

große Kraftanstrengung voran und versinkt<br />

außerdem nicht im lockeren Pulverschnee.<br />

Nachteil: Die Schuhe sind groß, unhandlich<br />

und behindern den Fotografen besonders<br />

beim Hocken oder Hinlegen auf Bauch oder<br />

Rücken. Und gerade diese Perspektiven<br />

zählen zu meinen fotografischen Vorlieben.<br />

Ergo: Verzicht auf die hilfreichen Schuhe,<br />

Inkaufnahme von erhöhter Anstrengung,<br />

aber Garantie für außergewöhnliche Perspektiven<br />

und eindrucksvolle Aufnahmen.<br />

Und das wollen wir Fotografen doch, oder?!<br />

28


KAPITEL 1<br />

ADRENALINSCHUB<br />

AM POLARKREIS<br />

Gamaschen? – Ja bitte!<br />

Und sind die Stiefel noch so hoch und die<br />

Schneehose noch so fest zugebunden: Der<br />

Schnee bahnt sich immer irgendwie einen<br />

Weg ins Innere der Schuhe, schmilzt dort<br />

und sorgt schnell für kalte, nasse Füße. Abhilfe<br />

schafft das Tragen einer Nylongamasche<br />

mit Nässeschutz. Der lange, flexible<br />

Schaft schützt ideal vor Feuchtigkeit und<br />

Pulverschnee. Gummizüge am unteren Abschluss<br />

und über dem Knöchelbereich optimieren<br />

die Passform. In Wadenhöhe lässt<br />

sich die Gamasche mit einem Kordelstopper<br />

in der Weite regulieren und fixieren.<br />

... wozu Schneeschuhe?<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 10 mm<br />

Belichtung 4,5 s<br />

Blende<br />

f/6,3<br />

ISO 400<br />

29


Mit etwas Übung lässt<br />

sich die DSLR-Kamera<br />

auch mit Fausthandschuhen<br />

bedienen.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 50 mm<br />

Belichtung 1/50 s<br />

Blende<br />

f/3,5<br />

ISO 100<br />

Ein Riemen hält sie vor dem Absatz, und<br />

ein Metallhaken fixiert sie am Schuh. Fertig<br />

ist der perfekte Schutz. Hinweis: Der Kordelstopper<br />

kann aufgrund zu starker Beanspruchung<br />

schnell reißen. Ein Paar Ersatzkordeln<br />

und Stopper gehören unbedingt ins<br />

Reisegepäck des Finnlandfotografen.<br />

Fingerhandschuh oder Fäustling?<br />

Prima. Jetzt sind Sie schon fast komplett<br />

wintertauglich eingekleidet. Nun fehlen nur<br />

noch die Schuhe für die Hände. Wirklich<br />

nicht ganz einfach, eine richtige Wahl zu<br />

treffen: Fingerhandschuh oder Fäustling ?<br />

Leder oder Goretex ? Dick oder doch lieber<br />

dünn, um die Tasten und Drehrädchen der<br />

Kamera sicher bedienen zu können? Leider<br />

gibt es nach meiner Erfahrung nicht den Allrounder<br />

unter den Handschuhen. Fäustlinge,<br />

entweder aus Leder mit Fellbesatz oder<br />

synthetisch aus Goretex-Materiel, schützen<br />

die Hände am wirkungsvollsten gegen die<br />

Kälte, da die Finger dicht beieinanderliegen<br />

und sich gegenseitig wärmen. Zudem ist<br />

die Luftangriffsfläche kleiner als bei Fingerhandschuhen.<br />

Jedoch sind die Bewegungen<br />

der Finger und der Tastsinn sehr eingeschränkt.<br />

Das Betätigen des Zweistufenauslösers<br />

funktioniert bei der DSLR-Kamera<br />

recht gut. Kleinere Tasten und Rädchen an<br />

der Kamera bzw. am Blitzgerät sind jedoch<br />

schlicht und einfach nicht bedienbar.<br />

Eine große Rolle spielt natürlich die Ergonomie<br />

der Kamera oder des verwendeten<br />

Zubehörs. Kameras und Blitzgeräte, die<br />

für wichtige Menüfunktionen ein großes<br />

Einstellrad auf der Rückseite mit einer klar<br />

definierten OK-Taste in der Mitte haben,<br />

lassen sich sehr gut bedienen. Kleine Navigationstasten<br />

und Einstellrädchen hingegen<br />

können mit Fausthandschuhen nicht<br />

oder nur schwer bedient bzw. angesteuert<br />

werden.<br />

Und der Fingerhandschuh? Dünne Fingerhandschuhe<br />

erlauben zwar das uneingeschränkte<br />

Bedienen der Kameratasten und<br />

-rädchen, sorgen aber im Umkehrschluss<br />

sehr schnell für kalte und steife Finger. Sind<br />

die Fingerhandschuhe etwas dicker gefüttert,<br />

wärmen sie zwar besser, erschweren<br />

aber die sichere Bedienung der wichtigsten<br />

Kamerafunktionen.<br />

Ich habe mir aus diesem Grund einen speziellen<br />

Fingerhandschuh für Fotografen zugelegt<br />

und war sehr zufrieden mit dieser<br />

Lösung. Dieser Handschuh verfügt über einen<br />

klappbaren Fingerschutz, der mit Klett<br />

am Handschuhrücken fixiert werden kann<br />

und dann nur die Fingerspitzen ungeschützt<br />

freigibt. Wenn alle Einstellungen am Gerät<br />

vorgenommen worden sind, klappt man<br />

einfach den Schutz wieder herunter, und<br />

die Finger sind warm verpackt. Tolle Sache!<br />

Warum bin ich eigentlich nicht selbst auf<br />

diese Idee gekommen?<br />

Alternativ können Sie Ihre Kamera auch mit<br />

etwas dünneren, gefütterten Goretex-Fäustlingen<br />

recht gut bedienen. Bei sich abzeichnender<br />

Erfrierung der Gliedmaßen habe ich<br />

30


KAPITEL 1<br />

ADRENALINSCHUB<br />

AM POLARKREIS<br />

selbstheizende Gelpads in die geräumigen<br />

Handschuhe gesteckt, die schnell für angenehme<br />

Wärme sorgten. Ich habe mit den<br />

in vielen Größen erhältlichen Gelpads insgesamt<br />

sehr gute Erfahrungen im harten<br />

Außeneinsatz sammeln können. Vorher im<br />

kochenden Wasser mit Energie aufgeladen,<br />

entfalten sie nach einem kurzen Druck auf<br />

ein im Gelpad befindliches Metallplättchen<br />

ca. 50 °C wohlige Wärme für ca. 30 Minuten.<br />

So bekommen Sie kalte Hände, Füße, Batterien<br />

oder Geräte schnell wieder funktionsfähig.<br />

SKIBRILLE UND<br />

SONNENCREME<br />

Vergessen Sie auf keinen Fall, Ihre<br />

Sonnen- oder Skibrille einzupacken<br />

sowie die Sonnencreme mit hohem<br />

Lichtschutzfaktor (30) , um sich und<br />

Ihre Netzhaut wirksam gegen die<br />

schädliche UV-Strahlung der Sonne<br />

zu schützen. Wintersportler kennen<br />

das Problem der starken Reflexionen,<br />

die vom Schnee oder Eis zusätzlich<br />

auf Haut und Augen gelenkt werden.<br />

Gesicht und Hände leiden aber auch<br />

unter der Kälte und werden rot und<br />

häufig spröde. Meine Finger begannen<br />

an den Fingerkuppen schmerzhaft<br />

aufzureißen und schränkten die<br />

Bedienung von Kamera und Zubehör<br />

erheblich ein. Mit einer guten Handund<br />

Gesichtscreme kann man hier<br />

vorbeugen und schnell für schmerzlindernde<br />

Heilung sorgen. Wenn es so<br />

richtig weh tut, reibe ich meine verletzten<br />

Hände vor dem Schlafengehen<br />

zusätzlich dick mit Handcreme ein<br />

und ziehe dünne Baumwollhandschuhe<br />

an. Am nächsten Morgen sehen die<br />

Hände spürbar besser aus.<br />

Grenzen von Mensch und<br />

Material<br />

Der fotografische Erfolg einer Reise ist neben<br />

einer gut recherchierten Ausarbeitung<br />

der Route in erster Linie abhängig von der<br />

richtigen Ausrüstung und Bekleidung, damit<br />

der entscheidende Moment vor der Kamera<br />

aufgrund eines witterungsbedingten<br />

Totalausfalls von Mensch oder Gerät nicht<br />

zum fotografischen Desaster wird. Doch<br />

lenken wir unser Augenmerk in der Vorplanung<br />

zunächst auf den mobilen Untersatz.<br />

Die Fahrtstrecke von Deutschland nach<br />

Finnland mit dem Kleinbus bzw. Auto ist<br />

durchaus sehr reizvoll und bietet unterwegs<br />

viele Gelegenheiten zum Anhalten und Fotografieren.<br />

Im Folgenden möchte ich Ihnen<br />

ein paar Tipps für die richtige Wahl des<br />

Fahrzeugs geben.<br />

Auf den mobilen Untersatz kommt es an<br />

Oftmals wird bei der Autoreservierung<br />

nicht berücksichtigt, dass die Heizleistung<br />

der hochgezüchteten, modernen Dieselmotoren<br />

bereits bei –10 °C Außentemperatur<br />

fühlbar nachlässt und diese deshalb<br />

für die kalten finnischen Winter nach meinen<br />

Erfahrungen absolut ungeeignet sind.<br />

Nichts ist schlimmer, als über eine Distanz<br />

von rund 1.000 km bei Außentemperaturen<br />

von –20 °C und niedriger im Auto frieren<br />

zu müssen und den Beifahrer zu bitten,<br />

die Frontscheibe von innen eisfrei zu halten.<br />

So geschehen und hautnah erlebt auf<br />

der Fahrt von Turku im Süden Finnlands<br />

zu unserem Reiseziel nach Kuusamo in<br />

Lappland im sehr kalten finnischen Winter<br />

2007. Und der deutsche Vermieter unseres<br />

Leihwagens hat uns bei der Buchung<br />

mehrfach versichert, dass der Kleinbus sogar<br />

mit einer Zusatzheizung für den Fahrgastraum<br />

ausgestattet ist und somit keine<br />

31


Probleme bei extremen Minustemperaturen<br />

auftreten werden. Vielleicht hätte ich<br />

mir den Begriff „extrem“ näher definieren<br />

lassen sollen.<br />

Spontane Notmaßnahmen am Fahrzeug<br />

Nachdem wir es vor Kälte im Fahrzeug nicht<br />

mehr aushielten, beschlossen wir, das Problem<br />

spontan mit folgenden Notmaßnahmen<br />

am Fahrzeug zumindest einigermaßen<br />

in den Griff zu bekommen. Zunächst dichteten<br />

wir die offenen Bereiche des Kühlergrills<br />

von außen mit fester Pappe ab, damit<br />

die kalte Außenluft den Kühlwasserkreislauf<br />

und somit die Heizungsanlage des Motors<br />

nicht zu stark absenkt. Doch Vorsicht:<br />

Beim Fahren im Stadtverkehr oder bei längeren<br />

Standzeiten könnte der Motor unter<br />

Umständen zu heiß werden. In diesem Fall<br />

sollten Sie unbedingt die Thermostatanzeige<br />

für das Kühlwasser im Auge behalten,<br />

um eine Überhitzung des Motors zu vermeiden.<br />

Um den sehr kalten hinteren Bereich in unserem<br />

Kleinbus zusätzlich mit warmer Heizungsluft<br />

zu versorgen, hatte ich aus einem<br />

finnischen Baumarkt einfach ein flexibles<br />

Drainagerohr beschafft. Dieses wurde mit<br />

viel Klebeband direkt an dem im vorderen<br />

Fußraum befindlichen Luftaustritt der<br />

Frontheizung befestigt. Zwar wurde nach<br />

diesem Eingriff im Frontbereich der Fußraum<br />

nicht mehr so stark beheizt wie vorher,<br />

aber dafür bekamen die frierenden Personen<br />

im hinteren Bereich des Busses nun<br />

ein bisschen Wärme für die kalten Füße. In<br />

der Not muss man eben teilen können und<br />

zusammenhalten.<br />

Oben: Zugefrorene Scheiben im Auto sind kein<br />

Spaß.<br />

Unten: Der Kühlergrill wird abgenommen, um ihn<br />

mit Pappe abzudichten.<br />

32


KAPITEL 1<br />

ADRENALINSCHUB<br />

AM POLARKREIS<br />

NUR FLIEGEN IST SCHÖNER<br />

Wenn man von den deutlich höheren<br />

Kosten absieht, empfehle ich, zum<br />

Beispiel mit einem Finnair-Flug von<br />

Deutschland aus bis nach Helsinki<br />

zu fliegen und dann vor Ort auf ein<br />

entsprechend wintertaugliches,<br />

finnisches Leihfahrzeug umzusteigen.<br />

Erkundigen Sie sich am besten<br />

im Vorfeld in Deutschland, ob und<br />

wo bezahlbare Leihfahrzeuge zu<br />

bekommen sind, und reservieren Sie<br />

das Fahrzeug, wenn möglich, direkt.<br />

Leider verstehen und sprechen nicht<br />

alle Finnen Englisch bzw. Deutsch,<br />

sodass eine Reservierung in Finnland<br />

ohne ausreichende Sprachkenntnisse<br />

kompliziert werden kann.<br />

Fahrzeuge mit einer separat angesteuerten<br />

und gespeisten Standheizung sind im finnischen<br />

Winter sehr empfehlenswert, da<br />

nicht nur während der Fahrt, sondern auch<br />

in den besonders kalten Nachtstunden der<br />

Innenraum auf angenehmen Temperaturen<br />

gehalten wird und die Scheiben nicht vereisen<br />

können. Wenn das Außenthermometer<br />

in Finnland auf –30 °C und tiefer fällt, sollten<br />

Sie den Motor außerdem Tag und Nacht im<br />

Standgas laufen lassen, auch wenn das gegen<br />

Ihr ökologisches Grundverständnis verstößt.<br />

Im schlimmsten Fall springt der völlig<br />

ausgekühlte Motor einfach nicht mehr an.<br />

Der vor Ort getankte finnische Winterdiesel<br />

bereitete uns selbst bei Temperaturen<br />

unter –30 °C keine ernsthaften Probleme.<br />

In Finnland sind außerdem viele Parkplätze,<br />

wie in den skandinavischen Ländern allgemein<br />

üblich, mit einer separaten Stromversorgung<br />

für die elektrische Kühlwasserheizung<br />

ausgestattet. Die Steckdose hierfür<br />

befindet sich direkt am Fahrzeug, meistens<br />

in unmittelbarer Nähe der Frontstoßstange.<br />

Einen weiteren Zugewinn an Sicherheit und<br />

Geschwindigkeit auf den schneebedeckten<br />

Straßen bieten letztendlich die in Finnland<br />

üblichen – und bei uns nicht zugelassenen<br />

– Spikesreifen, die einen sehr guten Grip<br />

haben. In Finnland wird umweltschonend<br />

auf Salz verzichtet, und die Straßen werden<br />

lediglich frei geschoben und bei Bedarf zusätzlich<br />

mit Granulat abgestreut.<br />

Vorsicht bei Fototouren um –35 °C<br />

Ich erinnere mich an einen Moment bei finnischer<br />

Extremkälte noch ganz genau: Bei<br />

–35 °C und schönstem Sonnenschein wollte<br />

ich die Auftragsarbeiten für zwei bekannte<br />

Hersteller von Kameras und Taschen<br />

fotografieren und war mit viel Gepäck auf<br />

Motivsuche. Nach mehr als zwei Stunden<br />

anstrengenden Marschs im Tiefschnee ,<br />

natürlich ohne Schneeschuhe, sah ich in<br />

weiter Ferne endlich das geeignete Motiv.<br />

Die Sonne stand schon recht tief und würde<br />

in wenigen Augenblicken am Horizont verschwunden<br />

sein. Also nahm ich die Beine in<br />

die Hand und rannte los, um noch rechtzeitig<br />

bei meinem Motiv sein zu können. Kurze<br />

Zeit später verlor ich fast das Bewusstsein,<br />

weil ich zu schnell zu viel kalte Luft in meine<br />

Lungen gesogen hatte und mein Kreislauf<br />

streikte. Gehen Sie also in solchen Situationen<br />

ganz sachte auf Motivsuche und planen<br />

Sie deutlich mehr Zeit für notwendige<br />

Ruhepausen ein. Noch besser ist es jedoch,<br />

mit einer weiteren Person durch die Wälder<br />

Finnlands zu streifen, falls sich eine Notsituation<br />

ereignet. Wir haben der Gruppe aus<br />

Sicherheitsgründen immer unsere geplante<br />

Tour und die voraussichtliche Rückkehr zur<br />

Hütte mitgeteilt. Vorbeugen ist besser. Und<br />

33


noch ein Hinweis in eigener Sache: Spielen<br />

Sie nicht den Helden. Selbstüberschätzung<br />

kann nicht absehbare Folgen haben.<br />

Energiereserven für den Körper<br />

Wenn viel Gepäck über weite Distanzen<br />

durch den tiefen Schnee transportiert werden<br />

muss, wird in den Muskeln unseres<br />

Körpers natürlich auch viel Energie verbrannt.<br />

Auch die extreme Kälte macht unserem<br />

Körper zu schaffen und verbraucht<br />

zusätzliche Energiereserven . Also sollten<br />

wir unseren Brennstoffvorrat im Gleichgewicht<br />

halten und die nötige Energie zum<br />

Verbrennen in ausreichender Menge nachliefern.<br />

Anfangs hatte ich mir noch belegte<br />

Brote, Bananen und Äpfel in den Rucksack<br />

gepackt. Doch der Verzehr in der Kälte erwies<br />

sich als schwierig und unvorteilhaft.<br />

Haben Sie schon mal in ein angefrorenes<br />

Brot oder eine eiskalte Banane gebissen?<br />

Geht gar nicht!<br />

Also suchte ich nach einer Alternative und<br />

deckte mich mit Energieriegeln ein. Sie sind<br />

fast überall zu bekommen, insbesondere<br />

in Apotheken, Reformhäusern und – natürlich<br />

– in Outdoorshops. Wenn man sich<br />

vom hohen Preis der Powerriegel nicht abschrecken<br />

lässt und sich außerdem an den<br />

exotischen Geschmack gewöhnt hat, wird<br />

der Körper recht schnell und umfassend<br />

mit allen wichtigen Nährstoffen und Kalorien<br />

versorgt. Mit zwei bis drei Riegeln<br />

kann man einen Nachmittag in der Kälte<br />

ohne knurrenden Magen überbrücken. Und<br />

im Notfall kann diese Nahrungsquelle sogar<br />

überlebenswichtig sein. Vergessen Sie<br />

nicht, ausreichend Flüssigkeit, am besten<br />

ungesüßten Früchtetee, in den Rucksack zu<br />

packen. Auf isotonische Powerdrinks habe<br />

ich verzichtet, weil mir die Getränke einfach<br />

zu kalt waren.<br />

KLARTEXT IN SACHEN<br />

GARANTIELEISTUNG<br />

Achtung! Sollte Ihre Kamera oder Ihr<br />

Objektiv bedingt durch extrem hohe<br />

oder niedrige Temperaturen ausfallen<br />

oder beschädigt werden, erlischt die<br />

Garantieleistung des Herstellers, und<br />

Sie müssen die entstehenden Reparaturkosten<br />

selbst tragen.<br />

Kameras und der Kältefaktor<br />

Wenn man in die technischen Datenblätter<br />

einiger Amateur-, Semiprofi- und Profikameras<br />

aus dem Spiegelreflexlager verschiedener<br />

Hersteller blickt, wird in der Regel der<br />

Betrieb bei Umgebungstemperaturen von<br />

0 bis +40 °C empfohlen. Überrascht? Den<br />

Angaben zufolge dürften wir keine aktuelle<br />

DSLR-Kamera aus der Kameratasche holen<br />

und im Freien einsetzen, wenn wir auch<br />

nur von einem Hauch von Raureif und Kälte<br />

umgeben sind. Tatsächlich sind die Kameras<br />

viel stärker belastbar, als es die Kamerahersteller<br />

angeben. Der Grund für die eher<br />

zurückhaltenden Angaben: Die Hersteller<br />

sichern sich bezüglich des empfohlenen<br />

Temperaturbereichs in den Datenblättern<br />

gegen eventuelle Regressansprüche bei<br />

Ausfall oder Beschädigung der Kamera ab.<br />

Besser die Analoge mitnehmen?<br />

Damit stellt sich die Frage, ob man doch<br />

besser noch die Analoge nehmen sollte. Zu<br />

analogen Zeiten waren die Kamerahersteller<br />

in technischer Hinsicht nicht so ängstlich:<br />

Nikon setzte seine Profikameras, z. B.<br />

34


KAPITEL 1<br />

ADRENALINSCHUB<br />

AM POLARKREIS<br />

die F3 und die F4, in speziellen Klimakammern<br />

stundenlang großer Kälte und Hitze<br />

aus und warb bei der legendären Nikon<br />

FM-2 sogar damit, dass sie extremen Temperaturen<br />

zuverlässig standhalten würde. In<br />

den Kameraprospekten konnte der Leser die<br />

durchgeführten Laborhärtetests auf diversen<br />

Abbildungen bestaunen. Schon damals<br />

war bekannt, dass in extremen Temperaturbereichen<br />

nicht die Kamera, sondern primär<br />

der Film das schwache Glied in der Kette<br />

war. Probleme gab es, wenn dieser z. B. bei<br />

Hitze mit rötlichem Farbstich reagierte oder<br />

bei extrem tiefen Temperaturen während<br />

des Transport- oder Rückspulvorgangs riss<br />

und bei hoher Luftfeuchtigkeit in der Patrone<br />

zusammenklebte.<br />

Die Kamerabatterie wurde vor der Einführung<br />

von DSLR-Kameras mit eingebautem<br />

Motor und Autofokusfunktion nur für den<br />

Betrieb des Belichtungsmessers bzw. für die<br />

Belichtungsautomatik benötigt. Sie durfte<br />

bei Kälte durchaus etwas schwächeln, da<br />

sich die Kameraverschlüsse oftmals mechanisch,<br />

also ohne Strom, auslösen ließen. Mit<br />

anderen Worten, der Fotograf bekam sein<br />

Motiv immer irgendwie in den Kasten. Doch<br />

machen wir uns nichts vor: Natürlich kann<br />

man ohne funktionierenden Belichtungsmesser<br />

einen Negativfilm aufgrund seines<br />

großen Belichtungsspielraums nach Gefühl<br />

belichten. Aber spätestens beim Diafilm<br />

sind die Grenzen der exakten Belichtung<br />

sehr schnell überschritten und die Aufnahmen<br />

leider nicht mehr für die Präsentation<br />

oder den Papierprint zu gebrauchen.<br />

Wenn man die Foren diverser Internetseiten<br />

durchstöbert, liest man Empfehlungen<br />

von Fotografen, die für extreme Bereiche<br />

lieber das analoge Modell mit Film empfehlen,<br />

um temperaturbedingten Pannen<br />

vorzubeugen. Ich teile diese Meinung jedoch<br />

nur, wenn keine Möglichkeit besteht,<br />

die Kameraakkus vor Ort aufzuladen oder<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 65 mm<br />

Belichtung 1/320 s<br />

Blende<br />

f/5,3<br />

ISO 400<br />

Viele digitale Spiegelreflexkameras<br />

vertragen<br />

mehr, als man<br />

vermutet.<br />

35


Aufgenommen bei<br />

eisigen Temperaturen<br />

auf dem Berg Ruka<br />

mit der analogen<br />

Nikon F-801.<br />

kameraseitig auf handelsübliche AA-Batterien<br />

umsteigen zu können. Mittlerweile gibt<br />

es hier aber von verschiedenen Outdooranbietern<br />

und im Fotozubehörbereich sehr<br />

praktikable Lösungen für die netzunabhängige<br />

Stromversorgung auf Reisen.<br />

Mit UV-Filter als Frontlinsenschutz<br />

Ein optisch hochwertiger UV-Filter sollte<br />

sich immer als Frontlinsenschutz vor dem<br />

Objektiv befinden, um Kratzer oder Flecken<br />

durch äußere Einflüsse zu verhindern.<br />

Das war schon zu analogen Zeiten der Fall.<br />

Achten Sie darauf, dass sich zwischen Filter<br />

und Objektiv keine Feuchtigkeit oder Ablagerungen<br />

befinden, um die optische Qualität<br />

des Systems nicht zu verschlechtern.<br />

Reinigen Sie den Filter in regelmäßigen Abständen<br />

oder bei Bedarf und lassen Sie ihn<br />

immer vor dem Objektiv.<br />

Bei extremen Weitwinkelobjektiven kann<br />

es aufgrund des größeren Bildwinkels zu<br />

Vignettierungen (Randabschattungen)<br />

kommen, wenn der Rand des verwendeten<br />

Filters zu hoch ist. Hier empfehle ich,<br />

die deutlich dünneren Slimline-Filter zu<br />

verwenden, die selbst bei aufgesetzter Gegenlichtblende<br />

keine Randabschattungen<br />

verursachen. Gegenlichtblenden, leider<br />

nicht immer im Lieferumfang des Objektivs<br />

enthalten, dienen nicht nur der Reduzierung<br />

von Seitenlichteinfall und damit der<br />

Verbesserung des Kontrasts insgesamt,<br />

sondern schützen das Objektiv darüber hinaus<br />

gegen frontal eintreffende Stöße und<br />

Schläge. Bei extrem tiefen Temperaturen<br />

wird der Kunststoff jedoch spröde und kann<br />

aufgrund nachlassender Flexibilität brechen<br />

oder Risse bekommen.<br />

36


KAPITEL 1<br />

ADRENALINSCHUB<br />

AM POLARKREIS<br />

FAZIT ...<br />

Die Widerstandsfähigkeit bei extremer<br />

Kälte ist in der DSLR-Amateurklasse<br />

wie auch in der robusteren<br />

und speziell abgedichteten DSLR-<br />

Profikameraklasse ähnlich hoch.<br />

Mit einfachen Worten ausgedrückt:<br />

Eine Amateurkamera hält genauso<br />

lang durch wie das wesentlich<br />

teurere und robustere Modell aus<br />

der Profiklasse. Selbst die Klasse<br />

der kompakten Digitalkameras und<br />

Bridgekameras ließ sich im finnischen<br />

Winter problemlos einsetzen.<br />

Vorschlag: Nehmen Sie doch einfach<br />

eine Kompakte als Schnappschussoder<br />

Zweitkamera zusätzlich mit ins<br />

Gepäck.<br />

... EIN RESTRISIKO BLEIBT<br />

Aus technischer Sicht kann jedoch<br />

nicht ausgeschlossen werden, dass<br />

sich bei extrem niedrigen Temperaturen<br />

auf den Platinen innerhalb<br />

der Kamera feine Haarrisse bilden<br />

können, die dann früher oder später<br />

zu technischen Problemen führen.<br />

Hier liegen mir weder bei meinen<br />

eigenen eingesetzten Kameras noch<br />

bei den Kameras der Teilnehmer<br />

Ergebnisse bzw. Langzeitstudien<br />

vor. Ein schwer kalkulierbares Restrisiko<br />

bleibt also bestehen, daher<br />

sollten Sie Vorsorge treffen und eine<br />

Ersatzkamera (analog oder digital)<br />

bei sich zu führen.<br />

Kaum Einschränkungen bei Blitzgeräten<br />

Einschränkungen aufgrund extremer Kälte<br />

konnte ich an keinem der eingesetzten Blitzgeräte<br />

unterschiedlicher Hersteller feststellen,<br />

jedoch verlängert sich die Blitzfolgezeit<br />

bei einigen Geräten deutlich, da die Batterien<br />

bzw. Akkus ihre Energie verzögert bereitstellen.<br />

Die LC-Displays, sofern vorhanden, reagieren<br />

erfahrungsgemäß etwas träger und<br />

waren bei einigen Geräten nur noch schwer<br />

abzulesen – unproblematisch bei den Geräten,<br />

die anhand der Schalterstellung die eingestellte<br />

Funktion erkennen lassen, problembehaftet<br />

bei menügesteuerten Blitzen, die<br />

den verwendeten Modus nur erahnen lassen.<br />

Tipp: Stellen Sie das Gerät im warmen Zustand<br />

auf TTL-Funktion und schalten Sie es<br />

dann ab. Sobald das Gerät auf eine kompatible<br />

Kamera gesetzt und eingeschaltet wird,<br />

erfolgt automatisch die Umschaltung in den<br />

TTL-Modus.<br />

Leichte Beeinträchtigung der Stativköpfe<br />

Bei Stativen verhält es sich wie mit den<br />

lichtstarken und schweren Objektiven: Man<br />

nimmt sie ungern mit, aber hätte sie immer<br />

gern dabei. Viele Amateurstative hatten<br />

Probleme mit den verwendeten Fetten in<br />

den Dreiwegeköpfen . Aufgrund der Kälte<br />

verhärteten diese etwas, und die Leichtgängigkeit<br />

in den Drehbewegungen wurde<br />

erheblich eingeschränkt. Gussmetalle, die<br />

manchmal bei den Verriegelungen der Stativbeine<br />

eingesetzt werden, können in der<br />

Kälte porös werden und schon bei geringem<br />

Kraftaufwand einfach abbrechen. Die Drehverschlüsse<br />

meines Profistativklassikers hingegen<br />

überstanden die Kälte über Jahre hinweg<br />

ohne Funktionsbeeinträchtigung oder<br />

Beschädigung.<br />

Um die Hände vor den kalten Metallbeinen<br />

zu schützen, empfehle ich die Verwendung<br />

von Isolierschaumstoff für Heizungsrohre,<br />

37


der einfach um die Metallbeine gestülpt<br />

und mit Gewebeband fixiert wird. Der Innendurchmesser<br />

der Rohre sollte dabei<br />

ziemlich genau dem Außendurchmesser<br />

der oberen Beinelemente des Stativs entsprechen.<br />

Wenn man Probleme hat, die<br />

Rohre über die Beine zu ziehen, kann man<br />

mit ein wenig Seife nachhelfen. Es gibt im<br />

Übrigen ein paar Stative am Markt, die diese<br />

sehr wirksame Isolierung bereits werkseitig<br />

mitbringen.<br />

Für das Stativ empfehlen sich bei lockerer<br />

Schneedecke sogenannte „Snow Pads“ ,<br />

Schneeschuhe für die Stativbeine. Dadurch<br />

sinkt das Stativ deutlich weniger in<br />

den Schnee ein, und man kann es sogar im<br />

Tiefschnee aufstellen. Bei den hochwertigen<br />

Profistativen verschiedener Hersteller<br />

konnte ich keine nennenswerten Probleme<br />

in der Handhabung und mechanischen<br />

Belastbarkeit feststellen. Lediglich die verwendeten<br />

Fette und Öle der Stativköpfe<br />

reagierten bei manchen Modellen etwas<br />

träger in der Konsistenz.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 31 mm<br />

Belichtung 1/40 s<br />

Blende<br />

f/6,3<br />

ISO 200<br />

Mit Schaumstoff umhüllte Stativbeine schützen<br />

die Hände vor dem kalten Metall.<br />

VERWACKLER UND<br />

UNSCHÄRFEN MINIMIEREN<br />

Verwenden Sie beim Einsatz eines<br />

Stativs die elektrische Auslösevariante<br />

per Kabel oder Funk oder aktivieren Sie<br />

den eingebauten Selbstauslöser der<br />

Kamera, um Verwacklungen im Langzeitbereich<br />

vorzubeugen. Und noch<br />

ein Tipp: Binden Sie den Kameratragegurt<br />

fest oder nehmen Sie ihn von der<br />

Kamera, da Windbewegung im Gurt<br />

schnell zu Unschärfen führen kann.<br />

Überraschung:<br />

kälteresistente Speichermedien<br />

Ob SD-Karte oder CompactFlash: Die aktuellen<br />

Speichermedien sind sehr robust<br />

und viele Modelle nach meinen Erfahrungen<br />

absolut resistent gegen Kälte, Hitze<br />

und Feuchtigkeit. Ich selbst war gespannt,<br />

was passieren würde, wenn ich die eiskalte<br />

Karte aus meiner Kamera in den warmen<br />

Slot meines Rechners steckte: Der Datenstrom<br />

funktionierte einwandfrei. Probleme<br />

können jedoch auftreten, wenn sich der Fotograf<br />

in der trockenen Luft des finnischen<br />

Winters statisch auflädt und die Ladung<br />

über die Karte z. B. beim Berühren abgibt.<br />

In einem Fall wurde die CF-Karte eines Fo-<br />

38


KAPITEL 1<br />

ADRENALINSCHUB<br />

AM POLARKREIS<br />

tografen bei 40 Grad in der Waschmaschine<br />

gewaschen und geschleudert. Die Karte<br />

Samt Daten hatte zu meinem Erstaunen<br />

den Waschgang absolut sauber und knitterfrei<br />

überlebt.<br />

Im schlimmsten Fall kann eine statische<br />

Entladung zu Datenverlust oder zum Totalausfall<br />

der Karte führen. Im Zweifel fassen<br />

Sie die Karte erst an, nachdem Sie die Ladung<br />

des Körpers abgeleitet, also ein geerdetes<br />

Metallteil berührt haben. Bei vielen<br />

aktuellen Karten tritt das Problem laut Angabe<br />

in den Testberichten nicht mehr auf,<br />

da die elektronischen Bauteile im Inneren<br />

wirksam gegen statische Aufladung von<br />

außen entkoppelt sind.<br />

Riskanter Einsatz mobiler Datenspeicher<br />

Zur mobilen Datensicherung und Bearbeitung<br />

der Bildergebnisse vor Ort werden<br />

Notebooks bzw. Netbooks oder iPads immer<br />

beliebter. Jedoch sollten die Geräte<br />

in der warmen Hütte oder dem beheizten<br />

Auto gelassen werden, um die empfindliche<br />

Elektronik nicht zu beschädigen. Auf keinen<br />

Fall empfehle ich, das Notebook im Rucksack<br />

oder der Fototasche mitzunehmen,<br />

um z. B. die Speicherung und Sichtung der<br />

Daten vor Ort vornehmen zu können. Der<br />

Einsatz von mobilen Festplatten ist riskant<br />

und aufgrund der Stoß- und Kälteempfindlichkeit<br />

nur bedingt zu empfehlen. Decken<br />

Sie sich lieber mit ausreichend Speichermedien<br />

ein, um einem Datenengpass vorzubeugen.<br />

Hier gilt die Empfehlung: lieber<br />

auf mehrere kleinere Medien als auf wenige<br />

große zurückgreifen, um das Risiko des<br />

Daten- oder Kartenverlusts möglichst zu<br />

minimieren. Ein Verlust oder Defekt lässt<br />

sich bei einer CF-Karte mit 100 Bildern eher<br />

verkraften als bei einem Modell mit Speicherplatz<br />

für 1.000 Dateien.<br />

Vereiste Reißverschlüsse geschmeidig<br />

machen<br />

Vereiste oder gefrorene Reißverschlüsse<br />

und Stoffmaterialien können schnell reißen<br />

oder brechen. Einige Reißverschlüsse sind<br />

nicht hundertprozentig dicht, und Feuchtigkeit<br />

kann ins Innere der Tasche gelangen.<br />

Legen Sie besser große Silicagel-Päckchen<br />

und aktivierte Wärmegelpads in die Tasche,<br />

um Feuchtigkeit und Kälte im Innenbereich<br />

wirksam zu minimieren. Hochwertig<br />

verarbeitete Outdoortaschen haben im<br />

Übrigen keine Probleme mit Feuchtigkeitsbildung<br />

im Inneren. Viele dieser Taschen<br />

sind sogar komplett wasserdicht. Wenn<br />

der Reißverschluss der Kameratasche oder<br />

des Rucksacks bei extremer Kälte klemmt<br />

oder aufgrund von Materialerhärtung kaum<br />

noch zu bewegen ist, reiben Sie ihn einfach<br />

mit etwas Wachs ein.<br />

Ein Wort zur Sensorreinigung<br />

Jeder Anwender digitaler Spiegelreflexkameras<br />

kennt das Hauptproblem: Staub und<br />

Partikel befinden sich auf dem Bildsensor.<br />

Sie kommen von außen, werden im Zuge<br />

des Objektivwechsels eingebracht, bilden<br />

sich aber auch innerhalb der Kamera<br />

durch den Abrieb der beweglichen Teile wie<br />

Verschluss, Blende oder Zoommechanik.<br />

Dadurch entstehen Bildstörungen, die sich<br />

Durch Staubpartikel<br />

bedingte Flecken auf<br />

dem Bildsensor.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 35 mm<br />

Belichtung 1,0 s<br />

Blende<br />

f/4,0<br />

39


esonders in hellen und großflächigen Motivbereichen<br />

als graue bis schwarze Fehler<br />

zeigen, und bilden sich umso deutlicher ab,<br />

je stärker abgeblendet wird. Nur eine zeitaufwendige<br />

Nachbearbeitung am Computer<br />

kann diese oft bei größeren Bildserien oder<br />

langen Reiseproduktionen auf unzähligen<br />

Bilddateien vorhandenen Störungen beseitigen.<br />

Schlimmer noch: Es bildet sich mit der<br />

Zeit ein mikroskopischer Schmutzfilm auf<br />

dem Sensor, der die Schärfeleistung des Systems<br />

sichtbar beinträchtigen kann.<br />

So gelangt Staub in das Kamerainnere<br />

Und auch auf der Hinterlinse des Wechselobjektivs<br />

wird Staub in das Innere der DS-<br />

LR-Kamera gebracht. Dieser sammelt sich<br />

beispielsweise dann an, wenn das Objektiv<br />

außerhalb der Kamera nicht sofort mit dem<br />

Rückdeckel verschlossen wird. Feinste Staubpartikel<br />

finden den Weg ins Innere, so auch<br />

über die Bajonettfassung selbst. Nicht vergessen<br />

sollte man die durch den Alterungsprozess<br />

freigesetzten Fremdkörper, die über<br />

kurz oder lang auf dem Sensor landen. Nicht<br />

nur der statisch auf dem Sensor platzierte<br />

Schmutz bringt Probleme, sondern auch die<br />

Umwirbelung durch den Rückschwingspiegel<br />

und die Sogwirkung beim schnellen Hin- und<br />

Herzoomen des Objektivs machen das Thema<br />

Staub zum Dauerbrenner.<br />

Dauerhafte Abhilfe schafft auch die Servicewerkstatt<br />

der Kamerahersteller nicht,<br />

denn diese bieten meist nur die Reinigung<br />

des Sensors und nicht die des Innenraums<br />

an, und außerdem fehlt die Kamera dann<br />

mehrere Tage. Zwar versprechen einige Kamerahersteller<br />

durch hardwareseitiges Sensorcleaning<br />

Abhilfe, zum Beispiel mithilfe<br />

hochfrequenter Schwingungen, doch in der<br />

Praxis funktioniert das nie hundertprozentig,<br />

wenn Feuchtigkeit die Partikel am Sensor<br />

haften lässt.<br />

Staubpartikel per Software entfernen<br />

Staubpartikel können auch automatisch per<br />

Software entfernt werden. Im Systemmenü<br />

der Kamera wird die Funktion zur Staubentfernung<br />

aktiviert, mit deren Hilfe eine<br />

Referenzaufnahme auf weißer Fläche zur<br />

späteren Beseitigung des Staubs gemacht<br />

werden kann. Die Kamera hinterlegt zusätzlich<br />

eine Datei mit den Koordinaten der<br />

Staubpartikel, sodass die herstellerseitige<br />

Software dann die Lage der Staubpartikel<br />

erkennen kann. Beim Öffnen eines Bilds<br />

werden die Partikel dann automatisch retuschiert.<br />

Leider funktioniert diese Möglichkeit<br />

nur bei statischen Fremdkörpern.<br />

Zuerst eine Trockenreinigung durchführen<br />

Generell empfiehlt es sich, zuerst eine<br />

Trockenreinigung durchzuführen. Untersuchungen<br />

von VisibleDust kamen zu dem<br />

Ergebnis, dass 90 % der Sensorverunreinigungen<br />

auf Staubkörner und Fussel zurückgehen.<br />

Die restlichen 10 % gehen auf<br />

das Konto von Feuchtigkeitspartikeln. Ein<br />

spezieller Reinigungsmodus der Kamera<br />

öffnet den Verschluss und klappt den Spiegel<br />

hoch, sodass man ohne Probleme den<br />

Bildsensor erreichen und mit Luft den Staub<br />

einfach wegblasen kann.<br />

Wichtig: Einige Hersteller verlangen aus<br />

Sicherheitsgründen den Anschluss eines<br />

Netzteils. In jedem Fall sollten frische Batterien<br />

bzw. voll aufgeladene Akkus eingelegt<br />

sein.<br />

Alle ein bis drei Monate sollte der Aufnahmesensor<br />

gründlich gereinigt werden. Oftmals<br />

genügt es, ihn mit einem Blasebalg – nicht jedoch<br />

mit dem Mund oder einer Druckluftdose<br />

– auszupusten. Stark haftender Schmutz<br />

(oder wenn man doch aus Versehen auf den<br />

Sensor gespuckt hat) wird durch feuchtes<br />

Abwischen des Sensors vorzugsweise mit<br />

Methylalkohol entfernt – aber Achtung, der<br />

40


KAPITEL 1<br />

ADRENALINSCHUB<br />

AM POLARKREIS<br />

ist sehr giftig und nur in gut belüfteten Räumen<br />

anzuwenden. Alternativ geht auch Isopropylalkohol<br />

aus der Apotheke.<br />

In vielen Internetforen werden zum Thema<br />

Sensorreinigung mehr oder weniger hilfreiche<br />

Tipps und Empfehlungen gegeben,<br />

die mit Vorsicht zu genießen sind. Wattestäbchen<br />

sind bestenfalls für die Pflege der<br />

Ohren, jedoch nicht zur Reinigung der sensiblen<br />

Sensoroberfläche geeignet.<br />

Fototechnik unter realen<br />

Bedingungen<br />

Wie verhalten sich Kamera, AF-Objektiv<br />

und das verwendete Zubehör, wenn die<br />

garantierten Temperaturbereiche der Hersteller<br />

unterschritten werden? Zur Beantwortung<br />

dieser Frage kann ich auf einen<br />

umfangreichen Erfahrungsschatz zurückgreifen,<br />

den ich auf vielen Finnlandreisen<br />

angesammelt habe.<br />

feucht, und das Gerät kann nicht mehr<br />

eingesetzt werden. In diesem Fall müssen<br />

Sie die Kamera samt Objektiv in einer<br />

gut verschlossenen Kameratasche<br />

oder alternativ in einem ZipLoc-Beutel<br />

(Haushaltsgefrierbeutel, drei Liter Volumen)<br />

einige Stunden bei Raumtemperatur<br />

akklimatisieren lassen. Ein paar<br />

hinzugefügte Beutel Silicagel beschleunigen<br />

den Trocknungsprozess erheblich.<br />

Auch wenn Sie aus der Kälte kommend<br />

Langzeitaufnahmen<br />

bei Minustemperaturen<br />

belasten den Akku<br />

der Kamera erheblich.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 28 mm<br />

Belichtung 6,0 s<br />

Blende<br />

f/13,0<br />

ISO 400<br />

Zuverlässiger Auslöser selbst<br />

bei Eiseskälte<br />

Nachfolgend habe ich einige nützliche Ratschläge<br />

für Sie zusammengestellt, damit<br />

Kamera und Fotoequipment geschützt werden<br />

und auch bei extremen Minustemperaturen<br />

noch zuverlässig funktionieren.<br />

• Kondenswasserbildung verhindern:<br />

Tragen Sie die Kamera immer außerhalb<br />

der Jacke. Bei längerem Nichtgebrauch<br />

verwahren Sie die Kamera in der Fototasche.<br />

Wenn Sie das Gerät unter Ihrer<br />

Jacke sehr nahe am Körper tragen, droht<br />

Kondenswasserbildung im Gehäuse,<br />

da Ihr Körper Wärme und Feuchtigkeit<br />

an die Umgebung abgibt. Nicht nur der<br />

Aufnahmesensor und das Objektiv beschlagen,<br />

sondern auch der Sucher und<br />

weitere Bauteile im Gehäuse werden<br />

41


Mitte: Weichzeichnereffekt<br />

durch Feuchtigkeitsbildung<br />

auf einem<br />

Linsenelement im<br />

Objektiv.<br />

verschwitzt in ein beheiztes Fahrzeug<br />

steigen, besteht die Gefahr von Kondenswasserbildung<br />

im Gehäuse. Die<br />

Kamera sollte daher bereits draußen in<br />

eine gut zu verschließende Kameratasche<br />

oder den besagten ZipLoc-Beutel<br />

gesteckt werden.<br />

• Auskühlung der Akkus aufhalten:<br />

Nehmen Sie den Akku aus der Kamera<br />

und tragen Sie die Energiequelle in der<br />

Hosentasche nah am Körper. So verhindern<br />

Sie Auskühlung und Leistungsabfall.<br />

Führen Sie immer einen voll geladenen<br />

Ersatzakku mit und lagern Sie<br />

ihn auf einem aktivierten Gelpad in der<br />

Kameratasche.<br />

• Schnee von der Kamera pusten:<br />

Pusten oder wischen Sie losen Schnee<br />

sofort vom Kameragehäuse, da sonst<br />

die Tasten und Schalter vereisen können.<br />

Auch beim Objektivwechsel ist<br />

Vorsicht geboten. Wenn sich loser Reif<br />

oder Schnee auf dem Kameragehäuse<br />

befindet und ins Kamerainnere gelangt,<br />

bildet sich schnell ein Film aus Feuchtigkeit<br />

oder Eis.<br />

• Live-View sparsam einsetzen:<br />

Setzen Sie die Live-View-Funktion der<br />

Kamera nur sparsam ein, um den Verschluss,<br />

die Spiegelmechanik und letztendlich<br />

auch den Akku zu schonen.<br />

42<br />

• Bildstabilisator ausschalten:<br />

Schalten Sie den Bildstabilisator in der<br />

Kamera oder am Objektiv bei extremer<br />

Kälte aus, da die Bauteile unter Umständen<br />

nicht einwandfrei funktionieren und<br />

außerdem unnötig Strom verbrauchen.<br />

Wenn Sie verwacklungsfrei fotografieren<br />

wollen, setzen Sie stattdessen den<br />

ISO-Wert etwas höher, verwenden ein<br />

Objektiv mit kurzer Brennweite oder<br />

greifen auf ein Stativ zurück.


KAPITEL 1<br />

ADRENALINSCHUB<br />

AM POLARKREIS<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 28 mm<br />

Belichtung 6,0 s<br />

Blende<br />

f/13,0<br />

ISO 400<br />

• Autofokus abschalten:<br />

Schalten Sie die Autofokusfunktion der<br />

Kamera nach Möglichkeit aus. Bei Objektiven<br />

mit eingebautem AF-Motor besteht<br />

außerdem die Gefahr der mechanischen<br />

Überlastung, da der Fokusantrieb bei Kälte<br />

schwergängiger laufen könnte. Amateurobjektive<br />

mit reiner Kunststofffassung,<br />

die direkt vom eingebauten Motor<br />

der Kamera angetrieben werden (z. B. bei<br />

Nikon und Pentax), sollten grundsätzlich<br />

manuell fokussiert werden. Die Objektive<br />

werden in der Kälte schwergängig und<br />

überlasten den Motor aufgrund des höheren<br />

Antriebswiderstands. Letztendlich<br />

schont ein ausgeschaltetes AF-System<br />

auch noch den Akku der Kamera. Tipp:<br />

Die optischen und akustischen Fokussierhilfen<br />

Ihrer Kamera arbeiten auch im<br />

ausgeschalteten AF-Betrieb und können<br />

Ihnen bei der manuellen Fokussierung<br />

helfen.<br />

• LC-Display im Auge behalten:<br />

LC-Displays reagieren bei Kälte träger<br />

und können sogar vorübergehend völlig<br />

unleserlich werden. Bei Erwärmung<br />

stabilisiert sich die Anzeige jedoch nach<br />

kurzer Zeit wieder. Probleme mit zerfrorenen<br />

Anzeigen sind mir nicht bekannt,<br />

jedoch halte ich es aus technischer Sicht<br />

für möglich, dass die winzigen Kristalle<br />

bei allzu langer Kälteeinwirkung dauerhaft<br />

beschädigt werden könnten.<br />

• Achtung, festgefrorene Nase am Display:<br />

Atmen Sie niemals in Richtung Kamera<br />

aus, wenn Sie durch den Sucher schauen,<br />

sonst kann die Nase am eiskalten<br />

Display innerhalb kürzester Zeit festfrieren<br />

. Ich spreche da aus Erfahrung: Meine<br />

Nasenspitze benötigte für die Regeneration<br />

des auf diese Weise erzeugten<br />

„ Mitsubishi-Logo-Abdrucks“ ziemlich<br />

43


Achtung! Atmen Sie nicht<br />

in Richtung Kamera aus,<br />

wenn Sie durch den Sucher<br />

ein Motiv anvisieren. Im<br />

schlimmsten Fall friert die<br />

Nase innerhalb kürzester Zeit<br />

am eiskalten Display fest.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 85 mm<br />

Belichtung 1/60 s<br />

Blende<br />

f/13,0<br />

ISO 400<br />

44<br />

genau zwei Monate. Dazu gesellte sich<br />

noch der nie enden wollende Spott meiner<br />

Kollegen, Freunde und Schüler.<br />

• Vom Kalten ins Warme:<br />

Akklimatisieren Sie alle Geräte über<br />

mehrere Stunden in einer gut verschlossenen<br />

Kameratasche oder einem<br />

ZipLoc-Beutel, bevor Sie sie in der<br />

warmen Hütte aus der Tasche nehmen.<br />

Bringen Sie die Kamera nie direkt von<br />

der Kälte in die Wärme. Die Folge ist<br />

Streifen- und Schlierenbildung auf dem<br />

Aufnahmesensor aufgrund von eindringender<br />

Feuchtigkeit. Überprüfen Sie zur<br />

Sicherheit die Oberfläche des Sensors<br />

mit einer Sensorlupe auf Schlieren und<br />

führen Sie gegebenenfalls eine Reinigung<br />

durch. Die Speicherkarte und den<br />

Akku können Sie bereits vorher aus der<br />

Kamera nehmen, da sie den raschen<br />

Temperaturwechsel auch ohne Akklimatisierungsprozess<br />

meiner Erfahrung<br />

nach problemlos überstehen.<br />

ORANGEFARBENES UND<br />

BLAUES SILICAGEL<br />

Legen Sie immer einige Päckchen<br />

Silicagel in die Kameratasche. Sobald<br />

das Kieselgel durch die Aufnahme von<br />

Luftfeuchtigkeit gesättigt (farblos)<br />

ist, sollten Sie es sofort aus der Kameratasche<br />

nehmen, da die Substanz<br />

bei hohen Temperaturen die gesammelte<br />

Feuchtigkeit wieder an die<br />

Umgebung abgibt. Im Backofen kann<br />

das Silicagel bei mittleren Temperaturen<br />

(120 bis 150 °C) aufgetrocknet<br />

und dann wieder verwendet werden.<br />

Trockenes Silicagel ist übrigens<br />

orange gefärbt. Falls Sie noch das<br />

blaue Silicagel verwenden, sollten Sie<br />

es umgehend entsorgen, da hier die<br />

krebserregende Substanz Cobalt-II-<br />

Chlorid enthalten ist.<br />

Bildrauschen? – Einfach cool bleiben!<br />

Bei elektronischen Bildsensoren wie CCDund<br />

CMOS-Sensoren ist das Bildrauschen<br />

zu einem großen Teil ein sogenanntes<br />

Dunkelrauschen; es tritt also auf, ohne<br />

dass Licht auf den Sensor fällt. Grund für<br />

dieses Rauschen ist einerseits der Dunkelstrom<br />

der einzelnen lichtempfindlichen<br />

Elemente (Pixel), andererseits ist es auch<br />

das Rauschen des Ausleseverstärkers. Das<br />

Rauschen bei einem Bildsensor macht sich<br />

vor allem bei höheren ISO-Lichtempfindlichkeiten<br />

bemerkbar. Bildrauschen wird jedoch<br />

auch durch die Pixelgröße sowie den<br />

Pixelabstand des Bildsensors beeinflusst. Je<br />

geringer der Abstand zwischen den einzelnen<br />

Pixeln eines Bildsensors und je kleiner<br />

die Pixelgröße ist, desto weniger Photonen


KAPITEL 1<br />

ADRENALINSCHUB<br />

AM POLARKREIS<br />

(Licht) können die einzelnen Pixel aufnehmen,<br />

und das bedeutet im Umkehrschluss<br />

mehr Rauschen bzw. mehr Störsignale<br />

beim Bildsensor. Gut sichtbar wird das Bildrauschen<br />

in gleichförmigen, besonders in<br />

dunklen oder blauen Bildbereichen. Unterbelichtete,<br />

nachträglich am Computer aufgehellte<br />

Aufnahmen rauschen in der Regel<br />

stärker als korrekt belichtete Bilder.<br />

Außerdem verstärkt sich das Rauschen<br />

mit steigender Sensortemperatur, deshalb<br />

können Kameras, die den Bildsensor auch<br />

zur Darstellung des Sucherbilds nutzen<br />

(Live-Vorschau), unter Umständen stärkeres<br />

Rauschen verursachen. Ebenso erhöht<br />

sich das Rauschen mit steigender Belichtungszeit,<br />

insbesondere bei Nachtaufnahmen.<br />

Die meisten Digitalkameras können<br />

z. B. bei Langzeitbelichtungen durch eine<br />

unmittelbar an die eigentliche Aufnahme<br />

anschließende Dunkelbelichtung ein Referenzbild<br />

erzeugen, um das Rauschen zu reduzieren.<br />

Natürlich lässt sich das Rauschen<br />

auch nachträglich in der Bildbearbeitung<br />

am Computer entfernen. Oder Sie kühlen<br />

den Sensor. Aufgrund der extremen Kälte<br />

in Finnland hatte ich mit dem Problem des<br />

Bildrauschens erst bei sehr hohen ISO-<br />

Werten und sehr wenig Licht zu kämpfen.<br />

Manchmal hat die Kälte hat also doch etwas<br />

Positives.<br />

Abstecher in die Belichtungsmessung<br />

Vorweg ein kleiner Exkurs zum Auffrischen<br />

des vorhandenen fotografischen Basiswissens<br />

zum Thema Belichtungsmessung . Die<br />

Belichtungsmesszellen der DSLR-Kamera<br />

befinden sich bei allen aktuellen Modellen<br />

oben in der Nähe des Sucherokulars. Hier<br />

wird die Intensität der durch das Objektiv<br />

einfallenden Lichtmenge (TTL = Through<br />

The Lens) erfasst und gemessen. Im Sucher<br />

oder Display der Kamera signalisiert uns<br />

eine Belichtungswaage via LCD-Anzeige, ob<br />

die gewählte Zeit-Blende-Kombination zu<br />

einer korrekten Belichtung führen wird.<br />

Wichtig zu wissen: die mittlere Dichte<br />

Sämtliche Belichtungsmesssysteme sind<br />

auf einen Normwert geeicht, die alles bestimmende<br />

„mittlere Dichte“. In der Praxis<br />

kommen Reflexionsgrade von 2 % bis<br />

90 % vor. Durchschnittlich reflektieren<br />

die meisten Motive jedoch nur etwa 18 %<br />

des auftreffenden Lichts. Nahezu alle Belichtungsmesser<br />

sind so geeicht, dass sie<br />

Einstellwerte liefern, die für eine Szene<br />

mit durchschnittlicher Helligkeitsverteilung<br />

gelten. Aus der Helligkeitsverteilung<br />

im Motiv wird immer ein integraler Wert<br />

ermittelt. Ist jedoch ein Motiv nicht durchschnittlich<br />

(z. B. ein weißer Elch im Schnee),<br />

müssen die Werte korrigiert werden, weil<br />

es sonst zu Fehlmessungen kommt und das<br />

entstehende Foto nicht der Lichtsituation<br />

der Szene entspricht.<br />

Im Fall des weißen Elchs im Schnee würde<br />

die Aufnahme unterbelichtet, da der Belichtungsmesser<br />

die Belichtung auf einen Wert<br />

für eine Szene mittlerer Helligkeit reduziert.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 35 mm<br />

Belichtung 1,6 s<br />

Blende<br />

f/4,5<br />

ISO 200<br />

Starkes Bildrauschen – in dieser Ausschnittvergrößerung unzweifelhaft<br />

zu erkennen.<br />

45


AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 35 mm<br />

Belichtung 1,6 s<br />

Blende<br />

f/4,5<br />

ISO 200<br />

Hinzu kommt der daraus resultierende große<br />

Kontrastumfang einzelner Motivbereiche,<br />

die zu ausgefressenen Lichtern oder<br />

zugelaufenen Schatten führen können. Die<br />

meisten DSLR- und Systemkameras arbeiten<br />

mit den folgenden Messmethoden:<br />

• mittenbetonte Integralmessung<br />

• Spotmessung<br />

• Mehrfeld-, Matrix- oder Segmentmessung<br />

Dieses Motiv wurde mit der mittenbetonten Integralmessung aufgenommen.<br />

Dieses Motiv wurde mit der Spotmessung aufgenommen.<br />

Schwerpunkt der Messung in Suchermitte<br />

Bei der mittenbetonten Integralmessung<br />

liegt der Schwerpunkt der Gewichtung innerhalb<br />

eines definierten Bereichs in der Suchermitte.<br />

Sie verteilt sich bei vielen Kameras<br />

von 60 % in der Bildmitte bis auf 40 %<br />

am Bildrand, da Erfahrungen aus der Praxis<br />

gezeigt haben, dass sich viele Motive überwiegend<br />

in der Bildmitte befinden.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 10 mm<br />

Belichtung 0,5 s<br />

Blende<br />

f/5,6<br />

ISO 400<br />

46


KAPITEL 1<br />

ADRENALINSCHUB<br />

AM POLARKREIS<br />

Auch aus großer Entfernung exakt<br />

anmessen<br />

Mit der Spotmessung können selbst kleinste<br />

Motivelemente aus größerer Entfernung<br />

exakt angemessen werden, so z. B. in der<br />

Makro- und Tierfotografie. Die Spotmessung<br />

setzt also nicht nur eine Auseinandersetzung<br />

mit dem Aufnahmematerial<br />

voraus, sondern auch die Auseinandersetzung<br />

mit Blenden- und Zeitwerten und erfordert<br />

großes fotografisches Können und<br />

viel Erfahrung. Die Selektivmessung bei<br />

einigen Canon-Kameras berücksichtigt im<br />

Vergleich zur Spotmessung einen deutlich<br />

größeren mittleren Motivbereich.<br />

Exakte Motivanalyse per Mehrfeldmessung<br />

Bei Einsatz der Mehrfeldmessung (auch als<br />

Matrix- oder Segmentmessung bezeichnet)<br />

wird das gesamte Bildfeld in einzelne Messfelder<br />

unterschiedlicher Größe aufgeteilt, um<br />

aufgrund der Helligkeitsverteilung im Motiv<br />

und dem daraus errechneten Kontrastumfang<br />

eine möglichst exakte Motivanalyse<br />

durchführen zu können. Die ermittelten<br />

Werte werden gesammelt, ausgewertet und<br />

mit den gespeicherten Motivmustern (der<br />

Matrix) verglichen, die wiederum mit einer<br />

bestimmten Belichtungsvariante verknüpft<br />

sind. Die Festlegung dieser Motivmuster ist<br />

das Ergebnis einer enormen Fleißarbeit, bei<br />

der Zehntausende von Aufnahmen aus der<br />

Praxis erstellt und ausgewertet wurden.<br />

Aufgrund der fortschreitenden Perfektionierung<br />

dieser Messmethode erreicht die<br />

Trefferquote selbst bei extremen Motiven<br />

beinahe 100 % – die Standardmessmethode<br />

für Aufnahmen im Schnee.<br />

Achten Sie bitte nach jeder Aufnahme auf<br />

das Histogramm im Kameradisplay und aktivieren<br />

Sie zusätzlich im Wiedergabemenü<br />

der Kamera die Funktion für die Spitzlichterwarnung.<br />

Sind die Lichter auf der rechten<br />

Seite des Histogramms ausgefressen,<br />

haben bestimmte Bereiche im Bild den<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 18 mm<br />

Belichtung 1/2000 s<br />

Blende<br />

f/5,0<br />

ISO 300<br />

Am besten experimentieren<br />

Sie mit der Belichtungsmessung<br />

Ihrer<br />

Kamera. Nach meiner<br />

Erfahrung führt eine<br />

Grundkorrektur von<br />

–2/3 EV bei den meisten<br />

Kameramodellen<br />

mit Mehrfeldmessung<br />

bei Aufnahmen im<br />

Schnee mit Sonnenlicht<br />

zu sehr guten<br />

Ergebnissen. Hier das<br />

gelungene Beispiel<br />

einer Mehrfeldmessung<br />

ohne Korrektur.<br />

47


Erste Regel für gelungene<br />

Aufnahmen:<br />

Ran ans Motiv!<br />

Tonwert 255 und somit keine Detailzeichnung<br />

mehr. Belichten Sie die Aufnahme<br />

daher etwas knapper, z. B. mit einer Belichtungskorrektur<br />

von –2/3 EV (EV, engl.<br />

Exposure Value/Lichtwert), um das Histogramm<br />

ein Stück nach links in Richtung der<br />

dunkleren Bereiche zu verschieben. Oder<br />

aktivieren Sie die Dynamikerweiterung Ihrer<br />

Kamera, falls optional vorhanden, um den<br />

Tonwertumfang zu erhöhen. Der sicherste<br />

Weg ist das gleichzeitige Abspeichern von<br />

RAW- und JPEG-Dateien, um später über<br />

den RAW-Konverter im 14-Bit-Modus umfangreiche<br />

Tonwert- und Farbkorrekturen<br />

vornehmen zu können.<br />

Motive suchen, finden und<br />

komponieren<br />

Viele Menschen haben aufgrund der Digitalisierung<br />

und Automatisierung einen problemlosen<br />

Zugang zur Fotografie bekommen<br />

und erhalten auf Knopfdruck technisch<br />

einwandfreie, also scharfe und exakt belichtete<br />

Ergebnisse. Obwohl diese Tatsache<br />

eigentlich von Vorteil sein müsste, schaute<br />

ich auf meinen Fotoreisen nach Finnland oft<br />

in enttäuschte Gesichter mit fragenden Blicken.<br />

Die Erkenntnis, dass auch mit der besten<br />

Kamera, dem schärfsten und teuersten<br />

Profiobjektiv und selbst dem anschließenden<br />

„Shoppen“ (Bearbeiten mit Adobe Photoshop)<br />

am Rechner das Bildergebnis noch<br />

immer wie Durchschnittsbrei aussieht, ist<br />

schnell und einfach zu begründen: Es fehlt<br />

sprichwörtlich das fotografische Salz in der<br />

Bildsuppe.<br />

Ran ans Motiv!<br />

Genau genommen sind es mehrere fotografische<br />

Zutaten, die – fein aufeinander<br />

abgestimmt – in der Summe die Suppe bzw.<br />

das Bildresultat zu einem visuellen Gaumenschmaus<br />

werden lassen. Grund genug<br />

also, uns näher mit dem Thema Bildgestaltung<br />

im Winter zu befassen. Wenn Sie sich<br />

48<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 340 mm<br />

Belichtung 1/320 s<br />

Blende<br />

f/6,3<br />

ISO 200


KAPITEL 1<br />

ADRENALINSCHUB<br />

AM POLARKREIS<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 78 mm<br />

Belichtung 1/3500 s<br />

Blende<br />

f/5,3<br />

ISO 400<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 135 mm<br />

Belichtung 1/1800 s<br />

Blende<br />

f/5,6<br />

ISO 400<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 200 mm<br />

Belichtung 1/3200 s<br />

Blende<br />

f/6,3<br />

ISO 400<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 175 mm<br />

Belichtung 1/2500 s<br />

Blende<br />

f/6,0<br />

ISO 400<br />

Kleinste Motive wirken aus der richtigen Perspektive und im harten Seitenlicht fotografiert wie kleine<br />

Kunstwerke. Oder sind es doch kleine Gestalten?<br />

im Winter in der schneeweißen Landschaft<br />

auf Motivsuche begeben, müssen Sie schon<br />

ein Faible für Schnee und Eis mitbringen.<br />

Aber noch wichtiger: Sie sollten in der Lage<br />

sein, das interessante Motiv, und sei es auf<br />

den ersten Blick auch noch so klein und bedeutungslos,<br />

in der Fülle der Schneemotive<br />

zu entdecken. Und das ist nicht so einfach.<br />

Unsere Augen werden fortlaufend geblen-<br />

det und überreizt, und wir sind aufgrund der<br />

Fülle an Licht und Schatten schnell überfordert.<br />

Hier hilft nur: Pause machen, Thermosflasche<br />

öffnen und Tee trinken.<br />

Oftmals ragen viele Motive in Finnland nur<br />

wenige Zentimeter hoch aus der monochromen<br />

Schneelandschaft und entfalten erst<br />

beim genauen Blick in den Sucher, zum Beispiel<br />

auf dem Boden liegend, ihre filigrane<br />

49


Links: Hier wurde das Hauptmotiv in die rechte<br />

obere Ecke des Bilds gesetzt. Das Hochformat<br />

und das harte Gegenlicht mit dem langen Schattenwurf<br />

unterstützen die Dramaturgie dieser<br />

Aufnahme zusätzlich.<br />

Schönheit. Leider kann es jedoch vorkommen,<br />

dass ein unvorsichtiger Mensch in der<br />

Gruppe vor Ihnen das soeben entdeckte Motiv<br />

unter dem Gewicht seines Schneestiefels<br />

einfach in der weißen Pracht verschwinden<br />

lässt. Aus diesem Grund habe ich stets versucht,<br />

die Fotogruppe möglichst großflächig<br />

zu verteilen, um derartige Zerstörungen zu<br />

verhindern. Oder Sie müssen den anderen<br />

einfach zehn Schritte voraus sein.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 95 mm<br />

Belichtung 1/2500 s<br />

Blende<br />

f/5,6<br />

ISO 400<br />

Nehmen Sie sich viel, viel Zeit!<br />

Kommen wir zum ersten, zum wichtigsten<br />

Grundsatz in der Landschaftsfotografie :<br />

Nehmen Sie sich viel, viel Zeit! Bewegen Sie<br />

sich Schritt für Schritt ganz langsam vorwärts<br />

und geben Sie Ihren Augen die Chance,<br />

den zu erkundenden Bereich um Sie<br />

herum in Ruhe zu erfassen. Umkreisen Sie<br />

dann das auserwählte Motiv vorsichtig und<br />

probieren Sie unterschiedliche Perspektiven<br />

aus. Wechseln Sie die Brennweite, um<br />

die Wirkung des Bildwinkels zu erfahren.<br />

ACHTUNG!<br />

EIN FALSCHER SCHRITT ...<br />

Ein unbedachter Schritt in die falsche Richtung kann Ihnen die<br />

Suppe kräftig versalzen! Sollten aus Versehen, oder weil es sich<br />

nicht verhindern ließ, Schritte oder Spuren im unmittelbaren<br />

Motivbereich zu sehen sein, drücken Sie dennoch auf den Auslöser.<br />

In vielen Fällen können diese störenden Elemente im Bild<br />

in der nachträglichen Bildbearbeitung „weggeshoppt“ werden.<br />

Und denken Sie daran – nicht die Anzahl der geschossenen Bilder<br />

pro Stunde und Tag bringt den gewünschten fotografischen<br />

und persönlichen Erfolg, sondern die Qualität und bewusste<br />

Auswahl des Motivs<br />

Unterschiedliche Tageszeiten und<br />

Perspektiven<br />

Wenn sich ein fotografisch interessantes<br />

Motiv in der Nähe befindet, empfehle ich Ihnen,<br />

jede Gelegenheit wahrzunehmen, um<br />

es zu unterschiedlichen Tageszeiten aufzusuchen<br />

und aus verschiedenen Perspektiven<br />

zu fotografieren.<br />

50


KAPITEL 1<br />

ADRENALINSCHUB<br />

AM POLARKREIS<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 20 mm<br />

Belichtung 1/18 s<br />

Blende<br />

f/5,6<br />

ISO 800<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 10 mm<br />

Belichtung 1/13 s<br />

Blende<br />

f/5,6<br />

ISO 800<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 10 mm<br />

Belichtung 1/10 s<br />

Blende<br />

f/5,6<br />

ISO 800<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 14 mm<br />

Belichtung 1/13 s<br />

Blende<br />

f/5,6<br />

ISO 800<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 20 mm<br />

Belichtung 1/10 s<br />

Blende<br />

f/5,6<br />

ISO 800<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 20 mm<br />

Belichtung 1/13 s<br />

Blende<br />

f/5,6<br />

ISO 1600<br />

Ein Motiv zu unterschiedlichen Tageszeiten und aus sechs verschiedenen Perspektiven abgelichtet.<br />

51


Setzen Sie knackige Akzente<br />

Schnee bietet viel Gestaltungsraum für interessante<br />

Licht- und Schattenspiele. Lassen<br />

Sie alles Unnötige um das Motiv herum weg<br />

und setzen Sie knackige Akzente .<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 95 mm<br />

Belichtung 1/750 s<br />

Blende<br />

f/6,3<br />

ISO 200<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 18 mm<br />

Belichtung 1/500 s<br />

Blende<br />

f/6,3<br />

ISO 200<br />

Formen aus Licht und Schatten, reduziert auf das<br />

Wesentliche.<br />

Hochformat, Querformat – oder beides?<br />

Über 80 % der Fotoamateure entscheiden<br />

sich für das Querformat . Oftmals ist es<br />

pure Bequemlichkeit oder einfach nur Gewohnheit.<br />

Dabei lohnt es sich fast immer,<br />

zusätzlich ein Bild vom gleichen Standpunkt<br />

aus im Hochformat zu machen. Unwichtiges<br />

wird weggelassen, Wesentliches hervorgehoben,<br />

und das Bild bekommt mehr Tiefe.<br />

52<br />

Rechts oben: Fotografieren Sie Ihr Motiv auch mal<br />

hochformatig – auch wenn es unbequem ist. Auf<br />

dem unteren Bildbeispiel bekommt der Schatten des<br />

Objekts im Hochformatausschnitt deutlich mehr<br />

Betonung und Spannung, lenkt aber auch sehr vom<br />

eigentlichen Motiv ab. Im direkten Vergleich bringt<br />

das Querformat mehr Ruhe und Ordnung ins Bild.<br />

Rechts unten: Der Formatwechsel ändert die<br />

Bildaussage dieses Motivs erheblich.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 40 mm<br />

Belichtung 1/6400 s<br />

Blende<br />

f/5,0<br />

ISO 400


KAPITEL 1<br />

ADRENALINSCHUB<br />

AM POLARKREIS<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 18 mm<br />

Belichtung 1/400 s<br />

Blende<br />

f/6,3<br />

ISO 200<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 78 mm<br />

Belichtung 1/3500 s<br />

Blende<br />

f/5,3<br />

ISO 400<br />

53


AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 100 mm<br />

Belichtung 3,0 s<br />

Blende<br />

f/8,0<br />

ISO 400<br />

Kleine Dinge im diffusen Licht<br />

Strukturen und kleine Details lassen sich am<br />

besten am frühen Morgen und am Abend<br />

kurz vor Sonnenuntergang zur blauen Stunde<br />

fotografieren. Diese Erfahrung haben Sie<br />

wahrscheinlich schon irgendwann einmal am<br />

Strand beim Fotografieren von Muscheln,<br />

Spuren oder Steinen im Sand gemacht. Lange<br />

Schatten und das harte Seitenlicht der Sonne<br />

modellieren das zu fotografierende Objekt<br />

ideal heraus und sorgen für ausreichend Tiefe<br />

im Bild. In der Mittagssonne lohnt es sich<br />

hingegen kaum, die Kamera aus der Tasche<br />

zu nehmen, da eben genau die vorgenannten<br />

Merkmale fehlen. Da heißt es nur warten.<br />

Fakt ist: 50 mm Auszug zwischen Kamerabajonett und Objektiv bedeuten für<br />

ein 50-mm-Objektiv auch 50 mm Abstand (Fluchtdistanz) zum Objekt. Der<br />

Einsatz eines 100-mm-Objektivs sorgt bei gleicher Auszugsverlängerung für<br />

die doppelte Distanz und eignet sich daher besser für die Fotografie von kleinen<br />

Objekten im Schnee.<br />

Bei diesen Aufnahmen wurde zuvor eine Feder ins Wasser gelegt: gefrieren lassen,<br />

und fertig ist ein interessantes Makromotiv. Rückseitig wurde es zusätzlich<br />

mit der Taschenlampe beleuchtet und vom Stativ aus fotografiert.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 116 mm<br />

Belichtung 1/2000 s<br />

Blende<br />

f/5,6<br />

ISO 400<br />

Im diffusen Licht wirken selbst interessante<br />

Motive langweilig.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 100 mm<br />

Belichtung 0,8 s<br />

Blende<br />

f/8,0<br />

ISO 400<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 100 mm<br />

Belichtung 0,5 s<br />

Blende<br />

f/8,0<br />

ISO 400<br />

Ganz dicht dran: Makro im Schnee<br />

Wagen wir zunächst einen kleinen Ausflug<br />

in die Lehre der Optik. Je kürzer die verwendete<br />

Brennweite, umso größer wird bei einer<br />

bestehenden Auszugsverlängerung der Ab-


KAPITEL 1<br />

ADRENALINSCHUB<br />

AM POLARKREIS<br />

bildungsmaßstab . Ein 24-mm-Objektiv erreicht<br />

in Verbindung mit einem Auszug von<br />

50 mm (z. B. mit Zwischenring) einen Maßstab<br />

von über 2:1. Am Balgengerät eingesetzt,<br />

erzielt diese Brennweite einen Vergrößerungsmaßstab<br />

von 6:1, wenn der Auszug<br />

150 mm beträgt. Jedoch nimmt die Distanz<br />

zwischen Frontlinse und Motiv so stark ab,<br />

dass sie nur noch wenige Millimeter beträgt.<br />

Zu wenig also, um z. B. Aufnahmen von kleinen<br />

Objekten zu machen.<br />

Fotografieren mit gewollter Unschärfe<br />

Mit dem Begriff Schärfentiefe (besser Schärfebereich)<br />

wird der Raum der zulässigen,<br />

also tolerierten, Unschärfe vor und hinter der<br />

Einstellebene bezeichnet. Die Ausdehnung<br />

wird unter anderem von der Blendenöffnung<br />

und dem Abbildungsmaßstab beeinflusst.<br />

Im Nahbereich nimmt die Schärfentiefe drastisch<br />

ab und verteilt sich je zur Hälfte auf die<br />

Bereiche vor und hinter der Einstellebene.<br />

Wird die Blende um zwei Werte geschlossen<br />

(abgeblendet), verdoppelt sich dieser Bereich<br />

und führt zu einem Schärfentiefezuwachs. So<br />

viel zu den Vorteilen des Abblendens.<br />

in dem direkten Zusammenhang mit einer zu<br />

kleinen Blendenöffnung zu sehen, an deren<br />

scharfen Kanten das einfallende Licht stärker<br />

gestreut wird und dadurch das eigentliche<br />

Bild überlagert. Das Resultat zeigt sich in einer<br />

Herabsetzung der Allgemeinschärfe, und<br />

die Aufnahme verliert merklich an Brillanz.<br />

Weite Winkel extrem<br />

Sie zählen zu meinen fotografischen Lieblingen,<br />

wenn ich in Sachen Landschaftsfotografie<br />

unterwegs bin: Superweitwinkelobjektive .<br />

Auch der Blick nach<br />

oben, auf dem Rücken<br />

liegend, kann sich<br />

lohnen. Eine ungewöhnliche<br />

Perspektive<br />

für den Betrachter:<br />

Bäume von unten nach<br />

oben fotografiert.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 11 mm<br />

Belichtung 1/290 s<br />

Blende<br />

f/5,6<br />

ISO 400<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 100 mm<br />

Belichtung 1/4 s<br />

Blende<br />

f/2,8<br />

ISO 400<br />

Die Ausdehnung des Unschärfebereichs wird<br />

unter anderem von der Blendenöffnung und dem<br />

Abbildungsmaßstab beeinflusst.<br />

Leider wird mit dem Zugewinn an Schärfentiefe<br />

nicht nur ein Lichtverlust erkauft,<br />

sondern auch ein nicht unbedeutender Abbildungsfehler:<br />

die Beugung. Die Ursache ist<br />

55


AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 10,5 mm<br />

Belichtung 1/250 s<br />

Blende<br />

f/6,3<br />

ISO 400<br />

Ein tiefer Standpunkt bringt bei extremen Weitwinkelaufnahmen noch mehr Dynamik ins Bild.<br />

56<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 15 mm<br />

Belichtung 1/6000 s<br />

Blende<br />

f/4,5<br />

ISO 200


KAPITEL 1<br />

ADRENALINSCHUB<br />

AM POLARKREIS<br />

Ein großer Bildwinkel, verbunden mit einem<br />

großen Schärfebereich bei offener Blende<br />

und einer sehr kurzen Naheinstellgrenze,<br />

bringen Dynamik und Weite ins Bild.<br />

Wichtig: Setzen Sie unbedingt ein Motiv in<br />

den Vordergrund, sonst wirkt die Aufnahme<br />

verloren, und das Bild verliert an Räumlichkeit.<br />

Auch trübe Tage haben was<br />

Trüber Tag mit Bewölkung , Nebel oder diffusen<br />

Lichtverhältnissen ? Lieber die Kamera<br />

in der Hütte oder in der Kameratasche<br />

lassen? Mitnichten! Auch bei diesem unpopulären<br />

Licht lassen sich von gewöhnlichen<br />

Motiven sehr außergewöhnliche Aufnahmen<br />

machen. Spielen Sie doch mal mit den<br />

Parametern Ihrer Kamera – und so gehen<br />

Sie vor:<br />

Doch bedenken Sie bitte, dass die so entstandenen<br />

JPEG-Dateien aufnahmetechnisch<br />

kaputt sind und die ausgefressenen<br />

Lichter und das Bildrauschen später in der<br />

Bildbearbeitung nicht mehr rückgängig gemacht<br />

werden können. Im Zweifel sollten<br />

Sie nach dem Experimentieren lieber eine<br />

zweite Aufnahme im RAW-Format erstellen<br />

oder einfach parallel in RAW und JPEG<br />

speichern, um später sämtliche Optionen<br />

der Bildbearbeitung nutzen zu können.<br />

Experimentieren Sie doch mal live mit den Parametern Ihrer Kamera.<br />

Hoher Suchtfaktor!<br />

1. Aktivieren Sie zunächst den Schwarz-<br />

Weiß-Modus im Aufnahmemenü Ihrer<br />

Kamera und regeln Sie dann die infrage<br />

kommenden Bildparameter Schärfe,<br />

Kontrast und ISO-Wert auf das Maximum<br />

hoch.<br />

2. Dann korrigieren Sie zusätzlich die Belichtung<br />

je nach Motivhelligkeit auf +2 EV<br />

nach oben, oder Sie stellen Blende und<br />

Verschlusszeit einfach manuell (M) ein.<br />

3. Eine offene Blende von z. B. f/2,8 oder<br />

f/4,0 mit Schärfepunkt auf den Vordergrund<br />

unterstreicht diesen Effekt zusätzlich.<br />

Sie erhalten nach dem Auslösen sehr dynamische<br />

Schwarz-Weiß-Aufnahmen mit harten<br />

Kontrasten und ausgefressenen Lichtern<br />

im High-Key-Look. Und das ohne nachträgliche,<br />

zeitfressende Bildmanipulation am<br />

Rechner. Wenn man das erste Bild im Kasten<br />

hat, will man sofort mehr.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 95 mm<br />

Belichtung 1/500 s<br />

Blende<br />

f/5,6<br />

ISO 400<br />

57


AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 95 mm<br />

Belichtung 1/55 s<br />

Blende<br />

f/9,0<br />

ISO 100<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 10 mm<br />

Belichtung 1/4000 s<br />

Blende<br />

f/5,6<br />

ISO 400<br />

Tipp: Speichern Sie diese Einstellungen, falls<br />

möglich, als benutzerdefinierten Filmstil<br />

im Menü der Kamera ab, um jederzeit auf<br />

Knopfdruck darauf zugreifen zu können.<br />

Probieren Sie es einfach einmal aus. Wir<br />

hatten in den Fotogruppen viel Spaß und<br />

wurden mit außergewöhnlichen Aufnahmen<br />

belohnt.<br />

Natürlich habe ich diesen extremen Monochromeffekt<br />

auch gern bei typisch schönem<br />

Postkartenwetter mit Sonne und blauem<br />

Himmel eingesetzt, um mich vom fotografischen<br />

Einheitsbrei typischer Urlaubsbilder<br />

abzusetzen. Was tut man nicht alles!<br />

Eisige Glücksmomente<br />

Dass die Lichtstimmung, die Tageszeit und<br />

der richtige Ort in der Fotografie eine sehr<br />

wichtige Rolle spielen, können Sie an den<br />

nachfolgenden Bildbeispielen mit den Untertiteln<br />

„Endzeit“ und „Körperwelten“ praktisch<br />

nachvollziehen. Hier nun die Entstehungsgeschichte<br />

dieser Bilder: Ich befand mich<br />

zu später Stunde oben auf dem Berg Rukatunturi<br />

, kurz Ruka genannt, einem großen<br />

finnischen Wintersportgebiet, bei dem die<br />

Abfahrtsbereiche und die Skilifte bis spät in<br />

den Abend hinein künstlich beleuchtet sind.<br />

Ursprünglich wollte ich Nordlichter fotografieren.<br />

Aufgrund der Bewölkung und des Eisnebels<br />

auf dem Ruka wollte ich schon nach<br />

kurzer Zeit meine Ausrüstung wieder einpacken<br />

und zur Hütte fahren. Mehr aus Frust<br />

denn aus Lust beschloss ich, die restlichen<br />

Meter bis zur Spitze des Bergs hinaufzusteigen,<br />

um von dort oben einen Blick auf die<br />

Landschaft zu wagen. Oben angekommen,<br />

blieb mir vor Erstaunen fast die Luft weg.<br />

58


KAPITEL 1<br />

ADRENALINSCHUB<br />

AM POLARKREIS<br />

Skurrile Schneegestalten in orangefarbenem<br />

Licht, wohin ich auch schaute. Der<br />

Schnee war unberührt, aber dafür vereist<br />

und sehr hart. Wie immer ohne Schneeschuhe<br />

ausgestattet und schon reichlich<br />

durchgefroren, zog ich meinen Akku aus<br />

der Hosentasche und zitterte bei den Aufnahmen<br />

mehr vor Aufregung als vor Kälte.<br />

Belichtet wurden die Aufnahmen manuell,<br />

also von Hand. Der Weißabgleich war auf<br />

Automatik eingestellt, und die Schärfe habe<br />

ich mit dem Weitwinkelobjektiv manuell fokussiert,<br />

um den Akku und den AF-Motor<br />

zu schonen. Ich fotografierte bis zum letzten<br />

Aufbäumen des Akkus und merkte erst<br />

beim Abstieg, wie sehr ich an meine physische<br />

Grenze gelangt war.<br />

Als ich meine Bilder in den Jahren danach in<br />

Reisevorträgen dem Publikum präsentierte,<br />

wurde ich leider auch mit den Nachteilen<br />

der digitalen Fotografie konfrontiert: Ich<br />

musste mir manchmal die Frage bzw. den<br />

Vorwurf gefallen lassen, die Bilder seien<br />

mithilfe der Bildbearbeitung hinsichtlich<br />

fehlender Spuren im Schnee und der ungewöhnlichen<br />

orangebraunen Farbstimmung<br />

manipuliert worden. Dabei handelt es sich<br />

um reine JPEG-Dateien, die lediglich in den<br />

Tonwerten – also ganz legal – optimiert<br />

worden sind. Das wäre mir zu analogen Zeiten<br />

nicht passiert: Da hatten die Betrachter<br />

einfach nur die Dias auf sich wirken lassen,<br />

ganz egal, wie und womit sie entstanden<br />

sind. So ändern sich die Zeiten.<br />

Körperwelten und Endzeitstimmung.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 17 mm<br />

Belichtung 5,0 s<br />

Blende<br />

f/5,6<br />

ISO 200<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 17 mm<br />

Belichtung 8,0 s<br />

Blende<br />

f/8,0<br />

ISO 200<br />

59


AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 17 mm<br />

Belichtung 2,5 s<br />

Blende<br />

f/5,6<br />

ISO 200<br />

Außergewöhnliche<br />

Lichtstimmungen auf<br />

dem Ruka, hervorgerufen<br />

durch die Reflexion<br />

der Pistenbeleuchtung<br />

gegen den wolkenverhangenen<br />

Himmel.<br />

Aufgenommen mit<br />

der guten alten Konica<br />

Minolta Dynax 7D mit<br />

Langzeitbelichtung.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 17 mm<br />

Belichtung 2,5 s<br />

Blende<br />

f/8,0<br />

ISO 200<br />

60


KAPITEL 1<br />

ADRENALINSCHUB<br />

AM POLARKREIS<br />

Finnlands unfassbar blaue Stunde<br />

Kurz nachdem in Finnland die Sonne untergegangen<br />

ist, werden Sie unfassbar schöne<br />

Motive zu sehen bekommen. Der Himmel<br />

färbt sich in den schönsten Pastelltönen,<br />

und man möchte seinen Augen nicht trauen,<br />

wenn die berühmte blaue Stunde anbricht.<br />

Meine Erfahrung ist leider, dass die<br />

wenigsten Menschen einem beim Präsentieren<br />

der digitalen Bildergebnisse glauben,<br />

dass die Farben wirklich real existiert haben.<br />

Schnell wird dem Fotografen gegenüber<br />

der Vorwurf der Bildmanipulation geäußert.<br />

Der Genießer schweigt.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 20 mm<br />

Belichtung 1/90 s<br />

Blende<br />

f/5,0<br />

ISO 400<br />

Künstliche Lichtquellen in der Polarnacht<br />

Wenn kein Nordlicht am finnischen Nachthimmel<br />

auszumachen ist, sollte man sinnvollerweise<br />

nach künstlichen Lichtquellen<br />

Ausschau zu halten. Verlassen Sie sich auf<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 35 mm<br />

Belichtung 1,6 s<br />

Blende<br />

f/4,5<br />

ISO 200<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 12 mm<br />

Belichtung 1/80 s<br />

Blende<br />

f/2,8<br />

ISO 100<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 100 mm<br />

Belichtung 6,0 s<br />

Blende<br />

f/4,5<br />

ISO 200<br />

Zeitautomatik mit Blendenvorwahl, Stativ und<br />

lange Verschlusszeiten. Es lohnt sich in jedem<br />

Fall, bis zum Einbruch der Dunkelheit zu fotografieren.<br />

61


AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 15 mm<br />

Belichtung 6,0 s<br />

Blende<br />

f/6,3<br />

ISO 400<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 17 mm<br />

Belichtung 1/125 s<br />

Blende<br />

f/6,7<br />

ISO 200<br />

Nachtaufnahme mit Mehrfeldmessung und einer künstlichen Lichtquelle<br />

direkt im rechten Hintergrund.<br />

62<br />

Nachtaufnahme mit Mehrfeldmessung und<br />

einer künstlichen Lichtquelle außerhalb des<br />

linken Hintergrundbereichs.


KAPITEL 1<br />

ADRENALINSCHUB<br />

AM POLARKREIS<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 17 mm<br />

Belichtung 30,0 s<br />

Blende<br />

f/4,0<br />

ISO 100<br />

Das etwas ungewöhnliche Iglu bei Tag im diffusen Licht oder in der Nacht bei Vollmond<br />

aufgenommen. Welche Aufnahme gefällt Ihnen besser?<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 17 mm<br />

Belichtung 20,0 s<br />

Blende<br />

f/4,0<br />

ISO 200<br />

Eine finnische Hütte im Wald, bei Mondschein fotografiert.<br />

63


die Mehrfeldmessung Ihrer Kamera und<br />

fotografieren Sie mit der Zeitautomatik bei<br />

Blendenvorwahl vom Stativ aus mit mittleren<br />

ISO-Empfindlichkeiten. Sollten die Bildergebnisse<br />

in der Belichtung zu hell oder zu<br />

dunkel werden, können Sie mittels der Belichtungskorrekturtaste<br />

schnell und gezielt<br />

eingreifen.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 40 mm<br />

Belichtung 1,5 s<br />

Blende<br />

f/6,3<br />

ISO 400<br />

Schneewesen, Eismonster und Trolle<br />

Finnland ist bekannt für die auf den Bergen<br />

und an den Hängen befindlichen, eisgepanzerten<br />

Fichten, die, von der richtigen<br />

Seite und Perspektive aus betrachtet,<br />

wie Schneewesen , Eismonster oder Trolle<br />

ausschauen können und die Fantasie des<br />

Fotografen immer wieder aufs Neue herausfordern.<br />

Aus der Ferne betrachtet, sehen<br />

die kleinen Eisbäumchen oftmals unscheinbar<br />

aus, und man ist schnell geneigt,<br />

sich wieder abzuwenden. Bitte tun Sie das<br />

auf keinen Fall. Auch wenn der Weg zum<br />

mutmaßlichen Motiv schwer und unsinnig<br />

erscheint, sollten Sie sich keine Chance entgehen<br />

lassen. Der in der Abbildung gezeigte<br />

„Löwe“, der voller Stolz auf sein „Revier“<br />

herabschaut – sehen Sie, wie er sich in die<br />

Brust wirft und tief einatmet?<br />

Das Motiv entpuppte sich erst nach mehrmaligem<br />

Umrunden mit dem Auge und<br />

dem Ausprobieren unterschiedlicher Perspektiven<br />

in seiner vollen Schönheit. Vom<br />

Weg aus war diese schöne Schneefigur<br />

überhaupt nicht erkennbar! Die Aufnahme<br />

erfolgte analog auf Diafilm mit dem Licht<br />

der einsetzenden Dämmerung. Sie können<br />

sich sicherlich vorstellen, wie glücklich ich<br />

war, als ich das perfekt belichtete Dia nach<br />

Wochen endlich in den Händen hielt.<br />

Oben: Der Löwe blickt erhaben auf sein Revier.<br />

Analog aufgenommen auf Diafilm mit der Nikon<br />

F-801.<br />

Unten: Die Monstermutter mit Kind.<br />

64


AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 105 mm<br />

Belichtung 1/1000 s<br />

Blende<br />

f/3,2<br />

ISO 200<br />

KAPITEL 1<br />

ADRENALINSCHUB<br />

AM POLARKREIS<br />

Oben: Gockel am Berg?<br />

Unten: Der einsame Reiter.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 200 mm<br />

Belichtung 1/160 s<br />

Blende<br />

f/6,3<br />

ISO 640<br />

65


Mitte: Leider lassen<br />

sich Spuren im Schnee<br />

beim Bau einer Eisskulptur<br />

nicht immer<br />

ganz vermeiden. Mit<br />

etwas Glück sorgt<br />

Neuschnee für die<br />

Beseitigung der störenden<br />

Elemente, oder Sie<br />

versuchen, Schnee mit<br />

der Schaufel aus der<br />

Luft zu streuen.<br />

Mithilfe einer Motorsäge<br />

zugeschnittene<br />

und mit Taschenlampen<br />

und Fackeln<br />

illuminierte Eisblöcke.<br />

Wenn die Eiselemente<br />

an den Außenseiten<br />

mit Wasser besprüht<br />

werden, erscheinen sie<br />

fast durchsichtig.<br />

Eisskulpturen mit der Motorsäge<br />

Eis- und Schneemotive findet der Fotograf<br />

in Finnland in der Regel in großer Fülle, sofern<br />

er sie ausfindig macht. Oftmals sind<br />

eigene Eisobjekte jedoch fotografisch viel<br />

interessanter und bieten mehr kreativen<br />

Spielraum. Gesägt mithilfe einer großen<br />

Motorsäge oder gegossen in vorgefertigte<br />

Eisformen, werden die Eisobjekte auf einem<br />

zugefrorenen See, im Wald oder auf einer<br />

Lichtung aufgestellt. Mit Kerzen, Fackeln<br />

oder Taschenlampen bei Dämmerung oder<br />

Dunkelheit zusätzlich illuminiert, lassen sich<br />

eindrucksvolle Aufnahmen machen. Die<br />

Ergebnisse verschiedener Eisinstallationen,<br />

aufgenommen mit analogen und digitalen<br />

Spiegelreflexkameras, sehen Sie auf den<br />

nachfolgenden Bildern.<br />

Eisskulpturen selbst bauen<br />

Unsere Versuche, Eisblöcke selbst zu gießen,<br />

schlugen aufgrund der schlechten<br />

Qualität des Eises nach mehreren Versuchen<br />

fehl. Außerdem dauerte der Prozess<br />

des Gefrierens einfach zu lange, da der isolierende<br />

Schnee in der selbst gebauten Eisform<br />

den Frost abhielt. Plastikwannen, mit<br />

Wasser gefüllt, eigneten sich leider auch<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 105 mm<br />

Belichtung 10,0 s<br />

Blende<br />

f/8,0<br />

ISO 200<br />

66


KAPITEL 1<br />

ADRENALINSCHUB<br />

AM POLARKREIS<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 18 mm<br />

Belichtung 1/60 s<br />

Blende<br />

f/6,3<br />

ISO 640<br />

nicht. Also sägten wir die Blöcke für das geplante<br />

„Stonehenge-Monument“ direkt aus<br />

dem einen Meter dicken Eis des Kuusamo-<br />

Sees. Mehrere Ketten rissen, und aufgrund<br />

von Vereisungen am Gehäuse blockierte<br />

eine Motorsäge. Mit einem Trecker zogen<br />

wir die Blöcke dann vom Eis an Land. Aufgrund<br />

des hohen spezifischen Gewichts<br />

von Eis und des schwierigen Handlings<br />

hatten wir die Blöcke nicht zu groß dimensioniert.<br />

Mit einer Kantenlänge von ca. 20 x<br />

50 x 80 cm ließen sich die Eisblöcke noch<br />

gut von zwei Personen tragen und ausrichten.<br />

Dann nahmen wir einen Eimer Wasser<br />

und eine Schöpfkelle aus der Sauna, um die<br />

einzelnen Blöcke miteinander mit Wasserspritzern<br />

zu verkleben. Ruck, zuck hatte die<br />

Eisskulptur Stabilität und Halt.<br />

Ich empfehle Ihnen, sich zu jeder Tageszeit<br />

mit dem Objekt fotografisch auseinanderzusetzen<br />

und verschiedene Lichtstimmungen<br />

zu nutzen. Taschenlampen, entweder<br />

einfach in den Schnee gelegt oder am Stativ<br />

mit Klebeband fixiert, oder große Fackellichter<br />

sorgen bei Dämmerung oder Dunkelheit<br />

für eine fast mystische Stimmung<br />

und reizen zum Experimentieren mit Licht<br />

und Schatten. Benutzen Sie in jedem Fall ein<br />

Stativ sowie den Selbstauslöser oder elektrischen<br />

Fernauslöser, um Verwacklungen<br />

zu vermeiden.<br />

Wichtig: Bei Verwendung eines Stativs muss<br />

der Bildstabilisator an der Kamera bzw. am<br />

Objektiv unbedingt ausgeschaltet sein, um<br />

Eigenvibrationen des Systems zu vermeiden.<br />

Empfohlene Kameraeinstellungen: Belichtungsmessung<br />

auf Mehrfeldmessung, automatischer<br />

Weißabgleich, manuelle Blendenvorwahl<br />

(f/5,6 oder f/8,0) und Zeitautomatik<br />

(A, AV).<br />

Fotografieren Sie nach Möglichkeit im RAW-<br />

Format , um ein optimales Bildergebnis zu<br />

bekommen. Schalten Sie das AF-System<br />

67


nach Möglichkeit ab und fokussieren Sie mit<br />

Unterstützung einer Taschenlampe manuell.<br />

Um einen möglichst großen Schärfebereich<br />

zu erhalten, verwende ich überwiegend<br />

Weitwinkelobjektive. Falls Sie auf den Autofokus<br />

nicht verzichten können, empfiehlt es<br />

sich, den AF-Schalter nach erfolgter automatischer<br />

Scharfeinstellung auf den manuellen<br />

Modus zu setzen, damit das System<br />

nicht nachfokussiert. Weitere Techniken und<br />

Möglichkeiten zum Thema Lichtmalerei erfahren<br />

Sie im nächsten Kapitel „Lichtmalerei<br />

– so geht’s!“.<br />

Aufwendige Lichtinstallation im Wald, mit Fackelkerzen von unten<br />

illuminiert.<br />

Kunstwerk aus Holzstangen, Stoff und farbigen Lampen.<br />

Illuminieren mit Fackelkerzen<br />

Mit großen Fackelkerzen lassen sich Lichtinstallationen<br />

mit selbst gegossenen Dreikanteisleisten<br />

ideal illuminieren . Da wir<br />

nicht genügend Eiszapfen zur Verfügung<br />

hatten, produzierten wir mit einfachen Mitteln<br />

selbst welche. Hierzu haben wir einfach<br />

kaltes Wasser in vorbereitete, sehr lange<br />

Hohlformen aus Holz gegossen, die zusätzlich<br />

mit Müllsäcken ausgelegt waren, um die<br />

Leisten nach dem Gefrieren problemlos entnehmen<br />

zu können. Die gefrorenen Leisten<br />

konnten dann mit dem Auto transportiert<br />

und zur entsprechenden Location gebracht<br />

werden. Dann werden die Fackelkerzen vorsichtig<br />

hinter dem Motiv oder direkt davor in<br />

den Schnee gesetzt, und zwar möglichst so,<br />

dass keine verräterischen Spuren im Schnee<br />

den Gesamteindruck des Motivs stören.<br />

Dies war für die Fotogruppen keine leichte<br />

Aufgabe, und wir brauchten oftmals viele<br />

Stunden, bis die Kerzen optimal ausgerichtet<br />

und keine Spuren mehr im Bild zu erkennen<br />

waren.<br />

68<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 105 mm<br />

Belichtung 30 s<br />

Blende<br />

f/5,0<br />

ISO 200


KAPITEL 1<br />

ADRENALINSCHUB<br />

AM POLARKREIS<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 10 mm<br />

Belichtung 5,0 s<br />

Blende<br />

f/20,0<br />

ISO 400<br />

Figur im Vordergrund mit einer Lampe von links angemalt.<br />

Lichtmalerei – so geht’s!<br />

Mit Licht zu malen, hört sich zunächst etwas<br />

ungewöhnlich an, trifft aber den aus<br />

dem Altgriechischen abgeleiteten Begriff<br />

Fotografie auf den Punkt: Mit unterschiedlichen<br />

Taschenlampen – sprich Lichtpinseln<br />

– und verschiedenfarbigen Filtern werden<br />

bestimmte Bereiche des Motivs gezielt hervorgehoben.<br />

Natürlich habe ich diese sehr<br />

kreative Technik des Fotografierens nicht<br />

erfunden, jedoch schon seit 1993, also zu<br />

analogen Zeiten, erfolgreich praktiziert und<br />

immer weiter ausgebaut. Damals war ich<br />

mit einem Diktiergerät ausgestattet, um<br />

meine Erfahrungen für die spätere Bildauswertung<br />

festzuhalten. Das war noch sehr<br />

spannend. Digital kommt man natürlich viel<br />

sicherer und vor allem schneller ans Ziel.<br />

Dafür ist die Spannung dahin.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 25 mm<br />

Belichtung 10,0 s<br />

Blende<br />

f/8,0<br />

ISO 200<br />

Fliegender Tannenzapfen.<br />

69


In den letzten 10 bis 15 Jahren habe ich die<br />

Technik des Lichtmalens in vielen Seminaren,<br />

Fotoreisen und Schüler-Workshops<br />

weitergegeben und folgende Feststellung<br />

gemacht: Es entwickeln sich in jeder<br />

Gruppe neue Ideen und Maltechniken, die<br />

der Lichtmalerei neue Impulse geben und<br />

sie somit nicht langweilig werden lassen.<br />

Nachfolgend möchte ich Sie nun zumindest<br />

theoretisch auf Ihren Einstieg in eine mystische<br />

Welt vorbereiten.<br />

Gute Ergebnisse bei völliger Dunkelheit<br />

Sie brauchen für die Lichtmalerei eine DSLR-<br />

Kamera mit geringem Rauschverhalten, ein<br />

Weitwinkelzoom, ein stabiles Stativ sowie<br />

einen elektrischen Funkauslöser. Der Fotograf<br />

selbst steckt in dunkler Kleidung und<br />

hat in seiner Zubehörtasche verschiedene<br />

Taschenlampen, Farbfilterfolien, eine Kopflampe<br />

und natürlich – nicht zu vergessen –<br />

einen voll aufgeladenen Ersatzakku. Für alles<br />

andere sorgt ganz allein nur Ihre Kreativität!<br />

Schon mit den unten gezeigten Einstellungen<br />

lassen sich bei völliger Dunkelheit sehr<br />

schnell gute Ergebnisse erzielen, da keine<br />

zusätzlichen Lichtquellen vom Hauptmotiv<br />

ablenken oder dafür verantwortlich sind,<br />

dass Sie selbst auf dem Bild schemenhaft<br />

als Lichtmaler zu erkennen sind. Natürlich<br />

lassen sich mit etwas Erfahrung auch reizvolle<br />

Aufnahmen unter gezielter Berücksichtigung<br />

des vorhandenen Lichts erstellen.<br />

Hierbei sollten Sie jedoch bedenken,<br />

dass der ISO-Wert sowie die eingestellte<br />

Blende und die Belichtungszeit primär auf<br />

das Umgebungslicht abgestimmt werden<br />

müssen. Im ungünstigsten Fall haben Sie<br />

bei zu kurzen Verschlusszeiten nur eingeschränkte<br />

Möglichkeiten der Lichtmalerei.<br />

Nach meinen Erfahrungen eignet sich eine<br />

Verschlusszeit von 30 Sekunden für die<br />

Umsetzung der meisten Motive und Bildideen<br />

sehr gut. Vorteil: Man beschränkt<br />

sich auf das Wesentliche, und die Bilder<br />

werden nicht übermalt. Größere Motive<br />

können auch in der Gruppe, das heißt mit<br />

mehreren Personen gleichzeitig oder nacheinander,<br />

gemalt werden. Leider sind nicht<br />

alle am Markt befindlichen Digitalkameras<br />

für die Lichtmalerei geeignet, da das Rauschen<br />

im Langzeitbereich selbst bei niedrigen<br />

ISO-Einstellungen nicht akzeptabel ist.<br />

Sie können jedoch versuchsweise die kameraseitige<br />

Rauschunterdrückung aktivieren,<br />

um zu besseren Ergebnissen zu kommen.<br />

Nachteil: Die Kamera rechnet häufig doppelt<br />

so lange, bis das Bild endlich im Display<br />

zu beurteilen ist, und Sie können keinen Einfluss<br />

auf die kamerainterne Bearbeitung der<br />

Datei nehmen. Schalten Sie die Noise Reduction<br />

daher besser ab und bearbeiten Sie<br />

die Aufnahmen später am Rechner selektiv.<br />

Empfohlene Kameraeinstellungen:<br />

• Prüfen Sie zu Beginn das eingestellte<br />

Bilddateiformat: am besten RAW und<br />

JPEG parallel abspeichern.<br />

• Danach stellen Sie den Weißabgleich<br />

Ihrer Kamera auf Automatik, er kann<br />

aber je nach gewünschtem Effekt auch<br />

manuell vorgenommen werden.<br />

• Als Belichtungsmessart können Sie<br />

jede der bereits weiter oben im Abschnitt<br />

„Abstecher in die Belichtungsmessung“<br />

beschriebenen Messmethoden<br />

einsetzen.<br />

• Die Lichtempfindlichkeit sollte einen<br />

Wert von maximal ISO 200 nicht überschreiten.<br />

• Die Belichtungssteuerung stellen Sie<br />

auf den Modus M (manuell), die Blende<br />

auf f/5,6 oder f/8,0 (in Abhängigkeit<br />

vom Aufnahmeabstand zum Motiv),<br />

70


KAPITEL 1<br />

ADRENALINSCHUB<br />

AM POLARKREIS<br />

und als Verschlusszeit stellen Sie 30<br />

Sekunden ein.<br />

• Denken Sie unbedingt daran, das eingebaute<br />

Blitzgerät, den Autofokus und<br />

den Bildstabilisator zu deaktivieren.<br />

Intensität des Lichtpinsels variieren:<br />

• Verringern Sie den Abstand zum Motiv.<br />

• Setzen Sie eine stärkere Lampe ein.<br />

• Bündeln Sie den Lichtstrahl der Lichtquelle<br />

stärker und leuchten Sie länger.<br />

• Öffnen Sie die Blende um einen Wert<br />

und erhöhen Sie den ISO-Wert um eine<br />

Stufe.<br />

Originelle Ideen sind das A und O<br />

Wie in der klassischen Fotografie, so gilt<br />

auch in der Lichtmalerei: Ohne eine originelle<br />

Idee kommt man selten zu eindrucksvollen<br />

Ergebnissen. Trotzdem sollte man sich<br />

den Kopf nicht allzu sehr zerbrechen und<br />

ruhig mal drauflosmalen. Viele meiner Teilnehmer<br />

haben in Lichtmalerei-Workshops<br />

auf diese Weise interessante Kunstwerke<br />

geschaffen. Dennoch: Der Grat zwischen<br />

Kitsch und Kunst ist schmal, und nicht jedem<br />

Betrachter gefallen diese außergewöhnlichen<br />

Bilder. Seien Sie also nicht enttäuscht,<br />

wenn Ihre mühsam gemalten Kunstwerke<br />

nicht auf die erhoffte Zustimmung stoßen.<br />

Hier der Kopf eines<br />

Mädchens von oben.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 12 mm<br />

Belichtung 15 s<br />

Blende<br />

f/5,6<br />

ISO 200<br />

71


Ich habe mir beim Versuch, einen weiblichen<br />

Akt zu malen, gehörig die Finger verbrannt:<br />

Es ist auch für einen erfahrenen<br />

Lichtmaler nicht ganz einfach, den Lichtpinsel<br />

im dunklen Raum exakt an den Konturen<br />

eines weiblichen Körpers entlangzuführen.<br />

Resultat: Der Po meines Modells bekam<br />

eine Delle, und die Brust wirkte etwas unförmig.<br />

Mein Versuch, dieses Werk als kreative<br />

Kunst darzustellen, scheiterte kläglich.<br />

Seitdem suche ich mir lieber „stille“ Objekte<br />

und bleibe dem klassischen Porträt treu.<br />

Auf dem Weg zum ersten Lichtbild<br />

Sie haben noch immer keine Idee? Keine<br />

Sorge! Ganz normale Objekte des täglichen<br />

Bedarfs, zum Beispiel ein Haartrockner<br />

oder eine leuchtende Glühbirne, bekommen<br />

mithilfe der Lichtmalerei eine nahezu<br />

mystische Anmutung. Am besten suchen<br />

Sie sich zum Üben einen dunklen Kellerraum<br />

mit ausreichend Platz für das Objekt<br />

zur Rückwand, damit keine Schatten den<br />

Bildeindruck negativ beeinflussen. Platzie-<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 14 mm<br />

Belichtung 30 s<br />

Blende<br />

f/5,6<br />

ISO 200<br />

Leuchtende Glühbirne – eine der letzten ihrer Art.<br />

72


KAPITEL 1<br />

ADRENALINSCHUB<br />

AM POLARKREIS<br />

ren Sie das Objekt auf einem Stuhl und versuchen<br />

Sie, sich in Gedanken vorzustellen,<br />

welche Bereiche Sie gezielt mit dem Lichtpinsel<br />

hervorheben möchten und welche im<br />

Dunkeln verschwinden sollen. Das ist nicht<br />

ganz einfach und verlangt viel Vorstellungskraft.<br />

• Stellen Sie manuell auf das Objekt<br />

scharf und nehmen Sie die oben aufgeführten<br />

Einstellungen an der Kamera<br />

vor. Nehmen Sie die Lampe bzw. den<br />

Lichtpinsel in die Hand und schalten Sie<br />

das Licht aus. Jetzt aktivieren Sie den<br />

Selbstauslöser der Kamera mit 12 Sekunden<br />

Vorlaufzeit und gehen auf Tuchfühlung<br />

zu Ihrem Motiv. Der Verschluss<br />

der Kamera öffnet sich jetzt für 30 Sekunden,<br />

und los geht’s.<br />

• Führen Sie die Taschenlampe langsam<br />

und gleichmäßig in einem Abstand von<br />

zwei bis drei Fingern am Motiv entlang.<br />

Achten Sie unbedingt darauf, dass Sie<br />

sich nicht mit dem Rücken vor die Kamera<br />

stellen und das Motiv abdecken.<br />

Am besten ist eine wechselnde, seitliche<br />

Position zum Objekt, um zu vermeiden,<br />

dass Sie später in der Aufnahme<br />

schemenhaft zu erkennen sind.<br />

• Halten Sie die Taschenlampe von der<br />

Kamera weg in Richtung Motiv, um<br />

Streifenbildung im Bild zu vermeiden.<br />

Wenn Sie die Konturen jedoch betonen<br />

möchten, sollten Sie die Lampe direkt<br />

vom Motiv in Richtung Kamera führen.<br />

Farbfilterfolien erzeugen spannende<br />

Effekte und geben Ihrem Motiv den<br />

letzten Schliff. Setzen Sie diesen Effekt<br />

jedoch sehr sparsam ein. Verschiedene<br />

Lichtquellen mit unterschiedlichen Farbtemperaturen<br />

und Leuchtwinkeln können<br />

je nach Größe und Beschaffenheit<br />

des Objekts auch Konturen hervorheben<br />

oder Flächen zum Strahlen bringen.<br />

• Versuchen Sie immer, gleichmäßige<br />

und nicht zu hektische Bewegungsabläufe<br />

durchzuführen, um die Aufnahme<br />

gegebenenfalls wiederholen bzw. später<br />

noch reproduzieren zu können. Hierbei<br />

werden anfangs die meisten Fehler gemacht.<br />

Arbeiten Sie sich mit dem Lichtpinsel<br />

systematisch an das Motiv heran<br />

und seien Sie nicht enttäuscht, wenn es<br />

auf Anhieb nicht perfekt klappt.<br />

Mit etwas Übung und Geduld werden Sie<br />

mit außergewöhnlichen Ergebnissen belohnt.<br />

Nach meinen Erfahrungen benötigen<br />

Sie eine zeitliche Anlaufphase von ca. zwei<br />

bis vier Stunden, um zu den ersten vorzeigbaren<br />

Ergebnissen zu kommen.<br />

Sind Sie fit? Dann können Sie sich jetzt<br />

warm anziehen und Ihre neu erlernten Fertigkeiten<br />

endlich im Freien ausprobieren. Ob<br />

Eisskulpturen im Schnee, Bäume oder Holzstapel<br />

– alles lässt sich mit etwas Übung und<br />

Erfahrung kreativ und effektvoll bemalen.<br />

BLEIBEN SIE UNSICHTBAR<br />

Wenn Sie bei Dunkelheit oder<br />

Dämmerung im Schnee ein Eisobjekt<br />

anmalen, kann es schnell passieren,<br />

dass Sie selbst im Bild als schwache<br />

Silhouette sichtbar sind. Das stört<br />

den Gesamteindruck und entzaubert<br />

die Aufnahme. Daher gilt:<br />

immer schön in Bewegung und somit<br />

unsichtbar bleiben oder später in<br />

der Bildbearbeitung die Aufnahme<br />

retuschieren.<br />

73


AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 13 mm<br />

Belichtung 1/10 s<br />

Blende<br />

f/5,0<br />

ISO 400<br />

Ein von der Last von Eis und Schnee gebogener Baum – mit großer<br />

Taschenlampe von rechts kommend angemalt.<br />

Die Krux mit dem Nordlicht<br />

Die Frage „Bekommen wir ein Nordlicht<br />

zu sehen?“ wurde mir auf jeder Fotoreise<br />

nach Lappland gestellt. Mir war durchaus<br />

klar, dass die Erwartungen der Teilnehmer<br />

hoch waren – immerhin hatte ich im Vorfeld<br />

schon meine Aufnahmen gezeigt – und<br />

ich bei der Formulierung meiner Antwort<br />

eher zurückhaltend sein musste. Nichts ist<br />

schlimmer, als eine Nordlichtgarantie zu<br />

geben und dann nach zwei Wochen mit<br />

enttäuschten Gesichtern in Richtung Heimat<br />

zu fahren, weil das versprochene Himmelsschauspiel<br />

nicht zu sehen war. Da die<br />

Wahrscheinlichkeit jedoch im Winter recht<br />

hoch ist und die Anforderungen an den<br />

Fotografen und die Kamera nicht geringer<br />

sind, möchte ich dem Thema in diesem Kapitel<br />

eine ausführlichere Beachtung schenken.<br />

Hoffentlich ganz in Ihrem Sinne, oder?<br />

74


KAPITEL 1<br />

ADRENALINSCHUB<br />

AM POLARKREIS<br />

Was ist das Nordlicht?<br />

Das Nordlicht oder, exakter ausgedrückt,<br />

Polarlicht, die Morgendämmerung des Nordens,<br />

ist eine Licht- und Farberscheinung,<br />

die beim Auftreffen geladener Teilchen<br />

des Sonnenwinds auf die Erdatmosphäre<br />

in den Polargebieten der Erde entsteht.<br />

Die ersten Schilderungen des Nordlichts<br />

wurden übrigens durch den norwegischen<br />

Polarforscher Fridtjof Nansen (1861–1930)<br />

mit Worten und Farbstiften zu Papier gebracht.<br />

Die Zone der maximalen Häufigkeit<br />

verläuft durch Nordnorwegen (Tromsö),<br />

Nordkanada (Hudson Bay), Nordalaska<br />

und die Meeres- und Eisflächen nördlich<br />

des russischen Kontinents. Die Häufigkeit<br />

von Nordlichtern in den mittleren Breiten<br />

(Mitteleuropa) hängt von der Sonnenaktivität<br />

ab. Die Sonne durchläuft einen Aktivitätszyklus<br />

(Sonnenfleckenzyklus), der im<br />

Nordlicht über Kuusamo.<br />

Analog aufgenommen<br />

mit der Nikon F-801 auf<br />

Diafilm.<br />

75


Durchschnitt elf Jahre andauert. Mit diesem<br />

Zyklus schwankt auch die Häufigkeit<br />

und Stärke von Nordlichtern.<br />

Woher kommen die Farben?<br />

Nordlichter sind ständig in Bewegung, ändern<br />

fortlaufend ihre Intensität – bedingt<br />

durch die Geschwindigkeit der ankommenden<br />

Partikel von der Sonne – und können<br />

verschiedenfarbig am Himmel zu sehen<br />

sein. Blauviolettes und rotes Licht entstehen<br />

durch angeregte Stickstoffatome, die<br />

in gut 100 km Höhe in der Ionosphäre vorkommen.<br />

Hierbei sind jedoch sehr hohe<br />

Energiemengen notwendig, und so lassen<br />

sich diese Farben nur bei starken Sonnenwinden<br />

beobachten. In einer Höhe von 100<br />

bis 240 km ist die grüne Sauerstofflinie am<br />

stärksten, und über 240 km Höhe erscheinen<br />

rote Sauerstofflinien. Da der Sonnenwind<br />

außerhalb der Polarregionen nur selten<br />

tief in die Atmosphäre eindringen kann,<br />

sind Polarlichter in Europa meistens rot am<br />

Himmel sichtbar.<br />

Wann kommt es denn?<br />

Jeder Mensch, der die Morgendämmerung<br />

des Nordens schon einmal live am Himmel<br />

gesehen hat, wird schnell in ihren Bann gezogen.<br />

Doch zunächst will das Nordlicht<br />

auch am Himmel entdeckt werden.<br />

Unter www.meteoros.de/polar/polwarn.htm<br />

erfahren Sie, wie sich die Aktivität in den<br />

letzten Stunden entwickelt hat, wie stark<br />

die Sonnenwinde sind und wie sich das<br />

Nordlicht über dem Polargebiet verteilt bzw.<br />

verteilen wird. Die Intensität des Lichts wird<br />

mit einem K-Wert angegeben. Bei einem<br />

K-Wert ab 4 ist es im Norden bereits sichtbar,<br />

und bei hohen K-Werten (ab K 6) ist die<br />

Wahrscheinlichkeit groß, auch ein Nordlicht<br />

in Deutschland sehen zu können.<br />

Die Aurora Borealis ist auf Anhieb gar nicht<br />

so einfach zu entdecken. Mit etwas Glück<br />

erkennt man sie bereits in der einsetzenden<br />

Dämmerung zur berühmten blauen<br />

Stunde Finnlands. Jetzt ist die Wirkung besonders<br />

schön und ausgeprägt, vor allem<br />

wenn am Horizont noch der Lichtbogen der<br />

zuvor untergegangenen Sonne zu sehen<br />

ist – Gänsehaut-Feeling garantiert. Nach<br />

meiner Erfahrung spielt sich das spektakuläre<br />

Lichtschauspiel am Himmel mit großer<br />

Wahrscheinlichkeit am dunklen, wolkenfreien<br />

Nachthimmel ab.<br />

Gehen Sie daher nach Einbruch der Dunkelheit<br />

im Stundentakt, besser Halbstundentakt,<br />

nach draußen und beobachten Sie den<br />

Himmel sehr genau. Wir hatten in unserer<br />

Fotoreisegruppe freiwillige „Nordlichtwachen“<br />

aufgestellt, die, gut versorgt mit heißem<br />

Tee, den Himmel beobachteten und<br />

stündlich abgelöst wurden, damit wir den<br />

entscheidenden Moment nicht verschliefen.<br />

Auch wenn es noch so schön warm<br />

und gemütlich vor dem Ofen in der Hütte<br />

ist: Sitzt man im Inneren eines Raums, sind<br />

die Lichter am Himmel nicht zu erkennen,<br />

da das Auge aufgrund der Innenbeleuchtung<br />

adaptieren muss und sich bei einem<br />

flüchtigen Blick aus dem Fenster nicht so<br />

schnell an die Dunkelheit anpassen kann.<br />

Gleiches gilt, wenn Sie vom hellen Raum in<br />

die Dunkelheit gehen.<br />

Gönnen Sie sich ein paar Minuten Zeit, bis<br />

sich die Augen an die dunkle Umgebung<br />

gewöhnt haben und die Empfindlichkeit wieder<br />

zugenommen hat. Erschwerend kommt<br />

hinzu, dass unser menschliches Auge in der<br />

Dunkelheit nur über eine reduzierte Schwarz-<br />

Weiß-Wahrnehmung verfügt. Man braucht<br />

in jedem Fall etwas Übung und Erfahrung,<br />

um die ersten Anzeichen eines Nordlichts auf<br />

Anhieb sicher zu erkennen. Ich erinnere mich<br />

76


KAPITEL 1<br />

ADRENALINSCHUB<br />

AM POLARKREIS<br />

an einen nächtlichen Fehlalarm, hervorgerufen<br />

durch den Abgasstrahl eines Flugzeugs<br />

am Nachthimmel.<br />

Vermeiden Sie es, bei Ihren externen Erkundungen<br />

nur kurzzeitig ins Helle zu gehen<br />

bzw. in eine helle Lichtquelle zu schauen.<br />

Sonst ist die Dunkeladaption Ihrer Augen<br />

für einige wertvolle und vielleicht entscheidende<br />

Minuten außer Kraft gesetzt.<br />

Tipp: Ideal für den Außenbereich sind nicht<br />

die weißen, sondern die roten LED-Lampen,<br />

da das rote Licht keine Blendwirkung<br />

hat und ein Adaptieren der Augen somit<br />

nicht erforderlich ist.<br />

Auf den Standort kommt es an<br />

Der richtige Standort muss fotografisch ideal<br />

sein, das heißt, Sie brauchen Platz! Viele<br />

meiner Aufnahmen vom Nordlicht sind auf<br />

dem zugefrorenen Kuusamo Järvi entstanden,<br />

der den Himmel ungestört von Bäumen<br />

und Sträuchern freigab und auch der<br />

Fotogruppe genügend Raum zum Arbeiten<br />

bot. Sie sollten den idealen Aufnahmeort<br />

unbedingt vorher, bei Tageslicht, erkunden.<br />

• Ist der Weg dorthin auch im Dunkeln<br />

gut erreichbar und begehbar?<br />

• Gibt es einen Parkplatz in der Nähe, und<br />

wie viel Zeit muss bis zum Aufnahmeort<br />

eingeplant werden?<br />

• Noch wichtiger ist die Einschätzung des<br />

vorhandenen Störlichts. Falls sich in<br />

der Ferne ein Ort oder ein illuminiertes<br />

Gebäude bzw. Gelände in unmittelbarer<br />

Nähe befindet, wird der Effekt des<br />

Nordlichts abgeschwächt oder ist überhaupt<br />

nicht sichtbar. Was tun?<br />

Nordlicht über dem<br />

Kuusamo-See. Im<br />

Vordergrund befindet<br />

sich das „Stonehenge-<br />

Eismonument“. Analog<br />

aufgenommen mit<br />

der Nikon F-801 auf<br />

Diafilm.<br />

77


Bei vielen Nordlichtaufnahmen<br />

habe ich zusätzlich im<br />

Vordergrund mit illuminierten<br />

Eisobjekten gearbeitet,<br />

um mehr Spannung und<br />

Tiefe zu bekommen. Hier<br />

wurden sowohl starke<br />

Taschenlampen als auch<br />

Fackelkerzen eingesetzt, um<br />

das Motiv zu beleuchten.<br />

Probieren Sie es einfach einmal<br />

aus. Analog aufgenommen<br />

mit der Nikon F-801<br />

auf Diafilm.<br />

78<br />

Fotografieren Sie bei Dunkelheit testweise<br />

den Nachthimmel und beurteilen Sie dann,<br />

wie stark sich der Einfluss von Fremdlichtquellen<br />

auf das Bildergebnis auswirkt. Im<br />

Zweifel ändern Sie zunächst die Aufnahmerichtung,<br />

verwenden eine kürzere Brennweite<br />

mit einem kleineren Bildwinkel oder<br />

suchen sich einen anderen Aufnahmeort.<br />

Finnland bietet ausreichend Platz und Möglichkeiten.<br />

Vorbereitung ist alles<br />

Stellen Sie sich vorweg auf eine lange und<br />

vor allem kalte Nacht ein, wenn Sie sich auf<br />

die fotografische Jagd nach der Aurora Borealis<br />

begeben! Wenn Ihre Hütte an einem<br />

fotografisch idealen Ort liegt, haben Sie<br />

großes Glück und können sich zwischendurch<br />

aufwärmen und mit dem Nötigsten<br />

versorgen. Sind Sie mit dem Auto unterwegs,<br />

tanken Sie das Fahrzeug vorher voll,<br />

da der Motor im Stand – um den Innenraum<br />

warm zu halten – deutlich mehr Kraftstoff<br />

verbraucht. Warme Kleidung mit Kopfbedeckung<br />

und Gesichtsmaske sowie ein zweites<br />

Paar Stiefel und Ersatzhandschuhe gehören<br />

zur Grundausstattung des Nordlichtfotografen.<br />

Setzen Sie die Kamera in der Hütte oder im<br />

Auto einsatzbereit auf ein Stativ, nehmen<br />

Sie den Akku aus der Kamera heraus und<br />

bewahren Sie ihn an einem warmen Ort am<br />

Körper auf. So bewahrt die Energiequelle<br />

in der Kälte deutlich länger ihre Kapazität.<br />

Alternativ können Sie den Akku auch auf<br />

ein aktiviertes Gelpad in die Kameratasche<br />

legen. Falls Sie einen zweiten Akku bei sich<br />

tragen, umso besser. Vergessen Sie nicht<br />

die Thermoskanne mit heißem, alkoholfreiem<br />

Tee oder Kaffee und die Energierie-


KAPITEL 1<br />

ADRENALINSCHUB<br />

AM POLARKREIS<br />

gel für die Hungeranfälle zwischendurch.<br />

Ein Taschenofen oder wärmende Gelpads<br />

sorgen für warme Hände und halten die<br />

Kameratasche auf Temperaturen über dem<br />

Gefrierpunkt.<br />

Material, das mitmuss:<br />

• Ein schweres bzw. stabiles Stativ mit<br />

Schaumstoffummantelung sowie eine<br />

beleuchtete LED-Libelle für die waagerechte<br />

Ausrichtung der Kamera.<br />

• Ein elektrischer Fernauslöser mit Kabel<br />

oder besser per Funk.<br />

• Zwei Kameraakkus plus Ladegerät oder,<br />

noch besser, ein externes Batterieteil<br />

für die Kamera mit Kabelverbindung<br />

sowie ein 220-Volt-Umspanntrafo für<br />

das Auto.<br />

• Ein Kamerareinigungsset (Sensorreinigung)<br />

und ein Objektivreinigungstuch.<br />

• Die Kamera ohne Trageriemen mit lichtstarkem<br />

Weitwinkelzoom oder Weitwinkelfestbrennweite.<br />

• Robuste Speichermedien mit einer Kapazität<br />

von 2 bis 4 GByte.<br />

• Ein mobiler Datenspeicher oder Laptop.<br />

• Gefütterte Kameratasche, wärmende<br />

Gelpads oder Taschenofen.<br />

• LED-Kopflampe (optional mit roter Filterfolie)<br />

für den Weg zum Aufnahmeort.<br />

• Kleine LED-Lampe mit rotem Licht für<br />

die Kontrolle der Kameraeinstellungen<br />

vor Ort.<br />

• Starke Taschenlampen für die zusätzliche<br />

Beleuchtung von Objekten im Vordergrund.<br />

• Beleuchtete LCD-Uhr mit Timerfunktion<br />

im Bulb-Modus.<br />

• Folie oder dünne Isomatte zum Unterlegen<br />

für die Schuhe oder Knie bei Nässe<br />

oder extremer Kälte.<br />

• Zweithandy mit finnischer Telefonkarte<br />

zwecks Lageaustausch untereinander.<br />

Relevante Kameraeinstellung en detail<br />

Bitte nehmen Sie alle hier aufgeführten relevanten<br />

Kameraeinstellungen vor, bevor<br />

Sie sich in Kälte und Dunkelheit begeben!<br />

RAW oder JPEG?<br />

Um für alle Fälle gewappnet zu sein, sollten<br />

Sie parallel im RAW- und JPEG-Format fotografieren.<br />

Oftmals ist eine spätere Bearbeitung<br />

der Dateien mittels Bildbearbeitung<br />

notwendig – um z. B. das Rauschen zu entfernen<br />

oder Tonwerte und Farben zu korrigieren.<br />

Hierfür eignet sich das verlustbehaftete<br />

und bereits von der Kamerasoftware<br />

„entwickelte“ JPEG-Format nur in sehr begrenztem<br />

Umfang. Bei der Komprimierung<br />

wird das Bild in 8 x 8 Pixel große Blöcke unterteilt,<br />

in denen die Farb- und Helligkeitsinformationen<br />

je nach Komprimierungsstufe<br />

mehr oder weniger stark zusammengefasst<br />

werden. Wird ein Bild zu stark komprimiert<br />

oder zu stark vergrößert, werden sogenannte<br />

Blockartefakte sichtbar. Diese werden oft<br />

auch als JPEG-Artefakte bezeichnet.<br />

Im kameraspezifischen RAW-Format hingegen<br />

stehen Ihnen alle Türen der späteren<br />

Bearbeitung und Optimierung der „rohen“<br />

Bilddaten offen. Tipp: Alternativ können Sie<br />

die RAW-Daten auch im Automatikmodus<br />

des Konverters entwickeln und dann als<br />

JPEG-Datei abspeichern. Häufig sehen die<br />

Ergebnisse dann im Vergleich zu den generierten<br />

JPEG-Dateien aus der Kamera deutlich<br />

besser aus.<br />

79


Auch eine Variante:<br />

Nordlicht mit Hütte<br />

im Vordergrund, die<br />

mit Taschenlampen<br />

und rotem Farbfilter<br />

zusätzlich angemalt<br />

wurde.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 42 mm<br />

Belichtung 18 s<br />

Blende<br />

f/4,0<br />

ISO 400<br />

Grundlegende Kameraparameter<br />

Wenn Sie von vornherein nur im JPEG-Format<br />

fotografieren möchten, sollten Sie, um<br />

optimale Ergebnisse zu erzielen, die Aufnahmeparameter<br />

Ihrer Kamera sehr explizit<br />

vorgeben. Wählen Sie zunächst die höchste<br />

physikalische Auflösung der Kamera und<br />

den niedrigsten Komprimierungsfaktor (z. B.<br />

„L“ und „fein“), um die Qualitätseinbußen<br />

möglichst gering zu halten.<br />

Die Kameramenüparameter Kontrast, Helligkeit,<br />

Farbsättigung und der richtige „Filmstil“<br />

(z. B. Standard, Landschaft, Schwarz-Weiß<br />

etc.) sollten, je nach Kameratyp, eher neutral<br />

eingestellt werden. Testen Sie die Wirkung<br />

dieser Parameter am besten vorher anhand<br />

von Aufnahmen bei Dunkelheit mit künstlichen<br />

Lichtquellen – z. B. einer beleuchteten<br />

Stadt im Hintergrund –, um deren Einfluss auf<br />

das Bildergebnis zu kennen. Arbeiten Sie nur<br />

im größeren Adobe RGB-Farbraum, um einen<br />

möglichst großen Tonwertumfang darstellen<br />

zu können und eine verlustbehaftete Konvertierung<br />

der Farben in der anschließenden<br />

Bildbearbeitung zu vermeiden.<br />

Viele DSLR-Kameras verfügen über eine<br />

optionale interne Rauschunterdrückung.<br />

Diese sollten Sie deaktivieren, denn leuchtende<br />

Sterne am Himmel könnten von der<br />

Software der Kamera als störendes Rauschen<br />

gedeutet und aus dem Bild gerechnet<br />

werden. Zudem nimmt das Verarbeiten der<br />

Bilder genauso viel Zeit in Anspruch wie die<br />

Belichtungszeit der Aufnahme. Das ist lästig,<br />

zumal man Gefahr läuft, den richtigen<br />

Augenblick on Location zu verpassen.<br />

80


KAPITEL 1<br />

ADRENALINSCHUB<br />

AM POLARKREIS<br />

Der hundertprozentige Weißabgleich und<br />

der korrekte ISO-Wert spielen im RAW-<br />

Format im Grunde genommen keine große<br />

Rolle, da diese Parameter in der späteren<br />

Bearbeitung im Konverter noch verändert<br />

werden können. Für die JPEG-Fotografen<br />

gilt: Stellen Sie den Weißabgleich zunächst<br />

auf AWB (Automatic White Balance) und<br />

beurteilen Sie die Wirkung auf dem Display.<br />

Sollten die Farben total danebenliegen,<br />

können Sie im Menü Ihrer Kamera<br />

eine Korrektur der Farbtemperatur in Kelvin-Schritten<br />

(K) vorgeben. Ich habe mich<br />

bisher gut auf den automatischen Weißabgleich<br />

meiner Kameras verlassen können<br />

und Korrekturen, auch im JPEG-Dateiformat,<br />

in der späteren Bildbearbeitung (globale<br />

Farbkorrektur) vorgenommen.<br />

Wählen Sie einen maximalen ISO-Wert von<br />

ISO 400 vor, wenn Sie im JPEG-Format fotografieren,<br />

um das Rauschen möglichst<br />

gering zu halten und einen großen Dynamikumfang<br />

nutzen zu können. Schalten Sie<br />

den Autofokus am Objektiv oder an der<br />

Kamera aus und deaktivieren Sie auch das<br />

„Antiverwacklungssystem“, um Unschärfen<br />

bei der Verwendung am Stativ zu vermeiden.<br />

Fokussieren Sie die Entfernung manuell<br />

am Objektiv. Bei Weitwinkelobjektiven verfügen<br />

Sie auch bei offener Blende über einen<br />

ausreichend großen Schärfebereich, sodass<br />

kleinere Abweichungen beim Fokussieren<br />

kompensiert werden.<br />

DSLR-Kameras mit optionaler Live-View-<br />

Funktion erlauben es, den Bildausschnitt,<br />

Belichtung, Weißabgleich und die Fokussierung<br />

live über das LC-Display der Kamera<br />

einzustellen. Feine Sache. Aber nicht für<br />

die Nordlichtfotografie geeignet, da energiefressend,<br />

zeitaufwendig und blendend<br />

– also: ausschalten.<br />

Automatische Belichtungszeit<br />

Die automatische Belichtungszeiteinstellung<br />

in den Modi Programm- und Zeitautomatik<br />

erstreckt sich im Langzeitbereich<br />

bei DSLR-Kameras bis zu maximal 30 Sekunden.<br />

Die Automatik Ihrer Kamera ist<br />

jedoch nur bedingt für Nordlichtsituationen<br />

geeignet, daher ist die manuelle Einstellung<br />

von Verschlusszeit und Blende im Modus<br />

Manuell oder Bulb mit Unterstützung einer<br />

separaten Uhr zu empfehlen.<br />

Aktivieren Sie für die Ermittlung der richtigen<br />

Belichtungszeit die Mehrfeld- oder Matrixmessung<br />

und nehmen Sie gegebenenfalls<br />

DAS PROBLEM<br />

DER ERD ROTATION<br />

Ein weiteres Problem stellt die Erdrotation<br />

dar, die ab einer bestimmten<br />

Verschlusszeit und Brennweite sowie<br />

aufgrund weiterer Faktoren dafür<br />

sorgt, dass die Sterne am Nachthimmel<br />

als längliche Striche auf dem Bild<br />

zu erkennen sind. Praxistests zeigen,<br />

dass mit einem APS-C-Sensor und<br />

einem Fisheye-Objektiv noch scharfe<br />

Aufnahmen bis 20 Sekunden gemacht<br />

werden können. Die Berechnung der<br />

maximalen Belichtung, die für eine<br />

noch scharfe Abbildung von Sternen<br />

sorgt, können Sie im Internet unter<br />

www.berndmargotte.com/technical/<br />

startrails_de.html nachlesen. Im Zweifel<br />

hilft nur, zu experimentieren und<br />

Erfahrungen mit der optimalen Belichtungszeit<br />

zu sammeln. Tipp: Vergrößern<br />

Sie das Bild beim Betrachten im<br />

Display mit der Lupenfunktion, damit<br />

Sie die Bewegung der Sterne und die<br />

daraus resultierenden Unschärfen<br />

besser beurteilen können.<br />

81


AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 15 mm<br />

Belichtung 20 s<br />

Blende<br />

f/4,0<br />

ISO 800<br />

82


KAPITEL 1<br />

ADRENALINSCHUB<br />

AM POLARKREIS<br />

eine Belichtungskorrektur mit der Taste +/–<br />

von –2/3 EV bis –1 EV (1 EV, engl. Exposure<br />

Value = Lichtwert, entspricht einer Blendenoder<br />

Zeitstufe) vor, um die Aufnahme etwas<br />

dunkler zu belichten.<br />

Obwohl die Mehrfeldmessung die Nachtsituation<br />

erkennen müsste, kann es aufgrund<br />

des sich in der Intensität ändernden Nordlichts<br />

und des hellen Schnees in der Umgebung<br />

vorkommen, dass die Belichtung abweicht.<br />

Zu analogen Zeiten musste ich mich<br />

voll und ganz auf meine Erfahrungen verlassen<br />

und „mit der Hand“ anmessen. Das<br />

war sehr aufregend und manchmal auch<br />

ernüchternd, wenn man später die Aufnahmen<br />

gesichtet hatte. Digitalfotografen sind<br />

da klar im Vorteil.<br />

Wählen Sie eine möglichst große Blende<br />

vor und pegeln Sie mit der Verschlusszeit<br />

die Belichtung so aus, dass noch ausreichend<br />

Zeichnung in Lichtern und Schatten<br />

besteht (Histogramm beachten) und<br />

der Charakter einer Nachtaufnahme nicht<br />

verloren geht. Tipp: Automatische Belichtungsreihen<br />

helfen Ihnen schnell dabei und<br />

sparen in Verbindung mit einer schnellen<br />

Bildfrequenz viel Zeit. Das lästige Fummeln<br />

am Einstellrädchen für die Blende entfällt.<br />

Belichtet wird zwischen 5 und 20 Sekunden<br />

bei ISO 400, abhängig von der Lichtstärke<br />

des Objektivs sowie der vorgewählten Blende<br />

und der Intensität des Nordlichts.<br />

Grünliches Nordlicht<br />

über dem Kuusamo-<br />

See. Im Vordergrund<br />

ist das beleuchtete<br />

Eisobjekt „Das Ding“<br />

zu sehen.<br />

Selbstauslöser aktivieren<br />

Aktivieren Sie den Selbstauslöser mit einer<br />

Vorlaufzeit von 4 bis 6 Sekunden, oder<br />

verwenden Sie einen elektrischen Auslöser.<br />

Wenn Sie auf Kabelsalat und steif gefrorene<br />

Kabel verzichten möchten, empfehle ich<br />

Ihnen die Funkvariante. Die Hände können<br />

beim Auslösen in der Tasche bleiben, und<br />

im Idealfall sitzen Sie ganz entspannt im<br />

warmen Auto unweit Ihrer Kamera. Wenn<br />

83


Ihre Kamera über eine Spiegelvorauslösung<br />

verfügt, sollten Sie diese aktivieren, damit<br />

die durch den Spiegelschlag hervorgerufene<br />

leichte Erschütterung des Kameragehäuses<br />

nicht zu Unschärfen führt.<br />

Energiequelle Akku<br />

Langzeitbelichtungen zehren an der Kapazität<br />

des Akkus , da der Spiegel gehalten und<br />

der Verschlussvorhang über einen längeren<br />

Zeitraum geöffnet bleiben muss. Hinzu<br />

kommt der größte Feind jeder Energiequelle:<br />

die eisige Kälte . Abhilfe schafft ein warm<br />

gehaltener Zweitakku oder ein externes<br />

Batterieteil, das über eine Kabelverbindung<br />

die Kamera mit der benötigten Energie versorgt.<br />

Das Batterieteil kann separat in einer<br />

mit Gelpads beheizten Tasche gut geschützt<br />

gegen die Kälte verwahrt werden. Sie können<br />

aber auch ein 220-Volt-Netzteil verwenden,<br />

wenn Sie einen Spannungswandler<br />

an den Zigarettenanzünder Ihres Fahrzeugs<br />

anschließen, der die 12 Volt der Autobatterie<br />

auf 220 Volt hochtransformiert. Eine feine<br />

Sache. Lassen Sie dabei den Motor laufen,<br />

da der Wandler entsprechend viel Energie<br />

benötigt. Natürlich können Sie an die Steckdose<br />

auch andere Geräte wie z. B. ein Ladegerät,<br />

eine Kaffeemaschine oder den Laptop<br />

für die Datensicherung anschließen.<br />

Die Sache mit der Farbe<br />

Beim vollautomatischen Weißabgleich sucht<br />

die Kamera nach einer für sie weiß erscheinenden<br />

Fläche. Das kann funktionieren, wenn<br />

wirklich nahezu Weiß in ihrem Blickfeld ist.<br />

In Wirklichkeit ermittelt sie jedoch nur die<br />

hellste Stelle des Bilds, die naturgemäß im<br />

Original nicht unbedingt weiß gewesen sein<br />

muss. Die Folge davon sind Farbstiche , die<br />

nicht immer als künstlerische Verfremdung<br />

akzeptiert werden können. Der vollautomatische<br />

Weißabgleich versagt zum Beispiel<br />

häufig bei Aufnahmen im Dämmerlicht oder<br />

bei unterschiedlichen Lichtquellen. Beim<br />

halbautomatischen Weißabgleich wählt der<br />

Fotograf an seiner Digitalkamera eine fest<br />

gespeicherte Lichtsituation aus. Typischerweise<br />

sind derartige Grundumgebungen für<br />

Sonnenlicht, bewölkten Himmel, Blitzlicht,<br />

Innenlicht oder Halogenlicht gespeichert.<br />

Beim manuellen Weißabgleich verlässt<br />

man sich nicht auf fest gespeicherte Profile<br />

oder die Kameraautomatik, sondern auf<br />

ein weißes Blatt Papier, das formatfüllend<br />

fotografiert wird. Der Kamera teilt man<br />

dann im Einstellungsmenü mit, dass diese<br />

Aufnahme für den Weißabgleich verwendet<br />

werden soll. Die Farbe Weiß wird dann<br />

entsprechend dieser Vorlage eingestellt<br />

und der übrige Farbraum entsprechend<br />

gespreizt. Der Vorteil des manuellen Weißabgleichs<br />

ist, dass das eigentlich zu fotografierende<br />

Motiv keine weißen Elemente<br />

enthalten muss und dass sich die Einstellungen<br />

speichern lassen.<br />

Digitale Bilder für die Ewigkeit?<br />

Nichts hält ewig, auch nicht der Film und<br />

noch weniger das digitale Bild. Wenn Sie<br />

einen entwickelten Schwarz-Weiß-Film<br />

artgerecht lagern, also dunkel, kühl und<br />

trocken, bleibt er jahrzehntelang nahezu<br />

unverändert und bietet somit eine hohe Archivsicherheit<br />

. Jeder zukünftige Filmscanner<br />

wird die analoge Information dieses<br />

Speichermediums mit geringen Qualitätseinbußen<br />

in eine digitale Datei umwandeln<br />

können. Nullen und Einsen, aus der Digitalkamera<br />

kommend, abgelegt auf einem<br />

Flash-Speicherbaustein, einer CD oder DVD<br />

oder aber magnetisch auf einer Festplatte,<br />

haben hingegen unterschiedliche „Lebenszeiten“.<br />

Und selbst wenn Ihre Datei 40 Jahre<br />

schadlos überdauern konnte, kann nicht<br />

garantiert werden, dass die Informationen<br />

84


KAPITEL 1<br />

ADRENALINSCHUB<br />

AM POLARKREIS<br />

noch fehlerfrei ausgelesen werden können –<br />

vor allem wenn es sich z. B. um ein Dateiformat<br />

oder ein Speichermedium handelt, das<br />

schon lange ausgestorben ist.<br />

Fazit: Speichern Sie Ihre wertvollen Bilder<br />

in einem gängigen Standarddateiformat,<br />

wie z. B. JPEG, oder verwenden Sie statt<br />

des herstellerseitigen RAW-Formats die<br />

frei verfügbare Alternative von Adobe: das<br />

DNG-Format, sprich, das digitale Negativ.<br />

Mittlerweile setzen einige Kamerahersteller<br />

auf dieses freie Format, das auch in Zukunft,<br />

genau wie eine PDF-Datei, sicher ausgelesen<br />

und verarbeitet werden kann. Darüber<br />

hinaus sollten Sie Ihre Daten regelmäßig<br />

auf eine weitere externe Festplatte bzw. ein<br />

Backup-System kopieren, um größtmögliche<br />

Sicherheit vor Datenverlust zu haben.<br />

Viele Internetdienstleister bieten Ihnen<br />

gegen eine monatliche Gebühr die Speicherung<br />

Ihrer Bilddaten auf einem sicheren<br />

Server an (sogenanntes Cloud-Computing).<br />

Vorteil: Ihre Daten können von jedem Ort<br />

der Welt aus online abgerufen werden, und<br />

Sie müssen sich um die Sicherheit Ihrer Daten,<br />

zumindest physikalisch, keine Sorgen<br />

machen. Der Rest ist Vertrauenssache.<br />

Um den Datenverlust beim Fotografieren, bedingt<br />

durch eine defekte oder verlorene Speicherkarte,<br />

möglichst gering zu halten, empfehle<br />

ich die Speicherung der Bilder verteilt<br />

auf mehrere kleine Karten, z. B. mit 2 GByte<br />

oder 4 GByte. Zudem sind die Karten in der<br />

Anschaffung nicht sehr teuer. Einige Speicherkartenhersteller<br />

bieten bis zu 25 Jahre<br />

Garantie und protzen mit Datenbeständigkeit<br />

bei extrem niedrigen Temperaturen. Ideal<br />

also für den harten Einsatz in Nordfinnland.<br />

Ach ja: Belichten Sie Ihre schönsten Motive<br />

doch einfach als hochwertigen Print im<br />

DIN-A4-Format. Sieht nicht nur gut aus,<br />

sondern ist auch über viele Jahrzehnte hinweg<br />

archivsicher.<br />

VORZUGSWEISE<br />

MIT OFFENER BLENDE<br />

Abschließend noch ein technischer<br />

Hinweis zur Funktion der Blende :<br />

Die meisten Objektive entfalten ihre<br />

höchste Abbildungsleistung in Bezug<br />

auf Randunschärfen und Vignettierungen<br />

(Lichtabfall zum Rand hin),<br />

wenn nicht bei maximaler Blendenöffnung<br />

fotografiert wird. Wenn Sie<br />

also zwei Stufen stärker abblenden,<br />

wird die Qualität Ihrer Aufnahmen<br />

sichtbar besser. Jedoch bedeutet das<br />

im Umkehrschluss, dass entweder der<br />

ISO-Wert erhöht oder die Verschlusszeit<br />

verlängert werden muss, um zu<br />

einem gleichen Belichtungsergebnis<br />

zu kommen. Ersteres führt zu erhöhtem<br />

Rauschen, die zweite Möglichkeit<br />

zu verwischten Nordlichtern. Ich<br />

habe mich daher bei meinen Aufnahmen<br />

oftmals für eine offene Blende<br />

entschieden und die Abbildungsfehler<br />

später mit dem RAW-Konverter<br />

korrigiert.<br />

85


KAPITEL 2<br />

FASZINIERENDE<br />

UNTER WASSERWELT<br />

Faszinierende Unterwasserwelt<br />

91 Im Meer und in Süßwasserseen<br />

91 Wissen ist Macht<br />

93 Ehrenkodex der Taucher<br />

93 Anforderungen an Mensch und<br />

Material<br />

94 Reif für die Unterwasserfotografie?<br />

94 Trockentraining im Schwimmbad<br />

95 Entscheidungen vor dem Tauchgang<br />

95 Ins Wasser, aus dem Wasser<br />

96 Kameras unter Wasser<br />

98 Objektive für unter Wasser<br />

101 Passende Unterwassergehäuse<br />

106 Licht in der Dunkelheit<br />

109 Kleine Helfer immer dabei<br />

110 Kamerapflege und Wartungstipps<br />

112 Ihre Gesundheit steht an erster Stelle<br />

112 Fliegen mit der Fotoausrüstung<br />

114 Geheimnisse guter Unterwasserfotos<br />

114 Manuelle Kameraeinstellung<br />

115 Parameter für Nah- und Makroaufnahmen<br />

116 Parameter für Weitwinkelaufnahmen<br />

117 Ausleuchtung und Lichtführung im<br />

Wasser<br />

119 Exakte Bildbeurteilung<br />

120 Mut zur Entscheidung<br />

121 Reserven für die Bildbearbeitung<br />

121 Bildgestaltung unter Wasser<br />

121 Die Farbe des Wassers<br />

123 Salzwasser versus Süßwasser<br />

123 Trübe Aussichten?<br />

124 Blickrichtung und Kameraposition<br />

125 Zum Teil über, zum Teil unter Wasser<br />

127 Größenverhältnisse unter Wasser<br />

128 Der Kunst ihre Zeit, der Zeit ihre Kunst<br />

128 Ihr Tauchpartner, Ihr Modell<br />

129 Fischporträts mit Standardzoom<br />

130 Gute Beziehungen gleich reizvolle<br />

Motive<br />

130 Der Schwarm<br />

131 Geheimnisumwitterte Wracks<br />

133 Tolle Spots und Unterwasserressorts<br />

133 Stille Bergseen in den Alpen<br />

135 Grüner See bei Tragöß<br />

135 Tauchen in Flüssen<br />

135 Spektakulärer Süßwassertauchgang<br />

in Silfra<br />

136 Heißwasserschlot am Meeresgrund<br />

des Eyjafjörður<br />

138 Fotogene Wracks auf Zypern<br />

139 Muck diving in der Lembeh Strait<br />

139 Galapagos, der Name ist Programm<br />

142 Höhlentauchen der Spitzenklasse:<br />

Taïn und La Sirena<br />

142 Rifftauchen auf Wakatobi<br />

89


AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 10 mm<br />

Belichtung 1/60 s<br />

Blende<br />

f/5,0<br />

ISO 200<br />

Unendliche Weiten. Die faszinierende Unterwasserwelt zieht immer mehr Fotografen in ihren Bann.<br />

2<br />

Faszinierende Unterwasserwelt<br />

Wohl kaum eine Sparte der Fotografie hat sich in den letzten Jahren so stark gewandelt<br />

wie die Unterwasserfotografie . Die digitale Revolution hat den Einstieg in dieses faszinierende<br />

Thema deutlich erleichtert. Das Angebot an Unterwassergehäusen und Kameras<br />

wurde fast unüberschaubar. Nur die physikalischen Gesetze haben ihre Gültigkeit behalten.<br />

Ihre Kenntnis hilft Ihnen, Eindrücke aus dieser bezaubernden Welt im Bild festzuhalten.<br />

90


KAPITEL 2<br />

FASZINIERENDE<br />

UNTER WASSERWELT<br />

Seit Hans Hass die ersten Unterwasserfotos<br />

veröffentlichte, haben sich Tausende<br />

von Tauchern dieser Form der Fotografie<br />

verschrieben. Der Lebensraum unter Wasser<br />

ist eine der letzten kaum erforschten<br />

Regionen unserer Welt. Sie als Sporttaucher<br />

haben die Chance, diese verborgene<br />

Welt in spektakulären Bildern festzuhalten.<br />

ÜBER DEN AUTOR<br />

Im Meer und in Süßwasserseen<br />

Sie sehen, was Sie (er)kennen. Das menschliche<br />

Auge ist nur unzulänglich an die Lichtverhältnisse<br />

unter Wasser angepasst. Je<br />

mehr Sie über die Lebensformen im Wasser<br />

wissen, desto leichter fällt es Ihnen,<br />

Motive zu entdecken. Im Wasser herrscht<br />

ein stetiger Kampf ums Fressen und Gefressenwerden.<br />

Wer nicht gerade mit einem<br />

der beiden Dinge beschäftigt ist, denkt nur<br />

an das eine: sich zu vermehren. Einerseits<br />

ist täuschen und tarnen angesagt, um zu<br />

überleben, und andererseits auffallen, um<br />

einen möglichen Partner anzulocken. Die<br />

Kenntnis über den Lebensraum und die biologischen<br />

Zusammenhänge hilft Ihnen, die<br />

Tarnung zu lüften.<br />

Wissen ist Macht<br />

Wo sitzen Drachenköpfe? Woran erkennen<br />

Sie den Schlupfwinkel einer Grundel?<br />

Wo halten sich Glasgarnelen bevorzugt<br />

auf? Die Antworten darauf lassen Sie gezielt<br />

nach diesen oft gut versteckten Tieren<br />

suchen, um sie in ihren Verstecken aufzustöbern.<br />

Fischführer , Bestimmungsbücher<br />

und Internetrecherchen liefern im Vorfeld<br />

wertvolle Informationen, die Ihnen helfen,<br />

beim Tauchen mehr zu sehen. Selbst ein<br />

guter Tauchguide ist kein Ersatz für diese<br />

Vorbereitung .<br />

Helge Süß entdeckte 1977 seine Liebe<br />

zur Fotografie und sammelte im Jahr<br />

2002 erste Unterwassererfahrungen<br />

mit einer digitalen Spiegelreflexkamera.<br />

Seit 2008 fotografiert er<br />

mit seinem selbst konstruierten, in<br />

Zusammenarbeit mit UK-GERMANY<br />

gefertigten Unterwassergehäuse.<br />

Helge Süß zeigt seine Bilder in Ausstellungen,<br />

hält Reisevorträge und<br />

Fotoseminare.<br />

91


AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 50 mm<br />

Belichtung 1/125 s<br />

Blende<br />

f/16,0<br />

ISO 100<br />

Oben: Diese nur knapp 12 mm großen<br />

Partnergarnelen leben in Symbiose<br />

mit Blasenkorallen. Ein Blick zwischen<br />

die tischtennisballgroßen Kugeln<br />

lohnt sich oft – Bildwinkel 24°.<br />

Unten: Suche nach winzigen<br />

Muscheln auf einem Baumstamm.<br />

Eine spezielle Unterwasserlupe<br />

hilft, selbst kleinste Lebewesen zu<br />

entdecken – Bildwinkel 80°.<br />

Natürlich gilt der Satz „Wissen ist Macht“<br />

nicht nur für das Meer . Auch im Süßwasser<br />

herrscht reges Leben, das sich Ihnen<br />

erschließt, wenn Sie wissen, wo Sie danach<br />

suchen sollen. Es ist aber meist deutlich unscheinbarer<br />

und bedarf noch mehr Sorgfalt,<br />

um entdeckt zu werden. Sie finden Schwärme<br />

von Jungfischen bevorzugt im Schilf<br />

nahe am Ufer. Hechte verstecken sich gern<br />

zwischen den Ästen versunkener Bäume.<br />

Krebse sitzen oft in Seegraswiesen oder bei<br />

Steinen und bevorzugen sehr reines Wasser.<br />

Sie sind ein Indikator für die Qualität<br />

von Gewässern. Die Auswahl an Literatur<br />

über heimische Tauchplätze ist deutlich geringer<br />

als die über tropische Ziele. Das Informationsangebot<br />

im Internet gleicht diesen<br />

Mangel aus. Biologisches Wissen hilft<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 4 mm<br />

Belichtung 1/125 s<br />

Blende<br />

f/3,2<br />

ISO 320<br />

92


KAPITEL 2<br />

FASZINIERENDE<br />

UNTER WASSERWELT<br />

Ihnen dabei, mehr zu sehen. Je besser Sie<br />

über den Lebensraum im Wasser Bescheid<br />

wissen, desto eher entdecken Sie dessen<br />

meist gut getarnte Bewohner.<br />

Ehrenkodex der Taucher<br />

Nichts mitnehmen außer Fotos, nichts hinterlassen<br />

außer Luftblasen – und selbst diese<br />

können in zu großen Mengen Schaden<br />

anrichten. Ihre Sorgfalt soll sich nicht nur<br />

auf das Anpirschen an Ihr Motiv richten.<br />

Auch beim Wegschwimmen nach einem<br />

gelungenen Foto gilt es, vorsichtig zu sein.<br />

Gerade dabei reicht oft ein unüberlegter<br />

Flossenschlag, das eben Fotografierte für<br />

immer zu zerstören.<br />

Anforderungen an Mensch und<br />

Material<br />

Tauchen, besonders aber zu tauchen und<br />

dabei zu fotografieren, war lange Zeit einer<br />

kleinen, elitären Gruppe vorbehalten. Obwohl<br />

die Popularität des Tauchens in den<br />

letzten zwei Jahrzehnten rasant gewachsen<br />

ist, hat erst der technische Durchbruch in<br />

der digitalen Fotografie zu einem wahren<br />

Boom in der Unterwasserfotografie geführt.<br />

Aber ist dadurch die Zahl der guten<br />

Unterwasseraufnahmen ebenso rasant gestiegen?<br />

Ich wage es, diese Frage mit einem Nein<br />

zu beantworten. Die Technik allein macht<br />

noch keine guten Bilder. Gute Bilder entstehen<br />

ein paar Zentimeter hinter der Kamera,<br />

nämlich im Kopf der Fotografin oder des<br />

Fotografen. Sie werden in diesem Kapitel<br />

einiges an notwendiger Theorie erfahren,<br />

dazwischen aber auch eine Menge an Tipps<br />

und Tricks aus der Praxis finden.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 8 mm<br />

Belichtung 1/125 s<br />

Blende<br />

f/3,5<br />

ISO 100<br />

Alpine Bergseen sind empfindliche Biotope. Feine Sedimente erfordern<br />

vorsichtige Bewegungen und exakte Tarierung.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 7 mm<br />

Belichtung 1/60 s<br />

Blende<br />

f/5,0<br />

ISO 100<br />

Extreme: Der Geigensee liegt auf 2.410 m Seehöhe, die Wassertemperatur<br />

bei 5 °C. Das verwendete Objektiv hat einen Bildwinkel von 114°.<br />

93


Reif für die Unterwasserfotografie?<br />

Jeder, der die Gelegenheit hat, die Welt unter<br />

Wasser mit eigenen Augen zu erleben,<br />

spürt das Bedürfnis, diese Eindrücke mit<br />

anderen zu teilen. Ob mit Schnorchel oder<br />

mit Pressluftflasche, nie dürfen Sie bei der<br />

Jagd nach Fotomotiven Ihre Verantwortung<br />

für die sensible Flora und Fauna im Wasser<br />

vergessen. Voraussetzung für das Tauchen<br />

mit einer Kamera ist die automatisierte Beherrschung<br />

Ihrer Ausrüstung und perfekte<br />

Tarierung . Der routinierte Umgang mit der<br />

Tauchausrüstung erfordert viel Übung. Erst<br />

wenn die Tarierung, die kontrollierte Lage<br />

im Wasser, wie im Schlaf funktioniert, sind<br />

Sie reif für das Fotografieren im Wasser. So<br />

lange Sie sich noch vorwiegend mit Ihrer<br />

Tauchausrüstung befassen müssen, fehlen<br />

Ihnen die freien Hände für die Bedienung<br />

TAUCHAUSRÜSTUNG<br />

ANPASSEN<br />

Wenn Sie beim Tauchen fotografieren,<br />

neigen Sie eher dazu, sich primär<br />

auf das Fotografieren zu konzentrieren.<br />

Passen Sie Ihre Tauchausrüstung<br />

den Erfordernissen des Fotografierens<br />

an. Sorgen Sie daher für eng<br />

anliegende Ausrüstungsteile. Alles<br />

was absteht, kann sich verheddern,<br />

auf Grund schleifen und Sediment<br />

aufwirbeln oder im Extremfall auch<br />

ins Bild hängen. Sie schonen die Umwelt<br />

und Ihre Ausrüstung, wenn Sie<br />

alles nahe am Körper befestigen. Je<br />

weniger Sie sich mit Ihrer Tauchausrüstung<br />

beschäftigen müssen, desto<br />

mehr können Sie sich dem Fotografieren<br />

widmen.<br />

der Kamera. Schonen Sie bitte die Unterwasserwelt<br />

und sparen Sie sich den Frust<br />

verpatzter Bilder, indem Sie sich zuerst<br />

ausreichend mit Ihrer Ausrüstung vertraut<br />

machen.<br />

Nach ungefähr 60 bis 70 Tauchgängen<br />

stellt sich in der Regel die notwendige Routine<br />

ein, die Ihnen erlaubt, sich sicher und<br />

kontrolliert zu bewegen. Erst dann sind Sie<br />

in der Lage, sich den meisten Motiven auf<br />

Fotodistanz zu nähern. Diese Empfehlung<br />

gilt auch für kleine Kameras, besonders<br />

aber für Spiegelreflexkameras in einem Unterwassergehäuse.<br />

Ein Tauchpartner mit zu<br />

wenig Erfahrung oder neue, ungewohnte<br />

Ausrüstungsteile sind ein guter Grund, die<br />

Kamera nicht mit ins Wasser zu nehmen.<br />

Wenn Sie sich um Ihren Tauchpartner kümmern<br />

müssen, brauchen Sie voraussichtlich<br />

freie Hände. Das gilt auch, wenn Sie mit<br />

Ausrüstung tauchen, die sich anders verhält<br />

als Ihre gewohnte Ausrüstung. Waren<br />

Sie länger nicht im Wasser, ist es sinnvoll,<br />

den ersten Tauchgang ohne Kamera zu absolvieren,<br />

um sich wieder an die Bewegung<br />

im Wasser zu gewöhnen.<br />

Trockentraining im Schwimmbad<br />

Lernen Sie Ihre Kamera gut kennen, bevor<br />

Sie mit ihr tauchen. Vieles lässt sich im<br />

Trockentraining erarbeiten und einstudieren.<br />

Für das Üben mancher Abläufe ist es<br />

zwingend notwendig, mit der Kamera ins<br />

Wasser zu gehen. Dazu eignet sich bereits<br />

ein Schwimmbad ab 1,4 m Tiefe. Bedenken<br />

Sie jedoch, dass sich viele Menschen<br />

in öffentlichen Bädern in ihrer Intimsphäre<br />

gestört fühlen, wenn Sie mit der Kamera<br />

ins Wasser gehen, auch wenn Sie nur Gummitiere<br />

fotografieren. Holen Sie daher die<br />

Erlaubnis zum Fotografieren im Becken ein<br />

oder fragen Sie bei einem Tauchklub oder<br />

einer Tauchschule an, ob Sie während der<br />

94


KAPITEL 2<br />

FASZINIERENDE<br />

UNTER WASSERWELT<br />

DIE TAUCHMASKE<br />

Nicht alles, was zum Tauchen taugt,<br />

ist auch für das Fotografieren im<br />

Wasser gut geeignet. Die Tauchmaske<br />

kann entscheidenden Einfluss<br />

darauf haben, wie gut Sie den<br />

Sucher oder Bildschirm Ihrer Kamera<br />

sehen. Ein schwarzer Maskenkörper<br />

schränkt zwar das Sehen aus dem<br />

Augenwinkel ein, verhindert aber<br />

weitgehend Reflexe am Maskenglas<br />

durch Licht von hinten. Solche Reflexe<br />

fallen besonders im Flachwasser oder<br />

bei starkem Sonnenlicht störend auf.<br />

Je näher das Maskenglas am Auge<br />

liegt, desto näher kommen Sie auch<br />

dem Sucher. Das entscheidet darüber,<br />

wie gut Sie das gesamte Sucherbild<br />

überblicken können.<br />

Trainingszeiten mit der Kamera im Becken<br />

üben dürfen. Sie benötigen für Ihre Versuche<br />

nur die Kameraausrüstung, eine Tauchmaske<br />

und Geduld.<br />

Die grundlegenden Ansprüche, die ein Modell<br />

bei dieser Aufgabe erfüllen muss, sind,<br />

bunt zu sein und untergehen zu können. Ihre<br />

mit Blei gefüllte Gummiente tut das genauso<br />

gut wie bunte Plastikkärtchen, die Sie mit<br />

einem Gewicht beschweren. Vermeiden Sie<br />

Glas und alles, was splittern kann. Das ist<br />

im Bad nicht gern gesehen. Bei Weitwinkelaufnahmen<br />

hilft Ihnen die Gitterstruktur<br />

der Fliesen bei der Beurteilung von Schärfe<br />

und Verzeichnung. Helle, einfarbige Fliesen<br />

zeigen Ihnen auch gut den Helligkeitsverlauf<br />

und die Wirkung Ihrer Lichtquellen.<br />

Das Üben im Becken hat viele Vorteile. Sie<br />

können verschiedene Situationen mit geringem<br />

Aufwand simulieren. Der Weg zum<br />

„Ufer“ ist kurz, und Sie können so z. B. leicht<br />

mehrere Objektive in kurzer Zeit vergleichend<br />

testen oder schnell zwischen Weitwinkel<br />

und Makro wechseln. Sie sparen<br />

durch das Training zu Hause wertvolle Urlaubszeit<br />

und ersparen sich Frust während<br />

und nach Ihren Tauchgängen.<br />

Entscheidungen vor dem Tauchgang<br />

Die Extreme in der Unterwasserfotografie<br />

erfordern eine dafür angepasste Ausrüstung.<br />

Während Kompaktkameras einen Kompromiss<br />

als Allrounder bieten, verlangen<br />

Spiegelreflexkameras klare Entscheidungen.<br />

Makro oder Weitwinkel? Landschaft oder<br />

Detail? Die hohe Spezialisierung zwingt Sie<br />

zur Entscheidung vor dem Tauchgang. Sie<br />

erlaubt dafür außergewöhnliche Ergebnisse,<br />

die mit anderen Kameras nicht möglich<br />

sind. Zur normalen Planung des Tauchgangs<br />

kommt daher die Entscheidung für die passende<br />

Ausrüstung. Zu erwartende Sichtweiten,<br />

Lichtverhältnisse und die Form der<br />

Unterwasserlandschaft bestimmen, ob Sie<br />

Weitwinkel oder Makro wählen . Oft kann<br />

derselbe Tauchplatz je nach Tageszeit und<br />

Wasserverhältnissen einmal ideal für Weitwinkel,<br />

das andere Mal günstiger für Makroaufnahmen<br />

sein. Fotografieren hat auch eine<br />

Auswirkung auf Ihren Luftverbrauch . Rechnen<br />

Sie, besonders am Anfang, mit einem<br />

rund 10 % bis 20 % höheren Verbrauch.<br />

Ins Wasser, aus dem Wasser<br />

Eine kleine Kompaktkamera ist von der<br />

Handhabung her relativ unproblematisch.<br />

Je größer, umfangreicher und schwerer Ihre<br />

Fotoausrüstung ist, desto mehr gewinnt hoher<br />

Seegang oder ein schwieriger Zustieg<br />

an Dramatik. Helfende Hände, meist die<br />

der Bootsmannschaft, können eine Gefahr<br />

für große Kameragehäuse mit Blitzanlage<br />

95


darstellen. Nicht alles, was sich als Griff<br />

anbietet, ist auch geeignet, die Ausrüstung<br />

zu tragen. Erklären Sie Helfern rechtzeitig<br />

den Umgang mit Ihrer Ausrüstung. Bereiten<br />

Sie die Kamera so vor, dass sie problemlos<br />

getragen und zugereicht werden kann. Fixieren<br />

Sie Blitzarme oder bringen Sie Tragegurte<br />

am Gehäuse an. Sie entschärfen<br />

damit die kritischen Momente des Ein- und<br />

Ausstiegs vor und nach dem Tauchgang.<br />

Im Idealfall lassen Sie sich die Kamera ins<br />

Wasser reichen. Ist das nicht möglich,<br />

bleibt Ihnen der große Schritt, die Rolle<br />

oder aus dem Sitzen mit einer Drehung ins<br />

Wasser zu gleiten. Sie halten dabei mit einer<br />

Hand Maske und Regler fest, mit der<br />

anderen Hand die Kamera. Je kompakter<br />

Sie Ihre Fotoausrüstung halten, desto weniger<br />

Probleme haben Sie zu erwarten. Die<br />

Drehung aus dem Sitz ist die harmloseste<br />

Art, mit der Kamera ins Wasser zu tauchen.<br />

Sie setzt eine feste Fläche voraus, auf der<br />

Sie stabil sitzen können. Bedenken Sie, dass<br />

die Kamera durch die Drehung zwischen<br />

Sie und die Kante gerät, auf der Sie eben<br />

noch saßen. Sie müssen sich daher weit genug<br />

abstoßen, damit ausreichend Platz für<br />

Ihre Fotoausrüstung entsteht.<br />

Bei der Rolle rückwärts verlagert die Kamera<br />

während des Rollens ihr Gewicht und<br />

folgt dann der Schwerkraft in Richtung Ihres<br />

Kinns. Fixieren Sie daher die Kamera so,<br />

dass Sie Bewegungen nach oben und unten<br />

abfangen können. Diese Form des Einstiegs<br />

erfolgt meist vom Schlauchboot aus. Achten<br />

Sie daher besonders darauf, dass sich<br />

Kabel und Gurte der Kamera nirgendwo<br />

verhängen.<br />

Der große Schritt belastet Kamera und<br />

Blitz beim Eintauchen mit einem Schlag von<br />

unten. Wenn Sie die Kamera nicht fest genug<br />

an Ihren Körper gepresst halten, kann<br />

es passieren, dass Sie bereits in der ersten<br />

Runde k. o. gehen. Lassen Sie die Kamera<br />

erst los, nachdem Sie kontrolliert haben, ob<br />

sie noch immer sicher an Ihrem Körper befestigt<br />

ist. Sorgen Sie für eine kontrollierte<br />

Lage im Wasser oder einen gleichmäßigen<br />

Abstieg. Richten Sie erst danach den Blitz<br />

aus und bereiten Sie die Kamera für den<br />

Einsatz vor.<br />

Kameras unter Wasser<br />

Um eine Kamera unter Wasser zu verwenden,<br />

muss sie dafür ausreichend abgedichtet<br />

sein. Es gibt Kameras, die vom Hersteller<br />

für den Einsatz im Wasser konstruiert wurden.<br />

Die meisten im Wasser verwendeten<br />

Kameras sind aber ganz normale Kameras,<br />

die für diesen Zweck in ein dichtes Gehäuse<br />

verpackt werden.<br />

Kompaktkameras<br />

Kompaktkameras erlauben den preisgünstigen<br />

Einstieg in die Unterwasserfotografie.<br />

Durch die Massenproduktion sind die<br />

dafür erhältlichen Gehäuse erschwinglich.<br />

AMPHIBIENKAMERAS<br />

Die große Zeit der Amphibienkameras<br />

ist Geschichte. Die von Jacques<br />

Cousteau entwickelte Nikonos wird<br />

nicht mehr hergestellt. Aktuell gibt es<br />

nur wasserdichte Kompaktkameras,<br />

die für Tauchtiefen von einigen Metern<br />

ausgelegt sind. Diese Kameras<br />

eignen sich wenig für den Einsatz<br />

unter Wasser. Ihre Stärke ist eher das<br />

sorgenfreie Fotografieren nahe am<br />

Wasser oder beim Schnorcheln.<br />

96


KAPITEL 2<br />

FASZINIERENDE<br />

UNTER WASSERWELT<br />

Allerdings sind auch ihre Möglichkeiten<br />

begrenzt. Sie sind gute Allrounder mit dem<br />

Schwerpunkt im Nah- und Makrobereich.<br />

Erweitert man die Ausrüstung um Blitz,<br />

Nahlinse oder Weitwinkelkonverter, steigen<br />

auch die Kosten schnell in den vierstelligen<br />

Euro-Bereich. Für sehr viele Kompaktkameras<br />

werden passende Gehäuse angeboten.<br />

Sollte für eine bestimmte Kamera kein Gehäuse<br />

verfügbar sein, ist es sinnvoll, sich<br />

eine andere Kamera auszusuchen, für die<br />

es ein Gehäuse gibt. Alle anderen Lösungen<br />

sind schlicht zu teuer.<br />

Die Kompakten erzielen besonders im Nahbereich<br />

gute Ergebnisse. Hier hilft der kleine<br />

Sensor, der in Kombination mit kurzen<br />

Brennweiten für einen großen Schärfebereich<br />

sorgt. Für das Ausleuchten von Motiven<br />

in wenigen Zentimetern Entfernung<br />

reicht der eingebaute Blitz meist aus. Dessen<br />

großer Nachteil ist die fixe Position nahe<br />

an der optischen Achse. Harte Schatten und<br />

eine langweilige Lichtstimmung sind die<br />

Folgen. Ein externer Blitz bringt mehr Licht,<br />

Flexibilität und kreatives Ausleuchten. Die<br />

Ansteuerung erfolgt in den meisten Fällen<br />

über optische Lichtleiter durch den eingebauten<br />

Blitz.<br />

Die Bildkomposition erfolgt bei den Kompakten<br />

über den Bildschirm der Kamera.<br />

Was bei Rückenlicht und den daraus resultierenden<br />

Reflexionen ein Nachteil ist,<br />

wandelt sich in manchen Situationen zum<br />

Vorteil. Die kleinen Gehäuse erlauben an<br />

der gestreckten Hand Aufnahmepositionen,<br />

die mit einer sperrigen Spiegelreflexkamera<br />

unmöglich sind.<br />

Im Weitwinkelbereich sind die Grenzen der<br />

Kompakten schnell erreicht. Die für diese<br />

Kameratypen üblichen Bildwinkel von maximal<br />

75° gestatten keine berauschenden<br />

Perspektiven. Die Planscheiben der Gehäuse<br />

tun das Ihrige dazu, den Bildwinkel<br />

einzuengen. Für manche Gehäuse gibt es<br />

externe Weitwinkelkonverter, die man unter<br />

Wasser wechseln kann. Diese im Englischen<br />

wetlenses (nasse Linsen) genannten Konverter<br />

können den ursprünglichen Winkel<br />

des Objektivs mehr als verdoppeln. Dieser<br />

Winkel will aber auch ausgeleuchtet sein,<br />

und daran scheitern die meisten kompakten<br />

Blitzlösungen.<br />

Spiegelreflexkameras<br />

Als hoch spezialisierte Werkzeuge bilden<br />

sie die Königsklasse in der Unterwasserfotografie.<br />

Diese Sparte erlaubt die höchste<br />

Spezialisierung und somit das Ausloten<br />

der technischen Grenzen. Die für diesen<br />

Kameratyp notwendigen Gehäuse werden<br />

in kleinen Auflagen hergestellt und kosten<br />

selten unter 1.000 Euro, meist sogar das<br />

Drei- bis Vierfache davon. So manche UW-<br />

Fotoausrüstung stellt den Gegenwert eines<br />

Kleinwagens dar.<br />

Vorne: Canon PowerShot D10,<br />

Tauchtiefe 10 m.<br />

Mitte: Olympus-PT018-<br />

Gehäuse für die C-750,<br />

Tauchtiefe 40 m.<br />

Hinten: UK-GERMANY-<br />

Gehäuse für die Olympus E-5,<br />

Tauchtiefe 60 m.<br />

97


Das modulare Konzept der Kamera setzt<br />

sich im Gehäuse fort. Je nach Objektiv erfordert<br />

das Gehäuse einen Port, der die<br />

optische Schnittstelle darstellt. Man unterscheidet<br />

zwischen Planports für Bildwinkel<br />

bis ungefähr 75° und Domeports für Weitwinkel<br />

und Fisheyes. Ports werden für unterschiedliche<br />

Objektive mit Zwischenringen<br />

angepasst. Das Wechseln der Objektive<br />

und der dazugehörigen Ports erfordert das<br />

Öffnen des Gehäuses und kann daher nur<br />

im Trockenen durchgeführt werden.<br />

Vorbereitung der Kamera<br />

Gewöhnen Sie sich eine Prozedur zur Vorbereitung<br />

der Kamera an. Verwenden Sie<br />

dazu anfangs eine Checkliste. Das hilft Ihnen,<br />

den Ablauf zu verinnerlichen und alle<br />

wichtigen Schritte einzuhalten.<br />

• Achten Sie darauf, stets frisch geladene<br />

Batterien einzusetzen.<br />

• Sorgen Sie für ausreichend Platz auf der<br />

Speicherkarte. Löschen Sie Bilder oder<br />

formatieren Sie die Karte, um Platz zu<br />

schaffen, aber erst dann, wenn Sie auch<br />

sicher sind, alle wichtigen Bilder auf einem<br />

anderen Datenträger gespeichert<br />

zu haben.<br />

• Der Zusammenbau des Gehäuses sollte<br />

in einer trockenen Umgebung erfolgen.<br />

Ideal ist ein klimatisierter Raum. Prüfen<br />

Sie die Dichtungen und die Leichtgängigkeit<br />

der Bedienelemente.<br />

• Kontrollieren Sie das Gehäuse auf Beschädigungen.<br />

Reinigen Sie Dichtungen<br />

und fetten Sie bei Bedarf die O-Ringe.<br />

• Legen Sie frisches Silicagel ins Gehäuse,<br />

wenn es Gefahr läuft, zu beschlagen.<br />

• Schalten Sie die Kamera im zusammengebauten<br />

Zustand ein und prüfen Sie<br />

die Funktion. Kontrollieren Sie die Ansteuerung<br />

des Blitzes.<br />

• Tauchen Sie die Kamera nach einer<br />

Sichtkontrolle der Dichtungen ins Spülbecken,<br />

um die Dichtheit zu kontrollieren.<br />

Machen Sie danach die Kamera<br />

transportfertig.<br />

Objektive für unter Wasser<br />

Die mit den meisten Kameras im Set angebotenen<br />

Objektive sind für den Einsatz im<br />

Wasser zu gebrauchen. Sie decken einen<br />

Bereich vom leichten Weitwinkel bis zum<br />

leichten Teleobjektiv ab, rechtfertigen aber<br />

nicht den höheren Preis und Aufwand einer<br />

Spiegelreflexkamera gegenüber einer Kompakten.<br />

Erst der Einsatz spezieller Objektive<br />

spielt die Vorteile diese Systems voll aus.<br />

Sie haben die Quahl der Wahl – Weitwinkel-<br />

oder Makroaufnahmen? Die Spezialisierung<br />

verlangt klare Entscheidungen. Eine<br />

Eier legende Wollmilchsau gibt es in der<br />

Unterwasserfotografie genauso wenig wie<br />

in anderen Bereichen.<br />

Makroobjektive<br />

Für Makroaufnahmen hat sich ein Bildwinkel<br />

von ungefähr 24° bewährt. Diesen<br />

erreicht man für das Kleinbildformat mit<br />

100 mm, für das APS-C-Format mit ungefähr<br />

60 mm und für das 4/3-Format mit<br />

50 mm Brennweite. Weitere Bildwinkel erfordern<br />

einen geringeren Arbeitsabstand,<br />

der zu Schwierigkeiten beim Ausleuchten<br />

und Unterschreiten der Fluchtdistanz mancher<br />

Tiere führen kann. Engere Bildwinkel<br />

bergen die Gefahr des Verwackelns. Bedenken<br />

Sie, dass Sie in der Regel frei schwebend<br />

98


KAPITEL 2<br />

FASZINIERENDE<br />

UNTER WASSERWELT<br />

fokussieren müssen. Ein großer Arbeitsabstand<br />

kann auch zu vermehrten Störungen<br />

durch Schwebeteilchen führen.<br />

Weitwinkelobjektive<br />

Hier gilt uneingeschränkt der Satz: „Je<br />

weiter, desto besser!“ Man kann nie genug<br />

Winkel haben. Er erlaubt es, nahe an<br />

ein Motiv heranzugehen und trotzdem viel<br />

Hintergrund im Bild zu zeigen. Rectilinear<br />

korrigierte Weitwinkel bilden gerade Linien<br />

gerade ab. Der Preis dafür sind gedehnte<br />

Flächen, die besonders zu den Bildecken<br />

hin zu auffälligen Verzerrungen führen.<br />

Fisheye-Objektive bilden annähernd flächentreu<br />

ab. Um das zu erreichen, biegen<br />

sich alle Linien, die nicht durch die Bildmitte<br />

laufen, dramatisch.<br />

Ein Fisheye verzeichnet stark tonnenförmig.<br />

Im Wasser erzeugt es einen natürlicher wirkenden<br />

Eindruck. Es gibt dort zu wenig gerade<br />

Linien, die unangenehm auffallen könnten.<br />

Während korrigierte Weitwinkel bei einem<br />

Winkel von ungefähr 114° an technische<br />

Limits stoßen, erreicht man mit Fisheyes<br />

Bildwinkel bis zu 180° diagonal. Dabei wird<br />

das gesamte Bildfeld ohne Vignettierung genutzt.<br />

Fisheyes mit 180° diagonalem Bildwinkel<br />

sind für den Einsatz im Wasser optimal<br />

geeignet.<br />

Bildwinkel von 180° bis 220° über die kurze<br />

Bildkante ergeben ein kreisrundes Bild mit<br />

Abschattung in den Ecken. Diese Objektive<br />

sind für den Einsatz im Wasser wenig geeignet,<br />

da sie wegen ihrer „Rundumsicht“<br />

kaum ohne Überstrahlung in der Nähe der<br />

Blitze ausgeleuchtet werden können.<br />

Unterwassergehäuse<br />

für die Olympus E-5<br />

mit 45°-Winkelsucher<br />

und Inon-Makroport<br />

für das 50-mm-<br />

Makro objektiv.<br />

99


Unterwassergehäuse<br />

für die Olympus E-5<br />

mit Domeport für das<br />

8-mm-Fisheye (180°).<br />

Sucher<br />

Auch bei den Suchersystemen kann man<br />

zwischen einfacher Galilei-Optik oder aufwendigen<br />

Suchersystemen mit unterschiedlich<br />

abgewinkeltem Strahlengang wählen.<br />

Mehrere Gehäusehersteller bieten Winkelsucher<br />

für ihre Gehäuse an. Bei manchen<br />

kann ein solcher nachträglich eingebaut werden,<br />

andere Gehäuse hingegen lassen sich<br />

nicht adaptieren.<br />

Die einfachste Variante, eine Planglasscheibe,<br />

verhindert, dass der gesamte Sucher<br />

einsehbar ist. Die Brechung an der Scheibe<br />

und der höhere Betrachtungsabstand durch<br />

die Tauchermaske sind dafür verantwortlich.<br />

Mit einer Galilei-Optik, die von der<br />

Wirkung her einem umgedrehten Fernglas<br />

entspricht, kann man zwar den gesamten<br />

Sucher einsehen, er erscheint aber verkleinert.<br />

Die Beurteilung von Schärfe und<br />

die Bildkomposition werden dadurch erschwert.<br />

Besonders bei Kameras, die bauartbedingt<br />

einen kleinen Sucher aufweisen,<br />

wie z. B. Kameras mit APS-C- oder FT-Sensor,<br />

fällt dieser Effekt unangenehm auf.<br />

Winkelsucher sind in Wahrheit richtige<br />

Objektive. Mehrere Linsen und ein Prisma<br />

sorgen dafür, dass das Sucherbild in natürlicher<br />

Größe und trotz größerem Abstand<br />

durch die Tauchermaske zur Gänze einsehbar<br />

bleibt. Die Kamera fühlt sich damit<br />

genau so an wie an der Luft. Der Knick im<br />

Strahlengang sorgt dazu für eine entspannte<br />

Haltung und ausreichend Platz für den<br />

Atemregler. In Summe ein Maß an Komfort,<br />

für das manche bereit sind, so viel Geld<br />

auszugeben wie andere für eine Kompaktkamera<br />

samt Gehäuse.<br />

100


KAPITEL 2<br />

FASZINIERENDE<br />

UNTER WASSERWELT<br />

Planport<br />

Ein Planport besteht meist aus einem Rohr<br />

und einer planparallelen Scheibe. Er stellt<br />

die einfachste Form der optischen Schnittstelle<br />

dar. Durch die Planscheibe wird das<br />

einfallende Licht am Übergang zwischen<br />

Wasser, Glas und Luft gebrochen. Der Effekt<br />

ist so, wie Sie ihn vom Blick durch die<br />

Tauchermaske her kennen. Gegenstände<br />

erscheinen näher und größer. Die dadurch<br />

entstehenden Bildfehler sind bei engen Bildwinkeln<br />

zu vernachlässigen. Für Nah- und<br />

Makroaufnahmen hilft der Effekt, das Motiv<br />

vergleichsweise größer als an der Luft<br />

abzubilden. Die Anpassung eines Planports<br />

an ein Objektiv folgt rein mechanischen Aspekten.<br />

Der Durchmesser der Portscheibe<br />

muss so gewählt sein, dass sie das Bild nicht<br />

abschattet. Die Länge des Ports muss das<br />

Objektiv bei maximalem Auszug aufnehmen<br />

können.<br />

Bei steigendem Bildwinkel treten die durch<br />

die Brechung verursachten Abbildungsfehler,<br />

besonders Randunschärfe und chromatische<br />

Aberration, deutlicher zutage. Zusätzlich<br />

verschenken Sie Bildwinkel, die Sie<br />

durch teure Objektive mühsam erworben<br />

haben. Bildwinkel über 100° sind wegen der<br />

Totalreflexion an der Luft-Wasser-Grenze<br />

mit Planglas nicht möglich.<br />

Domeport<br />

Ein Domeport (dome – englisch für Kuppel)<br />

hat eine gewölbte Scheibe. Sie stellt einen<br />

Ausschnitt aus einer Kugel dar. Der Radius<br />

der Scheibe hat einen direkten Einfluss<br />

auf die Bildqualität und den Einsatzbereich<br />

des Ports. Bei der Anpassung eines Domeports<br />

an ein Objektiv sind primär optische<br />

Aspekte relevant. Der Kugelmittelpunkt<br />

der Domescheibe soll im perspektivischen<br />

Zentrum des Objektivs liegen. Der Öffnungswinkel<br />

der Scheibe muss zumindest<br />

dem Blickwinkel des verwendeten Objektivs<br />

entsprechen.<br />

Die Domescheibe wirkt zusammen mit dem<br />

Wasser außen und der Luft innen wie eine<br />

Linse. Sie lässt alles viel näher erscheinen.<br />

Ein Objektiv muss auf mindestens 30 cm<br />

Entfernung scharf stellen können, um hinter<br />

einer Domescheibe mit 100 mm Radius<br />

scharfe Bilder zu liefern. Kann es das nicht,<br />

hilft eine Nahlinse, die das Objektiv etwas<br />

„kurzsichtiger“ macht. Die Entfernung „unendlich“<br />

rückt im Wasser bei Verwendung<br />

einer Domescheibe auf ungefähr das Dreifache<br />

des Domeradius an die Kamera heran.<br />

Domescheiben erzeugen ein gewölbtes Bild<br />

der Umgebung. Weitwinkelobjektive sind<br />

darauf optimiert, eine flache Motivebene<br />

optimal abzubilden. Mit dem gewölbten Bild<br />

der Domescheibe haben sie daher Probleme,<br />

die zum Bildrand hin stärker bemerkbar<br />

werden, z. B. durch Unschärfe. Eine Kompensation<br />

dieser Bildfehler erfordert möglichst<br />

große Domeradien, die die Herstellungskosten<br />

in die Höhe schnellen lassen<br />

und zusätzlich Transport und Handhabung<br />

erschweren. Fisheye-Objektiven hingegen<br />

kommt das gewölbte Bild gerade recht. Sie<br />

liefern selbst hinter einer vergleichsweise<br />

kleinen Domescheibe Bilder mit hoher Abbildungsqualität.<br />

Passende Unterwassergehäuse<br />

Bei Kompaktkameras fällt die Entscheidung<br />

leicht. Kamerahersteller bieten oft passende<br />

Gehäuse für ihre Kameras an. Diese sind<br />

üblicherweise preisgünstige Massenprodukte<br />

aus Plexiglas. Weiteres Zubehör findet<br />

man bei Drittanbietern.<br />

Bei Spiegelreflexkameras sieht die Lage ganz<br />

anders aus. Sie kaufen keine Kamera, Sie kaufen<br />

ein System. Das beginnt bereits bei der<br />

Kamera und den gewünschten Objektiven<br />

und erstreckt sich weiter auf Gehäuse und<br />

101


Das Olympus-PT-EP01-<br />

Unterwasser gehäuse<br />

für die Olympus E-PL1.<br />

Das Gehäuse besteht<br />

vorne aus schwarz<br />

getöntem Plexiglas, um<br />

Reflexe zu minimieren.<br />

Der Planport ist<br />

fest mit dem Gehäuse<br />

verbunden. Im<br />

Zubehörhandel gibt es<br />

einen Umbausatz mit<br />

Domeport.<br />

Ports. Fast alle Hersteller von Gehäusen für<br />

Spiegelreflexkameras sind Garagenfirmen.<br />

Sie unterscheiden sich nur in der Größe ihrer<br />

Garage. Das ist aber kein Nachteil. Flexibilität<br />

und Kundennähe sind bei den kleinen Firmen<br />

die Regel. Die große Ausnahme in dieser Kategorie<br />

ist die Firma Olympus, die für einige<br />

ihrer Spiegelreflexkameras Plexiglasgehäuse<br />

in Massenfertigung anbietet.<br />

Trotz steigenden Interesses für die Unterwasserfotografie<br />

sind Gehäuse für Spiegelreflexkameras<br />

immer noch Nischenprodukte.<br />

Die Serien erreichen selten mehr als<br />

zweistellige Produktionszahlen. Das erklärt<br />

auch den hohen Preis für diese Gehäuse. Es<br />

kostet viele Stunden Arbeit, eine Kamera zu<br />

vermessen und ein Gehäuse zu konstruieren.<br />

Die Kosten dafür und auch die Sockelkosten<br />

für das Einrichten der Maschinen<br />

teilen sich auf die geringe Auflage auf. Hochwertige<br />

Materialien und gute Verarbeitung<br />

haben ebenfalls ihren Preis. Dennoch: Ein<br />

teures Gehäuse schmerzt einmal beim Bezahlen,<br />

ein billiges bei jedem Tauchgang.<br />

102


KAPITEL 2<br />

FASZINIERENDE<br />

UNTER WASSERWELT<br />

GRÖSSE<br />

DES ATEMREGLERS<br />

Hat Ihr Gehäuse einen Durchsichtsucher,<br />

spielt auch die Größe Ihres<br />

Atemreglers eine Rolle. Er muss<br />

zwischen Ihnen und dem Gehäuse<br />

Platz finden. Arbeiten Sie mit<br />

Kamerabildschirm oder Winkelsucher,<br />

spielt der Atemregler eine<br />

geringere Rolle. Die Verteilung und<br />

Strömungsrichtung der ausgeatmeten<br />

Luft bestimmt, ob Sie den<br />

Sucher klar sehen oder nur durch<br />

einen dichten Vorhang von Blasen<br />

betrachten. Abhilfe schafft oft das<br />

Ausatmen durch die Maske. Dabei<br />

perlt die ausgeatmete Luft seitlich<br />

am Maskenrand aus und behindert<br />

so nicht die Sicht.<br />

UNTERWASSERGEHÄUSE<br />

IM EIGENBAU?<br />

Sollten Sie mit dem Gedanken<br />

spielen, selbst ein Gehäuse für Ihre<br />

Kamera zu bauen, ein guter Tipp:<br />

Vergessen Sie die Idee ganz schnell.<br />

Es bedarf einer hohen Leidensfähigkeit,<br />

kostet unzählige Stunden an<br />

Arbeit und verlangt viel technisches<br />

Geschick, um ein solches Projekt<br />

zu verwirklichen. Selbst wenn Sie<br />

Ihre Arbeitszeit nicht einrechnen,<br />

sprengen Sie mit Sicherheit den<br />

finanziellen Rahmen kommerzieller<br />

Gehäuse.<br />

Nicht nur die Verfügbarkeit von Gehäuse<br />

und Zubehörteilen, sondern auch die Nähe<br />

und Erreichbarkeit des Herstellers oder zumindest<br />

des Händlers stellen ein wesentliches<br />

Kriterium bei der Entscheidung für<br />

eine Unterwasserfotoausrüstung dar. Ein<br />

Gehäuse muss regelmäßig gewartet werden,<br />

um sicher zu funktionieren. Es kann<br />

auch leicht vorkommen, dass Sie eine kleine<br />

Anpassung benötigen, um Ihre Ausrüstung<br />

für einen speziellen Zweck zu optimieren. In<br />

diesem Fall punktet ein lokaler Betrieb mit<br />

schnellen und flexiblen Lösungen, und Sie<br />

haben zusätzlich das gute Gefühl, etwas für<br />

die heimische Wirtschaft getan zu haben.<br />

Was das Gewicht betrifft, liegen alle festen<br />

Gehäusetypen nahe beisammen. Aluminiumgehäuse<br />

sind sehr oft sogar etwas leichter<br />

als vergleichbare Gehäuse aus Plexiglas<br />

oder auch Carbonfaser, weil sie mit geringeren<br />

Wandstärken auskommen und in der<br />

Regel enger um die Kamera modelliert sind.<br />

Im Schnitt kann man für das nackte Gehäuse<br />

von einem Gewicht zwischen 1.000 und<br />

1.500 g ausgehen. Mit Port, Kamera, Objektiv<br />

und Blitz steigt das Transportgewicht<br />

auf einen Wert zwischen 5 und 8 kg an. Im<br />

Wasser wirkt sich das mit einem Abtrieb<br />

von ungefähr 1 bis 2 kg aus. Ihre Kamera ist<br />

somit Teil Ihres Gewichtssystems.<br />

Flexible Universalgehäuse<br />

Seit den Siebzigerjahren gibt es fast unverändert<br />

Taschen aus weichem Kunststoff,<br />

die mit Klemmschienen aus Metall verschlossen<br />

werden. Sie besitzen eine Planglasscheibe<br />

für das Objektiv. Die Bedienung<br />

der Kamera erfolgt durch die weiche Wand<br />

des Kunststoffbeutels. Obwohl es möglich<br />

ist, mit einem solchen Gehäuse zu tauchen,<br />

ist der Bedienkomfort gering. Besonders<br />

die Bildkomposition durch den Sucher wird<br />

zum Glücksspiel. Die Flexibilität des Beutels<br />

103


Der Rückdeckel des<br />

Olympus PT-EP01<br />

ist transparent und<br />

erlaubt den Blick auf<br />

Bildschirm und elektronischen<br />

Sucher.<br />

kann schwerwiegende Folgen haben. Kaum<br />

eine Kamera ist für den auf sie einwirkenden<br />

Wasserdruck spezifiziert. Das bedeutet einen<br />

Verlust der Garantie und kann auch zu<br />

schweren Schäden an der Kamera führen.<br />

Diese Gehäuseform ist ideal als Schutz gegen<br />

Feuchtigkeit und heftiges Spritzwasser.<br />

Zum Tauchen gibt es bessere Lösungen.<br />

Gehäuse aus Plexiglas<br />

Dieser Gehäusetyp findet meist bei Kompaktkameras<br />

Verwendung. Die Herstellung<br />

im Spritzgussverfahren ist ideal für den<br />

Massenmarkt. Hohe Formkosten und geringe<br />

Loskosten machen das Verfahren erst bei<br />

mehr als fünfstelligen Stückzahlen rentabel.<br />

Das Gehäuse ist auf das entsprechende<br />

Kameramodell abgestimmt und bietet alle<br />

Funktionen der Kamera über Tasten oder<br />

Drehräder an. Bei Gehäusen für Kompaktkameras<br />

ist die optische Schnittstelle eine<br />

Planglasscheibe in einem fix eingebauten<br />

Port. Das transparente Gehäuse gestattet<br />

die Kontrolle der Dichtungen und lässt<br />

frühzeitig einen Wassereinbruch erkennen.<br />

Es erlaubt aber auch, dass Streulicht an die<br />

Innenseite der Portscheibe gelangt. Das<br />

kann störende Reflexe zur Folge haben.<br />

104


KAPITEL 2<br />

FASZINIERENDE<br />

UNTER WASSERWELT<br />

In kaltem Wasser kann es bei diesem Gehäusetyp<br />

leicht vorkommen, dass die Portscheibe<br />

innen beschlägt. Das Glas der Portscheibe<br />

kühlt schneller ab als das Plexiglas<br />

des Gehäuses. Daher kondensiert die Restfeuchtigkeit<br />

aus der Luft im Gehäuse auf der<br />

einzigen Fläche, auf der es wirklich stört.<br />

Der Effekt kann durch Trocknung der Luft im<br />

Gehäuse mit Silicagel-Beuteln vermieden<br />

werden. Tauchen Sie vom Ufer aus, können<br />

Sie das Gehäuse einige Zeit lang ins Wasser<br />

legen, um es an die Kälte anzupassen. Nutzen<br />

Sie die Zeit, in der Sie Ihre Tauchausrüstung<br />

für den Einsatz vorbereiten, und verringern<br />

Sie so die Gefahr des Beschlagens.<br />

Die Gehäuse der Olympus-E-Serie und der<br />

Pen-Serie neigen überraschend wenig zum<br />

Beschlagen. Sie haben den Härtetest im<br />

Bergsee bei Wassertemperaturen von 4 bis<br />

10 °C problemlos bestanden.<br />

Gehäuse aus Carbonfaser<br />

Einige Gehäusehersteller verwenden kohlefaserverstärkte<br />

Harze zum Bau des Gehäusekörpers.<br />

Die aus dem Rennsport bekannten<br />

Materialien eignen sich gut für diesen<br />

Zweck. Das Verfahren erfordert Formen,<br />

über die die Gehäusekörper modelliert<br />

werden. Daher werden oft Einheitsgrößen<br />

angeboten, in die je nach verwendeter Kamera<br />

Bedienelemente eingearbeitet werden.<br />

Auch ein nachträgliches Ändern oder<br />

der Einbau weiterer Bedienelemente ist bei<br />

diesem Typ einfach. Die Technik ist daher<br />

für Prototypen oder Kleinstserien geeignet.<br />

Eine exakte Anpassung an die Kamera ist<br />

hingegen mit höherem Aufwand verbunden.<br />

Thermisch verhalten sich diese Gehäuse<br />

ähnlich wie die aus Plexiglas. Sie neigen<br />

im Kaltwasser ebenfalls zum Beschlagen<br />

der Glasflächen, sofern sie nicht mit einer<br />

die Feuchtigkeit bindenden Beflockung ausgekleidet<br />

sind.<br />

Gehäuse aus Aluminium<br />

Ein Kameragehäuse aus einem Aluminiumblock<br />

zu fräsen, ist die teuerste Variante<br />

und kann schnell das Doppelte der Kamera<br />

kosten, die darin Platz findet. Sie erlaubt<br />

aber eine optimale Anpassung an die Bedürfnisse<br />

der Kamera und des Fotografen.<br />

Man findet diesen Gehäusetyp daher fast<br />

ausschließlich bei Spiegelreflexkameras der<br />

gehobenen Preisklasse. Da das Aluminium<br />

Kälte besser leitet als Glas, ist bei diesen<br />

Gehäusen Beschlagen kein Thema. Meist<br />

sind sie auch zusätzlich mit einer die Feuchtigkeit<br />

bindenden Beflockung ausgestattet,<br />

die außerdem Reflexe minimiert. Um den<br />

Einsatz in Salzwasser schadlos zu überstehen,<br />

muss Aluminium eloxiert werden.<br />

Durch das Zusammentreffen unterschiedlicher<br />

Metalle, wie Aluminium, Messing oder<br />

Stahl, bildet sich im Kontakt mit Salzwasser<br />

UNTERWASSERGEHÄUSE<br />

RICHTIG LAGERN<br />

Für die Lagerung von Unterwassergehäusen<br />

gilt Ähnliches wie für die<br />

restliche Fotoausrüstung. Bewahren<br />

Sie das Gehäuse an einem trockenen,<br />

dunklen Ort bei Zimmertemperatur<br />

auf. Sorgen Sie dafür, dass das<br />

Gehäuse vor der Lagerung komplett<br />

getrocknet und sauber ist. Pflegen Sie<br />

die Dichtungen wie vor einem Einsatz.<br />

Lagern Sie die O-Ringe der Hauptdichtungen<br />

getrennt und schließen<br />

Sie den Gehäusedeckel nicht ganz.<br />

Sie verhindern damit eine Materialermüdung<br />

der Dichtungen.<br />

105


eine Batterie, wobei das jeweils unedlere<br />

Metall durch den Stromfluss angegriffen<br />

wird und korrodiert. Hier liegt auch einer der<br />

Nachteile dieses Gehäusetyps. Kleine Schäden<br />

an der Oberfläche können sich durch<br />

Korrosion ausweiten und so zum Problem<br />

werden. Gründlich gereinigte und entfettete<br />

Schadstellen schützen Sie mit Lack gegen<br />

weitere Korrosion.<br />

Licht in der Dunkelheit<br />

Kamera, Objektiv und Unterwassergehäuse<br />

reichen allein aber in den seltensten Fällen<br />

für zufriedenstellende Ergebnisse aus. Erst<br />

Blitzgeräte, Lampen und ein paar kleine Hilfen<br />

machen die Fotoausrüstung komplett.<br />

Wasser filtert Licht je nach Wellenlänge unterschiedlich<br />

stark. Das langwellige Ende des<br />

Spektrums wird dabei deutlich stärker gefiltert<br />

als das kurzwellige Ende. Daher fehlen<br />

nach wenigen Metern Tiefe bereits merklich<br />

die roten Anteile des Lichts. Befinden sich<br />

zusätzlich Schwebstoffe im Wasser, ist die<br />

Filterwirkung stärker und kann zu weiteren<br />

Farbverschiebungen führen. Diese Gesetzmäßigkeit<br />

gilt nicht nur für das Sonnenlicht,<br />

sie gilt auch für Kunstlicht, das Sie in Form<br />

von Lampen und Blitzlicht zum Aufhellen<br />

verwenden. Selbst bei ausreichend hoher<br />

Leistung ist daher die nutzbare Reichweite<br />

einer Lichtquelle durch die Filterwirkung des<br />

Wassers begrenzt. Mit zunehmender Tiefe<br />

verblassen nicht nur die Farben, es wird<br />

auch allgemein dunkler. Ein Grund, um Ihre<br />

Ausrüstung um eine Lichtquelle zu erweitern.<br />

Mit Kunstlicht können Sie diesen Effekt<br />

im Nahbereich kompensieren.<br />

Blitzlicht<br />

Das Licht aus Elektronenblitzen weist ein<br />

Spektrum auf, das dem Sonnenlicht sehr<br />

ähnlich ist. Es gehört daher zu den am meisten<br />

verwendeten Lichtquellen und zeichnet<br />

sich durch knackige Farben und eine hohe<br />

Intensität aus. Für die Dosierung der Lichtmenge<br />

haben sich zwei Verfahren etabliert:<br />

die automatische Messung durch das Kameraobjektiv,<br />

TTL (Through The Lens), und<br />

die manuelle Einstellung der Blitzleistung.<br />

Bei der Wahl des Blitzes stehen Sie vor der<br />

Entscheidung zwischen Systemblitz und Amphibienblitz.<br />

Während Systemblitze optimal<br />

auf die Kamera abgestimmt sind, punkten<br />

spezialisierte Amphibienblitze bei Leistung<br />

und Leuchtwinkel. Systemblitze stellen einen<br />

guten Kompromiss im Nahbereich dar, zur<br />

Ausleuchtung von Weitwinkel- oder Fisheye-<br />

Aufnahmen mangelt es ihnen an Leistung<br />

und Leuchtwinkel.<br />

Das TTL-Verfahren zur Blitzbelichtung gehört<br />

bei Analogkameras zum unverzichtbaren Luxus.<br />

Die für Digitalkameras eingesetzten Methoden<br />

der Lichtmessung unterscheiden sich<br />

jedoch grundlegend von denen für Film. Den<br />

Blitz bei offenem Verschluss zu zünden, die<br />

vom Motiv reflektierte Lichtmenge zu messen<br />

und den Blitz beim Erreichen eines Schwellenwerts<br />

abzuschalten, funktioniert nicht mit digitalen<br />

Sensoren. Diese simple und effektive<br />

Methode der Belichtungssteuerung musste<br />

durch einen aufwendigen Ablauf ersetzt werden,<br />

der in mehreren Stufen erfolgt. Sekundenbruchteile<br />

vor der eigentlichen Aufnahme<br />

löst die Kamera ein oder zwei sehr kurze<br />

Blitze, sogenannte Vor- oder Messblitze, aus.<br />

Diese dienen der Messung der notwendigen<br />

Lichtmenge. Erst danach wird der Verschluss<br />

geöffnet und der Blitz entsprechend den zuvor<br />

gemessenen Parametern für die eigentliche<br />

Belichtung gezündet.<br />

Um sich für dieses Verfahren zu eignen,<br />

muss ein Blitzgerät in der Lage sein, in sehr<br />

kurzer Folge mehrere Blitze unterschiedlicher<br />

Intensität abzugeben. Viele Herstel-<br />

106


KAPITEL 2<br />

FASZINIERENDE<br />

UNTER WASSERWELT<br />

ler von Amphibienblitzen haben ihre Produktpalette<br />

in den letzten Jahren an diese<br />

Notwendigkeit angepasst. Ältere Modelle<br />

scheitern oft an den notwendigen kurzen<br />

Intervallen zwischen Vorblitzen und Hauptblitz.<br />

Eine zusätzliche Hürde für die Ansteuerung<br />

mittels TTL sind die verwendeten digitalen<br />

Protokolle, mit denen Kameras und<br />

Blitzgeräte Informationen austauschen.<br />

Diese Protokolle sind herstellerspezifisch<br />

und können sich auch von Modell zu Modell<br />

leicht unterscheiden.<br />

Amphibienblitze verwenden meist die sehr<br />

weit verbreitete Ansteuerung, die für die<br />

Nikonos entwickelt wurde. Sie besteht aus<br />

einfachen Schaltbefehlen zum Zünden und<br />

Abschalten des Blitzlichts. Um die komplexe<br />

„Unterhaltung“ digitaler Protokolle<br />

in einfache Schaltbefehle für den Blitz zu<br />

wandeln, wurden TTL-Adapter entwickelt.<br />

Sie übernehmen die Umsetzung der Kamerabefehle<br />

und können eine breite Palette<br />

an Amphibienblitzen schalten. In manchen<br />

Blitzen ist ein solcher Adapter bereits<br />

eingebaut, andere Lösungen bevorzugen<br />

zwecks einfacher Wartung einen Adapter<br />

im Kameragehäuse. Trotz der immer besser<br />

abgestimmten Bewertungsregeln für<br />

die Belichtung scheitert die Automatik an<br />

mancher Situation im Wasser. Die Lichtverhältnisse<br />

weichen gelegentlich zu stark<br />

von den erwarteten Szenarien ab, und die<br />

Automatik entscheidet sich für falsche Parameter.<br />

Dann hilft nur, Korrekturfaktoren<br />

zu ermitteln oder manuell zu blitzen.<br />

Die Möglichkeit zur exakten Belichtungskontrolle<br />

mittels Histogramm hat die TTL-<br />

Messung beim Blitzen mit Digitalkameras<br />

entbehrlich gemacht. Anstatt in umfangreiche<br />

technische Lösungen zu investieren,<br />

reicht eine kurze Kontrolle des Histogramms,<br />

um die notwendige Leistungseinstellung am<br />

Blitzgerät zu ermitteln. Sehr hilfreich ist es<br />

in diesem Fall, wenn die Leistung des Blitzgeräts<br />

in mehreren Stufen einstellbar ist. Ein<br />

Bereich von 4 bis 5 EV ist ideal, 3 EV in Stufen<br />

zu 1 EV reichen für viele Anwendungen aus.<br />

Halogenlicht<br />

Mit einer Farbtemperatur von 3.000 bis<br />

4.500 K hat Halogenlicht einen höheren<br />

Rotanteil als Tageslicht. Es wirkt weicher<br />

und erzeugt weniger knackige Farben und<br />

Kontraste als Blitzlicht. Es ist als Dauerlicht<br />

auch gut als Fokussierhilfe zu gebrauchen.<br />

Sein Hauptanwendungsgebiet sind Videoaufnahmen.<br />

Für die reine Fotografie hat es<br />

eine untergeordnete Bedeutung.<br />

Die Intensität liegt weit unter der von Blitzlicht.<br />

Dazu ein kleines Rechenbeispiel: Ein<br />

durchschnittliches Blitzgerät mit einer Leistung<br />

von 60 Ws benötigt weniger als 0,02<br />

Sekunden für einen Blitz. Das entspricht der<br />

Lichtmenge von 3.000 W Halogenlicht während<br />

einer Belichtungszeit von 1/50 Sekunde,<br />

wobei der unterschiedliche Wirkungsgrad<br />

von Halogenleuchte und Blitzröhre in dieser<br />

Berechnung vernachlässigt wird.<br />

Das Ausleuchten von Weitwinkelaufnahmen<br />

ist daher nur begrenzt möglich. Kaltlichtspiegellampen<br />

eignen sich besonders<br />

gut für Foto und Video. Sie sind in Abstrahlwinkeln<br />

zwischen 10 und 60° erhältlich und<br />

zeichnen sich durch eine sehr gleichmäßige<br />

Ausleuchtung und einen sanften Helligkeitsabfall<br />

zum Rand hin aus. Zwei dimmbare<br />

Leuchten mit 30 bis 60 W Nennleistung<br />

sind ein guter Kompromiss zwischen<br />

Helligkeit, Gewicht und Volumen. Leuchtmittel<br />

mit speziellem Aufbau (z. B. Osram<br />

IRC) liefern bei gleichem Verbrauch deutlich<br />

mehr Licht. So haben Sie bei gleicher<br />

Akkukapazität die Möglichkeit, heller oder<br />

länger zu beleuchten.<br />

107


108<br />

LED-Licht<br />

Hohe Energieeffizienz, geringe Abwärme<br />

und die Robustheit der Leuchtmittel fördern<br />

die Verbreitung von LEDs als Lichtquellen.<br />

Nicht alle Typen weisen ein ausreichend kontinuierliches<br />

Farbspektrum auf. Das bewirkt<br />

falsche Farben oder Schwächen in der Ausleuchtung<br />

bei bestimmten Farbtönen. Die<br />

meisten LEDs haben einen engen Abstrahlwinkel.<br />

Eine gleichmäßige flächige Beleuchtung<br />

erfordert erhöhten Aufwand und Sorgfalt<br />

bei der Herstellung von LED-Lampen.<br />

Hochwertige Strahler können sehr effektvolles<br />

und effizientes Licht liefern, das gut<br />

für Nahaufnahmen eingesetzt werden kann.<br />

Neutralweiße LEDs zeigen die natürlichste<br />

Farbdarstellung. Viele LED-basierte Leuchten<br />

sind wegen ihrer ungleichmäßigen Helligkeitsverteilung<br />

und einem engen Lichtkegel<br />

nur als Hilfe zum Fokussieren zu verwenden,<br />

ihre Farbcharakteristik und Lichtverteilung<br />

disqualifiziert sie als Fotolicht.<br />

Als Fokushilfslicht eignen sich besonders<br />

jene LED-Lampen, die mit einem Helligkeitssensor<br />

ausgestattet sind, der sie beim<br />

Zünden eines Blitzlichts für ungefähr eine<br />

Sekunde abschaltet. So helfen diese Leuchten<br />

beim Fokussieren und verhindern durch<br />

das Abschalten unvorteilhafte Lichteffekte<br />

in der Aufnahme.<br />

HID-Licht<br />

In der Medizin- und Automobiltechnik verbreitet,<br />

führen diese Lichtquellen unter<br />

Wasser ein Schattendasein. Obwohl das von<br />

ihnen abgegebene Licht dem Sonnenlicht in<br />

Spektrum und Farbtemperatur sehr ähnlich<br />

ist und der Verbrauch deutlich unter dem<br />

von Halogenlampen liegt, wird HID-Licht<br />

kaum verwendet. Gründe dafür sind die hohen<br />

Kosten und die Anfälligkeit der Leuchtmittel<br />

sowie deren begrenzte Lebensdauer.<br />

HID-Lampen kommen gelegentlich beim<br />

technischen Tauchen zum Einsatz.<br />

Farbkorrekturfilter<br />

Es gibt Situationen, in denen Kunstlicht<br />

nicht verwendet werden kann. Bei Tiefen bis<br />

zu 10 m können Farbkorrekturfilter das Bildergebnis<br />

verbessern. Bis dorthin sind noch<br />

Teile des roten Spektrums vorhanden. Sie<br />

sind aber gegenüber den verbleibenden Anteilen<br />

des Spektrums verschwindend gering.<br />

Ein Farbkorrekturfilter kann dieses Ungleichgewicht<br />

kompensieren. Diese Filter schwächen<br />

die dominanten Grün- und Blauanteile<br />

ab, während sie die Rotanteile ungehindert<br />

passieren lassen. Das Ergebnis ist ein ausgeglichenes<br />

Spektrum. Natürlich kann man<br />

kleine Farbkorrekturen auch nachträglich<br />

am Computer durchführen. Eine bei Tiefen<br />

von 5 bis 10 m übliche Differenz von bis zu<br />

2 EV zwischen rotem und blauem bzw. grünem<br />

Farbkanal erfordert zur Korrektur eine<br />

extreme Verstärkung im roten Kanal. Das<br />

bewirkt ein übermäßiges Farbrauschen, das<br />

sich in Artefakten wie roten Flecken im Bild<br />

manifestiert. Durch die Verwendung eines<br />

Korrekturfilters verschieben sich die Belichtungsdaten<br />

um bis zu 2 EV. Die Balance<br />

zwischen den Farbkanälen wird annähernd<br />

hergestellt. Die verbleibende Abweichung<br />

kann leicht ohne sichtbare Folgen im Bild bei<br />

der Bearbeitung korrigiert werden.<br />

Der Einsatz von Farbkorrekturfiltern bietet<br />

sich vor allem bei Weitwinkel- und Fisheye-<br />

Objektiven an. Es schafft eine natürlich anmutende<br />

farbliche Tiefe, die mit Kunstlicht<br />

nicht erreichbar ist. Manche Objektive, besonders<br />

Fisheyes, erlauben keine Montage<br />

eines Filters vor der Frontlinse. Eine Filterfolie,<br />

die an der Rückseite des Objektivs<br />

platziert wird, ist oft die einzige Lösung. Hat<br />

ein Objektiv keine dafür vorgesehene Halterung,<br />

kann man die Filterfolie mit einem<br />

versteifenden Rahmen im Spiegelkasten der<br />

Kamera montieren. Wenn Sie Farbkorrekturfilter<br />

und Blitzlicht kombinieren, erzeugt


KAPITEL 2<br />

FASZINIERENDE<br />

UNTER WASSERWELT<br />

der Blitz einen Rotstich, weil sein Licht wegen<br />

des geringen Wegs überkompensiert<br />

ist. Für die Kombination von Filter und Blitz<br />

müssen Sie den Blitz mit einem passenden<br />

blauen Filter, abhängig vom Lichtweg, dem<br />

natürlichen Licht im Wasser anpassen.<br />

Kleine Helfer immer dabei<br />

Damit Sie die Kamera sicher an Ihrer Tarierweste<br />

befestigen können, empfiehlt sich ein<br />

Spiralfederzug. Die bei diesen Spiralfedern<br />

üblichen Karabiner aus Plastik sind klein und<br />

mit Handschuhen schlecht zu bedienen. Ersetzen<br />

Sie den Plastikkarabiner durch einen<br />

Karabiner aus dem Bergsport. Deren Größe<br />

und Griffigkeit gewährleistet selbst mit dicken<br />

Handschuhen eine gute Handhabung.<br />

Wollen Sie sicherstellen, dass sich der Karabiner<br />

nicht versehentlich durch Verdrehen<br />

ausklinkt und löst, verwenden Sie zwei Karabiner,<br />

die gegengleich eingehängt werden.<br />

Schraubkarabiner sind für den Einsatz im<br />

Wasser wenig geeignet, ebenso Karabiner<br />

mit Sicherungshülsen oder Schiebern. Sie<br />

verkleben leicht im Salzwasser und sind anfällig<br />

für Sand, der sie blockieren kann. Gleiches<br />

gilt für Schnappkarabiner herkömmlicher<br />

Bauart. Die Feder im Verschluss leidet<br />

schnell unter den im Wasser vorherrschenden<br />

Bedingungen.<br />

Die wie eine Büroklammer wirkenden<br />

Schnappkarabiner haben sich im Wasser<br />

bewährt. Der Mechanismus ist einfach,<br />

leicht auf korrekte Funktion überprüfbar<br />

und weitgehend selbstreinigend. Zur Pflege<br />

reicht es, den Karabiner mit Frischwasser<br />

abzuspülen und gelegentlich mit Silikonfett<br />

zu schmieren. Schadstellen durch Kontaktkorrosion<br />

entstehen erst nach jahrelangem<br />

intensivem Einsatz. Schäden sind bei dieser<br />

Konstruktion, im Gegensatz zu anderen<br />

Karabinern, leicht zu entdecken und treten<br />

meist nur an den Berührungspunkten von<br />

Farbkorrekturfilter für die Montage im Spiegelkasten von Olympus-<br />

E-System-Kameras. Diese Lösung funktioniert mit jedem Objektiv.<br />

(Bezugsquelle: mike-dive)<br />

Spiralfederzüge mit Metallkarabinern aus der Bergsportabteilung.<br />

Modelle mit Drahtbügel bleiben im Wasser jahrelang einsatzfähig.<br />

Klassische Schnappkarabiner haben eine Feder im Bügel, die sich<br />

durch Sand und Salz leicht verklemmt.<br />

109


Dieser Anblick möge<br />

Ihnen erspart bleiben.<br />

Blick durch den gefluteten<br />

Domeport, das Wasser<br />

reicht fast bis zum<br />

Objektiv. Als Fehlerquelle<br />

konnten die Gurt-Ösen<br />

identifiziert werden, die<br />

ein korrektes Schließen<br />

des Gehäuses verhinderten.<br />

Ein klassischer<br />

Bedienungsfehler.<br />

Drahtbügel und Körper auf. Ersetzen Sie<br />

den Karabiner, wenn die Korrosion so weit<br />

fortgeschritten ist, dass der Karabiner nicht<br />

mehr zuverlässig schließt. Eine breite Auswahl<br />

an Karabinern aus Aluminium finden<br />

Sie in der Bergsportabteilung.<br />

Karabiner aus Stahl halten zwar ewig, sie sind<br />

aber bei gleicher Größe deutlich schwerer<br />

und teurer. Ihre Mechanik ist häufig anfällig<br />

bei Sand und Schlamm. Sie sind im Bootszubehörhandel<br />

erhältlich.<br />

Nicht immer ist es möglich und sinnvoll,<br />

ein Motiv frei schwebend ins Visier zu nehmen.<br />

Sie minimieren in manchen Situationen<br />

das Risiko eines Schadens in der Natur,<br />

wenn Sie sich anstatt durch Flossenschlag<br />

durch Kontakt zum Boden fixieren. Um diesen<br />

Kontakt möglichst schonend für die<br />

Umwelt zu gestalten, benötigen Sie einen<br />

einfachen Zelthering mit Öse, der an einem<br />

Spiralfederzug befestigt ist. Damit können<br />

Sie sich mit minimalem Kontakt abstützen<br />

und die Kamera stabil halten. Der Zelthering<br />

funktioniert auch ganz gut als Zeigestab.<br />

Bei der Suche nach winzigen Motiven<br />

im Makrobereich bringt eine Unterwasserlupe<br />

bis zu 2,5-fache Vergrößerung. Normale<br />

Lupen haben im Wasser wenig Wirkung.<br />

Der Brechungsindex von Glas und<br />

Wasser liegt so nahe beisammen, dass die<br />

optische Wirkung verloren geht.<br />

Kamerapflege und Wartungstipps<br />

Ein Sprichwort sagt: Es gibt zwei Gruppen<br />

von Tauchern. Die eine hat ihre Kamera<br />

schon einmal geflutet, die andere wird es<br />

einmal tun. Der häufigste Grund für Wassereinbruch<br />

im Gehäuse sind Bedienungsfehler,<br />

gefolgt von falscher Wartung. Gute<br />

Planung, ausreichend Zeit und ein schrittweise<br />

aufgebauter Ablauf der vorbereitenden<br />

Arbeiten am Gehäuse helfen, Fehler zu<br />

vermeiden. Stellen Sie sich eine Checkliste<br />

zusammen, die Sie vor dem Tauchgang abarbeiten.<br />

Binden Sie die Überprüfung Ihrer<br />

Kameraausrüstung in den obligatorischen<br />

Buddy-Check der Tauchausrüstung ein.<br />

Dichtungen<br />

Für die Abdichtung des Gehäuses werden<br />

O-Ringe eingesetzt. Die Hauptdichtung<br />

am Gehäusedeckel ist die größte und auch<br />

jene, die vom Anwender regelmäßig gewartet<br />

werden muss. Das gilt bei Gehäusen mit<br />

Wechselports auch für die Portdichtungen.<br />

Weitere meist unauffällig verbaute O-Ringe<br />

finden sich in den Durchführungen von Tasten<br />

und Stellrädern. Ihre Pflege übersteigt<br />

die Möglichkeiten der meisten Anwender<br />

und sollte durch Hersteller oder qualifiziertes<br />

Servicepersonal erfolgen. Je nach Typ<br />

der Dichtungen liegen die Serviceintervalle<br />

zwischen zwei und vier Jahren.<br />

Ein O-Ring dichtet, indem er satt zwischen<br />

den Dichtflächen eingeklemmt wird. Sand,<br />

Staub, Haare, Salzkristalle oder andere<br />

Fremdkörper führen dazu, dass sich zwischen<br />

O-Ring und Dichtfläche ein Spalt bilden<br />

kann, durch den Wasser eindringt. Ein<br />

häufiger Fehler bei der Wartung ist übermäßiges<br />

Schmieren. Zu viel Fett kann auch<br />

dazu führen, dass Wasser den Weg ins Gehäuse<br />

findet. Die ideale Menge erkennen<br />

Sie daran, dass sich der O-Ring seidenmatt<br />

anfühlt. Geben Sie etwas Fett auf Ihre Fin-<br />

110


KAPITEL 2<br />

FASZINIERENDE<br />

UNTER WASSERWELT<br />

gerspitzen und ziehen Sie den O-Ring vorsichtig<br />

durch die sanft angepressten Finger.<br />

Verteilen Sie das Fett gleichmäßig und verwenden<br />

Sie ein flusenfreies Tuch, um überschüssiges<br />

Fett abzustreifen.<br />

Das Durchziehen des O-Rings ist gleichzeitig<br />

eine Kontrolle der Oberfläche. Achten<br />

Sie auf Risse, spröde Stellen und andere<br />

Verletzungen des O-Rings. Ist dieser beschädigt,<br />

muss er unbedingt ausgetauscht<br />

werden. Verwenden Sie nur Schmiermittel,<br />

die vom Hersteller für die Dichtungen empfohlen<br />

werden. Unpassende Schmiermittel<br />

können zum Aufquellen oder Zersetzen von<br />

O-Ringen führen. Ebenso sollten Sie als Ersatz<br />

nur O-Ringe gleicher Bauart, Härte und<br />

Abmessung verwenden, um die Dichtwirkung<br />

nicht zu gefährden.<br />

Nicht bewegte O-Ringe kleben nach einiger<br />

Zeit fest. Das betrifft besonders jene, die<br />

Taster und Stellräder abdichten. Drücken<br />

Sie daher alle Tasten und bewegen Sie alle<br />

WARTUNGSHINWEIS<br />

Zu viel Schmiere flutet die Kamera!<br />

Hüten Sie sich vor zu viel Fett auf den<br />

O-Ringen. Fett lässt die Dichtung<br />

gleiten, ebnet aber auch Wasser den<br />

Weg ins Gehäuse. Ein hauchdünner,<br />

seidenmatter Schmierfilm pflegt<br />

den O-Ring und gewährleistet eine<br />

gute Dichtun g. Verwenden Sie nur<br />

Schmiermittel, die vom Hersteller für<br />

die Dichtungen empfohlen werden.<br />

Unpassende Schmiermittel können<br />

zum Aufquellen oder Zersetzen von<br />

O-Ringen führen.<br />

Stellräder am Gehäuse, wenn Sie dieses<br />

einige Zeit nicht benutzt haben. Sie sollten<br />

das Gehäuse nur dann verwenden, wenn<br />

sich alle Bedienelemente leichtgängig bewegen<br />

lassen.<br />

Reinigung<br />

Salzwasser bildet beim Trocknen Kristalle<br />

aus. Ihr Wachstum ist in der Lage, Dichtungen<br />

auszuhebeln. Dadurch kann Feuchtigkeit<br />

ins Gehäuse gelangen. Dieser Fall tritt<br />

besonders dann auf, wenn das Gehäuse ungespült<br />

trocknet und danach in ein Spülbecken<br />

getaucht wird. Der dort herrschende<br />

geringe Wasserdruck reicht nicht aus, den<br />

O-Ring satt an die Dichtflächen zu pressen.<br />

Sickerwasser findet so leicht einen Weg ins<br />

Innere des Gehäuses.<br />

Spülen Sie das Gehäuse unmittelbar nach<br />

jedem Einsatz gründlich mit Süßwasser.<br />

Haben Sie keine Gelegenheit dazu, halten<br />

Sie das Gehäuse möglichst durchgehend<br />

nass, bis Sie es spülen können. Sie verhindern<br />

dadurch wirksam das Wachsen von<br />

Salzkristallen. Verwenden Sie keine scheuernden<br />

Putzmittel. Wenn es die Herstellerangaben<br />

zulassen, können Sie für die Entfernung<br />

hartnäckiger Verschmutzung auch<br />

Spülmittel verwenden. Zum Abtrocknen<br />

des Gehäuses eignet sich ein flusenfreies<br />

Tuch. Mikrofasertücher haben sich dafür<br />

besonders bewährt. Öffnen Sie das Gehäuse<br />

erst, wenn es trocken ist. Sie verhindern<br />

so, dass Wasser beim Öffnen ins Innere<br />

tropft und die Kamera beschädigt. Reinigen<br />

Sie die Nut der Hauptdichtung mit einem<br />

Tuch, um Sand, Schlamm, Schwebstoffe<br />

oder Salzkristalle zu beseitigen.<br />

111


Ihre Gesundheit steht an erster Stelle<br />

Keine Kamera ist mehr wert als Ihre Gesundheit.<br />

Tauchen Sie nie schneller auf, als<br />

es Ihr Tauchprofil erlaubt. Wenn Sie während<br />

des Tauchgangs feststellen, dass Ihr<br />

Gehäuse undicht ist, bewahren Sie Ruhe.<br />

Panik kann in dieser Situation Ihre Gesundheit<br />

ernsthaft gefährden.<br />

Halten Sie das Gehäuse so, dass sich das<br />

Wasser an einer Stelle sammelt, an der es<br />

möglichst wenig Schaden anrichten kann.<br />

Schalten Sie die Kamera und alles Zubehör<br />

ab. Versuchen Sie, die Kameraakkus<br />

trocken zu halten. Akkus haben die unangenehme<br />

Eigenschaft, ein Vielfaches ihres<br />

Volumens an Gas zu entwickeln, wenn sie<br />

nass werden. Dadurch kann ein Gehäuse im<br />

Extremfall sogar bersten.<br />

Zurück an der Oberfläche, öffnen Sie das<br />

Gehäuse und lassen das eingetretene Wasser<br />

auslaufen. Entfernen Sie alle Akkus und<br />

Batterien. Spülen Sie das Gehäuse und alle<br />

mit Salzwasser in Kontakt gekommenen Teile<br />

mit sauberem Süßwasser. Verwenden Sie,<br />

wenn verfügbar, destilliertes Wasser. Es löst<br />

Mineralstoffe und Salz optimal. Geben Sie<br />

der Elektronik ausreichend Zeit zum Trocknen,<br />

mindestens eine, besser zwei Wochen.<br />

Sie unterstützen die Trocknung, indem Sie<br />

die betroffenen Geräte in einem klimatisierten<br />

Raum mit trockener Luft lagern.<br />

Fliegen mit der Fotoausrüstung<br />

Fliegen mit der Fotoausrüstung will gut geplant<br />

sein. Die Entscheidung darüber, welche<br />

Teile der Ausrüstung aufgegeben werden<br />

müssen und was ins Handgepäck darf,<br />

können Sie den Transportvorschriften der<br />

IATA (Internationale Vereinigung der Luftfahrtunternehmen)<br />

entnehmen. Tauchen<br />

Sie vorwiegend in heimischen Gewässern,<br />

reicht für den Transport Ihrer Fotoausrüstung<br />

eine feste Tasche oder Transportbox.<br />

Fotografieren Sie aber auch in tropischen<br />

Regionen, müssen Sie Ihre Fotoausrüstung<br />

flugtauglich verpacken. Eine Kompaktkamera<br />

mit Gehäuse und Blitz findet leicht<br />

im Handgepäck Platz. Eine umfangreiche<br />

Ausrüstung aus Spiegelreflexkamera, Objektiven,<br />

Gehäuse, Ports und Blitzanlage<br />

überschreitet oft die zulässigen Limits bei<br />

Gewicht und Abmessungen. Die aktuellen<br />

Gewichtsgrenzen liegen je nach Fluglinie in<br />

der Economy-Klasse für ein Gepäckstück<br />

bei 6 bis 8 kg. Die maximalen Abmessungen<br />

für kabinentaugliches Gepäck sind bei<br />

den meisten europäischen Fluglinien mit<br />

55 x 40 x 20 cm angegeben.<br />

Unbedingt ins Handgepäck<br />

Tauchlampen und Blitzgeräte gelten als Gefahrgut.<br />

Für sie gelten spezielle Regelungen,<br />

die vorschreiben, dass diese Geräte mit demontiertem<br />

Akku oder Leuchtmittel und<br />

Einschaltsicherung im Handgepäck transportiert<br />

werden müssen. Der Grund dafür<br />

ist die Hitzeentwicklung im Fall eines Kurzschlusses.<br />

Sie kann zur Entzündung umliegender<br />

Gegenstände führen. Ein Problem,<br />

das während des Flugs in der Passagierkabine<br />

leichter zu lösen ist als im Frachtraum.<br />

Auch mindestens eine Kamera, die dazugehörigen<br />

Akkus, Speicherkarten und ein universelles<br />

Objektiv sollten im Handgepäck<br />

Platz finden. Sonst kann es passieren, dass<br />

Ihr Urlaub ganz ohne Bilder endet. Verwenden<br />

Sie weiche Taschen oder Rucksäcke für<br />

das Handgepäck.<br />

112


KAPITEL 2<br />

FASZINIERENDE<br />

UNTER WASSERWELT<br />

Was man aufgeben kann<br />

Es gibt schon einen guten Grund dafür, dass<br />

man die Überlassung von Gepäckstücken<br />

an eine Fluglinie als „aufgeben“ bezeichnet.<br />

Wer mit Tauchausrüstung reist, hat aber<br />

kaum eine andere Wahl und meist Übergepäck.<br />

Packen Sie nur robuste Ausrüstungsgegenstände<br />

ins aufgegebene Gepäck.<br />

Schützen Sie Empfindlicheres, indem Sie es<br />

zwischen Kleidungsstücke packen. Ist Ihre<br />

Ausrüstung so umfangreich, dass Sie auch<br />

Kamera, Gehäuseteile oder Objektive aufgeben<br />

müssen, wählen Sie eine robuste Verpackung.<br />

Ein Pelicase oder eine Zarges-Box,<br />

innen gepolstert mit ausreichend Schaumstoff,<br />

schützt Ihre wertvolle Ausrüstung<br />

zuverlässig. Das wissen in der Zwischenzeit<br />

auch Diebe. Packen Sie daher diese Behälter<br />

mit etwas Füllmaterial, z. B. Handtüchern<br />

oder Wäsche, in eine unauffällige Sporttasche<br />

oder einen Sack.<br />

Zum Verschließen aufgegebener Gepäckstücke<br />

sollten Sie nur TSA-taugliche Schlösser<br />

verwenden. Diese können bei Kontrollen,<br />

bevorzugt in den USA, mit Spezialschlüsseln<br />

geöffnet werden. Anderen Schlössern droht<br />

bei Gepäckkontrollen der Bolzenschneider.<br />

Parallel zum Schloss sollten Sie an einer Stelle<br />

einen Kabelbinder anbringen. Drucken Sie<br />

„please close with zip tie when you’re done“<br />

(bitte wieder mit Kabelbinder verschließen)<br />

auf ein Blatt Papier. Kleben Sie rote Kabelbinder<br />

mit Klebeband auf das Blatt und legen Sie<br />

es gut sichtbar obenauf ins Gepäck. Verwenden<br />

Sie grüne Kabelbinder, um das Gepäckstück<br />

vor dem Aufgeben zu sichern. Sie sehen<br />

dadurch sofort, wenn jemand Ihr Gepäck<br />

geöffnet hat. Die Kontrollorgane verschließen<br />

meist Ihr Gepäckstück wie gewünscht.<br />

Oft legen sie dabei auch einen Hinweis auf<br />

die erfolgte Kontrolle dazu. Vergessen Sie<br />

nicht, ausreichend Kabelbinder und Hinweiszettel<br />

für die Heimreise oder Teilstrecken mit<br />

neuerlichem Einchecken ins Handgepäck zu<br />

packen.<br />

Fluglinien ersetzen verloren gegangenes<br />

oder beschädigtes Gepäck nach Gewicht.<br />

Tauch- und Fotoausrüstung wird bei den<br />

üblichen Raten unter dem Schrottpreis abgegolten.<br />

Wenn Sie Ihre Ausrüstung zur<br />

Abfederung des finanziellen Schadens versichern,<br />

achten Sie darauf, dass die Versicherung<br />

auch dann zahlt, wenn Sie das<br />

versicherte Gut beim Fliegen aufgeben.<br />

Viele Versicherungen klammern diesen Fall<br />

im Kleingedruckten aus. Eine Versicherung<br />

hilft Ihnen zwar meist nicht schnell genug,<br />

dass Sie während Ihrer Reise wieder fotografieren<br />

können, sie mildert aber auf jeden<br />

Fall den Ärger der Wiederbeschaffung.<br />

NICHT IM HANDGEPÄCK<br />

UND DOCH SICHER<br />

Alles, was Sie am Körper tragen,<br />

zählt nicht zum Handgepäck. Nur in<br />

sehr kleinen Flugzeugen werden Sie<br />

selbst samt Gepäck gewogen. Seien<br />

Sie also kreativ bei der Auswahl der<br />

Kleidung. Fotowesten und Hosen mit<br />

vielen Taschen bieten zusätzlichen<br />

Stauraum für Kleinteile. Wenn Sie in<br />

Gruppen reisen, können Sie Ihre Fotoausrüstung<br />

auf nicht fotografierende<br />

Mitglieder der Gruppe aufteilen.<br />

Sprechen Sie das im Vorhinein ab, um<br />

böse Überraschungen beim Check-in<br />

zu vermeiden. Nichts ist schlimmer,<br />

als Gepäck aufgeben zu müssen, das<br />

nicht dafür vorbereitet wurde.<br />

113


Lauerjäger wie Drachenköpfe,<br />

Steinfische oder<br />

Krokodilsfische eignen<br />

sich besonders gut für<br />

Nahaufnahmen. Sie<br />

fühlen sich in ihrer guten<br />

Tarnung sicher und haben<br />

daher eine geringe<br />

Fluchtdistanz.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 50 mm<br />

Belichtung 1/125 s<br />

Blende<br />

f/16,0<br />

ISO 100<br />

Geheimnisse guter Unterwasserfotos<br />

Das Geheimnis der meisten guten Unterwasseraufnahmen<br />

ist: Gehen Sie nah ran!<br />

Dieser kleine Satz bildet die Grundlage für<br />

gute Unterwasserbilder. Kurze Lichtwege<br />

und wenig Platz für Schwebeteilchen<br />

zwischen Motiv und Kamera ermöglichen<br />

kräftige Farben. Das gilt für Makro- wie<br />

auch für Weitwinkelaufnahmen. Eine gekonnte<br />

Lichtführung unterstützt diese Wirkung<br />

und bringt Stimmung ins Bild.<br />

Wie nah ran, wird von der Fluchtdistanz bestimmt<br />

– jenem Abstand, den ein Tier als<br />

Bedrohung interpretiert und ab dem es mit<br />

Flucht oder Angriff reagiert. Kenntnis über<br />

Verhalten und Biologie Ihrer Motive hilft<br />

Ihnen, die Lage richtig einzuschätzen. Im<br />

Zweifelsfall können Sie sich auch an ein Motiv<br />

herantasten. Machen Sie Bilder, während<br />

Sie sich annähern. So schaffen Sie ein Bild,<br />

das vielleicht nicht optimal ist, aber allemal<br />

besser als gar kein Bild.<br />

Manuelle Kameraeinstellung<br />

Viele Kompaktkameras bieten Motivprogramme<br />

für Unterwasserfotos. Diese verwenden<br />

Einstellungen, die speziell auf die<br />

Anforderungen von Nah- und Übersichtsaufnahmen<br />

im Wasser ausgerichtet sind.<br />

Mehr Einfluss auf die Bildgestaltung nehmen<br />

Sie aber, wenn Sie alle Einstellungen<br />

manuell wählen. Sie vermeiden dadurch<br />

Fehler, die sich durch eine falsche Einschätzung<br />

der Lichtsituation durch die Automatik<br />

der Kamera ergeben könnten. Ein weiterer<br />

Vorteil manueller Einstellungen liegt darin,<br />

dass Sie die Parameter für die Belichtung<br />

bewusst verändern. So fallen Ihnen grenzwertige<br />

Einstellungen eher auf, als wenn Sie<br />

alles blind der Kamera überließen, und Sie<br />

können entsprechend gegensteuern.<br />

Die Schärfentiefe , also der als scharf empfundene<br />

Bereich im Bild, hängt vom verwendeten<br />

Abbildungsmaßstab ab. Dieser<br />

ergibt sich bei jeweils formatfüllender Abbildung<br />

eines Motivs mit gleichem Bildwinkel<br />

aus der Größe des Sensors und der<br />

dafür notwendigen Brennweite. Vereinfacht<br />

kann gesagt werden, dass die Schärfentiefe<br />

mit kleinerem Sensor wächst. Dieser Effekt<br />

hat zwei Seiten. Einerseits hilft eine große<br />

Schärfentiefe, Abbildungsfehler durch den<br />

Port abzuschwächen, andererseits verhindert<br />

sie den kreativen Einsatz selektiver<br />

Schärfe zur Bildgestaltung.<br />

Die im Folgenden angegebenen Blendenzahlen<br />

sind Erfahrungswerte, die für Kameras<br />

mit APS-C- oder FT-Sensor gelten. Bei<br />

Kompaktkameras mit deutlich kleinerem<br />

Sensor können Sie die Blende vergleichsweise<br />

um mehrere Stufen öffnen, ohne<br />

an Schärfentiefe zu verlieren. Das erlaubt<br />

Ihnen, eine geringere Empfindlichkeit einzustellen<br />

und so Einbußen in der Bildqualität<br />

durch Rauschen zu verringern.<br />

114


KAPITEL 2<br />

FASZINIERENDE<br />

UNTER WASSERWELT<br />

Parameter für Nah- und Makroaufnahmen<br />

Bei Nah- und Makroaufnahmen kommt<br />

das Licht überwiegend vom Blitz. Mit Systemblitzen<br />

wählen Sie die Synchronzeit<br />

der Kamera, ansonsten eher 1/125 Sekunde<br />

als Belichtungszeit. Bei leistungsstarken,<br />

länger leuchtenden Blitzen sollten Sie<br />

1/60 Sekunde wählen. Einen möglichst großen<br />

Schärfebereich erreichen Sie mit einer<br />

Blende zwischen f/8 und f/16. Dieser kann<br />

bei Abbildungsmaßstäben von 1:2 bis 1:1<br />

trotz weit geschlossener Blende auf wenige<br />

Millimeter schrumpfen. Zusätzlich hilft die<br />

weit geschlossene Blende, den nicht ausgeleuchteten<br />

Hintergrund in Dunkelheit zu<br />

tauchen.<br />

Die einzustellende Blitzleistung richtet sich<br />

nach gewählter Blende und Empfindlichkeit.<br />

Dieses Parameterpaar bestimmt die Belichtung<br />

und somit die Bildwirkung. Die Belichtungszeit<br />

ist in der Regel sekundär, solange<br />

sie ausreicht, um die Blitzenergie voll zu<br />

nutzen. Nur in Situationen, in denen Sie Bewegungsunschärfe<br />

gestalterisch einsetzen,<br />

sollten Sie die Belichtungszeit länger als<br />

1/60 Sekunde wählen. Synchronisieren Sie<br />

dann den Blitz auf den zweiten Verschlussvorhang,<br />

um den Effekt der Bewegung natürlich<br />

wirken zu lassen.<br />

Für eine optimale Bildqualität stellen Sie die<br />

Empfindlichkeit auf die Basisempfindlichkeit<br />

Ihrer Kamera ein. Diese liegt je nach Modell<br />

bei ISO 100 bis 200. Der Hauptlichtquelle<br />

entsprechend, verwenden Sie für den<br />

Weißabgleich Blitz oder Tageslicht, also<br />

einen Wert zwischen 5.000 und 5.500 K.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 8 mm<br />

Belichtung 1/30 s<br />

Blende<br />

f/5,6<br />

ISO 100<br />

Blitzleistung und Blende<br />

tragen zur Belichtung<br />

des Vordergrunds bei,<br />

Belichtungszeit und<br />

Blende bestimmen die<br />

Wirkung des Hintergrunds.<br />

115


Im trüben oder<br />

brackigen Wasser<br />

darf Kunstlicht nur mit<br />

großer Sparsamkeit<br />

eingesetzt werden,<br />

um „Schwebeteilchenschnee“<br />

zu vermeiden.<br />

Eine Lichtquelle am<br />

Modell erzeugt einen<br />

Akzent und unterstützt<br />

den auf schwache Leistung<br />

geregelten Blitz<br />

bei der Blickführung.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 8 mm<br />

Belichtung 1/60 s<br />

Blende<br />

f/4,0<br />

ISO 200<br />

Wenn Sie wenig Platz auf der Speicherkarte<br />

haben oder den höheren Aufwand bei der<br />

Bearbeitung scheuen, können Sie hier auch<br />

im JPEG-Format arbeiten. Für maximale<br />

Reserven in der Bearbeitung ist die Speicherung<br />

in RAW zu empfehlen.<br />

Freistellen durch selektive Schärfe ist mit<br />

Kompaktkameras wegen der großen Schärfentiefe<br />

kaum möglich. Alternativ können Sie<br />

in diesem Fall versuchen, mit Licht freizustellen.<br />

Mehr dazu finden Sie im Abschnitt „Ausleuchtung<br />

und Lichtführung im Wasser“.<br />

Parameter für Weitwinkelaufnahmen<br />

Bei Weitwinkelaufnahmen gewinnen zwei<br />

Parameterpaare an Bedeutung. Belichtungszeit<br />

und Blende bestimmen die Wirkung des<br />

Hintergrunds. Blende und Blitzleistung legen<br />

die Lichtwirkung im Vordergrund fest. Die<br />

Abstimmung dieser Wertepaare gibt Ihnen<br />

Spielraum in der Bildgestaltung.<br />

Sie messen die Belichtung auf den Hintergrund,<br />

zum Beispiel das tiefe Blau des<br />

Wassers. Dieses wirkt besonders plastisch,<br />

wenn Sie es ungefähr 1/2 EV unterbelichten.<br />

Mit der Belichtungszeit sollten Sie dabei<br />

zwischen 1/60 Sekunde und der Synchronzeit<br />

liegen. Längere Zeiten führen oft<br />

zu sichtbarer Bewegungsunschärfe. Fische<br />

sind zu schnell, um mit 1/30 Sekunde immer<br />

scharf abgebildet zu werden, selbst wenn<br />

Sie die Kamera dabei dank Bildstabilisator<br />

ruhig halten.<br />

Blendenwerte zwischen f/5,6 und f/11 sorgen<br />

für einen meist ausreichend großen<br />

Schärfebereich. Wollen Sie auch bei Weit-<br />

116


KAPITEL 2<br />

FASZINIERENDE<br />

UNTER WASSERWELT<br />

winkelaufnahmen den Hintergrund in Unschärfe<br />

versinken lassen, müssen Sie sehr<br />

nahe an das Hauptmotiv heran und die Blende,<br />

soweit es verträglich ist, öffnen. Notfalls<br />

müssen Sie die Empfindlichkeit anpassen,<br />

um die gewünschte Blende zu erreichen.<br />

Regeln Sie nun die Blitzleistung passend<br />

zur gewählten Blende. Die Einstellung soll<br />

so gewählt sein, dass keine bildwichtigen<br />

Elemente überstrahlt abgebildet werden.<br />

Farblich sind solche Aufnahmen schwer<br />

einzuschätzen. Der automatische Weißabgleich<br />

liegt in seiner Bewertung mit hoher<br />

Wahrscheinlichkeit falsch.<br />

Arbeiten Sie im RAW-Format und stimmen<br />

Sie die Farben zu Hause in der Bildbearbeitung<br />

ab. Als Ausgangsbasis für eine Vorschau<br />

bietet sich die Einstellung Tageslicht<br />

mit 5.000 bis 5.500 K an. Sie bildet die<br />

Charakteristik von Diafilm nach und ergibt<br />

eine einheitliche Farbgebung, wenn man die<br />

Bilder zur Voransicht mit einer Standardaktion<br />

in JPEG wandelt. Bei ausreichend Speicherplatz<br />

können Sie auch RAW und JPEG<br />

parallel speichern, um schnell eine Vorschau<br />

zur Hand zu haben.<br />

Wenn Sie ein korrigiertes Weitwinkelobjektiv<br />

hinter einem Domeport verwenden,<br />

verschenken Sie an den Bildecken je nach<br />

Domeradius zwischen 1 und 3 EV für den<br />

Ausgleich der Randschärfe gegenüber einem<br />

Fisheye. Das bedeutet, dass Sie trotz<br />

weiter geschlossener Blende zum Bildrand<br />

hin einen geringeren Schärfebereich zur<br />

Verfügung haben. Wie stark der Effekt wirkt,<br />

hängt von der Abstimmung von Domeport<br />

und Objektiv ab. Eine Testreihe im gefliesten<br />

Schwimmbecken zeigt Ihnen zuverlässig<br />

den verträglichen Blendenbereich.<br />

Ausleuchtung und Lichtführung<br />

im Wasser<br />

Die Ausleuchtung ist im Wasser ein wichtiges<br />

Mittel zur Bildgestaltung. Meist reicht<br />

das Sonnenlicht nicht als alleinige Lichtquelle.<br />

Es liegt daher an Ihnen, mit Kunstlicht<br />

für eine passende Stimmung oder farbige<br />

Akzente im Bild zu sorgen.<br />

Makroaufnahmen<br />

Frontales Licht lässt ein Motiv flach erscheinen,<br />

dazu erzeugt es auf dem Hintergrund<br />

harte Schatten. Weit angenehmer<br />

wird Licht empfunden, das seitlich schräg<br />

von oben kommt. Es modelliert das Motiv<br />

plastisch und hebt Strukturen hervor. Idealerweise<br />

verwenden Sie zwei in der Leistung<br />

getrennt einstellbare Lichtquellen und<br />

nehmen damit Ihr Motiv in die Zange. Das<br />

Hauptlicht kommt dabei z. B. von schräg<br />

oben, ein Hilfslicht zum Aufhellen befindet<br />

sich seitlich gegenüber der Hauptlichtquelle.<br />

Anstelle einer zweiten Lichtquelle können<br />

Sie auch einen Reflektor verwenden.<br />

Der längere Lichtweg führt aber – anders<br />

als beim Einsatz von Reflektoren an Land –<br />

beim reflektierten Licht zu leichten Farbverschiebungen<br />

in Richtung Blau.<br />

Für das Ausleuchten im Nahbereich ist die<br />

Kompaktheit und Beweglichkeit der Lichtquellen<br />

wichtiger als die Leistung. Sehr<br />

effektvolle Ergebnisse erreichen Sie mit<br />

speziellen Vorsätzen aus Glasfaserleitungen,<br />

sogenannten Snoots (dt. Schnute).<br />

Diese lenken das Licht eng gebündelt und<br />

leuchten punktförmig aus. Sie stellen damit<br />

kleinste Motive wie auf einer Bühne ins<br />

Rampenlicht.<br />

117


AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 50 mm<br />

Belichtung 1/125 s<br />

Blende<br />

f/16,0<br />

ISO 100<br />

Freistellen mit Licht.<br />

Die nur knapp 12 mm<br />

große Spinnenkrabbe<br />

(Xenocarcinus<br />

tuberculatus) lebt auf<br />

einer langen dünnen<br />

Peitschenkoralle.<br />

Die Blickrichtung ins<br />

Freiwasser lässt den<br />

Hintergrund in 40 m<br />

Tiefe bei einer Blende<br />

von f/16,0 schwarz<br />

erscheinen.<br />

118<br />

Sie können Licht auch zum Freistellen eines<br />

Motivs verwenden und so Ihr Hauptmotiv<br />

betonen und hervorheben. Richten Sie Ihre<br />

Lichtquellen so aus, dass zwar das Hauptmotiv,<br />

nicht aber der Hintergrund angestrahlt<br />

wird. Auch eine Blickrichtung, die<br />

einen großen Abstand zwischen Motiv und<br />

Hintergrund ergibt, kann hier helfen. Je weiter<br />

Sie die Blende schließen, desto weniger<br />

trägt das restliche vom Hintergrund reflektierte<br />

Licht zur Belichtung bei.<br />

Weitwinkelaufnahmen<br />

Weite Bildwinkel zeigen viele Schwebeteilchen,<br />

besonders wenn diese im Lichtkegel<br />

der Blitzgeräte erstrahlen. Sie tun das gemäß<br />

den physikalischen Gesetzen umso<br />

stärker, je näher sie der Kamera sind. Wollen<br />

Sie „Schneegestöber“ im Bild vermeiden,<br />

müssen Sie Ihre Lichtquellen so ausrichten,<br />

dass möglichst wenig direktes Licht in den<br />

Raum unmittelbar vor der Kamera fällt. Keine<br />

leichte Aufgabe, denn Sie wollen doch Ihr<br />

Motiv ausleuchten, und das ist in jedem Fall<br />

vor der Kamera. Es gibt nur einen Weg, der<br />

hier zum Ziel führt. Die Lichtquellen müssen<br />

so weit wie möglich von der Kamera entfernt<br />

liegen. Sie werden im Extremfall sogar<br />

leicht von der Bildmitte abgewendet, um<br />

den Raum vor der Kamera möglichst nicht<br />

zu beleuchten. Noch streiten die Philosophen,<br />

ob ein Blitz (es gibt auch nur eine Sonne)<br />

oder zwei Blitze (gleichmäßigere Ausleuchtung)<br />

die ultimative Lösung darstellen.


KAPITEL 2<br />

FASZINIERENDE<br />

UNTER WASSERWELT<br />

Sie benötigen für diese Aufgabe lange Blitzarme<br />

zur Befestigung der Leuchten. Die<br />

Auswahlkriterien bei Blitzgeräten für die<br />

Ausleuchtung von Weitwinkelaufnahmen<br />

sind eine hohe Blitzleistung und ein weiter<br />

Abstrahlwinkel. Ein kleines Blitzgerät, das<br />

über Slave-Auslöser gezündet wird, kann,<br />

entfesselt im Bild platziert, als Effektlicht<br />

eingesetzt werden.<br />

Exakte Bildbeurteilung<br />

Der Kamerabildschirm ist zur Beurteilung<br />

von Belichtung und Bildschärfe ungeeignet.<br />

Selbst an Land ist eine Beurteilung schwierig<br />

und meist ungenau. Im Wasser herrschen<br />

Lichtverhältnisse, die das Auge bei dieser<br />

Aufgabe überfordern. Die einzige objektive<br />

Aussage über die Belichtung liefert das Histogramm<br />

. Zusammen mit der Höhen- und<br />

Tiefenwarnung gestattet es Ihnen, die Belichtung<br />

sehr genau zu bewerten.<br />

Oben: Ausleuchten von<br />

Weitwinkelaufnahmen<br />

mit einer Lichtquelle.<br />

Die Lichtquelle ist senkrecht<br />

über der Kamera<br />

positioniert.<br />

Die Ausleuchtung ist<br />

stark asymmetrisch,<br />

entspricht aber weitgehend<br />

dem natürlichen<br />

Empfinden.<br />

Unten: Ausleuchten von<br />

Weitwinkelaufnahmen<br />

mit zwei Lichtquellen.<br />

Die Lichtquellen sind<br />

links und rechts der<br />

Kamera positioniert.<br />

Sie zeigen leicht nach<br />

außen, um den Raum<br />

direkt vor der Kamera<br />

möglichst wenig auszuleuchten.<br />

Dadurch kann<br />

„Schneegestöber“ im<br />

Bild wirksam verringert<br />

werden.<br />

Unterbelichtung (–1 EV), korrekte Belichtung und<br />

Überbelichtung (+2 EV) im Histogramm.<br />

Extreme Belichtungssituationen, wie sie<br />

im Wasser häufig vorkommen, manifestieren<br />

sich auch in extremen Histogrammen.<br />

Trotzdem erkennen Sie Überbelichtung gut<br />

an stark rechtslastigen Kurven, Unterbelichtung<br />

hingegen an stark linkslastigen Kurven,<br />

EIN BLITZ ODER ZWEI BLITZE?<br />

Darüber streiten die Gelehrten. Eine einzelne, der Sonne<br />

nachempfundene Lichtquelle erzeugt natürliche Lichtverhältnisse.<br />

Zwei Lichtquellen erlauben eine gleichmäßigere Ausleuchtung,<br />

können aber auch unnatürliche Schatten bewirken.<br />

119


AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 50 mm<br />

Belichtung 1/125 s<br />

Blende<br />

f/8,0<br />

ISO 100<br />

die am jeweiligen Rand anliegen, und an tonwertlosen<br />

Bereichen an der jeweils gegenüberliegenden<br />

Seite.<br />

Mut zur Entscheidung<br />

Gute Fotografen zeigen einfach nur gute<br />

Bilder. Weniger ist dabei mehr. Eine kurze,<br />

aber gelungene Fotostrecke hinterlässt<br />

einen besseren Eindruck als ein paar gute<br />

Bilder zwischen vielen durchschnittlichen<br />

Aufnahmen. Internetgalerien sollten 30 bis<br />

40 Bilder nicht überschreiten. Für eine Präsentation<br />

vor Publikum liegt die Obergrenze<br />

bei 70 bis 80 Bildern. Das ergibt einen<br />

Vortrag von ungefähr 90 Minuten, den man<br />

noch mit ausreichend Aufmerksamkeit verfolgen<br />

kann.<br />

Selbst wenn Sie vor dem Druck auf den<br />

Auslöser überlegen, ob das Motiv ein Foto<br />

rechtfertigt, können Sie sich glücklich<br />

schätzen, eine Erfolgsrate von ungefähr<br />

1:40 zu erreichen. Ein herzeigbares Bild<br />

aus 40 Aufnahmen ist eine Ausbeute, die<br />

auch bei guten Fotografen üblich ist – nur<br />

dass diese eventuell Bilder aussondern, die<br />

andere sofort an die Wand hängen würden.<br />

Sollten Sie unter Ihren ausgewählten Bildern<br />

mehr als drei bis vier absolut hitverdächtige<br />

Bilder pro Jahr finden, ist das eher<br />

ein Grund, Ihre Kriterien zu überdenken, als<br />

ein Grund zur Euphorie.<br />

Regelmäßige Reflexion der eigenen Ergebnisse<br />

und Bildbesprechungen schulen Ihren<br />

Blick für die Bildgestaltung. Nutzen Sie Internetforen,<br />

um anhand der Besprechung<br />

Ihrer Bilder und der Arbeiten anderer die<br />

Qualität Ihrer Ergebnisse zu steigern.<br />

Auch durch Beschnitt oder ein geändertes<br />

Seitenverhältnis kann die Bildwirkung beeinflusst<br />

werden. Aufnahme eines Kalmars, zugeschnitten<br />

auf die Seitenverhältnisse 3:2, 4:3 und 16:9.<br />

120


KAPITEL 2<br />

FASZINIERENDE<br />

UNTER WASSERWELT<br />

GELUNGENE<br />

BILDAUSWAHL<br />

Vergleichen Sie jeweils zwei Bilder.<br />

Reihen Sie das Bild, das Ihnen weniger<br />

gefällt, hinter dem besseren Bild ein.<br />

Nach mehreren Durchläufen haben<br />

Sie so die besten Bilder aus einer<br />

Serie ermittelt.<br />

Reserven für die Bildbearbeitung<br />

Je besser das Ausgangsmaterial, desto mehr<br />

Reserven und Möglichkeiten haben Sie bei<br />

der Bearbeitung Ihrer Bilder. Jede Bearbeitung<br />

kostet Information, die in Ihren Bilddaten<br />

enthalten ist. Manches davon können Sie<br />

zur Steigerung der Bildwirkung verwenden,<br />

ohne störende Artefakte zu provozieren.<br />

Überschreiten Sie die Grenzen der Bearbeitung,<br />

müssen Sie sichtbare Bilddetails opfern<br />

oder Störungen in Kauf nehmen. In manchen<br />

Aufnahmesituationen ist das ein Kompromiss,<br />

den Sie mit Rücksicht auf die Gesamtwirkung<br />

des Bilds eingehen müssen.<br />

Perfekte Nah- und Makroaufnahmen sind<br />

ohne Bearbeitung möglich. Ein gut ausgeleuchtetes<br />

und korrekt belichtetes Bild<br />

benötigt keine Kunstgriffe, um zu wirken.<br />

Selbst Weitwinkelaufnahmen können bei<br />

gut gewählter Belichtung direkt aus der Kamera<br />

präsentationsreif sein. Aufgrund der<br />

Unsicherheit bezüglich des Weißabgleichs<br />

und möglicher notwendiger Farbkorrekturen<br />

sollten Sie Weitwinkelmotive im RAW-<br />

Format aufnehmen. Das bietet Ihnen ein<br />

Maximum an Reserve zur Korrektur.<br />

Für eine Umsetzung in Schwarz-Weiß empfiehlt<br />

es sich ebenfalls, die Aufnahme im<br />

RAW-Format zu machen. Bei der JPEG-<br />

Komprimierung verlieren Sie feine Abstufungen,<br />

die sich nach der Umsetzung bei<br />

Grauverläufen in unschönen Flächen und<br />

Helligkeitssprüngen zeigen. Ziehen Sie bei<br />

der Umwandlung nach Schwarz-Weiß parametrierbare<br />

Methoden, wie z. B. den Kanalmixer,<br />

der einfachen Entsättigung vor.<br />

Diese verwendet nämlich in der Regel nur<br />

den Rotkanal des Bilds als Basis, genau jenen<br />

Farbanteil, der bei Unterwasseraufnahmen<br />

gering ausfällt und anfällig gegenüber Störungen<br />

ist.<br />

Bildgestaltung unter Wasser<br />

Auch unter Wasser ist Bildgestaltung nicht<br />

verboten. Goldener Schnitt , Bildeinteilung<br />

und Blickführung haben dort genauso wie<br />

an Land ihre Gültigkeit. Es ist nur ungleich<br />

schwieriger, das alles zu berücksichtigen,<br />

wenn das Gehirn unter der narkotisierenden<br />

Wirkung des Stickstoffs steht. Üben<br />

und verinnerlichen Sie die Regeln der Bildgestaltung<br />

im Trockenen. Es fällt Ihnen<br />

dann im Wasser leichter, die Informationen<br />

im Gehirn abzurufen. Natürlich sind die<br />

klassischen Regeln des Bildaufbaus kein<br />

unumstößliches Dogma. Denken Sie aber<br />

daran, dass Sie die Regeln gut kennen müssen,<br />

um sie gekonnt zu brechen.<br />

Die Farbe des Wassers<br />

Bereits in einer Tiefe von fünf Metern ist der<br />

rote Anteil im Tageslicht merklich geringer.<br />

Das Auge kompensiert diesen Effekt so weit<br />

wie möglich automatisch, die Kamera kann<br />

das nur in sehr engen Grenzen. Die Regeln,<br />

nach denen der automatische Weißabgleich<br />

funktioniert, sind mit der Situation<br />

121


AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 8 mm<br />

Belichtung 1/125 s<br />

Blende<br />

f/8,0<br />

ISO 200<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 8 mm<br />

Belichtung 1/125 s<br />

Blende<br />

f/8,0<br />

ISO 200<br />

WEGEN UMBAUS<br />

GESCHLOSSEN<br />

Minimieren Sie Ihre Auswirkungen<br />

auf die Unterwasserwelt. Ein absolutes<br />

Nein gilt dem „Umbau“ Ihres<br />

Motivs. Kein Bild rechtfertigt das Entfernen<br />

von störenden Elementen oder<br />

das Versetzen von Tieren, z. B. Schnecken,<br />

an attraktivere oder fotogenere<br />

Plätze. Entweder Sie schaffen ein Bild<br />

unter den gegebenen Umständen,<br />

oder Sie nehmen davon Abstand. Zur<br />

Not können Sie Kleinigkeiten in der<br />

Bildbearbeitung umweltfreundlich<br />

korrigieren. In Gegenden mit hoher<br />

Dichte an Fotografen neigen Guides<br />

gelegentlich dazu, Ihnen Motive zu<br />

basteln oder fotogen zu optimieren.<br />

Sprechen Sie den Guide darauf an<br />

und erklären Sie ihm, dass Sie Tiere in<br />

natürlicher Umgebung und Zusammenstellung<br />

bevorzugen.<br />

Es muss nicht immer der Rausch der Tiefe sein. Auch ein seichtes<br />

Vergnügen kann spannende Bilder liefern. Im Bereich von zwei bis<br />

drei Metern Tiefe herrschen ideale, natürliche Lichtbedingungen.<br />

im Wasser meist überfordert. Auch der Bereich,<br />

in dem korrigiert werden kann, reicht<br />

selten aus. Blitzlicht ist nicht nur Lichtquelle,<br />

es dient auch als gestalterisches Mittel<br />

zum Setzen farblicher Akzente.<br />

Je tiefer Sie tauchen, desto schwieriger wird<br />

das Fotografieren. Abgesehen von der Farbverschiebung<br />

in Richtung Blau verringert der<br />

generelle Lichtverlust die Sichtweite. Kürzere<br />

Grundzeiten verleiten zur Eile und erlauben<br />

Ihnen weniger Fotos. Erhöhte Stickstoffbelastung<br />

beeinträchtigt Ihre Konzentration<br />

und wirkt sich meist negativ auf die Bildgestaltung<br />

aus. Optimale Bedingungen finden<br />

Sie meist in Tiefen bis zu 15 m. Ein erhöhter<br />

Schwebstoffgehalt verringert diesen Wert.<br />

122


KAPITEL 2<br />

FASZINIERENDE<br />

UNTER WASSERWELT<br />

Salzwasser versus Süßwasser<br />

Klares Meerwasser neigt zu tiefem Blau. Bei<br />

geringerem Salzgehalt tendiert die Farbe des<br />

Wassers in Richtung Grün. Je mehr Schwebeteilchen<br />

und Plankton darin schwimmen,<br />

desto schwieriger wird die Ausleuchtung.<br />

Die für Fotos nutzbare Sichtweite kann mit<br />

ungefähr der halben realen Sichtweite angenommen<br />

werden. Durch richtige Lichtführung<br />

und extreme Bildwinkel können Sie<br />

das Wasser klarer erscheinen lassen, als es<br />

in Wirklichkeit ist.<br />

Sauberes Süßwasser ist glasklar. Man<br />

sieht es kaum, und Taucher scheinen darin<br />

wie in Luft zu schweben. Diesen Zustand<br />

werden Sie in den seltensten Fällen vorfinden.<br />

Sie können dann auch sicher sein,<br />

dass das Wasser sehr kalt ist. Reinheit hat<br />

ihren Preis. Mit zunehmendem Schwebstoffgehalt<br />

kippt die Farbe in Richtung<br />

Braungrün.<br />

Trübe Aussichten?<br />

Schlechte Sichtverhältnisse sind kein Grund<br />

zur Verzweiflung. Bei Makroaufnahmen fallen<br />

wegen der geringen Entfernungen zwischen<br />

Kamera, Blitz und Motiv Schwebeteilchen<br />

weniger ins Gewicht. Durch geschickte<br />

Ausleuchtung senkrecht zur optischen Achse<br />

geraten weniger Schwebeteilchen in den<br />

Lichtkegel. Das Wasser wirkt dadurch klarer,<br />

als es in Wirklichkeit ist. Planen Sie aber<br />

Weitwinkelaufnahmen, sollten Sie möglichst<br />

auf Kunstlicht verzichten. Dieses führt<br />

leicht zu „Schneetreiben“ durch angeblitzte<br />

Schwebeteilchen im Bild. Gehen Sie wenn<br />

möglich nah ans Motiv heran. Nutzen Sie<br />

die mystische Stimmung zur Bildgestaltung.<br />

Die geringe Sichtweite<br />

im Riesachsee verleiht<br />

dem Bild eine mystische,<br />

märchenhafte<br />

Note.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 10 mm<br />

Belichtung 1/60 s<br />

Blende<br />

f/3,5<br />

ISO 400<br />

123


Die Totalreflexion am<br />

Übergang zur Luft<br />

bildet ein harmonisches<br />

Gegenstück zur<br />

Landschaft im Wasser.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 10 mm<br />

Belichtung 1/60 s<br />

Blende<br />

f/5,6<br />

ISO 200<br />

Blickrichtung und Kameraposition<br />

Ein typischer Anfängerfehler ist der Blick<br />

nach unten. Dadurch erscheinen die abgebildeten<br />

Tiere wie auf den Grund genagelt.<br />

Das Bild wirkt flach und langweilig. Es macht<br />

dabei keinen Unterschied, ob Sie Makro oder<br />

Weitwinkel fotografieren. Dem Modell ins<br />

Auge geblickt, die Kamera leicht nach oben<br />

zeigend, erzeugt Spannung. Diese Haltung<br />

ermöglicht ebenfalls das Freistellen von Motiven<br />

gegen das tiefe Blau des Wassers. Bei<br />

passenden Belichtungseinstellungen kann<br />

der Hintergrund so auch im totalen Schwarz<br />

versinken. Diese Technik – das Freistellen<br />

mit Licht – schafft eine klare Bildkomposition<br />

und reduziert auf das Wesentliche.<br />

Der Blick in Richtung Oberfläche birgt auch<br />

noch andere Möglichkeiten, beispielsweise<br />

Großfische als Silhouette oder ein Schwarm<br />

als Scherenschnitt gegen das Blau des Wassers.<br />

Dezent mit Blitz ausgeleuchtet, können<br />

Sie so auch kameranahe Fische farblich<br />

ausmodellieren. Der Farbverlauf des<br />

Wassers zwischen Oberfläche und Tiefe<br />

lässt ein Bild ebenfalls interessanter wirken.<br />

Vorsicht ist geboten, wenn Sie die Sonne im<br />

Bild haben. Die sorgt, je nach Sensortyp und<br />

eingestellter Blende, für zarte, sternförmige<br />

Strahlen oder für hässliche, unförmige weiße<br />

Flecken. Eine weit geschlossene Blende<br />

ist zwar förderlich, aber keine Garantie für<br />

fotogene Strahlen.<br />

124


KAPITEL 2<br />

FASZINIERENDE<br />

UNTER WASSERWELT<br />

ANGENAGELT<br />

Der Blick von oben ist tabu. Er lässt<br />

Bilder flach und langweilig wirken.<br />

Auch wenn es wesentlich leichter ist,<br />

z. B. einen Rochen von oben abzubilden,<br />

wirkt die Ansicht von vorne<br />

mit Blick in die Augen um Lichtjahre<br />

spannender. Versuchen Sie, Ihren<br />

Modellen zumindest auf Augenhöhe<br />

zu begegnen. Auch den Blick nach<br />

oben sollten Sie im Auge behalten.<br />

Steil nach oben, sehen Sie durch einen Kreis<br />

Dinge an der Oberfläche. Rund um diesen<br />

Kreis herrscht Totalreflexion. Abhängig<br />

von Wellen, Licht und Beschaffenheit der<br />

Uferlandschaft können Sie so die Welt an<br />

der Oberfläche mit völlig anderen Augen<br />

betrachten. In Bildsequenzen und Vorträgen<br />

können solche Bilder gut als Übergang<br />

zwischen unten und oben eingesetzt werden.<br />

Ist der Blick leicht nach oben gerichtet,<br />

profitieren Sie von der Totalreflexion an der<br />

Luftunterfläche. Je nach Wellengang kann<br />

der Effekt klare Spiegelbilder oder auch stark<br />

verlaufende Reflexionen liefern. Versäumen<br />

sollten Sie diesen Blick aber nie. Er lohnt sich<br />

meist und ist ein willkommener Zeitvertreib<br />

während des Sicherheitsstopps.<br />

Ein Winkelsucher am Gehäuse erlaubt Ihnen<br />

den entspannten Blick nach oben. Sie<br />

erreichen so Perspektiven, für die andere<br />

ein Loch graben müssten.<br />

Zum Teil über, zum Teil unter Wasser<br />

Unter der Bezeichnung „Halbe-halbe-Bilder“<br />

versteht man Bilder, die zum Teil über,<br />

zum Teil unter Wasser entstanden sind. Der<br />

Reiz dabei liegt in der gleichzeitigen Darstellung<br />

beider Welten, die dadurch in Beziehung<br />

zueinander treten. Die üblichen Zutaten<br />

sind Weitwinkel oder Fisheye und dazu<br />

eine möglichst große Domescheibe. Die<br />

Größe der Scheibe wirkt sich auf zwei Parameter<br />

aus. Je größer der Radius, desto weiter<br />

entfernt liegt unendlich im Wasser, und<br />

umso näher kommt es unendlich an Land.<br />

Sie benötigen daher weniger Schärfentiefe,<br />

um diese Abweichung auszugleichen.<br />

Der zweite Parameter ist die Wasserlinie an<br />

der Scheibe. Das Wasser zieht sich durch<br />

Adhäsion an der Scheibe hoch. Die dabei<br />

entstehende Wölbung ist als Linie im Bild<br />

erkennbar. Ihre Größe ist immer gleich, hat<br />

aber bei einer großen Scheibe prozentual<br />

weniger Anteil am Bild. Die bei Kompaktkameras<br />

üblichen Planscheiben mit 20 bis<br />

30 mm Durchmesser sind für diese Form der<br />

Aufnahme ungeeignet. Domes mit Radien ab<br />

100 mm liefern brauchbare Ergebnisse.<br />

Die Belichtung richtet sich primär nach der<br />

Oberfläche. Bei klarem Himmel mit ISO 100,<br />

einer Belichtungszeit von 1/125 Sekunde<br />

und eine Blende zwischen f/8 und f/11. Die<br />

Blitzsynchronzeit darf dabei nicht überschritten<br />

werden. Den Bildteil im Wasser<br />

leuchten Sie mit Blitz passend zur eingestellten<br />

Blende aus. Ob Sie auf einen Punkt<br />

über oder unter Wasser fokussieren, hängt<br />

von Ihrer Bildidee ab. Bei ausreichend großem<br />

Domeradius sorgt eine Blende von f/11<br />

für ausreichend Schärfe in beiden Hälften.<br />

125


Die winterliche<br />

Schwarza im Höllental.<br />

Schneebedeckte Landschaft<br />

im Kontrast zum<br />

kühlen Blaugrün des<br />

Wassers.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 8 mm<br />

Belichtung 1/60 s<br />

Blende<br />

f/11,0<br />

ISO 200<br />

Weite Winkel erzeugen perspektivische<br />

Verzerrungen. Stürzende Linien sind eine<br />

häufige Folge. Lassen Sie die Trennlinie zwischen<br />

Luft und Wasser horizontal durch die<br />

Bildmitte laufen. Positionieren Sie die Kamera<br />

waagerecht. Sie erreichen so einen harmonischen,<br />

symmetrischen Bildaufbau, der<br />

Ruhe vermittelt. Bei Fisheyes sorgt die mittige<br />

Lage für einen geradlinigen Horizont. Betrachten<br />

Sie diese Empfehlungen aber nicht<br />

als starre Regel. Wenn es die Bildaussage<br />

fördert, dürfen Sie ruhig alle Regeln brechen.<br />

Eine tropfen- und blasenfreie Domescheibe<br />

ist eine notwendige Bedingung für gelungene<br />

Halbe-halbe-Bilder. Im Zuge eines<br />

normalen Tauchgangs ist diese Bedingung<br />

selten erfüllt. Planen Sie Halbe-halbe-Aufnahmen<br />

getrennt von Tauchgängen. Nur mit<br />

Maske und Schnorchel bewaffnet, sind Sie<br />

wendiger. Besitzen Sie einen Winkelsucher,<br />

können Sie sogar ohne Maske arbeiten. Planen<br />

Sie ausschließlich Halbe-halbe-Aufnahmen,<br />

kann auch eine Watthose anstelle des<br />

Tauchanzugs den Komfort erhöhen.<br />

Es ist meist unvermeidlich, dass sich Tropfen<br />

auf der oberen Hälfte der Domescheibe<br />

sammeln. Verwenden Sie ein Mikrofasertuch<br />

zum Trocknen. Ebenso bilden sich<br />

126


KAPITEL 2<br />

FASZINIERENDE<br />

UNTER WASSERWELT<br />

auf einer trockenen Scheibe oft Luftblasen,<br />

wenn sie ins Wasser getaucht wird. Wischen<br />

Sie die Luftblasen vorsichtig ab, um<br />

einen ungehinderten Durchblick zu gewährleisten.<br />

Es gibt viele Hausrezepte, die<br />

versprechen, diese Effekte zu lindern. Alles<br />

was die Oberflächenspannung herabsetzt,<br />

kann helfen. Eine Nanoversiegelung verringert<br />

sowohl Tropfen- als auch Blasenbildung<br />

an der Scheibe. Diese Technik ist<br />

noch wenig ausgereift. Abgesehen von Umweltaspekten,<br />

ist auch die Auswirkung auf<br />

die Scheibe zu bedenken. Je nach Material<br />

kann die Anbringung einer Versiegelung die<br />

Oberfläche beschädigen.<br />

MOTIVKLINGEL<br />

Taucher sind gegenüber Fotografen an Land im Vorteil. Sie haben<br />

meist die institutionalisierte Motivklingel dabei, den Tauchguide.<br />

Auch Ihr Tauchpartner kann diese Aufgabe übernehmen. Je besser<br />

das biologische und fotografische Wissen Ihrer Helfer ist, desto<br />

höher sind Ihre Chancen auf brauchbare Motive. Ob Ihnen davon<br />

auch ein gutes Foto gelingt, liegt in Ihrer Verantwortung.<br />

Größenverhältnisse unter Wasser<br />

Nur wer selbst taucht, hat eine klare Vorstellung<br />

vom Größenverhältnis der Lebewesen<br />

im Wasser. Wollen Sie auch Nichttauchern<br />

ein Gefühl für den Maßstab geben,<br />

benötigen Sie einen Größenvergleich. Ihr<br />

Tauchpartner bietet sich dafür geradezu an.<br />

Geschickt platziert, dient er nicht nur als<br />

Referenz für die Größe, er kann auch Leben<br />

und Spannung ins Bild bringen. Während Sie<br />

eine Person in Weitwinkelaufnahmen meist<br />

zur Gänze abbilden, kann sich bei Makrofotos<br />

der Beitrag zum Bild auf das Gesicht<br />

oder sogar nur das Auge beschränken.<br />

Wenn Sie mit Weitwinkel fotografieren,<br />

sollten Sie sich die Platzierung einer Person<br />

gut überlegen. Je weiter der Winkel, desto<br />

mehr sind die Bildecken dafür tabu. Die Verzerrungen<br />

sind dort zu stark, um Personen<br />

mit natürlichem Aussehen abzubilden. Bei<br />

Fisheyes hingegen wirken Personen zu den<br />

Bildecken hin kleiner und leicht gekrümmt,<br />

dabei aber insgesamt natürlicher.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 9 mm<br />

Belichtung 1/60 s<br />

Blende<br />

f/4,0<br />

ISO 320<br />

Kanonenboot C50, Veracruz. Das gut bewachsene Wrack bildet einen<br />

dekorativen Rahmen, die Taucherin schafft einen Größenvergleich .<br />

127


Der Kunst ihre Zeit, der Zeit ihre Kunst<br />

Dieses Zitat steht auf einem bekannten<br />

Jugendstilbau der Wiener Secession. Es ist,<br />

etwas anders interpretiert, auch in der Unterwasserfotografie<br />

von Bedeutung. Nehmen<br />

Sie sich Zeit zum Fotografieren, besonders<br />

im Wasser. Oft drängen Tauchguide<br />

oder Tauchpartner zum Weiterschwimmen.<br />

Erklären Sie schon im Vorfeld, dass Sie sich<br />

langsamer fortbewegen und gegebenenfalls<br />

länger an einer Stelle verweilen wollen. Ihre<br />

Tauchpartner werden schnell lernen, dass<br />

es überall dort, wo sich Fotografen länger<br />

aufhalten, auch für andere Taucher genug<br />

zu sehen und zu entdecken gibt. Was<br />

den Guide betrifft: Dieser erhält sein Geld<br />

für den Genuss des Tauchgangs und nicht<br />

für einen neuen Geschwindigkeitsrekord.<br />

Das oft genannte Argument, man könne in<br />

großen Gruppen mit einem einzigen Guide<br />

nicht in Ruhe fotografieren, hat seine Berechtigung.<br />

Vermeiden Sie große Gruppen.<br />

Sie stören nur, wirbeln unnötig Sediment auf<br />

und sind im falschen Moment im Bild.<br />

Ihr Tauchpartner, Ihr Modell<br />

Schätzen Sie sich glücklich, wenn Sie einen<br />

ständigen Tauchpartner haben. Nichts hilft<br />

Ihnen mehr bei der Gestaltung Ihrer Bilder<br />

als ein Partner, der Sie im Wasser gut versteht,<br />

jemand, der eine Ahnung von Bildgestaltung<br />

hat, sich in Ihre Denkweise hineinversetzen<br />

kann und so einen aktiven Beitrag<br />

zu einem gelungenen Bild leistet. Bei langfristigen<br />

Tauchpartnerschaften können Sie<br />

die Ausrüstung bildwirksam beeinflussen.<br />

Die Farbwahl von Anzug, Flossen und Tarierweste,<br />

aber auch die Farbe und Form<br />

der Tauchermaske können einem Bild ansprechende<br />

farbliche Akzente verleihen.<br />

Neonfarben und Reflektoren hingegen können<br />

Ihnen das Blitzen zur Hölle machen und<br />

gnadenlos überstrahlen.<br />

Achten Sie bei der Wahl der Maske auf große<br />

Gläser und einen transparenten Maskenkörper.<br />

Sie erreichen dadurch eine gute<br />

Ausleuchtung des Gesichts und können so<br />

leicht Blickkontakt zwischen Modell und<br />

Betrachter herstellen.<br />

Sorgen Sie dafür, dass Ihr Modell eine Tauchlampe<br />

dabeihat. Sie können den Lichtkegel<br />

zur Lenkung des Blicks verwenden oder die<br />

SCHAU MIR IN DIE AUGEN<br />

Achten Sie auf Blickkontakt mit Ihrem<br />

Modell – egal ob Fisch, Taucher oder<br />

Schnecke. Der Blickkontakt erzeugt<br />

eine Beziehung zum Betrachter. Tiere<br />

von hinten vermitteln den Eindruck,<br />

auf der Flucht zu sein. Besonders bei<br />

den Wirbellosen hilft biologisches<br />

Wissen, vorne und hinten zu unterscheiden.<br />

MOTIVJAGD<br />

Achten Sie die Bedürfnisse und Gefühle<br />

Ihrer Motive. Die meisten Tiere,<br />

denen Sie begegnen, sind wesentlich<br />

kleiner als Sie. Sie lösen daher leicht<br />

Angst und Stress aus, wenn Sie ihnen<br />

zu nahe kommen. Beobachten Sie Ihr<br />

Motiv und halten Sie ausreichend<br />

Abstand. Viele besonders standorttreue<br />

Fische haben Lieblingsplätze,<br />

die sie gern aufsuchen. Werden sie<br />

dort zu oft gestört oder in Angst<br />

versetzt, geben sie diesen Platz auf.<br />

128


KAPITEL 2<br />

FASZINIERENDE<br />

UNTER WASSERWELT<br />

Lampe als Akzent ins Bild setzen. Ungeübten<br />

Tauchern verhilft die Lampe zu einer ruhigen<br />

Körperhaltung und „fixiert“ die Hände.<br />

Tauchen Sie mit wechselnden Partnern,<br />

oft zufällig vom Guide zugewiesen, ist es<br />

wichtig, mit einem noch wenig vertrauten<br />

Partner ein Fotobriefing zu machen. Vereinbaren<br />

Sie Zeichen für bestimmte Positionen<br />

und Lagen, für Richtungen und Bewegungen.<br />

Besprechen Sie, was Sie vorhaben, zeigen<br />

Sie ähnliche Bilder, die Sie bereits gemacht<br />

haben, oder fertigen Sie Skizzen an.<br />

Sobald Sie Ihren Tauchpartner als Modell<br />

in Ihre Fotos einbeziehen, tragen Sie die<br />

Verantwortung für die Regie. Sie müssen<br />

Ihr Modell dirigieren. Das ist im Wasser<br />

wesentlich schwieriger als an Land. Ein gut<br />

eingespieltes Team erkennt man am Wortschatz<br />

seiner Zeichensprache. Bedenken<br />

Sie, dass es im Wasser oft einen Umweg<br />

oder eine Schleife zu schwimmen bedeutet,<br />

um sich ein kleines Stück seitlich oder nach<br />

hinten zu bewegen.<br />

Achten Sie auf die Ausrüstung Ihres Modells.<br />

Eine zu hoch sitzende Pressluftflasche<br />

macht es schnell zum Schlauchmonster,<br />

dem die Schläuche aus dem Kopf wachsen.<br />

Abstehende Ausrüstungsteile, Konsolen,<br />

Finimeter oder auch Teile der Gurte können<br />

die Harmonie im Bild stören. Kümmern Sie<br />

sich um diese Dinge vor dem Tauchgang.<br />

Im Wasser ist die Gefahr zu hoch, dass Sie<br />

solche Details übersehen, die erst zu Hause<br />

am Computer zum Vorschein kommen.<br />

Besprechen Sie mit Ihrem Modell auch die<br />

Körperhaltung. Mangelnde Koordination und<br />

unzureichendes Körperbewusstsein führen<br />

zu unvorteilhaften Bildern. Zeichen für bestimmte<br />

Stellungen oder deren Korrektur<br />

verhelfen Ihnen und Ihrem Modell zu ästhetischen<br />

Fotos.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 50 mm<br />

Belichtung 1/125 s<br />

Blende<br />

f/16,0<br />

ISO 100<br />

Sepia hautnah. Das Auge besitzt eine Linse und ist im Aufbau<br />

dem von Wirbeltieren ähnlich.<br />

Fischporträts mit Standardzoom<br />

Mit Bildwinkeln zwischen 50 und 25°, die<br />

Sie bei Standardzooms spielend erreichen,<br />

lassen sich gute Fischporträts realisieren.<br />

Für den Anfang bieten sich Jäger an, die ihrer<br />

Beute auflauern. Drachenköpfe, Steinfische,<br />

Angler, aber auch Muränen lassen<br />

Sie in Schussweite, ohne nervös zu werden.<br />

Schwieriger ist es, einen stehenden<br />

Fisch mit ausgeprägtem Fluchtverhalten<br />

abzubilden. Zu dieser Gruppe zählen z. B.<br />

Barsche, die gern an geschützten Plätzen<br />

lauern. Noch schwieriger wird es mit Fischen,<br />

die ständig in Bewegung sind, wie<br />

z. B. Anemonenfische.<br />

Um Ihr Modell vom Hintergrund durch<br />

Schärfe freizustellen, öffnen Sie die Blende<br />

auf einen Wert zwischen f/5,6 bis f/2,0.<br />

129


Eine Nacktschnecke<br />

(Hypselodoris bullocki)<br />

bei der Eiablage. Die<br />

gelben Laichschnüre<br />

des Geleges sind gut<br />

zu erkennen.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 30 mm<br />

Belichtung 1/80 s<br />

Blende<br />

f/4,6<br />

ISO 80<br />

Der Blick gegen das Freiwasser bietet je<br />

nach gewählter Blende einen Hintergrund<br />

in Blau (auf Freiwasser belichtet) bis hin zu<br />

Schwarz (Freiwasser mehr als 3 EV unterbelichtet).<br />

Je homogener Sie den Hintergrund<br />

gestalten können, desto besser lässt<br />

sich das Hauptmotiv erkennen. Zu viele Details<br />

im Hintergrund machen das Bild unruhig<br />

und lenken vom Hauptmotiv ab.<br />

Gute Beziehungen gleich reizvolle Motive<br />

Reizvolle Motive ergeben sich durch die<br />

Darstellung von arttypischem Verhalten.<br />

Tiere, die in Symbiose leben oder besondere<br />

Verhaltensweisen zeigen, sind nicht nur<br />

biologisch interessant. Sie bieten Motive,<br />

die natürlich und lebendig wirken. Kenntnisse<br />

in Biologie erlauben Ihnen, solche<br />

Motive zu finden. Die Beispiele für Symbiosen<br />

spannen einen weiten Bogen von Pilotfischen,<br />

die einen Hai begleiten, über Putzerfische,<br />

Grundeln und Partnergarnelen<br />

bis zu wenigen Millimetern großen Krebsen,<br />

die gut getarnt in Haarsternen oder<br />

Korallen leben. Das Umfeld stellt in vielen<br />

dieser Bilder eine wesentliche Komponente<br />

dar, die den Kontext zum Hauptmotiv liefert.<br />

Experimentieren Sie mit Lichtführung<br />

und Schärfentiefe, um den Blick auf das<br />

Hauptmotiv zu lenken.<br />

Der Schwarm<br />

Keine Angst. Er wird Sie zwar überwältigen,<br />

aber nicht wie im gleichnamigen Roman<br />

vernichten. Schwärme sind komplexe Vereinigungen.<br />

Sie zeigen ein Verhalten, das<br />

auf den Schutz der Gruppe ausgerichtet ist.<br />

Das hat für Sie als Fotograf vorhersagbare<br />

Konsequenzen. Ein Schwarm wird Sie als<br />

Angreifer behandeln und sich teilen oder<br />

öffnen, sobald Sie zu nahe kommen. Hat<br />

er ausreichend Abstand zu Ihnen, wird er<br />

sich wieder zu einem homogenen Verband<br />

vereinen. Die Muster, die durch die Teilung<br />

entstehen, bieten Ihnen gestalterische<br />

Möglichkeiten. Selbst wenn Sie es schaffen,<br />

mitten im Schwarm zu schwimmen, wird<br />

Sie keiner der Fische berühren. Sie werden<br />

wie ein Fremdkörper abgekapselt. Dabei<br />

bildet der Schwarm oft einen Hohlzylinder,<br />

der um Sie kreist. Dieser Effekt ist ideal für<br />

den weitwinkeligen Blick nach oben.<br />

130


KAPITEL 2<br />

FASZINIERENDE<br />

UNTER WASSERWELT<br />

Auch die nahezu undurchdringliche Wand<br />

an Fischen bietet reizvolle Motive, sowohl<br />

von innen als auch von außen, sowie einen<br />

guten Blick auf ein Modell im Schwarm. Die<br />

Ausleuchtung ist in diesem Fall schwierig.<br />

Die meist silbrig glänzenden Fische reflektieren<br />

stark. Das Überstrahlen von Fischen<br />

nahe am Blitz ist eine unangenehme, aber<br />

kaum zu vermeidende Folge. Mit zwei weit<br />

nach außen ragenden Blitzgeräten können<br />

Sie den Effekt weitgehend minimieren.<br />

Geheimnisumwitterte Wracks<br />

Jedes gesunkene Schiff hat seine ganz individuelle<br />

Geschichte. Oft ist sie mit Tragödien,<br />

Opfern und Schicksalen verknüpft,<br />

die dem Ort sein besonderes Flair geben.<br />

Manchmal grenzt sie an ein Wunder, und<br />

alle Menschen an Bord konnten gerettet<br />

werden. Dazu kommt der Traum vom<br />

Schatz, der in den Tiefen der Dunkelheit im<br />

Wrack schlummert.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 8 mm<br />

Belichtung 1/30 s<br />

Blende<br />

f/3,5<br />

ISO 100<br />

Licht am Ende des<br />

Tunnels. Im Schwarm<br />

zu schwimmen,<br />

erzeugt ein Gefühl der<br />

Geborgenheit, das Sie<br />

nie vergessen werden.<br />

131


AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 10 mm<br />

Belichtung 1/60 s<br />

Blende<br />

f/10,0<br />

ISO 100<br />

SIE SIND NICHT ALLEIN<br />

Achten Sie auf exakte Tarierung und auf Ihre Flossen. Auch nach Ihnen kommen<br />

Taucher, die sich an einer ungestörten Unterwasserwelt erfreuen wollen. Oft endet<br />

die Vorsicht nach dem Druck auf den Auslöser. Entfernen Sie sich genauso behutsam<br />

von Ihrem Motiv, wie Sie sich angenähert haben. Sie könnten der zweite Taucher<br />

sein und glücklich, wenn sich der Taucher vor Ihnen achtsam verhalten hat.<br />

Ein einmaliger Wracktauchgang.<br />

Der historische<br />

Einbaum wird<br />

für die Konservierung<br />

und Ausstellung im<br />

Museum geborgen.<br />

Um die Stimmung an einem Wrack einzufangen,<br />

benötigen Sie möglichst viel Bildwinkel.<br />

Die Größe des Objekts erfordert<br />

das, besonders bei geringen Sichtweiten.<br />

Ein gestalterischer Effekt, der die Bildwirkung<br />

unterstützt, ist die extreme Perspektive,<br />

die Sie mit starkem Weitwinkel oder<br />

Fisheye erreichen. Sie steigert die erdrückende<br />

Wirkung der Größe. Zeigen Sie im<br />

Bild auch Taucher, wird diese noch mehr<br />

betont.<br />

Die Ausleuchtung von Wracks in ihrer Gesamtheit<br />

ist mit vertretbaren Mitteln unmöglich.<br />

Setzen Sie daher, wenn es passt, mit<br />

Blitzlicht farbige Akzente im Vordergrund.<br />

Nutzen Sie das natürliche Umgebungslicht<br />

für den Schiffskörper. Filter zur Kompensierung<br />

der fehlenden Rotanteile können die<br />

farbliche Wiedergabe verbessern.<br />

Wenn die Farbverschiebung durch unterschiedlich<br />

lange Lichtwege an einem Wrack<br />

zu extrem ist, bietet sich die Ausarbeitung<br />

in Schwarz-Weiß an. Diese Darstellung<br />

betont auch den historischen Aspekt eines<br />

Wracks. Dafür ist die Aufnahme im RAW-<br />

Format unbedingt zu empfehlen. Die oft<br />

bei Schwarz-Weiß-Umsetzungen verwendeten<br />

harten Kontraste oder steilen Gradationskurven<br />

benötigen alle Reserven der<br />

Bilddaten, um Abrisse im Histogramm zu<br />

vermeiden, die unweigerlich zu unschönen<br />

Artefakten führen.<br />

Dringen Sie nur dann ins Innere eines Wracks<br />

vor, wenn Sie Ihre Tarierung perfekt beherrschen.<br />

In Wracks findet sich meist feines<br />

Sediment, das die Sicht mit einem einzigen<br />

falschen Flossenschlag auf null reduzieren<br />

kann. Selbst wenn Sie nur wenig aufwirbeln,<br />

132


KAPITEL 2<br />

FASZINIERENDE<br />

UNTER WASSERWELT<br />

verderben Sie anderen Fotografen nach Ihnen<br />

die Möglichkeit, noch brauchbare Fotos<br />

zu schießen. Wenn Sie sich aber entschließen,<br />

in ein Wrack einzudringen, vergessen<br />

Sie nie den Blick nach außen. Er bietet Ihnen<br />

oft sehr dekorative Rahmen für eine Aufnahme<br />

mit tiefem Blau im Hintergrund.<br />

Das Wasser und seine Lebewesen nehmen<br />

das Wrack in ihren Besitz, und mit der Zeit<br />

wird das Wrack zum Riff. Aufbauten bieten<br />

Halt für Schwämme und Korallen, Löcher<br />

und Winkel bieten Schutz und Verstecke<br />

für viele meist kleine Lebewesen. Schwärme<br />

von Glasfischen halten sich z. B. mit<br />

Vorliebe in Wracks auf. Wracks sind also<br />

nicht nur für Freunde weiter Winkel ein willkommenes<br />

Motiv. Die Makrofotografie unterscheidet<br />

sich an Wracks nicht wesentlich<br />

von der an anderen Plätzen.<br />

Tolle Spots und Unterwasserressorts<br />

Was macht einen Tauchgang zum Erlebnis?<br />

Wie kann man eine Reihung vornehmen,<br />

wo doch Vorlieben, Geschmack und Interessen<br />

so grundverschieden sein können?<br />

Sind Großfische der Hit oder vielleicht<br />

eher die Kleinsten der Kleinen? Ist es die<br />

Einmaligkeit des Ereignisses? Unter den<br />

hier gelisteten Tauchplätzen soll von allem<br />

etwas dabei sein. Es ist eine sehr persönliche<br />

Sammlung an Plätzen, die für mich mit<br />

einem besonderen Erlebnis verbunden sind.<br />

Stille Bergseen in den Alpen<br />

Wer sie beim Bergwandern sieht, kennt sie<br />

nur von außen. Stille Seen , von schroffen<br />

Felsen umgeben, in einer Landschaft von<br />

Was machen Taucher<br />

auf der Alm? Sie<br />

warten auf den Hubschrauber.<br />

Viele der<br />

entlegenen Bergseen<br />

in den Alpen sind mit<br />

Tauchausrüstung<br />

nur auf diesem Weg<br />

erreichbar.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 7 mm<br />

Belichtung 1/500 s<br />

Blende<br />

f/4,5<br />

ISO 100<br />

133


AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 8 mm<br />

Belichtung 1/125 s<br />

Blende<br />

f/5,6<br />

ISO 100<br />

Der Steirersee auf der Tauplitzalm liegt lediglich 100 m von der Hütte<br />

entfernt. Er ist nur vertikal über einen steilen, schmalen Steig erreichbar.<br />

Unter einer Brücke durchtauchen kann man an vielen Orten. Über eine<br />

Brücke hinwegtauchen können Sie im Grünen See bei Tragöß.<br />

atemberaubender Schönheit. Schwer sind<br />

sie zu erreichen, meist auf schmalen Pfaden<br />

und nur nach stundenlangen Zustiegen.<br />

Wer käme da auf die Idee, so einen See zu<br />

betauchen?<br />

Fast alle Bergseen sind im Privatbesitz. Es<br />

bedarf vieler Genehmigungen, Verhandlungen<br />

und guter Kontakte zu den Besitzern<br />

der Seen und umliegenden Gründe, um<br />

einen solchen See zu betauchen. Einmal<br />

tauchen, wo zuvor noch nie jemand einen<br />

Blick unter Wasser gewagt hat? Es scheint<br />

wie ein Traum, aber ein Traum, den man<br />

buchen kann. Bis zu zweimal jährlich organisiert<br />

die Oberösterreich Werbung GmbH<br />

ein Tauchwochenende, an dem zwei entlegene<br />

Bergseen betaucht werden können.<br />

Dieses Erlebnis bleibt Ihnen für immer in<br />

Erinnerung. Schon der Flug zum See mit<br />

dem Helikopter leistet dazu seinen Beitrag.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 8 mm<br />

Belichtung 1/125 s<br />

Blende<br />

f/5,6<br />

ISO 100<br />

134


KAPITEL 2<br />

FASZINIERENDE<br />

UNTER WASSERWELT<br />

Grüner See bei Tragöß<br />

Am Fuße des Hochschwabmassivs gelegen,<br />

birgt dieser See eine Besonderheit.<br />

Es handelt sich dabei um einen saisonalen<br />

See. Das bedeutet, dass er fast das gesamte<br />

Jahr über eine Tiefe von zwei bis drei Metern<br />

hat, der Wasserspiegel aber zur Zeit<br />

der Schneeschmelze auf bis zu zehn Meter<br />

ansteigen kann. Dann sind Wege, Wiesen<br />

und auch eine Brücke versunken. Rast auf<br />

einer Parkbank in sechs Metern Tiefe? Kein<br />

Problem. Das Wasser ist sehr klar und hat<br />

selten mehr als 6 °C.<br />

Tauchen in Flüssen<br />

Flüsse haben ihren eigenen Reiz. Berauschende<br />

Sichtweiten bei guten Wetterbedingungen<br />

und abwechslungsreiche Flora<br />

und Fauna sind gute Gründe, einmal einen<br />

Fluss zu betauchen. Man könnte nicht nur<br />

ein Buch darüber schreiben.<br />

Spektakulärer Süßwassertauchgang<br />

in Silfra<br />

64° Nord, 3 °C – das sind die Eckdaten<br />

eines der spektakulärsten Süßwassertauchgänge<br />

, die man in Europa unternehmen<br />

kann. In Europa? Nicht ganz. An der<br />

rechten Schulter liegt Amerika. Der Platz<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 10 mm<br />

Belichtung 1/60 s<br />

Blende<br />

f/5,0<br />

ISO 400<br />

Der Zufluss zum<br />

Riesachsee besticht<br />

durch klares Wasser<br />

und attraktive Spiegelungen.<br />

135


AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 8 mm<br />

Belichtung 1/125 s<br />

Blende<br />

f/8,0<br />

ISO 200<br />

Der unvergleichliche<br />

Blick durch glasklares<br />

Wasser und eine<br />

Temperatur von 3 °C<br />

rauben Ihnen in der<br />

Silfra-Spalte den Atem.<br />

Rechts: Hände wärmen<br />

im Nordatlantik! Aus<br />

vulkanischen Quellen<br />

im Eyjafjörður strömt<br />

knapp 80 °C warmes<br />

Süßwasser. Es bildet<br />

beim Vermischen mit<br />

dem kalten Meerwasser<br />

flimmernde<br />

Schlieren.<br />

heißt Silfra (auf Isländisch „Silber“), und er<br />

macht diesem Namen alle Ehre. Das Wasser<br />

ist so klar, dass man zu fliegen meint.<br />

Jahrelang wurde es von Vulkangestein gefiltert,<br />

um in absoluter Reinheit im Grabenbruch<br />

zwischen den Kontinentalplatten an<br />

die Oberfläche zu strömen. Die Sichtweite<br />

wird mit über 100 m angegeben. Schwarze<br />

Lavabrocken, von braunen und grünen<br />

Algenfäden überzogen, bilden den Rahmen<br />

für dieses Naturschauspiel. Nicht die<br />

Wassertemperatur, der Anblick allein wird<br />

Ihnen den Atem rauben.<br />

Unter der Adresse www.dive.is können Sie<br />

Tauchgänge an diesem einmaligen Platz<br />

buchen.<br />

Heißwasserschlot am Meeresgrund<br />

des Eyjafjörður<br />

Der einzige bekannte Heißwasserschlot ,<br />

der für Sporttaucher erreichbar ist, liegt im<br />

Norden Islands. Über 1.000 Jahre altes Süßwasser<br />

strömt mit ungefähr 80 °C aus einem<br />

Schlot , der sich vom Meeresgrund des<br />

Eyjafjörður aus einer Tiefe von 65 m erhebt.<br />

Die Wärme am Schlot hat, im Kontrast zum<br />

umgebenden, nur 5 °C kalten Meerwasser<br />

an diesem Platz ein einzigartiges Biotop<br />

entstehen lassen. Unweit des Strytan befindet<br />

sich auf einer Fläche von 400 x 1.000 m<br />

eine Gruppe kleinerer Schlote und Quellen,<br />

die ebenfalls in betauchbarer Tiefe liegen.<br />

136


AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 8 mm<br />

Belichtung 1/60 s<br />

Blende<br />

f/4,0<br />

ISO 200<br />

KAPITEL 2<br />

FASZINIERENDE<br />

UNTER WASSERWELT<br />

137


AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 4 mm<br />

Belichtung 1/60 s<br />

Blende<br />

f/2,0<br />

ISO 160<br />

Eine der beiden Schiffsschrauben der Zenobia. Sie vermittelt die gigantischen Ausmaße dieses Wracks.<br />

Fotogene Wracks auf Zypern<br />

Es bedarf keiner Weltreise, um fotogene<br />

Wracks zu sehen. Abseits großer Touristenströme<br />

bietet Zypern eine Auswahl<br />

an attraktiven Plätzen. Vor Paphos liegen<br />

mehrere Wracks in geringer Tiefe. Sie sind<br />

absolut anfängertauglich und ideal als Fotomotiv<br />

geeignet. Viel natürliches Licht, gute<br />

Sicht und ausreichend Grundzeit geben<br />

Ihnen Gelegenheit zum entspannten Fotografieren.<br />

Ein besonderer Tauchplatz ist die<br />

Zenobia , die 1980 in der Hafeneinfahrt von<br />

Larnaka voll beladen gesunken ist. Mit einer<br />

Länge von 172 m ist sie das größte betauchbare<br />

Wrack im Mittelmeer. Lastwagen<br />

hängen an Ketten oder liegen verstreut wie<br />

Spielzeug an Deck. Fast alle Tauchbasen auf<br />

Zypern haben dieses außergewöhnliche Erlebnis<br />

im Programm.<br />

138


KAPITEL 2<br />

FASZINIERENDE<br />

UNTER WASSERWELT<br />

Muck diving in der Lembeh Strait<br />

Eine schmale Wasserstraße zwischen zwei<br />

Inseln. Pechschwarzer Sand. Eine schmutzige<br />

Hafenstadt. Schiffe, von denen gedankenlos<br />

Müll über Bord geworfen wird. Der<br />

englische Begriff „muck diving“ bringt es<br />

auf den Punkt. Tauchen im Dreck. Gerade<br />

dort, wo achtlos weggeworfene Farbdosen,<br />

Autoreifen oder Metallteile liegen, sammelt<br />

sich buntes Leben. Kleine Oasen der Vielfalt<br />

im Müll. Tiere, die man sonst nirgends<br />

findet. Ein Kleinod im Herzen der Wallacea ,<br />

der äquatornahen Zone, die für ihre Biodiversität<br />

berühmt ist.<br />

Es gibt mehrere Tauchbasen rund um Lembeh,<br />

eine familiäre und vorbildlich geführte<br />

Tauchbasis ist die Divers Lodge Lembeh –<br />

www.diverslodgelembeh.com.<br />

Galapagos, der Name ist Programm<br />

Berühmte Forscher wie Charles Darwin und<br />

Alexander von Humboldt haben diesen außergewöhnlichen<br />

Platz besucht und dort geforscht.<br />

Die Inseln haben auch mehr als 200<br />

Jahre danach nichts von ihrer durch Naturgewalten<br />

geprägten Ausstrahlung verloren.<br />

Anders als die großen Forscher vergangener<br />

Jahrhunderte haben Sie heute die Möglichkeit,<br />

nicht nur die Oberfläche, sondern auch<br />

das Meer um diese Inselgruppe zu erkunden.<br />

Heftiger Seegang und Strömungen von bis zu<br />

drei Knoten sind an der Tagesordnung. Ein Erlebnis,<br />

das nur erfahrene Taucher wirklich genießen<br />

können. Als Belohnung winken riesige<br />

Schwärme, Großfische wie Haie und Mantas<br />

oder ein Tanz mit verspielten Seelöwen.<br />

Leben im schwarzen<br />

Vulkansand. Muck diving<br />

birgt eine Vielzahl<br />

an Überraschungen.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 36 mm<br />

Belichtung 1/125 s<br />

Blende<br />

f/2,4<br />

ISO 80<br />

139


140


KAPITEL 2<br />

FASZINIERENDE<br />

UNTER WASSERWELT<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 8 mm<br />

Belichtung 1/30 s<br />

Blende<br />

f/5,6<br />

ISO 100<br />

Hier dreht sich alles nur<br />

um Fisch. Ob Großfische<br />

oder Schwarm, Sie kommen<br />

auf Ihre Kasten.<br />

141


AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 8 mm<br />

Belichtung 1/125 s<br />

Blende<br />

f/8,0<br />

ISO 100<br />

Die Höhle besteht aus<br />

mehreren Kammern,<br />

in denen man auftauchen<br />

kann. Bizarre<br />

Steinformationen<br />

zieren Decke und<br />

Wände.<br />

Höhlentauchen der Spitzenklasse:<br />

Taïn und La Sirena<br />

Eine enge, rostige Wendeltreppe führt zu<br />

diesem gut versteckten Schmuckstück. Die<br />

Höhle Taïn bei Boca Chica in der Dominikanischen<br />

Republik gehört zu den schönsten<br />

Höhlen weltweit. Trotz ihrer geringen Ausdehnung<br />

beinhaltet sie eine Vielzahl unterschiedlicher,<br />

bizarr geformter Tropfsteinformationen.<br />

In mehreren Kammern, die durch<br />

Engstellen voneinander getrennt sind, verläuft<br />

die Höhle annähernd horizontal im Boden.<br />

Sie liegt knapp über dem Meeresspiegel.<br />

Ein tiefer liegender Seitenarm ist teilweise<br />

mit Salzwasser gefüllt. Die dadurch entstehende<br />

Halokline sorgt beim Durchtauchen<br />

für psychedelisch wirkende optische Effekte.<br />

Sie kann aber auch zur Gefahr werden, weil<br />

sie, vom Flossenschlag durchmischt, die Orientierung<br />

deutlich beeinträchtigt.<br />

Rifftauchen auf Wakatobi<br />

Fremde Taucher – Geld zurück! Bei diesem<br />

Versprechen hätte die Basis auf Wakatobi<br />

kein Problem. Sie ist die einzige im Umkreis<br />

von 500 km. Ein hervorragendes Hausriff<br />

und dazu über 45 Tauchplätze mit gesunden<br />

und bestens bewachsenen Steilwänden<br />

sind die Zutaten zu diesem Traum am Ende<br />

der Welt. Als Draufgabe gibt es 5-Sterne-<br />

Service und eine Organisation, die an ein<br />

Schweizer Uhrwerk erinnert. Das liegt an<br />

Lorenz Mäder, einem Schweizer Biologen,<br />

der diesen Platz entdeckte und zur perfekten<br />

Tauchbasis ausgebaut hat.<br />

Informationen und Buchung finden Sie unter<br />

der Adresse www.wakatobi.com.<br />

Rechts: Gut bewachsene Steilwände sind auf<br />

Wakatobi die Regel. Hier ist das Riff noch intakt.<br />

142


KAPITEL 2<br />

FASZINIERENDE<br />

UNTER WASSERWELT<br />

WEITERFÜHRENDE QUELLEN<br />

Das Gehäuse zur Kamera finden<br />

Die Webseite www.digideep.com bietet eine umfangreiche Datenbank mit Kameras und dazu<br />

passenden Gehäusen. Auch Beispielfotos und Testberichte finden Sie dort. Für den direkten<br />

Meinungsaustausch sorgt das Diskussionsforum.<br />

Mehr aus den eigenen Bildern machen<br />

Das deutschsprachige Internetforum http://uwpix.org bietet eine gut besuchte Plattform rund<br />

um die Unterwasserfotografie. Neben technischen Themen legt dieses Forum einen Schwerpunkt<br />

auf Bildbesprechungen. Sie haben so die Chance, Tipps und Tricks zur Verbesserung<br />

Ihrer Bilder zu bekommen.<br />

Internationale Plattform für Unterwasserfotografie<br />

Das nur in englischer Sprache verfügbare Forum www.wetpixel.com ist eine internationale<br />

Plattform für Unterwasserfotografie auf sehr hohem Niveau. Die dort behandelten Themen<br />

erstrecken sich über viele Themenbereiche, wie Technik, Bestimmung von Tieren und natürlich<br />

die Bildgestaltung.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 8 mm<br />

Belichtung 1/60 s<br />

Blende<br />

f/8,0<br />

ISO 100<br />

143


146


KAPITEL 3<br />

ATEM BERAUBENDES<br />

HOCHGEBIRGE<br />

Atem beraubendes Hochgebirge<br />

149 O Täler weit, o Höhen<br />

149 Anforderungen an Mensch und<br />

Material<br />

150 Körperliche Fitness<br />

150 Vorzugsweise mit Bergpartner<br />

151 Studium des Bergwetters<br />

151 Vorsicht, Lawinengefahr!<br />

152 Knoten und Sicherungstechniken<br />

152 Kompass und Kartenmaterial<br />

153 Die Sternentabelle des Fotografen<br />

153 Wasser und konzentrierte Kalorien<br />

154 Klimatische Extreme, Feind der Kamera<br />

154 Mechanische Schätzchen, immer<br />

bereit<br />

156 Bergsteigen mit Kamera<br />

157 Fotografie mit Bergsteigen<br />

159 Hochgebirge, die Domäne<br />

der Weitwinkel<br />

164 Ausnahme: lange Telebrennweiten<br />

166 Polfilter, im Gebirge ein Muss<br />

167 Bildstabilisator oder besser mit Stativ?<br />

170 Bildbeurteilung mit Live-View<br />

171 Bildgestaltung oberhalb der<br />

Baumgrenze<br />

171 An erster Stelle steht die Bildidee<br />

171 Tourenplanung mit iPhone und iPad<br />

173 Der Beweis: das Gipfelfoto<br />

173 Eindrucksvolle Bergpanoramen<br />

174 Personen vor grandioser Kulisse<br />

175 Skifahrer während der rasanten<br />

Abfahrt<br />

176 Kletterer in der Wand<br />

178 Klärung der Größenverhältnisse<br />

180 Schattenrisse vor grandiosem<br />

Hintergrund<br />

181 Halt! Blitzlicht im Gebirge?<br />

182 Stürzende Linien auch im Gebirge<br />

183 Die Sache mit dem roten Pullover<br />

184 Wasserfälle, Seen und reißende<br />

Bergbäche<br />

189 Sonne und Mond in den Bergen<br />

190 Dramatische Wetter<br />

192 Regeln vor der Erstbesteigung<br />

192 Nehmen Sie sich Zeit<br />

192 Unterschätzen Sie die Witterung nicht<br />

193 Respektieren Sie Betretungsverbote<br />

194 Schreiben Sie Ihre Touren<br />

ins Hüttenbuch<br />

194 Stay alert! Bleiben Sie wachsam!<br />

196 Auf geht’s Buam:<br />

Hütten in den Alpen<br />

196 Mitgliedschaft im Alpenverein<br />

197 1.327 m: Tutzinger Hütte<br />

198 1.834 m: Erfurter Hütte im Rofan<br />

198 2.177 m: Riemannhaus am Steinernen<br />

Meer<br />

198 2.389 m: Olperer Hütte<br />

in den Ziller taler Alpen<br />

198 2.438 m: Dreizinnenhütte<br />

in den Dolomiten<br />

198 2.700 m: Dachstein-Gletscherbahn<br />

199 2.690 m: Kandersteg im Berner<br />

Oberland<br />

199 3.883 m: Seilbahn auf den Aiguille<br />

du Midi<br />

147


AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 200 mm<br />

Belichtung 1/80 s<br />

Blende<br />

f/8,0<br />

ISO 200<br />

Das Doldenhorn in den Berner Alpen. Hier ein Blick auf die Südseite im spätherbstlichen Abendlicht.<br />

3<br />

Atem beraubendes Hochgebirge<br />

Hochgebirgsfotografie hat sich in den letzten 100 Jahren einen etwas zweifelhaften Ruf<br />

erarbeitet: Das blanke Ablichten beeindruckender Hochgebirgspanoramen, wahlweise mit<br />

Bergsteiger im karierten Flanellhemd davor, hat, im Verein mit den inflationär verbreiteten<br />

Ölschinken aus dem Alpenvorland, das Abbilden von Bergen etwas in Verruf gebracht. Erst<br />

in den letzten Jahren, durch die Renaissance des Klettersports und diverser alpiner Trendund<br />

Extremsportarten, sind die Berge wieder „cool“ genug, dass sie auch als Fotomotiv<br />

gefragt sind.<br />

148


KAPITEL 3<br />

ATEM BERAUBENDES<br />

HOCHGEBIRGE<br />

O Täler weit, o Höhen<br />

Bergfotografie, vor allem oberhalb der<br />

Baumgrenze , ist ein steter Spagat zwischen<br />

der Begeisterung für das Bergpanorama,<br />

gesteigert noch durch das persönliche Erfolgserlebnis,<br />

in solche Höhen überhaupt<br />

vorgedrungen zu sein, und dem Wunsch,<br />

fotografisch ansprechende Bilder zu machen.<br />

So fantastisch ein Alpenglühen ist, als<br />

Motiv ist es nur in Ausnahmefällen geeignet.<br />

So atemberaubend ein Rundblick sein<br />

kann – oft genug zeigen die von dort gemachten<br />

Bilder doch nur eine Anhäufung<br />

namenloser Felszacken. Doch Bergfotografie<br />

ist mehr als Panoramen knipsen, auch<br />

wenn die meisten zwangsläufig damit anfangen.<br />

Bergfotografie kann atemberaubende<br />

Momente festhalten und unvergleichliche<br />

Stimmungen zum Betrachter<br />

transportieren. Man muss dabei nicht notwendigerweise<br />

in die Eigernordwand einsteigen<br />

oder eine Expedition zum Nanga<br />

Parbat organisieren. Bergfotografie im<br />

Hochgebirge ist auch ohne Sherpa möglich.<br />

Anforderungen an Mensch und<br />

Material<br />

Das Hochgebirge bietet unendliche Motive,<br />

unendliche Lichtstimmungen und sehr abwechslungsreiches<br />

Wetter. Das Hochgebirge<br />

ist aber keine Studioumgebung. Denken<br />

Sie immer daran: Kein Foto ist es wert, dass<br />

Sie sich dafür die Finger abfrieren oder einen<br />

Flug mit dem Bergwachthubschrauber<br />

riskieren. Es gibt ausreichend Fotografen,<br />

die auf der Suche nach dem ultimativen Bild<br />

für immer in den Bergen geblieben sind.<br />

ÜBER DEN AUTOR<br />

Reinhard Wagner , Jahrgang 1963,<br />

bekam mit zehn Jahren eine Kodak<br />

Instamatic geschenkt, die ausschließlich<br />

quadratische Negative erzeugte.<br />

Nachdem er einige Jahre hauptsächlich<br />

schiefe Bilder produziert hatte,<br />

weil lediglich in der Diagonalen genügend<br />

Platz fürs Motiv war, setzte er<br />

mit 14 eine Kleinbild-Exakta Varex IIa<br />

durch und ist seitdem vom Spiegelreflex-Virus<br />

befallen. Seit 1981 macht er<br />

Zeitungsarbeit, setzt dabei seit 1999<br />

auch Digitalkameras von Olympus<br />

ein und dreht Kurzfilme. Technischen<br />

Hintergrund erhielt er an der Universität<br />

Erlangen und der Fachhochschule<br />

Regensburg. Seit 2008 leitet<br />

er neben seinem 1995 gegründeten<br />

Verlag auch die Website oly-e.de,<br />

eines der größten Foren zu Olympus<br />

im deutschsprachigen Raum.<br />

149


Blauer Himmel,<br />

wunderbare Tiefsicht<br />

von fast 3.000 m auf<br />

die Ägäis, es scheinen<br />

beste Wetterbedingungen<br />

zu herrschen.<br />

Trotzdem wird die<br />

Besteigung des Mytikas,<br />

des Hauptgipfels<br />

des Olymp, auf ca.<br />

2.600 m aufgrund<br />

des extremen Winds<br />

abgebrochen.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Dia<br />

analog<br />

Brennweite 50 mm<br />

Blende<br />

f/8,0<br />

Körperliche Fitness<br />

Fotografie im Hochgebirge erfordert zunächst<br />

einmal körperliche Fitness . Es geht<br />

dabei nicht darum, dass Sie einen Marathon<br />

absolvieren oder vor dem Frühstück 20 km<br />

Fahrrad fahren können. Es geht vor allem<br />

darum, dass Sie Ihre eigene körperliche<br />

Leistungsfähigkeit kennen. Im Hochgebirge<br />

funktionieren Handys manchmal ganz<br />

überraschend nicht, Sie sind also unter Umständen<br />

auf sich allein gestellt. Verletzen Sie<br />

sich unterwegs und haben keine Funkverbindung,<br />

kann der Fotoausflug sehr schnell<br />

zu einer tödlichen Gefahr werden. Die wichtigste<br />

Vorbereitung ist also, die persönliche<br />

körperliche Konstitution zu verbessern und<br />

realistisch einzuschätzen.<br />

Nicht zu vergessen: Trittsicherheit und<br />

Schwindelfreiheit sind ebenfalls entscheidende<br />

Voraussetzungen . Die Faustformel<br />

für sicheres Bergsteigen lautet: eine Hand<br />

am Berg – die meisten Kameras sind aber<br />

nicht einhandtauglich, also müssen Sie sich<br />

zwangsläufig ausschließlich auf Ihre Beine<br />

verlassen können.<br />

Vorzugsweise mit Bergpartner<br />

Ebenso wichtig: Suchen Sie sich eine Person<br />

Ihres Vertrauens, mit der Sie losziehen<br />

und die auch darauf vorbereitet ist, dass Sie<br />

fotografieren wollen. Im Normalfall schafft<br />

ein durchschnittlicher Bergsteiger etwa<br />

400 Höhenmeter pro Stunde. Wenn Sie<br />

unterwegs ernsthaft fotografieren wollen,<br />

können Sie höchstens mit der Hälfte rechnen.<br />

Ihre Partner müssen mit dieser verminderten<br />

Geschwindigkeit zurechtkommen.<br />

Das hat nicht nur mit Geduld, sondern auch<br />

mit Routenwahl und Fitness zu tun. Der<br />

Bergpartner kommt bei einer erzwungenen<br />

Pause aus dem Rhythmus – und das kostet<br />

Kraft. Eine normale Zweitagestour kann<br />

sich leicht auf das Doppelte ausdehnen und<br />

ist damit an einem Wochenende nicht mehr<br />

zu machen. Zudem wird das Wetter über<br />

einen längeren Zeitraum unsicherer.<br />

150


KAPITEL 3<br />

ATEM BERAUBENDES<br />

HOCHGEBIRGE<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Dia<br />

analog<br />

Brennweite 80 mm<br />

Blende<br />

f/8,0<br />

Studium des Bergwetters<br />

Die nächste Vorbereitungsphase ist natürlich<br />

das Studium des Bergwetters . Dabei<br />

geht es nicht nur darum, dass Sie halbwegs<br />

trocken und gesund auf den Gipfel kommen,<br />

sondern das Wetter sollte klar und<br />

sicher sein. In den Alpen geht klares Wetter<br />

oft mit Föhn einher. Föhn kann aber in<br />

Gipfellagen außerordentlich unangenehm<br />

werden, vor allem wenn man keine Hand<br />

frei hat, um sich festzuhalten.<br />

Nicht minder wichtig ist die mentale Vorbereitung.<br />

Für den Bergsteiger gilt die eiserne<br />

Regel: Held ist, wer umkehrt. Wer weitersteigt,<br />

ist ein Sturkopf und leider oft genug<br />

ein toter Sturkopf. Für fotografierende Bergsteiger<br />

ist diese Regel noch schärfer: besser<br />

ohne Kamera zurückkommen als ohne Kopf.<br />

Wenn Sie ein dummes Gefühl haben, sich<br />

körperlich nicht fit fühlen oder irgendetwas<br />

nicht passt: Drehen Sie um, verzichten Sie auf<br />

das Bild, verzichten Sie auf den Gipfel. Und<br />

wenn Sie am anderen Ende der Welt sind und<br />

nur einmal in Ihrem Leben die Chance haben,<br />

dieses eine Foto zu machen – bedenken Sie<br />

immer, Sie haben die einmalige Chance, bis<br />

an Ihr Lebensende an diesem Ort zu bleiben.<br />

Seien Sie sich deshalb von vornherein im<br />

Klaren darüber: Hochgebirgsfotografie ist<br />

klasse, aber wenn Sie sich dabei den großen<br />

Zeh erfrieren, merken Sie das den Rest<br />

Ihres Lebens, und wenn Ihr großer Zeh auftaut,<br />

könnten Sie vor Schmerz am liebsten<br />

in die Speicherkarte beißen.<br />

Vorsicht, Lawinengefahr!<br />

Solange Sie im Hochgebirge unterwegs<br />

sind, ist es selbstverständlich, dass Sie mit<br />

dem richtigen Verhalten in dieser Gegend<br />

vertraut sind. Gehen Sie im Winter ins Gebirge,<br />

muss Ihnen zwingend das Verhalten<br />

in lawinengefährdetem Gebiet geläufig<br />

sein, und idealerweise haben Sie auch einen<br />

entsprechenden Rettungskurs mitgemacht.<br />

Abstieg durch das Laliderer<br />

Tal im Karwendel. Im Sommer<br />

ist dies der Normalweg<br />

auf die Falkenhütte. Es kann<br />

aber jederzeit selbst auf<br />

dieser geringen Höhe ein<br />

Wettersturz kommen, der in<br />

heftiger Lawinengefahr und<br />

dickstem Nebel endet. 15<br />

Monate vor dieser Aufnahme,<br />

im Juni 1979, fand<br />

wenige Meter von dieser<br />

Aufnahme entfernt die bisher<br />

größte Bergrettungsaktion<br />

Österreichs statt, als zwei<br />

bayerische Bergsteiger<br />

während eines mehrtägigen<br />

Schneesturms aus der Laliderer<br />

Wand geborgen wurden.<br />

Auch bei der abgebildeten<br />

Bergtour musste ein Begleiter<br />

wegen Unterkühlung mit<br />

dem Hubschrauber abgeholt<br />

werden.<br />

151


Stativ in steilem Geröllfeld<br />

mit montiertem<br />

Nikkor 200-400,<br />

beschwert durch eine<br />

Plastiktüte mit Steinen.<br />

Im Hintergrund Bunderspitz<br />

und First.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 14 mm<br />

Belichtung 1/640 s<br />

Blende<br />

f/7,1<br />

ISO 100<br />

Knoten und Sicherungstechniken<br />

Falls Sie klettern, versteht es sich von selbst,<br />

dass Sie die notwendigen Knoten und Sicherungstechniken<br />

beherrschen und sich<br />

auch selbst abseilen können, schon allein<br />

deshalb, weil Sie als Fotograf grundsätzlich<br />

irgendwelche Extrawürste braten und den<br />

Betrieb aufhalten. Sie benötigen also unbedingte<br />

Fitness und Sicherheit am Fels. Natürlich<br />

gibt es Fotografen, die sich Top-Rope<br />

die Wand hochziehen lassen und dann<br />

fleißig die daneben kraxelnden Jungs ablichten<br />

oder nach getaner Arbeit, weil’s so<br />

einfach ist, mit ein paar Steigklemmen ein<br />

Fixseil „hochjümarn“. Es gibt aber ebenfalls<br />

Fotografen, die oben feststellen, dass das<br />

Fixseil an der Felskante gescheuert hat und<br />

sie um das buchstäbliche Haar noch mal<br />

davongekommen sind. Deshalb: Richten Sie<br />

sich darauf ein, die Technik ausschließlich<br />

zur Sicherung zu verwenden. Das hat auch<br />

den Vorteil, dass Sie ein Gefühl für die Natur<br />

behalten – und dieses Gefühl kann Ihnen<br />

das Leben retten. Das Hochgebirge ist kein<br />

Klettergarten oder Sportplatz.<br />

Kompass und Kartenmaterial<br />

Für die Tourplanung sind natürlich Kompass<br />

und Kartenmaterial unentbehrlich.<br />

Verlassen Sie sich nicht auf GPS-Kompass,<br />

Navigationsgerät oder gar Ihr Smartphone.<br />

Alle technischen Geräte können kaputtgehen,<br />

der Akku kann einfrieren – ein Wassereinbruch<br />

im Gerät, und Sie sind ohne Karte<br />

und den guten alten Magnetkompass völlig<br />

aufgeschmissen. Schon ein paar Stunden<br />

152


KAPITEL 3<br />

ATEM BERAUBENDES<br />

HOCHGEBIRGE<br />

Schneefall und etwas Nebel können ein bei<br />

Sonnenschein harmloses Hochplateau zu<br />

einer Todesfalle werden lassen.<br />

EISPICKEL UND<br />

PLASTIKTÜTE<br />

Sind Sie in steilem Gelände unterwegs,<br />

nehmen Sie einen Eispickel<br />

mit – es gibt nichts Besseres, um<br />

einen Fotorucksack gegen spontanes<br />

Davonkullern zu sichern. Vor allem<br />

in steilen Geröllfeldern ist das ein<br />

„Must“. Auch eine stabile Plastiktüte<br />

oder eine Stofftasche sind zweckmäßig.<br />

In diese kann man Steine<br />

einfüllen, um das Stativ zu beschweren.<br />

Der gern verwendete Rucksack<br />

hat den Nachteil, dass man möglicherweise<br />

während der Pause etwas<br />

herausholen möchte oder dass er die<br />

falschen Abmessungen hat.<br />

TRANSPORTKAPAZITÄTEN<br />

Wenn Sie beliebige Transportkapazitäten<br />

haben, nehmen Sie alles mit,<br />

was Sie an Fotozubehör besitzen. Sie<br />

können sicher sein, dass der Adlerhorst<br />

genau dann in Sicht kommt,<br />

wenn Sie nur ein Weitwinkelobjektiv<br />

dabeihaben, oder dass Sie im Mondlicht<br />

ein wunderbares Panorama, aber<br />

kein Stativ haben. Murphys Gesetz<br />

ist ewig, und gerade im Gebirge<br />

bestätigt sich das jeden Tag. Nicht<br />

jeder hat aber die Möglichkeit, den<br />

angestrebten Gipfel mit dem Helikopter<br />

anzufliegen, sodass Transport<br />

und Abholung des Equipments das<br />

Problem anderer wäre. In den meisten<br />

Fällen ist man gezwungen, die Fotoausrüstung<br />

selbst auf die Höhe zu<br />

bringen.<br />

Die Sternentabelle des Fotografen<br />

Genug der Schwarzmalerei, nicht jede<br />

Hochtour endet im Hubschrauber der Bergrettung,<br />

und auch die GPS-Geräte sind<br />

meistens zuverlässig. Die moderne Technik<br />

ermöglicht es sogar, Fotografie und Bergsteigen<br />

auf völlig neuartige Art und Weise<br />

zu kombinieren. Ein sehr praktisches Tool<br />

dafür ist TPE – The Photographer‘s Ephemeris.<br />

Übersetzt bedeutet das nichts anderes<br />

als „Die Sternentabelle des Fotografen“, was<br />

natürlich nicht ganz stimmt, da es hierbei<br />

nur um Sonnen- und Mondhöhen geht.<br />

Mit diesem Tool kann man nicht nur für<br />

jeden Punkt der Erde Sonnenauf und -untergangszeiten<br />

an jedem Tag des Jahres bestimmen,<br />

sondern auch die Sonnenhöhe zu<br />

jedem Zeitpunkt – und das auch noch unter<br />

Berücksichtigung des Geländeprofils. Sie<br />

können also schlicht genau den Zeitpunkt<br />

ausrechnen, an dem die Sonne genau die<br />

Spitze eines bestimmten Gipfels berührt,<br />

wenn Sie von einem bestimmten Grat aus<br />

fotografieren. Sie können feststellen, ob das<br />

von Ihnen gewünschte Alpenglühen von<br />

der geplanten Tour aus überhaupt sichtbar<br />

ist und ob die Wand vormittags im unteren<br />

Bereich Sonne hat oder nicht. Mittels dieses<br />

Tools können Sie nun Ihre Tour auch<br />

fotografisch planen – doch so schön diese<br />

Möglichkeiten auch sind, Vorrang hat immer<br />

die Sicherheit.<br />

Wasser und konzentrierte Kalorien<br />

Sorgen Sie für ausreichend Wasser und konzentrierte<br />

Kalorien . Wenn Sie mit den isotonischen<br />

Sportgetränken nichts anfangen<br />

können, nehmen Sie Mineraltabletten mit<br />

oder, falls Sie auch das nicht mögen, salzige<br />

153


Von links nach rechts:<br />

die voll- und teilmechanischen<br />

Saurier<br />

EXA IIa, Pentax MV,<br />

Minox EC. Dahinter<br />

eine CF-Karte zum<br />

Größenvergleich.<br />

Würstchen. Die Brotzeit der Bergbauern ist<br />

nicht umsonst deftig, das Bergsteigeressen<br />

auf Alpenvereinshütten besteht meist aus<br />

Kartoffeln mit Speck, Käsespätzle oder anderen<br />

Kalorienbomben wie Spaghetti Bolognese<br />

o. Ä. Wasser allein hilft Ihnen nichts,<br />

und Schokolade kann zwar für Energie sorgen,<br />

ersetzt aber nicht die verloren gegangenen<br />

Mineralstoffe – und Wadenkrämpfe<br />

zum falschen Zeitpunkt können Sie abrupt<br />

aus dem Rennen oder der Wand werfen.<br />

Auch wenn Sie bei vermeintlich bestem<br />

Wetter losmarschieren und es mitten im<br />

Hochsommer ist: Nehmen Sie zumindest<br />

warme Kleidung mit, auch ein paar leichte<br />

Fausthandschuhe sind keine übertriebene<br />

Vorsicht. Profis haben immer einen<br />

Biwaksack dabei, die es schon ab 120 g in<br />

einfachster Ausführung gibt. Für zwei Personen<br />

muss man etwa 400 g einrechnen.<br />

Klimatische Extreme, Feind der Kamera<br />

Die Beschränkung auf das Wesentliche ist<br />

bei der Hochgebirgsfotografie noch dringlicher<br />

als in einem anderen Umfeld. Dabei<br />

muss man nicht nur das Gewicht im Auge<br />

behalten, sondern auch die Funktionalität bei<br />

allen Klimabedingungen. Auf 4.000 m Höhe<br />

steigt das Thermometer in den Alpen selbst<br />

im Sommer kaum über 5 °C. Im Winter sind<br />

es auch mal 35 Minusgrade, was selbst in<br />

der Hosentasche vorgewärmte Akkus sehr<br />

schnell in die Knie zwingt. Im Unterschied<br />

dazu kann eine schwarze Kamera in der Sonne<br />

auch mal schnell so heiß werden, dass der<br />

Sensor nicht mehr ausreichend gekühlt werden<br />

kann. Klimatische Extreme sind also der<br />

natürliche Feind der Digitaltechnik.<br />

Mechanische Schätzchen, immer bereit<br />

Die Rundum-glücklich-Kamera für den,<br />

der für alle klimatischen Eventualitäten gewappnet<br />

sein will, ist eine Pentax MX oder<br />

die Olympus OM-1 mit 50- oder 35-mm-<br />

Objektiv. Zusammen mit einem 36er-Film<br />

wiegt das Ganze nicht mehr als 750 g und ist<br />

bei absolut jedem Klima einsetzbar. Wenn<br />

die internen Knopfzellen der Kameras aufgeben,<br />

sollte man noch einen Selen-Belichtungsmesser<br />

in der Tasche haben. Diese für<br />

wenige Euros erhältlichen Fossile funktionieren<br />

auch ohne Batterie. Leider sind sowohl<br />

die MX- als auch die Olympus-OM-Kameras<br />

nicht wirklich billig zu haben. Günstiger sind<br />

154


KAPITEL 3<br />

ATEM BERAUBENDES<br />

HOCHGEBIRGE<br />

die Vollmetall-Klopper aus Jena, EXA oder<br />

Exakta Varex mit einem 35-mm-Flektagon<br />

oder einem 50-mm-Tessar.<br />

Das Transportgewicht der „Großen“ liegt<br />

dann schon jenseits der 1.000 g, allerdings<br />

hat man auch so flotte Details wie integrierte<br />

Filmabschneider und auswechselbare<br />

Lichtschachtsucher an Bord. Man sollte lediglich<br />

bei Temperaturen unter –25 °C beim<br />

händischen Filmtransport etwas Vorsicht<br />

walten lassen, da bei diesen Temperaturen<br />

gern mal die Perforation der Filme ausreißt.<br />

Auch eine Praktika ist eine Überlegung<br />

wert. Die Kameras sind ziemlich günstig<br />

zu haben, die M42-Objektive gibt es in<br />

wirklich jeder Preis- und Qualitätsklasse,<br />

und die Kameras haben immerhin einen<br />

Schnittbildsucher.<br />

Auch wenn die altmodische Bereitschaftstasche<br />

albern und touristisch aussieht und bei<br />

alten Hasen den Spitznamen „Bereitschaftsverhinderungstasche“<br />

hat – durch die Konstruktion<br />

schützt sie die Kamera zuverlässig<br />

auch vor ausgesprochen herben Stößen in<br />

der Wand. Eine Varex IIa, die in einer Bereitschaftstasche<br />

außen am Rucksack befestigt<br />

war, überlebte den Sturz des Rucksacks über<br />

einen 50-m-Abhang im Karwendel ohne einen<br />

Kratzer. Falls Sie das Glück haben, noch<br />

eines der alten, mechanischen Schätzchen<br />

Bereitschaftstasche mit<br />

Exakta Varex IIa. Bereitschaftstaschen<br />

gibt es<br />

mittlerweile auch für die<br />

meisten Systemkameras<br />

und DSLRs, aus echtem<br />

Leder sind sie aber fast<br />

nicht mehr zu bezahlen.<br />

155


PLÄDOYER FÜR DIE BEREIT-<br />

SCHAFTSTASCHE<br />

Bereitschaftstaschen zeichnen sich<br />

dadurch aus, dass die Einzelteile<br />

„unverlierbar“ sind, mithin sich auch<br />

nicht unauffällig davonmachen können.<br />

Durch die mit einem Handgriff<br />

abklappbare Komplettabdeckung<br />

kann man sich auch den Objektivdeckel<br />

sparen. Der größte Nachteil<br />

der Bereitschaftstaschen ist ihr<br />

unglaublich muffiges Image und die<br />

Tatsache, dass man keine größeren<br />

Objektive darin unterbringen kann.<br />

im Schrank zu haben: Lassen Sie die Mechanik<br />

überholen und den Tuchverschluss reparieren,<br />

und Sie haben eine Kamera, die auch<br />

dann noch funktioniert, wenn alle anderen<br />

mangels Batterie aufgeben müssen.<br />

Bergsteigen mit Kamera<br />

Sobald Sie sicherstellen können, dass Sie<br />

immer und zu jeder Zeit einen angewärmten,<br />

vollen Akku parat haben, sprechen wir<br />

jedoch nur noch über Digitalkameras. Die<br />

kleinsten und leichtesten Kameras, die für<br />

extreme Situationen geeignet sind, sind die<br />

Outdoorkameras, die mit wasserdichtem<br />

Gehäuse und einem erweiterten Temperaturbereich<br />

punkten können. Diese Kameras,<br />

bei denen Olympus mit der Tough-<br />

Reihe Marktführer ist, sind unter normalen<br />

Umständen nicht kaputt zu kriegen. Solange<br />

sie irgendwie angebunden sind und<br />

sich nicht in einen Abgrund verabschieden,<br />

machen sie alles mit. Selbst eine Nacht im<br />

Schnee verkraften die Kameras ohne Klagen.<br />

Die neuesten Toughs haben mittlerweile<br />

sogar GPS an Bord. Einziges Manko<br />

ist die Bedienung der kleinen Kameras mit<br />

Handschuhen. Das erfordert eine gewisse<br />

Übungszeit. Bei extremer Kälte kann man<br />

die Kameras in Gänze in die Hosen- oder<br />

Jackentasche stecken, sodass sie eigentlich<br />

immer betriebsbereit sind.<br />

Leider haben diese unkaputtbaren Kompakten<br />

alle keinen Sucher mehr, sodass das<br />

Fotografieren im hellen Sonnenlicht zum<br />

Problem werden kann. Abhilfe schafft hier<br />

eine Kopfbedeckung mit Krempe oder Sonnenschutz.<br />

Es rentiert sich bei den Outdoorkameras<br />

übrigens nicht, ältere Exemplare zu<br />

erwerben. Die Bildqualität der neueren Modelle<br />

ist gegenüber denen der ersten Generation<br />

deutlich besser. Zudem haben neuere<br />

Kameras auch so praktische Features wie<br />

die automatische Panoramenerstellung<br />

oder einen HD-Videomodus an Bord.<br />

Ein großer Vorteil ist, dass die modernen<br />

Kompaktkameras über USB geladen<br />

werden können. Ein Solar-USB-Ladegerät<br />

macht Sie damit unterwegs vom Stromnetz<br />

unabhängig.<br />

Die modernen Knipsen bieten zwar bis zu 14<br />

Megapixel, tatsächlich reicht die Bildqualität<br />

oft genug aber nur für einen Print in 13 x<br />

18 cm aus. Da ist es empfehlenswert, genau<br />

hinzusehen und im Zweifelsfall mehr Geld<br />

auszugeben. DSLR-Qualität kann man allerdings<br />

auch bei den Besten nicht erwarten.<br />

Vor allem beim Dynamikumfang schwächeln<br />

die Kameras, und das unvermeidliche Rauschen<br />

wird durch aggressive, kamerainterne<br />

Glättung bekämpft – feine Strukturen bleiben<br />

da schon bei ISO 200 auf der Strecke.<br />

Wem die Bildqualität der „Rugged Cams“<br />

nicht ausreicht, ist versucht, zu einer Bridge<br />

oder einer der wohlfeilen Ultrazooms zu<br />

greifen. Wer bereits so eine Kamera besitzt<br />

und kein Geld ausgeben möchte, für den ist<br />

156


KAPITEL 3<br />

ATEM BERAUBENDES<br />

HOCHGEBIRGE<br />

das sicher eine Lösung des Problems, wirklich<br />

zufriedenstellend ist es aber auch nicht.<br />

Die Kameras sind durch den ausfahrenden<br />

„Rüssel“ noch empfindlicher als Kameras<br />

mit Wechselobjektiv, sie sind nicht so kompakt,<br />

haben meistens auch keine sonderlich<br />

großen Sensoren, weil sonst die extremen<br />

Zoomobjektive wieder unhandlich würden,<br />

und sind deshalb von der Bildqualität her<br />

eher im Bereich der „Rugged Cams“ angesiedelt.<br />

Interessanter sind da wieder die neuen<br />

Edelkompakten vom Schlage einer Olympus<br />

XZ-1 oder einer Canon S95. Bei diesen<br />

Kameras fährt das Objektiv nicht so weit<br />

aus, bei gutem Licht können die Ergebnisse<br />

mit DSLRs mithalten, die Kameras bieten<br />

RAW-Format, sind klein und leicht und<br />

trotzdem mit Handschuhen zu bedienen.<br />

Durch die hochwertigen, lichtstarken Objektive<br />

sind auch bei Dämmerung oder auf<br />

der Hütte noch erstklassige Fotos möglich.<br />

Fotografie mit Bergsteigen<br />

Ab der nächsten Stufe tritt nun das reine<br />

Bergsteigen mit Kamera in den Hintergrund,<br />

und man kommt in den Bereich der<br />

„Fotografie mit Bergsteigen“.<br />

Systemkameras<br />

Hier ist man dann mit einer der neuen Systemkameras<br />

unterwegs, vorzugsweise einer<br />

Panasonic GF oder Olympus PEN. Die<br />

ebenfalls in diesem Bereich angesiedelten<br />

Sony NEX und Samsung NX haben sensorbedingt<br />

deutlich größere Optiken und sind<br />

häufig nur schwer einhändig zu halten und<br />

zu bedienen. Die für die mFT-Kameras erhältlichen<br />

Aufstecksucher sind zwar ungeheuer<br />

praktisch, laufen aber auf längeren<br />

Touren unter „verlierbarem, teurem Kleinkram“.<br />

Als ideales Objektiv für die Tour hat sich<br />

bei den mFT-Kameras das 9-18 mm herausgestellt.<br />

Sowohl in der Wand als auch<br />

Drei Digitalkameras<br />

fürs Gebirge: Olympus E-3<br />

mit Batteriegriff und<br />

Zuiko 11-22 (22-44),<br />

Olympus E-P2 mit<br />

mZuiko 9-18 (18-36) und<br />

die Olympus Tough 810<br />

mit eingebautem 5-25-<br />

(28-140-mm-)Objektiv.<br />

157


für das Gipfelfoto sorgt der Bildwinkel des<br />

Objektivs für spektakuläre Bilder, die Kombination<br />

ist zudem noch durchaus kompakt.<br />

Brauchbare Allrounder sind die 14-42-mmund<br />

14-45-mm-Standardzooms, wobei<br />

auch hier die Olympus mZuikos aus ganz<br />

praktischen Gründen zu bevorzugen sind:<br />

Sie kommen nämlich aufgrund der Konstruktion<br />

ohne Streulichtblende aus – wieder<br />

ein Teil, das sich zu gern zum unpassenden<br />

Zeitpunkt selbstständig macht oder mit<br />

dem man irgendwo hängen bleiben kann.<br />

Spiegelreflexkamera<br />

Etwas größer als die Systemkameras sind<br />

dann die Spiegelreflexkameras mit FT- oder<br />

APS-Sensor. Bei den im Gebirge bevorzugt<br />

verwendeten Brennweiten im Weitwinkelund<br />

leichten Telebereich macht das keinen<br />

großen Unterschied. Es gibt in diesem<br />

Bereich ebenfalls mehrere gedichtete Kameras,<br />

denen auch mal ein Regenschauer<br />

nichts ausmacht. Das obere Ende der Wetterfestigkeit<br />

markiert hier Olympus mit der<br />

E-5, die vom Sand- bis zum Schneesturm<br />

alles aushält. Eine abgedichtete Kombi mit<br />

dem Zuiko 12-60 mm wiegt aber bereits<br />

Knapp 1,5 kg. Empfehlenswert sind auf jeden<br />

Fall Kombinationen mit Bildstabilisator, wobei<br />

es nebensächlich ist, ob der Stabilisator<br />

im Objektiv oder in der Kamera verbaut ist,<br />

in der Kamera ist er nur auf Dauer billiger.<br />

Kleinbildkameras<br />

Kleinbildkameras stehen im Ruf, groß und<br />

schwer zu sein, was für die Kameras selbst<br />

gar nicht zutreffen muss – die Nikon D700<br />

ist nicht viel größer als eine Olympus E-5,<br />

aber vor allem die Objektive sind voluminöser.<br />

Während zu analogen Zeiten noch<br />

drei- und vierlinsige Festbrennweiten auf<br />

den leichten, mechanischen Kameras zu<br />

finden waren, sind es heute, so man die<br />

damaligen Lichtstärken erreichen will, voluminöse<br />

Zooms mit einem Dutzend Linsen,<br />

AF-Motor, elektrischer Springblende und<br />

einem optischen Stabilisator – alles ausgesprochen<br />

praktische Erfindungen, die aber<br />

neben der Fehleranfälligkeit noch einen<br />

gravierenden Nachteil haben: Sie wiegen.<br />

Kleinbildkameras sind am Berg vor allem<br />

in der Werbefotografie und entsprechend<br />

budgetierten Produktionen zu finden. Hobbyisten<br />

sollten sich entweder auf wenige Objektive<br />

beschränken oder die Fotoausrüstung<br />

auf die Teammitglieder aufteilen. Priorität im<br />

Rucksack hat immer die eigene Notfallausrüstung.<br />

Wird ein Mitglied der Gruppe vom<br />

Rest getrennt und ist das zufällig der Fotograf,<br />

der zwar einen schweren Fotorucksack,<br />

aber keinerlei Ausrüstung besitzt, dann kann<br />

das im Gebirge böse ausgehen.<br />

AUSRÜSTUNG SICHERN<br />

Ein wichtiger Punkt bei der Ausrüstung<br />

im Hochgebirge ist immer:<br />

Rechnen Sie damit, dass Sie Ihre<br />

Ausrüstung verlieren. Bereiten Sie<br />

sich mental darauf vor, dass Ihnen<br />

Teile der Ausrüstung aus der Hand<br />

gleiten und sich vorzeitig ins Tal<br />

verabschieden. Das ist, wenn es passiert,<br />

ärgerlich. Aber es ist besser,<br />

Sie haben sich und Ihr Portemonnaie<br />

bereits darauf eingestellt, als<br />

dass Sie sich dazu hinreißen lassen,<br />

einen riskanten Rettungsversuch zu<br />

unternehmen. Trotzdem sollten Sie<br />

natürlich immer dafür sorgen, dass<br />

Ihre Ausrüstung gesichert ist – schon<br />

allein um zu verhindern, dass Ihren<br />

Nachsteigern harte Gegenstände auf<br />

den Kopf fallen.<br />

158


KAPITEL 3<br />

ATEM BERAUBENDES<br />

HOCHGEBIRGE<br />

Erinnern Sie sich an die Gruppe der vier<br />

Bergsteiger, die im April 2010 von einem<br />

Wettersturz am Großvenediger überrascht<br />

wurden und fast drei Tage in einer Schneehöhle<br />

durchhalten mussten, bevor sie erschöpft,<br />

aber heil gerettet wurden. Ohne<br />

die richtige Ausrüstung und die richtige<br />

Ausbildung wäre diese Geschichte wie die<br />

meisten anderen vergleichbaren ausgegangen:<br />

tödlich.<br />

Hochgebirge, die Domäne der Weitwinkel<br />

Konkrete Objektivempfehlungen sind fürs<br />

Hochgebirge schwierig zu geben. Zu sehr ist<br />

das auch von den individuellen Fotografiergewohnheiten<br />

abhängig. Für den Einsteiger<br />

in das Thema ist ein leichtes Standardzoom<br />

die beste Wahl. Lichtstärke ist dabei nicht<br />

so wichtig, eher eine Streulichtblende, die<br />

man zum Verstellen des Polfilters nicht<br />

abnehmen muss. Der Brennweitenbereich<br />

sollte mindestens den Bereich zwischen 28<br />

und etwa 80 mm Kleinbild abdecken. Damit<br />

kommt man schon sehr weit und kann<br />

ausprobieren, in welchem Bereich man sich<br />

selbst wohlfühlt.<br />

Weitwinkel<br />

Unterm Strich ist das Gebirge die Domäne<br />

der Weitwinkel. Dabei ist eine kontrastreiche,<br />

scharfe Abbildung wichtiger als die Bildgeometrie.<br />

Eine leichte Tonnenverzerrung<br />

fällt bei Gebirgsaufnahmen nicht auf. Auch<br />

wenn man natürlich vom Gipfel aus mit der<br />

langen Brennweite den Nachbargipfel nah<br />

heranzoomen kann – lohnende Motive erhält<br />

man damit in den seltensten Fällen. Im Gegenteil,<br />

die mit langen Brennweiten im Gebirge<br />

entstandenen Fotos kranken oft an uninteressanten<br />

Sujets, Dunst und Verblauung.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 200 mm<br />

Belichtung 1/500 s<br />

Blende<br />

f/4,5<br />

ISO 100<br />

Ein Milan vor der Südwand<br />

der Bire. Hier lag<br />

Ende Mai noch Schnee.<br />

Trotzdem ist die Wand<br />

dunstig und verblaut,<br />

der Milan hebt sich<br />

scharf ab. Milane<br />

sind glücklicherweise<br />

Segelflieger, sodass<br />

man sie auch mit<br />

langen Brennweiten<br />

gut erwischt.<br />

159


Rechts: Kletterin<br />

in der Fränkischen<br />

Schweiz. Aufgenommen<br />

mit Ultraweitwinkel<br />

im Abendlicht.<br />

Die Verzerrungen am<br />

Bildrand sorgen für<br />

zentral zulaufende<br />

Linien im Fels, die objektiv<br />

natürlich nicht<br />

da sind.<br />

Die Lichtstärke ist bei Landschaftsaufnahmen<br />

mit Weitwinkel weniger von Bedeutung.<br />

Im Gebirge wollen Sie meistens das<br />

Bild scharf haben, also werden Sie sowieso<br />

auf die Hyperfokaldistanz einstellen und<br />

irgendwo zwischen Blende f/8 und Blende<br />

f/11 bleiben. Stellen Sie vorab fest, bei<br />

welcher Blende Ihre Objektive die beste<br />

Leistung bringen, und arbeiten Sie in diesem<br />

Bereich. Probieren Sie das aber nicht<br />

im heimischen Vorgarten aus, sondern<br />

tatsächlich in der Landschaft. Die Leistung<br />

von Objektiven kann im Nahbereich und im<br />

Fernbereich unterschiedlich sein. Berücksichtigen<br />

Sie auch, wenn irgend möglich,<br />

das Motiv. Wenn Sie Landschaften mit grünen<br />

Wäldern aufnehmen, haben Sie andere<br />

Anforderungen als bei Aufnahmen in der<br />

Großstadt oder im blanken Fels.<br />

Einige Objektive sind im Zusammenspiel<br />

mit den Kameras auf Kantenkontrast optimiert,<br />

das bedeutet, Häuser, Dächer und<br />

alle Dinge mit klaren Kontrastkanten werden<br />

knackscharf. Bildbereiche mit geringen<br />

Kontrasten und weichen Farbabstufungen<br />

werden matschig. Letzteres trifft vor allem<br />

auf Vegetation, bisweilen aber auch auf<br />

Geröllfelder zu. Da kann es sein, dass sich<br />

ein Objektiv lohnt, das stärker auf Auflösung<br />

als auf Kontrast optimiert ist. Diese<br />

Objektive – ein Beispiel ist das Zuiko 11-22<br />

mm – sind normalerweise unbeliebt, da<br />

die Ergebnisse damit unauffällig und wenig<br />

spektakulär sind. Wirklich kantenscharfe<br />

Ergebnisse erreicht man da meist nur durch<br />

Nachschärfen am Computer. Diese Objektive<br />

können aber bei Landschaftsaufnahmen<br />

ihre Stärken ausspielen. Die Bilder wirken<br />

deutlich ausgewogener und natürlicher.<br />

Mittlerweile wird vor allem bei den sogenannten<br />

Systemkameras sehr stark mit<br />

digital optimierten Objektiven gearbeitet.<br />

Das heißt, die Objektive haben teils erhebliche<br />

Abbildungsfehler, die aber über eine<br />

kamerainterne Optimierung herausgerechnet<br />

werden, eine Folge des Kostendrucks<br />

und der geringen Baugröße. Dies betrifft<br />

nicht nur die Bildgeometrie, sondern auch<br />

chromatische Aberrationen und Vignettierungen.<br />

Seien Sie mit diesen Objektiven<br />

vorsichtig. Die digitale Schärfe ist in den Bildern<br />

sichtbar und nicht jedermanns Sache.<br />

Was bei Personenfotografie und im urbanen<br />

Umfeld kein großes Problem ist, kann die<br />

Bilder aus dem Hochgebirge nachhaltig verderben,<br />

weil eben kleine Farbunterschiede<br />

verwaschen und Kontrastkanten ungleichmäßig<br />

verstärkt werden.<br />

Ultraweitwinkel<br />

Ultraweitwinkel verzerren die Perspektive,<br />

weil sie die eigentlich gebogenen Linien am<br />

Rand so korrigieren, dass sie gerade werden<br />

und damit die Darstellung nicht mehr<br />

flächentreu ist. Die Tonnenverzerrung einfacher<br />

Weitwinkelobjektive und von Fisheye-<br />

Objektiven resultiert ja nicht aus einem seltsamen<br />

Humor der Objektivdesigner, sondern<br />

aus der tatsächlichen Perspektive, die eben<br />

nicht auskorrigiert wurde. Genau genommen<br />

ist eben diese Korrektur keine Berichtigung,<br />

sondern eine Verzerrung.<br />

Diese Verzerrung sorgt dafür, dass Dinge<br />

am Rand deutlich an Fläche zunehmen.<br />

Der optische Effekt ist, dass der Betrachter<br />

in das Bild hineingezogen wird, das Bild hat<br />

„Geschwindigkeit“. Um diesen Effekt zu maximieren,<br />

muss man darauf achten, dass die<br />

Gegenstände an den Rändern deutlich näher<br />

sind als Motive in der Mitte des Bilds. Baut<br />

man im Gegenteil das Bild so auf, dass das<br />

Hauptmotiv sehr nahe und in der Mitte ist,<br />

wird es unnatürlich groß dargestellt, der Hintergrund<br />

wird zur weit entfernten Tapete.<br />

160


AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 14 mm<br />

Belichtung 1/250 s<br />

Blende<br />

f/4,0<br />

ISO 100<br />

KAPITEL 3<br />

ATEM BERAUBENDES<br />

HOCHGEBIRGE<br />

161


AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 16 mm<br />

Belichtung 1/400 s<br />

Blende<br />

f/5,6<br />

ISO 100<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 16 mm<br />

Belichtung 1/250 s<br />

Blende<br />

f/11,0<br />

ISO 100<br />

So harmlos und friedlich diese Aufnahme wirkt: Vor Kühen ist äußerster Respekt<br />

angebracht. Nicht dass sie sonderlich agressiv wären, die meisten Kühe in den<br />

Alpen sind Wanderer gewöhnt und wollen nur in Ruhe gelassen werden, aber<br />

Kühe sind ausgesprochen neugierig und interessieren sich sehr für Kameratechnik.<br />

Ein gut gemeinter Stupser mit der Nase, ein schneller Schlabber übers<br />

Objektiv, und die Fototour wird zwangsweise durch eine größere Putzaktion<br />

unterbrochen.<br />

Auch die Tierfotografie ist im Gebirge mit<br />

Ultraweitwinkeln interessant zu lösen. Man<br />

kommt zwar eher selten nahe genug an ein<br />

Murmeltier heran, dass man eine kurze<br />

Brennweite mit Erfolg einsetzen kann, aber<br />

bisweilen ergeben sich auch mit Haustieren<br />

nette Motive. Sie können sogar mit Fisheye-<br />

Objektiven Bergfotos machen, bei denen<br />

die in der Stadt offensichtliche Verzerrung<br />

kaum zu sehen ist.<br />

Rechts: Der Klassiker,<br />

Enzian am Oeschinensee.<br />

Aufgenommen mit<br />

einem 180°-Fisheye.<br />

Fisheye<br />

Ein Fisheye-Objektiv ist das im Gebirge am<br />

meisten unterschätzte Objektiv. Die Perspektive<br />

ermöglicht nicht nur beeindruckende<br />

Panoramen, sondern bietet vor allem die<br />

Möglichkeit nahezu unendlicher Schärfentiefe<br />

schon aus dem Nahbereich heraus. Das<br />

ermöglicht Bilder, die so mit keinem anderen<br />

Objektiv möglich sind. Auskorrigierte Ultraweitwinkel<br />

verzerren die Randbereiche so<br />

stark, dass dort kein natürlicher Eindruck<br />

mehr möglich ist. Bei einem Fisheye dagegen<br />

162


KAPITEL 3<br />

ATEM BERAUBENDES<br />

HOCHGEBIRGE<br />

163


können bildwichtige Motive auch im Randbereich<br />

platziert werden, solange man darauf<br />

achtet, dass sie nicht über die gesamte<br />

Bildhöhe gehen.<br />

Besonders prädestiniert für solche Fotos<br />

sind Motive wie Blumen und andere kleine<br />

Dinge. Im Beispiel ist es ein Klassiker: der<br />

Enzian. Wer es moderner mag, kann auch<br />

einen Karabiner, einen Kletterhelm oder<br />

das Kochgeschirr in den Vordergrund platzieren,<br />

je nachdem, was eben als Hingucker<br />

in die Bildkomposition soll.<br />

Ausnahme: lange Telebrennweiten<br />

Es gibt natürlich eine Ausnahme, und die<br />

betrifft die Tierfotografie. Für Steinböcke,<br />

Adler und Murmeltiere kann die Brennweite<br />

nicht lange genug sein. In der Tierfotografie<br />

ist der wesentliche Faktor das „Gewusstwo-und-wann“.<br />

Wenn Sie nicht wissen, wo<br />

sich die gesuchten Steinböcke aufhalten, ist<br />

das Mitschleppen von schweren Teleobjektiven<br />

nur aus Fitnessgründen sinnvoll. Dass<br />

Ihnen rein zufällig im passenden Moment<br />

die Tiere in Reichweite über den Weg laufen,<br />

ist ausgesprochen unwahrscheinlich.<br />

(Anders ist es bei Alpendohlen – da reicht<br />

meist schon ein Vesperbrot, und Sie können<br />

die Tiere in Gemütsruhe mit dem Ultraweitwinkel<br />

formatfüllend ablichten.) Aber auch<br />

bei Tieraufnahmen gilt: Wer früh aufsteht,<br />

macht die besten Fotos. Später am Tag wird<br />

der Dunst sehr schnell selbst für die Tierfotografie<br />

zu dicht.<br />

Wenn Sie sich entschlossen haben, die<br />

Schlepperei auf sich zu nehmen, sollten Sie<br />

ein paar wesentliche Dinge bei der Auswahl<br />

der Objektive berücksichtigen:<br />

Ein junger Steinbock am Schwarxhorn, fotografiert Anfang Mai um die Mittagszeit. Abstand etwa 40 m. Ein Glücksfall,<br />

der auch durch den extrem milden Frühling begünstigt wurde. Das Schwarxhorn wird übrigens wirklich mit x geschrieben.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 290 mm (KB 435 mm)<br />

Belichtung 1/500 s<br />

Blende f/10<br />

ISO 200<br />

164


NACHMITTAGS-<br />

AUFNAHMEN<br />

BEI SONNENSCHEIN<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 294 mm<br />

Belichtung 25 s<br />

Blende<br />

f/14,0<br />

ISO 100<br />

Wenn die Sonne den ganzen Tag<br />

auf die Felsen gebrannt hat, bekommen<br />

Sie Luftblasen über den<br />

Felsen – der Segelflieger nennt<br />

das Thermik –, die wie kleine<br />

Linsen wirken und jede Schärfe<br />

von weiter entfernten Sujets<br />

illusorisch machen. Sehr schön<br />

können Sie das beobachten,<br />

wenn Schneefelder und Felsen<br />

direkt nebeneinanderliegen.<br />

Über Schneefeldern haben Sie<br />

perfekte Fotografierbedingungen,<br />

über den direkt danebenliegenden<br />

Felsen bekommen Sie<br />

kein scharfes Bild.<br />

Lichtstärke bei langen Telebrennweiten<br />

Bei Weitwinkel- und Normalobjektiven ist<br />

die Lichtstärke im Gebirge eher kein Kriterium,<br />

bei langen Telebrennweiten aber<br />

sehr wohl. Dabei ist nicht die Lichtstärke<br />

bei Offenblende von Interesse, sondern<br />

die Lichtstärke bei möglichst guter Abbildungsqualität.<br />

Das berühmt-berüchtigte Sigma 50-500<br />

mm, wegen des gigantischen Zoombereichs<br />

und der Tatsache, dass es für die meisten<br />

Bajonette verfügbar ist, ziemlich weit verbreitet,<br />

sollte man in der ersten Version<br />

am besten auf Blende f/10 abblenden. Die<br />

neuere Version mit integriertem Stabilisator<br />

ist schon ab Blende f/8 gut. Die theoretisch<br />

erreichbare Lichtstärke von 5,6 bei 500 mm<br />

klingt zwar gut, die Ergebnisse sind aber<br />

nur in der Sportfotografie ganz okay, im<br />

Gebirge eher suboptimal. Eines der besten<br />

Teleobjektive für die Gebirgsfotografie ist<br />

das Zuiko 50-200 mm, das mit Offenblendentauglichkeit<br />

von 2,8 bis 3,5 glänzen kann<br />

und trotzdem nur 1 kg wiegt. Es bietet den<br />

Bildwinkel eines 100-400 mm an Kleinbild –<br />

bei einem Bruchteil des Gewichts. Das Nikkor<br />

200-400 mm wiegt dagegen gut das<br />

Dreifache, was eben auch ein stabileres Stativ<br />

und damit noch mehr Gewicht bedingt.<br />

Bisweilen sind manche Perspektiven von<br />

Bergen auch überhaupt nur von tieferen<br />

Standpunkten mit langen Brennweiten zu<br />

machen. Das Blümlisalphorn verliert aus<br />

der Nähe seinen Pyramidencharakter, eine<br />

solche Perspektive ist also nur mit Tele und<br />

an einem klaren Tag zu bekommen.<br />

Blümlisalphorn,<br />

3.664 m. Dieses Bild<br />

wurde vom Stativ mit<br />

ND3-Graufilter und<br />

Polfilter gemacht.<br />

Durch die verlängerte<br />

Belichtungszeit werden<br />

die Wolken verwischt<br />

und geben den Eindruck<br />

von stärkerem<br />

Wind als bei kurzer<br />

Belichtungszeit, bei der<br />

Wolken und Schnee<br />

nur schwer auseinanderzuhalten<br />

sind. Der<br />

Schatten am unteren<br />

Bildrand entstand<br />

durch die Wolken.<br />

165


AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 184 mm<br />

Belichtung 1/400 s<br />

Blende<br />

f/5,0<br />

ISO 100<br />

Polfilter, im Gebirge ein Muss<br />

Polfilter sind im Gebirge ein Muss. Die Auswirkungen<br />

auf die Abbildungsqualität sind<br />

dramatisch. Polfilter verursachen einen<br />

Lichtverlust von etwa eineinhalb bis zwei<br />

Blenden, wird dies auf die Lichtstärke eines<br />

Teleobjektivs aufgerechnet, wird es selbst<br />

bei besten Lichtverhältnissen oft genug eng.<br />

Aus Blende f/8 wird auf einmal Blende f/14<br />

bis f/16 – und da wird es dann mit verwacklungsfreien<br />

Fotos schon sehr schwierig.<br />

Ausblick vom Hochfelln, aufgenommen ohne Polfilter.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 184 mm<br />

Belichtung 1/160 s<br />

Blende<br />

f/5,0<br />

ISO 100<br />

Ausblick vom Hochfelln, aufgenommen mit Polfilter. Die beiden Aufnahmen<br />

wurden mit ESP-Belichtungsmessung im Abstand von 4 Sekunden<br />

gemacht. Man sieht auch an den unterschiedlichen Belichtungszeiten<br />

den starken Lichtverlust, den ein Polfilter verursacht.<br />

POLFILTER<br />

NACH KÄSEMANN<br />

Fahren Sie öfter ins Hochgebirge, ist<br />

die Anschaffung eines Polfilters nach<br />

Käsemann (Erfinder der Methode)<br />

interessant. Dabei geht es lediglich<br />

um einen speziellen Kitt, mit dem die<br />

beiden Glasplatten, zwischen denen<br />

die Polfilterfolie steckt, verklebt sind.<br />

Dieser Kitt ist widerstandsfähiger<br />

und sorgt vor allem bei feuchtem<br />

Klima für eine längere Lebens dauer<br />

des Polfilters. Obwohl die Luft im<br />

Hochgebirge meist weder warm noch<br />

feucht ist – in der Unterkunft ist oft<br />

genug dicke Luft.<br />

Egal welche Filter Sie einsetzen:<br />

Besorgen Sie sich eine eigene Filtertasche.<br />

Die Plastikboxen, in denen die<br />

Filter geliefert werden, sind definitiv<br />

nicht gebirgstauglich. Befestigen Sie<br />

diese Filtertasche mit einer Schnur<br />

an Ihrer Fototasche. Ein dummer<br />

Windstoß, und die teuren Filter liegen<br />

ein paar hundert Meter tiefer. Legen<br />

Sie für diese Filtertasche ruhig etwas<br />

Geld an – billige Filtertaschen dünsten<br />

Weichmacher aus, das tut weder dem<br />

Glas noch dem Fotografen gut.<br />

166


KAPITEL 3<br />

ATEM BERAUBENDES<br />

HOCHGEBIRGE<br />

Bildstabilisator oder besser mit Stativ?<br />

Über Stative gibt es ein paar weit verbreitete<br />

Vorurteile: Stative sind sperrig, schwer<br />

und bleiben doch meistens im Kofferraum.<br />

Und: Stative sind für gute Landschaftsaufnahmen<br />

unentbehrlich. Beides ist nicht<br />

ganz falsch. Ein Stativ erzwingt einen bewussteren<br />

Bildaufbau, was vor allem bei<br />

Landschaftsfotos dafür sorgt, dass man<br />

zweimal hinsieht, ob sich das Aufbauen des<br />

Stativs auch rentiert, ob man nicht einfach<br />

durch einen Wow-Ausblick nach langem<br />

Aufstieg geblendet wurde, ob man Vorder-,<br />

Mittel- und Hintergrund sauber arrangiert<br />

und ob man Hyperfokaldistanz und Schärfentiefe<br />

im Auge behalten hat. All dies ist<br />

auch freihändig möglich – aber das Stativ<br />

erzieht hier zu mehr Sorgfalt.<br />

Exkurs zum Thema Bildstabilisator<br />

Heute ist man geneigt, einen in der Kamera<br />

oder im Objektiv verbauten Bildstabilisator<br />

als Ersatz für ein Stativ zu sehen – dies ist<br />

jedoch ein Trugschluss. Um das zu verdeutlichen,<br />

muss etwas weiter ausgeholt<br />

werden. Zu Kleinbildzeiten galt bezüglich<br />

Verwacklungsgefahr folgende Regel: Die<br />

Belichtungszeit sollte maximal der Kehrwert<br />

der Brennweite sein. Bei einer Kleinbildbrennweite<br />

von 100 mm konnte man<br />

mit 1/100 Sekunde Belichtungszeit davon<br />

ausgehen, dass das Bild scharf wird. Diese<br />

Berechnung beruhte auf dem durchschnittlichen<br />

Drehwinkel, mit einer Bildauflösung<br />

von nicht mehr als 5 Megapixel und einem<br />

zulässigen Zerstreuungskreisdurchmesser<br />

von 1/1500 Sekunde der Bilddiagonale.<br />

Sehr viel mehr brachten die seinerzeit üblichen<br />

Objektive auch nicht auf den seinerzeit<br />

üblichen Film.<br />

Mittlerweile reden wir aber bei Digitalkameras<br />

über die dreifache Auflösung bei<br />

Sensoren, die gerade mal die Hälfte der Fläche<br />

eines Kleinbildfilms haben. Die zulässigen<br />

Zerstreuungskreisdurchmesser sind<br />

also deutlich geschrumpft, mithin auch der<br />

zulässige Verwacklungswinkel. In dieser<br />

Rechnung wird übrigens kein zusätzlicher<br />

Crop- oder Formatfaktor benötigt, da die<br />

Sensorgröße bereits in der Berechnung des<br />

Zerstreuungskreises enthalten ist.<br />

Also ist auch die Zeit, die benötigt wird, um<br />

ein Objektiv einer bestimmten Brennweite<br />

so ruhig zu halten, dass das Ergebnis tatsächlich<br />

scharf ist, deutlich reduziert. Ein<br />

500-mm-Objektiv (etwa das Sigma 50-<br />

500 mm) benötigt also an einer APS-C-<br />

Kamera mit 18 Megapixeln etwa 1/2000<br />

Sekunde – ebenso wie an einer FT-Kamera<br />

mit 12 Megapixeln. Interne Stabilisatoren<br />

SENSOR-<br />

FORMAT<br />

AUFLÖSUNG<br />

ZULÄSSIGER<br />

ZERSTREUUNGSKREIS<br />

ZEIT BEI 50 MM<br />

BRENNWEITE<br />

Kleinbild 5 MP 0,028 mm 1/50 s<br />

Kleinbild 20 MP 0,013 mm 1/125 s<br />

APS-C 10 MP 0,012 mm 1/125 s<br />

APS-C 18 MP 0,0086 mm 1/200 s<br />

FT/mFT 10 MP 0,0095 mm 1/200 s<br />

FT/mFT 14 MP 0,008 mm 1/250 s<br />

167


ALLHEILMITTEL<br />

BILDSTABILISATOR?<br />

Ein Bildstabilisator ist weder Allheilmittel<br />

noch Stativersatz, sondern<br />

lediglich eine technische Maßnahme,<br />

um die exorbitanten Auflösungen<br />

heutiger Sensoren und langen Brennweiten<br />

heutiger Objektive überhaupt<br />

beherrschbar zu halten. Das Sigma<br />

50-500 hat am langen Ende Blende<br />

6,3 und ist erst ab Blende 8 brauchbar<br />

scharf. Ohne Stabilisator hätte<br />

man recht selten die Möglichkeit, das<br />

Objektiv aus der Hand einzusetzen:<br />

Wann kann man schon Blende 8 und<br />

1/2000 Sekunde belichten?<br />

WASSERWAAGE<br />

Ausgesprochen nützlich im Gebirge<br />

ist eine Wasserwaage , entweder am<br />

Stativkopf, bereits in der Kamera<br />

eingebaut oder als Aufsteckwasserwaage<br />

für den Blitzschuh. Im Gebirge<br />

gibt es kaum Linien, von denen man<br />

mit Sicherheit sagen kann, dass sie<br />

senkrecht oder waagerecht seien.<br />

Eine Ausrichtung per Sucherbild<br />

kann demzufolge kläglich scheitern.<br />

Während das beim normalen Foto –<br />

eben weil man nicht hundertprozentig<br />

sagen kann, was gerade und was<br />

krumm ist – bisweilen nicht stört,<br />

ist spätestens dann, wenn man ein<br />

Panorama mit Panodrehteller machen<br />

will, eine exakte Ausrichtung extrem<br />

wichtig.<br />

können diese Zeiten wieder etwas entschärfen.<br />

Die Effektivität dieser Geräte wird<br />

vom Hersteller mit 3 bis 5 EV angegeben,<br />

aufgrund der eben dargestellten Problematik<br />

bleiben davon aber nur 1 bis 3 EV gegenüber<br />

den alten Verhältnissen übrig.<br />

Die Kamera sauber ausrichten<br />

Hier kommt das Stativ wieder ins Spiel.<br />

Dabei muss man noch nicht mal ultralange<br />

Brennweiten besitzen, auch bei Weitwinkelfotos<br />

ist das Stativ ausgesprochen hilfreich,<br />

um die Kamera sauber auszurichten,<br />

von Aufnahmen mit Selbstauslöser oder in<br />

der Dämmerung ganz zu schweigen.<br />

Die einfachste und leichteste Methode für<br />

ein Stativ ist natürlich ein Wanderstock mit<br />

Stativgewinde, wie sie Leki vertreibt. Von<br />

der Methode, einfach mit dem Schweißgerät<br />

eine Stativschraube auf einen Eispickel<br />

aufzubraten, ist dagegen abzuraten – der<br />

Schweißpunkt ist eine Sollbruchstelle, und<br />

eine gebrochene Schaufel eines Eispickels<br />

kann tödlich sein. Die nächste Möglichkeit<br />

sind Klemmen mit Stativschrauben, wie sie<br />

etwa von Manfrotto oder Cullmann angeboten<br />

werden. Diese wiegen aber auch ein<br />

gutes Pfund und wollen geschleppt werden.<br />

In der Gewichtsklasse gibt es jedoch bereits<br />

Carboneinbeine von Velbon, und selbst Dreibeine<br />

liegen noch unter einem Kilogramm.<br />

Unterschätzt wird gern das Gewicht eines<br />

anständigen Kopfs. Ob es nun ein Dreiwegeneiger<br />

oder ein Kugelkopf sein soll, ist<br />

Geschmackssache, aber gute Stativköpfe,<br />

die nicht nur das Gewicht einer DSLR-Kamera<br />

aushalten, sondern auch ohne zu verrutschen<br />

und nachzusacken klemmen, kosten<br />

etwas Geld und wiegen. Sehr brauchbar<br />

und mit 420 g noch tragbar ist der Triopo<br />

B2. Der B3 aus gleichem Hause ist dann<br />

mehr was für die ganz langen Tüten – er<br />

wiegt schon fast 600 g.<br />

168


KAPITEL 3<br />

ATEM BERAUBENDES<br />

HOCHGEBIRGE<br />

Das Quadropod von Novoflex.<br />

Vor allem in unebenem Gelände<br />

und mit schweren Objektiven<br />

weist er ein deutliches Plus<br />

an Stabilität auf. Die Beine<br />

gibt es in unterschiedlichsten<br />

Ausführungen: mit drei oder<br />

vier Segmenten, aus Alu oder<br />

Carbon und sogar mit Handgriffen<br />

als Wanderstöcke. Alle<br />

sind gleichzeitig auch als Einbein<br />

verwendbar. Doch Flexibilität<br />

und Stabilität kosten Gewicht:<br />

Das abgebildete Stativ wiegt fast<br />

3 kg, vier Wanderstöcke und die<br />

benötigte Grundplatte bleiben<br />

nur knapp unter 2 kg.<br />

169


Wenn es ins Gebirge geht, kommt man<br />

heute fast nicht mehr um ein Carbonstativ<br />

herum. Die High-Tech-Gerätschaften werden<br />

langsam bezahlbar, man sollte aber auf<br />

keinen Fall zu irgendwelchen No-Names<br />

greifen, sondern sich auf Markenware verlassen<br />

– wobei der Begriff Marke durchaus<br />

dehnbar zu handhaben ist. Es muss nicht<br />

immer Gitzo sein, Novoflex hat mit seinem<br />

zerlegbaren Vierbein eine extrem stabile<br />

Lösung im Angebot, Velbon bietet mittlerweile<br />

schon Klassiker, Benro holt auf,<br />

und von Manfrotto gibt es Stative in unterschiedlichen<br />

Preislagen.<br />

Bildbeurteilung mit Live-View<br />

Der große Vorteil von Live-View (Livebild)<br />

in der Wand und überhaupt im Gebirge ist,<br />

dass man zum Fotografieren nicht durch<br />

den Sucher sehen muss, auch wenn man<br />

den Nachteil in Kauf nehmen muss, dass<br />

man das Bild auf dem Display bei knalliger<br />

Sonne nur schlecht erkennen kann. In<br />

Wirklichkeit ist das eigentlich ein alter Hut –<br />

schon die ganz alten Spiegelreflexkameras<br />

hatten Lichtschachtsucher, die man nicht<br />

ans Auge halten musste.<br />

Live-View ist im Prinzip eine wunderbare<br />

Erfindung, hat aber, wenn es auf schnelle<br />

Reaktionen ankommt – etwa beim Fotografieren<br />

eines Adlers im Flug – einen wesentlichen<br />

Nachteil: Derzeit haben alle Live-<br />

View-Anzeigen noch eine Verzögerung von<br />

mindesten 1/10 Sekunde. Dabei geht es<br />

nicht um die Auslöseverzögerung, sondern<br />

darum, dass das Bild auf dem Display mit<br />

einer Verzögerung von ca. 1/10 Sekunde<br />

angezeigt wird. Man muss also wie in alten<br />

Zeiten zweiäugig fotografieren: mit einem<br />

Auge grob die Kamera in Position halten,<br />

mit dem anderen Auge die Szene beobachten<br />

und den richtigen Zeitpunkt abpassen.<br />

Zu starke Sonneneinwirkung<br />

Bei der Fotografie mit Live-View können Sie<br />

auf dem Display der Kamera sofort beurteilen,<br />

ob das Bild etwas geworden ist. Leider<br />

scheitert das im Gebirge häufig genug<br />

daran, dass man aufgrund der starken Sonneneinwirkung<br />

auf dem Display nicht viel<br />

erkennt. Da hilft keine starke Sonnenbrille,<br />

sondern nur direkter Schatten. Für alle, die<br />

keine der neuen spiegellosen Systemkameras<br />

mit elektronischem Sucher haben, bei<br />

denen die Bildkontrolle in bester Qualität<br />

auch bei hellstem Sonnenschein möglich<br />

ist, stellt die einfachste Möglichkeit eine<br />

Baseballkappe mit großem Schirm oder ein<br />

breitkrempiger Hut dar. Während Baseballkappen<br />

beim Fotografieren im Hochformat<br />

oft stören, sind Hüte mit jedem Format und<br />

auch mit Batteriegriff kompatibel, zudem<br />

schützen sie auch nebenbei den Nacken<br />

des Fotografen vor Sonnenbrand. Modische<br />

Ansprüche sollte man allerdings an<br />

derlei Kopfbedeckungen nicht stellen – sie<br />

sind reine Zweckaccessoires.<br />

Verfälschte Farbdarstellung<br />

auf dem Display<br />

Ein weiteres Problem sind oft die verfälschenden<br />

Farben der Kameradisplays. Die<br />

wenigsten Displays haben überhaupt die<br />

Möglichkeit, alle Farben darzustellen, die<br />

die Kamera aufnehmen kann. Vor allem im<br />

Bereich Lila haben viele Displays eklatante<br />

Schwächen. Bisweilen gaukeln Displays<br />

auch eine korrekte Belichtung vor, weil der<br />

interne Bildprozessor bestrebt ist, aus dem<br />

Material ein in allen Details durchgezeichnetes<br />

Bild zu produzieren. Sieht man sich<br />

dann die Bilder am kalibrierten Monitor an,<br />

sind die Bilder krass unterbelichtet. Wieder<br />

andere Displays haben eine reflektierende<br />

Folie im Displayhintergrund, die den<br />

170


KAPITEL 3<br />

ATEM BERAUBENDES<br />

HOCHGEBIRGE<br />

Strombedarf des Displays minimieren soll<br />

und das Umgebungslicht zur Steigerung<br />

der Helligkeit und des Kontrasts nutzt. Eine<br />

gut gemeinte Erfindung, die aber eine Beurteilung<br />

des Bilds weiter erschwert. Eine<br />

ernsthafte Beurteilung des Bilds ist meist<br />

nur mittels des Histogramms möglich.<br />

Beurteilung der Bildschärfe<br />

Auch die Bildschärfe zu beurteilen, erfordert<br />

Erfahrung. Die meisten Kameras bieten zwar<br />

die Möglichkeit, ins Bild hineinzuzoomen,<br />

zeigen dabei aber unter Umständen nicht das<br />

komplette Bild, sondern aus Performancegründen<br />

nur ein geringer aufgelöstes Vorschaubild.<br />

Andere zoomen weiter, als selbst<br />

das voll aufgelöste Bild überhaupt hergibt,<br />

sprich, sie zoomen bis zur 200-%-Ansicht,<br />

und bei dieser wirken auch knackscharfe<br />

Bilder bisweilen etwas matschig. Die Regel<br />

ist also: unterwegs niemals Bilder löschen,<br />

außer sie sind wirklich zweifelsfrei misslungen.<br />

Speicherkarten sind mittlerweile so<br />

klein und billig, dass es daran nicht scheitern<br />

sollte. Achten Sie allerdings darauf, Ihre Speicherkartentasche<br />

sicher an Ihrer Fototasche<br />

zu befestigen. Einige Hersteller haben dafür<br />

eigene kleine Karabiner vorgesehen.<br />

Bildgestaltung oberhalb<br />

der Baumgrenze<br />

Die Berge sind ein Eldorado für Motive aller<br />

Art. In den Bergen gibt es fast alles,<br />

Höhlen, Wasserfälle und mehr – von der<br />

Tierfotografie bis zu Makros. Und genau<br />

das ist die Gefahr: Zu gern knipst man wild<br />

in der Gegend herum im Bemühen, all die<br />

wundervollen Eindrücke festzuhalten. Die<br />

Fotos werden dadurch beliebig und sorgen<br />

beim Betrachter nur noch für ein Gähnen.<br />

Selbst wenn man in mühsamer Arbeit über<br />

jeden der Felszacken des Panoramas, die<br />

Gipfel und deren Höhe schreibt – wer nicht<br />

selbst dort oben gewesen ist, verschwitzt,<br />

erschöpft, glücklich, der begreift die Faszination<br />

des „Summits“ nicht. Gute Bergfotos<br />

müssen also weg vom rein dokumentarischen<br />

und hin zum gestalteten Bild.<br />

An erster Stelle steht die Bildidee<br />

Ein Berg ist zuerst immer ein emotionsloser<br />

Steinhaufen, ein Tal ist einfach der Raum<br />

zwischen zwei Steinhaufen. Berge sind per<br />

se weder schön noch hässlich, sie sind einfach<br />

nur da. Ein gutes Bild lichtet nun also<br />

nicht einfach nur die Existenz des Bergs<br />

als solchen ab, sondern versucht, Assoziationen<br />

zu wecken. Nur einfach die beeindruckende<br />

Aussicht auf das Matterhorn zu<br />

fotografieren, reicht heute nicht mehr. Ihr<br />

erster Schritt zu einem guten Foto muss<br />

immer die Bildidee sein. Prinzipiell gibt es<br />

zwei verschiedene Arten der Bergfotografie:<br />

Landschaftsfotografie und Fotos von<br />

Menschen in Interaktion mit dem Berg.<br />

Tourenplanung mit iPhone und iPad<br />

Der Vorteil der reinen Landschaftsfotografie<br />

ist, dass sie mittlerweile vergleichsweise<br />

gut planbar ist. Mit Programmen wie<br />

„The Photographers Ephemeris“ können<br />

Sie problemlos bereits auf dem heimischen<br />

Sofa auskundschaften, wo Sie wann stehen<br />

müssen, um eine bestimmte Bergwand im<br />

Morgenlicht zu erwischen. Google Earth<br />

kann da sogar bei der Motivauswahl helfen.<br />

Haben Sie keine Skrupel, mit technischen<br />

Hilfsmitteln Sonnenwinkel zu bestimmen<br />

und Fotos zu planen – versuchen Sie es.<br />

Verlassen Sie sich nicht auf das Prinzip<br />

Hoffnung. Selbstverständlich können Sie<br />

171


Mit der TPE-App,<br />

erhältlich im Apple<br />

App Store, kann man<br />

im Vorfeld sehr genau<br />

die Höhe eines Bergs,<br />

die Position der Sonne,<br />

des Monds und andere<br />

Parameter bestimmen.<br />

Die Google-Bezeichnungen<br />

der Berggipfel<br />

müssen nicht mit<br />

denen in Ihrer eigenen<br />

Karte übereinstimmen,<br />

Schreibweisen differieren<br />

sowieso häufig.<br />

Hier sieht man, wann<br />

die Sonne vom Ufer<br />

des Oeschinensees<br />

aus genau hinter dem<br />

Blümlisalphorn steht<br />

– am 21. April, kurz<br />

nach 9 Uhr. Mehr zu<br />

TPE erfahren Sie unter<br />

http://photoephemeris.com.<br />

172


KAPITEL 3<br />

ATEM BERAUBENDES<br />

HOCHGEBIRGE<br />

auch einfach auf den Berg steigen und dort<br />

Panorama fotografieren. Aber berücksichtigen<br />

Sie dabei: Um den Mount Everest zu<br />

fotografieren, müssen Sie auf den Nuptse<br />

– 7.861 m, Erstbesteigung erst acht Jahre<br />

nach dem Mount Everest – steigen. Das<br />

Matterhorn sieht vom Matterhorn aus<br />

ziemlich langweilig aus, und wenn man von<br />

der Eigernordwand aus fotografiert, muss<br />

man das dazuschreiben, damit es spektakulär<br />

rüberkommt.<br />

Der Beweis: das Gipfelfoto<br />

Das Gipfelfoto ist im Allgemeinen der Beweis,<br />

dass man oben war. Also reicht es, die<br />

Kamera am ausgestreckten Arm mit möglichst<br />

kurzer Brennweite in Richtung der<br />

eigenen Nase zu halten und abzudrücken,<br />

sinnvollerweise entweder mit einer Kompaktkamera,<br />

bei der der größte Teil des<br />

Bilds scharf ist, oder eben mit einer Systemoder<br />

Spiegelreflexkamera mit möglichst<br />

weit geschlossener Blende. Der künstlerische<br />

Wert solcher Fotos ist eher begrenzt,<br />

besser wird es, wenn man zu zweit ist.<br />

Dann kann der andere ein paar Schritte<br />

zurücktreten und den Gipfelstürmer in den<br />

Goldenen Schnitt oder auf eine Drittellinie<br />

setzen – die Beweiskraft des Bilds bleibt erhalten,<br />

aber man hängt sich das Foto auch<br />

mal an die Wand.<br />

Eindrucksvolle Bergpanoramen<br />

Panoramafotografie im Gebirge ist eigentlich<br />

eine recht einfache Sache, solange man<br />

es schlicht macht. Sollen aber Vordergrund,<br />

Mittelgrund und Hintergrund mit aufs Bild<br />

oder soll es gar ein Kugelpanorama werden,<br />

wird es schwierig, und man benötigt einen<br />

Panoramawinkel . Panoramen mit Vordergrund-Mittelgrund-Hintergrund-Aufbau<br />

sind ein komplexe Angelegenheit. Wenn Sie<br />

Auch zu analogen Zeiten war die Kamera immer dabei. Der Beweis:<br />

Gipfelfoto vom Aufstieg auf den Watzmann aus den frühen Fünfzigern.<br />

173


das Panorama nicht mit Brennweiten jenseits<br />

der 100 mm machen wollen, kommen<br />

Sie ohne Panoramawinkel nicht aus, denn<br />

sonst besteht die Gefahr von Parallaxenfehlern.<br />

Bei einem Parallaxenfehler stimmt der<br />

Bildausschnitt im Sucher der Kamera nicht<br />

mit dem von der Kamera aufgenommenen<br />

Bild überein. Beim Zusammenbau der Einzelbilder<br />

zu einem Panorama sieht man dann<br />

vereinzelt geisterhafte Artefakte, die in der<br />

Regel nur durch manuelle Retusche in der<br />

Bildbearbeitung behoben werden können.<br />

Es gibt hier jede Menge Konstruktionen, aber<br />

nur wenige sind von Gewicht und Packmaß<br />

her hochgebirgstauglich. Der beste Kompromiss<br />

ist immer noch der Nodal Ninja 3, dessen<br />

Wasserwaage leidlich genau ist und der<br />

für viele einfachere Kameras und Objektive<br />

ausreicht. Wichtig ist, dass der Nodalpunkt<br />

des Objektivs bzw. der Drehpunkt bei der geplanten<br />

Brennweite nicht weiter als 108 mm<br />

hinter dem Drehpunkt liegt. Der Verstellweg<br />

des Nodal Ninja 3 geht nur bis zu dieser<br />

Marke. Falls Sie eine Kamera haben, deren<br />

Stativschraube nicht in der optischen Achse<br />

liegt, benötigen Sie noch ein T-Stück, damit<br />

Sie die Kamera korrekt am Panoramawinkel<br />

befestigen können. Für Kameras mit fest<br />

montiertem Batteriegriff ist der Nodal Ninja 3<br />

auf jeden Fall zu klein.<br />

Gute Panoramen sind außerordentlich aufwendig,<br />

und wenn Sie erst nach mehreren<br />

Stunden am Computer feststellen, dass der<br />

Fehler einfach nicht korrigierbar ist, ist es zu<br />

spät, das Panorama zu wiederholen. Auch<br />

bei Panoramen rentiert es sich, Regeln zum<br />

Bildaufbau zu beachten. Idealerweise ist ein<br />

Panorama nicht einfach ein Rundblick, sondern<br />

tatsächlich ein durchkomponiertes Bild.<br />

Personen vor grandioser Kulisse<br />

Oft wird die grandiose Natur der Berge nur<br />

als Kulisse für Werbefotos verwandt. Bisweilen<br />

handelt es sich dabei auch tatsächlich<br />

aus Kostengründen nur um Kulissen,<br />

sprich Studioaufnahmen mit nachträglich<br />

eingefügtem Hintergrund. Doch auch Bilder,<br />

die vor Ort entstehen, haben häufig genug<br />

Studiocharakter. Da wird mit mobilen<br />

Blitzanlagen und großformatigen Reflektoren<br />

perfekt ausgeleuchtet, die Modelle<br />

sind geradezu antiseptisch, und die letzten<br />

Hier ein Manfrotto-<br />

144B-Stativ mit<br />

Manfrotto-141RC-Dreiwegeneiger,<br />

darauf ein<br />

NN3-Panoramawinkel<br />

mit einer Olympus E-3<br />

und 8-mm-Fisheye.<br />

Gewicht von Stativ und<br />

Kopf 3,5 kg, Gewicht<br />

des Panorama winkels<br />

0,5 kg. Standort:<br />

Hochfelln bei Inversions<br />

wetterlage.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 28 mm<br />

Belichtung 1/250 s<br />

Blende<br />

f/7,1<br />

ISO 100<br />

174


KAPITEL 3<br />

ATEM BERAUBENDES<br />

HOCHGEBIRGE<br />

Fehler werden dann noch mit Photoshop<br />

hinfortgebügelt. Mit <strong>Extremfotografie</strong> hat<br />

das nicht viel zu tun – das Einzige, was hierbei<br />

extrem ist, ist der Aufwand, der dabei<br />

getrieben wird. Ein Klassiker ist der Snowboarder,<br />

fliegenderweise im Gegenlicht<br />

aufgenommen, meist noch mit dezentem<br />

Aufhellblitz. Eines der besten Bilder der<br />

letzten Jahre in der Sparte Bergwerbung ist<br />

die 2011er-Kampagne der Firma Mammut,<br />

für die 20 Kletterer zwei Stunden lang in<br />

luftiger Höhe am Seil hingen, von unten mit<br />

einem Weitwinkel fotografiert.<br />

Für den Hobbyisten ist ein solcher Aufwand<br />

natürlich nicht möglich. Kaum jemand kann<br />

es sich leisten, nur für ein einziges Foto einen<br />

Reisebus voller Leute und Equipment<br />

ins Gebirge zu schaffen. Für den ambitionierten<br />

Fotografen geht es darum, einzelne<br />

Personen in der Natursituation abzulichten,<br />

ob nun in sportlicher Aktion an der Wand,<br />

im Schnee oder auch nur in Bewunderung<br />

des Ausblicks. Wesentlich dabei ist, wie<br />

bei allen Bildern, der konsequente Aufbau.<br />

Beeindruckende Bergfotos sind selten<br />

Schnappschüsse.<br />

Setzen Sie Ihre Kamera auf Serienbild und<br />

stellen Sie auf jeden Fall die Belichtung und<br />

die Schärfe vorher ein. Achten Sie darauf,<br />

dass der Skifahrer nicht schwarz gekleidet<br />

ist, da die Kontraste die meisten Kameras<br />

überfordern. Wenn irgend möglich, lassen<br />

Sie den Skifahrer vorher direkt vor Ihnen<br />

posieren, oder halten Sie zumindest an<br />

gleicher Stelle eine Skijacke gleicher Farbe<br />

vor die Kamera, im Extremfall eben an<br />

einer langen Stange, falls Sie den Schnee<br />

nicht zusammentreten wollen. Auf diesen<br />

„Dummy“ stellen Sie Licht und Fokus ein, fixieren<br />

die Einstellungen und warten auf den<br />

Tourenskifahrer am<br />

äußeren Fisistock.<br />

Trotz großer Entfernung<br />

und spätem<br />

Vormittag glasklares<br />

Wetter über dem<br />

Schnee.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 1.000 mm<br />

Belichtung 1/1250 s<br />

Blende<br />

f/7,1<br />

ISO 100<br />

Skifahrer während der rasanten Abfahrt<br />

Skifahrer sind noch relativ einfach. Ein Skifahrer<br />

ist von Natur aus in Bewegung, man<br />

muss nur dafür sorgen, dass diese Bewegung<br />

sichtbar wird – da trifft sich staubender<br />

Schnee mit schrägem Lichteinfall<br />

hervorragend. Am rasantesten wird der<br />

vorbeifahrende Brettlartist mit einem Ultraweitwinkel.<br />

Mit etwas mehr Aufwand,<br />

nämlich einem guten Reflektor samt gutem<br />

Assistenten, wird der Fahrer bei der Vorbeifahrt<br />

dezent aufgehellt.<br />

175


AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 260 mm<br />

Belichtung 1/100 s<br />

Blende<br />

f/3,0<br />

ISO 100<br />

als abgeschnittene Körperteile. Auch sollte<br />

man immer darauf achten, dass der Hintergrund<br />

bzw. der Horizont mit abgelichtet<br />

wird. Erst durch den Hintergrund kann<br />

das Bild eingeordnet und verortet werden.<br />

Ohne eine Bergkette im Hintergrund könnte<br />

das Foto auch einfach in einer Indoorskihalle<br />

gemacht worden sein – unspannend. Erst<br />

durch Himmel und Berge wird der Sportler<br />

mit Freiheit, frischer Luft und Hochleistungssport<br />

verbunden – auch wenn er per<br />

Helikopter auf die Piste gebracht wurde.<br />

Kletterer an der<br />

Mittelbergwand im<br />

Fränkischen Jura.<br />

Skifahrer. Serienbild in höchster Geschwindigkeit<br />

ist selbstverständlich, achten Sie auf<br />

eine schnelle Speicherkarte, frische Akkus<br />

und darauf, dass Sie nicht zu früh auslösen,<br />

weil dann der Puffer der Kamera unter Umständen<br />

voll ist und die Serienbildrate einbricht.<br />

Eine weitere häufige Fehlerquelle bei derlei<br />

Fotos ist, dass man zu wenig Luft am Rand<br />

einplant. Es kann passieren, dass der Skifahrer<br />

einen Kick näher kommt, als man<br />

das gedacht hatte, dass ein Skistecken auf<br />

einmal in die Luft ragt oder ein Schal zu<br />

weit zur Seite weht. Also lieber mehr Luft<br />

Kletterer in der Wand<br />

Der zweite Klassiker des Bergsports ist der<br />

Kletterer in der Wand. Es gibt dabei mehrere<br />

Möglichkeiten: Sie können den Kletterer<br />

mit dem langen Tele aufs Korn nehmen oder<br />

ganz nah mit dem Ultraweitwinkel. Das Telefoto<br />

hat erst einmal den großen Vorteil,<br />

dass Sie oft aus recht bequemer Warte auf<br />

den Schuss warten können. Zudem stellt<br />

die geringe Schärfentiefe den Kletterer<br />

frei, und Sie können ziemlich unabhängig<br />

vom Hintergrund Ihre Bilder machen. Die<br />

Verortung des Kletterers im Umfeld fällt<br />

dann natürlich schwerer. Ein Foto mit langer<br />

Brennweite hat demzufolge oft eher einen<br />

sportlichen Charakter, es wird auf die Kletterleistung<br />

fokussiert.<br />

Beim Ultraweitwinkel oder gar beim Fisheye<br />

hat man das Umfeld mehr oder weniger<br />

mit drauf und kann mit etwas Geschick sehr<br />

spektakulär tricksen. Wände ragen auf einmal<br />

schier unendlich in den Himmel, Schatten<br />

verlaufen im Bild in mehrere Richtungen<br />

– vor allem bei einem 180°-Fisheye ein<br />

ausgesprochen spektakulärer Effekt –, und<br />

aus einer unspannenden Felswand wird ein<br />

überhängendes Monster.<br />

176


AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 16 mm<br />

Belichtung 1/800 s<br />

Blende<br />

f/7,1<br />

ISO 200<br />

KAPITEL 3<br />

ATEM BERAUBENDES<br />

HOCHGEBIRGE<br />

Vorstieg an der Bunderspitz, im Hintergrund das Steghorn und der Ueschinegrat. Aufgenommen mit einem Fisheye.<br />

Und hier das Making-of dazu.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 130 mm<br />

Belichtung 1/800 s<br />

Blende<br />

f/9,0<br />

ISO 400<br />

177


Rechts oben: Gasteretal,<br />

im Hintergrund die Altels.<br />

Der Klassiker: Almwiese<br />

mit blau-weißem Himmel<br />

und Dreitausender im<br />

Hintergrund. Trotz kurzer<br />

Brennweite reicht die<br />

Schärfe nicht fürs ganze<br />

Bild.<br />

Unten: Route de la Forclax<br />

nach Martigny, Mitte<br />

rechts La Crevasse, im<br />

Hintergrund die Walliser<br />

Alpen. Fotografiert mit<br />

nach oben gekipptem<br />

Fisheye und auf 16:9<br />

beschnitten.<br />

Rechts unten: Gleicher<br />

Standpunkt, nur nach<br />

unten gekippt und beschnitten.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 16 mm<br />

Belichtung 1/800 s<br />

Blende<br />

f/5,0<br />

ISO 100<br />

Der Nachteil des Ultraweitwinkels ist, dass<br />

man mitsamt der Kamera ganz nah am<br />

Geschehen sein muss – sprich, man ist mit<br />

dem Kletterer auf Tuchfühlung, was bedeutet,<br />

dass man genau neben ihm in der Wand<br />

hängt, jedoch mit dem Unterschied, dass<br />

der Kletterer beide Hände frei hat, der Fotograf<br />

keine. Zudem muss man grundsätzlich<br />

gegen die Sonne fotografieren, weil man<br />

sonst den eigenen Schatten im Bild hat.<br />

Klärung der Größenverhältnisse<br />

Wer aus der Erfahrung mit dem Fotografieren<br />

im urbanen Umfeld gewohnt ist, Ultraweitwinkel<br />

immer exakt gerade zu halten,<br />

muss sich im Gebirge umgewöhnen. Durch<br />

ein geneigtes Fisheye kann man Täler tiefer<br />

oder flacher machen, dramatische Wolken<br />

zaubern und steilste Bergwände erschaffen.<br />

Mit einem 14 mm auskorrigierten Weitwinkel<br />

können Sie eine Person, die auf einem<br />

eher unspektakulären Felsen steht, zu einem<br />

todesmutigen Bergsteiger machen,<br />

der über der Weite des Abgrunds posiert.<br />

MAGNESIA:<br />

FÜR FOTOGRAFEN TABU<br />

Magnesia ist unter Kletterern umstritten,<br />

für Fotografen eigentlich<br />

tabu – auch wenn der Magnesiabeutel<br />

natürlich beim abzulichtenden<br />

Kletterer einen sehr professionellen<br />

Eindruck macht und man den Beutel<br />

selbst auch wunderbar dafür verwenden<br />

kann, eine kleine Kamera darin<br />

zu verstauen. Die weißen Spuren im<br />

Fels sind aber optisch alles andere als<br />

attraktiv, Magnesiapulver hat in der<br />

Nähe von Kameras nichts zu suchen,<br />

und auch aus Umweltschutzgründen<br />

– außer in reinem Kalk – ist Magnesia<br />

abzulehnen, da der Fels zersetzt<br />

werden kann. In einigen Gebieten ist<br />

der Gebrauch von Magnesia generell<br />

untersagt.<br />

178


AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 18 mm<br />

Belichtung 1/400 s<br />

Blende<br />

f/9,0<br />

ISO 200<br />

KAPITEL 3<br />

ATEM BERAUBENDES<br />

HOCHGEBIRGE<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 16 mm<br />

Belichtung 1/400 s<br />

Blende<br />

f/5,0<br />

ISO 100<br />

179


AUFNAHMEDATEN<br />

Dia<br />

analog<br />

Brennweite 50 mm<br />

Platzieren Sie einfach den Felsklotz in die<br />

Mitte des Bilds und sorgen Sie dafür, dass<br />

rechts und links hauptsächlich Abgrund zu<br />

sehen ist. Die winzigen Berge im Hintergrund<br />

machen die Felsnase zwangsläufig zu<br />

einer Art Supergipfel.<br />

Was jeden Bergsteiger im Hochgebirge fertigmacht,<br />

ist die schiere Unmöglichkeit, Entfernungen<br />

realistisch einzuschätzen, weil<br />

Fixpunkte bekannter Größe fehlen – bei der<br />

Fotografie mit Ultraweitwinkel ist das aber<br />

äußerst praktisch. Es gibt keine geraden Linien,<br />

es gibt keine klaren Bezugspunkte. Sie<br />

können mit der Verzerrung der Linsen und<br />

dem Gehirn des Betrachters Fangen spielen.<br />

Erste Regel also: Setzen Sie bei der kurzen<br />

Brennweite immer etwas in den Vordergrund,<br />

das die Größenverhältnisse klärt. Die<br />

harmlose Variante sind Bergblumen, aber<br />

prinzipiell können Sie alles dafür hernehmen.<br />

Beachten Sie: Wenn der Betrachter das<br />

Vordergrundmotiv nicht kennt und von der<br />

Größe her nicht einschätzen kann, haben<br />

Sie freie Bahn, surreale Berglandschaften zu<br />

schaffen.<br />

Schattenrisse vor grandiosem<br />

Hintergrund<br />

Weniger spektakulär, aber sehr bewegend,<br />

können Bilder sein, bei denen Menschen<br />

auf eine Natursituation reagieren. Das<br />

muss nicht notwendigerweise ein starker,<br />

emotionaler Ausdruck sein, auch leise Töne<br />

sind gut – und man muss dabei nicht einmal<br />

das Gesicht der Person sehen, auch ein<br />

Schattenriss kann Emotion durch Körperhaltung<br />

ausdrücken. Wichtig ist, dass dabei<br />

die Natur, auf die reagiert wird, mit abgebildet<br />

wird.<br />

Immer wieder gut kommen natürlich auch<br />

Fotos während der Pause. Ob nun der erschöpfte<br />

Hochtourengeher, der Kletterer<br />

beim Sichten seiner Ausrüstung oder das<br />

erleuchtete Zelt vor grandioser Kulisse –<br />

auch hier gilt: immer das Gebirge im Hintergrund<br />

mit einbinden. Weitwinkelobjektive<br />

sind das Mittel der Wahl. Hat man gerade<br />

keine grandiose Kulisse im Hintergrund, tut<br />

es auch einfach der Abendhimmel.<br />

180<br />

Abendlicher Aufstieg zum Riemannhaus im Steinernen<br />

Meer. Im Hintergrund die Kitzbüheler Alpen.


KAPITEL 3<br />

ATEM BERAUBENDES<br />

HOCHGEBIRGE<br />

Halt! Blitzlicht im Gebirge?<br />

In den meisten Fällen bedeutet ein Systemblitz<br />

einfach nur zusätzliches Gewicht. Für<br />

die Landschaftsfotografie ist er in der Regel<br />

entbehrlich und für die Dokumentation<br />

des Gipfelerfolgs auch eher suboptimal. Für<br />

Makros ist der aufgesteckte Systemblitz<br />

ebenfalls nur mit etwas Aufwand verwendbar,<br />

sodass sich der Einsatz des Blitzes<br />

dann eher für die Dokumentation des Hüttenabends<br />

oder des Biwaks eignet – hier<br />

ist aber meist der eingebaute Blitz ausreichend,<br />

der auch deutlich weniger aufträgt.<br />

Zudem ist eines der größten Probleme der<br />

Systemblitze die offenen elektrischen Kontakte,<br />

die witterungsempfindlich sind. Auch<br />

toben sich in Systemblitzen bis zu 330 Volt<br />

aus, in älteren Geräten sogar noch höhere<br />

Spannungen. Die Geräte sind also prinzipiell<br />

feuchtigkeitsempfindlich.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 82 mm<br />

Belichtung 1/80 s<br />

Blende<br />

f/3,3<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 56 mm<br />

Belichtung 1/500 s<br />

Blende<br />

f/3,1<br />

ISO 200<br />

ISO 200 Eingesetzt werden können Blitze bei Sportaufnahmen<br />

und als Aufhellblitze. Speziell<br />

bei Sportaufnahmen etwa mit stiebendem<br />

Schnee sollten Sie aber darauf achten, die<br />

Blitze entfesselt zu betreiben – staubender<br />

Pulverschnee frontal geblitzt wirkt flach.<br />

Die Lösung sind kleine Funkauslöser, bei<br />

denen der Sender über den Mittenkontakt<br />

des Blitzschuhs betrieben wird. Bei den von<br />

den meisten Kameraherstellern propagierten<br />

Remotesystemen handelt es sich zwar<br />

um sehr komfortable TTL-Systeme, das<br />

Problem ist aber, dass zur Steuerung der kamerainterne<br />

Blitz verwendet wird, was die<br />

Reichweite der Steuerung vor allem im Freien<br />

stark verringert und auch voraussetzt,<br />

Abendstimmung<br />

am Camp.<br />

181


AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 62 mm<br />

Belichtung 0,5 s<br />

Blende<br />

f/11,0<br />

ISO 100<br />

dass die Blitze in einem gewissen Winkel<br />

vor der Kamera aufgebaut sind. Funkauslöser<br />

sind da deutlich flexibler und auch gegen<br />

versehentliche Abschattungen durch Motiv,<br />

Schnee oder das Objektiv unempfindlich.<br />

Eine weitere Verwendung für Remoteblitze<br />

ist die Simulation abendlich erleuchteter<br />

Zelte, wie sie auf dem 2011er-Tatonka-Katalog<br />

vorne abgebildet sind. Um vor Abendhimmel<br />

ein erleuchtetes Zelt zu bekommen,<br />

benötigt man nicht etwa eine Zeltlampe –<br />

diese ergibt bestenfalls einen hellen Fleck –,<br />

sondern einen veritablen Systemblitz.<br />

In diesem Fall wurde die Blende stark geschlossen, um die Belichtungszeit zu<br />

verlängern – der Blitz wurde nicht über Funk ausgelöst, sondern über Zuruf von<br />

einem im Zelt befindlichen Helfer. Der Blitz war ein Metz 54 mit voller Leistung.<br />

Mit Funkauslöser hätte man die Blende wesentlich weiter öffnen können, was<br />

das Zelt heller gemacht hätte.<br />

Plattkofel in den Dolomiten, Tiefblick am Oscar-Schuster-Weg. Ohne die drei<br />

verlorenen Bergsteiger als Blickfang würde das Bild die Situation nicht vermitteln.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Dia<br />

analog<br />

Brennweite 50 mm<br />

Stürzende Linien auch im Gebirge<br />

Was im urbanen Umfeld gilt – dass senkrechte<br />

Linien nur dann als senkrecht abgebildet<br />

werden, wenn die Kamera gerade<br />

gehalten wird –, gilt selbstverständlich auch<br />

im Gebirge. Nur mit dem kleinen Unterschied,<br />

dass es im Hochgebirge außer Bäumen<br />

und gelegentlichen Hütten nichts gibt,<br />

was der unbefangene Betrachter spontan<br />

als „senkrecht“ identifiziert.<br />

Der Fotograf kann also mit der Perspektive<br />

spielen – Wände steiler machen, Täler<br />

tiefer, Überhänge gefährlicher. Bei einem<br />

Haus ist jedem klar, dass es nicht nach hinten<br />

oder vorne kippt. Bei einer Felswand<br />

trifft das nicht zu. Die im Gebirge gern<br />

verwendeten Weitwinkelobjektive können<br />

den Himmel dramatisieren und weite Täler<br />

zusammenschrumpfen lassen. Letzterer Effekt<br />

resultiert daraus, dass die Hänge links<br />

und rechts des Tals, die bei normaler Sicht<br />

außerhalb des Bildfelds liegen, auf einmal<br />

mit drauf sind. Der Raumeindruck wird dadurch<br />

nicht größer, wie es etwa bei Bildern<br />

von Inneneinrichtungen der Fall ist, sondern<br />

enger.<br />

182


KAPITEL 3<br />

ATEM BERAUBENDES<br />

HOCHGEBIRGE<br />

Ganz brutal ist der Fisheye-Effekt . Durch<br />

das Fehlen einer klaren Horizontlinie kann<br />

man das Fisheye sehr stark neigen, bevor<br />

die Krümmung am oberen Bildrand auffällt<br />

– man kann also das Tal sehr stark vertiefen<br />

und steile Wände zaubern, wo vorher nur<br />

harmlose Hänge waren. Im urbanen Umfeld<br />

fällt jede Abweichung eines Weitwinkels<br />

von der Horizontalen sofort auf – im Gebirge<br />

nicht. Wenn man zusätzlich noch darauf<br />

achtet, eventuelle Häuser in der Nähe der<br />

unverzerrten Bildmitte zu platzieren, wird<br />

die Illusion perfekt.<br />

Ein beliebter Trick ist das unauffällige Kippen<br />

der Kamera, um eine Wand etwas steiler<br />

zu gestalten. Solange keine Bäume auf<br />

dem Bild sind, funktioniert das erstaunlich<br />

gut. Auch das Fotografieren von unten kann<br />

spannend sein, solange man im Weitwinkel<br />

bleiben kann. Erliegt man der Versuchung<br />

und fährt das Zoom in den Telebereich, bekommt<br />

man zwar den Kletterer formatfüllend<br />

drauf, ohne ihm auf den Händen stehen<br />

zu müssen, aber auch die Entfernung<br />

zum Wandfuß oder zum Gipfel schrumpft<br />

zusammen, und aus der Eigernordwand<br />

wird ein Boulderfelsen in der Fränkischen<br />

Schweiz.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 28 mm<br />

Belichtung 1/1000 s<br />

Blende<br />

f/4,5<br />

ISO 200<br />

Der Kletterer von schräg unten, Kamera dezent gekippt, um die Wand<br />

und das Seil in die Senkrechte zu bringen. Das Seil hängt in Wahrheit<br />

schräg.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 36 mm<br />

Belichtung 1/2000 s<br />

Blende<br />

f/5,6<br />

ISO 200<br />

Die Sache mit dem roten Pullover<br />

Ein mittlerweile sprichwörtlicher Auswuchs<br />

eines Tipps für die bessere Bildgestaltung<br />

ist der rote Pullover . Der Tipp stammt noch<br />

aus Schwarz-Weiß-Zeiten, als man bei Erinnerungsbildern<br />

die Dame oder den Herrn<br />

des Herzens möglichst von der Schlosskulisse<br />

im Hintergrund abzuheben wünschte.<br />

Freistellung mit geöffneter Blende war<br />

keine Option, schließlich sollte man das<br />

Schloss ja erkennen. Der Trick war: der rote<br />

Pullover. Das Rot wirkte auf Fotos schwarz<br />

und sorgte damit für einen wunderbaren<br />

Kontrast zum grauen Hintergrund.<br />

Mit Perspektive nach oben.<br />

183


AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 13 mm<br />

Belichtung 1/640 s<br />

Blende<br />

f/4,5<br />

ISO 100<br />

Chinesische Reisegruppe<br />

vor dem Fisistock.<br />

Als dann die Farbfilme aufkamen, wimmelten<br />

alle Fotos von Leuten in roten Pullovern.<br />

Was in Schlossgärten mit roten Rosen<br />

schon seltsam anmutete und sich bald<br />

von selbst erledigte, hat sich im Gebirge bis<br />

heute gehalten. Von rot karierten Hemden<br />

bis zu der signalfarbenen Funktionskleidung<br />

unserer Tage – die Kontrastfarbe Rot ist vor<br />

dem verblauenden Hintergrund ferner Berge<br />

nach wie vor ein echter Hingucker.<br />

Wasserfälle, Seen und reißende<br />

Bergbäche<br />

Auch wenn Wasser in der eigenen Flasche<br />

bisweilen im Hochgebirge bedrückend<br />

knapp sein kann – Wasserfälle, Seen und<br />

reißende Bergbäche gibt es trotzdem fast<br />

überall. Um sie zu fotografieren, gibt es<br />

mehrere Ansätze. Der Klassiker ist natürlich<br />

der Bergsee, entweder von oben als<br />

scheinbare Pfütze mit darum herum aufragenden<br />

Bergen oder eben mit Weitwinkel<br />

vom Boden aus. Die Wirkung ist jeweils unterschiedlich.<br />

Während bei der Perspektive von oben<br />

die Berge überbetont werden, schrumpft<br />

bei der Weitwinkelperspektive die Umgebung<br />

erheblich, während der Himmel zum<br />

bestimmenden Element wird – besonders<br />

weil er sich im See spiegelt. Wird der See<br />

dagegen von oben fotografiert, spiegelt sich<br />

nur der Himmel, was wahlweise zu einem<br />

faszinierenden Blau oder eben auch, bei<br />

schlechterem Wetter, zu einem unheimlichen<br />

Schmutziggrau führen kann.<br />

Bäche im Hochgebirge sind nicht nur eine<br />

willkommene Auffüllstation für die Wasserflasche<br />

– soweit man sich davon überzeugt<br />

hat, dass sie nicht weiter oben an<br />

einer Hütte vorbeifließen –, sondern auch<br />

184


AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 14 mm<br />

Belichtung 1/250 s<br />

Blende<br />

f/8,0<br />

ISO 100<br />

KAPITEL 3<br />

ATEM BERAUBENDES<br />

HOCHGEBIRGE<br />

durchaus lohnende Motive. Durch das hohe<br />

Gefälle der Bäche kommt man oft ohne die<br />

im Flachland üblichen starken Graufilter<br />

aus, um das fließende Wasser abzubilden.<br />

Zudem befinden sich in den entsprechenden<br />

Bächen immer ausreichend dekorative<br />

Steine.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 12 mm<br />

Belichtung 1/1250 s<br />

Blende<br />

f/4,5<br />

ISO 100<br />

Oben: Durch das Ultraweitwinkel wird eine kleine<br />

Bucht des Weißensees (2.229 m) zum Hauptteil<br />

des Sees, der Rest wird bis zur Bedeutungslosigkeit<br />

gestaucht, und die 2.500er im Hintergrund<br />

schrumpfen auf Mittelgebirgsniveau. Der Große<br />

Knallstein rechts, der nur 100 m höher ist, wird<br />

dagegen zum übermächtigen Berg.<br />

Unten: Der Oeschinensee mit Blümlisalp und<br />

Doldenhorn, mit einer Kompaktkamera und dem<br />

eingebauten „Dramatic Tone“-Filter, der eine Art<br />

HDR-Tonemapping-Effekt erzeugt, produziert.<br />

185


AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 70 mm<br />

Belichtung 1/6 s<br />

Blende<br />

f/11,0<br />

ISO 200<br />

Durch die verlängerte Belichtungszeit wird das Wasser nicht mehr<br />

„eingefroren“, sondern „fließend“ dargestellt. In diesem Fall wurde ein<br />

ND0,6-Graufilter verwendet.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 66 mm<br />

Belichtung 13 s<br />

Blende<br />

f/6,3<br />

ISO 200<br />

Langzeitbelichtung. „L‘eau Noire“ am Rand des Mont-Blanc-Massivs.<br />

Die stark weich gezeichneten Wasserläufe sind aber nicht jedermanns<br />

Geschmack, der Effekt nutzt sich rasch ab, und man kehrt bald wieder zu<br />

kürzeren Belichtungszeiten zurück, die den Bachlauf lebendiger zeigen.<br />

Solange man die Belichtungszeit nur verdoppeln<br />

oder vervierfachen will, kann man<br />

auch statt eines eigenen Graufilters einen<br />

Polfilter verwenden. Bei den schnellen Bächen<br />

im Gebirge reicht das normalerweise<br />

schon aus, um den Effekt des fließenden<br />

Wassers eindrucksvoll in Szene zu setzen.<br />

Den Samtweicheffekt, bei dem sich der<br />

Bach in einen weißen Nebel auflöst, erreicht<br />

man aber erst bei deutlich längeren Belichtungszeiten.<br />

Dazu sind ND3-Graufilter notwendig.<br />

Wenn die Bäche den Rand eines Felsabbruchs<br />

erreichen, werden sie zu spektakulären<br />

Wasserfällen, die auf Fotos meist<br />

recht unscheinbar rüberkommen. Fallendes<br />

Wasser, vor allem wenn es sich um sehr<br />

hohe Wasserfälle handelt, übt eine hypnotische<br />

Wirkung aus, da man mit dem Auge<br />

den fallenden Strukturen zu folgen versucht<br />

und die sich ständig ändernden und trotzdem<br />

sich selbst ähnelnden Figuren des<br />

Wassers zu kurzlebig sind, als dass sich der<br />

Geist darauf konzentrieren und Bekanntes<br />

assoziieren könnte.<br />

Sobald ein Wasserfall dagegen fotografiert<br />

ist und als Standbild vorliegt, fällt diese<br />

ständige Anregung des Geists weg, und es<br />

bleibt eine mäßig spannende Felswand mit<br />

fallendem Wasser übrig, das selten große<br />

Assoziationen weckt. Zudem ist es oft<br />

schwierig, den durchaus mal hundert Meter<br />

hohen Wasserfall so zu fotografieren, dass<br />

diese hundert Meter auch visuell beeindruckend<br />

sind – es gibt keine Bezugspunkte.<br />

Selbst wenn man Personen an den Fuß des<br />

Wasserfalls stellt, wird das Geplätscher<br />

dadurch nur selten beeindruckender. Interessanter<br />

kann man Wasserfälle machen,<br />

wenn man sich auf Spielereien mit Licht<br />

konzentriert.<br />

186


AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 400 mm<br />

Belichtung 1/800 s<br />

Blende<br />

f/3,5<br />

ISO 200<br />

KAPITEL 3<br />

ATEM BERAUBENDES<br />

HOCHGEBIRGE<br />

Dazu ist aber wieder genaue Planung<br />

notwendig – die Wasserfälle<br />

heben sich nur dann von der<br />

Umgebung ab, wenn das Streiflicht<br />

von der tief stehenden Morgen-<br />

oder Abendsonne genau<br />

den Wasserfall trifft, der Hintergrund<br />

aber im Schatten liegt.<br />

Auch ein Wasserfallregenbogen<br />

ist nicht ganz einfach. Man benötigt<br />

dazu Sonne von hinten,<br />

also ebenfalls wieder eine tief<br />

stehende Sonne. Je näher man<br />

dem Wasserfall kommt, desto<br />

größer wird der Regenbogen.<br />

Man muss dabei aber immer im<br />

Kopf behalten, dass man selbst<br />

sich immer im Mittelpunkt des<br />

Bogens befindet, Form und<br />

Höhe des Bogens also nur mit<br />

dem eigenen Standort zu tun<br />

haben. Es kann sein, dass man,<br />

wenn man genau zwischen<br />

Abendsonne und Wasserfall<br />

steht, den Bogen gar nicht sieht,<br />

weil der Dunst des Falls nicht bis<br />

nach oben zieht.<br />

Zwei der zahlreichen Wasserfälle<br />

am Fisistock im Abendlicht.<br />

187


Regenbogenwasserfall<br />

am Fisistock.<br />

Hier ist nur das<br />

rechte untere Ende<br />

des Bogens sichtbar.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 102 mm<br />

Belichtung 1/640 s<br />

Blende<br />

f/3,2<br />

ISO 200<br />

188


KAPITEL 3<br />

ATEM BERAUBENDES<br />

HOCHGEBIRGE<br />

Sonne und Mond in den Bergen<br />

Sonne und Mond sind natürlich wohlfeile<br />

Gestaltungselemente in der Bergfotografie.<br />

Sie stehen eigentlich fast immer zur Verfügung,<br />

man muss sich nur richtig herum<br />

hinstellen, und schon kann man ungeliebte<br />

Bildteile in Schlagschatten absaufen lassen<br />

oder einen eigentlich unspannenden Sattel<br />

mit etwas Mond aufpeppen.<br />

Über die Problematik, direkt in die Sonne zu<br />

fotografieren, wurde weiter oben schon etwas<br />

geschrieben, passen Sie also auf Ihre Augen<br />

auf. Um den Strahlenkranz um die Sonne<br />

zu bekommen, müssen Sie abblenden. Je<br />

stärker, desto ausgeprägter sind die Strahlen.<br />

Beachten Sie aber, dass diese eindrucksvollen<br />

Strahlen eigentlich ein Abbildungsfehler<br />

sind – ein Beugungseffekt. Die Lichtstrahlen<br />

der Sonne sind nicht anders zusammengesetzt<br />

als alle anderen Lichtstrahlen auch,<br />

die durch Ihr Objektiv wandern. Sie haben<br />

diesen Strahlenkranz also nicht nur um die<br />

Sonne, sondern um alle anderen Lichtstrahlen<br />

auch, was ein vergleichsweise unscharfes<br />

Bild beschert. Wenn Sie die strahlende Sonne<br />

haben wollen, müssen Sie sich also damit<br />

abfinden, dass die Knackschärfe Ihrer Optik<br />

verloren geht.<br />

Die Anzahl der Strahlen richtet sich übrigens<br />

nach der Anzahl der Blendenlamellen<br />

– und je schärfer die Blendenlamellen<br />

voneinander abgegrenzt sind, desto stärker<br />

ausgeprägt ist ihr Sterncheneffekt. Bei<br />

modernen Objektiven, bei denen die Blendenlamellen<br />

kreisförmig ausgebildet sind,<br />

um ein harmonischeres Bokeh zu erreichen,<br />

tritt dieser Sterncheneffekt deshalb später,<br />

das heißt erst bei weiter geschlossener<br />

Blende, auf. Ein interessanter Effekt kommt<br />

dann zustande, wenn die Anzahl der Blendenlamellen<br />

ungerade ist. Dann sind die<br />

Strahlen der Sterne deutlich kürzer, dafür<br />

sind es doppelt so viele. Übrigens, je kürzer<br />

die Brennweite ist und je kleiner die Sonne<br />

damit erscheint, desto schärfer werden die<br />

Strahlen der Sonne.<br />

Diese Probleme hat man beim Fotografieren<br />

des Monds eher nicht. Da geht es vor<br />

allem darum, den Berg darunter noch sichtbar<br />

abzulichten, und dazu benötigt man<br />

Sonnenlicht. Das Mondlicht reicht zwar<br />

mit einem entsprechenden Stativ durchaus<br />

auch für Bergbilder aus, allerdings wandert<br />

der Mond während der notwendigen Belichtungszeit<br />

so schnell weiter, dass er auf<br />

dem resultierenden Bild eher als weißer<br />

Strich zu sehen ist.<br />

Vollmond ist ebenfalls ungünstig: Vollmondaufgang<br />

ist bei Sonnenuntergang. Was in der<br />

Ebene oder in den Mittelgebirgen funktioniert,<br />

weil man da den Mond im Allgemeinen<br />

am Horizont erwischt, geht in den Bergen nur<br />

dann, wenn man bei Sonnenuntergang auf einem<br />

hohen Gipfel sitzt und der Mond hinter<br />

den niedrigeren Gipfeln aufgeht. Es gibt nur<br />

wenige hohe Gipfel, bei denen man riskieren<br />

sollte, erst nach Sonnenuntergang mit dem<br />

Klettern am Wildenauersteig<br />

an der Hohen<br />

Wand im Gegenlicht.<br />

Das Objektiv hat<br />

sieben Blendenlamellen.<br />

Um so ein Foto zu<br />

machen, muss man<br />

natürlich früh aufstehen,<br />

sonst ist die Sonne<br />

schon zu weit oben.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 14 mm<br />

Belichtung 1/250 s<br />

Blende f/16<br />

ISO 100<br />

189


AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 106 mm<br />

Belichtung 1/100 s<br />

Blende<br />

f/5,6<br />

ISO 100<br />

Der Mond über dem Mont Blanc du Tacul, 4.248 m.<br />

Gipfelaufbau des Mytikas (2.918 m), des Olymp-Hauptgipfels vom<br />

Couloir-Normalweg aus. Vormittagslicht.<br />

Abstieg zu beginnen – Stativ und Fotoausrüstung<br />

im Gepäck. Also konzentriert man sich<br />

auf zunehmenden Mond – wenn der hinter<br />

den Bergen aufgeht, gibt es meistens noch<br />

ausreichend Abendlicht, damit man Mond<br />

und Bergkette auf ein Bild bekommt.<br />

Dramatische Wetter<br />

Gebirge und Wetter , die Kombination macht<br />

das Bild. Denn wie gesagt: Berge allein sind<br />

Steinhaufen. Erst mit dramatischem Wetter<br />

wird die Sache spannend. Zum Wetter gehört<br />

auch blauer Himmel. So langweilig er<br />

am Boden sein kann, im Hochgebirge und<br />

bei richtigem Licht kann er zu dunkelblauem<br />

Samt werden, vor dessen Hintergrund<br />

Felsformationen eine geradezu unwirkliche<br />

Präsenz bekommen. Wichtig ist dabei immer,<br />

den Polfilter nicht zu vergessen, wobei<br />

es in den Fällen, in denen man keine weiten<br />

Entfernungen überbrücken muss, auch<br />

ohne geht.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Dia<br />

analog<br />

Brennweite 50 mm<br />

190


KAPITEL 3<br />

ATEM BERAUBENDES<br />

HOCHGEBIRGE<br />

Immer wieder sehenswert ist natürlich das<br />

rote Abendlicht im Hochgebirge, wenn die<br />

tief stehende Sonne Berggipfel in kräftige<br />

Rottöne taucht. Zusammen mit Schnee und<br />

ein paar dekorativen Wolken können da<br />

spannende Fotos gelingen. Oft wird dabei<br />

der Fehler gemacht, mit einem Weitwinkel<br />

das gesamte Tal mit den farbigen Berggipfeln<br />

ablichten zu wollen. Dies geht häufig<br />

schief, da die Kontraste vom Tal zum Gipfel<br />

zu stark sind, und selbst wenn die Kamera<br />

das verkraftet, bleibt oft das Tal im Motivwert<br />

deutlich hinter den Bergen zurück.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 400 mm<br />

Belichtung 1/500 s<br />

Blende<br />

f/3,5<br />

ISO 200<br />

WETTERSTURZ:<br />

GEHEN SIE KEIN RISIKO EIN<br />

So spannend Gebirgsbilder mit dramatischen<br />

Gewitterwolken aussehen,<br />

fotografieren Sie diese von einer<br />

Hütte aus – niemals vom Gipfel.<br />

Wer Wetterstürze im Gebirge unterschätzt,<br />

hat bisweilen keine Gelegenheit<br />

mehr, das zu bereuen. Wer<br />

Gewitter oder Schneefall aus dem<br />

Flachland kennt und für harmlos hält,<br />

kann sich nicht vorstellen, wie ein Gewitter<br />

im Gebirge sein kann – und wie<br />

schnell einem Schneefall und Nebel<br />

die Orientierung rauben können, bis<br />

man sich buchstäblich im Vorgarten<br />

der rettenden Hütte verirrt. Wege,<br />

auf denen man bei gutem Sommerwetter<br />

Scharen von Kinderwagen<br />

schiebenden Familien antrifft, können<br />

bei einem Wettersturz für blanken<br />

Horror sorgen.<br />

Das Doldenhorn, 3.643 m, im Abendlicht.<br />

Nebel am Fisistock.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 400 mm<br />

Belichtung 1/1600 s<br />

Blende<br />

f/4,5<br />

ISO 100<br />

191


Gletscherabbruchkante<br />

des Oxfjordjökelen in<br />

Nordnorwegen. Hier<br />

ist der Einsatz eines<br />

Tele angebracht. Den<br />

Gletscher aus dieser<br />

Perspektive mit Weitwinkel<br />

abzulichten,<br />

kann gefährlich sein.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 400 mm<br />

Belichtung 1/8000 s<br />

Blende<br />

f/3,5<br />

ISO 100<br />

Wenn das Wetter es hergibt, spricht in diesem<br />

Fall nichts gegen eine lange Brennweite.<br />

Interessant kann auch Nebel sein, solange<br />

er begrenzt ist. Nebel kann Motive „freistellen“<br />

und durch die Abdeckung der Landschaft<br />

für eine geheimnisvolle Stimmung<br />

sorgen. Nebel ist allerdings ebenfalls ein<br />

Motiv, das man besser mit dem Tele ablichtet<br />

als mit dem Weitwinkel, schon allein aus<br />

dem Grund, da man sich von Nebel im Gebirge<br />

besser fernhält, wenn man sich nicht<br />

auf einem perfekt ausgeschilderten und<br />

ausgebauten Weg befindet.<br />

Regeln vor der Erstbesteigung<br />

Im Gebirge können Fehler tödlich sein, und<br />

fotografische Fehler sorgen für langweilige<br />

Bilder. Während man zu einem Dom oder<br />

einer Burgruine einfach noch mal hinfährt<br />

und das Bild wiederholt, wird man sich in<br />

den seltensten Fällen noch mal aufmachen,<br />

um einen Berg zu besteigen – nur um das<br />

eine Bild in 3.000 m Höhe zu wiederholen.<br />

Man muss sich also immer, wenn man im<br />

Gebirge fotografiert, bewusst sein, dass<br />

man genau diese eine Chance hat – keine<br />

andere.<br />

Nehmen Sie sich Zeit<br />

Sie schleppen die Kamera nicht mit, um zu<br />

hetzen, sondern um zu fotografieren. Verabschieden<br />

Sie sich von der Faustformel:<br />

400 Höhenmeter pro Stunde. Gehen Sie<br />

mit Begleitern, die dafür Verständnis haben<br />

– und zwar nicht zähneknirschendes, sondern<br />

echtes Verständnis – und idealerweise<br />

selbst fotografieren oder fürs Rumstehen<br />

und Warten bezahlt werden.<br />

Nehmen Sie sich nicht zu viel vor. Eine lockere<br />

Zweistundentour kann sich mit Fotoequipment<br />

zur Halbtagestour auswachsen.<br />

Selbst mit montierter Schnellwechselplatte<br />

ist der Aufbau eines Stativs jedes Mal mit<br />

zehn Minuten Zeitverlust verbunden, bei<br />

normalem Tempo sind das mehr als 50 Höhenmeter.<br />

Das ist gegenüber der Restgruppe<br />

nicht mehr aufzuholen. Die dauernde<br />

Warterei kann den Mitwanderern gehörig<br />

auf die Nerven gehen. Abgesehen davon,<br />

dass der Rest der Gruppe in diesen zehn Minuten<br />

kalt wird, während man selbst bei der<br />

Knipserei auch keine Erholung hat.<br />

Unterschätzen Sie die Witterung nicht<br />

Fotografen neigen dazu, die Witterung zu<br />

unterschätzen. Während ein Wanderer<br />

dauernd und gut geschützt in Bewegung<br />

ist, muss sich der Fotograf ruhig verhalten,<br />

er hält sich die durchgefrorene Kamera ans<br />

Gesicht und fasst sie an. Teilweise werden<br />

auch noch die Handschuhe ausgezogen,<br />

damit man besser an die kleinen Knöpfchen<br />

herankommt. Die Folge: angefrorene Finger.<br />

Wer jemals erlebt hat, wie es sich anfühlt,<br />

wenn gefrorene Extremitäten wieder auftauen,<br />

der weiß, was keinen Spaß macht.<br />

192


KAPITEL 3<br />

ATEM BERAUBENDES<br />

HOCHGEBIRGE<br />

Sich irgendwas zu erfrieren, ist nur ein Zeichen<br />

von Leichtsinn – und sonst nichts.<br />

Oberhalb der Baumgrenze gibt es unter<br />

Umständen keinen Schatten, sorgen Sie<br />

also dafür, dass Sie eine Kopfbedeckung und<br />

ausreichend Wasser und Mineralien dabeihaben.<br />

Akuter Wassermangel muss sich<br />

gar nicht so sehr in Durst ausdrücken, eine<br />

Dehydratation verursacht auch Schwindelgefühl,<br />

Kopfschmerzen oder starkes Schwitzen.<br />

Vor allem ältere Bergsteiger haben das<br />

Problem, zu wenig zu trinken. Wasser aus<br />

sauberen Gebirgsbächen kann die Wasservorräte<br />

ergänzen, trotzdem benötigen Sie<br />

unbedingt auch zusätzliche Mineralstoffe,<br />

Magnesiumtabletten etwa. Blankes Wasser<br />

kann Ihren Mineralhaushalt durcheinanderbringen.<br />

Respektieren Sie Betretungsverbote<br />

Wege im Hochgebirge anzulegen, ist außerordentlich<br />

mühselig. Wilde Abkürzungen<br />

zerstören die empfindliche Vegetation und<br />

den filigranen Zusammenhalt des Bodens<br />

und sorgen für verstärkte Erosion und damit<br />

für die Zerstörung der Wege. Zudem sind<br />

vor allem für Fotografen, die Gepäck schleppen,<br />

die Wege sicherer. Ein Ausrutscher<br />

auf einer unbefestigten Abkürzung, und Sie<br />

können nur noch hoffen, dass Ihr Equipment<br />

gut geschützt ist. Abkürzungen mögen<br />

kurzfristigen Zeitgewinn geben, langfristig<br />

kosten sie Kraft.<br />

Einige Kletter- und Wandergebiete sind aus<br />

Naturschutzgründen zu bestimmten Zeiten<br />

gesperrt, manche frühere Kletterfelsen mittlerweile<br />

sogar ganzjährig. Diese Sperrungen<br />

In den Grand Canyon<br />

darf nur absteigen, wer<br />

ausreichend Wasser<br />

dabeihat – zu Recht.<br />

Sie müssen aber nicht<br />

in den Grand Canyon<br />

hinein, um ein Problem<br />

mit der Hitze zu bekommen.<br />

Es reicht eine<br />

ganz normale Tour im<br />

Gebirge.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 70 mm<br />

Belichtung 1/320 s<br />

Blende<br />

f/5,6<br />

ISO 100<br />

193


sind unbedingt auch von Fotografen zu beachten.<br />

Entsprechende Übersichten haben<br />

die jeweiligen örtlichen Kletter- und Wandervereine.<br />

Dies betrifft nicht nur Deutschland,<br />

in Frankreich etwa sollen 40 % der<br />

Calanques bei Cassis gesperrt werden, das<br />

Wandern ist dort im Sommer bereits verboten.<br />

Werden die mühsam ausgehandelten<br />

Felssperrungen nicht respektiert, droht oft<br />

eine Ausweitung der Sperrungen, was weder<br />

im Interesse der Kletterer noch der Fotografen<br />

ist.<br />

Oft ist der ideale Standpunkt für ein Foto<br />

einige Meter neben dem Weg. Wenn sich<br />

dort Wiesen befinden, schonen Sie diese<br />

so weit es geht. Die Vegetationsperiode im<br />

Hochgebirge ist so kurz, dass Sie durch unbedachtes<br />

Herumstapfen in einer Almwiese<br />

diese beschädigen. Sind Sie dabei auch<br />

anderen ein Beispiel. Kritisch wird es vor<br />

allem dann, wenn die Almwiesen blühen.<br />

Analogdia ohne UV-Filter und Polfilter. Eintragung ins Gipfelbuch<br />

des Breithorns, Steinernes Meer.<br />

Schreiben Sie Ihre Touren ins Hüttenbuch<br />

Hüttenbücher sind keine einfachen Gästebücher,<br />

sondern Dokumente, die schon den<br />

einen oder anderen Bergsteiger gerettet<br />

haben. Angst vor Datenklau ist hier fehl am<br />

Platz. Tragen Sie Namen, Herkunft und Anzahl<br />

der Personen sowie das Tourenziel gewissenhaft<br />

ein. Auch Gipfel- und Wanderbücher<br />

sind solche Dokumente, in die die<br />

entsprechenden Daten sauber einzutragen<br />

sind. Wer das nicht macht, ist selbst schuld.<br />

Wer Gipfelbücher zerstört oder entwendet,<br />

kann Rettungen verzögern und deshalb<br />

Menschenleben gefährden. Lesen Sie auch<br />

die Bucheinträge in den Spalten vor Ihnen.<br />

Wenn dort Leute auftauchen, die das gleiche<br />

Ziel haben wie Sie, verfolgen Sie deren<br />

Spur weiter. Verliert sich die Spur, informieren<br />

Sie den nächsten Hüttenwirt darüber.<br />

Der weiß dann, was zu tun ist.<br />

Stay alert! Bleiben Sie wachsam!<br />

Das Gebirge ist kein Studio und kein Abenteuerspielplatz.<br />

Eigentlich sollte das selbstverständlich<br />

sein. Die jährlich steigenden<br />

Opferzahlen beweisen, dass dem nicht so<br />

ist. Früher waren die meisten Unfälle im Gebirge<br />

auf ungenügende Ausrüstung zurückzuführen<br />

– die berühmt-berüchtigten Halbschuhbergsteiger.<br />

Mittlerweile hat sich<br />

das etwas verlagert. Hervorragend ausgerüstete<br />

und in der Kletterhalle trainierte<br />

Bergsportler verunglücken, weil sie übersehen,<br />

dass Berge nicht GS-geprüft sind und<br />

Wetter und Felsen sich dauernd verändern.<br />

Seien Sie immer wachsam. Beachten Sie,<br />

dass für Sie als Fotograf die allerwichtigste<br />

Regel im Gebirge nicht gilt: eine Hand für<br />

den Mann, eine Hand für den Berg. Sie haben<br />

als Fotograf nicht genug Hände für diese<br />

Regel. Sie müssen die dritte Hand durch<br />

erhöhte Aufmerksamkeit ersetzen: „Stay<br />

alert – bleiben Sie wachsam.“<br />

194


KAPITEL 3<br />

ATEM BERAUBENDES<br />

HOCHGEBIRGE<br />

Unabsichtliche Lawinenauslösung<br />

Vermeiden Sie es, mit Gegenständen zu<br />

werfen. Dies betrifft nicht nur Steine, sondern<br />

natürlich auch Objektive oder irgendwelche<br />

Ausrüstungsgegenstände. Dabei<br />

geht es nicht nur darum, dass man absichtlich<br />

irgendwelche Dinge ins Tal wirft. Es<br />

geht vor allem um unabsichtliche Lawinenauslösung.<br />

Ob das nun Steinlawinen oder<br />

Schneebretter sind: Schon das Aufstellen<br />

eines Stativs am falschen Ort kann fatale<br />

Folgen haben.<br />

Gefährliche Gegenlichtaufnahmen<br />

Im Hochgebirge gibt es neben den Gefahren<br />

von Wetter und Fels auch das Problem der<br />

Sonne. Sonne im Hochgebirge ist deutlich<br />

stärker als im Flachland. Eine Sonnenbrille<br />

ist ein Muss, in Schneegebieten auch eine<br />

Gletscherbrille. Gegenlichtaufnahmen, vor<br />

allem im Gebirge von hohem ästhetischem<br />

Reiz, sind besonders gefährlich. Wenn irgend<br />

möglich, vermeiden Sie den optischen<br />

Sucher und verwenden einen eventuell vorhandenen<br />

Live-View-Modus – je länger die<br />

Brennweite, desto dringender ist der Rat.<br />

Selbst Gegenlichtfotos am Abend können<br />

Ihre Augen nach wenigen Minuten so stark<br />

irritieren, dass Sie eine halbe Stunde nur<br />

eingeschränkt sehfähig sind – im Gebirge<br />

bei hereinbrechender Dunkelheit eine Katastrophe.<br />

Kletterseile und Karabiner prüfen<br />

Sie haben als Fotograf die Verantwortung,<br />

dass Ihr „Modell“ bei spektakulären Winterund<br />

Kletterfotos nicht in Gefahr kommt. So<br />

beeindruckend perfekt fotografierte Kletterer<br />

sind, die gerade aus der Wand fallen:<br />

Stürze für die Kamera zu provozieren, kann<br />

schiefgehen. Seile können durchscheuern,<br />

Karabiner abreißen. Es ist absolut empfehlenswert,<br />

regelmäßig die Berichte des<br />

Sicherheitskreises des Deutschen Alpenvereins<br />

zu lesen. Seile und Karabiner sind<br />

Sicherungsmittel, keine Turngeräte. Ein Seil,<br />

das zehn Stürze hinter sich hat, ist reif für<br />

den Müll. Wenn Sie aus bestimmten Gründen<br />

solche Fotos machen müssen, sorgen<br />

Sie unbedingt für bestes, neues Klettermaterial<br />

und einen Fachmann, der die Sicherungen<br />

vornimmt.<br />

Verlassen Sie sich nicht auf Ihr Handy<br />

Auch wenn in den Alpen an den verblüffendsten<br />

Stellen wunderbarer Empfang möglich<br />

ist: Das kann schon wenige Meter weiter<br />

ganz anders sein. Sie sollten das alpine<br />

Notsignal beherrschen und auch eine kleine<br />

Taschenlampe dabeihaben. Das alpine Notsignal<br />

besteht aus einem optischen und/oder<br />

akustischen Signal beliebiger Art, das sechs<br />

Mal innerhalb einer Minute abgesetzt wird.<br />

Es soll nach einer Minute Pause in gleicher<br />

Folge wiederholt werden, solange Aussicht<br />

besteht, von anderen Bergsteigern, von Berghütten<br />

oder im Tal bemerkt zu werden. Die<br />

Antwort auf ein solches Signal wird mit drei<br />

Zeichen pro Minute gegeben und ebenfalls<br />

nach einer Minute Pause wiederholt. Dadurch<br />

kann dem Alarmierenden bestätigt<br />

werden, dass sein Notsignal empfangen worden<br />

ist.<br />

BERGWACHTEINSÄTZE<br />

Die Bergwacht ist nur für unverschuldete Notfälle da. Aber die meisten<br />

Einsätze hat sie, weil sich irgendwer selbst oder seine Ausrüstung<br />

über- oder das Wetter unterschätzt hat. Die Bergwacht sollte<br />

nicht auch noch unvorsichtige Fotografen aus der Bredouille ziehen<br />

müssen. Bergwachteinsätze sind prinzipiell auch immer für die Helfer<br />

gefährlich!<br />

195


Auf geht’s Buam: Hütten<br />

in den Alpen<br />

Gebirgsfotografie findet in Höhen jenseits<br />

der 1.500 m statt und idealerweise in den<br />

Morgen- oder Abendstunden. Nachtbergsteigen<br />

mit Kameraausrüstung ist aber<br />

nicht jedermanns Sache, also gibt es noch<br />

die Möglichkeit, bei Tag gemütlich aufzusteigen<br />

und dann entsprechend auf einer<br />

Berghütte zu übernachten.<br />

nicht zu unterschätzen – ein Anrecht auf<br />

einen Schlafplatz. Ich habe es selbst erlebt,<br />

dass bei gefüllter Hütte weitere Gäste,<br />

Nichtmitglieder eben, auf der Terasse unter<br />

Bierbänken schlafen mussten, egal wie das<br />

Wetter war. Voranmeldungen und eine genaue<br />

Routenplanung zahlen sich also aus.<br />

Mitgliedschaft im Alpenverein<br />

In den Alpen werden die meisten Hütten<br />

vom Deutschen Alpenverein bzw. einem<br />

seiner Partnervereine betrieben. Die Mitgliedschaft<br />

im Alpenverein beschert dem<br />

Hüttengast nicht nur ein verbilligtes Bergsteigeressen,<br />

sondern auch – und das ist<br />

Bei der Hüttensuche hilft die Webseite des Deutschen Alpenvereins<br />

weiter – www.dav-huettensuche.de.<br />

196


KAPITEL 3<br />

ATEM BERAUBENDES<br />

HOCHGEBIRGE<br />

1.327 m: Tutzinger Hütte<br />

Wer wenig Zeit hat und sich trotzdem mal<br />

im Hochgebirge tummeln will, für den gibt<br />

es natürlich auch die Randgebirge. Hochfelln<br />

und Jenner verfügen über Seilbahnen,<br />

die bei gutem Wetter erstklassigen Rundblick<br />

bieten, ohne dass man stundenlang<br />

Ausrüstung auf die Höhe schleppen müsste.<br />

Spannend ist vor allem die Inversionswetterlage,<br />

bei der im Tal unten alles in<br />

der Suppe steckt und man oben im strahlenden<br />

Sonnenschein Fotos macht. Wer<br />

mal ausprobieren will, etwa als Training für<br />

Hochtouren, wie sich die Fotoausrüstung<br />

Ausblick vom Hochfelln<br />

bei Inversionswetterlage.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 144 mm<br />

Belichtung 1/125 s<br />

Blende<br />

f/7,1<br />

ISO 100<br />

197


über längere Strecken schleppt, dem sei die<br />

Benediktenwand bei Benediktbeuren empfohlen.<br />

Sie verfügt über ein hervorragendes<br />

Quartier am Fuß – die Tutzinger Hütte, siehe<br />

http://alt.dav-sektion-tutzing.de – sowie<br />

Routen durch die Wand und außen herum<br />

in allen Schwierigkeitsgraden. Und ganz nebenbei<br />

auch noch über einen fantastischen<br />

Fernblick. Gelegentlich kann man hier sogar<br />

Steinböcken in freier Wildbahn begegnen.<br />

1.834 m: Erfurter Hütte im Rofan<br />

Hütten auf Höhe gibt es in den Alpen dutzendweise.<br />

Einige sind für Fotografen besonders<br />

luxuriös, hier führen Seilbahnen in<br />

das unmittelbare Umfeld. So ist die Erfurter<br />

Hütte im Rofan, siehe http://hoehenrausch.<br />

de/huetten/erfurter_huette, immerhin schon<br />

auf 1.834 m, mit der Seilbahn von Maurach<br />

zu erreichen, das Rofan selbst ist überschaubar<br />

und bietet ein paar schöne Tagestouren<br />

mit spektakulärer Sicht auf das Karwendel,<br />

die Zillertaler Alpen und auf den Achensee<br />

im Tal. Die Erfurter Hütte ist auch im Januar<br />

geöffnet und kann dann für Wintertouren<br />

genutzt werden, die je nach Schneelage<br />

durchaus lohnend sind. Seit Kurzem gibt es<br />

auf dem Haushügel der Erfurter Hütte, dem<br />

Gschöllkopf, eine künstliche Konstruktion,<br />

das Adlernest, das den Erlebnistourismus<br />

ankurbeln soll. Fotografisch ist das Konstrukt<br />

zwar kein Gewinn, aber auch kein<br />

tragischer Verlust, da der Gschöllkopf auch<br />

ohne Adlernest nicht wirklich attraktiv war<br />

und man die besten Motive von dort aus hat<br />

– und da stört das Adlernest dann nicht.<br />

2.177 m: Riemannhaus am Steinernen Meer<br />

Interessant ist auch das Riemannhaus am<br />

Steinernen Meer, hier kann man nach Absprache<br />

die Ausrüstung mit der Materialseilbahn<br />

hochfahren lassen, siehe www.<br />

riemannhaus.de. Die Gipfel rund ums Riemannhaus<br />

sind auch mit Kameraausrüstung<br />

machbar und bieten gute Motive – allerdings<br />

sei vor dem Steinernen Meer gewarnt.<br />

Bei schlechtem Wetter ist dieser natürliche<br />

Irrgarten schon mehr als einem Bergsteiger<br />

zum Verhängnis geworden.<br />

2.389 m: Olperer Hütte<br />

in den Zillertaler Alpen<br />

Eine der schönsten Hütten auf Höhe ist die<br />

neu gestaltete Olperer Hütte in den Zillertaler<br />

Alpen auf 2.389 m, siehe www.olpererhuette.de.<br />

Die Aussicht auf den Schlegeisspeicher<br />

ist schon von der Terrasse aus<br />

spektakulär, die Touren in die Umgebung<br />

absolut lohnend.<br />

2.438 m: Dreizinnenhütte<br />

in den Dolomiten<br />

Der Klassiker für Fotografen sind natürlich<br />

die Dolomiten . Felszacken und in der Regel<br />

vergleichsweise stabiles, gutes Wetter.<br />

Die Dreizinnenhütte , ein viel frequentierter<br />

Ausgangspunkt für Foto- und Klettertouren,<br />

liegt am Fuß der Paternkofel mit Blick auf die<br />

Dreizinnen – siehe www.dreizinnenhuette.<br />

com. Die Klettersteige auf den Paternkofel<br />

und die Tofanen bieten spektakuläre Motive<br />

mit Tiefsicht und sind trotzdem auch mit der<br />

Kamera und Fotoausrüstung zu bewältigen.<br />

Einziger Nachteil: Die Dolomiten sind als Bilderbuchberge<br />

schon etwas überfotografiert.<br />

2.700 m: Dachstein-Gletscherbahn<br />

Früher ebenso berüchtigt war der Dachstein,<br />

mittlerweile ist er aber durch das<br />

ganzjährige Gletscherskigebiet entschärft.<br />

Hier gibt es die Dachstein-Gletscherbahn ,<br />

die auf knapp 2.700 m fährt. Donnertags<br />

gibt es die Sonnenaufgangsfrühgondel – für<br />

Fotografen natürlich ein Leckerbissen. Wer<br />

198


KAPITEL 3<br />

ATEM BERAUBENDES<br />

HOCHGEBIRGE<br />

schwindelfreie Unterhosen und das Fisheye<br />

eingepackt hat, kann sich auch mal den<br />

„Dachstein-Skywalk“ ansehen.<br />

2.690 m: Kandersteg im Berner Oberland<br />

Interessant ist auch die Gegend um Kandersteg<br />

im Berner Oberland. Die spektakuläre<br />

Mautstraße, die ins Gasteretal führt, ist ein<br />

Motiv für sich. Der vom Militär Anfang des<br />

letzten Jahrhunderts in den Felsen gehauene<br />

Weg ist allerdings erst dann wirklich adrenalinpumpend,<br />

wenn man ihn mit einem<br />

ortskundigen Autofahrer zurücklegt. Vom<br />

Gasteretal führt der alte Lötschenpass ins<br />

Wallis. Auf der Passhöhe in 2.690 m gibt es<br />

eine Hütte mit Übernachtungsmöglichkeit.<br />

Für etwas härtere Fotografen kann man als<br />

Standquartier im Gasteretal das Waldhotel<br />

empfehlen – Zimmer ohne elektrischen<br />

Strom und fließend Wasser, aber eine spektakuläre<br />

Umgebung. Vor allem im Frühling<br />

Ende Mai ist das Gasteretal ein Blütenmeer<br />

mit allerlei unter Schutz stehenden Blumen.<br />

Extreme Vorsicht ist im Gasteretal bei unsicherer<br />

Wetterlage geboten. Es geht hier<br />

nicht nur um Schnee, Regen und Eis, sondern<br />

vor allem um Muren- und Lawinenabgänge.<br />

Ein Bereich des Tals ist explizit als<br />

Gefahrenzone markiert. Lawinen, die von<br />

der einen Seite des Tals abgehen, reißen allein<br />

durch ihren Luftdruck noch auf der anderen<br />

Seite des Tals reihenweise Bäume um.<br />

3.883 m: Seilbahn auf den Aiguille<br />

du Midi<br />

Die beiden höchsten Seilbahnen Europas<br />

führen von Chamonix aus auf die Aiguille<br />

du Midi und auf das kleine Matterhorn . Von<br />

der Aiguille hat man Ausblick auf den Mont<br />

Blanc, vom kleinen Matterhorn aus auf das<br />

große Matterhorn – für Gipfelsammler absolut<br />

lohnend und bei klarem Wetter auch<br />

mit langen Brennweiten interessant. Auf jeden<br />

Fall kommt man nirgends so einfach auf<br />

knapp 4.000 m. Um noch ein paar Meter<br />

höher zu kommen, muss man schon nach<br />

Indien ins Gulmargtal oder nach Ecuador<br />

fahren – in Quito kann man auf den Pichincha<br />

auf 4.100 m hochgondeln.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 1.000 mm<br />

Belichtung 1/320 s<br />

Blende<br />

f/8,0<br />

ISO 100<br />

Die Bergstation auf<br />

dem Aiguille du Midi<br />

auf 3.842 m, eine Zeit<br />

lang die höchste Bergstation<br />

der Welt.<br />

199


202


KAPITEL 4<br />

TANZ AUF<br />

DEM VULKAN<br />

Tanz auf dem Vulkan<br />

205 Vulkanausbruch live<br />

205 Ohne extrem hohen Aufwand und Glück<br />

geht nichts<br />

206 Lohnenswerte Motive auch bei verpasster<br />

Eruption<br />

207 Ideale Locations für ambitionierte<br />

Fotografen<br />

208 Spektakulär: die Aschewolke<br />

des Eyjafjallajökull<br />

210 Bildgestaltungstipps für angehende<br />

Vulkanfotografen<br />

211 Anforderungen an Mensch und<br />

Material<br />

211 Was zählt, sind Geduld und Konzentration<br />

211 Psychische Härte und Glück<br />

212 Risiken beim Tanz auf dem Vulkan<br />

213 Das ist die größte Gefahr bei einem Vulkanausbruch<br />

213 Glutlawinen aus heißer Asche, Gasen und<br />

Gestein<br />

214 Welcher Kameratyp eignet sich am besten?<br />

215 Hier trennt sich die Spreu vom Weizen<br />

216 Kontrastunterschiede deutlich machen<br />

217 Extrem heiße Glutlawinen bei Nacht<br />

220 Unverhofft kommt oft: das richtige Stativ<br />

221 Betauung, Korrosion und Abnutzung<br />

221 Ascheeruptionswolke vor Sternenhimmel<br />

223 Zoomobjektive oder lichtstarke<br />

Festbrennweiten?<br />

225 Rauchringe mit einem Teleobjektiv einfangen<br />

226 Gute Fokussierung macht den Unterschied<br />

227 Unvorhersehbare Blitzentladungen einfrieren<br />

228 Traumobjektiv für nächtliche Vulkanfotografie<br />

229 Mein Objektivpark! – In der Praxis vielfach<br />

bewährt<br />

231 Ein Problem, das nicht verschwiegen werden<br />

soll<br />

232 Unberechenbar: graue Vulkane<br />

232 Lebensgefährlich! – Glutlawinen<br />

aus dem Nichts<br />

233 Warnzeichen bei schnell aufsteigenden<br />

Aschewolken<br />

233 In Deckung! – Steinschlag und Lavabomben<br />

234 Vorsicht! – Unerwartete Einwirkung giftiger<br />

Gase<br />

235 An Schwefelquellen auftretender<br />

Schwefelbrand<br />

236 Einbruchgefahr bei dünnem und<br />

unterhöhltem Boden<br />

236 Einfache Regeln gegen extreme<br />

Hitze abstrahlung<br />

237 Lavaströme, Lavafälle, Lavaseen<br />

239 Einmalige Blicke auf dahinschießende<br />

Lavaströme<br />

239 Nahezu unkritisch: Aufnahmen zähflüssiger<br />

Lavaströme<br />

240 Zur richtigen Zeit am richtigen Ort:<br />

spektakuläre Lavafälle<br />

241 Faszinierendes Spiel zwischen Wasser und<br />

Lava<br />

242 Gefährlich! – Heiße Lava und das Meer<br />

242 Unerschöpfliches Reservoir unterschiedlichster<br />

Motive<br />

244 Sensationelle Bilder aktiver Lavadome<br />

245 Gefahrenpotenzial aktiver Lavadome<br />

245 Lavaseen bieten immer wieder<br />

gute Fotogelegenheiten<br />

246 Intensives Farbenspiel in Kraterseen<br />

247 Aufsteigende Lavablasen und Fontänen<br />

in Lavaseen<br />

249 Achtung! – Hitzeschutz für exponierte<br />

Hautstellen und die Kamera<br />

249 Explosiv: Strombolianische<br />

Eruptionen und Lavafontänen<br />

251 Eindrucksvolles Schauspiel<br />

von Lavafontänen<br />

252 Lavafontänen und platzende Lavablasen<br />

253 Darauf ist im Umfeld von Lavafontänen<br />

zu achten<br />

254 Platzende Schlammvulkane und heiße<br />

Springquellen<br />

255 Spektakuläre Farbenspiele seltener<br />

Erscheinungsformen<br />

203


AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 94 mm<br />

Belichtung 1/125 s<br />

Blende<br />

f/6,3<br />

ISO 200<br />

Dünnflüssige Lavaströme sind eine ideale Möglichkeit, um sich mit der Materie vertraut zu machen,<br />

hier ein typischer Pahoehoe-Lavastrom am Kilauea, Big Island, Hawaii.<br />

4<br />

Tanz auf dem Vulkan<br />

Jeder kennt die spektakulären Bilder und die eindrucksvollen Schilderungen von Zeugen<br />

früherer Ausbrüche. In mehr oder weniger zufälligen Abständen ereignen sich Vulkanausbrüche<br />

, vor allem an den durch die Geologie vorgegebenen Schwächezonen der Erdkruste .<br />

Diese Naturgewalt, die unseren Planeten maßgeblich formt und die Menschheit stetig in<br />

Atem hält, zerstört und schafft gleichzeitig Neues. Obwohl immer wieder von menschlichen<br />

Tragödien berichtet wird, muss auch die andere Seite gesehen werden. Ohne Vulkane<br />

gäbe es kein Leben, Vulkane formen Inseln des Lebens in den Weiten der Ozeane, binden<br />

Regenwolken und lassen Urwälder in ansonsten ariden Landschaften entstehen. Ihre Ausbrüche<br />

düngen die umliegenden Felder und bilden die Grundlage für erfolgreichen Ackerbau.<br />

204


KAPITEL 4<br />

TANZ AUF<br />

DEM VULKAN<br />

Vulkanausbruch live<br />

Wer das Glück hatte, selbst einmal einen<br />

Vulkanausbruch zu erleben, ohne dabei persönlich<br />

von eventuellen Verwüstungen betroffen<br />

zu sein, wird den dadurch gewonnenen<br />

tiefen Eindruck niemals wieder vergessen.<br />

Vulkanausbrüche zählen mit Sicherheit zu<br />

den eindrucksvollsten Naturerscheinungen,<br />

die man erleben kann. Sie prägen sich gleichzeitig<br />

in alle Sinne, und die Größe und Gewalt<br />

der Natur wird direkt erfahrbar.<br />

ÜBER DEN AUTOR<br />

Ohne extrem hohen Aufwand und<br />

Glück geht nichts<br />

Beginnt man dann, sich für dieses Thema<br />

zu interessieren, und verfolgt eine gerade<br />

stattfindende spektakuläre Eruption in<br />

den Medien, wird einem schnell klar, dass<br />

es alles andere als einfach ist, ein solches<br />

Ereignis mitzuerleben oder gar fotografisch<br />

zu dokumentieren. Die aktiven Vulkane<br />

befinden sich meistens auf anderen Kontinenten<br />

in entlegenen Regionen. Die Vulkanologie<br />

ist auch heute noch nicht in der<br />

Lage, eine bevorstehende Eruption präzise<br />

vorherzusagen, der Ausbruch richtet sich<br />

nicht nach dem aktuellen Wetter, und die<br />

Nähe zu besiedelten Regionen kann bedeuten,<br />

dass Evakuierungen und Absperrungen<br />

die Bedingungen für den Vulkanbesucher<br />

erschweren. Lokale aschebedingte Flugverbote<br />

sind ebenfalls möglich.<br />

Man kann also definitiv nicht auf eine günstige<br />

Jahreszeit warten oder den nötigen<br />

Flug frühzeitig buchen. Vor Ort sind die<br />

Reisemöglichkeiten durch die stattfindende<br />

Eruption oft erheblich erschwert, man kann<br />

sich nicht auf eine bestehende Infrastruktur<br />

verlassen usw. Ferner dauern gerade die<br />

großen Eruptionen oft nur eine kurze Zeit.<br />

Martin Rietze , Jahrgang 1964, Elektronikentwickler<br />

bei Baader Planetarium<br />

und nebenberuflich Vulkan- und Astrofotograf.<br />

Das Interesse an der Astround<br />

Landschaftsfotografie erwachte<br />

schon in der Schul- und Studienzeit.<br />

Dabei kamen ihm häufiger auch nicht<br />

aktive Vulkane in die Quere. Ab etwa<br />

dem Jahr 2000, nach einigen Besuchen<br />

aktiver Vulkane (Hawaii, Stromboli),<br />

erfolgte sein Einstieg in die ernsthafte<br />

Vulkanfotografie mit der Organisation<br />

von Expeditionen auch in entlegene<br />

Gebiete. In den letzten Jahren zeigt<br />

Martin Rietze seine Bilder in Vorträgen,<br />

Zeitschriften und Büchern.<br />

Ebenso werden sie weltweit über Bildagenturen<br />

vertrieben.<br />

205


AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 16 mm Fisheye<br />

Belichtung 4 s<br />

Blende<br />

f/2,8<br />

ISO 100<br />

Vollmond mit Morgendämmerung<br />

über dem<br />

Krater des Villaricca-<br />

Vulkans im südlichen<br />

Chile.<br />

Der Vulkan setzt die gesamte Energie, die<br />

sich jahrelang – wenn nicht sogar jahrtausendelang<br />

– angestaut hat, plötzlich frei. Es<br />

kann einem durchaus passieren, dass man<br />

viel Geld in die Anreise investiert und die<br />

Eruption genau bei der Ankunft stoppt. Somit<br />

ist klar, dass eine plötzlich stattfindende<br />

große Eruption nur unter extrem hohem<br />

Aufwand zu erreichen ist und selbst dann<br />

lediglich ein Blick aus großer Entfernung<br />

möglich wird. Auf den ersten Blick erscheint<br />

dies demotivierend.<br />

Lohnenswerte Motive auch bei verpasster<br />

Eruption<br />

Oft trifft man bei länger vorgeplanten Reisen<br />

oder bei zu später Ankunft eines inzwischen<br />

schon wieder ruhig gewordenen<br />

Vulkans nur noch geringe Restaktivität an.<br />

BELICHTUNG<br />

ZUR BLAUEN STUNDE<br />

Während der blauen Stunde ändert<br />

sich die Lichtmenge mit erheblicher<br />

Geschwindigkeit. Hier kann es<br />

sinnvoll sein, die einmal mit Probebelichtung<br />

ermittelten Werte durch<br />

Belichtungskorrektur anzunähern.<br />

Damit kann dann die Automatik dem<br />

schnellen Lichtwechsel ohne großes<br />

Risiko folgen. Es kann hier z. B. durchaus<br />

vorkommen, dass zwei bis drei<br />

Blenden Unterbelichtung nötig sind.<br />

206


KAPITEL 4<br />

TANZ AUF<br />

DEM VULKAN<br />

Hier ergibt das schwache Glühen allein oft<br />

kein lohnenswertes Motiv mehr ab. Jedoch<br />

kann der Fotograf mit ein wenig Kreativität<br />

dennoch ein Bild mit vielleicht sogar höherer<br />

Ästhetik als bei einer chaotisch abgebildeten<br />

Fontäne schaffen. Eingebettet<br />

in eine schöne Landschaft mit besonderer<br />

Lichtstimmung, wie sie die blaue Stunde liefert,<br />

gelingt die Kombination von Himmelsobjekten<br />

und Stimmungen sogar besser,<br />

da hier keine zwingenden Vorgaben wie zu<br />

hoher Lavakontrast oder Gefahrenminimierung<br />

im Vordergrund stehen. Der Fotograf<br />

kann in Ruhe das Bild gestalten. Hilfreich<br />

sind gerade für das Einbinden von Himmelsfarben<br />

und Himmelsobjekten lichtstarke<br />

Weitwinkelobjektive.<br />

Ideale Locations für ambitionierte<br />

Fotografen<br />

Wer die aktiven Vulkane genauer verfolgt,<br />

wird schnell feststellen, dass es neben den<br />

großen, sich in den Schlagzeilen wiederfindenden<br />

Eruptionen auch viele kleinere, aber<br />

dafür oft lang anhaltende Ereignisse gibt.<br />

Diese Vulkane entlassen den über lange<br />

Zeit angestauten Druck nicht plötzlich, sondern<br />

besitzen ein offenes Schlotsystem, das<br />

beständigen Druckabbau ermöglicht. Zwar<br />

besitzen solche kleinen Eruptionen bei Weitem<br />

nicht die gleiche Heftigkeit, aber genau<br />

das führt dazu, dass man sich bequem darauf<br />

einstellen kann. Die Einwohner haben<br />

sich an die beständigen kleinen Eruptionen<br />

gewöhnt und oft sogar eine Infrastruktur<br />

speziell für Vulkantourismus geschaffen.<br />

Eine längerfristige Reiseplanung ist durchaus<br />

möglich, und vor allem die Gefahren bei<br />

Annäherung sind besser einschätzbar. Die<br />

Trefferquote für gute Bilder steigt, da man<br />

den Moment mit gutem Wetter abwarten<br />

kann.<br />

Aber vor allem hat man bei solchen Vulkanen<br />

wesentlich mehr Möglichkeiten der Bildgestaltung.<br />

Zwar herrscht nicht die unglaubliche<br />

Gewalt einer großen Eruption, aber das<br />

wird mehr als wettgemacht durch die bessere<br />

Zugänglichkeit. Man kann verschiedenste<br />

Perspektiven einnehmen und auf Details<br />

achten. Während bei einer großen Eruption<br />

kaum mehr als eine riesige Aschewolke aus<br />

großer Entfernung erfassbar ist, erlebt man<br />

bei diesen kleineren Ereignissen erst richtig<br />

alle Begleiterscheinungen. Lavafetzen werden<br />

im Detail sichtbar, man sieht die Druckwellen<br />

aus dem Krater laufen, die Akustik ist<br />

direkt, Gasfackeln oder brennender Schwefel<br />

schaffen Farb akzente. Optimale Lichtstimmungen<br />

bei Sonnenauf- und -untergang<br />

sind planbar, man kann oft riskieren, auch<br />

die Nacht über zu beobachten. Dennoch<br />

muss man sich auch bei solchen Vulkanen<br />

der potenziellen Gefahren immer bewusst<br />

und entsprechend vorbereitet sein. Auch<br />

hier gibt es eine Grenze, die nicht überschritten<br />

werden darf.<br />

Typische daueraktive Vulkane, die sich ideal<br />

für einen ersten Besuch eignen, sind der<br />

Stromboli nahe Sizilien, der Kilauea auf Hawaii,<br />

der Pacaya und der Santiaguito in Guatemala,<br />

der Arenal in Costa Rica, der Erta Ale<br />

in Äthiopien, der Yasur auf Tanna (Vanuatu),<br />

der Semeru in Java und zu bestimmten Zeiten<br />

auch der sizilianische Ätna .<br />

Generell empfiehlt sich als Vorbereitung,<br />

eine gute körperliche Verfassung und einen<br />

guten Trainingszustand zu gewährleisten.<br />

Auch Bergsteigen hilft ungemein, um<br />

ein Gefühl für naturbelassenes Gelände,<br />

schwere Rucksäcke, Outdoorfähigkeit und<br />

den nötigen Orientierungssinn zu entwickeln.<br />

Natürlich ist all dies z. B. am Drivein-Vulkan<br />

Kilauea in Hawaii ebenso unnötig<br />

wie auf der gemütlich geführten Wanderung<br />

auf den Stromboli.<br />

207


AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 47 mm<br />

Belichtung 1/400 s<br />

Blende<br />

f/8,0<br />

ISO 100<br />

stab wird anhand benachbarter Objekte<br />

klarer. Die Anforderungen an die Kamera<br />

sind relativ gering, es herrscht genügend<br />

Licht, und man kann sich, ohne auf technische<br />

Schwierigkeiten achten zu müssen,<br />

voll auf die Bildgestaltung und den besten<br />

Moment konzentrieren. Die Entfernung gibt<br />

genügend Sicherheit – mit Ausnahme von<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 200 mm<br />

Belichtung 1/400 s<br />

Blende<br />

f/4,0<br />

ISO 400<br />

Eyjafjallajökull-Eruption,<br />

vom Kraterrand aus<br />

gesehen. Gerade eben<br />

löst sich der vorher alles<br />

verhüllende Nebel auf, ein<br />

besonders eindrucksvoller<br />

Vorgang. Man sieht,<br />

bedingt durch die Nähe<br />

von nur einigen hundert<br />

Metern, lediglich den<br />

alleruntersten Teil der<br />

Aschewolke, dafür ist die<br />

Stimmung und Akustik<br />

unbeschreiblich.<br />

Spektakulär: die Aschewolke<br />

des Eyjafjallajökull<br />

Diese geradezu klassische Erscheinungsform<br />

von aktivem Vulkanismus ist auch an<br />

daueraktiven Vulkanen zu beobachten. Besonders<br />

bei neu beginnenden Eruptionen<br />

werden diese Wolken sehr groß und dynamisch.<br />

Geht es bei einem größeren Ausbruch<br />

insbesondere um die Fotografie der<br />

Aschewolke, ist interessanterweise eine<br />

mehrere Kilometer entfernte Fotodistanz<br />

oft besser. Dann stimmt die Perspektive,<br />

die gesamte Form wird klar, und der Maß-<br />

208


KAPITEL 4<br />

TANZ AUF<br />

DEM VULKAN<br />

besonders großen Jahrhunderteruptionen<br />

natürlich, bei denen z. B. die gesamte Wolke<br />

kollabieren und sich in riesige pyroklastische<br />

Ströme verwandeln könnte.<br />

Vor allem Phasen mit hoher Austrittsgeschwindigkeit<br />

und Aschedichte sind lohnend,<br />

da die Wolke dann besonders gewaltig wirkende<br />

Formen bildet.<br />

Normalerweise glühen Aschewolken nicht,<br />

dafür ist die fein zerstäubte Lava schon zu<br />

kalt, wenn sie über die Kraterkante tritt. Jedoch<br />

hat sie bei sehr starken Ausbrüchen an<br />

der Basis noch genügend Hitze, um von innen<br />

heraus zu glühen. Dieses Schauspiel kann<br />

man sogar am Tag, vor allem im Schatten,<br />

beobachten. Faszinierend sind die schnell<br />

Eyjafjallajökull-Eruption,<br />

Blick vom Kraterrand in<br />

den aktiven Kessel. Die<br />

mit höchster Geschwindigkeit<br />

austretende Asche<br />

ist kurz nach ihrem Austritt<br />

noch so heiß, dass sie<br />

bei Tageslicht glüht.<br />

209


wechselnden Form- und Farbkombinationen.<br />

Neigt sich die Sonne dem Horizont zu<br />

und will man diese Glutästhetik ausreichend<br />

scharf einfangen, steigen die Anforderungen<br />

an die Kameraausrüstung stark an, denn die<br />

hoch beschleunigte Asche benötigt kurze<br />

Belichtungszeiten, die Details eine Telebrennweite<br />

und das schwächere Licht eine<br />

hohe Lichtstärke. Auch ist für solche Details<br />

eine wesentlich stärkere Annäherung an die<br />

Ausbruchstelle erforderlich.<br />

Bildgestaltungstipps für angehende<br />

Vulkanfotografen<br />

Hier gilt das Gleiche wie für die normale<br />

Landschaftsfotografie, jedoch lassen sich<br />

die Regeln in der Vulkanfotografie oft wesentlich<br />

schwieriger anwenden. Gerade das<br />

liefert aber eine zusätzliche Herausforderung,<br />

die unter anderem den Reiz dieses<br />

Themas ausmacht.<br />

Im Folgenden dazu einige Überlegungen:<br />

• Durch eine Vordergrund-Hintergrund-<br />

Aufteilung sollte möglichst ein räumlicher<br />

Eindruck geschaffen werden. Auch<br />

ein allseits bekanntes Objekt (Person,<br />

Gegenstand, Haus, ...) kann einen Maßstab<br />

geben und somit erst die Größe einer<br />

Aschewolke veranschaulichen.<br />

• Das Hauptobjekt, also der aktive Vulkan<br />

bzw. Schlot, muss zwar bilddominierend,<br />

aber nicht unbedingt mittig platziert werden<br />

(Stichwort Goldener Schnitt).<br />

Gerade diese Technik ist oft besonders<br />

schwierig anzuwenden, weil Vulkanausbrüche<br />

häufig in langen Abständen<br />

erfolgen und sich die Auswurfrichtung<br />

stark ändern kann. Hier benötigt man<br />

zwangsläufig eine gute Beobachtungsgabe,<br />

sehr viel Geduld, eine hohe Konzentration<br />

auch nach vielen Stunden<br />

Wartezeit und nicht zuletzt Glück.<br />

Wählt man die ideale Brennweite für nahezu<br />

bildfüllende Eruptionen, wirkt diese<br />

Problematik zusätzlich erschwerend.<br />

Hier hilft die moderne Digitaltechnik<br />

enorm, denn mit etwas weniger Brennweite<br />

und einem scharfen Objektiv ist<br />

bei den mittlerweile hochauflösenden<br />

Kameras das spätere Zuschneiden des<br />

Bilds problemlos machbar.<br />

So kann man den Austrittspunkt der<br />

Eruption genau in die Bildmitte nehmen<br />

und erst später am Rechner den optimalen<br />

Bildschnitt finden.<br />

• Achten Sie auf gute, aber nicht zu extreme<br />

Kontraste, die Lichtquelle (Sonne,<br />

Mond) sollte also eher auf der Seite<br />

sein. Gerade von hinten beleuchtete<br />

Szenen wirken oft sehr abgeflacht und<br />

wenig dynamisch.<br />

• Es sollte möglichst viel von der Dynamik<br />

des Vorgangs eingefangen werden,<br />

also vorzugsweise mit einer Weitwinkelbrennweite<br />

nahe am Geschehen. Ein<br />

Teleobjektiv zeigt oft nur ein sehr flaches<br />

und wenig strukturiertes Bild.<br />

• Schaffen Sie zusätzlich einen Überblick<br />

über das ganze Geschehen und binden<br />

Sie die weitere Umgebung ein:<br />

Natürlich sind Nah- und Detailaufnahmen<br />

unersetzlich und spektakulär. Aber<br />

erst die Überblicksaufnahme schafft die<br />

richtige Perspektive und Einordnung in<br />

die umgebende Landschaft.<br />

Geradezu erstaunlich ist oft, wie klein<br />

eine eigentlich riesige Aschewolke wirkt,<br />

wenn man sehr dicht dransteht, denn<br />

man sieht dann ja nur den alleruntersten,<br />

noch engen und im Vergleich zur<br />

210


KAPITEL 4<br />

TANZ AUF<br />

DEM VULKAN<br />

Gesamtwolke winzigen Teil. Erst in einigen<br />

Kilometern Entfernung stimmt die<br />

Perspektive, und man erblickt die volle<br />

vertikale Ausdehnung.<br />

• Fotografieren Sie möglichst viele unterschiedliche<br />

Ansichten: Erst mehrere<br />

Perspektiven und Einblicke schaffen<br />

Abwechslung und ein vollständiges Gesamtbild.<br />

Hier lohnt sich körperlicher<br />

Einsatz durchaus. Besonders hilfreich ist<br />

auch ein vorheriger Überflug mit einem<br />

Helikopter oder einer Propellermaschine<br />

– zuerst wegen der oft sehr interessanten<br />

Luftperspektive und danach auch für die<br />

weitere Planung im Gelände.<br />

Anforderungen an Mensch und<br />

Material<br />

Es ist eine Tatsache, dass mehr Vulkanbeobachter<br />

durch Wetter und Gelände ums<br />

Leben kommen als durch die Auswirkungen<br />

der Eruptionen selbst. Das ist bei der<br />

Wahl der Ausrüstung unbedingt zu berücksichtigen.<br />

Schon die abgelegeneren und<br />

unbekannteren Vulkane lehren einen sehr<br />

schnell, mit für uns Mitteleuropäer ungewohnten<br />

Bedingungen klarzukommen.<br />

Was zählt, sind Geduld und<br />

Konzentration<br />

Egal ob Tropen mit schwüler Hitze und zahlreichem<br />

Getier oder eisige Stürme in großer<br />

Höhe, auch hier gilt es, die Kamera sicher zu<br />

beherrschen und nicht an den harten Bedingungen<br />

zu scheitern. Dazu sind Geduld und<br />

Konzentrationsfähigkeit Voraussetzung – so<br />

z. B., wenn man nach zehn Stunden kalter<br />

durchwachter Nacht noch in der Lage ist, auf<br />

eine plötzlich ohne jedes Anzeichen beginnende<br />

Eruption in Sekundenbruchteilen zu<br />

reagieren, und den entscheidenden Moment<br />

mit der Kamera festhalten kann. Aus eigener<br />

Erfahrung entwickelt sich zwischen dem<br />

Vulkan und dem Beobachter schnell ein sonderbares<br />

Verhältnis. Der Vulkan gönnt dem<br />

Fotografen nicht einmal den kleinsten Keks,<br />

allein der Griff zum Rucksack und das Loslassen<br />

des Kameraauslösers reichen aus, um<br />

den stundenlang abgewarteten Eruptionsbeginn<br />

zu verpassen.<br />

Zum Trost sei gesagt, dass es oft auch kontinuierlich<br />

ablaufende Eruptionen gibt, bei<br />

denen man sich einzig auf die Bildgestaltung<br />

konzentrieren muss, immer natürlich<br />

unter Beachtung der Sicherheitsaspekte.<br />

Besonders bei hohen Vulkanen und in arktischen<br />

Regionen sollte man niemals die gute<br />

Bergsteigerausrüstung vergessen. Gerade<br />

in den Tropen kann es über 3.000 m empfindlich<br />

kalt werden, es gibt selbst dort immer<br />

wieder Todesfälle durch Erfrierung bei<br />

ungenügender Kleidung. Schon am Ätna<br />

können Steigeisen und Pickel einen Aufstieg<br />

erst möglich machen. Entsprechend<br />

winddichte Kleidung und ausreichend Flüssigkeit<br />

sind absolut notwendig, ebenso Biwakausrüstung<br />

für unerwartete Notfälle.<br />

Psychische Härte und Glück<br />

Die Vulkanfotografie wird immer eine Herausforderung<br />

bleiben. Auch ein hoher Aufwand<br />

garantiert keinesfalls einen Erfolg. Ich<br />

beschoss, eine lohnende Eruption auf der<br />

Vulkaninsel Reunion zu besuchen. Nach<br />

Ankunft am Vulkan konnte ich bei schlechtem<br />

Wetter in der Ferne die Eruption leuchten<br />

sehen. Wenige Stunden danach bei etwas<br />

besserem Wetter näherte ich mich der<br />

Eruptionsstelle, nur um festzustellen, dass<br />

die Eruption vor drei Stunden nach mehrmonatiger<br />

Daueraktivität für immer endete.<br />

Dennoch versucht man sein Glück bei der<br />

nächsten Eruption wieder.<br />

211


Pyroklastischer Strom<br />

auf der Karibikinsel<br />

Montserrat.<br />

Ebenso zahlt sich Hartnäckigkeit aus. Hier<br />

eine typische Szene zur Anschauung:<br />

Der Fotograf besteigt einen aktiven Vulkan,<br />

alles passt und die Kamera ist perfekt eingerichtet.<br />

Urplötzlich kommt dichter Gipfelnebel<br />

auf, stundenlanges Warten ist erfolglos.<br />

Er steigt unter großen Mühen bei null<br />

Sicht wieder ab, nur um auf halbem Abstieg<br />

festzustellen, dass sich der Gipfelnebel völlig<br />

auflöst. Er überlegt, völlig erschöpft und<br />

frustriert, weiter abzusteigen und bequem<br />

zu schlafen oder nochmals aufzusteigen mit<br />

dem Risiko erneuten Nebeleinfalls in dieser<br />

feuchten Nacht. Nach Überwindung steigt<br />

er nochmals auf, es bleibt klar, und es gelingen<br />

ihm mit die besten Aufnahmen, die er<br />

jemals an diesem Vulkan gemacht hat.<br />

Risiken beim Tanz auf dem Vulkan<br />

Ein erfahrener und umsichtig vorgehender<br />

Vulkanbeobachter geht in der Regel kein größeres<br />

Risiko ein als z. B. ein Berufskraftfahrer<br />

oder Bergsteiger, was sich auch anhand<br />

von Statistiken belegen lässt. Dennoch sind<br />

die Art und Schwere der Gefahren und deren<br />

eventuelle Folgen anders zu gewichten.<br />

Auch wenn die Wahrscheinlichkeit noch so<br />

gering ist, es besteht immer die Möglichkeit<br />

einer spontanen und völlig unerwarteten<br />

Reaktion des Vulkans. Hat man dabei das<br />

Pech, zur falschen Zeit am falschen Ort zu<br />

sein, kann eine ausweglose Situation entstehen.<br />

Verschärft wird das durch die oftmalige<br />

Unmöglichkeit einer Rettung oder Bergung.<br />

Anders als bei einem Auto- oder Bergunfall<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 111 mm<br />

Belichtung 1/640 s<br />

Blende<br />

f/8,0<br />

ISO 100<br />

212


KAPITEL 4<br />

TANZ AUF<br />

DEM VULKAN<br />

wird sich kaum ein Rettungsteam dem unerwartet<br />

reagierenden Vulkan in der eigentlich<br />

nötigen Schnelle nähern.<br />

Daraus folgt, dass man am Vulkan genau<br />

wie bei einer Expedition im ursprünglichen<br />

Sinn unterwegs ist. So wie sich ein Extrembergsteiger<br />

in großer Höhe und über einer<br />

langen Hochlagerkette völlig klar sein muss,<br />

dass es im Ernstfall keinerlei schnelle Rettung<br />

und oft nicht einmal eine Chance zur<br />

späteren Bergung gibt, muss man sich auch<br />

am Vulkan klar darüber sein, dass ein hohes<br />

Maß an Selbstverantwortung nötig ist. Es<br />

soll hier nicht übertriebene Angst geschürt<br />

werden, aber doch dringend vor naivem<br />

Vorgehen und unbedachter Leichtsinnigkeit<br />

gewarnt werden. Gerade weil die für manchen<br />

ungewohnte, aber unumgängliche<br />

Selbstverantwortlichkeit am Vulkan leicht<br />

unterschätzt wird, empfiehlt sich hierbei<br />

schon im Voraus, gerade darauf großes<br />

Augenmerk zu legen. Auch übernimmt der<br />

Autor keinesfalls eine Verantwortung für<br />

eine Nachahmung der beschriebenen Vorgehensweisen.<br />

Das ist die größte Gefahr<br />

bei einem Vulkanausbruch<br />

Ein instabiler, wachsender Lavadom, eine<br />

hügelartige Erhebung sehr zäher Lava oder<br />

eine kollabierende Aschewolke können einen<br />

sogenannten pyroklastischen Strom<br />

auslösen. Dabei werden das Magma und<br />

die Lavabrocken zu feiner Asche zermahlen,<br />

die dann zusammen mit den austretenden<br />

Gasen wie auf einem Luftkissen mit bis<br />

zu 400 km/h die Hänge hinunterrast. Da<br />

die Temperaturen innerhalb eines solchen<br />

Stroms 300 bis 800 °C betragen, verbrennt<br />

und pulverisiert er alles, was im Weg steht.<br />

Das ist mit die größte Gefahr eines Vulkanausbruchs<br />

und extrem schwer einschätzbar.<br />

Zahlreiche Tragödien der Menschheitsgeschichte<br />

belegen dies. Vielleicht geht gerade<br />

deshalb eine besondere Faszination<br />

davon aus. Wer schon einmal solch eine<br />

rasend schnell und völlig lautlos dahingleitende<br />

Wolke gesehen hat, wird das bestätigen.<br />

Bei halbwegs normalen Ausbrüchen<br />

und größerer Distanz gelingt es erstaunlich<br />

oft, dieses Phänomen zu beobachten.<br />

Aber für eine hochwertige Fotografie sind<br />

die Bedingungen meistens viel zu schlecht.<br />

Es stehen Bäume oder Hügel im Weg und<br />

verdecken die Flowfront, durch die große<br />

Entfernung fehlt die Detailzeichnung etc.<br />

SCHLOT UND LAVADOM<br />

Ein Schlot ist der Aufstiegskanal der<br />

Lava aus dem Erdinneren. Er kann in<br />

einem Krater, einer Eruptionsspalte<br />

oder einem Lavadom enden – auch als<br />

Vulkandom oder Staukuppe bezeichnet.<br />

Ein Lavadom ist eine hügel artige<br />

Erhebung aus sehr zäher Lava, die<br />

durch langsame Bewegung und<br />

schnelles Abkühlen kaum abfließen<br />

kann – gleich einem Pfropfen, der<br />

den Schlot verschließt. Lavadome<br />

können sehr instabil sein und bergen<br />

ein sehr großes Gefahrenpotenzial.<br />

So können sich zum Beispiel jederzeit<br />

pyro klastische Ströme, sprich Glutlawinen,<br />

lösen.<br />

213


AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 200 mm<br />

Belichtung 1/400 s<br />

Blende<br />

f/6,3<br />

ISO 100<br />

Kleiner pyroklastischer<br />

Strom am Soufriere-<br />

Hills-Lavadom auf der<br />

Karibikinsel Montserrat.<br />

Für die Bildqualität gilt, dass Nähe durch<br />

nichts zu ersetzen ist. Vor allem ein freier<br />

Blick ist Voraussetzung für ein klar gestaltetes<br />

Bild. Das bedeutet aber zusammen mit<br />

der erwähnten Risikosituation, dass man im<br />

Beobachterleben denkbar wenige vertretbare<br />

Gelegenheiten hat, dieses Phänomen<br />

zu fotografieren. Trotz ihrer enormen Hitze<br />

sehen diese Wolken am Tag nur völlig grauschwarz<br />

aus, es ist keine Glut erkennbar.<br />

Welcher Kameratyp eignet sich<br />

am besten?<br />

Zunächst stellt sich die Frage, welche Kamera<br />

sich am besten eignet. Im Grunde<br />

hat man keine Wahl mehr zwischen Emulsionsfilm<br />

und digitalem Sensor. Dennoch<br />

sei nicht vergessen, dass ein Negativ- oder<br />

Diafilm, was seine Dynamik und sein Farbspektrum<br />

betrifft, wesentlich besser als<br />

ein Bildsensor für die Abbildung extremer<br />

Farb- und Helligkeitskontraste geeignet war.<br />

Vergleicht man Dias von zurückliegenden<br />

Vulkanausbrüchen mit heutigen digitalen<br />

Aufnahmen ähnlicher Ausbrüche, zeigt sich<br />

eine spürbar bessere Zeichnung gerade des<br />

tiefen Rots der Lava beim Film. Dieses wirkt<br />

geradezu flach und zeichnungsarm bei der<br />

digitalen Version. Ebenso gerät der digitale<br />

Bildsensor bei helleren Stellen gnadenlos<br />

in die Sättigung, das Bild wirkt an diesen<br />

Stellen unnatürlich ausgebrannt, und oft<br />

treten durch Sättigungseffekte in nur einem<br />

Farbkanal Farben auf, die in der Natur so nie<br />

vorhanden waren. Dagegen hilft nur eine<br />

ausgefeilte Aufnahme- und Nachbearbeitungstechnik.<br />

214


KAPITEL 4<br />

TANZ AUF<br />

DEM VULKAN<br />

Andererseits lohnt sich der Weg zurück<br />

zum Film doch nicht, denn die digitale Technik<br />

bringt eben auch unschätzbare Vorteile<br />

gerade bei der Vulkanfotografie. Serienaufnahmen,<br />

um genau den richtigen Moment<br />

abzupassen, sofortige Kontrolle nach der<br />

Aufnahme und perfekte Fokussiermöglichkeiten<br />

sind oftmals einfach unverzichtbar<br />

geworden. Und die Probleme durch ungenügende<br />

Dynamik des Bildsensors kann<br />

man oft durch HDR-Techniken kompensieren.<br />

Zudem hat heute fast jede Digitalkamera<br />

einen Videomodus, und gerade<br />

eruptierende Aschewolken und Lavafontänen<br />

zeigen erst im Film ihre volle Dynamik<br />

und räumliche Wirkung. Außerdem hatten<br />

die zahlreichen Aschepartikel verheerende<br />

Folgen für den Emulsionsfilm (Kratzer) und<br />

das Kamerainnere beim nötigen Filmwechsel,<br />

mit einer großen Speicherkarte stellt<br />

sich dieses Problem nicht mehr.<br />

Für Eruptionen im Tageslicht eignet sich<br />

praktisch jede Kamera. Hier kann man auch<br />

zur kleinen Kompaktkamera greifen und mit<br />

niedrigen ISO-Werten selbst aus der Hand<br />

spontan die Ereignisse festhalten. Dies hat<br />

den Vorteil, dass man unbelastet durchs<br />

Gelände streifen kann und sich nicht mit<br />

schwerer Ausrüstung herumplagen muss.<br />

Hier trennt sich die Spreu vom Weizen<br />

Auf besondere Ereignisse reagieren zu können<br />

oder mit starken Kontrastunterschieden<br />

klarzukommen, wird allerdings schwierig<br />

sein. Gerade die Weitwinkelbereiche vom<br />

Kompaktkameras sind unzureichend, wenn<br />

Aschewolke am Vulkan<br />

Bromo in Ostjava,<br />

durch den sehr nahen<br />

Standort konnte die<br />

schnelle Bewegung<br />

mithilfe eines Weitwinkels<br />

eingefroren<br />

werden.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 24 mm<br />

Belichtung 2 s<br />

Blende<br />

f/1,4<br />

ISO 1600<br />

215


Dem Auswurfmaterial<br />

folgende Kondensationsspuren<br />

am Eyjafjallajökull<br />

in Island.<br />

Der blaue Himmel<br />

bietet einen kontrastreichen<br />

Hintergrund.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 116 mm<br />

Belichtung 1/640 s<br />

Blende<br />

f/5,6<br />

ISO 100<br />

sich überraschenderweise eine Aschewolke<br />

hoch in den Himmel erhebt. Die unbefriedigende<br />

Auslöseverzögerung macht es<br />

schwierig, genau den richtigen Moment<br />

einzufangen. Auch die sehr bescheidene<br />

Serienbildfunktion erlaubt nicht wirklich<br />

eine hohe Trefferquote beim Erfassen eines<br />

Eruptionsablaufs. Finden sich starke<br />

Lichtkontraste, geraten große Bildbereiche<br />

schnell in die Sättigung, die oft nicht abschaltbare<br />

Aufnahmeautomatik versagt in<br />

diesem Spezialgebiet manchmal völlig. Der<br />

Autofokus ist mit einer konturarmen Aschewolke<br />

völlig überfordert, und der manuelle<br />

Fokussiermodus reicht selten für eine wirklich<br />

pixelscharfe Einstellung.<br />

Kontrastunterschiede deutlich machen<br />

Oftmals kann man bei pulsartigen und in<br />

Abständen wiederkehrenden Eruptionen<br />

Druckwellen sehen, hören und fühlen. Gerade<br />

bei wolkigem und feuchtem Wetter<br />

zeigen sich diese durch spontane Kondensation<br />

an der Verdichtungswelle besonders<br />

deutlich. Sie entstehen, wenn der Schlot<br />

sich kurzfristig verstopft und der nachschiebende<br />

Druck ihn plötzlich freibricht. Leider<br />

ist dieses Phänomen der Videoaufzeichnung<br />

vorbehalten. Selbst ein Einzelbild einer<br />

Bildserie zeigt den Effekt nur marginal. Der<br />

visuelle Eindruck ist im Wesentlichen von<br />

der Differenz von Bild zu Bild abhängig, was<br />

nur ein ablaufender Film schafft.<br />

Anders bei Gasschleppen und Kondensationsstreifen:<br />

Die voranfliegenden Lavabrocken<br />

sind klar zu sehen, und die Fahnen<br />

halten sich eine geraume Zeit. Wichtig ist<br />

ein guter Kontrast zum Hintergrund, also<br />

ein blauer Himmel oder ein dunkler Kraterboden.<br />

Gegen eine Dampfwolke hat so ein<br />

Streifen keine Chance. Alle diese Phänomene<br />

sind mit derzeitiger Technik nachts<br />

noch nicht abbildbar.<br />

216


KAPITEL 4<br />

TANZ AUF<br />

DEM VULKAN<br />

MONDLICHT<br />

Plant man Nachtaufnahmen, ist das<br />

Mondlicht unabdingbar. Ideal ist der<br />

Vollmond, aber auch zwischen Halbund<br />

Vollmond lässt sich ausreichend<br />

Detailzeichnung in der Umgebung<br />

festhalten. Zur Not muss es die blaue<br />

Stunde tun, nur leider ist diese z. B.<br />

am Äquator sehr kurz. Ohne jedes<br />

aufhellende Licht kann man keine Details<br />

in bewegten Szenen einfrieren,<br />

die Lava steht steril ohne jede weitere<br />

Struktur im Bild. Sie wirkt unecht, es<br />

fehlt jeder Maßstab.<br />

Extrem heiße Glutlawinen bei Nacht<br />

Vor allem wenn man auch an der Nachtfotografie<br />

Interesse hat, geht es nur mit einer<br />

digitalen Spiegelreflexkamera oder auch<br />

einer spiegellosen Systemkamera ohne Reflexsucher,<br />

die in der Bildgüte und Leistung<br />

den DSLR-Kameras in nichts nachsteht.<br />

Dennoch wird schnell klar, dass auch ein<br />

noch so perfekter Digitalsucher nachts völlig<br />

überfordert ist. Die Bildgestaltung in der<br />

Nacht gerät damit zum reinen Glücksspiel.<br />

Will man zum Beispiel die Strukturen einer<br />

Aschewolke erhalten oder die Dynamik einer<br />

Eruption festhalten, benötigt man kurze<br />

Belichtungszeiten.<br />

Ein Extrembeispiel sind Glutlawinen bei<br />

Nacht. Will man die glühende Front überhaupt<br />

noch mit Struktur abbilden, muss<br />

man an die Grenze des technisch Möglichen<br />

gehen. Anders als am Tag ist es hier<br />

möglich, die vordere wirbelnde und alles<br />

Dem Auswurfmaterial<br />

folgende Kondensationsspuren<br />

am Eyjafjallajökull<br />

in Island, diesmal mit<br />

dunklem Hintergrund.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 200 mm<br />

Belichtung 1/100 s<br />

Blende<br />

f/5,0<br />

ISO 100<br />

217


AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 50 mm<br />

Belichtung 1 s<br />

Blende<br />

f/1,4<br />

ISO 1600<br />

Vulkandom Soufriere Hills auf der Karibikinsel Montserrat. Pyroklastischer Strom während einer<br />

Vollmondnacht.<br />

218


KAPITEL 4<br />

TANZ AUF<br />

DEM VULKAN<br />

vernichtende Front glühen zu sehen. Ebenso<br />

bildet der besonders feine Staub, der<br />

sich danach am Boden absetzt, einen tiefroten<br />

Fußabdruck. Dieser ist nach Abzug<br />

der Wolke noch minutenlang zu sehen und<br />

schafft eine besondere Stimmung. Aufgrund<br />

der hohen Geschwindigkeit solcher<br />

Glutlawinen, der relativ schwachen Glutintensität<br />

und der geringen Nachthelligkeit ist<br />

es besonders schwierig, dieses Phänomen<br />

abzubilden. Dementsprechend selten findet<br />

man daher solche Bilder.<br />

Will man hier Erfolg haben, muss man an<br />

die Grenzen des Machbaren gehen, also<br />

höchste Lichtstärke, höchste vertretbare<br />

ISO-Empfindlichkeit, Vollformatkamera und<br />

Vollmond bei klarem Wetter. Belichtungszeiten<br />

sollten keinesfalls länger als 1 Sekunde<br />

sein, sonst verschwimmt jede Kontur. Es<br />

bietet sich an, eine Bildserie anzufertigen.<br />

Erstens kann man dann später die beste<br />

Phase auswählen, und zweitens ist die Erstellung<br />

eines Zeitrafferfilms möglich.<br />

Das bedeutet, einen möglichst rauscharmen<br />

Kamerasensor zu verwenden. Hier gilt<br />

die Regel: Je größer der Sensor und auch je<br />

größer die einzelnen Pixel, desto weniger<br />

rauscht es. Damit wird klar, dass nur ein<br />

sogenannter Vollformatsensor (entspricht<br />

Kleinbildfilmgröße) diesen Wunsch erfüllen<br />

kann. Egal wie professionell eine Kamera<br />

mit APS-Sensor (Cropfaktor 1,5 bis 2) auch<br />

ist, sie reicht in puncto Rauschen und damit<br />

High-ISO-Bildqualität niemals an einen<br />

Vollformatsensor heran. Wenn man sich<br />

bei den aktuellen Kameramodellen einliest,<br />

stellt man fest, dass praktisch alle APS-<br />

Kameras ein vergleichbares Rauschniveau<br />

haben. Es variiert höchstens um eine drittel<br />

bis eine halbe Blendenstufe. Der Vollformatsensor<br />

bringt hier einen Vorteil von bis zu<br />

mehr als zwei Blendenstufen. Das bedeutet<br />

219


ZWEITKAMERA<br />

MIT ALTERNATIVER<br />

BESTÜCKUNG<br />

Übrigens kann sich vor allem an Vulkanen<br />

mit sporadischer, phasenweiser<br />

Aktivität eine Zweitkamera mit<br />

anderer Bestückung sehr bewähren.<br />

Denn wenn man stundenlang auf die<br />

vielleicht einzige Eruption der Nacht<br />

wartet und dann feststellt, gerade die<br />

falsche Brennweite oder den falschen<br />

Bildausschnitt an der Kamera eingestellt<br />

zu haben, ist dies oft nicht korrigierbar<br />

und kann frustrieren. Zudem<br />

kann man damit parallel fotografieren<br />

und eventuell filmen.<br />

z. B. den Unterschied zwischen einer Belichtung<br />

von 1 und 6 Sekunden, bei einer schnellen<br />

Aschewolke ist dies der Unterschied<br />

zwischen scharf und unbrauchbar.<br />

Bei dieser Betrachtung wird natürlich nur<br />

das RAW-Format herangezogen, jegliche<br />

Rauschunterdrückung in der Kamera verfälscht<br />

das Bild. Gerade in der Vulkanfotografie<br />

bei Nacht sind oft die Sterne ein wichtiges<br />

Bildelement. Diese vertragen keinen<br />

Standard-Entrauschalgorithmus, weil er die<br />

Sterne als störendes Rauschen interpretiert<br />

und abschwächt. Dasselbe gilt für kleine,<br />

glühende Lapilis, also kleinste Lavabröckchen,<br />

die in der Nacht oft die Kraterkonturen<br />

betonen. Genau deshalb sollte man nicht auf<br />

das Entrauschen setzen, diese Algorithmen<br />

sind für gängige Motive wie Porträts oder<br />

Landschaften entwickelt worden. Es empfiehlt<br />

sich, das Entrauschen, wenn es denn<br />

wirklich nötig ist, gezielt und vor allem reversibel<br />

später am PC durchzuführen.<br />

Nun könnte man sagen, dass für eine weitere<br />

Optimierung noch größere Sensoren<br />

sinnvoll wären. Das stimmt zwar physikalisch<br />

gesehen, aber in der Praxis sind die<br />

Sensoren der digitalen Mittelformatkameras<br />

nicht auf High-ISO optimiert, hier gelten<br />

andere Kriterien.<br />

Einen gewaltigen Vorteil würden Spezialkameras<br />

bringen, wie sie in der Astronomie<br />

eingesetzt werden. Mit entsprechender<br />

Kühlung und hochoptimierten Sensoren<br />

bis zu mehrfacher Kleinbildgröße könnte<br />

man nochmals mehrere Blendenstufen gewinnen.<br />

Allerdings besteht ein rein praktisches<br />

Problem. Vulkanfotografie bei Nacht<br />

ist fast immer eine Stresssituation, man<br />

hat nicht geschlafen, es sind Sicherheitsaspekte<br />

zu beachten, und man befindet sich<br />

in sehr kamerafeindlicher Umgebung. Wer<br />

unter diesen Bedingungen eine kompliziert<br />

zu bedienende Spezialkamera mit zahlreichen<br />

Kabeln, Stromversorgung und Steuer-<br />

PC beherrschen will, wird schnell verzweifeln<br />

oder vielleicht das schwere Equipment<br />

erst gar nicht zum Vulkan schleppen können.<br />

Deshalb dürfte derzeit noch eine speziell<br />

gewählte DSLR die beste Wahl sein.<br />

Unverhofft kommt oft: das richtige Stativ<br />

Ein besonders heikles Thema, denn je stabiler<br />

und schwerer, desto besser, aber ein<br />

schweres Stativ belastet im Gelände ungemein<br />

und verhindert unter Umständen<br />

eine erfolgreiche Annäherung. Andererseits<br />

kann ein leichtes Stativ den Erfolg vereiteln,<br />

wie der Autor mehrfach leidvoll erfahren<br />

musste.<br />

Fazit: Eine gewisse Stabilität ist für ein erfolgreiches<br />

Arbeiten unverzichtbar. Dies<br />

betrifft die Live-View-Fokussierung, die am<br />

220


KAPITEL 4<br />

TANZ AUF<br />

DEM VULKAN<br />

zittrigen Stativ ebenso wie durch den oftmals<br />

vorhandenen Wind misslingt. Auch<br />

der Spiegelschlag der Kamera kann schon<br />

bei Brennweiten unter 200 mm erheblich<br />

stören. Die praktische Spiegelvorauslösung<br />

ist gerade bei strombolianischen Eruptionen<br />

nicht anwendbar, weil man damit den<br />

perfekten Zeitpunkt garantiert verpasst.<br />

Also bleibt nur eine kompromisslose Optimierung<br />

des Stativs. Der Autor verzichtet<br />

auf jegliche Bequemlichkeit, die das Gewicht<br />

mit sich bringt, und wählt einen nicht<br />

ausziehbaren Unterbau aus Carbon in Verbindung<br />

mit einem vollflächigen Kugelkopf<br />

ohne Schwenkneiger. Dabei ist das Ziel, die<br />

2 kg keinesfalls zu überschreiten und dennoch<br />

maximale Stabilität zu haben. Kommt<br />

man aufgrund des Standorts und der Eruptionsform<br />

ohne Teleobjektiv aus, reicht<br />

auch ein Ministativ. Jedoch gilt die Regel:<br />

Unverhofft kommt oft.<br />

Betauung, Korrosion und Abnutzung<br />

In den Tropen und vor allem in Meeresnähe<br />

kommt es bei nächtlicher Abkühlung<br />

und Ausrichtung des Objektivs in Richtung<br />

Himmel gern zur Betauung der Optik. Dieses<br />

Problem ist aus der Astrofotografie<br />

leidlich bekannt und dort durch eine Taukappe<br />

samt Heizung zuverlässig gelöst.<br />

Leider verbessern die Sonnenblenden der<br />

Objektive die Situation nur leicht, aber bei<br />

Weitem nicht so effektiv wie eine ausgeprägte<br />

Taukappe. Auch hat man normalerweise<br />

nicht genügend Akkus am Vulkan,<br />

um die Frontlinsen einfach freizuheizen.<br />

Nun hilft das Abwischen mit einem sauberen<br />

Tuch kaum, denn wenn das Objektiv<br />

erst einmal auf die Umgebungstemperatur<br />

abgekühlt ist, bildet sich umgehend wieder<br />

Tau. Zudem besteht die erhebliche Gefahr,<br />

durch angeflogene Ascheteilchen bleibende<br />

Kratzer in die Linse zu reiben. Am effektivsten<br />

ist eine selbst gebaute Taukappe mit<br />

mindestens drei- bis vierfachem Objektivdurchmesser,<br />

aber dies funktioniert wegen<br />

des Bildfelds nur bei Teleobjektiven. Häufig<br />

bleibt nur ein einfacher Objektivwechsel<br />

und das Aufwärmen der Optik am Körper.<br />

Unglücklicherweise verliert man damit den<br />

mühsam eingestellten Fokus.<br />

Wenn irgend möglich, hilft ein weiter im<br />

Festland oder in größerer Höhe gelegener,<br />

trockenerer Standort. Übrigens auch eine<br />

größere Nähe zur Eruption, denn die Infrarotstrahlung<br />

der Lava verhindert effektiv<br />

Objektivbetauung. Dummerweise ist das<br />

hinsichtlich der eigenen Sicherheit nicht<br />

immer möglich.<br />

Je nach Ausbruchform und Standort kann<br />

die Kamera sehr stark unter aggressiven<br />

Gasen und Vulkanasche leiden. Hier hilft ein<br />

Schutzbeutel oder Gehäuse, auch wenn sich<br />

das Kamerahandling dadurch erschwert. Bei<br />

direkter Gaseinwirkung, vor allem in Kombination<br />

mit Feuchte und sich daraus bildenden<br />

Säuretröpfchen, kann schon nach kurzer<br />

Einwirkdauer die Vergütung der Objektive<br />

dauerhaft beschädigt werden. Interessanterweise<br />

kann das auch in Geothermalgebieten<br />

durch Geysire geschehen, wie der Autor<br />

ebenfalls leidvoll erfahren musste. Hier hilft<br />

nur ein Frontfilter, der sich aber leider in<br />

manchen Aufnahmesituationen negativ auswirkt,<br />

siehe weiter oben.<br />

Ascheeruptionswolke vor Sternenhimmel<br />

Natürlich sind hier die Formen gleich der<br />

einer normalen Aschewolke – der große<br />

und sehr lohnende Unterschied liegt aber<br />

im Sternenhimmelhintergrund und in der<br />

wesentlich intensiveren Rotwiedergabe der<br />

mit ausgeworfenen Lava. Geht man den<br />

Weg einer längeren Belichtung, gelingt es<br />

zwar, perfekte Flugparabeln der Lavabrocken<br />

abzubilden, aber der Rest des Bilds<br />

221


AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 50 mm<br />

Belichtung 2,5 s<br />

Blende<br />

f/1,4<br />

ISO 200<br />

Oben: Vulkan Sakurajima<br />

in Südjapan, alle<br />

ein bis sieben Stunden<br />

findet eine heftige<br />

Eruption statt, die eine<br />

mehrere Kilometer hohe<br />

Aschewolke produziert.<br />

Bei diesem Bild musste<br />

die Zweitkamera samt<br />

Panoramatechnik<br />

herhalten, während die<br />

Hauptkamera für das<br />

Tele reserviert war.<br />

Rechts: Von der Lava<br />

im Krater beleuchtete<br />

Aschewolke am Vulkan<br />

Krakatau in Indonesien,<br />

22.5.2008.<br />

leidet stark. So ziehen sich die Sterne zu<br />

kurzen Strichen aus, was einen sehr unharmonischen<br />

und minderwertigen Eindruck<br />

erzeugt. Die Aschewolke verschmiert zu<br />

einem konturlosen, halb durchsichtigen<br />

Matsch ohne Ästhetik, und eventuelle<br />

Ereignisse wie Überschlagsblitze stehen<br />

zusammenhanglos im diffusen Raum – abgesehen<br />

von sehr starken Ausbrüchen mit<br />

Mehrfachblitzen.<br />

Wenn sich aber der Mond nahe der Vollmondphase<br />

befindet, gelingt es, das Geschehen<br />

quasi einzufrieren, selbst noch bei<br />

bewölktem Himmel. Hierfür eignen sich<br />

Brennweiten vom Weitwinkel bis zum leichten<br />

Tele, die Relativbewegung der Wolke<br />

im Bild ist noch beherrschbar. Je nach Geschwindigkeit<br />

und Nähe gelingt es, mit 1 bis<br />

6 Sekunden die dominierenden Konturen<br />

zu erhalten. Natürlich wird damit die Wolke<br />

nicht genauso scharf wie am Tag, aber<br />

dennoch reicht es völlig für einen realistischen<br />

Eindruck. Muss man wegen größerer<br />

Distanz zum 200-mm-Tele greifen, bleiben<br />

einem fast nur die aufwendigen Sonderkonstruktionen<br />

– Blende f/1,8 oder f/2. Selbst<br />

mit einer Öffnung von f/2,8 gelingt es kaum<br />

mehr, die Wolke vor dem Verschmieren zu<br />

retten. Pflicht ist hier möglichst perfekte<br />

Scharfstellung, weil die voll geöffneten Objektive<br />

bei Blende 1 bis 2 enorm fokuskritisch<br />

sind.<br />

222


KAPITEL 4<br />

TANZ AUF<br />

DEM VULKAN<br />

Wieder ist die Vollformatkamera klar im Vorteil,<br />

denn ein Blendenvorteil von 1 bis 2 bei<br />

High-ISO und die durch die Bewegung vorgegebene<br />

Maximalbelichtungszeit bringen den<br />

wesentlichen Unterschied beim Rauschen.<br />

Bei kleineren Aschewolken steht weniger die<br />

Wolkenform im Vordergrund, sondern die<br />

Farbkomposition mit Mondlicht, Himmelshintergrund<br />

und Lavabeleuchtung.<br />

Zoomobjektive oder lichtstarke<br />

Festbrennweiten?<br />

Tagsüber und bei nächtlichen Langzeitbelichtungen<br />

genügen ein oder zwei normal geöffnete<br />

Zoomobjektive, vielleicht zusammen<br />

mit einem Extremweitwinkel oder Fisheye<br />

völlig, je nach Anspruch an die Bildqualität in<br />

entsprechend hochwertiger Ausführung.<br />

RICHTIGER ZEITPUNKT FÜR DIE AUSLÖSUNG<br />

Je nach Eruptionsform gibt es oft ein sehr kleines Zeitfenster für den<br />

optimalen Auslösezeitpunkt. Belichtet man erst zu Beginn der Eruption,<br />

verschleiert sich das Bild durch das austretende Material in Kürze, und<br />

der entstehende Schatten dunkelt die eigentlich wichtige Umgebung ab.<br />

Das Bild wirkt dann vernebelt, schlecht durchzeichnet und kontrastarm.<br />

Belichtet man pausenlos Serien, um vor dem Ausbruch eine optimale<br />

Vorbelichtung der klaren und durchzeichneten Landschaft zu haben,<br />

erwärmt sich der Sensor übermäßig und verschlechtert die Bildqualität.<br />

Legt man dagegen Bilder mit weitem zeitlichen Abstand übereinander, ist<br />

das Kunst und hat mit realitätsnaher Fotografie nichts mehr zu tun.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 50 mm<br />

Belichtung 4 s<br />

Blende<br />

f/1,4<br />

ISO 400<br />

223


AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 135 mm<br />

Belichtung 1/400 s<br />

Blende<br />

f/2,5<br />

ISO 100<br />

Die höhere Flexibilität ist der große Vorteil,<br />

es empfiehlt sich im Interesse der Abbildungsgüte,<br />

kein Zoomobjektiv mit einem<br />

Zoomfaktor größer 4x zu verwenden. Der<br />

unglückliche Trend zu Superzooms arbeitet<br />

völlig gegen die immer höhere Pixeldichte<br />

der neuen Kameras. Hier ist Enttäuschung<br />

vorprogrammiert, die Physik lässt sich nicht<br />

austricksen.<br />

Für das Vollformat wäre die ideale Kombination<br />

24-75 mm und 70-200 mm. Legt<br />

man den Schwerpunkt auf Festbrennweiten,<br />

ist es im Interesse des Gesamtgewichts<br />

sinnvoll, sich auf Lichtstärken von 4,0 bis<br />

5,6 zu beschränken. Ist man bereit, bei der<br />

Nachtfotografie Kompromisse einzugehen,<br />

kann man versuchen, alle Festbrennweiten<br />

wegzulassen und dafür zwei gute Zoomobjektive<br />

mit Offenblende f/2,8 zu verwenden.<br />

Damit ist man natürlich besonders<br />

beweglich. Dazu noch ein Fisheye oder ein<br />

leichtes Weitwinkelzoom mit einem Telekonverter<br />

für Notfälle, und fertig ist die Allroundausrüstung.<br />

Gerade mit einer Vollformatkamera<br />

ist diese Objektivausstattung<br />

oft ausreichend, weil der Sensor unter nicht<br />

zu dunklen Bedingungen meist schon bei<br />

Blende f/2,8 rauscharm genug arbeitet.<br />

Leider wiegen aber 2,8er-Zooms erheblich<br />

mehr als 4-5,6er, für das Differenzgewicht<br />

kann man genauso gut einige Festbrennweiten<br />

mitnehmen, was dann aber nochmals<br />

erheblichen Lichtgewinn bringt – 24 mm,<br />

f/1,4 und 50 mm, f/1,4 – das war für den<br />

Autor bisher die beste Lösung.<br />

Plant man, die Geschehnisse bei Nacht mit<br />

kurzen Belichtungszeiten quasi einzufrieren,<br />

kommt man um besonders lichtstarke<br />

Festbrennweiten nicht herum. Im Gegensatz<br />

zu der nun bereits häufiger gehörten<br />

224


KAPITEL 4<br />

TANZ AUF<br />

DEM VULKAN<br />

Aussage, dass aufgrund der immer besser<br />

werdenden Bildsensoren für alle Anwendungen<br />

auch ein lichtschwaches Zoom<br />

ausreicht, gilt gerade bei der Vulkanfotografie,<br />

dass jedes Photon zählt. Und damit<br />

eben auch die deutlich größere eingefangene<br />

Lichtmenge mit Festbrennweiten. Es<br />

ist sogar der Fall, dass eine Festbrennweite<br />

mit dem gleichen geometrischen Öffnungsverhältnis<br />

wie ein vergleichbares Zoom<br />

meistens mehr Lichtdurchlass bietet. Dies<br />

beruht unter anderem auch auf der Anzahl<br />

der nötigen Linsenelemente. Mehr Linsen<br />

bedeuten immer noch weniger Lichtdurchlass<br />

trotz gleicher Öffnung. Es gibt sehr erfahrene<br />

Vulkanfotografen, die aus Prinzip<br />

nur mit Festbrennweiten arbeiten.<br />

Rauchring im Strombolikrater.<br />

Rauchringe mit einem Teleobjektiv<br />

einfangen<br />

Besteht das richtige Verhältnis und die Symmetrie<br />

über einem aktiven vulkanischen<br />

Schlot mit Gasaustritt, kann manchmal die<br />

Bildung von Rauchringen unterschiedlicher<br />

Größe beobachtet werden. Diese sind problemlos<br />

mit einem Teleobjektiv erfassbar,<br />

denn sie sind erstaunlich stabil und können<br />

sich minutenlang halten. Herrscht kaum<br />

Wind, gelingt es sogar, diese in Vollmondnächten<br />

am Nachthimmel abzubilden. Einziges<br />

Problem ist die schwere Vorhersagbarkeit.<br />

Es kann ein einziger Ring am Tag<br />

entstehen, dann kommt es darauf an, eine<br />

solche Gelegenheit zu nutzen. Bei kleinen<br />

Eruptionen, bei denen sich der Fotograf gut<br />

annähern kann, hilft es, auf pulsartige Gasfreisetzungen<br />

zu achten und den entsprechenden<br />

Schlot im Auge zu behalten.<br />

225


Gute Fokussierung macht<br />

den Unterschied<br />

Eines der wichtigsten Themen, denn eine gut<br />

fokussierte Aufnahme macht den wesentlichen<br />

Unterschied, vor allem bei schwer vorherbestimmbaren<br />

Bildausschnitten von nur<br />

in großen Abständen erfolgenden Eruptionen.<br />

Das nachträgliche Beschneiden des<br />

Bilds kann für eine gute Bildgestaltung nötig<br />

werden. Ein nicht optimal scharfes Bild lässt<br />

sich kaum croppen.<br />

Dieses Thema wird in der normalen Fotografie<br />

gern vernachlässigt, da heutige Autofokussysteme<br />

mit den Standardbedingungen<br />

meistens hervorragend klarkommen.<br />

Auch in der Vulkanfotografie am Tag kann<br />

man sich in den meisten Fällen darauf verlassen.<br />

Einzig bei schnell aufsteigenden<br />

Aschewolken oder plötzlich und überraschend<br />

startenden Ausbrüchen ist es sinnvoll,<br />

auf die erwartete Distanz vorab scharf<br />

zu stellen. Denn geht in der Hektik des<br />

losbrechenden Ausbruchs der Autofokus<br />

daneben, ist die Gelegenheit des perfekten<br />

Moments eventuell vertan. Anders als z. B.<br />

in der Tierfotografie hat man oft keine zweite<br />

Chance. Aber Vorsicht, viele Zoomobjektive<br />

haben keinen gleichbleibenden Fokus<br />

über den gesamten Brennweitenbereich.<br />

Bei Nachtaufnahmen gestaltet sich die Fokussierung<br />

besonders schwierig. Gerade<br />

hochgeöffnete Objektive sind in der Scharfstellung<br />

extrem kritisch. Zudem kommt<br />

der oben diskutierte problematische Farblängsfehler<br />

hinzu. Hier gilt es, genau auf die<br />

Lavabrocken scharf zu stellen bzw. einen<br />

optimalen Schärfekompromiss zwischen<br />

normalfarbigem Krater und rotfehlerbehafteter<br />

Lava zu finden. Gerade strombolianische<br />

Eruptionen mit ihren schnell abkühlenden<br />

Auswurfschlacken geben wenig<br />

Gelegenheit, auf die Lava scharf zu stellen.<br />

ABBILDUNGSFEHLER<br />

IN DEN BILDECKEN<br />

Insbesondere bei Weitwinkel- und<br />

Normalobjektiven können in den Bildecken<br />

Abbildungsfehler in Form von<br />

Koma und Astigmatismus entstehen.<br />

Es zeigen sich hässliche Striche und<br />

Bögen um helle Lichtquellen wie Sterne,<br />

Lava und Lampen. Um diese Fehler zu<br />

minimieren, hilft nur abblenden. Und<br />

genau das können wir nachts am Vulkan<br />

bei schnellen Bewegungen nicht. Einzige<br />

Möglichkeit ist dann die Vermeidung<br />

heller, punktförmiger Lichtquellen<br />

in den Bildecken. Sterne sind noch<br />

beherrschbar, da die wenigen genügend<br />

hellen gut retuschiert werden können.<br />

Aber spätestens bei den Lichtern einer<br />

Stadt in der Ferne ist Schluss, hier wird<br />

man scheitern. Bei Teleobjektiven ist<br />

dieser Fehler leichter korrigierbar und<br />

daher oft nicht spürbar.<br />

FILTER: JA ODER NEIN?<br />

Obwohl Filter generell als Schutz zu<br />

empfehlen sind, muss man sich dennoch<br />

klar sein, dass gerade die Vulkanfotografie<br />

mit ihren oft hohen Kontrasten<br />

in der Nacht sehr anfällig für störende<br />

Reflexe ist. Ein Frontfilter zeichnet z. B.<br />

bei einem Blitz in einer Aschewolke oder<br />

auch bei einer lokal übersättigten Lavabombe<br />

einen hässlichen und oft kaum<br />

retuschier baren Reflex. Der Autor ist sich<br />

darüber im Klaren und verzichtet daher<br />

bewusst auf solche Filter, er befindet sich<br />

damit in guter Gesellschaft von anderen<br />

Vulkan fotografen. Denn in der Hektik hat<br />

man oft nicht die Muße, den Filter abzuschrauben.<br />

Der Preis dafür ist erhöhter<br />

Objektivverschleiß, aber auch die größere<br />

Chance auf das perfekte Bild.<br />

226


KAPITEL 4<br />

TANZ AUF<br />

DEM VULKAN<br />

Der Autofokus kann eine Hilfestellung sein,<br />

richtig verlässlich ist er unter diesen Bedingungen<br />

definitiv nicht.<br />

Auch der von alten Objektiven bekannte<br />

Unendlich-Anschlag reicht in seiner Genauigkeit<br />

nicht für heutige Bildsensorauflösungen.<br />

Man braucht also nicht zu bedauern,<br />

dass er bei heutigen Autofokusobjektiven<br />

fehlt. Eher schon die generell instabilere<br />

Bauweise, diese ist der Preis, den der Trend<br />

zur höchstmöglichen Autofokusgeschwindigkeit<br />

mit sich bringt.<br />

In Anbetracht des in dieser Situation unzuverlässigen<br />

Autofokus hilft der Live-View,<br />

den praktisch alle neueren DSLRs mitbringen,<br />

ungemein. Hier kann intuitiv mit maximaler<br />

Vergrößerung auf z. B. glühende Lavabrocken<br />

fokussiert und somit schnell ein<br />

sehr gutes Fokusergebnis erzielt werden.<br />

Generell kann man sagen, dass bei Objektivbrennweiten<br />

vom Fisheye bis zu etwa<br />

35 mm oft eine Unendlich-Fokussierung an<br />

Sternen oder weit entfernten Straßenlampen<br />

gute Ergebnisse bringt.<br />

Bei Brennweiten darüber, insbesondere bei<br />

Nicht-APO-Objektiven, kommt man kaum<br />

umhin, direkt auf die Lava zu fokussieren.<br />

Sind die Objektive stark farblängsfehleranfällig,<br />

gilt es, den für das jeweilige Objektiv<br />

besten Kompromiss einzustellen – also z. B.<br />

genau auf die Lava zu fokussieren und danach<br />

ein klein wenig auf den normalfarbigen<br />

Fokus nachzustellen.<br />

Entscheidend ist auch, die Fokusverschiebung<br />

durch Temperaturänderung nicht zu<br />

vergessen!<br />

Gerade bei beginnender Nacht herrscht oft<br />

ein starkes Temperaturgefälle, und auch<br />

beim ersten Aufsetzen des noch tagwarmen<br />

Objektivs auf das Stativ. Gerade bei<br />

APO-Teleobjektiven kann der Fokusdrift<br />

erheblich sein. Hier ist ein oftmaliges Nachfokussieren<br />

unabdingbar.<br />

Es muss klar sein, dass solche Objektive<br />

nicht für lang anhaltenden stabilen Fokus<br />

gebaut wurden, weil das deren normale<br />

Anwendung nicht erfordert.<br />

Weitwinkelobjektive dagegen bleiben aufgrund<br />

ihrer kurzen Brennweite davon verschont,<br />

was deren Bedienung erheblich<br />

vereinfacht.<br />

Unvorhersehbare Blitzentladungen<br />

einfrieren<br />

Durch die zahlreichen fein verteilten und<br />

hoch beschleunigten Lavateilchen kommt<br />

es teilweise zu starker Ladungstrennung.<br />

Bei den richtigen Verhältnissen entstehen<br />

so mehr oder weniger starke Überschlagsblitze<br />

innerhalb der Wolke oder auch auf<br />

die Umgebung übergreifend. Für eine detaillierte<br />

Abbildung wären hier Teleobjektive<br />

sinnvoll. Leider ist der genaue Blitzort<br />

schwer abzuschätzen, die Gefahr eines<br />

falschen Bildausschnitts ist zu groß. Daher<br />

empfehlen sich hier eher Normalobjektive<br />

oder kurzbrennweitige Teles.<br />

Ein Problem besteht in der genauen Abschätzung<br />

des Blitzzeitpunkts. Natürlich<br />

könnte man den Kameraverschluss einfach<br />

sekundenlang offen lassen, aber damit verwischen<br />

alle anderen Strukturen. Folgt der<br />

Blitz einer strombolianischen Phase, darf<br />

man nicht zu früh auslösen, sonst zeichnen<br />

sich angeschnittene Glutparabeln über den<br />

Blitz – jedoch auch nicht zu spät, sonst findet<br />

sich weder das eine noch das andere<br />

auf dem Bild.<br />

Bei starken Eruptionen mit zahlreichen Blitzen<br />

wird es wieder einfacher, denn jeder Blitz<br />

friert ähnlich einem Kamerablitz seine nähere<br />

Umgebung ein. Selbst bei minutenlanger<br />

Belichtung erscheint die zugehörige Aschewolke<br />

zumindest zonal noch völlig scharf.<br />

227


Blitzentladung am<br />

Vulkan Sakurajima<br />

in Südjapan – festgehalten<br />

mit Normalobjektiv.<br />

Dazu ist Abblenden durchaus legitim, denn<br />

besonders helle Blitze überstrahlen schnell<br />

und bringen Bildteile in die Sättigung. Bei<br />

Tageslicht ist es fast völlig aussichtslos, die<br />

wenigen Millisekunden genau zu erwischen.<br />

Hier hilft zumindest für einfache Ansprüche<br />

der Ausschnitt eines Einzelbilds aus einer<br />

Zwei-Megapixel-HD-Videoszene.<br />

Traumobjektiv für nächtliche Vulkanfotografie<br />

Ein wichtiger Faktor beim Einfrieren nächtlicher<br />

Bewegung ist auch die Brennweite.<br />

Ein Foto mit Teleobjektiv wird wesentlich<br />

schneller „verwischen“ als ein Weitwinkelbild.<br />

Damit ist das Traumobjektiv für die<br />

nächtliche Vulkanfotografie ein möglichst<br />

starkes Weitwinkel mit maximaler Öffnung.<br />

RICHTIGER ZEITPUNKT<br />

FÜR DAS AUSLÖSEN<br />

Belichtet man gleich zu Anfang der<br />

Eruption, überstrahlt oft die austretende<br />

Lava den in einigen Sekunden<br />

nachfolgenden Blitz. Wartet man<br />

dagegen zu lange, verpasst man den<br />

Blitz. Macht man eine automatische<br />

Belichtungsreihe, kann man davon<br />

ausgehen, hässlich angeschnittene<br />

Lavaflug parabeln im Bild zu haben.<br />

Den richtigen Zeitpunkt zu finden<br />

ist eine Mischung aus Erfahrung und<br />

Glück.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 50 mm<br />

Belichtung 4 s<br />

Blende<br />

f/1,4<br />

ISO 100<br />

228


KAPITEL 4<br />

TANZ AUF<br />

DEM VULKAN<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 90 mm<br />

ISO 100<br />

Leider sind den bezahlbaren Konstruktionen<br />

schnell klare Grenzen gesetzt, so findet<br />

man Objektive mit maximaler Blende f/1,4<br />

nur bis herunter zu 24 mm.<br />

Ein schöner Nebeneffekt eines solchen<br />

Objektivs ist, dass der umgebende Sternenhimmel<br />

mit beeindruckender Sternendichte<br />

ohne jegliche Tendenz zu den<br />

unästhetischen, durch die Erddrehung verursachten<br />

Strichspuren abgebildet wird. Ein<br />

weniger schöner Nebeneffekt dieser Spezialoptiken<br />

ist die sinkende Abbildungsgüte<br />

und die stark steigende Vignettierung in den<br />

Bildecken. Damit muss man leben, denn<br />

ein Abblenden würde zwar die Bildqualität<br />

verbessern, aber das Motiv verwischen und<br />

damit die Bildidee ruinieren.<br />

Mein Objektivpark! – In der Praxis<br />

vielfach bewährt<br />

Nähe ist nicht durch Teleobjektive zu ersetzen.<br />

Das Bild gewinnt dadurch an Tiefe und<br />

Dramatik, zudem können Vordergrund und<br />

Hintergrund besser getrennt werden. Natürlich<br />

kann man sich einem Vulkan nur nähern,<br />

wenn die Aktivität nicht zu stark und<br />

das damit verbundene Risiko vertretbar ist.<br />

Auch das Gelände muss für eine Annäherung<br />

geeignet sein.<br />

Ferner erlaubt eine größere Nähe den<br />

schnellen Wechsel des Standorts für unterschiedliche<br />

Perspektiven. Daraus folgt, dass<br />

man je nach Vulkan allein schon aufgrund<br />

der Sicherheitsaspekte und eventueller<br />

Besteigungspläne einen Plan ausarbeiten<br />

Blitzentladung am<br />

Eyjafjallajökull in<br />

Island – festgehalten<br />

mit kurzbrennweitigem<br />

Tele.<br />

229


muss, aus dem die möglichen Kamerapositionen<br />

hervorgehen. Damit kann man dann<br />

die eventuell nötigen Brennweiten bestimmen<br />

und unnötiges Zubehör zu Hause lassen.<br />

Über die Jahre hat sich beim Autor in<br />

der Praxis folgendes Objektivspektrum besonders<br />

bewährt:<br />

• Fisheye: Für maximal gleichzeitig erfassbaren<br />

Winkel, oft wesentlich hilfreicher<br />

als gedacht. Man kann mit entsprechenden<br />

Programmen die entstehenden<br />

Bilder in eine Superwinkelprojektion<br />

umrechnen und eventuell das Superweitwinkel<br />

sparen. Dies ist durchaus<br />

ein Vorteil, denn Fisheyes sind konstruktionsbedingt<br />

kleiner, leichter und oft<br />

lichtstärker als extreme Weitwinkelobjektive.<br />

Auch die Sternabbildungen in<br />

den Ecken sind häufig denen mit extremen<br />

Weitwinkelobjektiven überlegen.<br />

Zudem kann bei vielen Motiven die flächentreue<br />

Abbildung eines Fisheyes<br />

wichtiger sein als die winkeltreue und damit<br />

stark flächenverzerrende Abbildung<br />

eines extremen Weitwinkelobjektivs.<br />

Für APS-Kameras empfiehlt sich 8-10 mm<br />

und für das Vollformat 14–16 mm, nur damit<br />

erhält man die vollen 180°. Die jeweils<br />

lichtstärksten Fischeyes sind am effektivsten,<br />

das bedeutet Blende 2,8.<br />

Gegenüber früher hat sich hier vieles<br />

getan, gerade die 10,5-mm-ED-Version<br />

kann voll überzeugen. Hier lohnt sich<br />

auch der Umbau auf Vollformat durch<br />

Abfräsen der Frontblende.<br />

• Möglichst lichtstarkes, kurzbrennweitiges<br />

Weitwinkel: Bestens bewährt sich ein<br />

24 mm, Blende 1,4, am besten von der<br />

gleichen Marke wie die Kamera, da z. B.<br />

ein scheinbar interessantes 20 mm/1,8<br />

vom Fremdhersteller nach Messungen<br />

nur eine reale Maximalblende von<br />

2,4 hatte. Inzwischen ist das 24-mm-<br />

Objektiv trotz einiger Schwächen bei<br />

Vignettierung und Eckabbildung das<br />

Lieblingsobjektiv des Autors für Nachtaufnahmen.<br />

Bei APS-Kameras hat man ein unlösbares<br />

Problem: Es gibt bisher keine wirklich<br />

lichtstarken Weitwinkelobjektive. Das<br />

obige 24er entspräche einem 16-mm<br />

f/1,4.<br />

• Lichtstarkes und vignettierungsarmes<br />

50-mm-Normalobjektiv: Ein solches<br />

ist normalerweise relativ günstig zu<br />

bekommen, es muss nicht unbedingt<br />

Blende 1,2 sein, eine maximale Blende<br />

von 1,4 ist leichter und günstiger und<br />

oft sogar besser in der Abbildungsleistung.<br />

Bei Vollformat eine ideale Brennweite,<br />

die dem natürlichen Sehfeld entspricht<br />

und erstaunlich oft einen guten<br />

Bildausschnitt ergibt.<br />

Für APS-Kameras empfiehlt sich ein<br />

28 mm, um den gleichen Ausschnitt zu<br />

erhalten, wenn möglich, auch 1,4, was<br />

aber bei einer guten Konstruktion schon<br />

empfindlich teuer werden kann. Wieder<br />

ein Grund für Vollformat.<br />

• Ein 90–135-mm-Tele um Blende 2,0: Gerade<br />

diese Brennweite ist sehr anfällig für<br />

Farblängsfehler. Es kann sinnvoll sein,<br />

einfach auf das ohnehin empfohlene<br />

lichtschwache Universaltelezoom auszuweichen.<br />

Auf alle Fälle ist von hochlichtstarken<br />

Konstruktionen ohne apochromatische<br />

Eigenschaften dringend<br />

abzuraten.<br />

Der Autor verwendet mit Vorliebe ein<br />

Leica 90 mm 2,0 APO, das immer wieder<br />

durch seine herausragende Abbildung<br />

gerade am Vulkan begeistert.<br />

230


KAPITEL 4<br />

TANZ AUF<br />

DEM VULKAN<br />

• Lichtstarkes 200-mm-Teleobjektiv: Die<br />

ideale Telebrennweite erweist sich<br />

überraschend oft als genau passend,<br />

um auch noch genügend Umfeld zu<br />

erfassen. Wichtig ist eine Version mit<br />

Korrektur des Farblängsfehlers, ab dieser<br />

Brennweite ist sie schon recht gut<br />

erhältlich. Eine Version mit 2,8-Öffnung<br />

bleibt kompakt und überschaubar, jedoch<br />

ist das legendäre Canon 200 mm<br />

f/1,8 mit für diesen extremen Linsensatz<br />

ausgezeichneter Unterdrückung<br />

des Farblängsfehlers unschlagbar. Leider<br />

ist es schwer erhältlich und belastet<br />

die Ausrüstung hinsichtlich Gewicht<br />

und Volumen.<br />

Neuerdings gibt es auch 70–200-mm-<br />

2,8-Zooms mit hervorragender Korrektur,<br />

damit kann man dann auf die 2,8er-<br />

Festbrennweite verzichten.<br />

• 400-mm-Teleobjektiv: Für fast alle Fälle<br />

ist dies die maximal sinnvoll beherrschbare<br />

Brennweite und für Details mit ungewöhnlichem<br />

Bildausschnitt durchaus<br />

von Nutzen – vor allem auch bei nicht<br />

möglicher weiterer Annäherung durch<br />

schweres Gelände oder drohende Gefahr.<br />

Zwar wäre gerade hier eine hohe<br />

Lichtstärke von Vorteil, aber der Transport<br />

zur Beobachtungsstelle ist dafür<br />

oft zu belastend. Die Praxis zeigt, dass<br />

mehr Beweglichkeit im Gelände wichtiger<br />

ist. Deshalb empfiehlt sich die Beschränkung<br />

auf Blende 5,6.<br />

Um Gewicht zu sparen, kann es bei<br />

einem sehr gut korrigierten 200-mm-<br />

Objektiv sinnvoll sein, einen 1,4x-Telekonverter<br />

zu verwenden und das<br />

400-mm-Objektiv zu Hause zu lassen.<br />

Ein Problem, das nicht verschwiegen<br />

werden soll<br />

Leider gibt es gerade in der Vulkanfotografie<br />

ein unschönes Problem, das in der normalen<br />

Fotografie praktisch nicht auftaucht:<br />

die Empfindlichkeit der Lavafotos für den<br />

Farblängsfehler. Während der Farbquerfehler<br />

inzwischen per Software schon in<br />

jedem RAW-Konverter wunderbar behebbar<br />

ist – es werden die einzelnen Farbkanäle<br />

individuell skaliert –, funktioniert das beim<br />

Längsfehler nicht.<br />

Beim Farblängsfehler hat jede Farbe eine<br />

unterschiedliche Brennweite, vielleicht ist<br />

Ihnen dies schon einmal an scharfen Kanten<br />

bei hohen Kontrasten aufgefallen. Es<br />

entstehen dabei rote oder grüne Farbsäume<br />

gerade auch in der so wichtigen Bildmitte.<br />

Bei gering geöffneten oder abgeblendeten<br />

Objektiven stört dieser Fehler weniger, da er<br />

quadratisch mit der genutzten Frontöffnung<br />

zunimmt. Daher sind Teleobjektive davon<br />

besonders betroffen. Interessanterweise<br />

ist gerade das ein Grund dafür, dass er bei<br />

qualitativ hochwertigen Telekonstruktionen<br />

inzwischen ausgezeichnet korrigiert ist.<br />

Denn eine lange Brennweite hat zwingend<br />

eine große Frontlinse und ist daher für diesen<br />

Fehler auch bei normaler Anwendung<br />

extrem anfällig, er kann nicht mehr ignoriert<br />

werden. Hierfür finden sogenannte<br />

apochromatische Konstruktionen (APOs)<br />

Anwendung. Durch den höheren Aufwand<br />

erhöht sich natürlich der Kaufpreis, aber das<br />

ist in diesem Fall mehr als lohnend.<br />

Bei normaler Anwendung, also in nahezu<br />

sämtlichen anderen Bereichen der Fotografie<br />

wie Porträts, Architektur oder Landschaft,<br />

existiert nur ein relativ geringer Farbunterschied/Farbkontrast<br />

zwischen eng benachbarten<br />

Strukturen. Daher ist es bei geringeren<br />

Brennweiten, etwa unter 200 mm,<br />

231


unüblich, diesen Fehler mit teuren und dem<br />

normalen Fotografen schwer vermittelbaren<br />

APO-Konstruktionen zu beheben.<br />

Aber am Vulkan sieht die Sache im wahrsten<br />

Sinn des Wortes extrem aus. Denn die<br />

tiefrote Lava, sich bezüglich der Farbtemperatur<br />

bis ins Infrarot erstreckt, hat natürlich<br />

bei nicht apochromatischen Objektiven<br />

eine völlig andere Brennweite als die grüne<br />

oder graue Landschaft oder gar der Sternenhimmel.<br />

Fast unglaublich, aber eigentlich<br />

völlig verständlich – davon sind gerade<br />

die hochlichtstarken Objektivlegenden mit<br />

höchster Schärfezeichnung betroffen. Zum<br />

Beispiel ist ein bekanntes 85-mm f/1,2 bei<br />

Lava in der Nacht praktisch unbrauchbar,<br />

obwohl es im normalen Alltagseinsatz erstklassig<br />

ist. Diese Objektive wurden vor allem<br />

für die Porträtfotografie entwickelt, bei<br />

der sie auch vorzüglich arbeiten.<br />

Leider gibt es unterhalb einer Brennweite<br />

von 200 mm nur extrem wenige, schwer<br />

adaptierbare bezahlbare APO-Objektive mit<br />

entsprechend hoher Lichtstärke. Wer mit<br />

herkömmlicher Optik arbeitet, tut gut daran,<br />

im Brennweitenbereich von 50 bis 135 mm<br />

hochlichtstarke Objektive zu meiden. Denn<br />

selbst abgeblendet sind diese für Lava oft<br />

schlechter als schwächer geöffnete Zoomobjektive.<br />

Generell hilft in diesem Brennweitenbereich<br />

nur die Fokussierung auf die Lava<br />

und die Akzeptanz einer etwas unscharfen<br />

Landschaft. Umgekehrt sieht es noch unästhetischer<br />

aus.<br />

Bei Weitwinkelbrennweiten stört die Problem<br />

weniger, denn dann gehen diese Farblängsfehler<br />

nicht mehr so deutlich in die<br />

Abbildungsgüte ein.<br />

Unberechenbar: graue Vulkane<br />

Je nach Eruptionstypus ist eine entsprechende<br />

Gefahrenabschätzung nötig. Insbesondere<br />

die Gefahren bei grauen Vulkanen<br />

sind außerordentlich schwer einzuschätzen.<br />

Zwar besteht während einer längeren<br />

Ruhephase nur eine geringe und sehr überschaubare<br />

Gefahr, aber dabei bietet sich leider<br />

kein besonders großes Motivspektrum.<br />

Daher gilt als erste Regel bei aktiven grauen<br />

Vulkanen, die Unberechenbarkeit einzuplanen<br />

und das eigene Verhalten darauf abzustimmen.<br />

Als besondere Ausrüstung kann<br />

hier einzig eine Staubschutzmaske gegen<br />

schwebende Vulkanasche dienen. Diese<br />

vermindert das Einatmen der durchaus<br />

durch ihre Scharfkantigkeit und Härte für<br />

die Lunge gefährlichen Aschepartikel.<br />

Lebensgefährlich! – Glutlawinen<br />

aus dem Nichts<br />

Befindet sich ein grauer Vulkan in einer aktiven<br />

Phase, kann sich jederzeit eine Glutlawine<br />

lösen. Es ist unmöglich, vorherzusagen,<br />

welche Größe und Richtung eine solche Lawine<br />

bekommt. Daher gibt es weder einen<br />

optimalen Fotoabstand noch einen sicheren<br />

Beobachtungspunkt bei gleichzeitig interessanter<br />

Bildperspektive. Die Geschwindigkeit<br />

solcher Glutwolken kann durchaus mehr als<br />

200 km/h erreichen, ein Ausweichen ist<br />

nicht möglich.<br />

Der Autor kennt einen Fall, in dem sich nach<br />

15 Jahren einer mehr oder weniger starken<br />

Daueraktivität mit nahezu festen Bahnen<br />

dieser Glutwolken im abseitigen Hügelgelände<br />

ein Naturparadies abseits menschlichen<br />

Einflusses entwickelt hat. Niemals in<br />

der Geschichte dieser stetigen Eruption gab<br />

232


KAPITEL 4<br />

TANZ AUF<br />

DEM VULKAN<br />

es eine spürbare Belastung dieser Gegend,<br />

die Häuser der Einwohner blieben völlig<br />

unbeschädigt. Dennoch löste ein partieller<br />

Domkollaps ohne jegliche Vorwarnung einen<br />

großen pyroklastischen Strom aus, der<br />

diese Gegend samt jeglichem Leben in Sekunden<br />

völlig ausgelöscht hat.<br />

Gegen eine plötzliche Glutlawine ist in der<br />

Regel jeglicher Schutz vergeblich, allein<br />

schon die Berührung des Randbereichs ist<br />

selbst mit bester Ausrüstung absolut tödlich.<br />

Mancherorts werden in der Nähe solcher<br />

Vulkane Betonbunker errichtet, aber<br />

auch diese sind trügerisch, wenn es nicht<br />

gelingt, sie rechtzeitig hermetisch zu verriegeln.<br />

Ebenso ist es nicht möglich, über<br />

die frischen Ablagerungen eines pyroklastischen<br />

Stroms zu gehen. Man sinkt in dieses<br />

extrem feinpulvrige Material unweigerlich<br />

tief ein, und schon dicht unter der Oberfläche<br />

herrschen mehrere Hundert Grad.<br />

• Die einzig sinnvolle Maßnahme ist eine<br />

entsprechende Distanz, bei normalen<br />

Abgängen wenige Kilometer, bei einem<br />

Domkollaps aber durchaus bis zu Dutzenden<br />

von Kilometern.<br />

• Im Ernstfall sollte man benachbarte<br />

Schutzbunker aufsuchen und diese hermetisch<br />

verriegeln.<br />

genau wie bei normalen Gewittern statische<br />

Aufladungen. Wenn die Haare abzustehen<br />

beginnen, ist man definitiv zu nahe.<br />

Achten Sie auf folgende Punkte:<br />

• Annäherung mit dem Wind.<br />

• Staubschutzmaske gegen Einatmen der<br />

winzigen, aber extrem scharfkantigen<br />

Lavaascheteilchen.<br />

• Je nach Größe Sicherheitsdistanz zwischen<br />

400 m und 50 km.<br />

• Achtung vor statischer Elektrizität, es<br />

besteht die Gefahr von Überschlagsblitzen.<br />

Daher gleiches Verhalten wie bei<br />

Gewitter, aber natürlich am besten die<br />

Distanz deutlich erhöhen.<br />

• Schutz vor herabrieselnder Asche durch<br />

ein Tuch über der Kamera, besser Wetterschutzbeutel.<br />

• Eventuell Filter vor dem Objektiv.<br />

• In jedem Fall Ascheablagerungen auf<br />

der Frontlinse niemals abwischen, nur<br />

abblasen. Die extrem scharfen und harten<br />

Aschepartikel zerkratzen beim Wischen<br />

sofort das Glas.<br />

• Vorsicht beim Objektivwechsel, Phasen<br />

mit geringem Aschefall abwarten.<br />

Warnzeichen bei schnell aufsteigenden<br />

Aschewolken<br />

Eine oft nicht bedachte Gefahr entsteht bei<br />

schnell aufsteigenden Aschewolken durch<br />

Entladungen. Diese können nicht nur innerhalb<br />

der Wolke, sondern auch durchaus<br />

weit in die Umgebung ausgreifen. Hier hilft<br />

nur genügend Abstand, Warnzeichen sind<br />

In Deckung! – Steinschlag und<br />

Lavabomben<br />

Glücklicherweise sieht es bei den anderen<br />

Eruptionsformen deutlich besser aus, insbesondere<br />

fließende Lava kann gut in ihrer<br />

Flussrichtung und in ihrem Verhalten eingeschätzt<br />

werden, mit Ausnahme der extrem<br />

dünnflüssigen Natriumcarbonatit-Lava.<br />

233


Einzig bei explosiv ausgeworfener Lava besteht<br />

die Gefahr herabfallender Brocken.<br />

Hier schützt ein Steinschlaghelm bis zu einer<br />

gewissen Brockengröße. Werden größere<br />

Lavafetzen bei heftigeren Eruptionen ausgeworfen,<br />

spricht man von Lavabomben. Gegen<br />

eventuell metergroße Lavabomben hilft<br />

natürlich weder ein Helm noch ein Schutzanzug,<br />

aber bei solchen Eruptionen kann die<br />

Auswurfweite über längere Zeit beobachtet<br />

werden, und daher kann bei Annäherung an<br />

die Flugweite eine zusätzliche Sicherheitsdistanz<br />

eingehalten werden.<br />

Diese noch zähflüssigen Klumpen von durchaus<br />

mehreren Metern Größe erhalten erst<br />

beim Flug ihre endgültige Form. Der Einschlag<br />

ist entsprechend heftig, es bilden sich<br />

teils mehrere Meter große Einschlagtrichter.<br />

Unglaublich ist auch die Akustik der Luftverdrängung,<br />

die man bei Überflügen solcher<br />

Bomben hört. Hier ist unbedingt auf eine gute<br />

Deckung zu achten, denn ein direkter Treffer<br />

ist keinesfalls zu überleben. Startende Bomben<br />

sind mit kurzen Belichtungszeiten einfach<br />

zu erfassen, aber der folgende Impakt<br />

ist aufgrund hoher Geschwindigkeit kaum<br />

fotografierbar, man kann die Auftreffstelle<br />

oft schlecht abschätzen. Größere Bomben<br />

ziehen häufig eine Gasschleppe hinter sich<br />

her oder bilden Kondensstreifen.<br />

Vorsicht! – Unerwartete Einwirkung<br />

giftiger Gase<br />

Auch die scheinbar harmlosen Formen von<br />

vulkanischer Aktivität dürfen keinesfalls unterschätzt<br />

werden. Es können bei besonders<br />

Büschelweise ausgeschleuderte Lavabomben mit nachfolgenden Kondensstreifen am Eyjafjallajökull in Island. Diese Bomben<br />

hatten dort durchaus auch Busgröße, die maximal beobachtete Aufstiegshöhe betrug etwa 1.000 m.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 200 mm<br />

Belichtung 1/400 s<br />

Blende<br />

f/4,0<br />

ISO 400<br />

234


KAPITEL 4<br />

TANZ AUF<br />

DEM VULKAN<br />

aktiven Fumarolenfeldern vulkanische Gase<br />

und Wasserdampf, große Mengen Schwefeldioxid,<br />

Schwefelwasserstoff und andere aggressive<br />

Gase in großen Mengen austreten.<br />

Hier ist aufgrund instabilen Geländes und giftiger<br />

Gase sehr viel Umsicht, eine Gasmaske<br />

und eine dichte Schutzbrille erforderlich. Die<br />

Situation kann sich bei solchen auf den ersten<br />

Blick harmlos erscheinenden Gasfeldern<br />

schnell zuspitzen.<br />

Auch ein Schutz der Kamera vor Nässe- und<br />

Gaseinwirkung ist sehr anzuraten. Gerade<br />

wenn korrosives Gas durch längere Einwirkung<br />

ins Kamerainnere dringt und sich das<br />

Gas mit vorhandener Feuchtigkeit in aggressive<br />

Säuretröpfchen verwandelt, kommt<br />

es zu bleibenden Schäden an Linsenvergütungen<br />

und dem Kameragehäuse und bei<br />

nicht hermetisch abgedichteten Innenteilen<br />

zu starker Platinenkorrosion. Man beachte,<br />

dass der hauptsächliche Kameraverschleiß<br />

genau daher rührt. Bei „richtigen“ Vulkanausbrüchen<br />

ist die Kamera weit weniger in<br />

Gefahr. Als einziger Kameraschutz ist ein<br />

Schutzbeutel, wie er z. B. für Unterwasseraufnahmen<br />

erhältlich ist, denkbar, und ein<br />

Frontfilter für die Optik. Dass man direkt im<br />

Gas keine Objektive wechselt, versteht sich<br />

wohl von selbst.<br />

Der Autor selbst musste z. B. am Welirang-<br />

Vulkan in Indonesien folgende kritische Erfahrung<br />

machen:<br />

Geschützt mit einer Gasmaske, näherte ich<br />

mich mit dem Wind einer der zahlreichen<br />

gasreichen Schwefelaustrittsstellen, der<br />

Wind drehte plötzlich, und das undurchsichtige<br />

Wasserdampf-SO2-Gasgemisch hüllte<br />

mich vollständig ein. Kein Problem mit Gasmaske,<br />

aber mangels Schutzbrille reagierten<br />

die Augen aufgrund besonders hoher<br />

Gasdichte und Säurebildung mit extremen<br />

Schmerzen. Dabei versucht man instinktiv,<br />

die Augen zu schützen, was in diesem Fall ein<br />

Verrutschen der Gasmaske zur Folge hatte.<br />

Daraufhin hielt diese nicht mehr dicht, und<br />

die Folge war akute Atemnot zusammen mit<br />

Desorientierung mangels Sehfähigkeit inmitten<br />

mehrerer Schwefelquellen mit Hunderten<br />

Grad Hitze. Dies endete in einer temporären<br />

Ohnmacht, erst viele Sekunden später<br />

wachte ich bei abziehender Gaswolke direkt<br />

neben einer 400 °C heißen Fumarole wieder<br />

auf. Eine eindeutige Warnung für die Zukunft.<br />

An Schwefelquellen auftretender<br />

Schwefelbrand<br />

Dieses Naturphänomen ist weitgehend unbekannt.<br />

Es tritt an Schwefelquellen in der<br />

Nähe von aktiven oder potenziell aktiven<br />

Kratern auf. Ist die Hitze an der Austrittsstelle<br />

groß genug, beginnt der überhitzte<br />

Schwefel von selbst zu brennen. Dies kann<br />

kontinuierlich bei extrem aktiven Fumarolen<br />

und Lavadomen geschehen oder auch<br />

nur während einer ablaufenden Eruption.<br />

Hält der Vorgang lange genug an, bildet<br />

sich ein weit ausgreifender Schwefelfluss,<br />

der, abgesehen von der tiefblauen Farbe,<br />

fast einem normalen Lavastrom ähnelt.<br />

Im ersteren Fall sind Nahaufnahmen möglich,<br />

wobei hier die besondere Ästhetik<br />

auffällt. Für den Autor sind die rasenartig<br />

über den Schwefelflüssen züngelnden und<br />

sich wiegenden Schwefelflämmchen eine<br />

der eindrucksvollsten Naturerscheinungen.<br />

Der Brand und auch die Flüsse sind z. B.<br />

am Kawah Ijen hell genug, um mit normalen<br />

Belichtungszeiten und Blenden um 1/8<br />

Sekunde und f/2,8 festgehalten zu werden.<br />

Bei ruhigeren Lavadomen jedoch kann der<br />

Schwefelbrand auch sehr lichtschwach<br />

sein, dann kann schon das Vollmondlicht<br />

den Effekt überstrahlen.<br />

Die Herausforderung besteht im Wesentlichen<br />

darin, die extrem aggressiven Schwefeldioxidgase<br />

fernzuhalten. Eine Gasmaske<br />

235


AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 105 mm<br />

Belichtung 1/4 s<br />

Blende<br />

f/4,0<br />

ISO 800<br />

Schwefelbrand im<br />

Krater des Vulkans<br />

Kawah Ijen in Ostjava/<br />

Indonesien.<br />

mit frischen Filtern ist absolut notwendig,<br />

auch die Augen sind unbedingt mit einer<br />

dichten Brille zu schützen. Ebenso empfiehlt<br />

sich ein Schutz für das Kameragehäuse,<br />

ansonsten korrodiert die Kamera<br />

samt Objektiv im Zeitraffertempo. Anders<br />

bei ablaufenden Eruptionen, hier bleibt nur<br />

die Teleaufnahme mit geringem Risiko, aber<br />

natürlich fehlender Detailansicht.<br />

Als Ausblick sei erwähnt, dass es ebenso<br />

zahlreiche andere brennbare Gase gibt, die<br />

in verschiedenen Farben an aktiven Kratern<br />

brennen können. Für diese gilt das Gleiche<br />

wie oben.<br />

Einbruchgefahr bei dünnem und<br />

unterhöhltem Boden<br />

Bei typischen Thermalgebieten besteht vor<br />

allem die Gefahr, in den oft dünnen und unterhöhlten<br />

Boden einzubrechen. Hier hilft nur<br />

gute Beobachtungsgabe und entsprechende<br />

Vorsicht, denn das oft heiße Innere kann zu<br />

schwersten Verbrühungen führen. Touristisch<br />

erschlossene Thermalgebiete sind gut<br />

abgesichert, aber in abgelegenen Regionen<br />

ist man für sich selbst verantwortlich.<br />

Einfache Regeln gegen extreme Hitzeabstrahlung<br />

In direkter Nähe zur fließenden Lava besteht<br />

eine extreme Hitzeabstrahlung , aber<br />

dies ist frühzeitig erkennbar und daher<br />

wenig gefährlich. Will man sich dennoch<br />

nähern, helfen einem Grundkenntnisse in<br />

Physik wesentlich weiter als z. B. ein spektakulärer<br />

und teurer Hitzeschutzanzug.<br />

Dieser dient nur als nettes Fotomotiv mit<br />

denkbar geringer Praxistauglichkeit, da er<br />

nur wenige Meter mehr erlaubt und sich<br />

dennoch langsam aufheizt. Wesentlich effektiver<br />

ist eine möglichst bodennahe und<br />

windabgewandte Annäherung, da die Hitze<br />

fast ausschließlich nach oben und mit dem<br />

Wind abstrahlt. Dies ist auch die einzige<br />

236


KAPITEL 4<br />

TANZ AUF<br />

DEM VULKAN<br />

Möglichkeit für scharfe Detailaufnahmen,<br />

da andernfalls die Luftunruhe jedes Detail<br />

zur Unkenntlichkeit verwischt. Ebenso ist<br />

Kleidung aus Lomex, das aus dem Motorsport<br />

bekannt ist, bei direkter Hitzeeinwirkung<br />

durch z. B. Lavakontakt sinnvoller.<br />

Lavaströme, Lavafälle, Lavaseen<br />

Dünnflüssige Lavaströme , die klassische<br />

Form des aktiven Vulkanismus, bieten eine<br />

ideale Möglichkeit, um sich mit der Materie<br />

vertraut zu machen. Die Gefahren sind<br />

überschaubar, und man hat beliebig Zeit,<br />

die Motive zu gestalten. Zudem kann man<br />

sich oft sehr gut annähern und das Augenmerk<br />

auf die zahlreichen Details richten.<br />

Gerade die hawaiianische Pahoehoe-Lava<br />

zeigt sehr ästhetische Fließmuster, wenn<br />

sie noch frei und nicht kanalisiert neues<br />

Terrain erobert. Lava ist an die Erdoberfläche<br />

gelangtes Magma . Mit Magma bezeichnet<br />

man die unter der Erdoberfläche<br />

befindliche Gesteinsschmelze.<br />

Wichtig ist vor allem, sich mit dem Wind<br />

und aus der Bodenperspektive heraus zu<br />

nähern. Dies schützt vor allzu viel Hitze<br />

und Gasen. Zudem werden die Aufnahmen<br />

schärfer durch weniger Luftunruhe.<br />

Am besten lässt sich solche Lava am Tag<br />

aufnehmen, durchaus gerade auch bei bedecktem<br />

Himmel. Zur Dämmerung hin wird<br />

zwar die Leuchtintensität höher, aber das<br />

kann sehr schnell zu viel des Guten sein.<br />

Hier hilft auch kein Vollmond mehr. Nachts<br />

gelingen so nur Aufnahmen von durch Lava<br />

Eruption des Santiaguito-<br />

Doms in Guatemala. Im<br />

vorderen Bereich ist Brand<br />

von Schwefel und anderen<br />

Gasen erkennbar.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 200 mm<br />

Belichtung 20 s<br />

Blende<br />

f/1,8<br />

ISO 400<br />

237


AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 40 mm<br />

Belichtung 1/80 s<br />

Blende<br />

f/8,0<br />

ISO 100<br />

Multiple Lavaströme am Vulkan Pacaya in Guatemala.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 75 mm<br />

Belichtung 1/640 s<br />

Blende<br />

f/5,6<br />

ISO 100<br />

Skylight im Lavatube mit darunter sichtbarem Lavastrom auf Big Island,<br />

Hawaii. Auf diesem Weg wird die Lava ohne spürbare Abkühlung zu den<br />

Meereseintritten transportiert – 8.4.2005.<br />

angeleuchteter Landschaft oder in kleinen<br />

Bildzonen gezielt verwischter und überbelichteter<br />

Lava.<br />

Richtig auf die Lava belichtet, bleiben die<br />

Bilder steril und nichtssagend – wenn schon<br />

nachts, dann gern auch mit Blitz. Dies ist<br />

eine der wenigen Möglichkeiten, in denen<br />

das Blitzen bei der Vulkanfotografie erfolgreich<br />

angewandt werden kann, denn man<br />

befindet sich in komfortabler Blitzreichweite.<br />

Etwas Vorsicht ist wieder bei der Kamera<br />

angebracht, setzt man sie zu sehr der<br />

Hitze aus, könnte sie Schaden nehmen.<br />

Noch eine scheinbar triviale, aber dennoch<br />

enorm wichtige Anmerkung: Besonders bei<br />

sich eben erst ausbreitenden Lavaströmen<br />

kann man nicht immer gut vorhersagen,<br />

wohin sich die Lava weiter ausbreitet. Man<br />

238


KAPITEL 4<br />

TANZ AUF<br />

DEM VULKAN<br />

kann zwar immer bequem zu Fuß davongehen,<br />

aber wenn man vergessen hat, seinen<br />

Rucksack oder sein Stativ im Auge zu<br />

behalten, kann es schnell geschehen, dass<br />

diese Requisiten überrollt werden. Als Objektiv<br />

genügt hier meist ein Standardzoom,<br />

da man etwas Schärfetiefe brauchen kann<br />

und überwiegend am Tag fotografiert.<br />

Einmalige Blicke auf dahinschießende<br />

Lavaströme<br />

Schnell fließende und dünnflüssige Lavaströme<br />

bilden oft ihren eigenen Kanal, der<br />

sich zu einem Tunnel ausbauen kann. In<br />

diesem ist die Lava vor der Abstrahlung<br />

ihrer Hitze geschützt, und sie kann sich<br />

durch solche sogenannten Lavatubes über<br />

viele Kilometer fast ohne Abkühlung fortbewegen.<br />

Ab und zu kommt es vor, dass<br />

die Decke dieser Tubes in kleinen Bereichen<br />

einstürzt. Hier bietet sich einem Beobachter<br />

der einmalige Blick auf den über<br />

1.000 °C heißen, schnell dahinschießenden<br />

Lavastrom. Solche Löcher nennt man auch<br />

Skylights, nachts kann man solche Stellen<br />

schon von Weitem leuchten sehen.<br />

Leider dürfte es keinem Fotografen gelingen,<br />

jemals ein scharfes Bild von einem solchen<br />

Skylight zu bekommen, da die kaminartig<br />

austretende, extrem heiße Luft selbst<br />

für ein Weitwinkel zu stark wabert. Klar<br />

muss auch sein, dass hier die Decke nicht<br />

grundlos eingebrochen ist. Daher gilt es, bei<br />

der Annäherung die Instabilität besonders<br />

zu berücksichtigen. Auch die ausströmende<br />

heiße Luft kann sehr schmerzhaft sein.<br />

Über solchen Skylights können sich bei<br />

ansteigendem Lavaniveau auch Lavakegel,<br />

sogenannte Hornitos, bilden.<br />

Nahezu unkritisch: Aufnahmen<br />

zähflüssiger Lavaströme<br />

Zähflüssige Lavaströme erfordern ebenfalls<br />

nur eine normale Fotoausrüstung, da sich<br />

aufgrund von Struktur und Lavahelligkeit<br />

kaum Nachtaufnahmen lohnen. Übersichts-<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 105 mm<br />

Belichtung 1/125 s<br />

Blende<br />

f/8,0<br />

ISO 100<br />

Aa-Lavastrom, der<br />

sich die Südhänge des<br />

sizilianischen Ätna<br />

hinabwälzt. Beeindruckend<br />

ist auch die<br />

begleitende Akustik,<br />

durch das beständige<br />

Geschiebe von hinten<br />

und die glasharte Lava<br />

kommt es zu starken<br />

klirrenden und schabenden<br />

Geräuschen.<br />

239


Soeben neu entstandener<br />

Lavafall bei<br />

der Fimmvördurhals-<br />

Eruption auf Island.<br />

Der Autor musste eine<br />

gute Stunde warten,<br />

bis sich der durch die<br />

herabfallende Lava<br />

am Schluchtboden<br />

bildende Wasserdampf<br />

einigermaßen gelegt<br />

hatte.<br />

aufnahmen sind völlig unkritisch und auch<br />

mit geringem Gefahrenpotenzial verbunden,<br />

da sich die Lava nur recht langsam fortbewegt.<br />

Will man dagegen Nahaufnahmen,<br />

hilft wieder eine Annäherung aus der Bodenperspektive,<br />

da selbst diese kühlere Lava<br />

immer noch genügend heiß für die empfindliche<br />

Haut und das Kameraequipment ist.<br />

Aufpassen muss man dann auch auf sich<br />

plötzlich lösende größere Brocken, hiervon<br />

darf man sich keinesfalls treffen lassen.<br />

Zur richtigen Zeit am richtigen Ort:<br />

spektakuläre Lavafälle<br />

Fließt der Lavastrom auf eine Klippe zu,<br />

bildet sich analog zu einem Wasserfall ein<br />

Lavafall. Dieses auch hinsichtlich Akustik<br />

spektakuläre Ereignis ist aber leider oft nur<br />

von kurzer Dauer, daher bleibt es Glückssache,<br />

zur richtigen Zeit am richtigen Ort<br />

MESSERSCHARF!<br />

ERKALTETE AA-LAVA<br />

Übrigens ist die erkaltete Aa-Lava<br />

fast gefährlicher als die entstehende,<br />

denn die messerscharfen Kanten der<br />

Lavabrocken schneiden sich gnadenlos<br />

durch jedes Schuhwerk und bei<br />

unglücklichem Hinfallen auf diesem<br />

völlig lockeren und losen Untergrund<br />

auch tief in das Fleisch, was bleibende<br />

Narben hinterlässt. Darauf muss man<br />

vor allem nachts achten, wenn man<br />

erkaltete Aa-Felder überquert.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 180 mm<br />

Belichtung 1/320 s<br />

Blende<br />

f/5,6<br />

ISO 200<br />

240


KAPITEL 4<br />

TANZ AUF<br />

DEM VULKAN<br />

zu sein. Hier kommen eher längere Brennweiten<br />

zum Einsatz, wichtig ist auch eine<br />

kurze Belichtungszeit, um die schnell fallende<br />

Lava scharf einzufrieren. Interessante<br />

Bilder entstehen natürlich auch bei nächtlichen<br />

Langzeitbelichtungen, wenn sich die<br />

Lava im Bild zu einem weichen Vorhang zusammenfügt.<br />

Faszinierendes Spiel zwischen Wasser<br />

und Lava<br />

Dieses besonders eindrucksvolle Geschehen<br />

zeigt in der frühen Dämmerung sein<br />

schönstes Lichtspiel. Zäh wie Honig läuft<br />

die Lava in das anbrandende Meer. Aber<br />

auch in vollem Tageslicht lässt sich das eindrucksvolle<br />

Spiel zwischen Wasser und der<br />

mehr als 1.000 °C heißeren Lava gut verfolgen.<br />

Herrscht keinerlei Druck, kann sich<br />

eine perfekt isolierende Dampfhaut bilden,<br />

und das Wasser schützt sich genau so wie<br />

die allseits bekannte quasi schwebende<br />

Wasserlinse auf der heißen Herdplatte.<br />

Jedoch gilt es zu beachten, dass gerade in<br />

schnell wachsenden Küstenzonen das neue<br />

Land ohne Vorwarnung spontan kollabieren<br />

kann. Denn die Brandung unterspült die erkaltete<br />

Lava, und es bilden sich Hohlräume,<br />

die instabil werden. Auch eine ungünstige<br />

Kombination aus Wellenrichtung und Lavahöhle<br />

kann das Wasser-Lava-Gemisch<br />

unter Druck setzen, und es ereignen sich<br />

durchaus heftige littorale Explosionen.<br />

Die Gefahr besteht hier in mit hoher Geschwindigkeit<br />

umherfliegenden Brocken, die<br />

von der Explosion mitgerissen werden. Zudem<br />

bilden sich oft aggressive Gase wie z. B.<br />

HCl durch die Salze im Meerwasser. Diese<br />

sind schädlich für die Lunge wie für die Kameraausrüstung.<br />

Demzufolge benötigen Sie für<br />

Lava-Meereseintritt<br />

an der Südostküste<br />

von Big Island, Hawaii.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 200 mm<br />

Belichtung 1/80 s<br />

Blende<br />

f/3,2<br />

ISO 100<br />

241


AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 200 mm<br />

Belichtung 1/1600 s<br />

Blende<br />

f/3,2<br />

ISO 100<br />

Gerade für Meereseintritte und littorale<br />

Explosionen eignet sich ein Boot hervorragend.<br />

Damit befindet man sich bezüglich<br />

der potenziellen Gefahr auf der sicheren<br />

Seite. Leider sind auf einem Schiff jedoch<br />

noch kürzere Belichtungszeiten nötig, um<br />

vom schwankenden Boot aus scharfe Bilder<br />

zu bekommen.<br />

Gefährlich! – Heiße Lava und das Meer<br />

• Vorsicht vor frei werdenden aggressiven<br />

Gasen, unbedingt Gasmaske, wenn<br />

der Wind ungünstig steht.<br />

• Vorsicht vor umherfliegenden Lavabrocken,<br />

gerade wasserdampfgetriebene<br />

Explosionen beschleunigen das Material<br />

auf höchste Geschwindigkeiten. Hier hilft<br />

nur ein entsprechender Abstand, es gibt<br />

keine Schutzkleidung, die das abhält.<br />

• Vorsicht vor instabilem Untergrund,<br />

gerade frisch gewachsene Küstenlinien<br />

werden oft vom Meer unterspült, und es<br />

kann zu plötzlichen „Bench-Collapses“<br />

kommen.<br />

Eintauchende Lavazunge auf Big Island, Hawaii. Besonders gut erkennt<br />

man hier die Bildung eines schützenden Dampffilms, das Wasser beginnt<br />

nur langsam zu kochen, da keinerlei Druck aufgebaut wird.<br />

dieses Thema Teleobjektive, die wegen der<br />

sehr schnell ablaufenden Vorgänge (Brandungsgischt,<br />

littorale Explosion) eine eher<br />

hohe Lichtstärke für die nötigen sehr kurzen<br />

Belichtungszeiten haben sollten. Nachts<br />

kann man andererseits durchaus versuchen,<br />

die Bewegung mit Langzeitbelichtung gezielt<br />

zu einem ästhetischen Kunstwerk zu formen.<br />

• Bei phreatischen Eruptionen (Gletschervulkan,<br />

Krater mit Grundwasserkontakt<br />

etc.) unbedingt ausreichend Abstand<br />

halten, es herrscht eine besonders hohe<br />

Explosivität, und hoch aufsteigendes<br />

Auswurfmaterial kann weit in die Umgegend<br />

fliegen.<br />

• Schützen Sie Ihre Kameraausrüstung<br />

durch Schutzbeutel vor aggressiven Gasen,<br />

hier vor allem HCl, und Feuchtigkeit.<br />

Unerschöpfliches Reservoir unterschiedlichster<br />

Motive<br />

Man unterscheidet im Wesentlichen graue<br />

und rote Vulkane . Die grauen fördern sehr<br />

zähe Lava, die sich langsam zu sogenannten<br />

Vulkandomen aufwölbt. Es bildet sich<br />

242


KAPITEL 4<br />

TANZ AUF<br />

DEM VULKAN<br />

hoher Druck durch hohe Gasanteile. Steigt<br />

der Druck zu stark, tritt eine spontane<br />

Druckentlastung auf, und die durch die<br />

Explosion fein zerstäubte Lava bildet eine<br />

aufsteigende, zusätzlich durch Hitzethermik<br />

getriebene Aschewolke. Ist die Materialmenge<br />

zu groß, kann diese Wolke in<br />

sich zusammensinken und die Hänge des<br />

Vulkans hinabrasen. Ebenso kann es ohne<br />

besondere Vorwarnung passieren, dass ein<br />

lange Zeit ruhiger Lavadom oder ein Teil<br />

davon statisch instabil wird und kollabiert.<br />

Die dabei losrollende Lava und das frei werdende<br />

Dominnere entladen sich dann in<br />

ebenfalls fein zerstäubter Lava, die in Form<br />

einer Glutwolke die Vulkanhänge hinunterrast.<br />

Im normalen Zustand ist solch ein<br />

Lavadom harmlos. Wird Material von unten<br />

gefördert, kann man oft über lange Zeiträume<br />

das Abbröseln des Doms beobachten,<br />

einzelne Lavabrocken rollen dann glühend<br />

die Hänge herunter.<br />

Fotografisch interessieren bei aktuell nicht<br />

explosiven Domen die Domextrusionen,<br />

die herabrollenden Lavastücke, austretende<br />

und brennende Gase etc. Besonders das<br />

zähflüssige Magma kann an Lavadomen<br />

Extrusionen bilden. Dabei schiebt und presst<br />

das teigartige Magma große Materialmengen<br />

über den Dom hinaus, die Lavanadeln<br />

oder Lavarücken bilden.<br />

Bei explosiven Domen sind es dagegen vor<br />

allem die aufsteigenden Aschewolken mit<br />

ihren Blitzentladungen und die sich herabwälzenden<br />

Glutwolken. Hier heißt es<br />

dann, unbedingt Abstand zu halten. Die<br />

roten Vulkane sind oft gasärmer, es tritt<br />

daher Lava ohne größere Explosionen aus.<br />

Je nach Schlotform, Zusammensetzung<br />

und Temperatur können hier periodisch<br />

kleinere Explosionen mit Auswurf von Lavabrocken,<br />

bei neu entstehenden Spalten<br />

aufsteigende Lavafontänen oder bei schon<br />

Hier ein Lavaeintritt<br />

auf der Insel Stromboli.<br />

Die Lava trifft<br />

unter Druck auf das<br />

Meerwasser, es erfolgt<br />

eine Wasserdampfexplosion,<br />

die zahlreiche<br />

Lavabrocken mit hoher<br />

Geschwindigkeit wegschleudert.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 200 mm<br />

Belichtung 1/2500 s<br />

Blende<br />

f/3,5<br />

ISO 100<br />

243


länger offenen Systemen ruhig austretende<br />

Lavaströme beobachtet werden.<br />

Ist die Lava sehr heiß und dünnflüssig, läuft<br />

sie mit hoher Geschwindigkeit die Hänge<br />

hinab und bildet oft eigene Kanäle. Diese<br />

können sich selbst einen Tunnel bauen und<br />

dann fast ohne weitere Abkühlung viele Kilometer<br />

zurücklegen. Ist die Lava dagegen<br />

sehr zähflüssig bzw. kühlt sie nach längerem<br />

Weg ab, beginnt sie zu bröckeln und<br />

verwandelt sich in sogenannte Aa-Lava.<br />

Diese kann am ehesten mit einem „wandernden<br />

Schutthaufen“ verglichen werden.<br />

Ebenso interessant sind gerade hier die<br />

zahlreichen Formen austretender Lava, die<br />

einen unerschöpflichen Reichtum an unterschiedlichsten<br />

Motiven liefern. Dies ist eigentlich<br />

der bekannteste und farbenfrohste<br />

Teil der Vulkanfotografie. Glücklicherweise<br />

ist es auch der ungefährlichste, da heftige<br />

und unerwartete Explosionen selten sind.<br />

Natürlich gibt es verschiedenste weitere<br />

Eruptionsarten, vor allem abhängig von<br />

der Anwesenheit von Wasser. So kann z. B.<br />

auch ein roter Vulkan stark explosiv tätig<br />

sein, wenn er auf Wasser (Ozean, Kratersee,<br />

Gletscher) trifft.<br />

Eindrucksvoll, aber auch sehr gefährlich, ist<br />

die explosive Wechselwirkung mit Wasser.<br />

Erfolgt der Wassereintritt der fließenden<br />

Lava ruhig und ohne jeglichen Druck, bildet<br />

sich eine Dampfschutzschicht ohne Explosion.<br />

Besteht dagegen Druck, z. B. wenn<br />

eine Wasserwelle in den aktiven Lavatunnel<br />

eintritt oder wenn die Lava unter einem See<br />

oder Gletscher austritt, bilden sich heftige<br />

Explosionen, die durchaus große Mengen<br />

an Lava und umliegendem Material mitreißen.<br />

Dies kann den Unterschied zwischen<br />

einer auf wenige Meter begrenzten, harmlosen<br />

Touristenattraktion und einer den<br />

ganzen Kontinent lahmlegenden explosiven<br />

Aschewolke ausmachen, so erlebt beim<br />

Ausbruch des isländischen Eyjafjallajökull<br />

2010, der am Fimmvördurhals nicht explosiv<br />

und völlig harmlos begann.<br />

Unter besonderen Umständen können rote<br />

Vulkane Lavaseen bilden – eine Ansammlung<br />

von flüssiger Lava über oder neben Vulkanschloten.<br />

Hier besteht eine permanente<br />

Verbindung zur Magmakammer, ohne dass<br />

größere Mengen Lava gefördert werden.<br />

Normalerweise sind solche Seen sehr kurzlebig,<br />

aber sie können auch Jahrzehnte im<br />

Krater des entsprechenden Vulkans stehen.<br />

Fotografisch interessant ist die sich stetig<br />

umwälzende Kruste, es gibt kein eindrucksvolleres<br />

Beispiel der irdischen Plattentektonik<br />

im kleinen Modell. Durch frei werdende<br />

Gase oder Absinken des Lavasees entstehen<br />

zeitweise Lavafontänen. Daher bieten<br />

Lavaseen die einmalige Gelegenheit, dieses<br />

Phänomen abseits der ansonsten sehr kurzlebigen<br />

und damit schwer erreichbaren neu<br />

entstehenden Lavaspalten zu beobachten.<br />

Sensationelle Bilder aktiver Lavadome<br />

Aktive Lavadome bieten ein dankbares und<br />

einfach zu beherrschendes Motiv. Mit wenig<br />

Aufwand kommt man so zu sensationellen<br />

Bildern, ähnlich einer strombolianischen<br />

Eruption zeichnen die sich bewegenden Lavabrocken<br />

mehr Rot in die Landschaft, als<br />

dem Auge auf einmal zugänglich ist. Hier<br />

hat man die Möglichkeit, das Objektiv abzublenden<br />

und somit die Bildqualität vor<br />

allem durch den schwer beherrschbaren<br />

Farblängsfehler zu verbessern. Ist der Dom<br />

besonders aktiv, besteht aber auch jederzeit<br />

die Möglichkeit der Loslösung einer gefährlichen<br />

Glutlawine.<br />

244


KAPITEL 4<br />

TANZ AUF<br />

DEM VULKAN<br />

Gefahrenpotenzial aktiver Lavadome<br />

• Vorsicht vor sich unerwartet lösenden<br />

Glutlawinen. Diese sind nicht einschätzbar,<br />

daher hilft nur entsprechende Distanz.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 200 mm<br />

Belichtung 10 s<br />

Blende<br />

f/4,0<br />

ISO 400<br />

• Herabrollende Lavabrocken sind dadurch<br />

harmlos, denn die nötige Distanz wegen<br />

potenzieller Glutwolken gibt auch hiervor<br />

Schutz. Daher ist auch keine besondere<br />

Ausrüstung nötig, es hilft nur der entsprechende<br />

Abstand.<br />

• Ansonsten bei zwischendurch aufsteigenden<br />

Aschewolken zum Schutz der<br />

Lunge vor den scharfkantigen Aschepartikeln<br />

eine Staubmaske tragen.<br />

Lavaseen bieten immer wieder<br />

gute Fotogelegenheiten<br />

Diese spezielle Form der vulkanischen Aktivität<br />

ist zwar auf den ersten Blick nicht<br />

so spektakulär wie eine starke Eruption,<br />

hat aber doch durch die Langlebigkeit dieses<br />

Phänomens erhebliche Vorteile. Denn<br />

man ist nicht gezwungen, das Geschehen<br />

in kürzester Zeit zu erreichen, und kann gutes<br />

Wetter abwarten. Es bieten sich immer<br />

wieder gute Fotogelegenheiten, man muss<br />

nicht viele Stunden auf die vielleicht nur einmal<br />

am Tag stattfindende Eruption warten.<br />

Besonders eindrucksvoll ist die gerade in<br />

ruhigen Phasen beobachtbare Plattendrift.<br />

Hier läuft im Zeitraffertempo exakt das<br />

Gleiche wie bei der irdischen Plattentektonik<br />

ab. Schnell bildet sich eine feste Lavakruste,<br />

die über den See driftet und an einer<br />

Stelle abtaucht, während sich an anderer<br />

Stelle entlang eines Risses neue Kruste bildet.<br />

Diesen Vorgang kann man wunderbar<br />

als Bilderfolge im Zeitraffer animieren.<br />

Je nach Aktivität und Größe eigen sich Lavaseen<br />

auch für Nachtaufnahmen. Jedoch<br />

ist es schwer, gleichzeitig die umgebende<br />

Der Soufriere-Hills-Lavadom auf der Karibikinsel Montserrat bei Nacht.<br />

Durch die Langzeitbelichtung verliert zwar die Asche- und Dampfwolke<br />

an Zeichnung, aber dafür zeichnen die durch den wachsenden Dom sich<br />

lösenden und herabrollenden Lavabrocken glühende Strukturen. Für<br />

diese Art der Nachtaufnahme benötigt man keine besonders lichtstarke<br />

Optik, weil eine lange Belichtungszeit sogar förderlich ist.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 70 mm<br />

Belichtung 1/25 s<br />

Blende<br />

f/4,0<br />

ISO 100<br />

Der Nyiragongo-Lavasee in der Abenddämmerung, hier zeigt sich die<br />

Miniaturplattentektonik besonders eindrucksvoll.<br />

245


AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 24 mm<br />

Belichtung 10 s<br />

Blende<br />

f/6,3<br />

ISO 200<br />

Der Nyiragongo-Lavasee in der Morgendämmerung, mittels<br />

HDR-Technik werden Kraterwände und See gleichzeitig sichtbar.<br />

Landschaft und den See abzubilden. Hier<br />

kommt einem eventuell die HDR-Technik<br />

entgegen, oder man konzentriert sich auf<br />

Details wie z. B. die rot beleuchteten Kraterwände.<br />

Intensives Farbenspiel in Kraterseen<br />

Die sich in feuchten Gegenden mit Wasser<br />

füllenden Krater geben oft sehr schöne Motive<br />

ab. Vor allem die Chemie der austretenden<br />

Gase und Stoffe erzeugt intensive Färbungen.<br />

Oft ist es schwierig, den gesamten Krater zu<br />

erfassen, ideal wäre hier die Flugaufnahme.<br />

Notfalls tut es auch ein Fisheye- oder Weitwinkelpanorama.<br />

Die Farben kommen am<br />

Tag gut zur Geltung, Grund für eine Nacht-<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 70 mm<br />

Belichtung 1/250 s<br />

Blende<br />

f/8,0<br />

ISO 100<br />

Erneut der Nyiragongo-Lavasee in der DR Kongo, der derzeit größte<br />

Lavasee der Erde. Um ihn zu beobachten, muss man den auf 3.400 m<br />

liegenden Kraterrand zu Fuß erwandern.<br />

ANSPRÜCHE AN<br />

DIE FOTOAUSRÜSTUNG<br />

An die Fotoausrüstung werden hier<br />

nur geringe Ansprüche gestellt,<br />

normale Brennweiten und wenig lichtstarke<br />

Optiken genügen für die recht<br />

hellen Szenen völlig. Ein Vorteil ist<br />

natürlich eine hohe Kameradynamik<br />

oder eben die HDR-Technik. Will man<br />

den ganzen Krater mit einbeziehen<br />

und dennoch in keinen Helikopter<br />

investieren, hilft ein Fisheye-Objektiv<br />

und/oder ein starkes Weitwinkel, mit<br />

dem man Panoramen anfertigt. Die<br />

eher kurzen Brennweiten erfordern<br />

außerdem kein schweres Stativ.<br />

Übrigens empfiehlt es sich auch hier,<br />

frühzeitig eine Gasmaske aufzusetzen.<br />

Oft erscheinen die Gasmengen<br />

recht gering, aber sie zeigen im Lauf<br />

der Beobachtungsstunden oder -tage<br />

dennoch eine akkumulierende Wirkung<br />

auf die Lunge.<br />

246


KAPITEL 4<br />

TANZ AUF<br />

DEM VULKAN<br />

aufnahme besteht eigentlich nur bei glühender<br />

Lava oder brennenden Gasen in direkter<br />

Nähe. Nur dann ist eine hohe Lichtstärke von<br />

Vorteil, um die aufsteigenden Gase nicht völlig<br />

zu verwischen.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 10 mm<br />

Belichtung 1/40 s<br />

Blende<br />

f/3,5<br />

ISO 800<br />

Aufsteigende Lavablasen und Fontänen<br />

in Lavaseen<br />

Wie bereits erwähnt, bietet sich hier eine bequeme<br />

Möglichkeit, die sonst so kurzlebigen<br />

Lavafontänen abzulichten. Man erlebt bei<br />

Lavaseen oft einen Wechsel zwischen ruhigen<br />

und aktiven Phasen, sogenannten Lake<br />

Storms. Die dabei aufsteigenden Lavablasen<br />

und Fontänen können durchaus bis 30 m<br />

groß werden, insbesondere beim größten Lavasee<br />

der Erde im Nyiragongo-Krater. Leider<br />

gibt es aber auch hier einige Erschwernisse,<br />

die man nicht immer in den Griff bekommt.<br />

Denn gerade wenn der See aktiv wird und<br />

die Fontänen hochsteigen, herrscht auch<br />

eine extreme Thermik. Diese erzeugt heftige<br />

Luftbewegungen, die gerade Teleaufnahmen<br />

unscharf werden lassen.<br />

Der sich nach einem Überlauf neu bildende Lavasee des Erta Ale im<br />

äthio pischen Rift Valley. Dieser schuf sich durch Absinken einen sehr<br />

steilen Pitkrater, der bei dem relativ geringen Seedurchmesser von etwa<br />

45 m eine für Detailaufnahmen permanent ungeeignete Hitzeluftzelle<br />

bildet.<br />

Kratersee des Lokon auf Nordsulawesi/Indonesien. Am Ufer glüht die<br />

zähe Lava eines Lavadoms.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 50 mm<br />

Belichtung 6 s<br />

Blende<br />

f/2,0<br />

ISO 800<br />

247


Des Weiteren sorgt durch das Magma aufsteigendes<br />

Gas, das die Fontänen antreibt,<br />

oft für schlechte Durchsicht. Insofern ist die<br />

richtige Windrichtung und vor allem eine<br />

geringe Windstärke vonnöten. Vor allem zu<br />

viel Wind sorgt für Verwirbelungen hinter<br />

der Kraterkante , der gesamte Krater wird<br />

von trübem Gas durchmischt. Entgegen<br />

der vielleicht anfänglichen Erwartung, dass<br />

der Wind das Gas wegweht, tritt exakt das<br />

Gegenteil ein. Erst bei Windstille kann die<br />

Thermik über dem Lavasee die Gassäule<br />

perfekt nach oben abführen, und die kühle<br />

Luft kann von den Kraterkanten her nach<br />

unten nachströmen und für ruhige und klare<br />

Luft sorgen.<br />

Sehr von Vorteil für die Plastizität und<br />

Schärfe der Fontänenbilder ist ein tiefer<br />

Standort, möglichst genau auf Lavaseeniveau.<br />

Von oben muss man durch viel mehr<br />

hitzebewegte Luft fotografieren, und der<br />

kontrastarme Hintergrund ergibt flache Bilder.<br />

Leider ist es aufgrund extrem instabiler<br />

und steiler Kraterwände fast nie möglich,<br />

sich auf dieses Niveau zu begeben. Dazu<br />

sind professionelle Expeditionen mit entsprechender<br />

Ausrüstung notwendig. Anders<br />

als bei anderen Vulkanmotiven lohnen<br />

sich Nachtaufnahmen einzelner Fontänen<br />

weniger, weil der Rotkontrast viel zu hoch<br />

ist. Es kann sich keine weitere Farbe durchsetzen,<br />

und die Umgebung ist viel zu dunkel.<br />

Ein weiteres Dilemma darf ebenfalls nicht<br />

verschwiegen werden. Hat man einen großen<br />

Krater, kann sich die überhitzte Luft<br />

gut abführen, aber dann besteht eine sehr<br />

große Distanz zur Kamera, und es sind für<br />

formatfüllende Fontänenaufnahmen sehr<br />

lange Brennweiten mit ihren bekannten<br />

Problemen (Erschütterungsempfindlichkeit,<br />

Fokussierung, schweres Stativ erforderlich<br />

etc.) nötig.<br />

Ist der Krater dagegen klein oder eventuell<br />

nur ein Loch mit senkrechten Wänden<br />

(Pitkrater), herrscht fast immer extreme<br />

Luftunruhe. Das kann so weit gehen, dass<br />

selbst Bilder mit einem Normalobjektiv<br />

nicht scharf zu bekommen sind. In beiden<br />

Fällen hilft nur viel Geduld, um die besten<br />

Momente abzupassen.<br />

Für weit entfernte Lavaseen hilft eine APS-<br />

Format-Kamera (Cropfaktor 1,5 bis 2). Anstelle<br />

eines überteuerten Teleobjektivs lässt<br />

sich eventuell ein kleines astronomisches<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 840 mm<br />

Belichtung 1/500 s<br />

Blende<br />

f/5,6<br />

ISO 200<br />

Etwa 15 m hohe Lavafontäne<br />

über der frisch<br />

erstarrten Kruste des<br />

Nyiragongo-Lavasees<br />

bei Tag.<br />

248


KAPITEL 4<br />

TANZ AUF<br />

DEM VULKAN<br />

Fernrohr sinnvoll einsetzten. Es ist als ED-<br />

Version schon für relativ wenig Geld zu<br />

erstehen und leistet auch für Himmelsschauspiele<br />

wie Sonnen- und Mondfinsternisse<br />

gute Dienste.<br />

Achtung! – Hitzeschutz für exponierte<br />

Hautstellen und die Kamera<br />

• Vorsicht vor dem Einschließen der Beobachterposition<br />

bei mehreren sich<br />

ausbreitenden Lavaströmen, gerade bei<br />

landabwärts liegenden Klippen.<br />

• Bei starker Annäherung Hitzeschutz für<br />

jede exponierte Hautstelle, am besten<br />

durch hitzefeste Materialien wie Leder.<br />

• Unbedingt mit dem Wind und aus der<br />

Bodenposition annähern, sich niemals<br />

über den See oder den Strom beugen,<br />

die Hitzeabstrahlung in einer solchen<br />

Position ist extrem und kann sehr<br />

schmerzhaft sein.<br />

• Besondere Vorsicht bei offenen Lavaröhren<br />

oder Lavaseeufern, das sich<br />

ständig wandelnde Gelände ist dort<br />

extrem instabil und brüchig, es besteht<br />

ständig Abbruchgefahr.<br />

• Bei Gasfreisetzung Schutz vor umherfliegenden<br />

Lavastückchen (bedeckende<br />

Kleidung, Lomex) und Gasmaske für<br />

den Schutz der Lunge.<br />

• Kamera immer nur kurz der direkten<br />

Hitze aussetzen.<br />

• Vorsicht bei längeren Bildserien vom<br />

Stativ. Die Kamera kann sich dabei extrem<br />

überhitzen. Immer wieder Abkühlpausen<br />

gönnen.<br />

Explosiv: Strombolianische<br />

Eruptionen und Lavafontänen<br />

Die am häufigsten anzutreffende Form von<br />

Lavaaustritt bei aktiven Vulkanen bezeichnet<br />

man als die bereits mehrfach erwähnte<br />

strombolianische Eruption. Hierbei werden<br />

in Abständen von wenigen Sekunden bis<br />

vielen Stunden oder gar Tagen spontan, oft<br />

unter hoher Geräuschentwicklung, kleine<br />

bis mittlere Lavabrocken, vereinzelt auch<br />

Lavabomben, ausgeworfen. Die Auswurfmenge<br />

und Geschwindigkeit variiert von<br />

Vulkan zu Vulkan sehr stark. Da die einzelnen<br />

Teilchen oft sehr klein sind, wirken sie<br />

im kurz belichteten Bild nicht, es sind dann<br />

SPIEGELSCHLAG DÄMPFEN<br />

Der Spiegelschlag , ein heikles Thema.<br />

Gerade strombolianische Eruptionen<br />

sind dagegen sehr empfindlich, auch<br />

die kleinste Erschütterung zeichnet<br />

die Flugparabeln der Lava gnadenlos<br />

als Sinuskurve auf. Man kann sich<br />

mit der Hand oder einer Pappe vor<br />

dem Objektiv behelfen, die man erst<br />

nach der Auslösung abzieht, dies ist<br />

manchmal intuitiver als das zweimalige<br />

Drücken des Auslösers für<br />

die Vorauslösung. Ein kleiner Trick<br />

kann bei geringem Wind helfen. Der<br />

Kameraspiegel hat den geringsten<br />

Hebel, wenn die Kamera über ihre<br />

Bodenstativschraube anstatt über<br />

die Objektivschwerpunktschelle mit<br />

dem Stativ verbunden ist. Damit wird<br />

der Spiegelschlag deutlich gedämpft.<br />

Der Preis dafür ist ein unbalanciertes<br />

Objektiv, das windempfindlicher ist<br />

und sich sehr unbequem bei der Bildausschnittwahl<br />

verhält.<br />

249


AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 400 mm<br />

Belichtung 25 s<br />

Blende<br />

f/5,6<br />

ISO 200<br />

Typische strombolianische Eruption am Gipfel des namensgebenden<br />

Vulkans Stromboli nördlich von Sizilien. Die späte Abenddämmerung<br />

schafft einen dunkelblauen Hintergrund. Weil hier der gesamte Gipfelbereich<br />

sichtbar sein sollte, musste ein Teleobjektiv eingesetzt werden.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 24 mm<br />

Belichtung 30 s<br />

Blende<br />

f/4,0<br />

ISO 125<br />

Typische strombolianische Eruption am Vulkan Yasur auf Tanna Island<br />

im pazifischen Vanuatu-Archipel. Der Aufnahmestandpunkt befand sich<br />

hier genau auf der Kraterkante, da nur so ein Einblick in die tiefe Kraterschüssel<br />

möglich war. Demzufolge wurde ein Superweitwinkel nötig.<br />

nur zahlreiche rote, winzige Punkte. Erst die<br />

Langzeitbelichtung zeichnet die kompletten<br />

Flugparabeln auf und erzeugt damit das allseits<br />

bekannte, füllige, ästhetische Bild.<br />

Gleichzeitig ist damit klar, dass für diese<br />

Form nur Nachtaufnahmen infrage kommen.<br />

Gut geeignet ist auch noch die blaue Stunde ,<br />

also die Abend- und Morgendämmerung. Sie<br />

stellt aber besonders hohe Anforderungen<br />

an den Fotografen. Das Licht wechselt sehr<br />

schnell, das Rot der Lava beginnt sehr schnell<br />

im umgebenden blauen Licht unterzugehen.<br />

Wichtig ist hier vor allem eine knappe, gezielt<br />

starke Unterbelichtung. Denn nimmt<br />

der blaue Himmel schon den größten Teil der<br />

Sensordynamik ein, bleibt nichts mehr für das<br />

Rot der Lava, sie bleibt viel zu fahl. Es kann<br />

daher ohne Weiteres nötig werden, mehr als<br />

zwei Blendenstufen unterzubelichten.<br />

Wichtig sind generell, wie auch bereits weiter<br />

oben angedeutet, der richtige Moment<br />

und die richtige Belichtungszeit. Die Bogen<br />

sollen nicht angeschnitten, aber auch nicht<br />

250


KAPITEL 4<br />

TANZ AUF<br />

DEM VULKAN<br />

in der Mitte völlig ausgebrannt sein. Es werden<br />

einige Versuche nötig sein, um hier das<br />

richtige Gefühl zu entwickeln.<br />

Typische Belichtungszeiten sind 5 bis 30<br />

Sekunden. Durch die Helligkeit der Lava<br />

kann man sogar abblenden und mit Low-<br />

ISO arbeiten. Demzufolge reichen normal<br />

geöffnete Objektive. Die Brennweite hängt<br />

stark vom erreichbaren Standort und von<br />

der Kratergeometrie ab. Steht man an der<br />

Kraterkante, können schon 24 mm zu viel<br />

Brennweite sein, muss man dagegen am<br />

Fuß des Vulkans bleiben, sind manchmal<br />

400 mm erforderlich.<br />

RICHTIGER ZEITPUNKT<br />

FÜR DIE AUSLÖSUNG<br />

Je nach Eruptionsform gibt es oft ein<br />

sehr kleines Zeitfenster fürs Auslösen<br />

. Sieht man direkt auf den Schlot,<br />

ist eine Kameraauslösung sofort<br />

bei Beginn problematisch, denn die<br />

enorm hohe Anfangshelligkeit bringt<br />

den Sensor voll in die Sättigung samt<br />

dazugehöriger Reflexe. Abblenden<br />

hilft nicht, da dann die eigentlich<br />

interessanten Randpartien unterbelichtet<br />

werden. Also wartet man,<br />

bis die größte Helligkeit vorbei ist.<br />

Wartet man jedoch zu lange, beginnen<br />

auf dem fertigen Bild die Bogen<br />

irgendwo in der Mitte, was das Bild<br />

vom ästhetischen Standpunkt aus<br />

quasi entstellt. Verschärft wird die Situation<br />

bei gleichzeitig austretender<br />

Aschewolke, denn um diese scharf<br />

abzubilden, hat man nur wenige Sekunden<br />

Belichtungszeit. Dabei gilt es,<br />

in diesen wenigen Sekunden komplette<br />

und nicht angeschnittene Bogen<br />

der Lavabrocken zu erfassen.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 24 mm<br />

Belichtung 2 s<br />

Blende<br />

f/1,4<br />

ISO 1600<br />

Gerade bei den Flugparabeln wird jede Kameraerschütterung<br />

durch Spiegelschlag<br />

oder Wind sofort durch Oberwellen sichtbar.<br />

Deshalb sollte man immer dem hier<br />

unanfälligen Weitwinkel den Vorzug geben,<br />

sofern eine Annäherung möglich ist. Ansonsten<br />

hilft nur ein schweres Stativ. Belichtet<br />

man bei starken Ausbrüchen nur die<br />

erste Phase, also noch bevor die ersten Brocken<br />

eine Parabel beschreiben, ergibt sich<br />

ein Bild mit einem Linienbüschel, das eventuell<br />

mehr Dynamik und Energie vermittelt.<br />

Eine besondere Herausforderung ist die<br />

Kombination aus Aschewolke und strombolianischer<br />

Eruption. Denn für eine Aschewolke<br />

darf kaum mehr als 2 bis 4 Sekunden<br />

belichtet werden, um sie noch scharf<br />

zu bekommen. Andererseits benötigt eine<br />

vollständige Flugparabel mindestens 4 Sekunden.<br />

Dennoch kann ein solches Foto mit<br />

vielen Versuchen ab und zu gelingen.<br />

Eindrucksvolles Schauspiel<br />

von Lavafontänen<br />

Die klassische Lavafontäne unterscheidet sich<br />

von der strombolianischen Eruption durch<br />

ihre permanente Tätigkeit, die Lava steigt<br />

ohne Unterbrechung mehr oder weniger<br />

stark auf. Lavafontänen entstehen normalerweise<br />

bei sich öffnenden Spalten am Beginn<br />

einer Eruption. Durch die hohe aus geworfene<br />

Materialmenge baut sich ein Schlackekegel<br />

Beginn einer strombolianischen<br />

Eruption<br />

am Vulkan Bromo<br />

innerhalb der Tengger<br />

Caldera auf Ostjava,<br />

Indonesien. Durch die<br />

kurze Belichtungszeit<br />

sind die Flugbahnen<br />

noch nicht zu Bogen<br />

geformt.<br />

251


Links: Typische<br />

Lavafontänen, hier bei<br />

der Fimmvördurhals-<br />

Eruption im winterlichen<br />

Island.<br />

Mitte: Eine Eruption<br />

am Stromboli in Italien,<br />

aber diesmal mit<br />

wesentlich fülligerem<br />

Auswurfmaterial.<br />

Erst damit lohnt eine<br />

Kurzzeitbelichtung.<br />

mit großer Geschwindigkeit auf. Ein hochschießender<br />

Strahl von Lava, angetrieben<br />

von sich im Schlot rasch ausdehnendem Gas,<br />

erreicht Höhen zwischen 10 und 100 m, im<br />

Extremfall bis 1.500 m. Solche Lavafontänen<br />

gehören mit zum Eindrucksvollsten, was man<br />

am Vulkan erleben kann – auch weil sie normalerweise<br />

recht harmlos sind und man sich<br />

gut annähern kann. Leider sind sie aber oft<br />

von sehr kurzer Dauer, im schlimmsten Fall<br />

halten sie nur ein paar Stunden. Daher ist es<br />

ein echter Glücksfall, einmal eine etwas längerlebige<br />

Fontäne erleben zu können.<br />

In Gegensatz zur mühsamen Warterei bei<br />

anderen Eruptionsformen hat man hier ein<br />

beständiges, unterbrechungsfreies Schauspiel.<br />

Man kann sich in aller Bequemlichkeit<br />

das Motiv zurechtlegen und verschiedene<br />

Perspektiven ausprobieren. Es gibt keine<br />

Langeweile, zumal die von der Fontäne ausgehenden<br />

Lavaströme gute Motive abgeben.<br />

Bedingt durch die andauernde große Helligkeit<br />

dominiert hier die Fotografie bei Tag<br />

oder in der Dämmerung, in der Nacht gerät<br />

man zu stark in die Sättigung, will man<br />

Landschaft mit einbeziehen. Denn die Fontäne<br />

allein wirkt mit einem völlig schwarzen<br />

Hintergrund kaum. Übrigens ist diese Form<br />

der Aktivität auch besonders lohnend für<br />

eine Videoaufzeichnung.<br />

Für ein scharfes Bild verwendet man hier<br />

wieder kurze Belichtungszeiten. Durch die<br />

ausreichende Helligkeit werden keine besonders<br />

lichtstarken Objektive benötigt.<br />

Ebenso genügen mittlere Brennweiten.<br />

Wichtig ist auch der richtige Standort, denn<br />

bei falschem Wind fotografiert man durch<br />

heiße Luft und Gase, was unweigerlich in<br />

einem unscharfen Bild endet.<br />

Lavafontänen und platzende Lavablasen<br />

Ist die Auswurfmenge besonders hoch oder<br />

sind die Brocken sehr groß und noch im Lavafetzenzustand,<br />

lohnt eine kurz belichtete<br />

Aufnahme. Hiermit kann die Bewegung eingefroren<br />

werden, und man gewinnt den Eindruck<br />

einer Fontäne oder platzenden Lavablase.<br />

Solche Fotos gelingen im Gegensatz<br />

zu Lavaflugbogen gerade im Tageslicht und<br />

nicht bei Nacht. Oftmals bieten sich hier sogar<br />

mehr Motive als bei der Nachtbeobachtung,<br />

daher sollte man nicht den Anfängerfehler<br />

machen und bei Tagesanbruch den<br />

Beobachtungsplatz verlassen.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 165 mm<br />

Belichtung 1/200 s<br />

Blende<br />

f/4,5<br />

ISO 100<br />

252


KAPITEL 4<br />

TANZ AUF<br />

DEM VULKAN<br />

Darauf ist im Umfeld von Lavafontänen<br />

zu achten<br />

• Schutz vor einzelnen, ungewöhnlich<br />

weit fliegenden Lavabröckchen durch<br />

feste Kleidung und vor allem Schutzhelm.<br />

Unbedingt Helmgurt verwenden,<br />

ein Bauhelm allein ist nicht zuverlässig<br />

genug.<br />

• Annäherung immer mit dem Wind, für<br />

den Fall einer nötigen Umrundung oder<br />

Windänderung immer Gasmaske in Bereitschaft<br />

halten.<br />

• Stetige Aufmerksamkeit auf spontan<br />

ausgeworfene Lavabomben, dabei die<br />

Flugbahn beobachten und entsprechend<br />

dem angenommenen Einschlag<br />

ausweichen. Dies aber niemals überhastet,<br />

um dadurch Unfälle im oft rauen<br />

Gelände zu vermeiden. Ebenso einen<br />

Beobachtungsplatz immer mit entsprechenden<br />

Fluchtmöglichkeiten wählen,<br />

also genügend Raum für Ausweichmanöver<br />

und/oder großen überhängenden<br />

Felsen als Schutz.<br />

• Niemals einen Schlafplatz an einer der<br />

Eruption nahen Beobachtungsstelle<br />

bauen. Obwohl sich das selbstverständlich<br />

anhört, verstößt man in der Praxis<br />

gern dagegen – vor allem wenn das<br />

Wetter schlechter wird oder man müde<br />

ist, aber dennoch keine Gelegenheiten<br />

verpassen will. Auch wenn die Eruption<br />

über lange Zeit völlig stabil zu sein<br />

scheint, kann sich bei längerer Unaufmerksamkeit<br />

einiges zum Ungünstigen<br />

hin verändern.<br />

• Nur beim zeitweisen Durchqueren von<br />

Gasschleppen Kamera vor direkter Gaseinwirkung<br />

schützen.<br />

• Bei remote platzierter Kamera auf jeden<br />

Fall Schutzbeutel, der Wind kann drehen<br />

und die Kamera in die Gasschleppe<br />

geraten.<br />

• Schutz der Kamera vor Einschlägen<br />

eigentlich unnötig, da die Trefferwahrscheinlichkeit<br />

sehr gering und ein geeignetes<br />

Schutzgehäuse viel zu unhandlich<br />

für die Feldarbeit ist.<br />

Rechts: Bei besonders<br />

starker Aktivität<br />

können wie hier<br />

am Stromboli auch<br />

größere Lavafetzen<br />

und sogar Lavablasen<br />

entweichen. Um solche<br />

Strukturen scharf zu<br />

bekommen, sind sehr<br />

kurze Belichtungszeiten<br />

nötig.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 200 mm<br />

Belichtung 1/800 s<br />

Blende<br />

f/5,6<br />

ISO 100<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 200 mm<br />

Belichtung 1/1250 s<br />

Blende<br />

f/3,5<br />

ISO 100<br />

253


AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 200 mm<br />

Belichtung 1/800 s<br />

Blende<br />

f/5,6<br />

ISO 100<br />

254<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 28 mm<br />

Belichtung 2,5 s<br />

Blende<br />

f/1,4<br />

ISO 800<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 28 mm<br />

Belichtung 8 s<br />

Blende<br />

f/2,5<br />

ISO 200<br />

Platzende Schlammvulkane und<br />

heiße Springquellen<br />

Für viele unbekannt ist die überraschend<br />

hohe Anzahl an Schlammvulkanen . Viele<br />

davon befinden sich am Meeresboden.<br />

Gas, vor allem Kohlendioxid, treibt kalten<br />

oder warmen Schlamm an die Oberfläche,<br />

der ähnlich echter Lava die Hänge hinabläuft<br />

oder durch seine Zähigkeit mehrere<br />

Meter große Blasen bildet, die mit lautem<br />

Geräusch zerplatzen. Für diese platzenden<br />

Blasen braucht man ein gutes Gefühl für<br />

den richtigen Moment, eine kurze Belichtungszeit<br />

und aufgrund des instabilen Untergrunds<br />

eher eine Telebrennweite.<br />

Springquellen , sprich Geysire , sind ein besonders<br />

weites und ergiebiges Gebiet mit<br />

sehr lohnenden Fotomotiven. Zudem bergen<br />

sie wenig Gefahren, sieht man einmal<br />

vom Einbrechen in den oft dünnen und<br />

hohlen Boden ab. Bei Springquellen entlädt<br />

sich überhitztes Wasser alle paar Minuten<br />

bis Stunden. Interessant sind vor allem die<br />

aufsteigende Wasserblase kurz vor dem<br />

Zerplatzen und die eigentliche Wasserfontäne.<br />

Vor allem die Wasserblase erfordert<br />

ein gutes Reaktionsvermögen und eine kurze<br />

Belichtungszeit, eventuell hilft hier eine<br />

schnelle Bildserie. Interessant sind auch<br />

die bei richtigem Winkel und tiefer Sonne<br />

entstehenden Regenbogen. Bei Kälte entsteht<br />

mehr Dampf, der die Thermalgebiete<br />

zusätzlich strukturiert, aber leider auch oft<br />

den Blick auf Details verwehrt.<br />

Oben: Schlammvulkan Bledug Kuwu in Ostjava/<br />

Indonesien. Platzende Schlammblase.<br />

Mitte: Konus im aktiven Nordkrater des Vulkans<br />

Ol Doinyo Lengai im Rift Valley im nördlichen<br />

Tansania. Die dünnflüssige Lava fließt aus einer<br />

seitlichen Öffnung heraus, das Licht des Vollmonds<br />

bringt Zeichnung in die Landschaft.<br />

Unten: Lavastrom aus Natriumcarbonatitlava<br />

in der Abenddämmerung. Die Farbe hat soeben<br />

von Tiefschwarz auf Dunkelrot gewechselt, ein<br />

weltweit einzigartiger Vorgang.


AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 17 mm<br />

Belichtung 1/400 s<br />

Blende<br />

f/8,0<br />

ISO 100<br />

KAPITEL 4<br />

TANZ AUF<br />

DEM VULKAN<br />

Spektakuläre Farbenspiele seltener<br />

Erscheinungsformen<br />

Alles bisher Erörterte geht von Silikat-Lava<br />

in verschiedenen Zusammensetzungen<br />

aus. Jedoch ist es durchaus möglich, wenn<br />

auch wesentlich seltener, andere Laven zu<br />

finden, so z. B. die Natriumcarbonatit-Lava<br />

am Ol Doinyo Lengai . Diese kann ebenso<br />

alle Erscheinungsformen der Silikat-Lava<br />

zeigen, ist jedoch wesentlich kühler und daher<br />

weniger leuchtkräftig. Am Tag erscheint<br />

sie vollkommen schwarz, wie Erdöl. Der<br />

Vorteil für den Fotografen ist die dadurch<br />

wesentlich bessere Nachtfototauglichkeit.<br />

So lassen sich Landschaft, Sterne und Lava<br />

gleichzeitig belichten, ohne wie bei Silikat-<br />

Lava komplett in die Sättigung zu gehen.<br />

Darüber hinaus ist der Farbwechsel von<br />

Tiefschwarz zu Tiefrot in der Dämmerung<br />

spektakulär. Weil die Lava beim Austritt<br />

extrem dünnflüssig ist und sich mit bis zu<br />

15 Metern pro Sekunde fortbewegt, ist auf<br />

einen sicheren Standort zu achten, auch die<br />

500 °C dieser Lava führen noch zu schwersten<br />

Verbrennungen. Die frische Lava erkaltet<br />

schnell und verfärbt sich durch die Umgebungsfeuchtigkeit<br />

im Verlauf von Stunden<br />

und Tagen in eine weiße Substanz.<br />

Im Interesse der Bildkomposition (dies ist<br />

die einzige Lava, die man ohne totale Überbelichtung<br />

auch nachts mit Landschaft kombinieren<br />

kann) empfiehlt sich ein leichtes bis<br />

stärkeres Weitwinkel. Und gerade an diesem<br />

Vulkan hilft eine hohe Lichtstärke sehr. Damit<br />

sind auch die Sterne noch als Punkte belichtbar,<br />

und man kann die äußeren Partien der<br />

Lava trotz Bewegung scharf bekommen.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 55 mm<br />

Belichtung 1/500 s<br />

Blende<br />

f/7,1<br />

ISO 100<br />

Oben: Der Strokkur-Geysir in Island.<br />

Unten: Aufsteigende Wasserblase kurz vor dem<br />

Zerplatzen, Strokkur-Geysir in Island.<br />

255


258


KAPITEL 5<br />

BLICK IN DEN<br />

STERNEN HIMMEL<br />

Blick in den Sternen himmel<br />

261 Voraussetzungen<br />

für die Astrofotografie<br />

262 In der frühen Dämmerung<br />

263 Zwischen Dämmerung und<br />

Nacht<br />

263 Mit den Belichtungszeiten spielen<br />

263 Dunkle Mondseite<br />

im aschgrauen Licht<br />

264 Arbeiten mit langen Belichtungszeiten<br />

264 Ein alter Trick – die Hutmethode<br />

264 Mond- und Sonnenfinsternisse<br />

264 Blutrot romantische Mondfinsternis<br />

265 Dramatische Effekte bei der Sonnenfinsternis<br />

267 Sternenhimmel mit Weitwinkel<br />

268 Sterne mutieren zu ästhetischen<br />

Strichspuren<br />

268 Belichtungszeiten und Objektivbrennweiten<br />

269 Ideale Brennweiten für die Stativkamera<br />

269 Unendlich ist nicht gleich unendlich<br />

270 Landschaft als Hintergrund<br />

270 Balance zwischen ISO und Blende<br />

271 Blick in die Milchstraße<br />

272 Sternstrichspuren als Stilmittel<br />

274 Nachteil der Digitaltechnik<br />

274 Extreme Belichtungszeiten<br />

275 Motorischer Ausgleich<br />

der Erdrotation<br />

276 Arbeiten mit parallaktischer<br />

Montierung<br />

277 Optimierte Kameras<br />

für die Astrofotografie<br />

277 Langbrennweitige<br />

Teleobjektive<br />

278 Sehr lange Brennweiten<br />

279 Fortgeschrittene<br />

Astro fotografie<br />

259


5<br />

Blick in den Sternen himmel<br />

Wer hat nicht schon mal einen unglaublich schönen Sternenhimmel oder einen Mondaufgang<br />

gesehen, den er allzu gern im Bild festgehalten hätte? Diese sogenannte Astrofotografie<br />

ist eine der schwierigsten fotografischen Disziplinen überhaupt, denn das Licht<br />

der Himmelsobjekte ist relativ schwach, und die Himmelsobjekte stehen nicht still! Sonne,<br />

Mond, Planeten und Sterne ziehen infolge der Erddrehung in festgelegten Bahnen über den<br />

Himmel, und ihre Bewegungen sind schneller, als man glaubt, sodass es spezielle Techniken<br />

braucht, ein scharfes Bild zu erhalten.<br />

260


KAPITEL 5<br />

BLICK IN DEN<br />

STERNEN HIMMEL<br />

ÜBER DEN AUTOR<br />

Südlicher Sternenhimmel<br />

mit Milchstraße,<br />

Poldrehaufnahme um<br />

den Himmelssüdpol,<br />

Lombok, Indonesien,<br />

Caldera des Rinjani-<br />

Vulkans, 28.08.2009,<br />

23:00h.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 16 mm Fisheye<br />

Belichtung 15 min<br />

Blende f/4<br />

ISO 100<br />

Voraussetzungen<br />

für die Astrofotografie<br />

Voraussetzungen sind eine digitale Spiegelreflexkamera<br />

mit hoher ISO-Einstellung<br />

und rauscharmem Sensor, ein Stativ, ein<br />

Drahtauslöser sowie Objektive mit möglichst<br />

kleiner Blendenzahl. Kennt man noch<br />

die wichtigsten Zusammenhänge und<br />

Grundlagen, lassen sich mit einfachen Mitteln<br />

sehr stimmungsvolle Fotos gewinnen.<br />

Michael Risch, Jahrgang 1967, Mitbegründer<br />

der Hobbyastronomen-Community<br />

Astronomie.de und Mitarbeiter<br />

von Baader Planetarium ist 1981<br />

mit seinem ersten Teleskop in die<br />

beobachtende Astronomie eingestiegen<br />

und hat unmittelbar danach seine<br />

ersten Schritte in die Astrofotografie<br />

getan. Anlass war die Wiederkehr des<br />

Kometen Halley. Seither hat er mit<br />

mobilem Equipment immer wieder<br />

fotografische Reisen unternommen.<br />

Die Ergebnisse wurden auf Ausstellungen<br />

gezeigt und in Fachzeitschriften<br />

publiziert. Seit 2001 leitet<br />

er jährlich Reisen in den Polarkreis<br />

zur Beobachtung und Fotografie von<br />

Polarlichtern.<br />

261


AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 600 mm<br />

Belichtung 1/2 s<br />

Blende f/4<br />

ISO 200<br />

Komet McNaught<br />

am Abendhimmel,<br />

09.01.2007 17:37h.<br />

262<br />

Etwas mehr Technik erlaubt sehr beeindruckende<br />

Fotos vom tiefen Universum.<br />

Generell ist es in der Astrofotografie notwendig,<br />

die Automatik der Kamera auszuschalten<br />

und mit rein manueller Einstellung<br />

(Einstellung M) zu arbeiten. Belichtungsautomatik<br />

oder gar Motivprogramme sind<br />

nicht auf die speziellen Lichtverhältnisse<br />

abgestimmt, es würden überbelichtete, verrauschte<br />

und verwackelte Bilder entstehen.<br />

Besser ist es, sich genug Zeit nehmen, um<br />

Belichtungsserien mit verschiedenen ISO-<br />

Einstellungen zu testen; dadurch entwickelt<br />

sich ein Gefühl für die richtigen Werte.<br />

In der frühen Dämmerung<br />

Ausschließlich in der frühen Dämmerung<br />

hilft manchmal die Kameraautomatik dabei,<br />

gute Anhaltspunkte für die Werte erster<br />

Fotos zu erhalten. Herkömmliche astro-<br />

EIN STABILES STATIV<br />

IST ALLES<br />

Trotz der relativ kurzen Belichtungszeiten<br />

ist in der Dämmerung ein stabiles<br />

Stativ ratsam. Leichte Stative sind<br />

ein Kompromiss, der nur eingegangen<br />

werden sollte, wenn z. B. bei Flugreisen<br />

oder Wanderungen das Gewicht<br />

eines stabilen Stativs zum Problem<br />

wird. Beim Fokussieren langer Brennweiten<br />

mit z. B. Live-View für eine<br />

Belichtungsserie, vor allem jedoch bei<br />

Wind, ist eine Kombination aus stabilem<br />

Stativ und einem mechanisch<br />

steifen, exakten Neigekopf wichtig.


KAPITEL 5<br />

BLICK IN DEN<br />

STERNEN HIMMEL<br />

nomische Objekte zu dieser Tageszeit sind<br />

Sonne und Mond. Ein- oder zweimal im Jahr<br />

gesellt sich ein Planet zum Sonnenauf- oder<br />

-untergang hinzu. Ganz selten steht ein Besucher<br />

aus dem äußeren Sonnensystem,<br />

ein Komet , knapp über dem Horizont im<br />

roten Abend- oder Morgenhimmel. Informationen<br />

über solche besonderen Himmelsereignisse<br />

finden sich im Internet auf<br />

Webseiten für Amateurastronomen wie<br />

z. B. Astronomie.de.<br />

Zwischen Dämmerung und<br />

Nacht<br />

Die Übergangszeit zwischen heller Dämmerung<br />

und Nacht eignet sich ideal, um mit<br />

herkömmlicher Technik ohne großen Aufwand<br />

sehr ungewöhnliche, stimmungsvolle<br />

Aufnahmen zu erhalten. Vor allem der tief<br />

stehende, gelbliche Mond auf dunkelblauem<br />

Himmelshintergrund übt eine Faszination<br />

aus, der sich kaum jemand entziehen kann.<br />

Dunkle Mondseite<br />

im aschgrauen Licht<br />

Genau so, wie der Mond nachts am irdischen<br />

Firmament leuchtet und die Landschaft<br />

erhellt, so ist die Erde am Nachthimmel<br />

des Monds ebenfalls ein helles Objekt.<br />

Sie erleuchtet die Kraterlandschaften des<br />

Monds dank ihrer Größe wesentlich stärker<br />

als der Vollmond die Erdnacht. Die dunkle<br />

Seite des Monds wird so in ein graues Licht<br />

getaucht, das sich einige Tage vor und nach<br />

Neumond um die Dämmerungszeit beobachten<br />

lässt. Steht noch ein heller Stern<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 300 mm<br />

Belichtung 1/20 s<br />

Blende f/7<br />

ISO 100<br />

Mit den Belichtungszeiten spielen<br />

Der Himmel ist nach Sonnenuntergang zunächst<br />

hellblau und färbt sich dann langsam<br />

tief dunkelblau, bevor er schließlich nachtschwarz<br />

wird. Der automatische Weißabgleich<br />

ist in der blauen Stunde nicht sinnvoll.<br />

Idealerweise korrigiert man die Farbabstimmung<br />

später am PC, die Fotos sollten also<br />

im RAW-Format erstellt werden. Es empfiehlt<br />

sich in der Astrofotografie generell<br />

das RAW-Format, denn nur damit sind am<br />

PC weitreichende Korrekturen zur optimalen<br />

Ausnutzung der Bilddaten möglich.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 600 mm<br />

Belichtung 8 s<br />

Blende f/8<br />

ISO 100<br />

Oben: Westgrönland, Ilulissat Eisfjord, aufgehender<br />

Vollmond, 29.08.2007 abends.<br />

Unten: Zunehmender Mond am Abendhimmel,<br />

Erdschein (sekundäres Licht), Planet Venus,<br />

19.02.2007 18:25h.<br />

263


oder Planet in der Nähe, ergibt sich eine<br />

sehens- und fotografierenswerte Konstellation<br />

von zwei Himmelskörpern.<br />

Arbeiten mit langen Belichtungszeiten<br />

Für die Aufnahme benötigt man wiederum<br />

ein festes Stativ, denn die Brennweite sollte<br />

um 200 mm liegen. Bei längeren Brennweiten<br />

verwischt das Bild, bedingt durch die<br />

Erddrehung, während der Belichtungszeit.<br />

Mit 200 mm Brennweite liegt die Belichtungszeit<br />

zwischen 2 und 4 Sekunden. Die<br />

Empfindlichkeit sollte je nach Blendenzahl<br />

des Objektivs bei ca. ISO 200 bis ISO 800<br />

liegen. Oft ist die Mondsichel überbelichtet,<br />

wenn das aschgraue Licht hervortritt, aus<br />

dem das Bild seine Ästhetik bezieht.<br />

Der Autofokus funktioniert beim Mond in<br />

den meisten Fällen gut, anders als bei vielen<br />

anderen Himmelsobjekten. Um zu verhindern,<br />

dass bei mehreren Sekunden Belichtungszeit<br />

das Bild durch die Vibration des<br />

zurückklappenden Spiegels ruiniert wird,<br />

sind ein Fernauslöser oder Selbstauslöser<br />

sowie die Einstellung der Spiegelvorauslösung<br />

hilfreich.<br />

Ein alter Trick – die Hutmethode<br />

Ein alter Trick, wenn man keinen Selbstoder<br />

Fernauslöser zur Hand hat: die Hutmethode<br />

. Man stellt die Kamera auf einige<br />

Sekunden Belichtungszeit (4 bis 15 Sekunden),<br />

hält einen Hut oder eine Zeitschrift<br />

vor die Optik, ohne diese damit zu berühren,<br />

und drückt dann den Auslöser. Etwa 2<br />

bis 3 Sekunden dauert es, bis die Vibrationen<br />

abgeklungen sind. Dann zieht man Hut<br />

oder das Heft für die gewünschte Belichtungszeit<br />

vor der Optik weg. Dieser Trick<br />

funktioniert besonders bei sehr langen Teleskopbrennweiten,<br />

bei denen selbst der<br />

Schlitzverschluss der Kamera eine zu hohe<br />

Vibration erzeugt.<br />

Stimmungsvoll wirken Fotos des Monds mit<br />

Erdlicht aber auch bei geringerer Brennweite,<br />

wenn eine schöne Landschaftskulisse<br />

mit einbezogen werden kann.<br />

Mond- und Sonnenfinsternisse<br />

Wenn sich der Mond im Schatten der Erde<br />

verfinstert (Mondfinsternis) oder sich vor<br />

die Sonne schiebt (Sonnenfinsternis), ist<br />

das für Astrofotografen ein Pflichttermin.<br />

Von einem festen Standort aus wird man<br />

im Laufe seines Lebens wesentlich mehr<br />

Mondfinsternisse als Sonnenfinsternisse<br />

zu sehen bekommen, das liegt vor allem an<br />

der Geometrie der Bahnen von Sonne und<br />

Mond. Finsternisse vergehen erfahrungsgemäß<br />

viel zu schnell für Experimente, deshalb<br />

sollte man schon Wochen im Voraus<br />

mit der Ausrüstung experimentieren und<br />

sich einen Ablaufplan (Belichtungszeiten,<br />

Brennweiten, Objektivwechsel) überlegen,<br />

der während des Ereignisses abgearbeitet<br />

werden kann.<br />

Blutrot romantische Mondfinsternis<br />

Wenn der Vollmond in den Schatten der<br />

Erde gleitet, spricht man von einer Mondfinsternis<br />

. Der Mond wird dabei noch vom<br />

roten Licht erleuchtet, das die Erdatmosphäre<br />

in den Schatten der Erde reflektiert.<br />

Fast jedes Jahr ist eine Mondfinsternis zu<br />

sehen. Im Gegensatz zur totalen Sonnenfinsternis<br />

lässt sie sich von der kompletten<br />

dem Mond zugewandten Erdseite beobachten<br />

und nicht nur in einem schmalen,<br />

eingegrenzten Gebiet. Für das bloße Auge<br />

nimmt der Mond einen Farbton an, der von<br />

Hellorange bis Dunkelbraun variieren kann.<br />

Mehrere Sekunden lange Belichtungen sind<br />

erforderlich. Ohne Nachführung mit Stativ<br />

empfiehlt sich daher eine Beschränkung auf<br />

etwa 200 bis 300 mm Brennweite.<br />

264


KAPITEL 5<br />

BLICK IN DEN<br />

STERNEN HIMMEL<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 1.800 mm,<br />

2x-Telekonverter<br />

Belichtung 1/60 bis 20 s<br />

Ein schönes, scharfes und durchgezeichnetes<br />

Bild, das man etwas beschneidet, ist<br />

besser als ein verzogenes, verwackeltes und<br />

zu dunkles langbrennweitiges Bild. Mit einer<br />

Serie von Einzelaufnahmen lässt sich am<br />

Computer der gesamte Finsternisverlauf als<br />

Reihenaufnahme zusammensetzen.<br />

Dramatische Effekte bei der Sonnenfinsternis<br />

Bei einer Sonnenfinsternis schiebt sich der<br />

Mond vor die Sonne. Weil die Bahn des<br />

Monds um die Erde nicht exakt mit dem<br />

Sonnenlauf am Himmel übereinstimmt,<br />

geschieht das nur sehr selten. Die fotografierbaren<br />

Effekte sind dramatisch. Bei<br />

der partiellen Sonnenfinsternis bzw. in der<br />

partiellen Phase einer totalen Sonnenfinsternis,<br />

wenn die Sonne noch nicht komplett<br />

vom Mond verdeckt ist, muss unbedingt ein<br />

Filter vor die Optik gesetzt werden, um das<br />

grelle Sonnenlicht um mindestens den Faktor<br />

10.000 bis 100.000 abzuschwächen.<br />

Totale Mondfinsternis, Komposit aus sieben Einzelaufnahmen,<br />

09.01.2001.<br />

Totale Sonnenfinsternis, Konya, Türkei, HDR aus sechs Einzelbildern,<br />

29.03.2006.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 600 mm,<br />

ED80 Refraktor<br />

Belichtung 1/60 bis 1 s<br />

Blende<br />

f/7,5<br />

ISO 100<br />

265


WARNUNG!<br />

Der direkte Blick in die Sonne ist<br />

gefährlich – für das Auge und für<br />

die Kameraausrüstung. Auch alte<br />

Hausmittel wie rußgeschwärzte<br />

Scheiben oder unbelichteter Schwarz-<br />

Weiß-Film sowie Schweißgläser sind<br />

unbrauchbar, denn sie lassen zu viel<br />

schädliches UV- und IR-Licht durch,<br />

das man zwar nicht sieht und spürt,<br />

das aber die Augen und die Ausrüstung<br />

zerstört.<br />

Die unkomplizierteste Montage und beste<br />

Filterung ermöglicht eine Sonnenfilterfolie,<br />

wie sie bei jedem Astrohändler im Internet<br />

erhältlich ist. Diese Folie kann man in kleine<br />

Stücke zerteilen und mit Klebeband oder<br />

Pappfassung stabil vor der jeweiligen Optik<br />

befestigen. Jedoch ist darauf zu achten,<br />

dass der Filter während der totalen Phase<br />

schnell abgenommen und danach wieder<br />

aufgesetzt werden kann.<br />

Partielle Sonnenfinsternis<br />

In Deutschland kann man alle zwei bis drei<br />

Jahre eine partielle, also teilweise Sonnenfinsternis<br />

beobachten. Dabei bedeckt der<br />

Mond nur einen kleineren oder größeren<br />

Teil der Sonne, verfinstert sie jedoch nicht<br />

komplett. Ebenso wie bei einer Mondfinsternis<br />

ist die Fotografie der partiellen Phase<br />

einer Sonnenfinsternis recht einfach. Unbedingt<br />

erforderlich ist wie oben beschrieben<br />

ein Sonnenfilter. Mit ein paar Belichtungsversuchen<br />

per Automatikeinstellung findet<br />

man schnell die optimale Belichtungszeit.<br />

Achten Sie auf die kleinen Höcker in der<br />

Histogrammdarstellung, das sind die dem<br />

Sonnen- bzw. Mondbild zugehörigen Grauwerte.<br />

Diese sollen zwar im oberen Bereich<br />

sein, dürfen aber keinesfalls am rechten<br />

Ende in der Sättigung liegen.<br />

Totale Sonnenfinsternis<br />

Eine totale Sonnenfinsternis erleben die<br />

meisten Menschen niemals in ihrem Leben.<br />

Etwa einmal im Jahr ist in einem circa 50<br />

Kilometer breiten und wenige Tausend Kilometer<br />

langen Streifen auf der Erde, dem sogenannten<br />

Totalitätspfad, dieses Schauspiel<br />

zu bewundern. Die Sonne wird nur in diesem<br />

Gebiet komplett vom Mond verdeckt, und<br />

es kommt zu einer extremen Veränderung<br />

der Natur rund um den Beobachter. Von der<br />

Sonne bleibt nur ein heller Lichtkranz, die<br />

Korona , am Himmel übrig. Die Landschaft<br />

wird in Sekundenschnelle dunkel und in ein<br />

merkwürdiges Zwielicht getaucht, der ganze<br />

Horizont glimmt in Dämmerungsfarben,<br />

und am Tag werden Sterne sichtbar.<br />

Die Temperatur fällt spürbar, Vögel singen<br />

ihr Abendlied. Durch diese einmalige Atmosphäre<br />

machen Sonnenfinsternisse regelrecht<br />

süchtig. Viele Enthusiasten haben<br />

sich in den letzten Jahren zu sogenannten<br />

Eclipse-Chasern entwickelt, die zu den Orten<br />

totaler Sonnenfinsternisse auf der ganzen<br />

Welt reisen. Wir verdanken dieses Naturereignis<br />

einem kosmischen Zufall: Mond<br />

und Sonne erscheinen am Himmel etwa<br />

gleich groß, die Sonne hat allerdings den<br />

400-fachen Durchmesser des Monds und<br />

wirkt von der Erde aus nur deshalb so klein,<br />

weil sie viel weiter entfernt ist als der Mond.<br />

Will man Mond bzw. Sonne bildfüllend aufnehmen,<br />

bedarf es überraschend langer<br />

Brennweiten. Für z. B. das Kleinbildformat<br />

sind es immerhin 2.500 mm Brennweite. Es<br />

gibt keine Teleobjektive dieser Brennweite,<br />

266


KAPITEL 5<br />

BLICK IN DEN<br />

STERNEN HIMMEL<br />

und ein solches wäre auf einem üblichen<br />

Fotostativ aufgrund der Verwacklungsgefahr<br />

auch keinesfalls beherrschbar. Solche<br />

Brennweiten bleiben den motorisch nachgeführten<br />

Teleskopen fortgeschrittener Astrofotoamateure<br />

vorbehalten. Jedoch reicht die<br />

hohe Auflösung moderner Digitalkameras<br />

durchaus, um auch bei wesentlich kürzeren<br />

Brennweiten eindrucksvolle Ergebnisse zu<br />

erzielen. Es bieten sich vor allem Reihenaufnahmen<br />

des gesamten Finsternisverlaufs<br />

bei Mond- und Sonnenfinsternissen an,<br />

aber auch Weitwinkelaufnahmen mit Einbindung<br />

der umliegenden Landschaft.<br />

Gerade bei einer Sonnenfinsternis werden<br />

dadurch die einzigartigen Stimmungen in<br />

der Atmosphäre und der Umgebung erfasst.<br />

Mittlere Brennweiten um 200 bis<br />

600 mm zeigen auch den vollen Kranz der<br />

Sonnenkorona bei einer totalen Sonnenfinsternis.<br />

Die Sonnenkorona ist so hell wie<br />

der Vollmond, die Belichtungszeiten bleiben<br />

fast immer unter 2 Sekunden. Ärgerlich<br />

und schwer zu beherrschen ist jedoch die<br />

Erddrehung, das Bild wandert schon in Sekunden<br />

deutlich aus der Bildmitte. Besitzer<br />

einer motorisierten Teleskopmontierung<br />

(ab ca. 500 Euro) können dieses Problem<br />

technisch kompensieren. Mit Fotostativ<br />

wählt man stattdessen eine etwas kürzere,<br />

beherrschbare Brennweite.<br />

Belichtungsreihen sind Pflicht<br />

Die totale Phase einer Sonnenfinsternis<br />

dauert meist nur zwei bis drei Minuten,<br />

maximal sieben – was jedoch nur ein- bis<br />

zweimal im Jahrhundert irgendwo auf der<br />

Erde vorkommt. Die kurze zur Verfügung<br />

stehende Zeit lässt lediglich eine einzige<br />

durchgehende Belichtungsreihe zu. Praktische<br />

Werte bei den üblichen Blenden f/5<br />

bis f/12 sind 1/250 Sekunde für die innerste<br />

Korona mit den Protuberanzen (Gaseruptionen<br />

über dem Sonnenrand) bis etwa 2<br />

bis 4 Sekunden für die äußerste Korona bei<br />

besonders klarem Himmel. Es ist unmöglich,<br />

die extremen Kontrastunterschiede in<br />

einem Bild zu erfassen, diese können bis<br />

eins zu einer Million betragen. Eine solche<br />

Dynamik in einem einzigen Foto aufzunehmen,<br />

gelingt mit keiner heute zur Verfügung<br />

stehenden Technik.<br />

Möchte man die Sonnenkorona fotografisch<br />

so darstellen, wie das Auge sie sieht,<br />

muss man die oben beschriebene Bildserie<br />

mit HDR-Technik zu einem Bild vereinen.<br />

Wichtig ist ferner, auf die Scharfstellung<br />

zu achten. Zwar funktioniert der Autofokus<br />

oder auch die Live-View-Ansicht tadellos<br />

am Mond- oder Sonnenrand, sobald<br />

aber die Totalität eintritt, verändern sich<br />

die Lichtverhältnisse derart, dass man den<br />

Rand von Sonne oder Mond nicht mehr zur<br />

Fokussierung heranziehen kann. Es empfiehlt<br />

sich dringend, noch vor der Totalität<br />

präzise scharf zu stellen und dann auf jede<br />

weitere Fokussierung bis nach der Totalitätsphase<br />

zu verzichten. Fokussiert man<br />

nur einmal zu Beginn der Finsternis, besteht<br />

gerade bei längeren Brennweiten die Gefahr,<br />

dass sich mit der Änderung der Umgebungstemperatur<br />

der Fokus verschiebt.<br />

Daher sollten Sie unbedingt zwischendurch<br />

den Fokus kontrollieren.<br />

Sternenhimmel mit Weitwinkel<br />

Wenn die Nacht einbricht und die Sterne<br />

sichtbar werden, passt sich unser Auge an die<br />

Dunkelheit an, ohne dass wir es merken. Die<br />

Sehzellen, die für das Farbsehen zuständig<br />

sind (Zäpfchen), stellen den Dienst ein, und<br />

die wesentlich empfindlicheren Schwarz-<br />

Weiß-Sehzellen (Stäbchen) erzeugen das<br />

Bild. Deshalb sehen wir nachts kaum Farben,<br />

was die Volksweisheit „In der Nacht sind alle<br />

267


AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 28 mm<br />

Belichtung 15 s<br />

Blende f/2<br />

ISO 400<br />

Morgendämmerung<br />

über dem bayerischen<br />

Voralpenland,<br />

Wildalpjoch-Gipfel,<br />

27.12.2006 6:34h.<br />

268<br />

Katzen grau“ erklärt. Die Belichtungsautomatik<br />

der Kamera ist leider nicht so flexibel<br />

wie unser Auge. Sie erkennt die Sterne nicht<br />

und liefert unendliche Belichtungszeiten,<br />

obwohl schon mit einigen Sekunden Belichtungszeit<br />

Sterne sichtbar zu machen sind.<br />

Deshalb bleibt dem Fotografen nur, die Kamera<br />

manuell einzustellen.<br />

Sterne mutieren zu ästhetischen Strichspuren<br />

Will man die Sterne als Punkte abbilden, wie<br />

das Auge sie sieht, dürfen die Belichtungszeiten<br />

je nach Objektivbrennweite und aufzunehmender<br />

Himmelsregion nicht zu lang<br />

sein, weil ansonsten die Sterne zu kleinen<br />

Strichen ausgezogen werden. Diese sogenannten<br />

Strichspuren sehen sehr ästhetisch<br />

aus bei sehr langen Belichtungen. Sind sie<br />

jedoch zu kurz, wirken sie für die meisten<br />

Betrachter eher unruhig und störend.<br />

Belichtungszeiten und Objektivbrennweiten<br />

Es gibt in der einschlägigen Fachliteratur<br />

allerlei Berechnungsformeln, die die maximalen<br />

Belichtungszeiten bei verschiedenen<br />

Objektivbrennweiten in Abhängigkeit von<br />

der Stellung des Objekts am Himmel angeben.<br />

Diese wurden zu Zeiten der Emulsionsfotografie<br />

entwickelt, da man noch nicht die<br />

Möglichkeit hatte, wie in der Digitalfotografie<br />

nach dem Try-and-Error-Prinzip zu verfahren,<br />

also mit den Belichtungszeiten zu<br />

experimentieren und sich die Bilder gleich<br />

nach der Aufnahme am eingebauten Bildschirm<br />

der Kamera anzusehen. Diese Technik<br />

macht es uns heute leicht, ein Gefühl für<br />

die richtige Belichtungszeit in der jeweiligen<br />

Situation zu entwickeln. Wir geben deshalb<br />

hier nur Richtwerte statt Formeln an.


KAPITEL 5<br />

BLICK IN DEN<br />

STERNEN HIMMEL<br />

Ideale Brennweiten für die Stativkamera<br />

Ideale Brennweiten bei Aufnahmen mit einer<br />

auf einem Fotostativ montierten Kamera<br />

sind 8 bis 85 mm (Kleinbild). Bei höheren<br />

Brennweiten wandern die Sterne zu schnell,<br />

und es entstehen unschöne kurze Striche<br />

selbst bei kürzestmöglichen Belichtungszeiten<br />

von wenigen Sekunden. Die maximal<br />

möglichen Belichtungszeiten liegen<br />

zwischen etwa 5 Sekunden (85 mm) und 1<br />

Minute (8-mm-Fisheye).<br />

Mit Brennweiten von 35 bis 50 mm (Kleinbild)<br />

kann man einzelne Sternbilder voll<br />

erfassen und damit einen eigenen Katalog<br />

der Sternbilder erstellen. Gerade für diesen<br />

Bereich gibt es Objektive hoher Lichtstärke,<br />

die auch diverse schwache Sterne erfassen.<br />

Anders als bei vielen anderen Fotomotiven,<br />

wo die Regel gilt, für beste Abbildung immer<br />

ein bis zwei Blenden unter der Maximalöffnung<br />

des jeweiligen Objektivs zu bleiben,<br />

sollte man in der sogenannten Deep-Sky-<br />

Astrofotografie die Blende voll öffnen.<br />

Das Risiko, in den Bildecken verzogene<br />

Sternabbildungen zu erhalten, ist zugunsten<br />

der Abbildung vieler Sterne in der möglichen<br />

Belichtungszeit vertretbar. Um am nachtschwarzen<br />

Himmel möglichst viele Sterne<br />

zu erfassen, bedarf es einer hohen ISO-Einstellung.<br />

Trotz verstärkten Rauschens, das<br />

sich speziell in der Sternfotografie nur sehr<br />

schwer mit Filtern glätten lässt – denn beim<br />

Filtern verschwinden die Sterne gleich mit –,<br />

wirkt das jeweilige Sternbild bei hohen ISO-<br />

Werten deutlich besser.<br />

Denkbar ist auch die Addition mehrerer<br />

Einzelbilder, um das Bildrauschen zu reduzieren.<br />

Dazu werden spezielle Programme<br />

aus dem Astrofotografiebereich benötigt,<br />

die dazu dienen, die sich weiterbewegenden<br />

Sterne geometrisch richtig übereinander zu<br />

zentrieren, bevor man die Bilder addiert.<br />

Unendlich ist nicht gleich unendlich<br />

Wichtig ist auch eine optimale Scharfstellung.<br />

Gerade die feinen Lichtpunkte sind<br />

extrem kritische Indikatoren für die Objektivqualität.<br />

Schon eine leichte Fokusabweichung<br />

zeigt unschöne, weiche Sterne. Im<br />

Gegensatz zu den manuellen Objektiven<br />

von früher mit fester, metallener Fassung<br />

und festem Unendlich-Anschlag haben<br />

alle heutigen AF-Objektive deutliches Spiel<br />

über den Unendlich-Punkt hinaus. Das bedeutet<br />

eine kritische Scharfstellung, ohne<br />

sich auf die Skalen der Objektive verlassen<br />

zu können. Leider ist der Autofokus an<br />

schwachen Sternen sehr unzuverlässig, hier<br />

hilft nur das Scharfstellen an einem Planeten,<br />

am Mond oder einem sehr hellen Stern.<br />

Gelingt auch das nicht, bietet der Live-View<br />

mit maximaler Vergrößerung eine gute<br />

Scharfstellhilfe.<br />

SCHARFSTELLEN<br />

AN TERRESTRISCHEN<br />

OBJEKTEN<br />

Auf unendlich scharf gestellt werden<br />

muss immer mit einer rein weißen<br />

Lichtquelle, ansonsten sorgt der sogenannte<br />

Farblängsfehler, den jedes<br />

Objektiv mehr oder weniger stark aufweist,<br />

für eine falsche Fokussierung.<br />

Weit entfernte terrestrische Lichtquellen<br />

sind häufig ungeeignet. Selbst<br />

wenn sie weiß wirken, können sie z. B.<br />

einen zu großen Rot-Anteil haben.<br />

Es ist also Vorsicht geboten.<br />

269


Sternbild Orion über<br />

den Dolomiten,<br />

Marmolada-Gipfel,<br />

Südtirol, 22.09.2010,<br />

2:20h.<br />

Landschaft als Hintergrund<br />

Gerade die Aufnahmen von Sternen von<br />

einem fest stehenden Stativ schaffen die<br />

Möglichkeit, die umgebende Landschaft<br />

mit einzubinden, es wird dann ein klarer und<br />

oft sehr ästhetischer terrestrischer Bezug<br />

geschaffen. Das ist der große Vorteil dieser<br />

einfachen Aufnahmetechnik, denn all die<br />

fantastischen Sternfeld- und Sternennebelaufnahmen<br />

der Großteleskope haben eines<br />

gemeinsam: Es fehlt genau dieser terrestrische<br />

Bezug.<br />

Entgegen der sonstigen Notwendigkeit eines<br />

dunklen Himmels in der Astrofotografie sind<br />

solche Aufnahmen am besten bei nahezu<br />

vollem Mond und/oder in der fortgeschrittenen<br />

Dämmerung zu machen. Bei DSLR-<br />

Kameras mit herkömmlichem Spiegelreflexsucher<br />

ist die Bildkomposition recht einfach.<br />

Wichtig ist ein gerader Horizont, weil das<br />

nachträgliche Drehen des Bilds eventuell<br />

Teile der gewünschten Sternbilder beschneidet.<br />

Nachts ist die Horizontbeurteilung im<br />

Sucher deutlich erschwert. Hilfreich ist eine<br />

aufsteckbare Wasserwaage, wie es sie im<br />

Fotozubehörhandel überall gibt. Für die Belichtungszeiten<br />

gelten die Ausführungen aus<br />

dem vorigen Abschnitt, auch hier wirken die<br />

Striche bei zu langer Belichtung eher störend.<br />

Balance zwischen ISO und Blende<br />

Die Empfindlichkeit (ISO) der Kamera sollte<br />

bei Sternfeldaufnahmen mit Landschaft im<br />

Vordergrund nicht zu hoch eingestellt werden,<br />

weil gerade bei den Landschaftsdetails<br />

das Bildrauschen stört. Dämmerungs- und<br />

Mondlicht, das die Landschaft beleuchtet,<br />

macht es einfacher, dieses Problem zu<br />

überdecken. ISO 400 bis ISO 800 reichen<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 18 mm<br />

Belichtung 30 s<br />

Blende<br />

f/3,5<br />

ISO 200<br />

270


KAPITEL 5<br />

BLICK IN DEN<br />

STERNEN HIMMEL<br />

bei einem Objektiv mit Blende 1,4 bis 2,8 in<br />

der Regel aus. Denkbar ist auch das Stacken<br />

(Aufaddieren) mehrerer Bilder. Wendet<br />

man diese Summierung nur auf den Landschaftsteil<br />

an, bleiben die Sterne punktförmig.<br />

Auch ein Rauschfilter, wie er in fast jedem<br />

Bildbearbeitungsprogramm zu finden<br />

ist, bringt oft eine Verbesserung. Leider<br />

sind diese Tools nicht auf die Astrofotografie<br />

optimiert und zerstören viele schwache<br />

Sterne. Auch eine zu starke Nachschärfung<br />

wirkt bei Sternen schnell unnatürlich.<br />

Am besten geeignet zum Einbinden terrestrischer<br />

Motive ist ein möglichst gutes<br />

Weitwinkelobjektiv. Zum einen wird erst<br />

dadurch das Abbilden ganzer Sternbilder<br />

zusammen mit der Landschaft möglich,<br />

zum anderen erlaubt die kurze Brennweite<br />

eine längere Belichtungszeit, ohne dass unschöne<br />

Strichspuren entstehen.<br />

Blick in die Milchstraße<br />

Mit der beschriebenen Technik zur Fotografie<br />

der Sterne lässt sich sehr weit in den<br />

Weltraum vordringen. In einer mondarmen<br />

Nacht sind sogar die Sternwolken der<br />

Milchstraße, unserer Heimatgalaxie, abzubilden.<br />

Dieses schwache, milchige Band<br />

am Himmel besteht aus vielen Milliarden<br />

von Sternen, von denen jeder eine Sonne<br />

ist wie unsere Sonne. Die Sterne der Milchstraße<br />

sind allerdings so weit von der Erde<br />

entfernt, dass das Licht bis zu uns mehrere<br />

Zehntausend Jahre unterwegs ist. Sie können<br />

mit einem Foto der Milchstraße also<br />

Licht konservieren, das ausgesandt wurde,<br />

als unsere Vorfahren noch in Höhlen gewohnt<br />

haben. Dadurch wird Ihre Kamera zu<br />

einer Zeitmaschine – Sie blicken in der Zeit<br />

zurück.<br />

Südlicher Sternen himmel<br />

mit Milchstraße, darunter<br />

Fish-River Canyon,<br />

Namibia, 06.06.2010,<br />

5:15h.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 16 mm Fisheye<br />

Belichtung 60 s<br />

Blende<br />

f/2,8<br />

ISO 800<br />

271


Zum Vergleich: Das Licht vom Mond zur<br />

Erde ist nur eine Sekunde auf der Reise. Von<br />

der Sonne bis zu uns benötigt ein Lichtstrahl<br />

etwa acht Minuten.<br />

Für Fotos der Milchstraße empfiehlt sich<br />

ein starkes Weitwinkelobjektiv, am besten<br />

ein Fisheye mit voller Öffnung. Es ermöglicht<br />

eine lange Belichtungszeit von 30 Sekunden<br />

und mehr ohne Strichspuren sowie<br />

eine für die Sternwolken und Dunkelnebel<br />

unserer Heimatgalaxie ausreichende Flächenhelligkeitsempfindlichkeit.<br />

Sehr schön<br />

sind auf solchen Fotos auch zahlreiche<br />

Sternbilder im Gesamtzusammenhang darstellbar.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 24 mm<br />

Belichtung 165 min<br />

Blende f/4<br />

ISO 800<br />

Sternstrichspuren als Stilmittel<br />

Will man komplette Sternbilder sichtbar<br />

machen, stört die Erddrehung, sie zieht die<br />

einzelnen Sterne zu kurzen Strichen auseinander.<br />

Allerdings lässt sich dieser Effekt<br />

auch nutzen, um Fotos mit einer völlig anderen<br />

Ästhetik zu gewinnen. Wenn man<br />

die Belichtungszeit extrem in die Länge<br />

zieht, entstehen völlig neue Phänomene.<br />

Der Himmelsnord- oder -südpol wird als<br />

zentraler Punkt deutlich, alle Sterne scheinen<br />

sich darum zu bewegen. Mehrstündige<br />

Belichtungszeiten lassen die unzähligen<br />

Sternstrichspuren wie einen Lichtstrudel<br />

erscheinen. Solche Fotos vermitteln ein Gefühl<br />

für die Erdrotation, wie es sonst kaum<br />

möglich ist. In Kombination mit einer interessanten<br />

Landschaft oder anderen Objekten<br />

entstehen verblüffende Fotos. Leider ist<br />

diese Art der Langzeitfotografie einer der<br />

wenigen Bereiche, in denen die alte Emulsionsfotografie<br />

entscheidende Vorteile hatte.<br />

272


KAPITEL 5<br />

BLICK IN DEN<br />

STERNEN HIMMEL<br />

Poldrehaufnahme um den Himmelsnordpol in der algerischen Sahara, Tadrart-Gebiet.<br />

11 Einzelbilder zu je 15 min kombiniert (= 165 min Belichtung), 06.01.2011.<br />

273


Nachteil der Digitaltechnik<br />

Bei der alten Technik mit chemischem<br />

Film war es kein Problem, stundenlang den<br />

mechanischen Verschluss einer Kamera<br />

zu öffnen und den Film dem schwachen<br />

Glimmen des Nachthimmels auszusetzen.<br />

Bei der Digitalkamera hingegen erwärmt<br />

sich mit zunehmender Belichtungszeit der<br />

Sensor immer stärker, es entsteht durch<br />

Dunkelstrom ein unschönes Bildrauschen<br />

(Verstärkerglühen ), und der Akku quittiert<br />

schon nach kurzer Zeit den Dienst. Belichtungszeiten<br />

über 15 Minuten sind daher<br />

schwer zu realisieren, da hilft nur das<br />

Aufaddieren mehrerer Fotos. Auf jeden<br />

Fall empfiehlt es sich, die kamerainterne<br />

Langzeitbelichtungsrauschunterdrückung<br />

zu aktivieren. Damit erzeugt die Kamera<br />

selbsttätig ein Dunkelbild, das vom vorherigen<br />

Bild abgezogen wird. Auf diese Weise<br />

verschwinden die meisten bei solchen langen<br />

Belichtungszeiten entstehenden Bildstörungen<br />

(Hot-Pixel, Bildrauschen).<br />

Will man jedoch sogenannte Poldrehaufnahmen<br />

mit mehrstündigen Belichtungszeiten<br />

erzeugen, benötigt man eine ausgefeiltere<br />

Technik. Belichtet man einfach<br />

nur mehrere Stunden durch, erhält man<br />

ein völlig unbrauchbares Bild. Daher empfiehlt<br />

sich die Aufnahme einer Bildserie<br />

aus zahlreichen Einzelaufnahmen mit je 5<br />

bis 15 Minuten. Das nötige Dunkelbild sollte<br />

man mit aufgesetztem Objektivdeckel<br />

selbst anfertigen, weil jeweils Bild auf Bild<br />

ohne Verzögerung aufgenommen werden<br />

muss. Ansonsten gäbe es störende Unterbrechungen<br />

der Sternbogen beim späteren<br />

Zusammenfügen der Einzelbilder. Eine<br />

solche Bildserie kann dann in einem Bildbearbeitungsprogramm<br />

zu einem einzigen<br />

Gesamtbild vereint werden. Hier helfen<br />

Techniken wie Stacking, aufhellende Überlagerung<br />

und Dunkelbildabzug.<br />

Extreme Belichtungszeiten<br />

Aufnahmen mit sehr langen Belichtungszeiten<br />

unterm Nachthimmel benötigen einige<br />

Vorbereitung. Taubildung ist ein nicht<br />

zu unterschätzendes Problem, dem man mit<br />

einer Heizmanschette (erhältlich im Astrofachhandel)<br />

begegnen kann. Ein vollständig<br />

geladener Akku, die Sicherheit, dass niemand<br />

während der Nacht mit einer Lichtquelle<br />

ins Bild tritt bzw. die Kamera stiehlt,<br />

und natürlich ein stabiles, wolkenfreies<br />

Wetter sind weitere Voraussetzungen für<br />

das Gelingen solcher Projekte mit mehreren<br />

Stunden Gesamtbelichtungszeit.<br />

Wichtig bei diesen Aufnahmen ist eine angepasste<br />

ISO-Blende-Kombination. Stimmt<br />

diese Kombination nicht, ist nach der langen<br />

Aufnahmezeit das Bild verloren und<br />

kaum wiederholbar. Es lässt sich eine Art<br />

Vorschau auf das zu erwartende Bildergebnis<br />

erzeugen, indem man den höchsten<br />

ISO-Wert der Kamera, z. B. 12800, einstellt<br />

und ca. eine bis zwei Minuten belichtet.<br />

Wenn das Ergebnis ansprechend wirkt,<br />

erstellt man weitere Fotos, wobei man die<br />

Empfindlichkeit (ISO) stufenweise herunterdreht<br />

und die Reduzierung der Empfindlichkeit<br />

durch eine höhere Belichtungszeit<br />

ausgleicht. So lässt sich problemlos auf etliche<br />

Stunden extrapolieren.<br />

Man darf immer auf Überraschungen hoffen<br />

wie z. B. auf Sternschnuppen oder Satelliten,<br />

die während der Bildaufnahme durch<br />

das Bildfeld ziehen. Oft erhalten die Fotos<br />

durch solche unvorhergesehenen Zufälle<br />

einen zusätzlichen Reiz. Für extrem lang belichtete<br />

Aufnahmen bieten sich, beispielsweise<br />

im Urlaub, in der offenen Landschaft,<br />

in einer Wüste oder auf Bergen optimale<br />

Gelegenheiten.<br />

274


KAPITEL 5<br />

BLICK IN DEN<br />

STERNEN HIMMEL<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 28 mm<br />

Belichtung 8 Bilder,<br />

je 5 min<br />

Blende f/2<br />

ISO 200<br />

Motorischer Ausgleich<br />

der Erdrotation<br />

Poldrehaufnahme des nördlichen Sternenhimmels am Äquator,<br />

Gipfelkrater Ol Doinyo Lengai, 05.07.2004 21:14h.<br />

Es gibt ein technisches Hilfsmittel gegen die<br />

störende Erdrotation , die sogenannte parallaktische<br />

Montierung. Darunter versteht<br />

man ein motorisiertes Stativ, das sich mit einer<br />

Achse genau auf einen der Himmelspole<br />

ausrichten lässt. Um diese Achse rotiert die<br />

Kamera während der Aufnahme mithilfe eines<br />

Motors entgegen der Erdbewegung. Für<br />

kurze Brennweiten reicht schon ein kleines<br />

und leichtes Modell, will man jedoch mit<br />

langen Teleobjektiven oder einem Fernrohr<br />

arbeiten, sollte eine tragfähigere Variante<br />

mit zusätzlicher manueller oder automatischer<br />

Kontroll- und Korrekturmöglichkeit<br />

der Nachführung angeschafft werden.<br />

Sternfeld um Antares im Skorpion, Namibia,<br />

14.06.2010 2:55h.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 90 mm<br />

Belichtung 2 x 4 min<br />

Blende f/2<br />

ISO 400<br />

275


AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 90 mm<br />

Belichtung 4 min<br />

Blende f/2<br />

ISO 800<br />

Arbeiten mit parallaktischer Montierung<br />

Sobald man keine Sorgen mehr haben<br />

muss, dass sich die Sterne schon nach wenigen<br />

Sekunden bis Minuten als Striche abbilden,<br />

eröffnen sich viele neue Möglichkeiten.<br />

Man kann das Objektiv für eine bessere<br />

Abbildung abblenden. Auch die Vignettierung<br />

, eine Abdunklung in den Bildecken,<br />

die fast jedes Objektiv aufweist, verbessert<br />

sich beim Abblenden deutlich. Natürlich<br />

kann die Vignettierung per automatischer<br />

Bildkorrektur bzw. in der Bildbearbeitung<br />

behoben werden, jedoch führt das zu verstärktem<br />

Bildrauschen in den Ecken.<br />

Bei den langen Belichtungszeiten, die parallaktische<br />

Montierungen ermöglichen, werden<br />

viel schwächere Sterne erkennbar, und<br />

es treten nun auch Nebel und Sternhaufen<br />

optimal auf den Fotos hervor. Bedenkenlos<br />

kann eine etwas längere Brennweite zum<br />

Einsatz kommen, es erschließen sich zunehmend<br />

mehr Details des Universums.<br />

Üblicherweise empfehlen sich mit DSLR-<br />

Kameras Belichtungszeiten zwischen zwei<br />

und zehn Minuten, längere Belichtungszeiten<br />

führen zu mehr Bildstörungen durch die Erwärmung<br />

des Kamerasensors. Um möglichst<br />

detaillierte und rauschfreie Bilder zu erhalten,<br />

ist das Aufnehmen von Bildserien mit etwa<br />

vier Einzelbildern bis zu mehreren Hundert<br />

Aufnahmen üblich. Diese werden nachträglich<br />

am Computer mit entsprechenden Bildbearbeitungsprogrammen<br />

summiert. Bei<br />

kurzen Brennweiten und hohen Lichtstärken<br />

Oben: Kreuz des Südens, Namibia, 18.06.2010.<br />

Unten: Das Teleskop Celestron Omni XLT 102 auf<br />

einer parallaktischen Montierung. Damit ist der<br />

Einstieg in die Astrofotografie mit motorischer<br />

Nachführung möglich. Daten der Optik: 100 mm<br />

Öffnung, 1.000 mm Brennweite. Der Preis liegt<br />

inklusive Motorset bei ca. 600 Euro.<br />

276


KAPITEL 5<br />

BLICK IN DEN<br />

STERNEN HIMMEL<br />

des Objektivs reicht oft schon eine einzige<br />

Belichtung bei nicht zu hoher Empfindlichkeit<br />

(ISO). Generell empfiehlt sich der Abzug<br />

von selbst gefertigten Dunkelbildern oder<br />

zumindest der kamerainternen Dunkelbilder<br />

(Langzeitrauschunterdrückung), ansonsten<br />

bauen sich zu viele störende Hot-Pixel auf.<br />

Optimierte Kameras<br />

für die Astrofotografie<br />

Je tiefer man in die Astrofotografie einsteigt,<br />

umso mehr wird man mit einem<br />

grundsätzlichen Problem bei der Verwendung<br />

von DSLR-Kameras für Astroaufnahmen<br />

konfrontiert. Alle DSLR-Kameras sind<br />

nur in einem für Tageslicht optimierten<br />

Spektralbereich empfindlich. Nun leuchten<br />

aber fast alle Gasnebel im All in einer diskreten<br />

Wellenlänge, nämlich dem tiefen Rot<br />

der Wasserstofflinie, bei 656 nm. Speziell<br />

für die Astrofotografie gebaute Spezialkameras<br />

sind daher in diesem Spektralbereich<br />

besonders empfindlich. Gerade mit zunehmender<br />

Brennweite und damit höherer Detailauflösung<br />

gewinnen interessante Himmelsobjekte,<br />

z. B. Gasnebel, in denen Sterne<br />

entstehen, enorm an Detailreichtum.<br />

Auch die Sensoren von DSLR-Kameras sind<br />

in dieser Farbe durchaus empfindlich, es<br />

ist allein der in diesen Kameras verbaute<br />

Tageslicht-Farbkonversionsfilter, der dieses<br />

dunkle Rot auf unter 10 % seiner normalen<br />

Stärke reduziert. Nun kann man zwar diesen<br />

kamerainternen Filter entfernen oder<br />

entfernen lassen und damit die Kamera für<br />

Astroaufnahmen optimieren. Leider ist ein<br />

solcher Umbau irreversibel, nicht günstig<br />

und lässt in der Regel auch die Herstellergarantie<br />

erlöschen. Wer jedoch Gefallen an<br />

der Astrofotografie findet, wird früher oder<br />

später darüber nachdenken. Dazu lässt sich<br />

zum Beispiel ein Zweitgehäuse der letzten<br />

Kamerageneration sinnvoll weiterverwenden,<br />

sofern es über Live-View verfügt. Die<br />

geringere Pixelzahl ist eher günstig, denn<br />

die ist aufgrund ihrer größeren Kapazität<br />

und Rauscharmut für astrofotografische<br />

Anwendungen ohnehin vorzuziehen. Die<br />

volle zig-Megapixel-Auflösung neuester Kameras<br />

ist in der Astrofotografie nicht nötig,<br />

weil die Detailschärfe nicht ausgereizt werden<br />

kann.<br />

Mit einer für die Astrofotografie umgerüsteten<br />

DSLR-Kamera lassen sich zwar noch<br />

Tageslichtaufnahmen erzielen, aufgrund<br />

der erhöhten Rotempfindlichkeit ist aber ein<br />

manueller Weißabgleich nötig. Dieser Trick<br />

funktioniert erstaunlich gut in der allgemeinen,<br />

dokumentarischen Tagfotografie, wird<br />

aber dem anspruchsvollen Amateur nicht<br />

genügen, weil bei kritischer Betrachtung<br />

eine etwas eingeschränkte Farbnuancierung<br />

und Dynamik festzustellen ist. Es gibt<br />

auf dem Markt inzwischen Retrofilter, die<br />

die Kamera wieder völlig auf das Spektrum<br />

vor dem Umbau abstimmen, sie lassen sich<br />

leider nur sehr eingeschränkt und umständlich<br />

einsetzen.<br />

Langbrennweitige Teleobjektive<br />

Bei Teleobjektiven mit Brennweiten über<br />

200 mm ist die Aufnahmetechnik im Grunde<br />

dieselbe wie bei kurzbrennweitigen<br />

Objektiven. Der einzige Unterschied ist,<br />

dass sich bei stärkerer Vergrößerung nicht<br />

ignorierbare Nachführfehler auf kleinerer<br />

Skala bei der Nachführung mit einer parallaktischen<br />

Montierung zeigen. Sie entstehen<br />

durch mechanische Ungenauigkeiten<br />

der Montierung im Sub-Millimeterbereich,<br />

aber auch dadurch, dass sich die Montierungsachse<br />

niemals hundertprozentig exakt<br />

auf den Himmelspol ausrichten lässt.<br />

277


Halbmond, f5-Newton-<br />

Teleskop, 25.04.2007<br />

22:11h.<br />

278<br />

Auch viele weitere Faktoren spielen noch<br />

eine Rolle, wie z. B. die sich ständig ändernden<br />

optischen Eigenschaften der irdischen<br />

Atmosphäre.<br />

Man kann eine Bildserie aus vielen kurz<br />

belichteten Bildern anfertigen, die man am<br />

Computer zu einem einzigen, quasi lang<br />

belichteten Fotos zusammensetzt, um<br />

diese Problematik zu umgehen. Oder man<br />

gleicht die entstehenden Fehler durch aktive<br />

Nachführkontrolle, das sogenannten<br />

Guiding, aus. Natürlich ist das Guiding die<br />

vorzuziehende Methode, die Addition vieler<br />

zwangsläufig unterbelichteter Einzelaufnahmen<br />

kann nicht so effektiv sein wie eine<br />

durchbelichtete Aufnahme.<br />

Zwar gilt, wie bereits oben erwähnt, durch<br />

die vorhandenen Schwächen der DSLR-<br />

Technik eine maximal mögliche Belichtungszeit<br />

von 5 bis 15 Minuten, aber bei<br />

Brennweiten von um die 0,5 m können ohne<br />

aktive Nachführkorrektur schon einige Sekunden<br />

Belichtungszeit zu viel sein. Die<br />

Fehler in Aufstellung und Mechanik zeigen<br />

sich dann gnadenlos in einem verzerrten<br />

Sternbild. Wählt man eine nicht zu lange<br />

Brennweite und ein lichtstarkes Objektiv,<br />

gelingen meist auch mit der Einzelbildtechnik<br />

verhältnismäßig gute Fotos.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 2.500 mm<br />

Belichtung 1/40 s<br />

Blende<br />

f/7,5<br />

ISO 100<br />

Eine Entscheidung für das Guiding bedeutet<br />

eine erhebliche Aufrüstung des Equipments.<br />

Es wird eine zweite, parallel zum<br />

Teleobjektiv ausgerichtete Optik benötigt,<br />

ausgestattet mit beleuchtetem Fadenkreuz,<br />

ferner eine elektronische Montierungssteuerung,<br />

die Geschwindigkeitskontrolle<br />

und feine Korrekturen zulässt. Eleganter ist<br />

alternativ ein sogenannter Autoguider, also<br />

eine externe kleine CCD-Kamera für die<br />

automatische Fehlerkorrektur. Sie nimmt<br />

automatisch kurz belichtete Sternfotos auf<br />

und gibt Steuerimpulse an die Motoren der<br />

Montierung, damit die Sterne auf dem Chip<br />

wie festgenagelt an ihrer Position bleiben.<br />

Mit diesem Aufwand verlässt man den<br />

spontanen und intuitiven Pfad der reinen<br />

DSLR-Fotografie. Wer tiefer in das Gebiet<br />

der Astrofotografie einsteigen will, sieht<br />

sich jedoch früher oder später mit diesen<br />

Themen konfrontiert. Spektakuläre Detailaufnahmen,<br />

wie sie in den Fachzeitschriften<br />

zu finden sind, belohnen den Astrofotografen<br />

für den Aufwand.<br />

Sehr lange Brennweiten<br />

Bei Aufnahmen von schwachen Objekten<br />

mit den dafür nötigen langen Belichtungszeiten<br />

ist eine extrem hohe Brennweite, die<br />

die Auflösung des Fernrohrs völlig ausnutzt,<br />

wenig sinnvoll. Denn die Turbulenzen in der<br />

irdischen Atmosphäre (Luftunruhe ) und<br />

Guiding-Fehler verschmieren solche Bilder<br />

zwangsläufig. Anders verhält es sich bei<br />

hellen planetaren Objekten: Hier kann der<br />

Fotograf mit Brennweiten um 2 bis 10 m die<br />

volle Auflösung der jeweiligen Optik nutzen,<br />

denn die nötigen kurzen Belichtungszeiten<br />

vom Bruchteil einer Sekunde erlauben es,<br />

die Luftunruhe einzufrieren und scharfe<br />

Momentaufnahmen zu erhalten. Aus einer<br />

Serie von Aufnahmen kann die beste ausgewählt<br />

werden.


KAPITEL 5<br />

BLICK IN DEN<br />

STERNEN HIMMEL<br />

Ideale Objekte für diese Technik sind der<br />

Mond , die hellen Planeten (Jupiter , Saturn ,<br />

Mars , Venus ) und die Sonne , jedoch nur<br />

mit entsprechendem Filter. Ein weiterer<br />

Vorteil der Fotografie dieser hellen Objekte<br />

und der daraus resultierenden kurzen Belichtungszeiten<br />

ist, dass keine Kosten für<br />

zusätzliche Technik zur Kontrolle der Nachführung<br />

entstehen.<br />

Fortgeschrittene Astrofotografie<br />

Wie schon bei der Fotografie mit langen<br />

Teleobjektiven angedeutet, verlassen wir<br />

hier das Gebiet der spontanen, einfachen<br />

Himmelsfotografie und betreten das Feld<br />

der nahezu beliebig vertiefbaren reinen Astrofotografie.<br />

Es geht dem Fotografen hier<br />

nicht mehr um die Einbringung terrestri-<br />

scher Motive und das Festhalten momentaner<br />

Stimmungen, sondern um die Erfassung<br />

feinster und schwächster Details in der Tiefe<br />

des Universums .<br />

Im Bereich kleinerer Brennweiten und höherer<br />

Lichtstärken gelingt es zwar noch<br />

erstaunlich gut, mit der derzeitigen DSLR-<br />

Technik eindrucksvolle Ergebnisse zu erzielen,<br />

wesentlich effizienter arbeiten allerdings<br />

sogenannte Astro-CCD-Kameras .<br />

Diese verfügen über eine stabile Kühlung<br />

zur maximalen Rauschreduzierung, AD-<br />

Wandler mit einer vielfach höheren Grauwertauflösung<br />

für schwächste Details, monochrome<br />

Sensoren für die präzisere und<br />

erweiterte Erfassung verschiedener Spektralbereiche<br />

in diskreten Emissionslinien,<br />

integrierte Autoguider zur ständigen Fehlerkorrektur<br />

und viele weitere technische<br />

Finessen.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 200 mm<br />

Belichtung 72 Bilder, je 50 s<br />

Blende<br />

f/2,5<br />

ISO 1600<br />

Komet Lulin, Aldino<br />

nahe Bozen, Südtirol,<br />

25.02.2009 3:30h.<br />

279


Für fortgeschrittene<br />

Astrofotografen bieten<br />

sich größere Optiken<br />

an, zum Beispiel<br />

ein Celestron Edge<br />

HD 1100 (275 mm<br />

Öffnung, 2.750 mm<br />

Brennweite). Mit<br />

motorisierter parallaktischer<br />

Montierung<br />

liegt der Preis bei ca.<br />

4.000 Euro.<br />

Mit der Technik, die heute dem interessierten<br />

Amateur zur Verfügung steht, sind<br />

Fotos mit deutlich besserer Qualität möglich<br />

also die, die vor ein bis zwei Jahrzehnten<br />

noch mit vielen Millionen Dollar teuren<br />

US-Großteleskopen erzeugt wurden. Man<br />

macht unsichtbare Objekte sichtbar, dringt<br />

mit der Kamera tief in Raum und Zeit ein,<br />

sieht die unglaublichen Strukturen, die die<br />

Natur erschaffen hat, und beschäftigt sich<br />

zwangsläufig mit der Frage nach dem Ursprung<br />

der Erde und ihrem Platz im Weltraum.<br />

Nicht zuletzt dadurch ist die Astrofotografie<br />

ein Hobby, das an Faszination<br />

kaum zu überbieten ist.<br />

AUFNAHMEDATEN<br />

Brennweite 560 mm<br />

Belichtung 20 Bilder,<br />

je 30 bis 60 s<br />

Blende f/2<br />

ISO 800<br />

280


KAPITEL 5<br />

BLICK IN DEN<br />

STERNEN HIMMEL<br />

C11 Hyperstar, Eta-Carinae-Nebel, Namibia, 16.06.2010 20:00h.<br />

281


INDEX<br />

A<br />

Abbildungsmaßstab 55<br />

Adobe Photoshop 48<br />

Aiguille du Midi 199<br />

Akku 42, 84<br />

Akzente<br />

knackige 52<br />

Alexander von Humboldt 139<br />

Amphibienkameras 96<br />

Analoge Kamera 34<br />

Archivsicherheit 84<br />

Arenal 207<br />

Aschewolken 208, 221, 233<br />

Astro-CCD-Kameras 279<br />

Astrofotografie 274, 277<br />

Atemregler 103<br />

Ätna 207<br />

Ausleuchtung 117<br />

Auslösezeitpunkt 251<br />

Autofokus 43<br />

Autoreservierung 31<br />

B<br />

Baumgrenze 149<br />

Bekleidung 23<br />

Gamaschen 29<br />

Handschuhe 30<br />

Hitzeschutz 249<br />

Mützen 24<br />

Reißverschluss 39<br />

Schneeschuhe 28<br />

Sturmhaube 26<br />

warme 23<br />

Winterstiefel 27<br />

Zwiebelkleidung 27<br />

Belichtung 119<br />

Belichtungsmessung 45<br />

Belichtungsreihe 267<br />

Belichtungszeit 81<br />

Bereitschaftstasche 156<br />

Bergbäche 184<br />

Bergpanoramen 173<br />

Bergpartner 150<br />

Bergseen 133<br />

Bergwacht 195<br />

Bergwetter 151<br />

Bestimmungsbücher 91<br />

Bewölkung 57<br />

Bildbeurteilung 119<br />

Bildeinteilung 121<br />

Bilder speichern 84<br />

Bildgestaltung 121, 171<br />

Bildidee 171<br />

Bildrauschen 44, 274<br />

Bildschärfe 119<br />

Bildstabilisator 42, 67, 167<br />

Blaue Stunde 61, 263, 207, 250, 206<br />

Astrofotografie 263<br />

Blende 85<br />

Blendenlamellen 189<br />

Blendenöffnung 55<br />

Blickführung 121<br />

Blickrichtung 124<br />

Blitzentladungen 227<br />

Blitzgeräte 37<br />

Blitzlicht 106, 181<br />

Boca Cica 142<br />

Brotzeit 154<br />

C<br />

CF-Karte 38<br />

Charles Darwin 139<br />

D<br />

Dachstein-Gletscherbahn 198<br />

Dämmerung 262<br />

Deep-Sky-Astrofotografie 269<br />

Deutscher Alpenverein 196<br />

Diffuse Lichtverhältnisse 57<br />

DNG-Format 85<br />

Dolomiten 198<br />

Domeport 101<br />

Dreizinnenhütte 198<br />

E<br />

Eclipse-Chaser 266<br />

Edelkompakte 157<br />

Eisblöcke 66<br />

Eismonster 64<br />

Eispickel 153<br />

Eisskulpturen 66<br />

Emulsionsfotografie 268<br />

Energiereserven 34<br />

Energieriegel 34<br />

Erdkruste 204<br />

Erdrotation 275, 81<br />

Erfurter Hütte 198<br />

Ersatzkamera 37<br />

Erstbesteigung<br />

Regeln 192<br />

Erta Ale 207<br />

282


EXTREMFOTOGRAFIE<br />

INDEX<br />

Eruption 205<br />

Extremkälte 33<br />

Eyjafjallajökull 208, 229<br />

Eyjafjörður 136<br />

F<br />

Fahrzeug 32<br />

Farbkorrekturfilter 108<br />

Farbstiche 84<br />

Fäustling 30<br />

Fellmützen 25<br />

Festfrieren 43<br />

Filter 226<br />

Fingerhandschuh 30<br />

Finnenmütze 25<br />

Finsternisse 264<br />

Fischführer 91<br />

Fischporträt 129<br />

Fisheye 272<br />

Fisheye-Effekt 183<br />

Fitness 150<br />

Fliegen 112<br />

Fluchtdistanz 114<br />

Flüsse 135<br />

Fokussierung 226<br />

Freiwasser 130<br />

Fridtjof Nansen 75<br />

Frontlinsenschutz 36<br />

G<br />

Galapagos 139<br />

Gamaschen 29<br />

Gasschleppen 216<br />

Geysire 254<br />

Giftige Gase 234<br />

Gipfelfoto 173<br />

Glutlawinen 213, 217, 232<br />

Goldener Schnitt 121<br />

Goretex 30<br />

Graue Vulkane 232<br />

Graufilter 186<br />

Größenvergleich 127<br />

Größenverhältnisse 127, 178<br />

Großfische 139<br />

Guiding 278<br />

Guiding-Fehler 278<br />

H<br />

Halogenlicht 107<br />

Handgepäck 112<br />

Hans Hass 91<br />

Hechte 92<br />

Heißwasserschlot 136<br />

Heizmanschette 274<br />

Helge Süß 91<br />

HID-Licht 108<br />

Himmelsfotografie 279<br />

Hintergrund 173, 270<br />

Histogramm 119<br />

Hitzeabstrahlung 236<br />

Hitzeschutz 249<br />

Hochformat 52<br />

Hochgebirge 149<br />

Hochgebirgsfotografie 148<br />

Höhlentauchen 142<br />

Höhle Taïn 142<br />

Hosen 24<br />

Hot-Pixel 277<br />

Hutmethode 264<br />

Hütten 196<br />

Hüttenbuch 194<br />

I<br />

Illuminieren 68<br />

Internetrecherchen 91<br />

iPad 39, 171<br />

iPhone 171<br />

ISO-Wert 81<br />

J<br />

Jacken 24<br />

JPEG 57, 116<br />

JPEG-Format 79, 85<br />

Jupiter 279<br />

K<br />

Kalorien, konzentrierte 153<br />

Kälte 23, 34, 84<br />

Kamerapflege 110<br />

Kamerasensor 219<br />

Kandersteg 199<br />

Kartenmaterial 152<br />

Käsemann 166<br />

Kilauea 207<br />

Klaus Radtke 23<br />

Kleinbildkameras 158<br />

Kletterer 176<br />

Klimatische Extreme 154<br />

Knoten 152<br />

Komet 263<br />

Kompaktkameras 96, 156, 215<br />

Kompass 152<br />

Kondensationsstreifen 216<br />

Kondenswasserbildung 41<br />

Kontrastunterschiede 215<br />

Korona 266<br />

283


INDEX<br />

Kraterkante 248<br />

Kraterrand 208<br />

Kraterseen 246<br />

Krebse 92<br />

Kuusamo 21<br />

L<br />

Landschaftsfotografie 21, 50<br />

Lange Belichtungszeiten 264<br />

Langzeitbelichtungen 84<br />

Langzeitfotografie 272<br />

Lappland 31, 74<br />

Larnaka 138<br />

Lava 209, 241<br />

Lavablasen 247<br />

Lavabomben 233<br />

Lavadome 244<br />

Lavafälle 240<br />

Lavafontänen 247, 251, 253<br />

Lavaseen 245<br />

Lavaströme 237, 239<br />

Lawinenauslösung 195<br />

Lawinengefahr 151<br />

Leder 30<br />

LED-Licht 108<br />

Lembeh Strait 139<br />

Lichtführung 117<br />

Lichtmalerei 69<br />

Kameraeinstellungen 70<br />

Lichtpinsel 71<br />

Lichtquellen 61<br />

Lichtschutzfaktor 31<br />

Livaara 21<br />

Live-View 42, 81, 170<br />

Luftunruhe 278<br />

Luftverbrauch 95<br />

M<br />

Magma 237<br />

Makro 95<br />

Mars 279<br />

Martin Rietze 205<br />

Matterhorn 199<br />

Meer 92<br />

Mehrfeldmessung 47<br />

Michael Nagel 21<br />

Milchstraße 271<br />

Mittelgrund 173<br />

Mittenbetonte Integralmessung 46<br />

Mond 189, 279<br />

Mondfinsternis 264<br />

Mondlicht 217<br />

Motivjagd 128<br />

Motivsuche 49<br />

Motorsäge 66<br />

Muck diving 139<br />

Muovaara 21<br />

N<br />

Nase<br />

festgefroren 43<br />

ND3-Graufilter 186<br />

Nebel 57, 192<br />

Netbooks 39<br />

Nordfinnland 21<br />

Nordlichter 74<br />

Farben 76<br />

Häufigkeit 75<br />

Standort 77<br />

Vorbereitung 78<br />

Notebooks 39<br />

O<br />

Objektive 41, 54<br />

AF-Objektiv 41<br />

Festbrennweiten 223<br />

Fisheye 132, 162, 176, 230<br />

Normalobjektiv 230<br />

Standardzoom 129<br />

Telebrennweiten 164<br />

Teleobjektiv 225, 231<br />

Ultraweitwinkel 160, 176<br />

Unterwasser 98<br />

Weitwinkel 55, 95, 132, 159, 230<br />

Zoomobjektive 223<br />

Ol Doinyo Lengai 255<br />

Olperer Hütte 198<br />

Oulanka-Nationalpark 21<br />

Outdoorartikel 24<br />

P<br />

Pacaya 207<br />

Panoramafotografie 173<br />

Panoramawinkel 173<br />

Parallaktische Montierung 276<br />

Partielle Sonnenfinsternis 266<br />

Perspektiven 50, 182<br />

Planport 101<br />

284


EXTREMFOTOGRAFIE<br />

INDEX<br />

Polarkreis 20<br />

Polarnacht 61<br />

Polfilter 166, 186<br />

Pyroklastische Ströme 213<br />

Q<br />

Querformat 52<br />

R<br />

Rauchringe 225<br />

RAW 57, 116<br />

RAW-Format 67, 79, 85, 220<br />

RAW-Konverter 231, 85<br />

Reinhard Wagner 149<br />

Reißverschluss 39<br />

Riemannhaus 198<br />

Rifftauchen 142<br />

Roter Pullover 183<br />

Rote Vulkane 242<br />

Route 31<br />

Rugged Cams 156<br />

Rukatunturi 21, 58<br />

S<br />

Sakurajima 228<br />

Salzwasser 123<br />

Santiaguito 207<br />

Saturn 279<br />

Schärfentiefe 55, 114<br />

Schattenrisse 180<br />

Schlammvulkane 254<br />

Schlot 136<br />

Schnappkarabiner 109<br />

Schnee 42<br />

Schneeschuhe 28<br />

Schneewesen 64<br />

Schwarm 130<br />

Schwefelquellen 235<br />

Schwimmbad 94<br />

Schwindelfreiheit 150<br />

SD-Karte 38<br />

Seegraswiesen 92<br />

Seen 133, 184<br />

Selbstauslöser 83<br />

Semeru 207<br />

Sensorgröße 167<br />

Sensorreinigung 39<br />

Sicherungstechniken 152<br />

Silicagel 39, 44<br />

Skibrille 31<br />

Skidoo 27<br />

Skifahrer 175<br />

Snow Pads 38<br />

Sonne 189, 279<br />

Sonnenaufgang 153<br />

Sonnencreme 31<br />

Sonnenfinsternis 265<br />

Sonnenhöhe 153<br />

Sonnenkorona 267<br />

Sonnenuntergang 153<br />

Speicherkarten 85<br />

Speichermedien 38<br />

Spiegelreflexkameras 97<br />

Spiegelschlag 249<br />

Spotmessung 47<br />

Springquellen 254<br />

Stativ 37, 167, 220, 262<br />

Stativbeine 37<br />

Stativköpfe 37<br />

Steinschlag 233<br />

Sternbilder 269<br />

Sterne 260, 267<br />

Empfindlichkeit 270<br />

Hintergrund 270<br />

ideale Brennweiten 269<br />

Strichspuren 268<br />

Sternenhimmel 260<br />

Sternentabelle 153<br />

Stiefel 24<br />

Strombolianische Eruption 250<br />

Strytan 136<br />

Sturmhaube 26<br />

Stürzende Linien 182<br />

Sucher 100<br />

Süßwasser 92, 123<br />

Süßwassertauchgang 135<br />

Symbiosen 130<br />

Systemkameras 157, 158<br />

T<br />

Tageszeiten 50<br />

Tarierung 94<br />

Tarnen 91<br />

Tauchausrüstung 94<br />

Tauchen 93<br />

Tauchguide 91<br />

Tauchlampe 128<br />

Tauchmaske 95<br />

Tauchpartner 128<br />

Täuschen 91<br />

Teleobjektive 277<br />

285


INDEX<br />

Temperaturvergleich 22<br />

Terrestrische Motive 271<br />

Tiefschnee 33, 38<br />

Totale Sonnenfinsternis 266<br />

Totalitätspfad 266<br />

Tourenplanung 171<br />

iPad 171<br />

iPhone 171<br />

TPE 153<br />

Transportvorschriften 112<br />

Trittsicherheit 150<br />

Trockenreinigung 40<br />

Trockentraining 94<br />

Trolle 64<br />

Turku 31<br />

Tutzinger Hütte 197<br />

U<br />

Universum 279<br />

Unschärfe 55<br />

Unterwasserfotografie 90<br />

Unterwassergehäuse 101<br />

UV-Filter 36<br />

V<br />

Venus 279<br />

Verstärkerglühen 274<br />

Vignettierung 36, 276<br />

Vorbereitung 91<br />

Vordergrund 173<br />

Vulkanausbrüche 204, 213<br />

Vulkane 204<br />

Vulkanologie 205<br />

Vulkantourismus 207<br />

W<br />

Wakatobi 142<br />

Wallacea 139<br />

Wärmegelpads 39<br />

Wasser 91, 95, 121, 153, 241<br />

Wasserfälle 184<br />

Wasserfallregenbogen 187<br />

Wasserwaage 168<br />

Weißabgleich 81, 84<br />

Weitwinkelaufnahmen 116<br />

Wetter 190, 211<br />

Wetterstürze 191<br />

Winterstiefel 27<br />

Wracks 131, 138<br />

Y<br />

Yasur 207<br />

Z<br />

Zeit 50, 128, 192<br />

Zeitmaschine 271<br />

Zenobia 138<br />

Zerstreuungskreis 167<br />

ZipLoc-Beutel 41<br />

Zwiebelkleidung 27<br />

286


EXTREMFOTOGRAFIE<br />

BILDNACHWEIS<br />

Bildnachweis<br />

Kapitel 1<br />

Michael Nagel 20<br />

Frederike Coring 21<br />

Michael Nagel 22<br />

Andreas Winkel 24<br />

Klaus Radtke 25, 26<br />

Michael Nagel 28–30<br />

Andreas Winkel, Heinz Vogler 32<br />

Michael Nagel 35–39<br />

Klaus Radtke 41<br />

Michael Nagel 42<br />

Klaus Radtke 44<br />

Michael Nagel 45–47<br />

Andreas Winkel 48<br />

Michael Nagel 49–83<br />

Kapitel 2<br />

Helge Süß 86–143<br />

Kapitel 3<br />

Reinhard Wagner 144–145<br />

Dieter Langlois 148<br />

Heike Sturm 149<br />

Reinhard Wagner 150–161<br />

Helge Süß 162<br />

Reingard Wager 163<br />

Dieter Langlois 164<br />

Reinhard Wagner 165–166<br />

Novoflex 169<br />

Reinhard Wager 173–176<br />

Dieter Langlois 177<br />

Reinhard Wagner 178–185<br />

Dieter Langlois, Reinhard Wagner 186<br />

Reinhard Wagner 187, 188<br />

Helge Süß 189<br />

Reinhard Wagner 190–192<br />

Dieter Langlois 193<br />

Reinhard Wagner 194–199<br />

Kapitel 4<br />

Martin Rietze 200–255<br />

Kapitel 5<br />

Martin Rietze 256–273<br />

Martin Rietze, Michael Risch 275<br />

Michael Risch, Celestron 276<br />

Martin Rietze 278–279<br />

Celestron, Martin Rietze 280<br />

Martin Rietze 281<br />

287

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