franzis - Extremfotografie.pdf
franzis - Extremfotografie.pdf
franzis - Extremfotografie.pdf
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Michael Nagel, Helge Süß, Reinhard Wagner, Martin Rietze, Michael Risch<br />
<strong>Extremfotografie</strong>
Michael Nagel / Helge Süß / Reinhard Wagner<br />
Martin Rietze / Michael Risch<br />
<strong>Extremfotografie</strong><br />
Arktis, Vulkane, unter Wasser, Hochgebirge, Sterne<br />
Mit 275 Abbildungen
Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek<br />
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;<br />
detaillierte Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.<br />
Hinweis: Alle Angaben in diesem Buch wurden vom Autor mit größter Sorgfalt erarbeitet bzw. zusammengestellt und unter Einschaltung wirksamer Kontrollmaßnahmen<br />
reproduziert. Trotzdem sind Fehler nicht ganz auszuschließen. Der Verlag und der Autor sehen sich deshalb gezwungen, darauf hinzuweisen, dass sie<br />
weder eine Garantie noch die juristische Verantwortung oder irgendeine Haftung für Folgen, die auf fehlerhafte Angaben zurückgehen, übernehmen können. Für die<br />
Mitteilung etwaiger Fehler sind Verlag und Autor jederzeit dankbar. Internetadressen oder Versionsnummern stellen den bei Redaktionsschluss verfügbaren<br />
Informationsstand dar. Verlag und Autor übernehmen keinerlei Verantwortung oder Haftung für Veränderungen, die sich aus nicht von ihnen zu vertretenden<br />
Umständen ergeben. Evtl. beigefügte oder zum Download angebotene Dateien und Informationen dienen ausschließlich der nicht gewerblichen Nutzung. Eine<br />
gewerbliche Nutzung ist nur mit Zustimmung des Lizenzinhabers möglich.<br />
© 2011 Franzis Verlag GmbH, 85540 Haar bei München<br />
Alle Rechte vorbehalten, auch die der fotomechanischen Wiedergabe und der Speicherung in elektronischen Medien. Das Erstellen und Verbreiten von Kopien auf<br />
Papier, auf Datenträgern oder im Internet, insbesondere als PDF, ist nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlags gestattet und wird widrigenfalls strafrechtlich<br />
verfolgt.<br />
Die meisten Produktbezeichnungen von Hard- und Software sowie Firmennamen und Firmenlogos, die in diesem Werk genannt werden, sind in der Regel gleichzeitig<br />
auch eingetragene Warenzeichen und sollten als solche betrachtet werden. Der Verlag folgt bei den Produktbezeichnungen im Wesentlichen den Schreibweisen<br />
der Hersteller.<br />
Herausgeber: Ulrich Dorn<br />
Satz & Layout: G&U Language & Publishing Services GmbH, Flensburg<br />
art & design: www.ideehoch2.de<br />
Druck: GGP Media GmbH, Pößneck<br />
Printed in Germany<br />
ISBN 978-3-645-60131-3
EXTREMFOTOGRAFIE<br />
VORWORT<br />
Vorwort<br />
Lieber Leser, Sie halten ein außergewöhnliches<br />
Buch in Ihren Händen. Zum ersten Mal<br />
haben sich fünf Fotografen, jeder Einzelne<br />
in seinem speziellen fotografischen Bereich<br />
ein erfahrener Profi, in diesem mitreißenden<br />
Werk zusammengefunden, um Sie mit<br />
allen Informationen zu versorgen, die Sie<br />
für das Fotografieren in extremen Situationen<br />
benötigen.<br />
Welche Vorbereitungen sind nötig? Hält<br />
meine Kameraausrüstung den Strapazen<br />
stand? Was muss ich unbedingt berücksichtigen?<br />
Die Antworten darauf und viele<br />
weitere Hinweise finden Sie, kurzweilig erzählt,<br />
mit vielen hilfreichen Empfehlungen<br />
und eindrucksvollen Aufnahmen unterlegt,<br />
in diesem Buch – ein echter Augenschmaus.<br />
Doch warum extreme Fotografie? Was trieb<br />
und treibt die Autoren an, sich eben dort<br />
aufzuhalten, wo „man“ normalerweise keinen<br />
Finger auf den Auslöser einer Kamera<br />
setzen würde? In der hochdigitalisierten<br />
Welt der Fotografie, die es vielen Menschen<br />
ermöglicht, immer und zu jeder Zeit auf den<br />
Auslöser zu drücken, verliert das Foto seine<br />
Einzigartigkeit, und der kreative Raum für<br />
neue Bildideen wird ständig kleiner. Geht<br />
es Ihnen auch so? Alles wurde irgendwie<br />
irgendwann schon mal fotografiert, kopiert<br />
oder am Rechner mittels Bildnachbearbeitung<br />
„geshoppt“.<br />
Um sich wirksam aus der Masse der digitalen<br />
Fastfoodfotografie abzuheben, bleibt<br />
demnach nur die Flucht nach vorn. Auf der<br />
Suche nach neuen Motiven muss man jedoch<br />
gewillt sein, vom normalen Weg abzuweichen<br />
und physische Strapazen, aber<br />
auch Enttäuschungen in Kauf zu nehmen.<br />
Das erfordert in der ersten Phase viel Zeit<br />
für die Vorbereitungen sowie in der Phase<br />
der Umsetzung Geduld und Disziplin vor<br />
Ort und natürlich fundierte Kenntnisse über<br />
die räumliche Umgebung und deren Lichtbedingungen.<br />
Und hier setzen wir in unserem Buch an:<br />
Wir helfen Ihnen, sich optimal vorzubereiten,<br />
und begleiten Sie auf dem Weg der<br />
extremen Fotografie von der Wüste auf die<br />
Berge, durch Eis und Schnee, hinauf auf den<br />
Vulkan und runter auf den Meeresgrund.<br />
Eine spannende Reise, viel Erfolg und außergewöhnliche<br />
Aufnahmen sind Ihnen sicher.<br />
Bestimmt!<br />
Michael Nagel<br />
Ascheberg im September 2011<br />
5
INHALT<br />
Adrenalinschub am Polarkreis 16<br />
Kalt, kälter, Nordfinnland 21<br />
Zauberwelt aus Schnee und Eis 21<br />
Ein gefühlter Temperaturvergleich 22<br />
Erlaubt ist alles, was warm hält 23<br />
Wollmütze, Fellmütze, Sturmhaube 24<br />
Zwiebelkleidung unter der Winterjacke 27<br />
Wasserdichte Winterstiefel 27<br />
Schneeschuhe? – Nein danke! 28<br />
Gamaschen? – Ja bitte! 29<br />
Fingerhandschuh oder Fäustling? 30<br />
Grenzen von Mensch und Material 31<br />
Auf den mobilen Untersatz kommt es an 31<br />
Spontane Notmaßnahmen am Fahrzeug 32<br />
Vorsicht bei Fototouren um –35 °C 33<br />
Energiereserven für den Körper 34<br />
Kameras und der Kältefaktor 34<br />
Mit UV-Filter als Frontlinsenschutz 36<br />
Kaum Einschränkungen bei Blitzgeräten 37<br />
Leichte Beeinträchtigung der Stativköpfe 37<br />
Überraschung: kälteresistente Speichermedien 38<br />
Riskanter Einsatz mobiler Datenspeicher 39<br />
Vereiste Reißverschlüsse geschmeidig machen 39<br />
Ein Wort zur Sensorreinigung 39<br />
Fototechnik unter realen Bedingungen 41<br />
Zuverlässiger Auslöser selbst bei Eiseskälte 41<br />
Bildrauschen? – Einfach cool bleiben! 44<br />
Abstecher in die Belichtungsmessung 45<br />
Wichtig zu wissen: die mittlere Dichte 45<br />
Schwerpunkt der Messung in Suchermitte 46<br />
Auch aus großer Entfernung exakt anmessen 47<br />
Exakte Motivanalyse per Mehrfeld messung 47<br />
Motive suchen, finden und komponieren 48<br />
Ran ans Motiv! 48<br />
Nehmen Sie sich viel, viel Zeit! 50<br />
Unterschiedliche Tageszeiten und Perspektiven 50<br />
Setzen Sie knackige Akzente 52<br />
Hochformat, Querformat – oder beides? 52<br />
Kleine Dinge im diffusen Licht 54<br />
Ganz dicht dran: Makro im Schnee 54<br />
6
EXTREMFOTOGRAFIE<br />
INHALT<br />
Fotografieren mit gewollter Unschärfe 55<br />
Weite Winkel extrem 55<br />
Auch trübe Tage haben was 57<br />
Eisige Glücksmomente 58<br />
Finnlands unfassbar blaue Stunde 61<br />
Künstliche Lichtquellen in der Polarnacht 61<br />
Schneewesen, Eismonster und Trolle 64<br />
Eisskulpturen mit der Motor säge 66<br />
Eisskulpturen selbst bauen 66<br />
Illuminieren mit Fackelkerzen 68<br />
Lichtmalerei – so geht’s! 69<br />
Gute Ergebnisse bei völliger Dunkelheit 70<br />
Originelle Ideen sind das A und O 71<br />
Auf dem Weg zum ersten Lichtbild 72<br />
Die Krux mit dem Nordlicht 74<br />
Was ist das Nordlicht? 75<br />
Auf den Standort kommt es an 77<br />
Vorbereitung ist alles 78<br />
Relevante Kameraeinstellung en detail 79<br />
Energiequelle Akku 84<br />
Die Sache mit der Farbe 84<br />
Digitale Bilder für die Ewigkeit? 84<br />
Faszinierende Unterwasserwelt 86<br />
Im Meer und in Süßwasserseen 91<br />
Wissen ist Macht 91<br />
Ehrenkodex der Taucher 93<br />
Anforderungen an Mensch und Material 93<br />
Reif für die Unterwasserfotografie? 94<br />
Trockentraining im Schwimmbad 94<br />
Entscheidungen vor dem Tauchgang 95<br />
Ins Wasser, aus dem Wasser 95<br />
Kameras unter Wasser 96<br />
Objektive für unter Wasser 98<br />
Passende Unterwassergehäuse 101<br />
Licht in der Dunkelheit 106<br />
Kleine Helfer immer dabei 109<br />
Kamerapflege und Wartungstipps 110<br />
Ihre Gesundheit steht an erster Stelle 112<br />
Fliegen mit der Fotoausrüstung 112<br />
7
INHALT<br />
Geheimnisse guter Unterwasserfotos 114<br />
Manuelle Kameraeinstellung 114<br />
Parameter für Nah- und Makroaufnahmen 115<br />
Parameter für Weitwinkelaufnahmen 116<br />
Ausleuchtung und Lichtführung im Wasser 117<br />
Exakte Bildbeurteilung 119<br />
Mut zur Entscheidung 120<br />
Reserven für die Bildbearbeitung 121<br />
Bildgestaltung unter Wasser 121<br />
Die Farbe des Wassers 121<br />
Salzwasser versus Süßwasser 123<br />
Trübe Aussichten? 123<br />
Blickrichtung und Kameraposition 124<br />
Zum Teil über, zum Teil unter Wasser 125<br />
Größenverhältnisse unter Wasser 127<br />
Der Kunst ihre Zeit, der Zeit ihre Kunst 128<br />
Ihr Tauchpartner, Ihr Modell 128<br />
Fischporträts mit Standardzoom 129<br />
Gute Beziehungen gleich reizvolle Motive 130<br />
Der Schwarm 130<br />
Geheimnisumwitterte Wracks 131<br />
Tolle Spots und Unterwasserressorts 133<br />
Stille Bergseen in den Alpen 133<br />
Grüner See bei Tragöß 135<br />
Tauchen in Flüssen 135<br />
Spektakulärer Süßwassertauchgang in Silfra 135<br />
Heißwasserschlot am Meeresgrund des Eyjafjörður 136<br />
Fotogene Wracks auf Zypern 138<br />
Muck diving in der Lembeh Strait 139<br />
Galapagos, der Name ist Programm 139<br />
Höhlentauchen der Spitzenklasse: Taïn und La Sirena 142<br />
Rifftauchen auf Wakatobi 142<br />
Atem beraubendes Hochgebirge 144<br />
O Täler weit, o Höhen 149<br />
Anforderungen an Mensch und Material 149<br />
Körperliche Fitness 150<br />
Vorzugsweise mit Bergpartner 150<br />
Studium des Bergwetters 151<br />
Vorsicht, Lawinengefahr! 151<br />
Knoten und Sicherungstechniken 152<br />
8
EXTREMFOTOGRAFIE<br />
INHALT<br />
Kompass und Kartenmaterial 152<br />
Die Sternentabelle des Fotografen 153<br />
Wasser und konzentrierte Kalorien 153<br />
Klimatische Extreme, Feind der Kamera 154<br />
Mechanische Schätzchen, immer bereit 154<br />
Bergsteigen mit Kamera 156<br />
Fotografie mit Bergsteigen 157<br />
Hochgebirge, die Domäne der Weitwinkel 159<br />
Ausnahme: lange Telebrennweiten 164<br />
Polfilter, im Gebirge ein Muss 166<br />
Bildstabilisator oder besser mit Stativ? 167<br />
Bildbeurteilung mit Live-View 170<br />
Bildgestaltung oberhalb der Baumgrenze 171<br />
An erster Stelle steht die Bildidee 171<br />
Tourenplanung mit iPhone und iPad 171<br />
Der Beweis: das Gipfelfoto 173<br />
Eindrucksvolle Bergpanoramen 173<br />
Personen vor grandioser Kulisse 174<br />
Skifahrer während der rasanten Abfahrt 175<br />
Kletterer in der Wand 176<br />
Klärung der Größenverhältnisse 178<br />
Schattenrisse vor grandiosem Hintergrund 180<br />
Halt! Blitzlicht im Gebirge? 181<br />
Stürzende Linien auch im Gebirge 182<br />
Die Sache mit dem roten Pullover 183<br />
Wasserfälle, Seen und reißende Bergbäche 184<br />
Sonne und Mond in den Bergen 189<br />
Dramatische Wetter 190<br />
Regeln vor der Erstbesteigung 192<br />
Nehmen Sie sich Zeit 192<br />
Unterschätzen Sie die Witterung nicht 192<br />
Respektieren Sie Betretungsverbote 193<br />
Schreiben Sie Ihre Touren ins Hüttenbuch 194<br />
Stay alert! Bleiben Sie wachsam! 194<br />
Auf geht’s Buam: Hütten in den Alpen 196<br />
Mitgliedschaft im Alpenverein 196<br />
1.327 m: Tutzinger Hütte 197<br />
1.834 m: Erfurter Hütte im Rofan 198<br />
2.177 m: Riemannhaus am Steinernen Meer 198<br />
2.389 m: Olperer Hütte in den Zillertaler Alpen 198<br />
2.438 m: Dreizinnenhütte in den Dolomiten 198<br />
9
INHALT<br />
2.700 m: Dachstein-Gletscherbahn 198<br />
2.690 m: Kandersteg im Berner Oberland 199<br />
3.883 m: Seilbahn auf den Aiguille du Midi 199<br />
Tanz auf dem Vulkan 200<br />
Vulkanausbruch live 205<br />
Ohne extrem hohen Aufwand und Glück geht nichts 205<br />
Lohnenswerte Motive auch bei verpasster Eruption 206<br />
Ideale Locations für ambitionierte Fotografen 207<br />
Spektakulär: die Aschewolke des Eyjafjallajökull 208<br />
Bildgestaltungstipps für angehende Vulkanfotografen 210<br />
Anforderungen an Mensch und Material 211<br />
Was zählt, sind Geduld und Konzentration 211<br />
Psychische Härte und Glück 211<br />
Risiken beim Tanz auf dem Vulkan 212<br />
Das ist die größte Gefahr bei einem Vulkanausbruch 213<br />
Glutlawinen aus heißer Asche, Gasen und Gestein 213<br />
Welcher Kameratyp eignet sich am besten? 214<br />
Hier trennt sich die Spreu vom Weizen 215<br />
Kontrastunterschiede deutlich machen 216<br />
Extrem heiße Glutlawinen bei Nacht 217<br />
Unverhofft kommt oft: das richtige Stativ 220<br />
Betauung, Korrosion und Abnutzung 221<br />
Ascheeruptionswolke vor Sternenhimmel 221<br />
Zoomobjektive oder lichtstarke Festbrennweiten? 223<br />
Rauchringe mit einem Teleobjektiv einfangen 225<br />
Gute Fokussierung macht den Unterschied 226<br />
Unvorhersehbare Blitzentladungen einfrieren 227<br />
Traumobjektiv für nächtliche Vulkan fotografie 228<br />
Mein Objektivpark! – In der Praxis vielfach bewährt 229<br />
Ein Problem, das nicht verschwiegen werden soll 231<br />
Unberechenbar: graue Vulkane 232<br />
Lebensgefährlich! – Glutlawinen aus dem Nichts 232<br />
Warnzeichen bei schnell aufsteigenden Aschewolken 233<br />
In Deckung! – Steinschlag und Lavabomben 233<br />
Vorsicht! – Unerwartete Einwirkung giftiger Gase 234<br />
An Schwefelquellen auftretender Schwefelbrand 235<br />
Einbruchgefahr bei dünnem und unterhöhltem Boden 236<br />
Einfache Regeln gegen extreme Hitze abstrahlung 236<br />
10
EXTREMFOTOGRAFIE<br />
INHALT<br />
Lavaströme, Lavafälle, Lavaseen 237<br />
Einmalige Blicke auf dahinschießende Lavaströme 239<br />
Nahezu unkritisch: Aufnahmen zähflüssiger Lavaströme 239<br />
Zur richtigen Zeit am richtigen Ort: spektakuläre Lavafälle 240<br />
Faszinierendes Spiel zwischen Wasser und Lava 241<br />
Gefährlich! – Heiße Lava und das Meer 242<br />
Unerschöpfliches Reservoir unter schiedlichster Motive 242<br />
Sensationelle Bilder aktiver Lavadome 244<br />
Gefahrenpotenzial aktiver Lavadome 245<br />
Lavaseen bieten immer wieder gute Fotogelegenheiten 245<br />
Intensives Farbenspiel in Kraterseen 246<br />
Aufsteigende Lavablasen und Fontänen in Lavaseen 247<br />
Achtung! – Hitzeschutz für exponierte Hautstellen und die Kamera 249<br />
Explosiv: Strombolianische Eruptionen und Lavafontänen 249<br />
Eindrucksvolles Schauspiel von Lavafontänen 251<br />
Lavafontänen und platzende Lavablasen 252<br />
Darauf ist im Umfeld von Lavafontänen zu achten 253<br />
Platzende Schlammvulkane und heiße Springquellen 254<br />
Spektakuläre Farbenspiele seltener Erscheinungsformen 255<br />
Blick in den Sternen himmel 256<br />
Voraussetzungen für die Astrofotografie 261<br />
In der frühen Dämmerung 262<br />
Zwischen Dämmerung und Nacht 263<br />
Mit den Belichtungszeiten spielen 263<br />
Dunkle Mondseite im aschgrauen Licht 263<br />
Arbeiten mit langen Belichtungszeiten 264<br />
Ein alter Trick – die Hutmethode 264<br />
Mond- und Sonnenfinsternisse 264<br />
Blutrot romantische Mondfinsternis 264<br />
Dramatische Effekte bei der Sonnen finsternis 265<br />
Sternenhimmel mit Weitwinkel 267<br />
Sterne mutieren zu ästhetischen Strichspuren 268<br />
Belichtungszeiten und Objektiv brennweiten 268<br />
Ideale Brennweiten für die Stativkamera 269<br />
Unendlich ist nicht gleich unendlich 269<br />
11
INHALT<br />
Landschaft als Hintergrund 270<br />
Balance zwischen ISO und Blende 270<br />
Blick in die Milchstraße 271<br />
Sternstrichspuren als Stilmittel 272<br />
Nachteil der Digitaltechnik 274<br />
Extreme Belichtungszeiten 274<br />
Motorischer Ausgleich der Erdrotation 275<br />
Arbeiten mit parallaktischer Montierung 276<br />
Optimierte Kameras für die Astrofotografie 277<br />
Langbrennweitige Teleobjektive 277<br />
Sehr lange Brennweiten 278<br />
Fortgeschrittene Astro fotografie 279<br />
Index 282<br />
Bildnachweis 287<br />
12
EXTREMFOTOGRAFIE<br />
INHALT<br />
13
INHALT<br />
1<br />
Adrenalinschub am Polarkreis 16<br />
2<br />
Faszinierende Unterwasserwelt 86<br />
3<br />
Atem beraubendes Hochgebirge 144<br />
14
EXTREMFOTOGRAFIE<br />
INHALT<br />
4<br />
Tanz auf dem Vulkan 200<br />
5<br />
Blick in den Sternen himmel 256<br />
Index 282<br />
Bildnachweis 287<br />
15
KAPITEL 1<br />
ADRENALINSCHUB<br />
AM POLARKREIS<br />
Adrenalinschub am Polarkreis<br />
21 Kalt, kälter, Nordfinnland<br />
21 Zauberwelt aus Schnee und Eis<br />
22 Ein gefühlter Temperaturvergleich<br />
23 Erlaubt ist alles, was warm hält<br />
24 Wollmütze, Fellmütze, Sturmhaube<br />
27 Zwiebelkleidung unter der Winterjacke<br />
27 Wasserdichte Winterstiefel<br />
28 Schneeschuhe? – Nein danke!<br />
29 Gamaschen? – Ja bitte!<br />
30 Fingerhandschuh oder Fäustling?<br />
31 Grenzen von Mensch und<br />
Material<br />
31 Auf den mobilen Untersatz kommt es an<br />
32 Spontane Notmaßnahmen am Fahrzeug<br />
33 Vorsicht bei Fototouren um –35 °C<br />
34 Energiereserven für den Körper<br />
34 Kameras und der Kältefaktor<br />
36 Mit UV-Filter als Frontlinsenschutz<br />
37 Kaum Einschränkungen bei Blitzgeräten<br />
37 Leichte Beeinträchtigung der Stativköpfe<br />
38 Überraschung: kälteresistente<br />
Speichermedien<br />
39 Riskanter Einsatz mobiler Datenspeicher<br />
39 Vereiste Reißverschlüsse geschmeidig<br />
machen<br />
39 Ein Wort zur Sensorreinigung<br />
41 Fototechnik unter realen<br />
Bedingungen<br />
41 Zuverlässiger Auslöser selbst bei Eiseskälte<br />
44 Bildrauschen? – Einfach cool bleiben!<br />
45 Abstecher in die Belichtungsmessung<br />
45 Wichtig zu wissen: die mittlere Dichte<br />
46 Schwerpunkt der Messung in Suchermitte<br />
47 Auch aus großer Entfernung exakt<br />
anmessen<br />
47 Exakte Motivanalyse per Mehrfeldmessung<br />
48 Motive suchen, finden und<br />
komponieren<br />
48 Ran ans Motiv!<br />
50 Nehmen Sie sich viel, viel Zeit!<br />
50 Unterschiedliche Tageszeiten und<br />
Perspektiven<br />
52 Setzen Sie knackige Akzente<br />
52 Hochformat, Querformat – oder beides?<br />
54 Kleine Dinge im diffusen Licht<br />
54 Ganz dicht dran: Makro im Schnee<br />
55 Fotografieren mit gewollter Unschärfe<br />
55 Weite Winkel extrem<br />
57 Auch trübe Tage haben was<br />
58 Eisige Glücksmomente<br />
61 Finnlands unfassbar blaue Stunde<br />
61 Künstliche Lichtquellen in der Polarnacht<br />
64 Schneewesen, Eismonster und Trolle<br />
66 Eisskulpturen mit der Motor säge<br />
66 Eisskulpturen selbst bauen<br />
68 Illuminieren mit Fackelkerzen<br />
69 Lichtmalerei – so geht’s!<br />
70 Gute Ergebnisse bei völliger Dunkelheit<br />
71 Originelle Ideen sind das A und O<br />
72 Auf dem Weg zum ersten Lichtbild<br />
74 Die Krux mit dem Nordlicht<br />
75 Was ist das Nordlicht?<br />
77 Auf den Standort kommt es an<br />
78 Vorbereitung ist alles<br />
79 Relevante Kameraeinstellung en detail<br />
84 Energiequelle Akku<br />
84 Die Sache mit der Farbe<br />
84 Digitale Bilder für die Ewigkeit?<br />
19
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 17 mm<br />
Belichtung 30 s<br />
Blende<br />
f/4,0<br />
ISO 100<br />
Der Kick beim Klick. Zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Allen anderen Menschen zu zeigen:<br />
„Seht mal, ich war da!“<br />
1<br />
Adrenalinschub am Polarkreis<br />
Worin liegt eigentlich der Reiz des Extremen in der Fotografie? Warum nehmen viele<br />
Fotografen – völlig unabhängig davon, ob Amateur oder Profi – eine oftmals anstrengende<br />
und teure Reise unter ungünstigsten Witterungsbedingungen auf sich, um in den letzten<br />
Winkeln unseres Planeten zu fotografieren? Und das, wo doch offensichtlich fast alles<br />
erforscht, umfangreich fotografisch dokumentiert und in irgendeiner Form veröffentlicht<br />
worden ist? Die Antwort ist einfach und klingt plausibel: Zum einen ist es die persönliche<br />
physische Herausforderung, das Erleben und Überschreiten des eigenen Grenzbereichs,<br />
und zum anderen – natürlich – die Hoffnung auf den einen Moment, den fotografischen<br />
Glücksmoment!<br />
20
KAPITEL 1<br />
ADRENALINSCHUB<br />
AM POLARKREIS<br />
Kalt, kälter, Nordfinnland<br />
Adrenalin schießt durch den Körper, man<br />
wird eins mit seiner Kamera und ist wie berauscht<br />
von diesem unbeschreiblichen<br />
Augenblick. Ich selbst habe dieses Gefühl<br />
immer dann verspürt, wenn ich bei eisiger<br />
Kälte irgendwo da oben in Nordfinnland<br />
durch den Sucher meiner vereisten Kamera<br />
blickte. Vor mir das vermeintlich perfekte<br />
Motiv und um mich herum die ideale<br />
Wunschlichtstimmung. Insgeheim hoffend,<br />
dass die hochsensible Technologie in meinen<br />
Händen mich in diesem entscheidenden<br />
Moment nicht im Stich lässt, dass Blende,<br />
Verschluss und Elektronik einwandfrei<br />
funktionieren. Dann wartete ich ungeduldig,<br />
bis das verzögernd ansprechende LC-Display<br />
meiner DSLR-Kamera endlich das Ergebnis<br />
anzeigte.<br />
ÜBER DEN AUTOR<br />
Zauberwelt aus Schnee und Eis<br />
Kann es für uns Fotografen einen schöneren<br />
Moment geben? Ich behaupte: Nein! Allein<br />
die Gewissheit zu haben, in diesem Augenblick<br />
der einzige Mensch hier in dieser<br />
schneeweißen Einöde zu sein, der dieses<br />
Motiv für sich allein entdeckt und fotografiert<br />
hat, lässt die stechenden Schmerzen<br />
in den eiskalten Extremitäten für einige Minuten<br />
vergessen. Und wenn Sie, liebe Leser,<br />
beim Betrachten der einen oder anderen<br />
Aufnahme in diesem Kapitel auch ein bisschen<br />
Herzklopfen verspüren sollten, genau<br />
wie der Verfasser dieses Texts zum damaligen<br />
Zeitpunkt der Aufnahme, wissen Sie<br />
sehr genau, wovon ich spreche.<br />
Die Aufnahmen in diesem Buchbeitrag entstanden<br />
in den Jahren 2001 bis 2007 während<br />
der Wintermonate Januar und Februar<br />
im Raum Kuusamo und im Oulanka-Nationalpark<br />
. Wir erkundeten fotografisch die<br />
Berge Muovaara , Iivaara und den berühmten<br />
Rukatunturi . Mithilfe der Fotogruppe<br />
Michael Nagel , 1963 in Kiel geboren,<br />
absolvierte nach Abschluss einer<br />
Ausbildung im Kunsthandwerk eine<br />
weitere Ausbildung als Fotograf und<br />
Fotofachhandelswirt. Ab 1988 war<br />
er bei Nikon Deutschland im Bereich<br />
Öffentlichkeitsarbeit und zuletzt<br />
als Trainer für den Fotofachhandel<br />
tätig. Seit 2001 unterstützt Michael<br />
Nagel hauptberuflich als Dozent,<br />
Trainer und Projektleiter das Team<br />
des Photo+Medienforums in Kiel<br />
im Bereich der Aus- und Weiterbildung<br />
und führt bundesweit für die<br />
Fotoindustrie und den Fotofachhandel<br />
Schulungen und Seminare<br />
durch. Der Schwerpunkt seiner<br />
fotografischen Arbeit liegt in der<br />
experimentellen Fotografie und in<br />
der Landschaftsfotografie .<br />
21
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 15 mm<br />
Belichtung 1/350 s<br />
Blende<br />
f/5,6<br />
ISO 400<br />
konstruierten und bauten wir aufwendige<br />
Eisskulpturen und -monumente, filigrane<br />
Lichtinstallationen und ein etwas unförmiges<br />
Iglu.<br />
Die im Folgenden geschilderten persönlichen<br />
Erfahrungen sollen Ihnen die nötige<br />
Unterstützung geben, um gut auf die extreme<br />
Kälte vorbereitet zu sein und Ausfälle<br />
beim Material zu verhindern. Trotzdem<br />
kann nicht ausgeschlossen werden, dass<br />
Ihre Kamera oder ein wichtiges Zubehörteil<br />
Ihrer Ausrüstung unverhofft und im falschen<br />
Moment den Geist aufgibt. Extreme<br />
Kälte fordert Mensch und Material weit<br />
bis über die physischen und physikalischen<br />
Grenzen hinaus. Und jenseits der Grenzen<br />
gibt es bekanntlich keine Garantie.<br />
Als ich vor vielen Jahren zum ersten Mal die<br />
faszinierenden Bilder eines befreundeten<br />
Finnlandfotografen bei einer Vernissage betrachtete,<br />
war ich wie gefesselt von der skurrilen<br />
Schönheit der fotografierten Eis- und<br />
Schneegestalten sowie von den ungewöhnlichen<br />
Lichtverhältnissen und -stimmungen<br />
unweit des Nordpolarkreises. Monate später<br />
beschlossen der besagte finnlandaffine<br />
Fotograf Klaus Radtke und ich, bundesweit<br />
Fotoreisen nach Lappland für jene Menschen<br />
anzubieten, die mit uns zusammen dort oben<br />
das Besondere erleben und fotografisch festhalten<br />
möchten.<br />
Ein gefühlter Temperaturvergleich<br />
Wie kann man sich als in gemäßigten Klimazonen<br />
lebender Mittel- oder Nordeuropäer<br />
eigentlich die extrem kalten Temperaturen<br />
in Finnland vorstellen? Nachfolgend versuche<br />
ich, einen „gefühlten“, also rein subjekti-<br />
Es gibt keinen schöneren Moment! Allein in einer<br />
Zauberwelt aus Schnee und Eis.<br />
22
KAPITEL 1<br />
ADRENALINSCHUB<br />
AM POLARKREIS<br />
ven Vergleich zwischen der trockenen Kälte<br />
Nordfinnlands und der eher feuchten Kälte<br />
meiner norddeutschen Heimat aufzustellen.<br />
MANN AUS DEM EIS<br />
• Finnische Temperaturen von –10 bis<br />
–15 °C fühlen sich noch ganz angenehm<br />
an. Bis –20 °C kann man sogar ohne Gesichtsschutz<br />
fotografieren und sich im<br />
Freien durchaus einen ganzen Tag lang<br />
aufhalten – vorausgesetzt, der eisige<br />
Wind hält sich in Grenzen.<br />
• Ab –25 bis –30 °C setze ich zusätzlich<br />
die dicke Sturmhaube auf und bin nur<br />
noch maximal drei bis vier Stunden<br />
ohne wärmende Unterbrechung im<br />
Freien. Diese Temperaturen sind gefühlt<br />
vergleichbar mit den feuchten –20 °C<br />
bei uns im Norden. Das Atmen fällt einem<br />
deutlich schwerer, und übermäßige<br />
körperliche Anstrengungen sollten<br />
– abhängig vom Gesundheitszustand<br />
und der eigenen körperlichen Fitness –<br />
gedrosselt werden.<br />
Klaus Radtke lebt seit über 40 Jahren<br />
regelmäßig für mehrere Monate<br />
zusammen mit seiner Frau Raili in<br />
einer urgemütlichen Hütte nur wenige<br />
Kilometer von Kuusamo entfernt und<br />
kennt natürlich die sehenswerten<br />
Motive Nordfinnlands. Zu seinen<br />
besonderen Begabungen gehört,<br />
zur richtigen Zeit am richtigen Ort<br />
zu sein, selbst kleinste Motive im<br />
Schnee zu entdecken und auch erste<br />
Anzeichen von Nordlichtern frühzeitig<br />
erkennen zu können.<br />
Klaus Radtke veranstaltet seit über<br />
zwanzig Jahren erfolgreich Fotoreisen<br />
nach Nordfinnland, mit der Garantie<br />
für aussergewöhnliche Motive.<br />
• Zwischen –30 und –40 °C wird es richtig<br />
ungemütlich, insbesondere dann,<br />
wenn ein eisiger Wind den Körper zusätzlich<br />
auskühlt. Jetzt wird das Atmen<br />
weiter erschwert, und bereits kleinste<br />
Anstrengungen können gefährlich werden,<br />
wenn man dabei auch noch tief<br />
durchatmen muss. Es schmerzt in der<br />
Lunge, wenn die eiskalte Luft zu tief in<br />
die Lungenflügel gesogen wird.<br />
Erlaubt ist alles, was warm hält<br />
Unabhängig von der Marke und Ihren persönlichen<br />
Vorlieben können Sie für warme<br />
Bekleidung sehr viel Geld ausgeben, ohne<br />
wirklich sicher zu sein, das Richtige gekauft<br />
zu haben. Ob die teure Markenjacke wirklich<br />
winddicht ist und die Hightechstiefel<br />
23
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 300 mm<br />
Belichtung 1/250 s<br />
Blende<br />
f/5,6<br />
ISO 100<br />
Hauptsache, die Kleidung hält warm und schützt vor Feuchtigkeit.<br />
tatsächlich bis –20 °C warm halten, merkt<br />
man leider erst in der Kälte. Vorab hilft bei<br />
der Wahl der Bekleidung und Ausrüstung<br />
unter Umständen die Beurteilung anderer<br />
Outdoorfans oder -fotografen z. B. in den<br />
Internetforen oder auch auf der Website<br />
bzw. im Onlineshop des Herstellers. Vielleicht<br />
hat ja auch schon jemand seine Meinung<br />
getwittert oder auf einer der sozialen<br />
Plattformen hinterlassen.<br />
Doch Vorsicht! Wenn ein Artikel auffallend<br />
oft und übertrieben hoch gelobt wird: Es<br />
könnte auch eine positiv manipulierte Herstellermeinung<br />
zu lesen sein, der man eher<br />
skeptisch gegenüberstehen sollte.<br />
Natürlich helfen auch Testergebnisse in<br />
den entsprechenden Fachpublikationen. In<br />
den letzten Jahren haben die Hersteller bekannter<br />
Outdoorartikel eine schier unübersichtliche<br />
Auswahl an Jacken , Hosen und<br />
Stiefeln in ihr Sortiment aufgenommen, und<br />
man kommt um eine persönliche Beratung<br />
einfach nicht herum. Informieren Sie sich<br />
trotzdem vorher genau über die Produkte,<br />
die Sie kaufen bzw. anschauen möchten,<br />
und stellen Sie gezielte Fragen an den Verkäufer,<br />
um seine Fachkenntnis besser einschätzen<br />
zu können.<br />
Wollmütze, Fellmütze, Sturmhaube<br />
Fangen wir also mit der Bekleidungsberatung<br />
am besten da an, wo der Körper die<br />
meiste Wärme an die Umgebung abgibt<br />
und folglich sehr schnell auskühlen kann:<br />
ganz oben am Kopf. Die notwendige Mütze<br />
sollte rundherum geschlossen sein und über<br />
zusätzliche Klettverschlüsse oder Schnürbändchen<br />
verfügen. Hier empfehle ich den<br />
Typ „winddichte Kappe mit Ohrenklappen<br />
und Schnürzug“, z. B. aus 100 % Polyester,<br />
mit Polyurethan-Membran, die den Kopf<br />
rundherum gut schützt, wenn der eisige<br />
Wind einem um die Ohren pfeift.<br />
24
Zusätzlich habe ich mir für normale finnische<br />
Temperaturen, also um die –10 bis<br />
–15 °C, eine original finnische Wollmütze<br />
vor Ort gekauft. Als störend erwies sich in<br />
der Praxis jedoch der Blendschutz, also das<br />
„Vordach“, da man die Mütze zum Fotografieren<br />
nach oben schieben muss, um mit<br />
dem Auge das gesamte Sucherbild überblicken<br />
zu können. Von Vorteil ist dieser<br />
Blendschutz jedoch immer dann, wenn man<br />
über längere Zeit im Freien wandert und einem<br />
die Sonne frontal ins Gesicht scheint.<br />
Auch echte Fellmützen mit seitlichen Ohrenklappen<br />
sind nach meiner Erfahrung<br />
angenehm warm und schützen sehr effektiv<br />
gegen Kälte und den rauen Wind. Leider<br />
sind diese Mützen nicht jedermanns Sache,<br />
wie ich am eigenen Leibe erfahren durfte.<br />
Auf einer meiner ersten Finnlandreisen<br />
habe ich die wenige Tage zuvor erworbene<br />
Fellmütze direkt in Kuusamo beim dortigen<br />
Wintersportausrüster umgetauscht gegen<br />
eine echte Finnenmütze ohne Fell. Warum?<br />
Die feinen Fellhärchen, die unablässig<br />
auf meiner Gesichtshaut kitzelten, hätten<br />
mich auf Dauer vermutlich an den Rand des<br />
Wahnsinns gebracht.<br />
Falls Sie vor Ort eine Tour mit einem Skidoo,<br />
also einem Motorschlitten, unternehmen<br />
möchten, sollten Sie beim Packen des<br />
Koffers zusätzlich noch eine dünne Sturmhaube<br />
für den hierfür benötigten Motorradhelm<br />
einplanen, der beim Skidoo-Verleih<br />
mit angemietet wird. Die Haube schützt<br />
zwar nicht vor dem eisigen Fahrtwind, sorgt<br />
aber für die nötige Hygiene und muss, falls<br />
nicht vorhanden, dort für viel Geld gekauft<br />
werden.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 135 mm<br />
Belichtung 1/5 s<br />
Blende<br />
f/10,0<br />
ISO 200<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 55 mm<br />
Belichtung 1/80 s<br />
Blende<br />
f/4,2<br />
ISO 100<br />
Oben: Ideal ist die geschlossene Mütze mit<br />
Gesichtsschutz.<br />
Unten: Original finnische Wollmütze mit Ohrenklappen.<br />
25
Nützliches, aber lautes<br />
Spaßmobil: der Skidoo.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 17 mm<br />
Belichtung 1/1000 s<br />
Blende<br />
f/5,3<br />
ISO 400<br />
Für extrem eisige Temperaturen von unter<br />
–35 °C und sehr kalte Winde habe ich zur<br />
Sicherheit noch eine zusätzliche dickere<br />
Sturmhaube mit Nasenschutz aus 70 %<br />
Merinowolle und 30 % Polyamid im Gepäck.<br />
Sie beugt schmerzhaften Erfrierungen im<br />
Gesicht vor und schützt über einen langen<br />
Zeitraum sehr effektiv. Die Haube lässt sich<br />
zusätzlich noch mit einer klassischen Wintermütze<br />
ohne Ohrenklappen kombinieren<br />
und hat sich in der eisigen Kälte des finnischen<br />
Winters sehr bewährt. Außerdem<br />
hat sie noch einen weiteren angenehmen<br />
Nebeneffekt: Die kalte Außenluft wird beim<br />
26
KAPITEL 1<br />
ADRENALINSCHUB<br />
AM POLARKREIS<br />
Einatmen durch die Nase oder den Mund<br />
etwas angewärmt und erleichtert somit<br />
das Luftholen. Und einen Schal brauchen<br />
Sie auch nicht zusätzlich mitzunehmen.<br />
Cremen Sie Ihre Haut mit einer fetthaltigen<br />
Creme zusätzlich gut ein, denn sie wird bei<br />
der Kälte sehr in Anspruch genommen.<br />
AUSFLÜGE<br />
MIT DEM SKIDOO<br />
Übrigens – Ausflüge mit dem<br />
Skidoo sind nicht nur spaßig,<br />
sondern oftmals auch notwendig,<br />
wenn Sie z. B. den 470 m<br />
hohen Gipfel des Bergs IIvaara<br />
bequem mit schwerem Gepäck<br />
bezwingen wollen, um ihn<br />
dann in aller Ruhe fotografisch<br />
abwandern zu können. Naturliebhaber<br />
hingegen sollten<br />
die Finger von den schnellen<br />
Schneemotorrädern mit Walzenantrieb<br />
lassen: Sie sind laut,<br />
stören die landschaftliche Idylle<br />
und verpesten mit ihren Abgasen<br />
die klare finnische Luft.<br />
Leider sieht man das subjektiv<br />
ganz anders, wenn man selbst<br />
im Sattel sitzt und am Gasgriff<br />
dreht.<br />
Zwiebelkleidung unter der Winterjacke<br />
Unter der warmen, atmungsaktiven Winterjacke<br />
sollten Sie vorzugsweise Zwiebelkleidung,<br />
also ein bis zwei dünne Kleidungsstücke<br />
z. B. aus Fleece oder einem<br />
ähnlichen Material tragen. Jede zusätzliche<br />
Luft- bzw. Kleidungsschicht isoliert nämlich<br />
hervorragend und hält somit schön warm.<br />
Unter der Thermohose, mit Hosenträgern<br />
und praktischen Seitentaschen mit Klettverschlüssen,<br />
trage ich eng anliegende, lange<br />
Thermounterwäsche. Die Socken sollten<br />
unbedingt aus einem atmungsaktiven Material<br />
sein und nicht im Schuh verrutschen,<br />
sonst droht Gefahr von schmerzhafter<br />
Blasenbildung an den Füßen. Ein einzelnes<br />
Paar Socken hat sich nach meiner Erfahrung<br />
als ideal herausgestellt, damit die Luft<br />
im Stiefel ausreichend Volumen hat und<br />
zirkulieren kann. Je weniger Luft zwischen<br />
Socke und Schuh verbleibt, desto schlechter<br />
ist die schützende Isolierung gegen die<br />
Kälte. Und – sind die Füße erst unterkühlt,<br />
friert man schnell am ganzen Körper und<br />
kann im Wortsinn einpacken.<br />
Wasserdichte Winterstiefel<br />
Nachdem ich bei einem namenhaften deutschen<br />
Outdoorausstatter meine ersten<br />
Winterschuhe gekauft hatte, merkte ich<br />
leider erst vor Ort, also in Finnland, dass der<br />
Stiefelschaft viel zu niedrig war und schon<br />
bei Schneehöhen ab 15 cm der Schnee in die<br />
Schuhe fiel, dort schmolz und dann schnell<br />
für kalte Füße sorgte. Leider hatte mich der<br />
freundliche Verkäufer auf diese Problematik<br />
nicht aufmerksam gemacht. Also beschaffte<br />
ich mir kurzerhand bei einem Wintersportausstatter<br />
in Kuusamo hohe Winterstiefel<br />
mit einer speziell gummierten und wasserundurchlässigen<br />
Sohle. Bei Langzeitaufnahmen<br />
im vom Schmelzwasser durchtränkten<br />
Schnee hatten sich diese Stiefel bereits<br />
27
Sie können natürlich auch mit den Schneeschuhen<br />
zum Motiv wandern und diese vor<br />
Ort ausziehen, um eindrucksvolle Aufnahmen<br />
zu machen. Mir persönlich war diese<br />
schuhgebundene Alternative jedoch zu hinderlich<br />
und schränkte meinen Bewegungsdrang<br />
ein.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 100 mm<br />
Belichtung 4,0 s<br />
Blende<br />
f/4,0<br />
ISO 400<br />
Analoge Aufnahme<br />
einer Eis-Licht-<br />
Installation auf dem<br />
Kuusamo-See.<br />
beim ersten Einsatz sofort bezahlt gemacht:<br />
Selbst nach vielen Stunden bekam ich weder<br />
kalte noch nasse Füße und konnte deutlich<br />
länger fotografieren als so mancher Teilnehmer<br />
meiner Reisegruppe, deren Schuhwerk<br />
feucht und kältedurchlässig wurde. Fotografisch<br />
belohnt wurde ich außerdem mit eindrucksvollen<br />
Motiven einer wunderschönen,<br />
von der Fotogruppe selbst entworfenen und<br />
gestalteten Eis-Licht-Installation auf dem<br />
Kuusamo-See.<br />
Schneeschuhe? – Nein danke!<br />
Oftmals liegt der Schnee in Nordfinnland<br />
an ungeschützten Stellen bis zu einem Meter<br />
hoch, und das Heranpirschen an lohnende<br />
Motive gestaltet sich als sehr schwierig<br />
und kraftraubend. Hier helfen Schneeschuhe,<br />
die es in Finnland fast überall zu leihen<br />
oder auch zu kaufen gibt, wirklich spürbar<br />
weiter. Man kommt sehr zügig und ohne<br />
große Kraftanstrengung voran und versinkt<br />
außerdem nicht im lockeren Pulverschnee.<br />
Nachteil: Die Schuhe sind groß, unhandlich<br />
und behindern den Fotografen besonders<br />
beim Hocken oder Hinlegen auf Bauch oder<br />
Rücken. Und gerade diese Perspektiven<br />
zählen zu meinen fotografischen Vorlieben.<br />
Ergo: Verzicht auf die hilfreichen Schuhe,<br />
Inkaufnahme von erhöhter Anstrengung,<br />
aber Garantie für außergewöhnliche Perspektiven<br />
und eindrucksvolle Aufnahmen.<br />
Und das wollen wir Fotografen doch, oder?!<br />
28
KAPITEL 1<br />
ADRENALINSCHUB<br />
AM POLARKREIS<br />
Gamaschen? – Ja bitte!<br />
Und sind die Stiefel noch so hoch und die<br />
Schneehose noch so fest zugebunden: Der<br />
Schnee bahnt sich immer irgendwie einen<br />
Weg ins Innere der Schuhe, schmilzt dort<br />
und sorgt schnell für kalte, nasse Füße. Abhilfe<br />
schafft das Tragen einer Nylongamasche<br />
mit Nässeschutz. Der lange, flexible<br />
Schaft schützt ideal vor Feuchtigkeit und<br />
Pulverschnee. Gummizüge am unteren Abschluss<br />
und über dem Knöchelbereich optimieren<br />
die Passform. In Wadenhöhe lässt<br />
sich die Gamasche mit einem Kordelstopper<br />
in der Weite regulieren und fixieren.<br />
... wozu Schneeschuhe?<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 10 mm<br />
Belichtung 4,5 s<br />
Blende<br />
f/6,3<br />
ISO 400<br />
29
Mit etwas Übung lässt<br />
sich die DSLR-Kamera<br />
auch mit Fausthandschuhen<br />
bedienen.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 50 mm<br />
Belichtung 1/50 s<br />
Blende<br />
f/3,5<br />
ISO 100<br />
Ein Riemen hält sie vor dem Absatz, und<br />
ein Metallhaken fixiert sie am Schuh. Fertig<br />
ist der perfekte Schutz. Hinweis: Der Kordelstopper<br />
kann aufgrund zu starker Beanspruchung<br />
schnell reißen. Ein Paar Ersatzkordeln<br />
und Stopper gehören unbedingt ins<br />
Reisegepäck des Finnlandfotografen.<br />
Fingerhandschuh oder Fäustling?<br />
Prima. Jetzt sind Sie schon fast komplett<br />
wintertauglich eingekleidet. Nun fehlen nur<br />
noch die Schuhe für die Hände. Wirklich<br />
nicht ganz einfach, eine richtige Wahl zu<br />
treffen: Fingerhandschuh oder Fäustling ?<br />
Leder oder Goretex ? Dick oder doch lieber<br />
dünn, um die Tasten und Drehrädchen der<br />
Kamera sicher bedienen zu können? Leider<br />
gibt es nach meiner Erfahrung nicht den Allrounder<br />
unter den Handschuhen. Fäustlinge,<br />
entweder aus Leder mit Fellbesatz oder<br />
synthetisch aus Goretex-Materiel, schützen<br />
die Hände am wirkungsvollsten gegen die<br />
Kälte, da die Finger dicht beieinanderliegen<br />
und sich gegenseitig wärmen. Zudem ist<br />
die Luftangriffsfläche kleiner als bei Fingerhandschuhen.<br />
Jedoch sind die Bewegungen<br />
der Finger und der Tastsinn sehr eingeschränkt.<br />
Das Betätigen des Zweistufenauslösers<br />
funktioniert bei der DSLR-Kamera<br />
recht gut. Kleinere Tasten und Rädchen an<br />
der Kamera bzw. am Blitzgerät sind jedoch<br />
schlicht und einfach nicht bedienbar.<br />
Eine große Rolle spielt natürlich die Ergonomie<br />
der Kamera oder des verwendeten<br />
Zubehörs. Kameras und Blitzgeräte, die<br />
für wichtige Menüfunktionen ein großes<br />
Einstellrad auf der Rückseite mit einer klar<br />
definierten OK-Taste in der Mitte haben,<br />
lassen sich sehr gut bedienen. Kleine Navigationstasten<br />
und Einstellrädchen hingegen<br />
können mit Fausthandschuhen nicht<br />
oder nur schwer bedient bzw. angesteuert<br />
werden.<br />
Und der Fingerhandschuh? Dünne Fingerhandschuhe<br />
erlauben zwar das uneingeschränkte<br />
Bedienen der Kameratasten und<br />
-rädchen, sorgen aber im Umkehrschluss<br />
sehr schnell für kalte und steife Finger. Sind<br />
die Fingerhandschuhe etwas dicker gefüttert,<br />
wärmen sie zwar besser, erschweren<br />
aber die sichere Bedienung der wichtigsten<br />
Kamerafunktionen.<br />
Ich habe mir aus diesem Grund einen speziellen<br />
Fingerhandschuh für Fotografen zugelegt<br />
und war sehr zufrieden mit dieser<br />
Lösung. Dieser Handschuh verfügt über einen<br />
klappbaren Fingerschutz, der mit Klett<br />
am Handschuhrücken fixiert werden kann<br />
und dann nur die Fingerspitzen ungeschützt<br />
freigibt. Wenn alle Einstellungen am Gerät<br />
vorgenommen worden sind, klappt man<br />
einfach den Schutz wieder herunter, und<br />
die Finger sind warm verpackt. Tolle Sache!<br />
Warum bin ich eigentlich nicht selbst auf<br />
diese Idee gekommen?<br />
Alternativ können Sie Ihre Kamera auch mit<br />
etwas dünneren, gefütterten Goretex-Fäustlingen<br />
recht gut bedienen. Bei sich abzeichnender<br />
Erfrierung der Gliedmaßen habe ich<br />
30
KAPITEL 1<br />
ADRENALINSCHUB<br />
AM POLARKREIS<br />
selbstheizende Gelpads in die geräumigen<br />
Handschuhe gesteckt, die schnell für angenehme<br />
Wärme sorgten. Ich habe mit den<br />
in vielen Größen erhältlichen Gelpads insgesamt<br />
sehr gute Erfahrungen im harten<br />
Außeneinsatz sammeln können. Vorher im<br />
kochenden Wasser mit Energie aufgeladen,<br />
entfalten sie nach einem kurzen Druck auf<br />
ein im Gelpad befindliches Metallplättchen<br />
ca. 50 °C wohlige Wärme für ca. 30 Minuten.<br />
So bekommen Sie kalte Hände, Füße, Batterien<br />
oder Geräte schnell wieder funktionsfähig.<br />
SKIBRILLE UND<br />
SONNENCREME<br />
Vergessen Sie auf keinen Fall, Ihre<br />
Sonnen- oder Skibrille einzupacken<br />
sowie die Sonnencreme mit hohem<br />
Lichtschutzfaktor (30) , um sich und<br />
Ihre Netzhaut wirksam gegen die<br />
schädliche UV-Strahlung der Sonne<br />
zu schützen. Wintersportler kennen<br />
das Problem der starken Reflexionen,<br />
die vom Schnee oder Eis zusätzlich<br />
auf Haut und Augen gelenkt werden.<br />
Gesicht und Hände leiden aber auch<br />
unter der Kälte und werden rot und<br />
häufig spröde. Meine Finger begannen<br />
an den Fingerkuppen schmerzhaft<br />
aufzureißen und schränkten die<br />
Bedienung von Kamera und Zubehör<br />
erheblich ein. Mit einer guten Handund<br />
Gesichtscreme kann man hier<br />
vorbeugen und schnell für schmerzlindernde<br />
Heilung sorgen. Wenn es so<br />
richtig weh tut, reibe ich meine verletzten<br />
Hände vor dem Schlafengehen<br />
zusätzlich dick mit Handcreme ein<br />
und ziehe dünne Baumwollhandschuhe<br />
an. Am nächsten Morgen sehen die<br />
Hände spürbar besser aus.<br />
Grenzen von Mensch und<br />
Material<br />
Der fotografische Erfolg einer Reise ist neben<br />
einer gut recherchierten Ausarbeitung<br />
der Route in erster Linie abhängig von der<br />
richtigen Ausrüstung und Bekleidung, damit<br />
der entscheidende Moment vor der Kamera<br />
aufgrund eines witterungsbedingten<br />
Totalausfalls von Mensch oder Gerät nicht<br />
zum fotografischen Desaster wird. Doch<br />
lenken wir unser Augenmerk in der Vorplanung<br />
zunächst auf den mobilen Untersatz.<br />
Die Fahrtstrecke von Deutschland nach<br />
Finnland mit dem Kleinbus bzw. Auto ist<br />
durchaus sehr reizvoll und bietet unterwegs<br />
viele Gelegenheiten zum Anhalten und Fotografieren.<br />
Im Folgenden möchte ich Ihnen<br />
ein paar Tipps für die richtige Wahl des<br />
Fahrzeugs geben.<br />
Auf den mobilen Untersatz kommt es an<br />
Oftmals wird bei der Autoreservierung<br />
nicht berücksichtigt, dass die Heizleistung<br />
der hochgezüchteten, modernen Dieselmotoren<br />
bereits bei –10 °C Außentemperatur<br />
fühlbar nachlässt und diese deshalb<br />
für die kalten finnischen Winter nach meinen<br />
Erfahrungen absolut ungeeignet sind.<br />
Nichts ist schlimmer, als über eine Distanz<br />
von rund 1.000 km bei Außentemperaturen<br />
von –20 °C und niedriger im Auto frieren<br />
zu müssen und den Beifahrer zu bitten,<br />
die Frontscheibe von innen eisfrei zu halten.<br />
So geschehen und hautnah erlebt auf<br />
der Fahrt von Turku im Süden Finnlands<br />
zu unserem Reiseziel nach Kuusamo in<br />
Lappland im sehr kalten finnischen Winter<br />
2007. Und der deutsche Vermieter unseres<br />
Leihwagens hat uns bei der Buchung<br />
mehrfach versichert, dass der Kleinbus sogar<br />
mit einer Zusatzheizung für den Fahrgastraum<br />
ausgestattet ist und somit keine<br />
31
Probleme bei extremen Minustemperaturen<br />
auftreten werden. Vielleicht hätte ich<br />
mir den Begriff „extrem“ näher definieren<br />
lassen sollen.<br />
Spontane Notmaßnahmen am Fahrzeug<br />
Nachdem wir es vor Kälte im Fahrzeug nicht<br />
mehr aushielten, beschlossen wir, das Problem<br />
spontan mit folgenden Notmaßnahmen<br />
am Fahrzeug zumindest einigermaßen<br />
in den Griff zu bekommen. Zunächst dichteten<br />
wir die offenen Bereiche des Kühlergrills<br />
von außen mit fester Pappe ab, damit<br />
die kalte Außenluft den Kühlwasserkreislauf<br />
und somit die Heizungsanlage des Motors<br />
nicht zu stark absenkt. Doch Vorsicht:<br />
Beim Fahren im Stadtverkehr oder bei längeren<br />
Standzeiten könnte der Motor unter<br />
Umständen zu heiß werden. In diesem Fall<br />
sollten Sie unbedingt die Thermostatanzeige<br />
für das Kühlwasser im Auge behalten,<br />
um eine Überhitzung des Motors zu vermeiden.<br />
Um den sehr kalten hinteren Bereich in unserem<br />
Kleinbus zusätzlich mit warmer Heizungsluft<br />
zu versorgen, hatte ich aus einem<br />
finnischen Baumarkt einfach ein flexibles<br />
Drainagerohr beschafft. Dieses wurde mit<br />
viel Klebeband direkt an dem im vorderen<br />
Fußraum befindlichen Luftaustritt der<br />
Frontheizung befestigt. Zwar wurde nach<br />
diesem Eingriff im Frontbereich der Fußraum<br />
nicht mehr so stark beheizt wie vorher,<br />
aber dafür bekamen die frierenden Personen<br />
im hinteren Bereich des Busses nun<br />
ein bisschen Wärme für die kalten Füße. In<br />
der Not muss man eben teilen können und<br />
zusammenhalten.<br />
Oben: Zugefrorene Scheiben im Auto sind kein<br />
Spaß.<br />
Unten: Der Kühlergrill wird abgenommen, um ihn<br />
mit Pappe abzudichten.<br />
32
KAPITEL 1<br />
ADRENALINSCHUB<br />
AM POLARKREIS<br />
NUR FLIEGEN IST SCHÖNER<br />
Wenn man von den deutlich höheren<br />
Kosten absieht, empfehle ich, zum<br />
Beispiel mit einem Finnair-Flug von<br />
Deutschland aus bis nach Helsinki<br />
zu fliegen und dann vor Ort auf ein<br />
entsprechend wintertaugliches,<br />
finnisches Leihfahrzeug umzusteigen.<br />
Erkundigen Sie sich am besten<br />
im Vorfeld in Deutschland, ob und<br />
wo bezahlbare Leihfahrzeuge zu<br />
bekommen sind, und reservieren Sie<br />
das Fahrzeug, wenn möglich, direkt.<br />
Leider verstehen und sprechen nicht<br />
alle Finnen Englisch bzw. Deutsch,<br />
sodass eine Reservierung in Finnland<br />
ohne ausreichende Sprachkenntnisse<br />
kompliziert werden kann.<br />
Fahrzeuge mit einer separat angesteuerten<br />
und gespeisten Standheizung sind im finnischen<br />
Winter sehr empfehlenswert, da<br />
nicht nur während der Fahrt, sondern auch<br />
in den besonders kalten Nachtstunden der<br />
Innenraum auf angenehmen Temperaturen<br />
gehalten wird und die Scheiben nicht vereisen<br />
können. Wenn das Außenthermometer<br />
in Finnland auf –30 °C und tiefer fällt, sollten<br />
Sie den Motor außerdem Tag und Nacht im<br />
Standgas laufen lassen, auch wenn das gegen<br />
Ihr ökologisches Grundverständnis verstößt.<br />
Im schlimmsten Fall springt der völlig<br />
ausgekühlte Motor einfach nicht mehr an.<br />
Der vor Ort getankte finnische Winterdiesel<br />
bereitete uns selbst bei Temperaturen<br />
unter –30 °C keine ernsthaften Probleme.<br />
In Finnland sind außerdem viele Parkplätze,<br />
wie in den skandinavischen Ländern allgemein<br />
üblich, mit einer separaten Stromversorgung<br />
für die elektrische Kühlwasserheizung<br />
ausgestattet. Die Steckdose hierfür<br />
befindet sich direkt am Fahrzeug, meistens<br />
in unmittelbarer Nähe der Frontstoßstange.<br />
Einen weiteren Zugewinn an Sicherheit und<br />
Geschwindigkeit auf den schneebedeckten<br />
Straßen bieten letztendlich die in Finnland<br />
üblichen – und bei uns nicht zugelassenen<br />
– Spikesreifen, die einen sehr guten Grip<br />
haben. In Finnland wird umweltschonend<br />
auf Salz verzichtet, und die Straßen werden<br />
lediglich frei geschoben und bei Bedarf zusätzlich<br />
mit Granulat abgestreut.<br />
Vorsicht bei Fototouren um –35 °C<br />
Ich erinnere mich an einen Moment bei finnischer<br />
Extremkälte noch ganz genau: Bei<br />
–35 °C und schönstem Sonnenschein wollte<br />
ich die Auftragsarbeiten für zwei bekannte<br />
Hersteller von Kameras und Taschen<br />
fotografieren und war mit viel Gepäck auf<br />
Motivsuche. Nach mehr als zwei Stunden<br />
anstrengenden Marschs im Tiefschnee ,<br />
natürlich ohne Schneeschuhe, sah ich in<br />
weiter Ferne endlich das geeignete Motiv.<br />
Die Sonne stand schon recht tief und würde<br />
in wenigen Augenblicken am Horizont verschwunden<br />
sein. Also nahm ich die Beine in<br />
die Hand und rannte los, um noch rechtzeitig<br />
bei meinem Motiv sein zu können. Kurze<br />
Zeit später verlor ich fast das Bewusstsein,<br />
weil ich zu schnell zu viel kalte Luft in meine<br />
Lungen gesogen hatte und mein Kreislauf<br />
streikte. Gehen Sie also in solchen Situationen<br />
ganz sachte auf Motivsuche und planen<br />
Sie deutlich mehr Zeit für notwendige<br />
Ruhepausen ein. Noch besser ist es jedoch,<br />
mit einer weiteren Person durch die Wälder<br />
Finnlands zu streifen, falls sich eine Notsituation<br />
ereignet. Wir haben der Gruppe aus<br />
Sicherheitsgründen immer unsere geplante<br />
Tour und die voraussichtliche Rückkehr zur<br />
Hütte mitgeteilt. Vorbeugen ist besser. Und<br />
33
noch ein Hinweis in eigener Sache: Spielen<br />
Sie nicht den Helden. Selbstüberschätzung<br />
kann nicht absehbare Folgen haben.<br />
Energiereserven für den Körper<br />
Wenn viel Gepäck über weite Distanzen<br />
durch den tiefen Schnee transportiert werden<br />
muss, wird in den Muskeln unseres<br />
Körpers natürlich auch viel Energie verbrannt.<br />
Auch die extreme Kälte macht unserem<br />
Körper zu schaffen und verbraucht<br />
zusätzliche Energiereserven . Also sollten<br />
wir unseren Brennstoffvorrat im Gleichgewicht<br />
halten und die nötige Energie zum<br />
Verbrennen in ausreichender Menge nachliefern.<br />
Anfangs hatte ich mir noch belegte<br />
Brote, Bananen und Äpfel in den Rucksack<br />
gepackt. Doch der Verzehr in der Kälte erwies<br />
sich als schwierig und unvorteilhaft.<br />
Haben Sie schon mal in ein angefrorenes<br />
Brot oder eine eiskalte Banane gebissen?<br />
Geht gar nicht!<br />
Also suchte ich nach einer Alternative und<br />
deckte mich mit Energieriegeln ein. Sie sind<br />
fast überall zu bekommen, insbesondere<br />
in Apotheken, Reformhäusern und – natürlich<br />
– in Outdoorshops. Wenn man sich<br />
vom hohen Preis der Powerriegel nicht abschrecken<br />
lässt und sich außerdem an den<br />
exotischen Geschmack gewöhnt hat, wird<br />
der Körper recht schnell und umfassend<br />
mit allen wichtigen Nährstoffen und Kalorien<br />
versorgt. Mit zwei bis drei Riegeln<br />
kann man einen Nachmittag in der Kälte<br />
ohne knurrenden Magen überbrücken. Und<br />
im Notfall kann diese Nahrungsquelle sogar<br />
überlebenswichtig sein. Vergessen Sie<br />
nicht, ausreichend Flüssigkeit, am besten<br />
ungesüßten Früchtetee, in den Rucksack zu<br />
packen. Auf isotonische Powerdrinks habe<br />
ich verzichtet, weil mir die Getränke einfach<br />
zu kalt waren.<br />
KLARTEXT IN SACHEN<br />
GARANTIELEISTUNG<br />
Achtung! Sollte Ihre Kamera oder Ihr<br />
Objektiv bedingt durch extrem hohe<br />
oder niedrige Temperaturen ausfallen<br />
oder beschädigt werden, erlischt die<br />
Garantieleistung des Herstellers, und<br />
Sie müssen die entstehenden Reparaturkosten<br />
selbst tragen.<br />
Kameras und der Kältefaktor<br />
Wenn man in die technischen Datenblätter<br />
einiger Amateur-, Semiprofi- und Profikameras<br />
aus dem Spiegelreflexlager verschiedener<br />
Hersteller blickt, wird in der Regel der<br />
Betrieb bei Umgebungstemperaturen von<br />
0 bis +40 °C empfohlen. Überrascht? Den<br />
Angaben zufolge dürften wir keine aktuelle<br />
DSLR-Kamera aus der Kameratasche holen<br />
und im Freien einsetzen, wenn wir auch<br />
nur von einem Hauch von Raureif und Kälte<br />
umgeben sind. Tatsächlich sind die Kameras<br />
viel stärker belastbar, als es die Kamerahersteller<br />
angeben. Der Grund für die eher<br />
zurückhaltenden Angaben: Die Hersteller<br />
sichern sich bezüglich des empfohlenen<br />
Temperaturbereichs in den Datenblättern<br />
gegen eventuelle Regressansprüche bei<br />
Ausfall oder Beschädigung der Kamera ab.<br />
Besser die Analoge mitnehmen?<br />
Damit stellt sich die Frage, ob man doch<br />
besser noch die Analoge nehmen sollte. Zu<br />
analogen Zeiten waren die Kamerahersteller<br />
in technischer Hinsicht nicht so ängstlich:<br />
Nikon setzte seine Profikameras, z. B.<br />
34
KAPITEL 1<br />
ADRENALINSCHUB<br />
AM POLARKREIS<br />
die F3 und die F4, in speziellen Klimakammern<br />
stundenlang großer Kälte und Hitze<br />
aus und warb bei der legendären Nikon<br />
FM-2 sogar damit, dass sie extremen Temperaturen<br />
zuverlässig standhalten würde. In<br />
den Kameraprospekten konnte der Leser die<br />
durchgeführten Laborhärtetests auf diversen<br />
Abbildungen bestaunen. Schon damals<br />
war bekannt, dass in extremen Temperaturbereichen<br />
nicht die Kamera, sondern primär<br />
der Film das schwache Glied in der Kette<br />
war. Probleme gab es, wenn dieser z. B. bei<br />
Hitze mit rötlichem Farbstich reagierte oder<br />
bei extrem tiefen Temperaturen während<br />
des Transport- oder Rückspulvorgangs riss<br />
und bei hoher Luftfeuchtigkeit in der Patrone<br />
zusammenklebte.<br />
Die Kamerabatterie wurde vor der Einführung<br />
von DSLR-Kameras mit eingebautem<br />
Motor und Autofokusfunktion nur für den<br />
Betrieb des Belichtungsmessers bzw. für die<br />
Belichtungsautomatik benötigt. Sie durfte<br />
bei Kälte durchaus etwas schwächeln, da<br />
sich die Kameraverschlüsse oftmals mechanisch,<br />
also ohne Strom, auslösen ließen. Mit<br />
anderen Worten, der Fotograf bekam sein<br />
Motiv immer irgendwie in den Kasten. Doch<br />
machen wir uns nichts vor: Natürlich kann<br />
man ohne funktionierenden Belichtungsmesser<br />
einen Negativfilm aufgrund seines<br />
großen Belichtungsspielraums nach Gefühl<br />
belichten. Aber spätestens beim Diafilm<br />
sind die Grenzen der exakten Belichtung<br />
sehr schnell überschritten und die Aufnahmen<br />
leider nicht mehr für die Präsentation<br />
oder den Papierprint zu gebrauchen.<br />
Wenn man die Foren diverser Internetseiten<br />
durchstöbert, liest man Empfehlungen<br />
von Fotografen, die für extreme Bereiche<br />
lieber das analoge Modell mit Film empfehlen,<br />
um temperaturbedingten Pannen<br />
vorzubeugen. Ich teile diese Meinung jedoch<br />
nur, wenn keine Möglichkeit besteht,<br />
die Kameraakkus vor Ort aufzuladen oder<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 65 mm<br />
Belichtung 1/320 s<br />
Blende<br />
f/5,3<br />
ISO 400<br />
Viele digitale Spiegelreflexkameras<br />
vertragen<br />
mehr, als man<br />
vermutet.<br />
35
Aufgenommen bei<br />
eisigen Temperaturen<br />
auf dem Berg Ruka<br />
mit der analogen<br />
Nikon F-801.<br />
kameraseitig auf handelsübliche AA-Batterien<br />
umsteigen zu können. Mittlerweile gibt<br />
es hier aber von verschiedenen Outdooranbietern<br />
und im Fotozubehörbereich sehr<br />
praktikable Lösungen für die netzunabhängige<br />
Stromversorgung auf Reisen.<br />
Mit UV-Filter als Frontlinsenschutz<br />
Ein optisch hochwertiger UV-Filter sollte<br />
sich immer als Frontlinsenschutz vor dem<br />
Objektiv befinden, um Kratzer oder Flecken<br />
durch äußere Einflüsse zu verhindern.<br />
Das war schon zu analogen Zeiten der Fall.<br />
Achten Sie darauf, dass sich zwischen Filter<br />
und Objektiv keine Feuchtigkeit oder Ablagerungen<br />
befinden, um die optische Qualität<br />
des Systems nicht zu verschlechtern.<br />
Reinigen Sie den Filter in regelmäßigen Abständen<br />
oder bei Bedarf und lassen Sie ihn<br />
immer vor dem Objektiv.<br />
Bei extremen Weitwinkelobjektiven kann<br />
es aufgrund des größeren Bildwinkels zu<br />
Vignettierungen (Randabschattungen)<br />
kommen, wenn der Rand des verwendeten<br />
Filters zu hoch ist. Hier empfehle ich,<br />
die deutlich dünneren Slimline-Filter zu<br />
verwenden, die selbst bei aufgesetzter Gegenlichtblende<br />
keine Randabschattungen<br />
verursachen. Gegenlichtblenden, leider<br />
nicht immer im Lieferumfang des Objektivs<br />
enthalten, dienen nicht nur der Reduzierung<br />
von Seitenlichteinfall und damit der<br />
Verbesserung des Kontrasts insgesamt,<br />
sondern schützen das Objektiv darüber hinaus<br />
gegen frontal eintreffende Stöße und<br />
Schläge. Bei extrem tiefen Temperaturen<br />
wird der Kunststoff jedoch spröde und kann<br />
aufgrund nachlassender Flexibilität brechen<br />
oder Risse bekommen.<br />
36
KAPITEL 1<br />
ADRENALINSCHUB<br />
AM POLARKREIS<br />
FAZIT ...<br />
Die Widerstandsfähigkeit bei extremer<br />
Kälte ist in der DSLR-Amateurklasse<br />
wie auch in der robusteren<br />
und speziell abgedichteten DSLR-<br />
Profikameraklasse ähnlich hoch.<br />
Mit einfachen Worten ausgedrückt:<br />
Eine Amateurkamera hält genauso<br />
lang durch wie das wesentlich<br />
teurere und robustere Modell aus<br />
der Profiklasse. Selbst die Klasse<br />
der kompakten Digitalkameras und<br />
Bridgekameras ließ sich im finnischen<br />
Winter problemlos einsetzen.<br />
Vorschlag: Nehmen Sie doch einfach<br />
eine Kompakte als Schnappschussoder<br />
Zweitkamera zusätzlich mit ins<br />
Gepäck.<br />
... EIN RESTRISIKO BLEIBT<br />
Aus technischer Sicht kann jedoch<br />
nicht ausgeschlossen werden, dass<br />
sich bei extrem niedrigen Temperaturen<br />
auf den Platinen innerhalb<br />
der Kamera feine Haarrisse bilden<br />
können, die dann früher oder später<br />
zu technischen Problemen führen.<br />
Hier liegen mir weder bei meinen<br />
eigenen eingesetzten Kameras noch<br />
bei den Kameras der Teilnehmer<br />
Ergebnisse bzw. Langzeitstudien<br />
vor. Ein schwer kalkulierbares Restrisiko<br />
bleibt also bestehen, daher<br />
sollten Sie Vorsorge treffen und eine<br />
Ersatzkamera (analog oder digital)<br />
bei sich zu führen.<br />
Kaum Einschränkungen bei Blitzgeräten<br />
Einschränkungen aufgrund extremer Kälte<br />
konnte ich an keinem der eingesetzten Blitzgeräte<br />
unterschiedlicher Hersteller feststellen,<br />
jedoch verlängert sich die Blitzfolgezeit<br />
bei einigen Geräten deutlich, da die Batterien<br />
bzw. Akkus ihre Energie verzögert bereitstellen.<br />
Die LC-Displays, sofern vorhanden, reagieren<br />
erfahrungsgemäß etwas träger und<br />
waren bei einigen Geräten nur noch schwer<br />
abzulesen – unproblematisch bei den Geräten,<br />
die anhand der Schalterstellung die eingestellte<br />
Funktion erkennen lassen, problembehaftet<br />
bei menügesteuerten Blitzen, die<br />
den verwendeten Modus nur erahnen lassen.<br />
Tipp: Stellen Sie das Gerät im warmen Zustand<br />
auf TTL-Funktion und schalten Sie es<br />
dann ab. Sobald das Gerät auf eine kompatible<br />
Kamera gesetzt und eingeschaltet wird,<br />
erfolgt automatisch die Umschaltung in den<br />
TTL-Modus.<br />
Leichte Beeinträchtigung der Stativköpfe<br />
Bei Stativen verhält es sich wie mit den<br />
lichtstarken und schweren Objektiven: Man<br />
nimmt sie ungern mit, aber hätte sie immer<br />
gern dabei. Viele Amateurstative hatten<br />
Probleme mit den verwendeten Fetten in<br />
den Dreiwegeköpfen . Aufgrund der Kälte<br />
verhärteten diese etwas, und die Leichtgängigkeit<br />
in den Drehbewegungen wurde<br />
erheblich eingeschränkt. Gussmetalle, die<br />
manchmal bei den Verriegelungen der Stativbeine<br />
eingesetzt werden, können in der<br />
Kälte porös werden und schon bei geringem<br />
Kraftaufwand einfach abbrechen. Die Drehverschlüsse<br />
meines Profistativklassikers hingegen<br />
überstanden die Kälte über Jahre hinweg<br />
ohne Funktionsbeeinträchtigung oder<br />
Beschädigung.<br />
Um die Hände vor den kalten Metallbeinen<br />
zu schützen, empfehle ich die Verwendung<br />
von Isolierschaumstoff für Heizungsrohre,<br />
37
der einfach um die Metallbeine gestülpt<br />
und mit Gewebeband fixiert wird. Der Innendurchmesser<br />
der Rohre sollte dabei<br />
ziemlich genau dem Außendurchmesser<br />
der oberen Beinelemente des Stativs entsprechen.<br />
Wenn man Probleme hat, die<br />
Rohre über die Beine zu ziehen, kann man<br />
mit ein wenig Seife nachhelfen. Es gibt im<br />
Übrigen ein paar Stative am Markt, die diese<br />
sehr wirksame Isolierung bereits werkseitig<br />
mitbringen.<br />
Für das Stativ empfehlen sich bei lockerer<br />
Schneedecke sogenannte „Snow Pads“ ,<br />
Schneeschuhe für die Stativbeine. Dadurch<br />
sinkt das Stativ deutlich weniger in<br />
den Schnee ein, und man kann es sogar im<br />
Tiefschnee aufstellen. Bei den hochwertigen<br />
Profistativen verschiedener Hersteller<br />
konnte ich keine nennenswerten Probleme<br />
in der Handhabung und mechanischen<br />
Belastbarkeit feststellen. Lediglich die verwendeten<br />
Fette und Öle der Stativköpfe<br />
reagierten bei manchen Modellen etwas<br />
träger in der Konsistenz.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 31 mm<br />
Belichtung 1/40 s<br />
Blende<br />
f/6,3<br />
ISO 200<br />
Mit Schaumstoff umhüllte Stativbeine schützen<br />
die Hände vor dem kalten Metall.<br />
VERWACKLER UND<br />
UNSCHÄRFEN MINIMIEREN<br />
Verwenden Sie beim Einsatz eines<br />
Stativs die elektrische Auslösevariante<br />
per Kabel oder Funk oder aktivieren Sie<br />
den eingebauten Selbstauslöser der<br />
Kamera, um Verwacklungen im Langzeitbereich<br />
vorzubeugen. Und noch<br />
ein Tipp: Binden Sie den Kameratragegurt<br />
fest oder nehmen Sie ihn von der<br />
Kamera, da Windbewegung im Gurt<br />
schnell zu Unschärfen führen kann.<br />
Überraschung:<br />
kälteresistente Speichermedien<br />
Ob SD-Karte oder CompactFlash: Die aktuellen<br />
Speichermedien sind sehr robust<br />
und viele Modelle nach meinen Erfahrungen<br />
absolut resistent gegen Kälte, Hitze<br />
und Feuchtigkeit. Ich selbst war gespannt,<br />
was passieren würde, wenn ich die eiskalte<br />
Karte aus meiner Kamera in den warmen<br />
Slot meines Rechners steckte: Der Datenstrom<br />
funktionierte einwandfrei. Probleme<br />
können jedoch auftreten, wenn sich der Fotograf<br />
in der trockenen Luft des finnischen<br />
Winters statisch auflädt und die Ladung<br />
über die Karte z. B. beim Berühren abgibt.<br />
In einem Fall wurde die CF-Karte eines Fo-<br />
38
KAPITEL 1<br />
ADRENALINSCHUB<br />
AM POLARKREIS<br />
tografen bei 40 Grad in der Waschmaschine<br />
gewaschen und geschleudert. Die Karte<br />
Samt Daten hatte zu meinem Erstaunen<br />
den Waschgang absolut sauber und knitterfrei<br />
überlebt.<br />
Im schlimmsten Fall kann eine statische<br />
Entladung zu Datenverlust oder zum Totalausfall<br />
der Karte führen. Im Zweifel fassen<br />
Sie die Karte erst an, nachdem Sie die Ladung<br />
des Körpers abgeleitet, also ein geerdetes<br />
Metallteil berührt haben. Bei vielen<br />
aktuellen Karten tritt das Problem laut Angabe<br />
in den Testberichten nicht mehr auf,<br />
da die elektronischen Bauteile im Inneren<br />
wirksam gegen statische Aufladung von<br />
außen entkoppelt sind.<br />
Riskanter Einsatz mobiler Datenspeicher<br />
Zur mobilen Datensicherung und Bearbeitung<br />
der Bildergebnisse vor Ort werden<br />
Notebooks bzw. Netbooks oder iPads immer<br />
beliebter. Jedoch sollten die Geräte<br />
in der warmen Hütte oder dem beheizten<br />
Auto gelassen werden, um die empfindliche<br />
Elektronik nicht zu beschädigen. Auf keinen<br />
Fall empfehle ich, das Notebook im Rucksack<br />
oder der Fototasche mitzunehmen,<br />
um z. B. die Speicherung und Sichtung der<br />
Daten vor Ort vornehmen zu können. Der<br />
Einsatz von mobilen Festplatten ist riskant<br />
und aufgrund der Stoß- und Kälteempfindlichkeit<br />
nur bedingt zu empfehlen. Decken<br />
Sie sich lieber mit ausreichend Speichermedien<br />
ein, um einem Datenengpass vorzubeugen.<br />
Hier gilt die Empfehlung: lieber<br />
auf mehrere kleinere Medien als auf wenige<br />
große zurückgreifen, um das Risiko des<br />
Daten- oder Kartenverlusts möglichst zu<br />
minimieren. Ein Verlust oder Defekt lässt<br />
sich bei einer CF-Karte mit 100 Bildern eher<br />
verkraften als bei einem Modell mit Speicherplatz<br />
für 1.000 Dateien.<br />
Vereiste Reißverschlüsse geschmeidig<br />
machen<br />
Vereiste oder gefrorene Reißverschlüsse<br />
und Stoffmaterialien können schnell reißen<br />
oder brechen. Einige Reißverschlüsse sind<br />
nicht hundertprozentig dicht, und Feuchtigkeit<br />
kann ins Innere der Tasche gelangen.<br />
Legen Sie besser große Silicagel-Päckchen<br />
und aktivierte Wärmegelpads in die Tasche,<br />
um Feuchtigkeit und Kälte im Innenbereich<br />
wirksam zu minimieren. Hochwertig<br />
verarbeitete Outdoortaschen haben im<br />
Übrigen keine Probleme mit Feuchtigkeitsbildung<br />
im Inneren. Viele dieser Taschen<br />
sind sogar komplett wasserdicht. Wenn<br />
der Reißverschluss der Kameratasche oder<br />
des Rucksacks bei extremer Kälte klemmt<br />
oder aufgrund von Materialerhärtung kaum<br />
noch zu bewegen ist, reiben Sie ihn einfach<br />
mit etwas Wachs ein.<br />
Ein Wort zur Sensorreinigung<br />
Jeder Anwender digitaler Spiegelreflexkameras<br />
kennt das Hauptproblem: Staub und<br />
Partikel befinden sich auf dem Bildsensor.<br />
Sie kommen von außen, werden im Zuge<br />
des Objektivwechsels eingebracht, bilden<br />
sich aber auch innerhalb der Kamera<br />
durch den Abrieb der beweglichen Teile wie<br />
Verschluss, Blende oder Zoommechanik.<br />
Dadurch entstehen Bildstörungen, die sich<br />
Durch Staubpartikel<br />
bedingte Flecken auf<br />
dem Bildsensor.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 35 mm<br />
Belichtung 1,0 s<br />
Blende<br />
f/4,0<br />
39
esonders in hellen und großflächigen Motivbereichen<br />
als graue bis schwarze Fehler<br />
zeigen, und bilden sich umso deutlicher ab,<br />
je stärker abgeblendet wird. Nur eine zeitaufwendige<br />
Nachbearbeitung am Computer<br />
kann diese oft bei größeren Bildserien oder<br />
langen Reiseproduktionen auf unzähligen<br />
Bilddateien vorhandenen Störungen beseitigen.<br />
Schlimmer noch: Es bildet sich mit der<br />
Zeit ein mikroskopischer Schmutzfilm auf<br />
dem Sensor, der die Schärfeleistung des Systems<br />
sichtbar beinträchtigen kann.<br />
So gelangt Staub in das Kamerainnere<br />
Und auch auf der Hinterlinse des Wechselobjektivs<br />
wird Staub in das Innere der DS-<br />
LR-Kamera gebracht. Dieser sammelt sich<br />
beispielsweise dann an, wenn das Objektiv<br />
außerhalb der Kamera nicht sofort mit dem<br />
Rückdeckel verschlossen wird. Feinste Staubpartikel<br />
finden den Weg ins Innere, so auch<br />
über die Bajonettfassung selbst. Nicht vergessen<br />
sollte man die durch den Alterungsprozess<br />
freigesetzten Fremdkörper, die über<br />
kurz oder lang auf dem Sensor landen. Nicht<br />
nur der statisch auf dem Sensor platzierte<br />
Schmutz bringt Probleme, sondern auch die<br />
Umwirbelung durch den Rückschwingspiegel<br />
und die Sogwirkung beim schnellen Hin- und<br />
Herzoomen des Objektivs machen das Thema<br />
Staub zum Dauerbrenner.<br />
Dauerhafte Abhilfe schafft auch die Servicewerkstatt<br />
der Kamerahersteller nicht,<br />
denn diese bieten meist nur die Reinigung<br />
des Sensors und nicht die des Innenraums<br />
an, und außerdem fehlt die Kamera dann<br />
mehrere Tage. Zwar versprechen einige Kamerahersteller<br />
durch hardwareseitiges Sensorcleaning<br />
Abhilfe, zum Beispiel mithilfe<br />
hochfrequenter Schwingungen, doch in der<br />
Praxis funktioniert das nie hundertprozentig,<br />
wenn Feuchtigkeit die Partikel am Sensor<br />
haften lässt.<br />
Staubpartikel per Software entfernen<br />
Staubpartikel können auch automatisch per<br />
Software entfernt werden. Im Systemmenü<br />
der Kamera wird die Funktion zur Staubentfernung<br />
aktiviert, mit deren Hilfe eine<br />
Referenzaufnahme auf weißer Fläche zur<br />
späteren Beseitigung des Staubs gemacht<br />
werden kann. Die Kamera hinterlegt zusätzlich<br />
eine Datei mit den Koordinaten der<br />
Staubpartikel, sodass die herstellerseitige<br />
Software dann die Lage der Staubpartikel<br />
erkennen kann. Beim Öffnen eines Bilds<br />
werden die Partikel dann automatisch retuschiert.<br />
Leider funktioniert diese Möglichkeit<br />
nur bei statischen Fremdkörpern.<br />
Zuerst eine Trockenreinigung durchführen<br />
Generell empfiehlt es sich, zuerst eine<br />
Trockenreinigung durchzuführen. Untersuchungen<br />
von VisibleDust kamen zu dem<br />
Ergebnis, dass 90 % der Sensorverunreinigungen<br />
auf Staubkörner und Fussel zurückgehen.<br />
Die restlichen 10 % gehen auf<br />
das Konto von Feuchtigkeitspartikeln. Ein<br />
spezieller Reinigungsmodus der Kamera<br />
öffnet den Verschluss und klappt den Spiegel<br />
hoch, sodass man ohne Probleme den<br />
Bildsensor erreichen und mit Luft den Staub<br />
einfach wegblasen kann.<br />
Wichtig: Einige Hersteller verlangen aus<br />
Sicherheitsgründen den Anschluss eines<br />
Netzteils. In jedem Fall sollten frische Batterien<br />
bzw. voll aufgeladene Akkus eingelegt<br />
sein.<br />
Alle ein bis drei Monate sollte der Aufnahmesensor<br />
gründlich gereinigt werden. Oftmals<br />
genügt es, ihn mit einem Blasebalg – nicht jedoch<br />
mit dem Mund oder einer Druckluftdose<br />
– auszupusten. Stark haftender Schmutz<br />
(oder wenn man doch aus Versehen auf den<br />
Sensor gespuckt hat) wird durch feuchtes<br />
Abwischen des Sensors vorzugsweise mit<br />
Methylalkohol entfernt – aber Achtung, der<br />
40
KAPITEL 1<br />
ADRENALINSCHUB<br />
AM POLARKREIS<br />
ist sehr giftig und nur in gut belüfteten Räumen<br />
anzuwenden. Alternativ geht auch Isopropylalkohol<br />
aus der Apotheke.<br />
In vielen Internetforen werden zum Thema<br />
Sensorreinigung mehr oder weniger hilfreiche<br />
Tipps und Empfehlungen gegeben,<br />
die mit Vorsicht zu genießen sind. Wattestäbchen<br />
sind bestenfalls für die Pflege der<br />
Ohren, jedoch nicht zur Reinigung der sensiblen<br />
Sensoroberfläche geeignet.<br />
Fototechnik unter realen<br />
Bedingungen<br />
Wie verhalten sich Kamera, AF-Objektiv<br />
und das verwendete Zubehör, wenn die<br />
garantierten Temperaturbereiche der Hersteller<br />
unterschritten werden? Zur Beantwortung<br />
dieser Frage kann ich auf einen<br />
umfangreichen Erfahrungsschatz zurückgreifen,<br />
den ich auf vielen Finnlandreisen<br />
angesammelt habe.<br />
feucht, und das Gerät kann nicht mehr<br />
eingesetzt werden. In diesem Fall müssen<br />
Sie die Kamera samt Objektiv in einer<br />
gut verschlossenen Kameratasche<br />
oder alternativ in einem ZipLoc-Beutel<br />
(Haushaltsgefrierbeutel, drei Liter Volumen)<br />
einige Stunden bei Raumtemperatur<br />
akklimatisieren lassen. Ein paar<br />
hinzugefügte Beutel Silicagel beschleunigen<br />
den Trocknungsprozess erheblich.<br />
Auch wenn Sie aus der Kälte kommend<br />
Langzeitaufnahmen<br />
bei Minustemperaturen<br />
belasten den Akku<br />
der Kamera erheblich.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 28 mm<br />
Belichtung 6,0 s<br />
Blende<br />
f/13,0<br />
ISO 400<br />
Zuverlässiger Auslöser selbst<br />
bei Eiseskälte<br />
Nachfolgend habe ich einige nützliche Ratschläge<br />
für Sie zusammengestellt, damit<br />
Kamera und Fotoequipment geschützt werden<br />
und auch bei extremen Minustemperaturen<br />
noch zuverlässig funktionieren.<br />
• Kondenswasserbildung verhindern:<br />
Tragen Sie die Kamera immer außerhalb<br />
der Jacke. Bei längerem Nichtgebrauch<br />
verwahren Sie die Kamera in der Fototasche.<br />
Wenn Sie das Gerät unter Ihrer<br />
Jacke sehr nahe am Körper tragen, droht<br />
Kondenswasserbildung im Gehäuse,<br />
da Ihr Körper Wärme und Feuchtigkeit<br />
an die Umgebung abgibt. Nicht nur der<br />
Aufnahmesensor und das Objektiv beschlagen,<br />
sondern auch der Sucher und<br />
weitere Bauteile im Gehäuse werden<br />
41
Mitte: Weichzeichnereffekt<br />
durch Feuchtigkeitsbildung<br />
auf einem<br />
Linsenelement im<br />
Objektiv.<br />
verschwitzt in ein beheiztes Fahrzeug<br />
steigen, besteht die Gefahr von Kondenswasserbildung<br />
im Gehäuse. Die<br />
Kamera sollte daher bereits draußen in<br />
eine gut zu verschließende Kameratasche<br />
oder den besagten ZipLoc-Beutel<br />
gesteckt werden.<br />
• Auskühlung der Akkus aufhalten:<br />
Nehmen Sie den Akku aus der Kamera<br />
und tragen Sie die Energiequelle in der<br />
Hosentasche nah am Körper. So verhindern<br />
Sie Auskühlung und Leistungsabfall.<br />
Führen Sie immer einen voll geladenen<br />
Ersatzakku mit und lagern Sie<br />
ihn auf einem aktivierten Gelpad in der<br />
Kameratasche.<br />
• Schnee von der Kamera pusten:<br />
Pusten oder wischen Sie losen Schnee<br />
sofort vom Kameragehäuse, da sonst<br />
die Tasten und Schalter vereisen können.<br />
Auch beim Objektivwechsel ist<br />
Vorsicht geboten. Wenn sich loser Reif<br />
oder Schnee auf dem Kameragehäuse<br />
befindet und ins Kamerainnere gelangt,<br />
bildet sich schnell ein Film aus Feuchtigkeit<br />
oder Eis.<br />
• Live-View sparsam einsetzen:<br />
Setzen Sie die Live-View-Funktion der<br />
Kamera nur sparsam ein, um den Verschluss,<br />
die Spiegelmechanik und letztendlich<br />
auch den Akku zu schonen.<br />
42<br />
• Bildstabilisator ausschalten:<br />
Schalten Sie den Bildstabilisator in der<br />
Kamera oder am Objektiv bei extremer<br />
Kälte aus, da die Bauteile unter Umständen<br />
nicht einwandfrei funktionieren und<br />
außerdem unnötig Strom verbrauchen.<br />
Wenn Sie verwacklungsfrei fotografieren<br />
wollen, setzen Sie stattdessen den<br />
ISO-Wert etwas höher, verwenden ein<br />
Objektiv mit kurzer Brennweite oder<br />
greifen auf ein Stativ zurück.
KAPITEL 1<br />
ADRENALINSCHUB<br />
AM POLARKREIS<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 28 mm<br />
Belichtung 6,0 s<br />
Blende<br />
f/13,0<br />
ISO 400<br />
• Autofokus abschalten:<br />
Schalten Sie die Autofokusfunktion der<br />
Kamera nach Möglichkeit aus. Bei Objektiven<br />
mit eingebautem AF-Motor besteht<br />
außerdem die Gefahr der mechanischen<br />
Überlastung, da der Fokusantrieb bei Kälte<br />
schwergängiger laufen könnte. Amateurobjektive<br />
mit reiner Kunststofffassung,<br />
die direkt vom eingebauten Motor<br />
der Kamera angetrieben werden (z. B. bei<br />
Nikon und Pentax), sollten grundsätzlich<br />
manuell fokussiert werden. Die Objektive<br />
werden in der Kälte schwergängig und<br />
überlasten den Motor aufgrund des höheren<br />
Antriebswiderstands. Letztendlich<br />
schont ein ausgeschaltetes AF-System<br />
auch noch den Akku der Kamera. Tipp:<br />
Die optischen und akustischen Fokussierhilfen<br />
Ihrer Kamera arbeiten auch im<br />
ausgeschalteten AF-Betrieb und können<br />
Ihnen bei der manuellen Fokussierung<br />
helfen.<br />
• LC-Display im Auge behalten:<br />
LC-Displays reagieren bei Kälte träger<br />
und können sogar vorübergehend völlig<br />
unleserlich werden. Bei Erwärmung<br />
stabilisiert sich die Anzeige jedoch nach<br />
kurzer Zeit wieder. Probleme mit zerfrorenen<br />
Anzeigen sind mir nicht bekannt,<br />
jedoch halte ich es aus technischer Sicht<br />
für möglich, dass die winzigen Kristalle<br />
bei allzu langer Kälteeinwirkung dauerhaft<br />
beschädigt werden könnten.<br />
• Achtung, festgefrorene Nase am Display:<br />
Atmen Sie niemals in Richtung Kamera<br />
aus, wenn Sie durch den Sucher schauen,<br />
sonst kann die Nase am eiskalten<br />
Display innerhalb kürzester Zeit festfrieren<br />
. Ich spreche da aus Erfahrung: Meine<br />
Nasenspitze benötigte für die Regeneration<br />
des auf diese Weise erzeugten<br />
„ Mitsubishi-Logo-Abdrucks“ ziemlich<br />
43
Achtung! Atmen Sie nicht<br />
in Richtung Kamera aus,<br />
wenn Sie durch den Sucher<br />
ein Motiv anvisieren. Im<br />
schlimmsten Fall friert die<br />
Nase innerhalb kürzester Zeit<br />
am eiskalten Display fest.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 85 mm<br />
Belichtung 1/60 s<br />
Blende<br />
f/13,0<br />
ISO 400<br />
44<br />
genau zwei Monate. Dazu gesellte sich<br />
noch der nie enden wollende Spott meiner<br />
Kollegen, Freunde und Schüler.<br />
• Vom Kalten ins Warme:<br />
Akklimatisieren Sie alle Geräte über<br />
mehrere Stunden in einer gut verschlossenen<br />
Kameratasche oder einem<br />
ZipLoc-Beutel, bevor Sie sie in der<br />
warmen Hütte aus der Tasche nehmen.<br />
Bringen Sie die Kamera nie direkt von<br />
der Kälte in die Wärme. Die Folge ist<br />
Streifen- und Schlierenbildung auf dem<br />
Aufnahmesensor aufgrund von eindringender<br />
Feuchtigkeit. Überprüfen Sie zur<br />
Sicherheit die Oberfläche des Sensors<br />
mit einer Sensorlupe auf Schlieren und<br />
führen Sie gegebenenfalls eine Reinigung<br />
durch. Die Speicherkarte und den<br />
Akku können Sie bereits vorher aus der<br />
Kamera nehmen, da sie den raschen<br />
Temperaturwechsel auch ohne Akklimatisierungsprozess<br />
meiner Erfahrung<br />
nach problemlos überstehen.<br />
ORANGEFARBENES UND<br />
BLAUES SILICAGEL<br />
Legen Sie immer einige Päckchen<br />
Silicagel in die Kameratasche. Sobald<br />
das Kieselgel durch die Aufnahme von<br />
Luftfeuchtigkeit gesättigt (farblos)<br />
ist, sollten Sie es sofort aus der Kameratasche<br />
nehmen, da die Substanz<br />
bei hohen Temperaturen die gesammelte<br />
Feuchtigkeit wieder an die<br />
Umgebung abgibt. Im Backofen kann<br />
das Silicagel bei mittleren Temperaturen<br />
(120 bis 150 °C) aufgetrocknet<br />
und dann wieder verwendet werden.<br />
Trockenes Silicagel ist übrigens<br />
orange gefärbt. Falls Sie noch das<br />
blaue Silicagel verwenden, sollten Sie<br />
es umgehend entsorgen, da hier die<br />
krebserregende Substanz Cobalt-II-<br />
Chlorid enthalten ist.<br />
Bildrauschen? – Einfach cool bleiben!<br />
Bei elektronischen Bildsensoren wie CCDund<br />
CMOS-Sensoren ist das Bildrauschen<br />
zu einem großen Teil ein sogenanntes<br />
Dunkelrauschen; es tritt also auf, ohne<br />
dass Licht auf den Sensor fällt. Grund für<br />
dieses Rauschen ist einerseits der Dunkelstrom<br />
der einzelnen lichtempfindlichen<br />
Elemente (Pixel), andererseits ist es auch<br />
das Rauschen des Ausleseverstärkers. Das<br />
Rauschen bei einem Bildsensor macht sich<br />
vor allem bei höheren ISO-Lichtempfindlichkeiten<br />
bemerkbar. Bildrauschen wird jedoch<br />
auch durch die Pixelgröße sowie den<br />
Pixelabstand des Bildsensors beeinflusst. Je<br />
geringer der Abstand zwischen den einzelnen<br />
Pixeln eines Bildsensors und je kleiner<br />
die Pixelgröße ist, desto weniger Photonen
KAPITEL 1<br />
ADRENALINSCHUB<br />
AM POLARKREIS<br />
(Licht) können die einzelnen Pixel aufnehmen,<br />
und das bedeutet im Umkehrschluss<br />
mehr Rauschen bzw. mehr Störsignale<br />
beim Bildsensor. Gut sichtbar wird das Bildrauschen<br />
in gleichförmigen, besonders in<br />
dunklen oder blauen Bildbereichen. Unterbelichtete,<br />
nachträglich am Computer aufgehellte<br />
Aufnahmen rauschen in der Regel<br />
stärker als korrekt belichtete Bilder.<br />
Außerdem verstärkt sich das Rauschen<br />
mit steigender Sensortemperatur, deshalb<br />
können Kameras, die den Bildsensor auch<br />
zur Darstellung des Sucherbilds nutzen<br />
(Live-Vorschau), unter Umständen stärkeres<br />
Rauschen verursachen. Ebenso erhöht<br />
sich das Rauschen mit steigender Belichtungszeit,<br />
insbesondere bei Nachtaufnahmen.<br />
Die meisten Digitalkameras können<br />
z. B. bei Langzeitbelichtungen durch eine<br />
unmittelbar an die eigentliche Aufnahme<br />
anschließende Dunkelbelichtung ein Referenzbild<br />
erzeugen, um das Rauschen zu reduzieren.<br />
Natürlich lässt sich das Rauschen<br />
auch nachträglich in der Bildbearbeitung<br />
am Computer entfernen. Oder Sie kühlen<br />
den Sensor. Aufgrund der extremen Kälte<br />
in Finnland hatte ich mit dem Problem des<br />
Bildrauschens erst bei sehr hohen ISO-<br />
Werten und sehr wenig Licht zu kämpfen.<br />
Manchmal hat die Kälte hat also doch etwas<br />
Positives.<br />
Abstecher in die Belichtungsmessung<br />
Vorweg ein kleiner Exkurs zum Auffrischen<br />
des vorhandenen fotografischen Basiswissens<br />
zum Thema Belichtungsmessung . Die<br />
Belichtungsmesszellen der DSLR-Kamera<br />
befinden sich bei allen aktuellen Modellen<br />
oben in der Nähe des Sucherokulars. Hier<br />
wird die Intensität der durch das Objektiv<br />
einfallenden Lichtmenge (TTL = Through<br />
The Lens) erfasst und gemessen. Im Sucher<br />
oder Display der Kamera signalisiert uns<br />
eine Belichtungswaage via LCD-Anzeige, ob<br />
die gewählte Zeit-Blende-Kombination zu<br />
einer korrekten Belichtung führen wird.<br />
Wichtig zu wissen: die mittlere Dichte<br />
Sämtliche Belichtungsmesssysteme sind<br />
auf einen Normwert geeicht, die alles bestimmende<br />
„mittlere Dichte“. In der Praxis<br />
kommen Reflexionsgrade von 2 % bis<br />
90 % vor. Durchschnittlich reflektieren<br />
die meisten Motive jedoch nur etwa 18 %<br />
des auftreffenden Lichts. Nahezu alle Belichtungsmesser<br />
sind so geeicht, dass sie<br />
Einstellwerte liefern, die für eine Szene<br />
mit durchschnittlicher Helligkeitsverteilung<br />
gelten. Aus der Helligkeitsverteilung<br />
im Motiv wird immer ein integraler Wert<br />
ermittelt. Ist jedoch ein Motiv nicht durchschnittlich<br />
(z. B. ein weißer Elch im Schnee),<br />
müssen die Werte korrigiert werden, weil<br />
es sonst zu Fehlmessungen kommt und das<br />
entstehende Foto nicht der Lichtsituation<br />
der Szene entspricht.<br />
Im Fall des weißen Elchs im Schnee würde<br />
die Aufnahme unterbelichtet, da der Belichtungsmesser<br />
die Belichtung auf einen Wert<br />
für eine Szene mittlerer Helligkeit reduziert.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 35 mm<br />
Belichtung 1,6 s<br />
Blende<br />
f/4,5<br />
ISO 200<br />
Starkes Bildrauschen – in dieser Ausschnittvergrößerung unzweifelhaft<br />
zu erkennen.<br />
45
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 35 mm<br />
Belichtung 1,6 s<br />
Blende<br />
f/4,5<br />
ISO 200<br />
Hinzu kommt der daraus resultierende große<br />
Kontrastumfang einzelner Motivbereiche,<br />
die zu ausgefressenen Lichtern oder<br />
zugelaufenen Schatten führen können. Die<br />
meisten DSLR- und Systemkameras arbeiten<br />
mit den folgenden Messmethoden:<br />
• mittenbetonte Integralmessung<br />
• Spotmessung<br />
• Mehrfeld-, Matrix- oder Segmentmessung<br />
Dieses Motiv wurde mit der mittenbetonten Integralmessung aufgenommen.<br />
Dieses Motiv wurde mit der Spotmessung aufgenommen.<br />
Schwerpunkt der Messung in Suchermitte<br />
Bei der mittenbetonten Integralmessung<br />
liegt der Schwerpunkt der Gewichtung innerhalb<br />
eines definierten Bereichs in der Suchermitte.<br />
Sie verteilt sich bei vielen Kameras<br />
von 60 % in der Bildmitte bis auf 40 %<br />
am Bildrand, da Erfahrungen aus der Praxis<br />
gezeigt haben, dass sich viele Motive überwiegend<br />
in der Bildmitte befinden.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 10 mm<br />
Belichtung 0,5 s<br />
Blende<br />
f/5,6<br />
ISO 400<br />
46
KAPITEL 1<br />
ADRENALINSCHUB<br />
AM POLARKREIS<br />
Auch aus großer Entfernung exakt<br />
anmessen<br />
Mit der Spotmessung können selbst kleinste<br />
Motivelemente aus größerer Entfernung<br />
exakt angemessen werden, so z. B. in der<br />
Makro- und Tierfotografie. Die Spotmessung<br />
setzt also nicht nur eine Auseinandersetzung<br />
mit dem Aufnahmematerial<br />
voraus, sondern auch die Auseinandersetzung<br />
mit Blenden- und Zeitwerten und erfordert<br />
großes fotografisches Können und<br />
viel Erfahrung. Die Selektivmessung bei<br />
einigen Canon-Kameras berücksichtigt im<br />
Vergleich zur Spotmessung einen deutlich<br />
größeren mittleren Motivbereich.<br />
Exakte Motivanalyse per Mehrfeldmessung<br />
Bei Einsatz der Mehrfeldmessung (auch als<br />
Matrix- oder Segmentmessung bezeichnet)<br />
wird das gesamte Bildfeld in einzelne Messfelder<br />
unterschiedlicher Größe aufgeteilt, um<br />
aufgrund der Helligkeitsverteilung im Motiv<br />
und dem daraus errechneten Kontrastumfang<br />
eine möglichst exakte Motivanalyse<br />
durchführen zu können. Die ermittelten<br />
Werte werden gesammelt, ausgewertet und<br />
mit den gespeicherten Motivmustern (der<br />
Matrix) verglichen, die wiederum mit einer<br />
bestimmten Belichtungsvariante verknüpft<br />
sind. Die Festlegung dieser Motivmuster ist<br />
das Ergebnis einer enormen Fleißarbeit, bei<br />
der Zehntausende von Aufnahmen aus der<br />
Praxis erstellt und ausgewertet wurden.<br />
Aufgrund der fortschreitenden Perfektionierung<br />
dieser Messmethode erreicht die<br />
Trefferquote selbst bei extremen Motiven<br />
beinahe 100 % – die Standardmessmethode<br />
für Aufnahmen im Schnee.<br />
Achten Sie bitte nach jeder Aufnahme auf<br />
das Histogramm im Kameradisplay und aktivieren<br />
Sie zusätzlich im Wiedergabemenü<br />
der Kamera die Funktion für die Spitzlichterwarnung.<br />
Sind die Lichter auf der rechten<br />
Seite des Histogramms ausgefressen,<br />
haben bestimmte Bereiche im Bild den<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 18 mm<br />
Belichtung 1/2000 s<br />
Blende<br />
f/5,0<br />
ISO 300<br />
Am besten experimentieren<br />
Sie mit der Belichtungsmessung<br />
Ihrer<br />
Kamera. Nach meiner<br />
Erfahrung führt eine<br />
Grundkorrektur von<br />
–2/3 EV bei den meisten<br />
Kameramodellen<br />
mit Mehrfeldmessung<br />
bei Aufnahmen im<br />
Schnee mit Sonnenlicht<br />
zu sehr guten<br />
Ergebnissen. Hier das<br />
gelungene Beispiel<br />
einer Mehrfeldmessung<br />
ohne Korrektur.<br />
47
Erste Regel für gelungene<br />
Aufnahmen:<br />
Ran ans Motiv!<br />
Tonwert 255 und somit keine Detailzeichnung<br />
mehr. Belichten Sie die Aufnahme<br />
daher etwas knapper, z. B. mit einer Belichtungskorrektur<br />
von –2/3 EV (EV, engl.<br />
Exposure Value/Lichtwert), um das Histogramm<br />
ein Stück nach links in Richtung der<br />
dunkleren Bereiche zu verschieben. Oder<br />
aktivieren Sie die Dynamikerweiterung Ihrer<br />
Kamera, falls optional vorhanden, um den<br />
Tonwertumfang zu erhöhen. Der sicherste<br />
Weg ist das gleichzeitige Abspeichern von<br />
RAW- und JPEG-Dateien, um später über<br />
den RAW-Konverter im 14-Bit-Modus umfangreiche<br />
Tonwert- und Farbkorrekturen<br />
vornehmen zu können.<br />
Motive suchen, finden und<br />
komponieren<br />
Viele Menschen haben aufgrund der Digitalisierung<br />
und Automatisierung einen problemlosen<br />
Zugang zur Fotografie bekommen<br />
und erhalten auf Knopfdruck technisch<br />
einwandfreie, also scharfe und exakt belichtete<br />
Ergebnisse. Obwohl diese Tatsache<br />
eigentlich von Vorteil sein müsste, schaute<br />
ich auf meinen Fotoreisen nach Finnland oft<br />
in enttäuschte Gesichter mit fragenden Blicken.<br />
Die Erkenntnis, dass auch mit der besten<br />
Kamera, dem schärfsten und teuersten<br />
Profiobjektiv und selbst dem anschließenden<br />
„Shoppen“ (Bearbeiten mit Adobe Photoshop)<br />
am Rechner das Bildergebnis noch<br />
immer wie Durchschnittsbrei aussieht, ist<br />
schnell und einfach zu begründen: Es fehlt<br />
sprichwörtlich das fotografische Salz in der<br />
Bildsuppe.<br />
Ran ans Motiv!<br />
Genau genommen sind es mehrere fotografische<br />
Zutaten, die – fein aufeinander<br />
abgestimmt – in der Summe die Suppe bzw.<br />
das Bildresultat zu einem visuellen Gaumenschmaus<br />
werden lassen. Grund genug<br />
also, uns näher mit dem Thema Bildgestaltung<br />
im Winter zu befassen. Wenn Sie sich<br />
48<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 340 mm<br />
Belichtung 1/320 s<br />
Blende<br />
f/6,3<br />
ISO 200
KAPITEL 1<br />
ADRENALINSCHUB<br />
AM POLARKREIS<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 78 mm<br />
Belichtung 1/3500 s<br />
Blende<br />
f/5,3<br />
ISO 400<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 135 mm<br />
Belichtung 1/1800 s<br />
Blende<br />
f/5,6<br />
ISO 400<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 200 mm<br />
Belichtung 1/3200 s<br />
Blende<br />
f/6,3<br />
ISO 400<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 175 mm<br />
Belichtung 1/2500 s<br />
Blende<br />
f/6,0<br />
ISO 400<br />
Kleinste Motive wirken aus der richtigen Perspektive und im harten Seitenlicht fotografiert wie kleine<br />
Kunstwerke. Oder sind es doch kleine Gestalten?<br />
im Winter in der schneeweißen Landschaft<br />
auf Motivsuche begeben, müssen Sie schon<br />
ein Faible für Schnee und Eis mitbringen.<br />
Aber noch wichtiger: Sie sollten in der Lage<br />
sein, das interessante Motiv, und sei es auf<br />
den ersten Blick auch noch so klein und bedeutungslos,<br />
in der Fülle der Schneemotive<br />
zu entdecken. Und das ist nicht so einfach.<br />
Unsere Augen werden fortlaufend geblen-<br />
det und überreizt, und wir sind aufgrund der<br />
Fülle an Licht und Schatten schnell überfordert.<br />
Hier hilft nur: Pause machen, Thermosflasche<br />
öffnen und Tee trinken.<br />
Oftmals ragen viele Motive in Finnland nur<br />
wenige Zentimeter hoch aus der monochromen<br />
Schneelandschaft und entfalten erst<br />
beim genauen Blick in den Sucher, zum Beispiel<br />
auf dem Boden liegend, ihre filigrane<br />
49
Links: Hier wurde das Hauptmotiv in die rechte<br />
obere Ecke des Bilds gesetzt. Das Hochformat<br />
und das harte Gegenlicht mit dem langen Schattenwurf<br />
unterstützen die Dramaturgie dieser<br />
Aufnahme zusätzlich.<br />
Schönheit. Leider kann es jedoch vorkommen,<br />
dass ein unvorsichtiger Mensch in der<br />
Gruppe vor Ihnen das soeben entdeckte Motiv<br />
unter dem Gewicht seines Schneestiefels<br />
einfach in der weißen Pracht verschwinden<br />
lässt. Aus diesem Grund habe ich stets versucht,<br />
die Fotogruppe möglichst großflächig<br />
zu verteilen, um derartige Zerstörungen zu<br />
verhindern. Oder Sie müssen den anderen<br />
einfach zehn Schritte voraus sein.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 95 mm<br />
Belichtung 1/2500 s<br />
Blende<br />
f/5,6<br />
ISO 400<br />
Nehmen Sie sich viel, viel Zeit!<br />
Kommen wir zum ersten, zum wichtigsten<br />
Grundsatz in der Landschaftsfotografie :<br />
Nehmen Sie sich viel, viel Zeit! Bewegen Sie<br />
sich Schritt für Schritt ganz langsam vorwärts<br />
und geben Sie Ihren Augen die Chance,<br />
den zu erkundenden Bereich um Sie<br />
herum in Ruhe zu erfassen. Umkreisen Sie<br />
dann das auserwählte Motiv vorsichtig und<br />
probieren Sie unterschiedliche Perspektiven<br />
aus. Wechseln Sie die Brennweite, um<br />
die Wirkung des Bildwinkels zu erfahren.<br />
ACHTUNG!<br />
EIN FALSCHER SCHRITT ...<br />
Ein unbedachter Schritt in die falsche Richtung kann Ihnen die<br />
Suppe kräftig versalzen! Sollten aus Versehen, oder weil es sich<br />
nicht verhindern ließ, Schritte oder Spuren im unmittelbaren<br />
Motivbereich zu sehen sein, drücken Sie dennoch auf den Auslöser.<br />
In vielen Fällen können diese störenden Elemente im Bild<br />
in der nachträglichen Bildbearbeitung „weggeshoppt“ werden.<br />
Und denken Sie daran – nicht die Anzahl der geschossenen Bilder<br />
pro Stunde und Tag bringt den gewünschten fotografischen<br />
und persönlichen Erfolg, sondern die Qualität und bewusste<br />
Auswahl des Motivs<br />
Unterschiedliche Tageszeiten und<br />
Perspektiven<br />
Wenn sich ein fotografisch interessantes<br />
Motiv in der Nähe befindet, empfehle ich Ihnen,<br />
jede Gelegenheit wahrzunehmen, um<br />
es zu unterschiedlichen Tageszeiten aufzusuchen<br />
und aus verschiedenen Perspektiven<br />
zu fotografieren.<br />
50
KAPITEL 1<br />
ADRENALINSCHUB<br />
AM POLARKREIS<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 20 mm<br />
Belichtung 1/18 s<br />
Blende<br />
f/5,6<br />
ISO 800<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 10 mm<br />
Belichtung 1/13 s<br />
Blende<br />
f/5,6<br />
ISO 800<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 10 mm<br />
Belichtung 1/10 s<br />
Blende<br />
f/5,6<br />
ISO 800<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 14 mm<br />
Belichtung 1/13 s<br />
Blende<br />
f/5,6<br />
ISO 800<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 20 mm<br />
Belichtung 1/10 s<br />
Blende<br />
f/5,6<br />
ISO 800<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 20 mm<br />
Belichtung 1/13 s<br />
Blende<br />
f/5,6<br />
ISO 1600<br />
Ein Motiv zu unterschiedlichen Tageszeiten und aus sechs verschiedenen Perspektiven abgelichtet.<br />
51
Setzen Sie knackige Akzente<br />
Schnee bietet viel Gestaltungsraum für interessante<br />
Licht- und Schattenspiele. Lassen<br />
Sie alles Unnötige um das Motiv herum weg<br />
und setzen Sie knackige Akzente .<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 95 mm<br />
Belichtung 1/750 s<br />
Blende<br />
f/6,3<br />
ISO 200<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 18 mm<br />
Belichtung 1/500 s<br />
Blende<br />
f/6,3<br />
ISO 200<br />
Formen aus Licht und Schatten, reduziert auf das<br />
Wesentliche.<br />
Hochformat, Querformat – oder beides?<br />
Über 80 % der Fotoamateure entscheiden<br />
sich für das Querformat . Oftmals ist es<br />
pure Bequemlichkeit oder einfach nur Gewohnheit.<br />
Dabei lohnt es sich fast immer,<br />
zusätzlich ein Bild vom gleichen Standpunkt<br />
aus im Hochformat zu machen. Unwichtiges<br />
wird weggelassen, Wesentliches hervorgehoben,<br />
und das Bild bekommt mehr Tiefe.<br />
52<br />
Rechts oben: Fotografieren Sie Ihr Motiv auch mal<br />
hochformatig – auch wenn es unbequem ist. Auf<br />
dem unteren Bildbeispiel bekommt der Schatten des<br />
Objekts im Hochformatausschnitt deutlich mehr<br />
Betonung und Spannung, lenkt aber auch sehr vom<br />
eigentlichen Motiv ab. Im direkten Vergleich bringt<br />
das Querformat mehr Ruhe und Ordnung ins Bild.<br />
Rechts unten: Der Formatwechsel ändert die<br />
Bildaussage dieses Motivs erheblich.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 40 mm<br />
Belichtung 1/6400 s<br />
Blende<br />
f/5,0<br />
ISO 400
KAPITEL 1<br />
ADRENALINSCHUB<br />
AM POLARKREIS<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 18 mm<br />
Belichtung 1/400 s<br />
Blende<br />
f/6,3<br />
ISO 200<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 78 mm<br />
Belichtung 1/3500 s<br />
Blende<br />
f/5,3<br />
ISO 400<br />
53
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 100 mm<br />
Belichtung 3,0 s<br />
Blende<br />
f/8,0<br />
ISO 400<br />
Kleine Dinge im diffusen Licht<br />
Strukturen und kleine Details lassen sich am<br />
besten am frühen Morgen und am Abend<br />
kurz vor Sonnenuntergang zur blauen Stunde<br />
fotografieren. Diese Erfahrung haben Sie<br />
wahrscheinlich schon irgendwann einmal am<br />
Strand beim Fotografieren von Muscheln,<br />
Spuren oder Steinen im Sand gemacht. Lange<br />
Schatten und das harte Seitenlicht der Sonne<br />
modellieren das zu fotografierende Objekt<br />
ideal heraus und sorgen für ausreichend Tiefe<br />
im Bild. In der Mittagssonne lohnt es sich<br />
hingegen kaum, die Kamera aus der Tasche<br />
zu nehmen, da eben genau die vorgenannten<br />
Merkmale fehlen. Da heißt es nur warten.<br />
Fakt ist: 50 mm Auszug zwischen Kamerabajonett und Objektiv bedeuten für<br />
ein 50-mm-Objektiv auch 50 mm Abstand (Fluchtdistanz) zum Objekt. Der<br />
Einsatz eines 100-mm-Objektivs sorgt bei gleicher Auszugsverlängerung für<br />
die doppelte Distanz und eignet sich daher besser für die Fotografie von kleinen<br />
Objekten im Schnee.<br />
Bei diesen Aufnahmen wurde zuvor eine Feder ins Wasser gelegt: gefrieren lassen,<br />
und fertig ist ein interessantes Makromotiv. Rückseitig wurde es zusätzlich<br />
mit der Taschenlampe beleuchtet und vom Stativ aus fotografiert.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 116 mm<br />
Belichtung 1/2000 s<br />
Blende<br />
f/5,6<br />
ISO 400<br />
Im diffusen Licht wirken selbst interessante<br />
Motive langweilig.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 100 mm<br />
Belichtung 0,8 s<br />
Blende<br />
f/8,0<br />
ISO 400<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 100 mm<br />
Belichtung 0,5 s<br />
Blende<br />
f/8,0<br />
ISO 400<br />
Ganz dicht dran: Makro im Schnee<br />
Wagen wir zunächst einen kleinen Ausflug<br />
in die Lehre der Optik. Je kürzer die verwendete<br />
Brennweite, umso größer wird bei einer<br />
bestehenden Auszugsverlängerung der Ab-
KAPITEL 1<br />
ADRENALINSCHUB<br />
AM POLARKREIS<br />
bildungsmaßstab . Ein 24-mm-Objektiv erreicht<br />
in Verbindung mit einem Auszug von<br />
50 mm (z. B. mit Zwischenring) einen Maßstab<br />
von über 2:1. Am Balgengerät eingesetzt,<br />
erzielt diese Brennweite einen Vergrößerungsmaßstab<br />
von 6:1, wenn der Auszug<br />
150 mm beträgt. Jedoch nimmt die Distanz<br />
zwischen Frontlinse und Motiv so stark ab,<br />
dass sie nur noch wenige Millimeter beträgt.<br />
Zu wenig also, um z. B. Aufnahmen von kleinen<br />
Objekten zu machen.<br />
Fotografieren mit gewollter Unschärfe<br />
Mit dem Begriff Schärfentiefe (besser Schärfebereich)<br />
wird der Raum der zulässigen,<br />
also tolerierten, Unschärfe vor und hinter der<br />
Einstellebene bezeichnet. Die Ausdehnung<br />
wird unter anderem von der Blendenöffnung<br />
und dem Abbildungsmaßstab beeinflusst.<br />
Im Nahbereich nimmt die Schärfentiefe drastisch<br />
ab und verteilt sich je zur Hälfte auf die<br />
Bereiche vor und hinter der Einstellebene.<br />
Wird die Blende um zwei Werte geschlossen<br />
(abgeblendet), verdoppelt sich dieser Bereich<br />
und führt zu einem Schärfentiefezuwachs. So<br />
viel zu den Vorteilen des Abblendens.<br />
in dem direkten Zusammenhang mit einer zu<br />
kleinen Blendenöffnung zu sehen, an deren<br />
scharfen Kanten das einfallende Licht stärker<br />
gestreut wird und dadurch das eigentliche<br />
Bild überlagert. Das Resultat zeigt sich in einer<br />
Herabsetzung der Allgemeinschärfe, und<br />
die Aufnahme verliert merklich an Brillanz.<br />
Weite Winkel extrem<br />
Sie zählen zu meinen fotografischen Lieblingen,<br />
wenn ich in Sachen Landschaftsfotografie<br />
unterwegs bin: Superweitwinkelobjektive .<br />
Auch der Blick nach<br />
oben, auf dem Rücken<br />
liegend, kann sich<br />
lohnen. Eine ungewöhnliche<br />
Perspektive<br />
für den Betrachter:<br />
Bäume von unten nach<br />
oben fotografiert.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 11 mm<br />
Belichtung 1/290 s<br />
Blende<br />
f/5,6<br />
ISO 400<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 100 mm<br />
Belichtung 1/4 s<br />
Blende<br />
f/2,8<br />
ISO 400<br />
Die Ausdehnung des Unschärfebereichs wird<br />
unter anderem von der Blendenöffnung und dem<br />
Abbildungsmaßstab beeinflusst.<br />
Leider wird mit dem Zugewinn an Schärfentiefe<br />
nicht nur ein Lichtverlust erkauft,<br />
sondern auch ein nicht unbedeutender Abbildungsfehler:<br />
die Beugung. Die Ursache ist<br />
55
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 10,5 mm<br />
Belichtung 1/250 s<br />
Blende<br />
f/6,3<br />
ISO 400<br />
Ein tiefer Standpunkt bringt bei extremen Weitwinkelaufnahmen noch mehr Dynamik ins Bild.<br />
56<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 15 mm<br />
Belichtung 1/6000 s<br />
Blende<br />
f/4,5<br />
ISO 200
KAPITEL 1<br />
ADRENALINSCHUB<br />
AM POLARKREIS<br />
Ein großer Bildwinkel, verbunden mit einem<br />
großen Schärfebereich bei offener Blende<br />
und einer sehr kurzen Naheinstellgrenze,<br />
bringen Dynamik und Weite ins Bild.<br />
Wichtig: Setzen Sie unbedingt ein Motiv in<br />
den Vordergrund, sonst wirkt die Aufnahme<br />
verloren, und das Bild verliert an Räumlichkeit.<br />
Auch trübe Tage haben was<br />
Trüber Tag mit Bewölkung , Nebel oder diffusen<br />
Lichtverhältnissen ? Lieber die Kamera<br />
in der Hütte oder in der Kameratasche<br />
lassen? Mitnichten! Auch bei diesem unpopulären<br />
Licht lassen sich von gewöhnlichen<br />
Motiven sehr außergewöhnliche Aufnahmen<br />
machen. Spielen Sie doch mal mit den<br />
Parametern Ihrer Kamera – und so gehen<br />
Sie vor:<br />
Doch bedenken Sie bitte, dass die so entstandenen<br />
JPEG-Dateien aufnahmetechnisch<br />
kaputt sind und die ausgefressenen<br />
Lichter und das Bildrauschen später in der<br />
Bildbearbeitung nicht mehr rückgängig gemacht<br />
werden können. Im Zweifel sollten<br />
Sie nach dem Experimentieren lieber eine<br />
zweite Aufnahme im RAW-Format erstellen<br />
oder einfach parallel in RAW und JPEG<br />
speichern, um später sämtliche Optionen<br />
der Bildbearbeitung nutzen zu können.<br />
Experimentieren Sie doch mal live mit den Parametern Ihrer Kamera.<br />
Hoher Suchtfaktor!<br />
1. Aktivieren Sie zunächst den Schwarz-<br />
Weiß-Modus im Aufnahmemenü Ihrer<br />
Kamera und regeln Sie dann die infrage<br />
kommenden Bildparameter Schärfe,<br />
Kontrast und ISO-Wert auf das Maximum<br />
hoch.<br />
2. Dann korrigieren Sie zusätzlich die Belichtung<br />
je nach Motivhelligkeit auf +2 EV<br />
nach oben, oder Sie stellen Blende und<br />
Verschlusszeit einfach manuell (M) ein.<br />
3. Eine offene Blende von z. B. f/2,8 oder<br />
f/4,0 mit Schärfepunkt auf den Vordergrund<br />
unterstreicht diesen Effekt zusätzlich.<br />
Sie erhalten nach dem Auslösen sehr dynamische<br />
Schwarz-Weiß-Aufnahmen mit harten<br />
Kontrasten und ausgefressenen Lichtern<br />
im High-Key-Look. Und das ohne nachträgliche,<br />
zeitfressende Bildmanipulation am<br />
Rechner. Wenn man das erste Bild im Kasten<br />
hat, will man sofort mehr.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 95 mm<br />
Belichtung 1/500 s<br />
Blende<br />
f/5,6<br />
ISO 400<br />
57
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 95 mm<br />
Belichtung 1/55 s<br />
Blende<br />
f/9,0<br />
ISO 100<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 10 mm<br />
Belichtung 1/4000 s<br />
Blende<br />
f/5,6<br />
ISO 400<br />
Tipp: Speichern Sie diese Einstellungen, falls<br />
möglich, als benutzerdefinierten Filmstil<br />
im Menü der Kamera ab, um jederzeit auf<br />
Knopfdruck darauf zugreifen zu können.<br />
Probieren Sie es einfach einmal aus. Wir<br />
hatten in den Fotogruppen viel Spaß und<br />
wurden mit außergewöhnlichen Aufnahmen<br />
belohnt.<br />
Natürlich habe ich diesen extremen Monochromeffekt<br />
auch gern bei typisch schönem<br />
Postkartenwetter mit Sonne und blauem<br />
Himmel eingesetzt, um mich vom fotografischen<br />
Einheitsbrei typischer Urlaubsbilder<br />
abzusetzen. Was tut man nicht alles!<br />
Eisige Glücksmomente<br />
Dass die Lichtstimmung, die Tageszeit und<br />
der richtige Ort in der Fotografie eine sehr<br />
wichtige Rolle spielen, können Sie an den<br />
nachfolgenden Bildbeispielen mit den Untertiteln<br />
„Endzeit“ und „Körperwelten“ praktisch<br />
nachvollziehen. Hier nun die Entstehungsgeschichte<br />
dieser Bilder: Ich befand mich<br />
zu später Stunde oben auf dem Berg Rukatunturi<br />
, kurz Ruka genannt, einem großen<br />
finnischen Wintersportgebiet, bei dem die<br />
Abfahrtsbereiche und die Skilifte bis spät in<br />
den Abend hinein künstlich beleuchtet sind.<br />
Ursprünglich wollte ich Nordlichter fotografieren.<br />
Aufgrund der Bewölkung und des Eisnebels<br />
auf dem Ruka wollte ich schon nach<br />
kurzer Zeit meine Ausrüstung wieder einpacken<br />
und zur Hütte fahren. Mehr aus Frust<br />
denn aus Lust beschloss ich, die restlichen<br />
Meter bis zur Spitze des Bergs hinaufzusteigen,<br />
um von dort oben einen Blick auf die<br />
Landschaft zu wagen. Oben angekommen,<br />
blieb mir vor Erstaunen fast die Luft weg.<br />
58
KAPITEL 1<br />
ADRENALINSCHUB<br />
AM POLARKREIS<br />
Skurrile Schneegestalten in orangefarbenem<br />
Licht, wohin ich auch schaute. Der<br />
Schnee war unberührt, aber dafür vereist<br />
und sehr hart. Wie immer ohne Schneeschuhe<br />
ausgestattet und schon reichlich<br />
durchgefroren, zog ich meinen Akku aus<br />
der Hosentasche und zitterte bei den Aufnahmen<br />
mehr vor Aufregung als vor Kälte.<br />
Belichtet wurden die Aufnahmen manuell,<br />
also von Hand. Der Weißabgleich war auf<br />
Automatik eingestellt, und die Schärfe habe<br />
ich mit dem Weitwinkelobjektiv manuell fokussiert,<br />
um den Akku und den AF-Motor<br />
zu schonen. Ich fotografierte bis zum letzten<br />
Aufbäumen des Akkus und merkte erst<br />
beim Abstieg, wie sehr ich an meine physische<br />
Grenze gelangt war.<br />
Als ich meine Bilder in den Jahren danach in<br />
Reisevorträgen dem Publikum präsentierte,<br />
wurde ich leider auch mit den Nachteilen<br />
der digitalen Fotografie konfrontiert: Ich<br />
musste mir manchmal die Frage bzw. den<br />
Vorwurf gefallen lassen, die Bilder seien<br />
mithilfe der Bildbearbeitung hinsichtlich<br />
fehlender Spuren im Schnee und der ungewöhnlichen<br />
orangebraunen Farbstimmung<br />
manipuliert worden. Dabei handelt es sich<br />
um reine JPEG-Dateien, die lediglich in den<br />
Tonwerten – also ganz legal – optimiert<br />
worden sind. Das wäre mir zu analogen Zeiten<br />
nicht passiert: Da hatten die Betrachter<br />
einfach nur die Dias auf sich wirken lassen,<br />
ganz egal, wie und womit sie entstanden<br />
sind. So ändern sich die Zeiten.<br />
Körperwelten und Endzeitstimmung.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 17 mm<br />
Belichtung 5,0 s<br />
Blende<br />
f/5,6<br />
ISO 200<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 17 mm<br />
Belichtung 8,0 s<br />
Blende<br />
f/8,0<br />
ISO 200<br />
59
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 17 mm<br />
Belichtung 2,5 s<br />
Blende<br />
f/5,6<br />
ISO 200<br />
Außergewöhnliche<br />
Lichtstimmungen auf<br />
dem Ruka, hervorgerufen<br />
durch die Reflexion<br />
der Pistenbeleuchtung<br />
gegen den wolkenverhangenen<br />
Himmel.<br />
Aufgenommen mit<br />
der guten alten Konica<br />
Minolta Dynax 7D mit<br />
Langzeitbelichtung.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 17 mm<br />
Belichtung 2,5 s<br />
Blende<br />
f/8,0<br />
ISO 200<br />
60
KAPITEL 1<br />
ADRENALINSCHUB<br />
AM POLARKREIS<br />
Finnlands unfassbar blaue Stunde<br />
Kurz nachdem in Finnland die Sonne untergegangen<br />
ist, werden Sie unfassbar schöne<br />
Motive zu sehen bekommen. Der Himmel<br />
färbt sich in den schönsten Pastelltönen,<br />
und man möchte seinen Augen nicht trauen,<br />
wenn die berühmte blaue Stunde anbricht.<br />
Meine Erfahrung ist leider, dass die<br />
wenigsten Menschen einem beim Präsentieren<br />
der digitalen Bildergebnisse glauben,<br />
dass die Farben wirklich real existiert haben.<br />
Schnell wird dem Fotografen gegenüber<br />
der Vorwurf der Bildmanipulation geäußert.<br />
Der Genießer schweigt.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 20 mm<br />
Belichtung 1/90 s<br />
Blende<br />
f/5,0<br />
ISO 400<br />
Künstliche Lichtquellen in der Polarnacht<br />
Wenn kein Nordlicht am finnischen Nachthimmel<br />
auszumachen ist, sollte man sinnvollerweise<br />
nach künstlichen Lichtquellen<br />
Ausschau zu halten. Verlassen Sie sich auf<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 35 mm<br />
Belichtung 1,6 s<br />
Blende<br />
f/4,5<br />
ISO 200<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 12 mm<br />
Belichtung 1/80 s<br />
Blende<br />
f/2,8<br />
ISO 100<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 100 mm<br />
Belichtung 6,0 s<br />
Blende<br />
f/4,5<br />
ISO 200<br />
Zeitautomatik mit Blendenvorwahl, Stativ und<br />
lange Verschlusszeiten. Es lohnt sich in jedem<br />
Fall, bis zum Einbruch der Dunkelheit zu fotografieren.<br />
61
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 15 mm<br />
Belichtung 6,0 s<br />
Blende<br />
f/6,3<br />
ISO 400<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 17 mm<br />
Belichtung 1/125 s<br />
Blende<br />
f/6,7<br />
ISO 200<br />
Nachtaufnahme mit Mehrfeldmessung und einer künstlichen Lichtquelle<br />
direkt im rechten Hintergrund.<br />
62<br />
Nachtaufnahme mit Mehrfeldmessung und<br />
einer künstlichen Lichtquelle außerhalb des<br />
linken Hintergrundbereichs.
KAPITEL 1<br />
ADRENALINSCHUB<br />
AM POLARKREIS<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 17 mm<br />
Belichtung 30,0 s<br />
Blende<br />
f/4,0<br />
ISO 100<br />
Das etwas ungewöhnliche Iglu bei Tag im diffusen Licht oder in der Nacht bei Vollmond<br />
aufgenommen. Welche Aufnahme gefällt Ihnen besser?<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 17 mm<br />
Belichtung 20,0 s<br />
Blende<br />
f/4,0<br />
ISO 200<br />
Eine finnische Hütte im Wald, bei Mondschein fotografiert.<br />
63
die Mehrfeldmessung Ihrer Kamera und<br />
fotografieren Sie mit der Zeitautomatik bei<br />
Blendenvorwahl vom Stativ aus mit mittleren<br />
ISO-Empfindlichkeiten. Sollten die Bildergebnisse<br />
in der Belichtung zu hell oder zu<br />
dunkel werden, können Sie mittels der Belichtungskorrekturtaste<br />
schnell und gezielt<br />
eingreifen.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 40 mm<br />
Belichtung 1,5 s<br />
Blende<br />
f/6,3<br />
ISO 400<br />
Schneewesen, Eismonster und Trolle<br />
Finnland ist bekannt für die auf den Bergen<br />
und an den Hängen befindlichen, eisgepanzerten<br />
Fichten, die, von der richtigen<br />
Seite und Perspektive aus betrachtet,<br />
wie Schneewesen , Eismonster oder Trolle<br />
ausschauen können und die Fantasie des<br />
Fotografen immer wieder aufs Neue herausfordern.<br />
Aus der Ferne betrachtet, sehen<br />
die kleinen Eisbäumchen oftmals unscheinbar<br />
aus, und man ist schnell geneigt,<br />
sich wieder abzuwenden. Bitte tun Sie das<br />
auf keinen Fall. Auch wenn der Weg zum<br />
mutmaßlichen Motiv schwer und unsinnig<br />
erscheint, sollten Sie sich keine Chance entgehen<br />
lassen. Der in der Abbildung gezeigte<br />
„Löwe“, der voller Stolz auf sein „Revier“<br />
herabschaut – sehen Sie, wie er sich in die<br />
Brust wirft und tief einatmet?<br />
Das Motiv entpuppte sich erst nach mehrmaligem<br />
Umrunden mit dem Auge und<br />
dem Ausprobieren unterschiedlicher Perspektiven<br />
in seiner vollen Schönheit. Vom<br />
Weg aus war diese schöne Schneefigur<br />
überhaupt nicht erkennbar! Die Aufnahme<br />
erfolgte analog auf Diafilm mit dem Licht<br />
der einsetzenden Dämmerung. Sie können<br />
sich sicherlich vorstellen, wie glücklich ich<br />
war, als ich das perfekt belichtete Dia nach<br />
Wochen endlich in den Händen hielt.<br />
Oben: Der Löwe blickt erhaben auf sein Revier.<br />
Analog aufgenommen auf Diafilm mit der Nikon<br />
F-801.<br />
Unten: Die Monstermutter mit Kind.<br />
64
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 105 mm<br />
Belichtung 1/1000 s<br />
Blende<br />
f/3,2<br />
ISO 200<br />
KAPITEL 1<br />
ADRENALINSCHUB<br />
AM POLARKREIS<br />
Oben: Gockel am Berg?<br />
Unten: Der einsame Reiter.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 200 mm<br />
Belichtung 1/160 s<br />
Blende<br />
f/6,3<br />
ISO 640<br />
65
Mitte: Leider lassen<br />
sich Spuren im Schnee<br />
beim Bau einer Eisskulptur<br />
nicht immer<br />
ganz vermeiden. Mit<br />
etwas Glück sorgt<br />
Neuschnee für die<br />
Beseitigung der störenden<br />
Elemente, oder Sie<br />
versuchen, Schnee mit<br />
der Schaufel aus der<br />
Luft zu streuen.<br />
Mithilfe einer Motorsäge<br />
zugeschnittene<br />
und mit Taschenlampen<br />
und Fackeln<br />
illuminierte Eisblöcke.<br />
Wenn die Eiselemente<br />
an den Außenseiten<br />
mit Wasser besprüht<br />
werden, erscheinen sie<br />
fast durchsichtig.<br />
Eisskulpturen mit der Motorsäge<br />
Eis- und Schneemotive findet der Fotograf<br />
in Finnland in der Regel in großer Fülle, sofern<br />
er sie ausfindig macht. Oftmals sind<br />
eigene Eisobjekte jedoch fotografisch viel<br />
interessanter und bieten mehr kreativen<br />
Spielraum. Gesägt mithilfe einer großen<br />
Motorsäge oder gegossen in vorgefertigte<br />
Eisformen, werden die Eisobjekte auf einem<br />
zugefrorenen See, im Wald oder auf einer<br />
Lichtung aufgestellt. Mit Kerzen, Fackeln<br />
oder Taschenlampen bei Dämmerung oder<br />
Dunkelheit zusätzlich illuminiert, lassen sich<br />
eindrucksvolle Aufnahmen machen. Die<br />
Ergebnisse verschiedener Eisinstallationen,<br />
aufgenommen mit analogen und digitalen<br />
Spiegelreflexkameras, sehen Sie auf den<br />
nachfolgenden Bildern.<br />
Eisskulpturen selbst bauen<br />
Unsere Versuche, Eisblöcke selbst zu gießen,<br />
schlugen aufgrund der schlechten<br />
Qualität des Eises nach mehreren Versuchen<br />
fehl. Außerdem dauerte der Prozess<br />
des Gefrierens einfach zu lange, da der isolierende<br />
Schnee in der selbst gebauten Eisform<br />
den Frost abhielt. Plastikwannen, mit<br />
Wasser gefüllt, eigneten sich leider auch<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 105 mm<br />
Belichtung 10,0 s<br />
Blende<br />
f/8,0<br />
ISO 200<br />
66
KAPITEL 1<br />
ADRENALINSCHUB<br />
AM POLARKREIS<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 18 mm<br />
Belichtung 1/60 s<br />
Blende<br />
f/6,3<br />
ISO 640<br />
nicht. Also sägten wir die Blöcke für das geplante<br />
„Stonehenge-Monument“ direkt aus<br />
dem einen Meter dicken Eis des Kuusamo-<br />
Sees. Mehrere Ketten rissen, und aufgrund<br />
von Vereisungen am Gehäuse blockierte<br />
eine Motorsäge. Mit einem Trecker zogen<br />
wir die Blöcke dann vom Eis an Land. Aufgrund<br />
des hohen spezifischen Gewichts<br />
von Eis und des schwierigen Handlings<br />
hatten wir die Blöcke nicht zu groß dimensioniert.<br />
Mit einer Kantenlänge von ca. 20 x<br />
50 x 80 cm ließen sich die Eisblöcke noch<br />
gut von zwei Personen tragen und ausrichten.<br />
Dann nahmen wir einen Eimer Wasser<br />
und eine Schöpfkelle aus der Sauna, um die<br />
einzelnen Blöcke miteinander mit Wasserspritzern<br />
zu verkleben. Ruck, zuck hatte die<br />
Eisskulptur Stabilität und Halt.<br />
Ich empfehle Ihnen, sich zu jeder Tageszeit<br />
mit dem Objekt fotografisch auseinanderzusetzen<br />
und verschiedene Lichtstimmungen<br />
zu nutzen. Taschenlampen, entweder<br />
einfach in den Schnee gelegt oder am Stativ<br />
mit Klebeband fixiert, oder große Fackellichter<br />
sorgen bei Dämmerung oder Dunkelheit<br />
für eine fast mystische Stimmung<br />
und reizen zum Experimentieren mit Licht<br />
und Schatten. Benutzen Sie in jedem Fall ein<br />
Stativ sowie den Selbstauslöser oder elektrischen<br />
Fernauslöser, um Verwacklungen<br />
zu vermeiden.<br />
Wichtig: Bei Verwendung eines Stativs muss<br />
der Bildstabilisator an der Kamera bzw. am<br />
Objektiv unbedingt ausgeschaltet sein, um<br />
Eigenvibrationen des Systems zu vermeiden.<br />
Empfohlene Kameraeinstellungen: Belichtungsmessung<br />
auf Mehrfeldmessung, automatischer<br />
Weißabgleich, manuelle Blendenvorwahl<br />
(f/5,6 oder f/8,0) und Zeitautomatik<br />
(A, AV).<br />
Fotografieren Sie nach Möglichkeit im RAW-<br />
Format , um ein optimales Bildergebnis zu<br />
bekommen. Schalten Sie das AF-System<br />
67
nach Möglichkeit ab und fokussieren Sie mit<br />
Unterstützung einer Taschenlampe manuell.<br />
Um einen möglichst großen Schärfebereich<br />
zu erhalten, verwende ich überwiegend<br />
Weitwinkelobjektive. Falls Sie auf den Autofokus<br />
nicht verzichten können, empfiehlt es<br />
sich, den AF-Schalter nach erfolgter automatischer<br />
Scharfeinstellung auf den manuellen<br />
Modus zu setzen, damit das System<br />
nicht nachfokussiert. Weitere Techniken und<br />
Möglichkeiten zum Thema Lichtmalerei erfahren<br />
Sie im nächsten Kapitel „Lichtmalerei<br />
– so geht’s!“.<br />
Aufwendige Lichtinstallation im Wald, mit Fackelkerzen von unten<br />
illuminiert.<br />
Kunstwerk aus Holzstangen, Stoff und farbigen Lampen.<br />
Illuminieren mit Fackelkerzen<br />
Mit großen Fackelkerzen lassen sich Lichtinstallationen<br />
mit selbst gegossenen Dreikanteisleisten<br />
ideal illuminieren . Da wir<br />
nicht genügend Eiszapfen zur Verfügung<br />
hatten, produzierten wir mit einfachen Mitteln<br />
selbst welche. Hierzu haben wir einfach<br />
kaltes Wasser in vorbereitete, sehr lange<br />
Hohlformen aus Holz gegossen, die zusätzlich<br />
mit Müllsäcken ausgelegt waren, um die<br />
Leisten nach dem Gefrieren problemlos entnehmen<br />
zu können. Die gefrorenen Leisten<br />
konnten dann mit dem Auto transportiert<br />
und zur entsprechenden Location gebracht<br />
werden. Dann werden die Fackelkerzen vorsichtig<br />
hinter dem Motiv oder direkt davor in<br />
den Schnee gesetzt, und zwar möglichst so,<br />
dass keine verräterischen Spuren im Schnee<br />
den Gesamteindruck des Motivs stören.<br />
Dies war für die Fotogruppen keine leichte<br />
Aufgabe, und wir brauchten oftmals viele<br />
Stunden, bis die Kerzen optimal ausgerichtet<br />
und keine Spuren mehr im Bild zu erkennen<br />
waren.<br />
68<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 105 mm<br />
Belichtung 30 s<br />
Blende<br />
f/5,0<br />
ISO 200
KAPITEL 1<br />
ADRENALINSCHUB<br />
AM POLARKREIS<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 10 mm<br />
Belichtung 5,0 s<br />
Blende<br />
f/20,0<br />
ISO 400<br />
Figur im Vordergrund mit einer Lampe von links angemalt.<br />
Lichtmalerei – so geht’s!<br />
Mit Licht zu malen, hört sich zunächst etwas<br />
ungewöhnlich an, trifft aber den aus<br />
dem Altgriechischen abgeleiteten Begriff<br />
Fotografie auf den Punkt: Mit unterschiedlichen<br />
Taschenlampen – sprich Lichtpinseln<br />
– und verschiedenfarbigen Filtern werden<br />
bestimmte Bereiche des Motivs gezielt hervorgehoben.<br />
Natürlich habe ich diese sehr<br />
kreative Technik des Fotografierens nicht<br />
erfunden, jedoch schon seit 1993, also zu<br />
analogen Zeiten, erfolgreich praktiziert und<br />
immer weiter ausgebaut. Damals war ich<br />
mit einem Diktiergerät ausgestattet, um<br />
meine Erfahrungen für die spätere Bildauswertung<br />
festzuhalten. Das war noch sehr<br />
spannend. Digital kommt man natürlich viel<br />
sicherer und vor allem schneller ans Ziel.<br />
Dafür ist die Spannung dahin.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 25 mm<br />
Belichtung 10,0 s<br />
Blende<br />
f/8,0<br />
ISO 200<br />
Fliegender Tannenzapfen.<br />
69
In den letzten 10 bis 15 Jahren habe ich die<br />
Technik des Lichtmalens in vielen Seminaren,<br />
Fotoreisen und Schüler-Workshops<br />
weitergegeben und folgende Feststellung<br />
gemacht: Es entwickeln sich in jeder<br />
Gruppe neue Ideen und Maltechniken, die<br />
der Lichtmalerei neue Impulse geben und<br />
sie somit nicht langweilig werden lassen.<br />
Nachfolgend möchte ich Sie nun zumindest<br />
theoretisch auf Ihren Einstieg in eine mystische<br />
Welt vorbereiten.<br />
Gute Ergebnisse bei völliger Dunkelheit<br />
Sie brauchen für die Lichtmalerei eine DSLR-<br />
Kamera mit geringem Rauschverhalten, ein<br />
Weitwinkelzoom, ein stabiles Stativ sowie<br />
einen elektrischen Funkauslöser. Der Fotograf<br />
selbst steckt in dunkler Kleidung und<br />
hat in seiner Zubehörtasche verschiedene<br />
Taschenlampen, Farbfilterfolien, eine Kopflampe<br />
und natürlich – nicht zu vergessen –<br />
einen voll aufgeladenen Ersatzakku. Für alles<br />
andere sorgt ganz allein nur Ihre Kreativität!<br />
Schon mit den unten gezeigten Einstellungen<br />
lassen sich bei völliger Dunkelheit sehr<br />
schnell gute Ergebnisse erzielen, da keine<br />
zusätzlichen Lichtquellen vom Hauptmotiv<br />
ablenken oder dafür verantwortlich sind,<br />
dass Sie selbst auf dem Bild schemenhaft<br />
als Lichtmaler zu erkennen sind. Natürlich<br />
lassen sich mit etwas Erfahrung auch reizvolle<br />
Aufnahmen unter gezielter Berücksichtigung<br />
des vorhandenen Lichts erstellen.<br />
Hierbei sollten Sie jedoch bedenken,<br />
dass der ISO-Wert sowie die eingestellte<br />
Blende und die Belichtungszeit primär auf<br />
das Umgebungslicht abgestimmt werden<br />
müssen. Im ungünstigsten Fall haben Sie<br />
bei zu kurzen Verschlusszeiten nur eingeschränkte<br />
Möglichkeiten der Lichtmalerei.<br />
Nach meinen Erfahrungen eignet sich eine<br />
Verschlusszeit von 30 Sekunden für die<br />
Umsetzung der meisten Motive und Bildideen<br />
sehr gut. Vorteil: Man beschränkt<br />
sich auf das Wesentliche, und die Bilder<br />
werden nicht übermalt. Größere Motive<br />
können auch in der Gruppe, das heißt mit<br />
mehreren Personen gleichzeitig oder nacheinander,<br />
gemalt werden. Leider sind nicht<br />
alle am Markt befindlichen Digitalkameras<br />
für die Lichtmalerei geeignet, da das Rauschen<br />
im Langzeitbereich selbst bei niedrigen<br />
ISO-Einstellungen nicht akzeptabel ist.<br />
Sie können jedoch versuchsweise die kameraseitige<br />
Rauschunterdrückung aktivieren,<br />
um zu besseren Ergebnissen zu kommen.<br />
Nachteil: Die Kamera rechnet häufig doppelt<br />
so lange, bis das Bild endlich im Display<br />
zu beurteilen ist, und Sie können keinen Einfluss<br />
auf die kamerainterne Bearbeitung der<br />
Datei nehmen. Schalten Sie die Noise Reduction<br />
daher besser ab und bearbeiten Sie<br />
die Aufnahmen später am Rechner selektiv.<br />
Empfohlene Kameraeinstellungen:<br />
• Prüfen Sie zu Beginn das eingestellte<br />
Bilddateiformat: am besten RAW und<br />
JPEG parallel abspeichern.<br />
• Danach stellen Sie den Weißabgleich<br />
Ihrer Kamera auf Automatik, er kann<br />
aber je nach gewünschtem Effekt auch<br />
manuell vorgenommen werden.<br />
• Als Belichtungsmessart können Sie<br />
jede der bereits weiter oben im Abschnitt<br />
„Abstecher in die Belichtungsmessung“<br />
beschriebenen Messmethoden<br />
einsetzen.<br />
• Die Lichtempfindlichkeit sollte einen<br />
Wert von maximal ISO 200 nicht überschreiten.<br />
• Die Belichtungssteuerung stellen Sie<br />
auf den Modus M (manuell), die Blende<br />
auf f/5,6 oder f/8,0 (in Abhängigkeit<br />
vom Aufnahmeabstand zum Motiv),<br />
70
KAPITEL 1<br />
ADRENALINSCHUB<br />
AM POLARKREIS<br />
und als Verschlusszeit stellen Sie 30<br />
Sekunden ein.<br />
• Denken Sie unbedingt daran, das eingebaute<br />
Blitzgerät, den Autofokus und<br />
den Bildstabilisator zu deaktivieren.<br />
Intensität des Lichtpinsels variieren:<br />
• Verringern Sie den Abstand zum Motiv.<br />
• Setzen Sie eine stärkere Lampe ein.<br />
• Bündeln Sie den Lichtstrahl der Lichtquelle<br />
stärker und leuchten Sie länger.<br />
• Öffnen Sie die Blende um einen Wert<br />
und erhöhen Sie den ISO-Wert um eine<br />
Stufe.<br />
Originelle Ideen sind das A und O<br />
Wie in der klassischen Fotografie, so gilt<br />
auch in der Lichtmalerei: Ohne eine originelle<br />
Idee kommt man selten zu eindrucksvollen<br />
Ergebnissen. Trotzdem sollte man sich<br />
den Kopf nicht allzu sehr zerbrechen und<br />
ruhig mal drauflosmalen. Viele meiner Teilnehmer<br />
haben in Lichtmalerei-Workshops<br />
auf diese Weise interessante Kunstwerke<br />
geschaffen. Dennoch: Der Grat zwischen<br />
Kitsch und Kunst ist schmal, und nicht jedem<br />
Betrachter gefallen diese außergewöhnlichen<br />
Bilder. Seien Sie also nicht enttäuscht,<br />
wenn Ihre mühsam gemalten Kunstwerke<br />
nicht auf die erhoffte Zustimmung stoßen.<br />
Hier der Kopf eines<br />
Mädchens von oben.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 12 mm<br />
Belichtung 15 s<br />
Blende<br />
f/5,6<br />
ISO 200<br />
71
Ich habe mir beim Versuch, einen weiblichen<br />
Akt zu malen, gehörig die Finger verbrannt:<br />
Es ist auch für einen erfahrenen<br />
Lichtmaler nicht ganz einfach, den Lichtpinsel<br />
im dunklen Raum exakt an den Konturen<br />
eines weiblichen Körpers entlangzuführen.<br />
Resultat: Der Po meines Modells bekam<br />
eine Delle, und die Brust wirkte etwas unförmig.<br />
Mein Versuch, dieses Werk als kreative<br />
Kunst darzustellen, scheiterte kläglich.<br />
Seitdem suche ich mir lieber „stille“ Objekte<br />
und bleibe dem klassischen Porträt treu.<br />
Auf dem Weg zum ersten Lichtbild<br />
Sie haben noch immer keine Idee? Keine<br />
Sorge! Ganz normale Objekte des täglichen<br />
Bedarfs, zum Beispiel ein Haartrockner<br />
oder eine leuchtende Glühbirne, bekommen<br />
mithilfe der Lichtmalerei eine nahezu<br />
mystische Anmutung. Am besten suchen<br />
Sie sich zum Üben einen dunklen Kellerraum<br />
mit ausreichend Platz für das Objekt<br />
zur Rückwand, damit keine Schatten den<br />
Bildeindruck negativ beeinflussen. Platzie-<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 14 mm<br />
Belichtung 30 s<br />
Blende<br />
f/5,6<br />
ISO 200<br />
Leuchtende Glühbirne – eine der letzten ihrer Art.<br />
72
KAPITEL 1<br />
ADRENALINSCHUB<br />
AM POLARKREIS<br />
ren Sie das Objekt auf einem Stuhl und versuchen<br />
Sie, sich in Gedanken vorzustellen,<br />
welche Bereiche Sie gezielt mit dem Lichtpinsel<br />
hervorheben möchten und welche im<br />
Dunkeln verschwinden sollen. Das ist nicht<br />
ganz einfach und verlangt viel Vorstellungskraft.<br />
• Stellen Sie manuell auf das Objekt<br />
scharf und nehmen Sie die oben aufgeführten<br />
Einstellungen an der Kamera<br />
vor. Nehmen Sie die Lampe bzw. den<br />
Lichtpinsel in die Hand und schalten Sie<br />
das Licht aus. Jetzt aktivieren Sie den<br />
Selbstauslöser der Kamera mit 12 Sekunden<br />
Vorlaufzeit und gehen auf Tuchfühlung<br />
zu Ihrem Motiv. Der Verschluss<br />
der Kamera öffnet sich jetzt für 30 Sekunden,<br />
und los geht’s.<br />
• Führen Sie die Taschenlampe langsam<br />
und gleichmäßig in einem Abstand von<br />
zwei bis drei Fingern am Motiv entlang.<br />
Achten Sie unbedingt darauf, dass Sie<br />
sich nicht mit dem Rücken vor die Kamera<br />
stellen und das Motiv abdecken.<br />
Am besten ist eine wechselnde, seitliche<br />
Position zum Objekt, um zu vermeiden,<br />
dass Sie später in der Aufnahme<br />
schemenhaft zu erkennen sind.<br />
• Halten Sie die Taschenlampe von der<br />
Kamera weg in Richtung Motiv, um<br />
Streifenbildung im Bild zu vermeiden.<br />
Wenn Sie die Konturen jedoch betonen<br />
möchten, sollten Sie die Lampe direkt<br />
vom Motiv in Richtung Kamera führen.<br />
Farbfilterfolien erzeugen spannende<br />
Effekte und geben Ihrem Motiv den<br />
letzten Schliff. Setzen Sie diesen Effekt<br />
jedoch sehr sparsam ein. Verschiedene<br />
Lichtquellen mit unterschiedlichen Farbtemperaturen<br />
und Leuchtwinkeln können<br />
je nach Größe und Beschaffenheit<br />
des Objekts auch Konturen hervorheben<br />
oder Flächen zum Strahlen bringen.<br />
• Versuchen Sie immer, gleichmäßige<br />
und nicht zu hektische Bewegungsabläufe<br />
durchzuführen, um die Aufnahme<br />
gegebenenfalls wiederholen bzw. später<br />
noch reproduzieren zu können. Hierbei<br />
werden anfangs die meisten Fehler gemacht.<br />
Arbeiten Sie sich mit dem Lichtpinsel<br />
systematisch an das Motiv heran<br />
und seien Sie nicht enttäuscht, wenn es<br />
auf Anhieb nicht perfekt klappt.<br />
Mit etwas Übung und Geduld werden Sie<br />
mit außergewöhnlichen Ergebnissen belohnt.<br />
Nach meinen Erfahrungen benötigen<br />
Sie eine zeitliche Anlaufphase von ca. zwei<br />
bis vier Stunden, um zu den ersten vorzeigbaren<br />
Ergebnissen zu kommen.<br />
Sind Sie fit? Dann können Sie sich jetzt<br />
warm anziehen und Ihre neu erlernten Fertigkeiten<br />
endlich im Freien ausprobieren. Ob<br />
Eisskulpturen im Schnee, Bäume oder Holzstapel<br />
– alles lässt sich mit etwas Übung und<br />
Erfahrung kreativ und effektvoll bemalen.<br />
BLEIBEN SIE UNSICHTBAR<br />
Wenn Sie bei Dunkelheit oder<br />
Dämmerung im Schnee ein Eisobjekt<br />
anmalen, kann es schnell passieren,<br />
dass Sie selbst im Bild als schwache<br />
Silhouette sichtbar sind. Das stört<br />
den Gesamteindruck und entzaubert<br />
die Aufnahme. Daher gilt:<br />
immer schön in Bewegung und somit<br />
unsichtbar bleiben oder später in<br />
der Bildbearbeitung die Aufnahme<br />
retuschieren.<br />
73
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 13 mm<br />
Belichtung 1/10 s<br />
Blende<br />
f/5,0<br />
ISO 400<br />
Ein von der Last von Eis und Schnee gebogener Baum – mit großer<br />
Taschenlampe von rechts kommend angemalt.<br />
Die Krux mit dem Nordlicht<br />
Die Frage „Bekommen wir ein Nordlicht<br />
zu sehen?“ wurde mir auf jeder Fotoreise<br />
nach Lappland gestellt. Mir war durchaus<br />
klar, dass die Erwartungen der Teilnehmer<br />
hoch waren – immerhin hatte ich im Vorfeld<br />
schon meine Aufnahmen gezeigt – und<br />
ich bei der Formulierung meiner Antwort<br />
eher zurückhaltend sein musste. Nichts ist<br />
schlimmer, als eine Nordlichtgarantie zu<br />
geben und dann nach zwei Wochen mit<br />
enttäuschten Gesichtern in Richtung Heimat<br />
zu fahren, weil das versprochene Himmelsschauspiel<br />
nicht zu sehen war. Da die<br />
Wahrscheinlichkeit jedoch im Winter recht<br />
hoch ist und die Anforderungen an den<br />
Fotografen und die Kamera nicht geringer<br />
sind, möchte ich dem Thema in diesem Kapitel<br />
eine ausführlichere Beachtung schenken.<br />
Hoffentlich ganz in Ihrem Sinne, oder?<br />
74
KAPITEL 1<br />
ADRENALINSCHUB<br />
AM POLARKREIS<br />
Was ist das Nordlicht?<br />
Das Nordlicht oder, exakter ausgedrückt,<br />
Polarlicht, die Morgendämmerung des Nordens,<br />
ist eine Licht- und Farberscheinung,<br />
die beim Auftreffen geladener Teilchen<br />
des Sonnenwinds auf die Erdatmosphäre<br />
in den Polargebieten der Erde entsteht.<br />
Die ersten Schilderungen des Nordlichts<br />
wurden übrigens durch den norwegischen<br />
Polarforscher Fridtjof Nansen (1861–1930)<br />
mit Worten und Farbstiften zu Papier gebracht.<br />
Die Zone der maximalen Häufigkeit<br />
verläuft durch Nordnorwegen (Tromsö),<br />
Nordkanada (Hudson Bay), Nordalaska<br />
und die Meeres- und Eisflächen nördlich<br />
des russischen Kontinents. Die Häufigkeit<br />
von Nordlichtern in den mittleren Breiten<br />
(Mitteleuropa) hängt von der Sonnenaktivität<br />
ab. Die Sonne durchläuft einen Aktivitätszyklus<br />
(Sonnenfleckenzyklus), der im<br />
Nordlicht über Kuusamo.<br />
Analog aufgenommen<br />
mit der Nikon F-801 auf<br />
Diafilm.<br />
75
Durchschnitt elf Jahre andauert. Mit diesem<br />
Zyklus schwankt auch die Häufigkeit<br />
und Stärke von Nordlichtern.<br />
Woher kommen die Farben?<br />
Nordlichter sind ständig in Bewegung, ändern<br />
fortlaufend ihre Intensität – bedingt<br />
durch die Geschwindigkeit der ankommenden<br />
Partikel von der Sonne – und können<br />
verschiedenfarbig am Himmel zu sehen<br />
sein. Blauviolettes und rotes Licht entstehen<br />
durch angeregte Stickstoffatome, die<br />
in gut 100 km Höhe in der Ionosphäre vorkommen.<br />
Hierbei sind jedoch sehr hohe<br />
Energiemengen notwendig, und so lassen<br />
sich diese Farben nur bei starken Sonnenwinden<br />
beobachten. In einer Höhe von 100<br />
bis 240 km ist die grüne Sauerstofflinie am<br />
stärksten, und über 240 km Höhe erscheinen<br />
rote Sauerstofflinien. Da der Sonnenwind<br />
außerhalb der Polarregionen nur selten<br />
tief in die Atmosphäre eindringen kann,<br />
sind Polarlichter in Europa meistens rot am<br />
Himmel sichtbar.<br />
Wann kommt es denn?<br />
Jeder Mensch, der die Morgendämmerung<br />
des Nordens schon einmal live am Himmel<br />
gesehen hat, wird schnell in ihren Bann gezogen.<br />
Doch zunächst will das Nordlicht<br />
auch am Himmel entdeckt werden.<br />
Unter www.meteoros.de/polar/polwarn.htm<br />
erfahren Sie, wie sich die Aktivität in den<br />
letzten Stunden entwickelt hat, wie stark<br />
die Sonnenwinde sind und wie sich das<br />
Nordlicht über dem Polargebiet verteilt bzw.<br />
verteilen wird. Die Intensität des Lichts wird<br />
mit einem K-Wert angegeben. Bei einem<br />
K-Wert ab 4 ist es im Norden bereits sichtbar,<br />
und bei hohen K-Werten (ab K 6) ist die<br />
Wahrscheinlichkeit groß, auch ein Nordlicht<br />
in Deutschland sehen zu können.<br />
Die Aurora Borealis ist auf Anhieb gar nicht<br />
so einfach zu entdecken. Mit etwas Glück<br />
erkennt man sie bereits in der einsetzenden<br />
Dämmerung zur berühmten blauen<br />
Stunde Finnlands. Jetzt ist die Wirkung besonders<br />
schön und ausgeprägt, vor allem<br />
wenn am Horizont noch der Lichtbogen der<br />
zuvor untergegangenen Sonne zu sehen<br />
ist – Gänsehaut-Feeling garantiert. Nach<br />
meiner Erfahrung spielt sich das spektakuläre<br />
Lichtschauspiel am Himmel mit großer<br />
Wahrscheinlichkeit am dunklen, wolkenfreien<br />
Nachthimmel ab.<br />
Gehen Sie daher nach Einbruch der Dunkelheit<br />
im Stundentakt, besser Halbstundentakt,<br />
nach draußen und beobachten Sie den<br />
Himmel sehr genau. Wir hatten in unserer<br />
Fotoreisegruppe freiwillige „Nordlichtwachen“<br />
aufgestellt, die, gut versorgt mit heißem<br />
Tee, den Himmel beobachteten und<br />
stündlich abgelöst wurden, damit wir den<br />
entscheidenden Moment nicht verschliefen.<br />
Auch wenn es noch so schön warm<br />
und gemütlich vor dem Ofen in der Hütte<br />
ist: Sitzt man im Inneren eines Raums, sind<br />
die Lichter am Himmel nicht zu erkennen,<br />
da das Auge aufgrund der Innenbeleuchtung<br />
adaptieren muss und sich bei einem<br />
flüchtigen Blick aus dem Fenster nicht so<br />
schnell an die Dunkelheit anpassen kann.<br />
Gleiches gilt, wenn Sie vom hellen Raum in<br />
die Dunkelheit gehen.<br />
Gönnen Sie sich ein paar Minuten Zeit, bis<br />
sich die Augen an die dunkle Umgebung<br />
gewöhnt haben und die Empfindlichkeit wieder<br />
zugenommen hat. Erschwerend kommt<br />
hinzu, dass unser menschliches Auge in der<br />
Dunkelheit nur über eine reduzierte Schwarz-<br />
Weiß-Wahrnehmung verfügt. Man braucht<br />
in jedem Fall etwas Übung und Erfahrung,<br />
um die ersten Anzeichen eines Nordlichts auf<br />
Anhieb sicher zu erkennen. Ich erinnere mich<br />
76
KAPITEL 1<br />
ADRENALINSCHUB<br />
AM POLARKREIS<br />
an einen nächtlichen Fehlalarm, hervorgerufen<br />
durch den Abgasstrahl eines Flugzeugs<br />
am Nachthimmel.<br />
Vermeiden Sie es, bei Ihren externen Erkundungen<br />
nur kurzzeitig ins Helle zu gehen<br />
bzw. in eine helle Lichtquelle zu schauen.<br />
Sonst ist die Dunkeladaption Ihrer Augen<br />
für einige wertvolle und vielleicht entscheidende<br />
Minuten außer Kraft gesetzt.<br />
Tipp: Ideal für den Außenbereich sind nicht<br />
die weißen, sondern die roten LED-Lampen,<br />
da das rote Licht keine Blendwirkung<br />
hat und ein Adaptieren der Augen somit<br />
nicht erforderlich ist.<br />
Auf den Standort kommt es an<br />
Der richtige Standort muss fotografisch ideal<br />
sein, das heißt, Sie brauchen Platz! Viele<br />
meiner Aufnahmen vom Nordlicht sind auf<br />
dem zugefrorenen Kuusamo Järvi entstanden,<br />
der den Himmel ungestört von Bäumen<br />
und Sträuchern freigab und auch der<br />
Fotogruppe genügend Raum zum Arbeiten<br />
bot. Sie sollten den idealen Aufnahmeort<br />
unbedingt vorher, bei Tageslicht, erkunden.<br />
• Ist der Weg dorthin auch im Dunkeln<br />
gut erreichbar und begehbar?<br />
• Gibt es einen Parkplatz in der Nähe, und<br />
wie viel Zeit muss bis zum Aufnahmeort<br />
eingeplant werden?<br />
• Noch wichtiger ist die Einschätzung des<br />
vorhandenen Störlichts. Falls sich in<br />
der Ferne ein Ort oder ein illuminiertes<br />
Gebäude bzw. Gelände in unmittelbarer<br />
Nähe befindet, wird der Effekt des<br />
Nordlichts abgeschwächt oder ist überhaupt<br />
nicht sichtbar. Was tun?<br />
Nordlicht über dem<br />
Kuusamo-See. Im<br />
Vordergrund befindet<br />
sich das „Stonehenge-<br />
Eismonument“. Analog<br />
aufgenommen mit<br />
der Nikon F-801 auf<br />
Diafilm.<br />
77
Bei vielen Nordlichtaufnahmen<br />
habe ich zusätzlich im<br />
Vordergrund mit illuminierten<br />
Eisobjekten gearbeitet,<br />
um mehr Spannung und<br />
Tiefe zu bekommen. Hier<br />
wurden sowohl starke<br />
Taschenlampen als auch<br />
Fackelkerzen eingesetzt, um<br />
das Motiv zu beleuchten.<br />
Probieren Sie es einfach einmal<br />
aus. Analog aufgenommen<br />
mit der Nikon F-801<br />
auf Diafilm.<br />
78<br />
Fotografieren Sie bei Dunkelheit testweise<br />
den Nachthimmel und beurteilen Sie dann,<br />
wie stark sich der Einfluss von Fremdlichtquellen<br />
auf das Bildergebnis auswirkt. Im<br />
Zweifel ändern Sie zunächst die Aufnahmerichtung,<br />
verwenden eine kürzere Brennweite<br />
mit einem kleineren Bildwinkel oder<br />
suchen sich einen anderen Aufnahmeort.<br />
Finnland bietet ausreichend Platz und Möglichkeiten.<br />
Vorbereitung ist alles<br />
Stellen Sie sich vorweg auf eine lange und<br />
vor allem kalte Nacht ein, wenn Sie sich auf<br />
die fotografische Jagd nach der Aurora Borealis<br />
begeben! Wenn Ihre Hütte an einem<br />
fotografisch idealen Ort liegt, haben Sie<br />
großes Glück und können sich zwischendurch<br />
aufwärmen und mit dem Nötigsten<br />
versorgen. Sind Sie mit dem Auto unterwegs,<br />
tanken Sie das Fahrzeug vorher voll,<br />
da der Motor im Stand – um den Innenraum<br />
warm zu halten – deutlich mehr Kraftstoff<br />
verbraucht. Warme Kleidung mit Kopfbedeckung<br />
und Gesichtsmaske sowie ein zweites<br />
Paar Stiefel und Ersatzhandschuhe gehören<br />
zur Grundausstattung des Nordlichtfotografen.<br />
Setzen Sie die Kamera in der Hütte oder im<br />
Auto einsatzbereit auf ein Stativ, nehmen<br />
Sie den Akku aus der Kamera heraus und<br />
bewahren Sie ihn an einem warmen Ort am<br />
Körper auf. So bewahrt die Energiequelle<br />
in der Kälte deutlich länger ihre Kapazität.<br />
Alternativ können Sie den Akku auch auf<br />
ein aktiviertes Gelpad in die Kameratasche<br />
legen. Falls Sie einen zweiten Akku bei sich<br />
tragen, umso besser. Vergessen Sie nicht<br />
die Thermoskanne mit heißem, alkoholfreiem<br />
Tee oder Kaffee und die Energierie-
KAPITEL 1<br />
ADRENALINSCHUB<br />
AM POLARKREIS<br />
gel für die Hungeranfälle zwischendurch.<br />
Ein Taschenofen oder wärmende Gelpads<br />
sorgen für warme Hände und halten die<br />
Kameratasche auf Temperaturen über dem<br />
Gefrierpunkt.<br />
Material, das mitmuss:<br />
• Ein schweres bzw. stabiles Stativ mit<br />
Schaumstoffummantelung sowie eine<br />
beleuchtete LED-Libelle für die waagerechte<br />
Ausrichtung der Kamera.<br />
• Ein elektrischer Fernauslöser mit Kabel<br />
oder besser per Funk.<br />
• Zwei Kameraakkus plus Ladegerät oder,<br />
noch besser, ein externes Batterieteil<br />
für die Kamera mit Kabelverbindung<br />
sowie ein 220-Volt-Umspanntrafo für<br />
das Auto.<br />
• Ein Kamerareinigungsset (Sensorreinigung)<br />
und ein Objektivreinigungstuch.<br />
• Die Kamera ohne Trageriemen mit lichtstarkem<br />
Weitwinkelzoom oder Weitwinkelfestbrennweite.<br />
• Robuste Speichermedien mit einer Kapazität<br />
von 2 bis 4 GByte.<br />
• Ein mobiler Datenspeicher oder Laptop.<br />
• Gefütterte Kameratasche, wärmende<br />
Gelpads oder Taschenofen.<br />
• LED-Kopflampe (optional mit roter Filterfolie)<br />
für den Weg zum Aufnahmeort.<br />
• Kleine LED-Lampe mit rotem Licht für<br />
die Kontrolle der Kameraeinstellungen<br />
vor Ort.<br />
• Starke Taschenlampen für die zusätzliche<br />
Beleuchtung von Objekten im Vordergrund.<br />
• Beleuchtete LCD-Uhr mit Timerfunktion<br />
im Bulb-Modus.<br />
• Folie oder dünne Isomatte zum Unterlegen<br />
für die Schuhe oder Knie bei Nässe<br />
oder extremer Kälte.<br />
• Zweithandy mit finnischer Telefonkarte<br />
zwecks Lageaustausch untereinander.<br />
Relevante Kameraeinstellung en detail<br />
Bitte nehmen Sie alle hier aufgeführten relevanten<br />
Kameraeinstellungen vor, bevor<br />
Sie sich in Kälte und Dunkelheit begeben!<br />
RAW oder JPEG?<br />
Um für alle Fälle gewappnet zu sein, sollten<br />
Sie parallel im RAW- und JPEG-Format fotografieren.<br />
Oftmals ist eine spätere Bearbeitung<br />
der Dateien mittels Bildbearbeitung<br />
notwendig – um z. B. das Rauschen zu entfernen<br />
oder Tonwerte und Farben zu korrigieren.<br />
Hierfür eignet sich das verlustbehaftete<br />
und bereits von der Kamerasoftware<br />
„entwickelte“ JPEG-Format nur in sehr begrenztem<br />
Umfang. Bei der Komprimierung<br />
wird das Bild in 8 x 8 Pixel große Blöcke unterteilt,<br />
in denen die Farb- und Helligkeitsinformationen<br />
je nach Komprimierungsstufe<br />
mehr oder weniger stark zusammengefasst<br />
werden. Wird ein Bild zu stark komprimiert<br />
oder zu stark vergrößert, werden sogenannte<br />
Blockartefakte sichtbar. Diese werden oft<br />
auch als JPEG-Artefakte bezeichnet.<br />
Im kameraspezifischen RAW-Format hingegen<br />
stehen Ihnen alle Türen der späteren<br />
Bearbeitung und Optimierung der „rohen“<br />
Bilddaten offen. Tipp: Alternativ können Sie<br />
die RAW-Daten auch im Automatikmodus<br />
des Konverters entwickeln und dann als<br />
JPEG-Datei abspeichern. Häufig sehen die<br />
Ergebnisse dann im Vergleich zu den generierten<br />
JPEG-Dateien aus der Kamera deutlich<br />
besser aus.<br />
79
Auch eine Variante:<br />
Nordlicht mit Hütte<br />
im Vordergrund, die<br />
mit Taschenlampen<br />
und rotem Farbfilter<br />
zusätzlich angemalt<br />
wurde.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 42 mm<br />
Belichtung 18 s<br />
Blende<br />
f/4,0<br />
ISO 400<br />
Grundlegende Kameraparameter<br />
Wenn Sie von vornherein nur im JPEG-Format<br />
fotografieren möchten, sollten Sie, um<br />
optimale Ergebnisse zu erzielen, die Aufnahmeparameter<br />
Ihrer Kamera sehr explizit<br />
vorgeben. Wählen Sie zunächst die höchste<br />
physikalische Auflösung der Kamera und<br />
den niedrigsten Komprimierungsfaktor (z. B.<br />
„L“ und „fein“), um die Qualitätseinbußen<br />
möglichst gering zu halten.<br />
Die Kameramenüparameter Kontrast, Helligkeit,<br />
Farbsättigung und der richtige „Filmstil“<br />
(z. B. Standard, Landschaft, Schwarz-Weiß<br />
etc.) sollten, je nach Kameratyp, eher neutral<br />
eingestellt werden. Testen Sie die Wirkung<br />
dieser Parameter am besten vorher anhand<br />
von Aufnahmen bei Dunkelheit mit künstlichen<br />
Lichtquellen – z. B. einer beleuchteten<br />
Stadt im Hintergrund –, um deren Einfluss auf<br />
das Bildergebnis zu kennen. Arbeiten Sie nur<br />
im größeren Adobe RGB-Farbraum, um einen<br />
möglichst großen Tonwertumfang darstellen<br />
zu können und eine verlustbehaftete Konvertierung<br />
der Farben in der anschließenden<br />
Bildbearbeitung zu vermeiden.<br />
Viele DSLR-Kameras verfügen über eine<br />
optionale interne Rauschunterdrückung.<br />
Diese sollten Sie deaktivieren, denn leuchtende<br />
Sterne am Himmel könnten von der<br />
Software der Kamera als störendes Rauschen<br />
gedeutet und aus dem Bild gerechnet<br />
werden. Zudem nimmt das Verarbeiten der<br />
Bilder genauso viel Zeit in Anspruch wie die<br />
Belichtungszeit der Aufnahme. Das ist lästig,<br />
zumal man Gefahr läuft, den richtigen<br />
Augenblick on Location zu verpassen.<br />
80
KAPITEL 1<br />
ADRENALINSCHUB<br />
AM POLARKREIS<br />
Der hundertprozentige Weißabgleich und<br />
der korrekte ISO-Wert spielen im RAW-<br />
Format im Grunde genommen keine große<br />
Rolle, da diese Parameter in der späteren<br />
Bearbeitung im Konverter noch verändert<br />
werden können. Für die JPEG-Fotografen<br />
gilt: Stellen Sie den Weißabgleich zunächst<br />
auf AWB (Automatic White Balance) und<br />
beurteilen Sie die Wirkung auf dem Display.<br />
Sollten die Farben total danebenliegen,<br />
können Sie im Menü Ihrer Kamera<br />
eine Korrektur der Farbtemperatur in Kelvin-Schritten<br />
(K) vorgeben. Ich habe mich<br />
bisher gut auf den automatischen Weißabgleich<br />
meiner Kameras verlassen können<br />
und Korrekturen, auch im JPEG-Dateiformat,<br />
in der späteren Bildbearbeitung (globale<br />
Farbkorrektur) vorgenommen.<br />
Wählen Sie einen maximalen ISO-Wert von<br />
ISO 400 vor, wenn Sie im JPEG-Format fotografieren,<br />
um das Rauschen möglichst<br />
gering zu halten und einen großen Dynamikumfang<br />
nutzen zu können. Schalten Sie<br />
den Autofokus am Objektiv oder an der<br />
Kamera aus und deaktivieren Sie auch das<br />
„Antiverwacklungssystem“, um Unschärfen<br />
bei der Verwendung am Stativ zu vermeiden.<br />
Fokussieren Sie die Entfernung manuell<br />
am Objektiv. Bei Weitwinkelobjektiven verfügen<br />
Sie auch bei offener Blende über einen<br />
ausreichend großen Schärfebereich, sodass<br />
kleinere Abweichungen beim Fokussieren<br />
kompensiert werden.<br />
DSLR-Kameras mit optionaler Live-View-<br />
Funktion erlauben es, den Bildausschnitt,<br />
Belichtung, Weißabgleich und die Fokussierung<br />
live über das LC-Display der Kamera<br />
einzustellen. Feine Sache. Aber nicht für<br />
die Nordlichtfotografie geeignet, da energiefressend,<br />
zeitaufwendig und blendend<br />
– also: ausschalten.<br />
Automatische Belichtungszeit<br />
Die automatische Belichtungszeiteinstellung<br />
in den Modi Programm- und Zeitautomatik<br />
erstreckt sich im Langzeitbereich<br />
bei DSLR-Kameras bis zu maximal 30 Sekunden.<br />
Die Automatik Ihrer Kamera ist<br />
jedoch nur bedingt für Nordlichtsituationen<br />
geeignet, daher ist die manuelle Einstellung<br />
von Verschlusszeit und Blende im Modus<br />
Manuell oder Bulb mit Unterstützung einer<br />
separaten Uhr zu empfehlen.<br />
Aktivieren Sie für die Ermittlung der richtigen<br />
Belichtungszeit die Mehrfeld- oder Matrixmessung<br />
und nehmen Sie gegebenenfalls<br />
DAS PROBLEM<br />
DER ERD ROTATION<br />
Ein weiteres Problem stellt die Erdrotation<br />
dar, die ab einer bestimmten<br />
Verschlusszeit und Brennweite sowie<br />
aufgrund weiterer Faktoren dafür<br />
sorgt, dass die Sterne am Nachthimmel<br />
als längliche Striche auf dem Bild<br />
zu erkennen sind. Praxistests zeigen,<br />
dass mit einem APS-C-Sensor und<br />
einem Fisheye-Objektiv noch scharfe<br />
Aufnahmen bis 20 Sekunden gemacht<br />
werden können. Die Berechnung der<br />
maximalen Belichtung, die für eine<br />
noch scharfe Abbildung von Sternen<br />
sorgt, können Sie im Internet unter<br />
www.berndmargotte.com/technical/<br />
startrails_de.html nachlesen. Im Zweifel<br />
hilft nur, zu experimentieren und<br />
Erfahrungen mit der optimalen Belichtungszeit<br />
zu sammeln. Tipp: Vergrößern<br />
Sie das Bild beim Betrachten im<br />
Display mit der Lupenfunktion, damit<br />
Sie die Bewegung der Sterne und die<br />
daraus resultierenden Unschärfen<br />
besser beurteilen können.<br />
81
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 15 mm<br />
Belichtung 20 s<br />
Blende<br />
f/4,0<br />
ISO 800<br />
82
KAPITEL 1<br />
ADRENALINSCHUB<br />
AM POLARKREIS<br />
eine Belichtungskorrektur mit der Taste +/–<br />
von –2/3 EV bis –1 EV (1 EV, engl. Exposure<br />
Value = Lichtwert, entspricht einer Blendenoder<br />
Zeitstufe) vor, um die Aufnahme etwas<br />
dunkler zu belichten.<br />
Obwohl die Mehrfeldmessung die Nachtsituation<br />
erkennen müsste, kann es aufgrund<br />
des sich in der Intensität ändernden Nordlichts<br />
und des hellen Schnees in der Umgebung<br />
vorkommen, dass die Belichtung abweicht.<br />
Zu analogen Zeiten musste ich mich<br />
voll und ganz auf meine Erfahrungen verlassen<br />
und „mit der Hand“ anmessen. Das<br />
war sehr aufregend und manchmal auch<br />
ernüchternd, wenn man später die Aufnahmen<br />
gesichtet hatte. Digitalfotografen sind<br />
da klar im Vorteil.<br />
Wählen Sie eine möglichst große Blende<br />
vor und pegeln Sie mit der Verschlusszeit<br />
die Belichtung so aus, dass noch ausreichend<br />
Zeichnung in Lichtern und Schatten<br />
besteht (Histogramm beachten) und<br />
der Charakter einer Nachtaufnahme nicht<br />
verloren geht. Tipp: Automatische Belichtungsreihen<br />
helfen Ihnen schnell dabei und<br />
sparen in Verbindung mit einer schnellen<br />
Bildfrequenz viel Zeit. Das lästige Fummeln<br />
am Einstellrädchen für die Blende entfällt.<br />
Belichtet wird zwischen 5 und 20 Sekunden<br />
bei ISO 400, abhängig von der Lichtstärke<br />
des Objektivs sowie der vorgewählten Blende<br />
und der Intensität des Nordlichts.<br />
Grünliches Nordlicht<br />
über dem Kuusamo-<br />
See. Im Vordergrund<br />
ist das beleuchtete<br />
Eisobjekt „Das Ding“<br />
zu sehen.<br />
Selbstauslöser aktivieren<br />
Aktivieren Sie den Selbstauslöser mit einer<br />
Vorlaufzeit von 4 bis 6 Sekunden, oder<br />
verwenden Sie einen elektrischen Auslöser.<br />
Wenn Sie auf Kabelsalat und steif gefrorene<br />
Kabel verzichten möchten, empfehle ich<br />
Ihnen die Funkvariante. Die Hände können<br />
beim Auslösen in der Tasche bleiben, und<br />
im Idealfall sitzen Sie ganz entspannt im<br />
warmen Auto unweit Ihrer Kamera. Wenn<br />
83
Ihre Kamera über eine Spiegelvorauslösung<br />
verfügt, sollten Sie diese aktivieren, damit<br />
die durch den Spiegelschlag hervorgerufene<br />
leichte Erschütterung des Kameragehäuses<br />
nicht zu Unschärfen führt.<br />
Energiequelle Akku<br />
Langzeitbelichtungen zehren an der Kapazität<br />
des Akkus , da der Spiegel gehalten und<br />
der Verschlussvorhang über einen längeren<br />
Zeitraum geöffnet bleiben muss. Hinzu<br />
kommt der größte Feind jeder Energiequelle:<br />
die eisige Kälte . Abhilfe schafft ein warm<br />
gehaltener Zweitakku oder ein externes<br />
Batterieteil, das über eine Kabelverbindung<br />
die Kamera mit der benötigten Energie versorgt.<br />
Das Batterieteil kann separat in einer<br />
mit Gelpads beheizten Tasche gut geschützt<br />
gegen die Kälte verwahrt werden. Sie können<br />
aber auch ein 220-Volt-Netzteil verwenden,<br />
wenn Sie einen Spannungswandler<br />
an den Zigarettenanzünder Ihres Fahrzeugs<br />
anschließen, der die 12 Volt der Autobatterie<br />
auf 220 Volt hochtransformiert. Eine feine<br />
Sache. Lassen Sie dabei den Motor laufen,<br />
da der Wandler entsprechend viel Energie<br />
benötigt. Natürlich können Sie an die Steckdose<br />
auch andere Geräte wie z. B. ein Ladegerät,<br />
eine Kaffeemaschine oder den Laptop<br />
für die Datensicherung anschließen.<br />
Die Sache mit der Farbe<br />
Beim vollautomatischen Weißabgleich sucht<br />
die Kamera nach einer für sie weiß erscheinenden<br />
Fläche. Das kann funktionieren, wenn<br />
wirklich nahezu Weiß in ihrem Blickfeld ist.<br />
In Wirklichkeit ermittelt sie jedoch nur die<br />
hellste Stelle des Bilds, die naturgemäß im<br />
Original nicht unbedingt weiß gewesen sein<br />
muss. Die Folge davon sind Farbstiche , die<br />
nicht immer als künstlerische Verfremdung<br />
akzeptiert werden können. Der vollautomatische<br />
Weißabgleich versagt zum Beispiel<br />
häufig bei Aufnahmen im Dämmerlicht oder<br />
bei unterschiedlichen Lichtquellen. Beim<br />
halbautomatischen Weißabgleich wählt der<br />
Fotograf an seiner Digitalkamera eine fest<br />
gespeicherte Lichtsituation aus. Typischerweise<br />
sind derartige Grundumgebungen für<br />
Sonnenlicht, bewölkten Himmel, Blitzlicht,<br />
Innenlicht oder Halogenlicht gespeichert.<br />
Beim manuellen Weißabgleich verlässt<br />
man sich nicht auf fest gespeicherte Profile<br />
oder die Kameraautomatik, sondern auf<br />
ein weißes Blatt Papier, das formatfüllend<br />
fotografiert wird. Der Kamera teilt man<br />
dann im Einstellungsmenü mit, dass diese<br />
Aufnahme für den Weißabgleich verwendet<br />
werden soll. Die Farbe Weiß wird dann<br />
entsprechend dieser Vorlage eingestellt<br />
und der übrige Farbraum entsprechend<br />
gespreizt. Der Vorteil des manuellen Weißabgleichs<br />
ist, dass das eigentlich zu fotografierende<br />
Motiv keine weißen Elemente<br />
enthalten muss und dass sich die Einstellungen<br />
speichern lassen.<br />
Digitale Bilder für die Ewigkeit?<br />
Nichts hält ewig, auch nicht der Film und<br />
noch weniger das digitale Bild. Wenn Sie<br />
einen entwickelten Schwarz-Weiß-Film<br />
artgerecht lagern, also dunkel, kühl und<br />
trocken, bleibt er jahrzehntelang nahezu<br />
unverändert und bietet somit eine hohe Archivsicherheit<br />
. Jeder zukünftige Filmscanner<br />
wird die analoge Information dieses<br />
Speichermediums mit geringen Qualitätseinbußen<br />
in eine digitale Datei umwandeln<br />
können. Nullen und Einsen, aus der Digitalkamera<br />
kommend, abgelegt auf einem<br />
Flash-Speicherbaustein, einer CD oder DVD<br />
oder aber magnetisch auf einer Festplatte,<br />
haben hingegen unterschiedliche „Lebenszeiten“.<br />
Und selbst wenn Ihre Datei 40 Jahre<br />
schadlos überdauern konnte, kann nicht<br />
garantiert werden, dass die Informationen<br />
84
KAPITEL 1<br />
ADRENALINSCHUB<br />
AM POLARKREIS<br />
noch fehlerfrei ausgelesen werden können –<br />
vor allem wenn es sich z. B. um ein Dateiformat<br />
oder ein Speichermedium handelt, das<br />
schon lange ausgestorben ist.<br />
Fazit: Speichern Sie Ihre wertvollen Bilder<br />
in einem gängigen Standarddateiformat,<br />
wie z. B. JPEG, oder verwenden Sie statt<br />
des herstellerseitigen RAW-Formats die<br />
frei verfügbare Alternative von Adobe: das<br />
DNG-Format, sprich, das digitale Negativ.<br />
Mittlerweile setzen einige Kamerahersteller<br />
auf dieses freie Format, das auch in Zukunft,<br />
genau wie eine PDF-Datei, sicher ausgelesen<br />
und verarbeitet werden kann. Darüber<br />
hinaus sollten Sie Ihre Daten regelmäßig<br />
auf eine weitere externe Festplatte bzw. ein<br />
Backup-System kopieren, um größtmögliche<br />
Sicherheit vor Datenverlust zu haben.<br />
Viele Internetdienstleister bieten Ihnen<br />
gegen eine monatliche Gebühr die Speicherung<br />
Ihrer Bilddaten auf einem sicheren<br />
Server an (sogenanntes Cloud-Computing).<br />
Vorteil: Ihre Daten können von jedem Ort<br />
der Welt aus online abgerufen werden, und<br />
Sie müssen sich um die Sicherheit Ihrer Daten,<br />
zumindest physikalisch, keine Sorgen<br />
machen. Der Rest ist Vertrauenssache.<br />
Um den Datenverlust beim Fotografieren, bedingt<br />
durch eine defekte oder verlorene Speicherkarte,<br />
möglichst gering zu halten, empfehle<br />
ich die Speicherung der Bilder verteilt<br />
auf mehrere kleine Karten, z. B. mit 2 GByte<br />
oder 4 GByte. Zudem sind die Karten in der<br />
Anschaffung nicht sehr teuer. Einige Speicherkartenhersteller<br />
bieten bis zu 25 Jahre<br />
Garantie und protzen mit Datenbeständigkeit<br />
bei extrem niedrigen Temperaturen. Ideal<br />
also für den harten Einsatz in Nordfinnland.<br />
Ach ja: Belichten Sie Ihre schönsten Motive<br />
doch einfach als hochwertigen Print im<br />
DIN-A4-Format. Sieht nicht nur gut aus,<br />
sondern ist auch über viele Jahrzehnte hinweg<br />
archivsicher.<br />
VORZUGSWEISE<br />
MIT OFFENER BLENDE<br />
Abschließend noch ein technischer<br />
Hinweis zur Funktion der Blende :<br />
Die meisten Objektive entfalten ihre<br />
höchste Abbildungsleistung in Bezug<br />
auf Randunschärfen und Vignettierungen<br />
(Lichtabfall zum Rand hin),<br />
wenn nicht bei maximaler Blendenöffnung<br />
fotografiert wird. Wenn Sie<br />
also zwei Stufen stärker abblenden,<br />
wird die Qualität Ihrer Aufnahmen<br />
sichtbar besser. Jedoch bedeutet das<br />
im Umkehrschluss, dass entweder der<br />
ISO-Wert erhöht oder die Verschlusszeit<br />
verlängert werden muss, um zu<br />
einem gleichen Belichtungsergebnis<br />
zu kommen. Ersteres führt zu erhöhtem<br />
Rauschen, die zweite Möglichkeit<br />
zu verwischten Nordlichtern. Ich<br />
habe mich daher bei meinen Aufnahmen<br />
oftmals für eine offene Blende<br />
entschieden und die Abbildungsfehler<br />
später mit dem RAW-Konverter<br />
korrigiert.<br />
85
KAPITEL 2<br />
FASZINIERENDE<br />
UNTER WASSERWELT<br />
Faszinierende Unterwasserwelt<br />
91 Im Meer und in Süßwasserseen<br />
91 Wissen ist Macht<br />
93 Ehrenkodex der Taucher<br />
93 Anforderungen an Mensch und<br />
Material<br />
94 Reif für die Unterwasserfotografie?<br />
94 Trockentraining im Schwimmbad<br />
95 Entscheidungen vor dem Tauchgang<br />
95 Ins Wasser, aus dem Wasser<br />
96 Kameras unter Wasser<br />
98 Objektive für unter Wasser<br />
101 Passende Unterwassergehäuse<br />
106 Licht in der Dunkelheit<br />
109 Kleine Helfer immer dabei<br />
110 Kamerapflege und Wartungstipps<br />
112 Ihre Gesundheit steht an erster Stelle<br />
112 Fliegen mit der Fotoausrüstung<br />
114 Geheimnisse guter Unterwasserfotos<br />
114 Manuelle Kameraeinstellung<br />
115 Parameter für Nah- und Makroaufnahmen<br />
116 Parameter für Weitwinkelaufnahmen<br />
117 Ausleuchtung und Lichtführung im<br />
Wasser<br />
119 Exakte Bildbeurteilung<br />
120 Mut zur Entscheidung<br />
121 Reserven für die Bildbearbeitung<br />
121 Bildgestaltung unter Wasser<br />
121 Die Farbe des Wassers<br />
123 Salzwasser versus Süßwasser<br />
123 Trübe Aussichten?<br />
124 Blickrichtung und Kameraposition<br />
125 Zum Teil über, zum Teil unter Wasser<br />
127 Größenverhältnisse unter Wasser<br />
128 Der Kunst ihre Zeit, der Zeit ihre Kunst<br />
128 Ihr Tauchpartner, Ihr Modell<br />
129 Fischporträts mit Standardzoom<br />
130 Gute Beziehungen gleich reizvolle<br />
Motive<br />
130 Der Schwarm<br />
131 Geheimnisumwitterte Wracks<br />
133 Tolle Spots und Unterwasserressorts<br />
133 Stille Bergseen in den Alpen<br />
135 Grüner See bei Tragöß<br />
135 Tauchen in Flüssen<br />
135 Spektakulärer Süßwassertauchgang<br />
in Silfra<br />
136 Heißwasserschlot am Meeresgrund<br />
des Eyjafjörður<br />
138 Fotogene Wracks auf Zypern<br />
139 Muck diving in der Lembeh Strait<br />
139 Galapagos, der Name ist Programm<br />
142 Höhlentauchen der Spitzenklasse:<br />
Taïn und La Sirena<br />
142 Rifftauchen auf Wakatobi<br />
89
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 10 mm<br />
Belichtung 1/60 s<br />
Blende<br />
f/5,0<br />
ISO 200<br />
Unendliche Weiten. Die faszinierende Unterwasserwelt zieht immer mehr Fotografen in ihren Bann.<br />
2<br />
Faszinierende Unterwasserwelt<br />
Wohl kaum eine Sparte der Fotografie hat sich in den letzten Jahren so stark gewandelt<br />
wie die Unterwasserfotografie . Die digitale Revolution hat den Einstieg in dieses faszinierende<br />
Thema deutlich erleichtert. Das Angebot an Unterwassergehäusen und Kameras<br />
wurde fast unüberschaubar. Nur die physikalischen Gesetze haben ihre Gültigkeit behalten.<br />
Ihre Kenntnis hilft Ihnen, Eindrücke aus dieser bezaubernden Welt im Bild festzuhalten.<br />
90
KAPITEL 2<br />
FASZINIERENDE<br />
UNTER WASSERWELT<br />
Seit Hans Hass die ersten Unterwasserfotos<br />
veröffentlichte, haben sich Tausende<br />
von Tauchern dieser Form der Fotografie<br />
verschrieben. Der Lebensraum unter Wasser<br />
ist eine der letzten kaum erforschten<br />
Regionen unserer Welt. Sie als Sporttaucher<br />
haben die Chance, diese verborgene<br />
Welt in spektakulären Bildern festzuhalten.<br />
ÜBER DEN AUTOR<br />
Im Meer und in Süßwasserseen<br />
Sie sehen, was Sie (er)kennen. Das menschliche<br />
Auge ist nur unzulänglich an die Lichtverhältnisse<br />
unter Wasser angepasst. Je<br />
mehr Sie über die Lebensformen im Wasser<br />
wissen, desto leichter fällt es Ihnen,<br />
Motive zu entdecken. Im Wasser herrscht<br />
ein stetiger Kampf ums Fressen und Gefressenwerden.<br />
Wer nicht gerade mit einem<br />
der beiden Dinge beschäftigt ist, denkt nur<br />
an das eine: sich zu vermehren. Einerseits<br />
ist täuschen und tarnen angesagt, um zu<br />
überleben, und andererseits auffallen, um<br />
einen möglichen Partner anzulocken. Die<br />
Kenntnis über den Lebensraum und die biologischen<br />
Zusammenhänge hilft Ihnen, die<br />
Tarnung zu lüften.<br />
Wissen ist Macht<br />
Wo sitzen Drachenköpfe? Woran erkennen<br />
Sie den Schlupfwinkel einer Grundel?<br />
Wo halten sich Glasgarnelen bevorzugt<br />
auf? Die Antworten darauf lassen Sie gezielt<br />
nach diesen oft gut versteckten Tieren<br />
suchen, um sie in ihren Verstecken aufzustöbern.<br />
Fischführer , Bestimmungsbücher<br />
und Internetrecherchen liefern im Vorfeld<br />
wertvolle Informationen, die Ihnen helfen,<br />
beim Tauchen mehr zu sehen. Selbst ein<br />
guter Tauchguide ist kein Ersatz für diese<br />
Vorbereitung .<br />
Helge Süß entdeckte 1977 seine Liebe<br />
zur Fotografie und sammelte im Jahr<br />
2002 erste Unterwassererfahrungen<br />
mit einer digitalen Spiegelreflexkamera.<br />
Seit 2008 fotografiert er<br />
mit seinem selbst konstruierten, in<br />
Zusammenarbeit mit UK-GERMANY<br />
gefertigten Unterwassergehäuse.<br />
Helge Süß zeigt seine Bilder in Ausstellungen,<br />
hält Reisevorträge und<br />
Fotoseminare.<br />
91
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 50 mm<br />
Belichtung 1/125 s<br />
Blende<br />
f/16,0<br />
ISO 100<br />
Oben: Diese nur knapp 12 mm großen<br />
Partnergarnelen leben in Symbiose<br />
mit Blasenkorallen. Ein Blick zwischen<br />
die tischtennisballgroßen Kugeln<br />
lohnt sich oft – Bildwinkel 24°.<br />
Unten: Suche nach winzigen<br />
Muscheln auf einem Baumstamm.<br />
Eine spezielle Unterwasserlupe<br />
hilft, selbst kleinste Lebewesen zu<br />
entdecken – Bildwinkel 80°.<br />
Natürlich gilt der Satz „Wissen ist Macht“<br />
nicht nur für das Meer . Auch im Süßwasser<br />
herrscht reges Leben, das sich Ihnen<br />
erschließt, wenn Sie wissen, wo Sie danach<br />
suchen sollen. Es ist aber meist deutlich unscheinbarer<br />
und bedarf noch mehr Sorgfalt,<br />
um entdeckt zu werden. Sie finden Schwärme<br />
von Jungfischen bevorzugt im Schilf<br />
nahe am Ufer. Hechte verstecken sich gern<br />
zwischen den Ästen versunkener Bäume.<br />
Krebse sitzen oft in Seegraswiesen oder bei<br />
Steinen und bevorzugen sehr reines Wasser.<br />
Sie sind ein Indikator für die Qualität<br />
von Gewässern. Die Auswahl an Literatur<br />
über heimische Tauchplätze ist deutlich geringer<br />
als die über tropische Ziele. Das Informationsangebot<br />
im Internet gleicht diesen<br />
Mangel aus. Biologisches Wissen hilft<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 4 mm<br />
Belichtung 1/125 s<br />
Blende<br />
f/3,2<br />
ISO 320<br />
92
KAPITEL 2<br />
FASZINIERENDE<br />
UNTER WASSERWELT<br />
Ihnen dabei, mehr zu sehen. Je besser Sie<br />
über den Lebensraum im Wasser Bescheid<br />
wissen, desto eher entdecken Sie dessen<br />
meist gut getarnte Bewohner.<br />
Ehrenkodex der Taucher<br />
Nichts mitnehmen außer Fotos, nichts hinterlassen<br />
außer Luftblasen – und selbst diese<br />
können in zu großen Mengen Schaden<br />
anrichten. Ihre Sorgfalt soll sich nicht nur<br />
auf das Anpirschen an Ihr Motiv richten.<br />
Auch beim Wegschwimmen nach einem<br />
gelungenen Foto gilt es, vorsichtig zu sein.<br />
Gerade dabei reicht oft ein unüberlegter<br />
Flossenschlag, das eben Fotografierte für<br />
immer zu zerstören.<br />
Anforderungen an Mensch und<br />
Material<br />
Tauchen, besonders aber zu tauchen und<br />
dabei zu fotografieren, war lange Zeit einer<br />
kleinen, elitären Gruppe vorbehalten. Obwohl<br />
die Popularität des Tauchens in den<br />
letzten zwei Jahrzehnten rasant gewachsen<br />
ist, hat erst der technische Durchbruch in<br />
der digitalen Fotografie zu einem wahren<br />
Boom in der Unterwasserfotografie geführt.<br />
Aber ist dadurch die Zahl der guten<br />
Unterwasseraufnahmen ebenso rasant gestiegen?<br />
Ich wage es, diese Frage mit einem Nein<br />
zu beantworten. Die Technik allein macht<br />
noch keine guten Bilder. Gute Bilder entstehen<br />
ein paar Zentimeter hinter der Kamera,<br />
nämlich im Kopf der Fotografin oder des<br />
Fotografen. Sie werden in diesem Kapitel<br />
einiges an notwendiger Theorie erfahren,<br />
dazwischen aber auch eine Menge an Tipps<br />
und Tricks aus der Praxis finden.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 8 mm<br />
Belichtung 1/125 s<br />
Blende<br />
f/3,5<br />
ISO 100<br />
Alpine Bergseen sind empfindliche Biotope. Feine Sedimente erfordern<br />
vorsichtige Bewegungen und exakte Tarierung.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 7 mm<br />
Belichtung 1/60 s<br />
Blende<br />
f/5,0<br />
ISO 100<br />
Extreme: Der Geigensee liegt auf 2.410 m Seehöhe, die Wassertemperatur<br />
bei 5 °C. Das verwendete Objektiv hat einen Bildwinkel von 114°.<br />
93
Reif für die Unterwasserfotografie?<br />
Jeder, der die Gelegenheit hat, die Welt unter<br />
Wasser mit eigenen Augen zu erleben,<br />
spürt das Bedürfnis, diese Eindrücke mit<br />
anderen zu teilen. Ob mit Schnorchel oder<br />
mit Pressluftflasche, nie dürfen Sie bei der<br />
Jagd nach Fotomotiven Ihre Verantwortung<br />
für die sensible Flora und Fauna im Wasser<br />
vergessen. Voraussetzung für das Tauchen<br />
mit einer Kamera ist die automatisierte Beherrschung<br />
Ihrer Ausrüstung und perfekte<br />
Tarierung . Der routinierte Umgang mit der<br />
Tauchausrüstung erfordert viel Übung. Erst<br />
wenn die Tarierung, die kontrollierte Lage<br />
im Wasser, wie im Schlaf funktioniert, sind<br />
Sie reif für das Fotografieren im Wasser. So<br />
lange Sie sich noch vorwiegend mit Ihrer<br />
Tauchausrüstung befassen müssen, fehlen<br />
Ihnen die freien Hände für die Bedienung<br />
TAUCHAUSRÜSTUNG<br />
ANPASSEN<br />
Wenn Sie beim Tauchen fotografieren,<br />
neigen Sie eher dazu, sich primär<br />
auf das Fotografieren zu konzentrieren.<br />
Passen Sie Ihre Tauchausrüstung<br />
den Erfordernissen des Fotografierens<br />
an. Sorgen Sie daher für eng<br />
anliegende Ausrüstungsteile. Alles<br />
was absteht, kann sich verheddern,<br />
auf Grund schleifen und Sediment<br />
aufwirbeln oder im Extremfall auch<br />
ins Bild hängen. Sie schonen die Umwelt<br />
und Ihre Ausrüstung, wenn Sie<br />
alles nahe am Körper befestigen. Je<br />
weniger Sie sich mit Ihrer Tauchausrüstung<br />
beschäftigen müssen, desto<br />
mehr können Sie sich dem Fotografieren<br />
widmen.<br />
der Kamera. Schonen Sie bitte die Unterwasserwelt<br />
und sparen Sie sich den Frust<br />
verpatzter Bilder, indem Sie sich zuerst<br />
ausreichend mit Ihrer Ausrüstung vertraut<br />
machen.<br />
Nach ungefähr 60 bis 70 Tauchgängen<br />
stellt sich in der Regel die notwendige Routine<br />
ein, die Ihnen erlaubt, sich sicher und<br />
kontrolliert zu bewegen. Erst dann sind Sie<br />
in der Lage, sich den meisten Motiven auf<br />
Fotodistanz zu nähern. Diese Empfehlung<br />
gilt auch für kleine Kameras, besonders<br />
aber für Spiegelreflexkameras in einem Unterwassergehäuse.<br />
Ein Tauchpartner mit zu<br />
wenig Erfahrung oder neue, ungewohnte<br />
Ausrüstungsteile sind ein guter Grund, die<br />
Kamera nicht mit ins Wasser zu nehmen.<br />
Wenn Sie sich um Ihren Tauchpartner kümmern<br />
müssen, brauchen Sie voraussichtlich<br />
freie Hände. Das gilt auch, wenn Sie mit<br />
Ausrüstung tauchen, die sich anders verhält<br />
als Ihre gewohnte Ausrüstung. Waren<br />
Sie länger nicht im Wasser, ist es sinnvoll,<br />
den ersten Tauchgang ohne Kamera zu absolvieren,<br />
um sich wieder an die Bewegung<br />
im Wasser zu gewöhnen.<br />
Trockentraining im Schwimmbad<br />
Lernen Sie Ihre Kamera gut kennen, bevor<br />
Sie mit ihr tauchen. Vieles lässt sich im<br />
Trockentraining erarbeiten und einstudieren.<br />
Für das Üben mancher Abläufe ist es<br />
zwingend notwendig, mit der Kamera ins<br />
Wasser zu gehen. Dazu eignet sich bereits<br />
ein Schwimmbad ab 1,4 m Tiefe. Bedenken<br />
Sie jedoch, dass sich viele Menschen<br />
in öffentlichen Bädern in ihrer Intimsphäre<br />
gestört fühlen, wenn Sie mit der Kamera<br />
ins Wasser gehen, auch wenn Sie nur Gummitiere<br />
fotografieren. Holen Sie daher die<br />
Erlaubnis zum Fotografieren im Becken ein<br />
oder fragen Sie bei einem Tauchklub oder<br />
einer Tauchschule an, ob Sie während der<br />
94
KAPITEL 2<br />
FASZINIERENDE<br />
UNTER WASSERWELT<br />
DIE TAUCHMASKE<br />
Nicht alles, was zum Tauchen taugt,<br />
ist auch für das Fotografieren im<br />
Wasser gut geeignet. Die Tauchmaske<br />
kann entscheidenden Einfluss<br />
darauf haben, wie gut Sie den<br />
Sucher oder Bildschirm Ihrer Kamera<br />
sehen. Ein schwarzer Maskenkörper<br />
schränkt zwar das Sehen aus dem<br />
Augenwinkel ein, verhindert aber<br />
weitgehend Reflexe am Maskenglas<br />
durch Licht von hinten. Solche Reflexe<br />
fallen besonders im Flachwasser oder<br />
bei starkem Sonnenlicht störend auf.<br />
Je näher das Maskenglas am Auge<br />
liegt, desto näher kommen Sie auch<br />
dem Sucher. Das entscheidet darüber,<br />
wie gut Sie das gesamte Sucherbild<br />
überblicken können.<br />
Trainingszeiten mit der Kamera im Becken<br />
üben dürfen. Sie benötigen für Ihre Versuche<br />
nur die Kameraausrüstung, eine Tauchmaske<br />
und Geduld.<br />
Die grundlegenden Ansprüche, die ein Modell<br />
bei dieser Aufgabe erfüllen muss, sind,<br />
bunt zu sein und untergehen zu können. Ihre<br />
mit Blei gefüllte Gummiente tut das genauso<br />
gut wie bunte Plastikkärtchen, die Sie mit<br />
einem Gewicht beschweren. Vermeiden Sie<br />
Glas und alles, was splittern kann. Das ist<br />
im Bad nicht gern gesehen. Bei Weitwinkelaufnahmen<br />
hilft Ihnen die Gitterstruktur<br />
der Fliesen bei der Beurteilung von Schärfe<br />
und Verzeichnung. Helle, einfarbige Fliesen<br />
zeigen Ihnen auch gut den Helligkeitsverlauf<br />
und die Wirkung Ihrer Lichtquellen.<br />
Das Üben im Becken hat viele Vorteile. Sie<br />
können verschiedene Situationen mit geringem<br />
Aufwand simulieren. Der Weg zum<br />
„Ufer“ ist kurz, und Sie können so z. B. leicht<br />
mehrere Objektive in kurzer Zeit vergleichend<br />
testen oder schnell zwischen Weitwinkel<br />
und Makro wechseln. Sie sparen<br />
durch das Training zu Hause wertvolle Urlaubszeit<br />
und ersparen sich Frust während<br />
und nach Ihren Tauchgängen.<br />
Entscheidungen vor dem Tauchgang<br />
Die Extreme in der Unterwasserfotografie<br />
erfordern eine dafür angepasste Ausrüstung.<br />
Während Kompaktkameras einen Kompromiss<br />
als Allrounder bieten, verlangen<br />
Spiegelreflexkameras klare Entscheidungen.<br />
Makro oder Weitwinkel? Landschaft oder<br />
Detail? Die hohe Spezialisierung zwingt Sie<br />
zur Entscheidung vor dem Tauchgang. Sie<br />
erlaubt dafür außergewöhnliche Ergebnisse,<br />
die mit anderen Kameras nicht möglich<br />
sind. Zur normalen Planung des Tauchgangs<br />
kommt daher die Entscheidung für die passende<br />
Ausrüstung. Zu erwartende Sichtweiten,<br />
Lichtverhältnisse und die Form der<br />
Unterwasserlandschaft bestimmen, ob Sie<br />
Weitwinkel oder Makro wählen . Oft kann<br />
derselbe Tauchplatz je nach Tageszeit und<br />
Wasserverhältnissen einmal ideal für Weitwinkel,<br />
das andere Mal günstiger für Makroaufnahmen<br />
sein. Fotografieren hat auch eine<br />
Auswirkung auf Ihren Luftverbrauch . Rechnen<br />
Sie, besonders am Anfang, mit einem<br />
rund 10 % bis 20 % höheren Verbrauch.<br />
Ins Wasser, aus dem Wasser<br />
Eine kleine Kompaktkamera ist von der<br />
Handhabung her relativ unproblematisch.<br />
Je größer, umfangreicher und schwerer Ihre<br />
Fotoausrüstung ist, desto mehr gewinnt hoher<br />
Seegang oder ein schwieriger Zustieg<br />
an Dramatik. Helfende Hände, meist die<br />
der Bootsmannschaft, können eine Gefahr<br />
für große Kameragehäuse mit Blitzanlage<br />
95
darstellen. Nicht alles, was sich als Griff<br />
anbietet, ist auch geeignet, die Ausrüstung<br />
zu tragen. Erklären Sie Helfern rechtzeitig<br />
den Umgang mit Ihrer Ausrüstung. Bereiten<br />
Sie die Kamera so vor, dass sie problemlos<br />
getragen und zugereicht werden kann. Fixieren<br />
Sie Blitzarme oder bringen Sie Tragegurte<br />
am Gehäuse an. Sie entschärfen<br />
damit die kritischen Momente des Ein- und<br />
Ausstiegs vor und nach dem Tauchgang.<br />
Im Idealfall lassen Sie sich die Kamera ins<br />
Wasser reichen. Ist das nicht möglich,<br />
bleibt Ihnen der große Schritt, die Rolle<br />
oder aus dem Sitzen mit einer Drehung ins<br />
Wasser zu gleiten. Sie halten dabei mit einer<br />
Hand Maske und Regler fest, mit der<br />
anderen Hand die Kamera. Je kompakter<br />
Sie Ihre Fotoausrüstung halten, desto weniger<br />
Probleme haben Sie zu erwarten. Die<br />
Drehung aus dem Sitz ist die harmloseste<br />
Art, mit der Kamera ins Wasser zu tauchen.<br />
Sie setzt eine feste Fläche voraus, auf der<br />
Sie stabil sitzen können. Bedenken Sie, dass<br />
die Kamera durch die Drehung zwischen<br />
Sie und die Kante gerät, auf der Sie eben<br />
noch saßen. Sie müssen sich daher weit genug<br />
abstoßen, damit ausreichend Platz für<br />
Ihre Fotoausrüstung entsteht.<br />
Bei der Rolle rückwärts verlagert die Kamera<br />
während des Rollens ihr Gewicht und<br />
folgt dann der Schwerkraft in Richtung Ihres<br />
Kinns. Fixieren Sie daher die Kamera so,<br />
dass Sie Bewegungen nach oben und unten<br />
abfangen können. Diese Form des Einstiegs<br />
erfolgt meist vom Schlauchboot aus. Achten<br />
Sie daher besonders darauf, dass sich<br />
Kabel und Gurte der Kamera nirgendwo<br />
verhängen.<br />
Der große Schritt belastet Kamera und<br />
Blitz beim Eintauchen mit einem Schlag von<br />
unten. Wenn Sie die Kamera nicht fest genug<br />
an Ihren Körper gepresst halten, kann<br />
es passieren, dass Sie bereits in der ersten<br />
Runde k. o. gehen. Lassen Sie die Kamera<br />
erst los, nachdem Sie kontrolliert haben, ob<br />
sie noch immer sicher an Ihrem Körper befestigt<br />
ist. Sorgen Sie für eine kontrollierte<br />
Lage im Wasser oder einen gleichmäßigen<br />
Abstieg. Richten Sie erst danach den Blitz<br />
aus und bereiten Sie die Kamera für den<br />
Einsatz vor.<br />
Kameras unter Wasser<br />
Um eine Kamera unter Wasser zu verwenden,<br />
muss sie dafür ausreichend abgedichtet<br />
sein. Es gibt Kameras, die vom Hersteller<br />
für den Einsatz im Wasser konstruiert wurden.<br />
Die meisten im Wasser verwendeten<br />
Kameras sind aber ganz normale Kameras,<br />
die für diesen Zweck in ein dichtes Gehäuse<br />
verpackt werden.<br />
Kompaktkameras<br />
Kompaktkameras erlauben den preisgünstigen<br />
Einstieg in die Unterwasserfotografie.<br />
Durch die Massenproduktion sind die<br />
dafür erhältlichen Gehäuse erschwinglich.<br />
AMPHIBIENKAMERAS<br />
Die große Zeit der Amphibienkameras<br />
ist Geschichte. Die von Jacques<br />
Cousteau entwickelte Nikonos wird<br />
nicht mehr hergestellt. Aktuell gibt es<br />
nur wasserdichte Kompaktkameras,<br />
die für Tauchtiefen von einigen Metern<br />
ausgelegt sind. Diese Kameras<br />
eignen sich wenig für den Einsatz<br />
unter Wasser. Ihre Stärke ist eher das<br />
sorgenfreie Fotografieren nahe am<br />
Wasser oder beim Schnorcheln.<br />
96
KAPITEL 2<br />
FASZINIERENDE<br />
UNTER WASSERWELT<br />
Allerdings sind auch ihre Möglichkeiten<br />
begrenzt. Sie sind gute Allrounder mit dem<br />
Schwerpunkt im Nah- und Makrobereich.<br />
Erweitert man die Ausrüstung um Blitz,<br />
Nahlinse oder Weitwinkelkonverter, steigen<br />
auch die Kosten schnell in den vierstelligen<br />
Euro-Bereich. Für sehr viele Kompaktkameras<br />
werden passende Gehäuse angeboten.<br />
Sollte für eine bestimmte Kamera kein Gehäuse<br />
verfügbar sein, ist es sinnvoll, sich<br />
eine andere Kamera auszusuchen, für die<br />
es ein Gehäuse gibt. Alle anderen Lösungen<br />
sind schlicht zu teuer.<br />
Die Kompakten erzielen besonders im Nahbereich<br />
gute Ergebnisse. Hier hilft der kleine<br />
Sensor, der in Kombination mit kurzen<br />
Brennweiten für einen großen Schärfebereich<br />
sorgt. Für das Ausleuchten von Motiven<br />
in wenigen Zentimetern Entfernung<br />
reicht der eingebaute Blitz meist aus. Dessen<br />
großer Nachteil ist die fixe Position nahe<br />
an der optischen Achse. Harte Schatten und<br />
eine langweilige Lichtstimmung sind die<br />
Folgen. Ein externer Blitz bringt mehr Licht,<br />
Flexibilität und kreatives Ausleuchten. Die<br />
Ansteuerung erfolgt in den meisten Fällen<br />
über optische Lichtleiter durch den eingebauten<br />
Blitz.<br />
Die Bildkomposition erfolgt bei den Kompakten<br />
über den Bildschirm der Kamera.<br />
Was bei Rückenlicht und den daraus resultierenden<br />
Reflexionen ein Nachteil ist,<br />
wandelt sich in manchen Situationen zum<br />
Vorteil. Die kleinen Gehäuse erlauben an<br />
der gestreckten Hand Aufnahmepositionen,<br />
die mit einer sperrigen Spiegelreflexkamera<br />
unmöglich sind.<br />
Im Weitwinkelbereich sind die Grenzen der<br />
Kompakten schnell erreicht. Die für diese<br />
Kameratypen üblichen Bildwinkel von maximal<br />
75° gestatten keine berauschenden<br />
Perspektiven. Die Planscheiben der Gehäuse<br />
tun das Ihrige dazu, den Bildwinkel<br />
einzuengen. Für manche Gehäuse gibt es<br />
externe Weitwinkelkonverter, die man unter<br />
Wasser wechseln kann. Diese im Englischen<br />
wetlenses (nasse Linsen) genannten Konverter<br />
können den ursprünglichen Winkel<br />
des Objektivs mehr als verdoppeln. Dieser<br />
Winkel will aber auch ausgeleuchtet sein,<br />
und daran scheitern die meisten kompakten<br />
Blitzlösungen.<br />
Spiegelreflexkameras<br />
Als hoch spezialisierte Werkzeuge bilden<br />
sie die Königsklasse in der Unterwasserfotografie.<br />
Diese Sparte erlaubt die höchste<br />
Spezialisierung und somit das Ausloten<br />
der technischen Grenzen. Die für diesen<br />
Kameratyp notwendigen Gehäuse werden<br />
in kleinen Auflagen hergestellt und kosten<br />
selten unter 1.000 Euro, meist sogar das<br />
Drei- bis Vierfache davon. So manche UW-<br />
Fotoausrüstung stellt den Gegenwert eines<br />
Kleinwagens dar.<br />
Vorne: Canon PowerShot D10,<br />
Tauchtiefe 10 m.<br />
Mitte: Olympus-PT018-<br />
Gehäuse für die C-750,<br />
Tauchtiefe 40 m.<br />
Hinten: UK-GERMANY-<br />
Gehäuse für die Olympus E-5,<br />
Tauchtiefe 60 m.<br />
97
Das modulare Konzept der Kamera setzt<br />
sich im Gehäuse fort. Je nach Objektiv erfordert<br />
das Gehäuse einen Port, der die<br />
optische Schnittstelle darstellt. Man unterscheidet<br />
zwischen Planports für Bildwinkel<br />
bis ungefähr 75° und Domeports für Weitwinkel<br />
und Fisheyes. Ports werden für unterschiedliche<br />
Objektive mit Zwischenringen<br />
angepasst. Das Wechseln der Objektive<br />
und der dazugehörigen Ports erfordert das<br />
Öffnen des Gehäuses und kann daher nur<br />
im Trockenen durchgeführt werden.<br />
Vorbereitung der Kamera<br />
Gewöhnen Sie sich eine Prozedur zur Vorbereitung<br />
der Kamera an. Verwenden Sie<br />
dazu anfangs eine Checkliste. Das hilft Ihnen,<br />
den Ablauf zu verinnerlichen und alle<br />
wichtigen Schritte einzuhalten.<br />
• Achten Sie darauf, stets frisch geladene<br />
Batterien einzusetzen.<br />
• Sorgen Sie für ausreichend Platz auf der<br />
Speicherkarte. Löschen Sie Bilder oder<br />
formatieren Sie die Karte, um Platz zu<br />
schaffen, aber erst dann, wenn Sie auch<br />
sicher sind, alle wichtigen Bilder auf einem<br />
anderen Datenträger gespeichert<br />
zu haben.<br />
• Der Zusammenbau des Gehäuses sollte<br />
in einer trockenen Umgebung erfolgen.<br />
Ideal ist ein klimatisierter Raum. Prüfen<br />
Sie die Dichtungen und die Leichtgängigkeit<br />
der Bedienelemente.<br />
• Kontrollieren Sie das Gehäuse auf Beschädigungen.<br />
Reinigen Sie Dichtungen<br />
und fetten Sie bei Bedarf die O-Ringe.<br />
• Legen Sie frisches Silicagel ins Gehäuse,<br />
wenn es Gefahr läuft, zu beschlagen.<br />
• Schalten Sie die Kamera im zusammengebauten<br />
Zustand ein und prüfen Sie<br />
die Funktion. Kontrollieren Sie die Ansteuerung<br />
des Blitzes.<br />
• Tauchen Sie die Kamera nach einer<br />
Sichtkontrolle der Dichtungen ins Spülbecken,<br />
um die Dichtheit zu kontrollieren.<br />
Machen Sie danach die Kamera<br />
transportfertig.<br />
Objektive für unter Wasser<br />
Die mit den meisten Kameras im Set angebotenen<br />
Objektive sind für den Einsatz im<br />
Wasser zu gebrauchen. Sie decken einen<br />
Bereich vom leichten Weitwinkel bis zum<br />
leichten Teleobjektiv ab, rechtfertigen aber<br />
nicht den höheren Preis und Aufwand einer<br />
Spiegelreflexkamera gegenüber einer Kompakten.<br />
Erst der Einsatz spezieller Objektive<br />
spielt die Vorteile diese Systems voll aus.<br />
Sie haben die Quahl der Wahl – Weitwinkel-<br />
oder Makroaufnahmen? Die Spezialisierung<br />
verlangt klare Entscheidungen. Eine<br />
Eier legende Wollmilchsau gibt es in der<br />
Unterwasserfotografie genauso wenig wie<br />
in anderen Bereichen.<br />
Makroobjektive<br />
Für Makroaufnahmen hat sich ein Bildwinkel<br />
von ungefähr 24° bewährt. Diesen<br />
erreicht man für das Kleinbildformat mit<br />
100 mm, für das APS-C-Format mit ungefähr<br />
60 mm und für das 4/3-Format mit<br />
50 mm Brennweite. Weitere Bildwinkel erfordern<br />
einen geringeren Arbeitsabstand,<br />
der zu Schwierigkeiten beim Ausleuchten<br />
und Unterschreiten der Fluchtdistanz mancher<br />
Tiere führen kann. Engere Bildwinkel<br />
bergen die Gefahr des Verwackelns. Bedenken<br />
Sie, dass Sie in der Regel frei schwebend<br />
98
KAPITEL 2<br />
FASZINIERENDE<br />
UNTER WASSERWELT<br />
fokussieren müssen. Ein großer Arbeitsabstand<br />
kann auch zu vermehrten Störungen<br />
durch Schwebeteilchen führen.<br />
Weitwinkelobjektive<br />
Hier gilt uneingeschränkt der Satz: „Je<br />
weiter, desto besser!“ Man kann nie genug<br />
Winkel haben. Er erlaubt es, nahe an<br />
ein Motiv heranzugehen und trotzdem viel<br />
Hintergrund im Bild zu zeigen. Rectilinear<br />
korrigierte Weitwinkel bilden gerade Linien<br />
gerade ab. Der Preis dafür sind gedehnte<br />
Flächen, die besonders zu den Bildecken<br />
hin zu auffälligen Verzerrungen führen.<br />
Fisheye-Objektive bilden annähernd flächentreu<br />
ab. Um das zu erreichen, biegen<br />
sich alle Linien, die nicht durch die Bildmitte<br />
laufen, dramatisch.<br />
Ein Fisheye verzeichnet stark tonnenförmig.<br />
Im Wasser erzeugt es einen natürlicher wirkenden<br />
Eindruck. Es gibt dort zu wenig gerade<br />
Linien, die unangenehm auffallen könnten.<br />
Während korrigierte Weitwinkel bei einem<br />
Winkel von ungefähr 114° an technische<br />
Limits stoßen, erreicht man mit Fisheyes<br />
Bildwinkel bis zu 180° diagonal. Dabei wird<br />
das gesamte Bildfeld ohne Vignettierung genutzt.<br />
Fisheyes mit 180° diagonalem Bildwinkel<br />
sind für den Einsatz im Wasser optimal<br />
geeignet.<br />
Bildwinkel von 180° bis 220° über die kurze<br />
Bildkante ergeben ein kreisrundes Bild mit<br />
Abschattung in den Ecken. Diese Objektive<br />
sind für den Einsatz im Wasser wenig geeignet,<br />
da sie wegen ihrer „Rundumsicht“<br />
kaum ohne Überstrahlung in der Nähe der<br />
Blitze ausgeleuchtet werden können.<br />
Unterwassergehäuse<br />
für die Olympus E-5<br />
mit 45°-Winkelsucher<br />
und Inon-Makroport<br />
für das 50-mm-<br />
Makro objektiv.<br />
99
Unterwassergehäuse<br />
für die Olympus E-5<br />
mit Domeport für das<br />
8-mm-Fisheye (180°).<br />
Sucher<br />
Auch bei den Suchersystemen kann man<br />
zwischen einfacher Galilei-Optik oder aufwendigen<br />
Suchersystemen mit unterschiedlich<br />
abgewinkeltem Strahlengang wählen.<br />
Mehrere Gehäusehersteller bieten Winkelsucher<br />
für ihre Gehäuse an. Bei manchen<br />
kann ein solcher nachträglich eingebaut werden,<br />
andere Gehäuse hingegen lassen sich<br />
nicht adaptieren.<br />
Die einfachste Variante, eine Planglasscheibe,<br />
verhindert, dass der gesamte Sucher<br />
einsehbar ist. Die Brechung an der Scheibe<br />
und der höhere Betrachtungsabstand durch<br />
die Tauchermaske sind dafür verantwortlich.<br />
Mit einer Galilei-Optik, die von der<br />
Wirkung her einem umgedrehten Fernglas<br />
entspricht, kann man zwar den gesamten<br />
Sucher einsehen, er erscheint aber verkleinert.<br />
Die Beurteilung von Schärfe und<br />
die Bildkomposition werden dadurch erschwert.<br />
Besonders bei Kameras, die bauartbedingt<br />
einen kleinen Sucher aufweisen,<br />
wie z. B. Kameras mit APS-C- oder FT-Sensor,<br />
fällt dieser Effekt unangenehm auf.<br />
Winkelsucher sind in Wahrheit richtige<br />
Objektive. Mehrere Linsen und ein Prisma<br />
sorgen dafür, dass das Sucherbild in natürlicher<br />
Größe und trotz größerem Abstand<br />
durch die Tauchermaske zur Gänze einsehbar<br />
bleibt. Die Kamera fühlt sich damit<br />
genau so an wie an der Luft. Der Knick im<br />
Strahlengang sorgt dazu für eine entspannte<br />
Haltung und ausreichend Platz für den<br />
Atemregler. In Summe ein Maß an Komfort,<br />
für das manche bereit sind, so viel Geld<br />
auszugeben wie andere für eine Kompaktkamera<br />
samt Gehäuse.<br />
100
KAPITEL 2<br />
FASZINIERENDE<br />
UNTER WASSERWELT<br />
Planport<br />
Ein Planport besteht meist aus einem Rohr<br />
und einer planparallelen Scheibe. Er stellt<br />
die einfachste Form der optischen Schnittstelle<br />
dar. Durch die Planscheibe wird das<br />
einfallende Licht am Übergang zwischen<br />
Wasser, Glas und Luft gebrochen. Der Effekt<br />
ist so, wie Sie ihn vom Blick durch die<br />
Tauchermaske her kennen. Gegenstände<br />
erscheinen näher und größer. Die dadurch<br />
entstehenden Bildfehler sind bei engen Bildwinkeln<br />
zu vernachlässigen. Für Nah- und<br />
Makroaufnahmen hilft der Effekt, das Motiv<br />
vergleichsweise größer als an der Luft<br />
abzubilden. Die Anpassung eines Planports<br />
an ein Objektiv folgt rein mechanischen Aspekten.<br />
Der Durchmesser der Portscheibe<br />
muss so gewählt sein, dass sie das Bild nicht<br />
abschattet. Die Länge des Ports muss das<br />
Objektiv bei maximalem Auszug aufnehmen<br />
können.<br />
Bei steigendem Bildwinkel treten die durch<br />
die Brechung verursachten Abbildungsfehler,<br />
besonders Randunschärfe und chromatische<br />
Aberration, deutlicher zutage. Zusätzlich<br />
verschenken Sie Bildwinkel, die Sie<br />
durch teure Objektive mühsam erworben<br />
haben. Bildwinkel über 100° sind wegen der<br />
Totalreflexion an der Luft-Wasser-Grenze<br />
mit Planglas nicht möglich.<br />
Domeport<br />
Ein Domeport (dome – englisch für Kuppel)<br />
hat eine gewölbte Scheibe. Sie stellt einen<br />
Ausschnitt aus einer Kugel dar. Der Radius<br />
der Scheibe hat einen direkten Einfluss<br />
auf die Bildqualität und den Einsatzbereich<br />
des Ports. Bei der Anpassung eines Domeports<br />
an ein Objektiv sind primär optische<br />
Aspekte relevant. Der Kugelmittelpunkt<br />
der Domescheibe soll im perspektivischen<br />
Zentrum des Objektivs liegen. Der Öffnungswinkel<br />
der Scheibe muss zumindest<br />
dem Blickwinkel des verwendeten Objektivs<br />
entsprechen.<br />
Die Domescheibe wirkt zusammen mit dem<br />
Wasser außen und der Luft innen wie eine<br />
Linse. Sie lässt alles viel näher erscheinen.<br />
Ein Objektiv muss auf mindestens 30 cm<br />
Entfernung scharf stellen können, um hinter<br />
einer Domescheibe mit 100 mm Radius<br />
scharfe Bilder zu liefern. Kann es das nicht,<br />
hilft eine Nahlinse, die das Objektiv etwas<br />
„kurzsichtiger“ macht. Die Entfernung „unendlich“<br />
rückt im Wasser bei Verwendung<br />
einer Domescheibe auf ungefähr das Dreifache<br />
des Domeradius an die Kamera heran.<br />
Domescheiben erzeugen ein gewölbtes Bild<br />
der Umgebung. Weitwinkelobjektive sind<br />
darauf optimiert, eine flache Motivebene<br />
optimal abzubilden. Mit dem gewölbten Bild<br />
der Domescheibe haben sie daher Probleme,<br />
die zum Bildrand hin stärker bemerkbar<br />
werden, z. B. durch Unschärfe. Eine Kompensation<br />
dieser Bildfehler erfordert möglichst<br />
große Domeradien, die die Herstellungskosten<br />
in die Höhe schnellen lassen<br />
und zusätzlich Transport und Handhabung<br />
erschweren. Fisheye-Objektiven hingegen<br />
kommt das gewölbte Bild gerade recht. Sie<br />
liefern selbst hinter einer vergleichsweise<br />
kleinen Domescheibe Bilder mit hoher Abbildungsqualität.<br />
Passende Unterwassergehäuse<br />
Bei Kompaktkameras fällt die Entscheidung<br />
leicht. Kamerahersteller bieten oft passende<br />
Gehäuse für ihre Kameras an. Diese sind<br />
üblicherweise preisgünstige Massenprodukte<br />
aus Plexiglas. Weiteres Zubehör findet<br />
man bei Drittanbietern.<br />
Bei Spiegelreflexkameras sieht die Lage ganz<br />
anders aus. Sie kaufen keine Kamera, Sie kaufen<br />
ein System. Das beginnt bereits bei der<br />
Kamera und den gewünschten Objektiven<br />
und erstreckt sich weiter auf Gehäuse und<br />
101
Das Olympus-PT-EP01-<br />
Unterwasser gehäuse<br />
für die Olympus E-PL1.<br />
Das Gehäuse besteht<br />
vorne aus schwarz<br />
getöntem Plexiglas, um<br />
Reflexe zu minimieren.<br />
Der Planport ist<br />
fest mit dem Gehäuse<br />
verbunden. Im<br />
Zubehörhandel gibt es<br />
einen Umbausatz mit<br />
Domeport.<br />
Ports. Fast alle Hersteller von Gehäusen für<br />
Spiegelreflexkameras sind Garagenfirmen.<br />
Sie unterscheiden sich nur in der Größe ihrer<br />
Garage. Das ist aber kein Nachteil. Flexibilität<br />
und Kundennähe sind bei den kleinen Firmen<br />
die Regel. Die große Ausnahme in dieser Kategorie<br />
ist die Firma Olympus, die für einige<br />
ihrer Spiegelreflexkameras Plexiglasgehäuse<br />
in Massenfertigung anbietet.<br />
Trotz steigenden Interesses für die Unterwasserfotografie<br />
sind Gehäuse für Spiegelreflexkameras<br />
immer noch Nischenprodukte.<br />
Die Serien erreichen selten mehr als<br />
zweistellige Produktionszahlen. Das erklärt<br />
auch den hohen Preis für diese Gehäuse. Es<br />
kostet viele Stunden Arbeit, eine Kamera zu<br />
vermessen und ein Gehäuse zu konstruieren.<br />
Die Kosten dafür und auch die Sockelkosten<br />
für das Einrichten der Maschinen<br />
teilen sich auf die geringe Auflage auf. Hochwertige<br />
Materialien und gute Verarbeitung<br />
haben ebenfalls ihren Preis. Dennoch: Ein<br />
teures Gehäuse schmerzt einmal beim Bezahlen,<br />
ein billiges bei jedem Tauchgang.<br />
102
KAPITEL 2<br />
FASZINIERENDE<br />
UNTER WASSERWELT<br />
GRÖSSE<br />
DES ATEMREGLERS<br />
Hat Ihr Gehäuse einen Durchsichtsucher,<br />
spielt auch die Größe Ihres<br />
Atemreglers eine Rolle. Er muss<br />
zwischen Ihnen und dem Gehäuse<br />
Platz finden. Arbeiten Sie mit<br />
Kamerabildschirm oder Winkelsucher,<br />
spielt der Atemregler eine<br />
geringere Rolle. Die Verteilung und<br />
Strömungsrichtung der ausgeatmeten<br />
Luft bestimmt, ob Sie den<br />
Sucher klar sehen oder nur durch<br />
einen dichten Vorhang von Blasen<br />
betrachten. Abhilfe schafft oft das<br />
Ausatmen durch die Maske. Dabei<br />
perlt die ausgeatmete Luft seitlich<br />
am Maskenrand aus und behindert<br />
so nicht die Sicht.<br />
UNTERWASSERGEHÄUSE<br />
IM EIGENBAU?<br />
Sollten Sie mit dem Gedanken<br />
spielen, selbst ein Gehäuse für Ihre<br />
Kamera zu bauen, ein guter Tipp:<br />
Vergessen Sie die Idee ganz schnell.<br />
Es bedarf einer hohen Leidensfähigkeit,<br />
kostet unzählige Stunden an<br />
Arbeit und verlangt viel technisches<br />
Geschick, um ein solches Projekt<br />
zu verwirklichen. Selbst wenn Sie<br />
Ihre Arbeitszeit nicht einrechnen,<br />
sprengen Sie mit Sicherheit den<br />
finanziellen Rahmen kommerzieller<br />
Gehäuse.<br />
Nicht nur die Verfügbarkeit von Gehäuse<br />
und Zubehörteilen, sondern auch die Nähe<br />
und Erreichbarkeit des Herstellers oder zumindest<br />
des Händlers stellen ein wesentliches<br />
Kriterium bei der Entscheidung für<br />
eine Unterwasserfotoausrüstung dar. Ein<br />
Gehäuse muss regelmäßig gewartet werden,<br />
um sicher zu funktionieren. Es kann<br />
auch leicht vorkommen, dass Sie eine kleine<br />
Anpassung benötigen, um Ihre Ausrüstung<br />
für einen speziellen Zweck zu optimieren. In<br />
diesem Fall punktet ein lokaler Betrieb mit<br />
schnellen und flexiblen Lösungen, und Sie<br />
haben zusätzlich das gute Gefühl, etwas für<br />
die heimische Wirtschaft getan zu haben.<br />
Was das Gewicht betrifft, liegen alle festen<br />
Gehäusetypen nahe beisammen. Aluminiumgehäuse<br />
sind sehr oft sogar etwas leichter<br />
als vergleichbare Gehäuse aus Plexiglas<br />
oder auch Carbonfaser, weil sie mit geringeren<br />
Wandstärken auskommen und in der<br />
Regel enger um die Kamera modelliert sind.<br />
Im Schnitt kann man für das nackte Gehäuse<br />
von einem Gewicht zwischen 1.000 und<br />
1.500 g ausgehen. Mit Port, Kamera, Objektiv<br />
und Blitz steigt das Transportgewicht<br />
auf einen Wert zwischen 5 und 8 kg an. Im<br />
Wasser wirkt sich das mit einem Abtrieb<br />
von ungefähr 1 bis 2 kg aus. Ihre Kamera ist<br />
somit Teil Ihres Gewichtssystems.<br />
Flexible Universalgehäuse<br />
Seit den Siebzigerjahren gibt es fast unverändert<br />
Taschen aus weichem Kunststoff,<br />
die mit Klemmschienen aus Metall verschlossen<br />
werden. Sie besitzen eine Planglasscheibe<br />
für das Objektiv. Die Bedienung<br />
der Kamera erfolgt durch die weiche Wand<br />
des Kunststoffbeutels. Obwohl es möglich<br />
ist, mit einem solchen Gehäuse zu tauchen,<br />
ist der Bedienkomfort gering. Besonders<br />
die Bildkomposition durch den Sucher wird<br />
zum Glücksspiel. Die Flexibilität des Beutels<br />
103
Der Rückdeckel des<br />
Olympus PT-EP01<br />
ist transparent und<br />
erlaubt den Blick auf<br />
Bildschirm und elektronischen<br />
Sucher.<br />
kann schwerwiegende Folgen haben. Kaum<br />
eine Kamera ist für den auf sie einwirkenden<br />
Wasserdruck spezifiziert. Das bedeutet einen<br />
Verlust der Garantie und kann auch zu<br />
schweren Schäden an der Kamera führen.<br />
Diese Gehäuseform ist ideal als Schutz gegen<br />
Feuchtigkeit und heftiges Spritzwasser.<br />
Zum Tauchen gibt es bessere Lösungen.<br />
Gehäuse aus Plexiglas<br />
Dieser Gehäusetyp findet meist bei Kompaktkameras<br />
Verwendung. Die Herstellung<br />
im Spritzgussverfahren ist ideal für den<br />
Massenmarkt. Hohe Formkosten und geringe<br />
Loskosten machen das Verfahren erst bei<br />
mehr als fünfstelligen Stückzahlen rentabel.<br />
Das Gehäuse ist auf das entsprechende<br />
Kameramodell abgestimmt und bietet alle<br />
Funktionen der Kamera über Tasten oder<br />
Drehräder an. Bei Gehäusen für Kompaktkameras<br />
ist die optische Schnittstelle eine<br />
Planglasscheibe in einem fix eingebauten<br />
Port. Das transparente Gehäuse gestattet<br />
die Kontrolle der Dichtungen und lässt<br />
frühzeitig einen Wassereinbruch erkennen.<br />
Es erlaubt aber auch, dass Streulicht an die<br />
Innenseite der Portscheibe gelangt. Das<br />
kann störende Reflexe zur Folge haben.<br />
104
KAPITEL 2<br />
FASZINIERENDE<br />
UNTER WASSERWELT<br />
In kaltem Wasser kann es bei diesem Gehäusetyp<br />
leicht vorkommen, dass die Portscheibe<br />
innen beschlägt. Das Glas der Portscheibe<br />
kühlt schneller ab als das Plexiglas<br />
des Gehäuses. Daher kondensiert die Restfeuchtigkeit<br />
aus der Luft im Gehäuse auf der<br />
einzigen Fläche, auf der es wirklich stört.<br />
Der Effekt kann durch Trocknung der Luft im<br />
Gehäuse mit Silicagel-Beuteln vermieden<br />
werden. Tauchen Sie vom Ufer aus, können<br />
Sie das Gehäuse einige Zeit lang ins Wasser<br />
legen, um es an die Kälte anzupassen. Nutzen<br />
Sie die Zeit, in der Sie Ihre Tauchausrüstung<br />
für den Einsatz vorbereiten, und verringern<br />
Sie so die Gefahr des Beschlagens.<br />
Die Gehäuse der Olympus-E-Serie und der<br />
Pen-Serie neigen überraschend wenig zum<br />
Beschlagen. Sie haben den Härtetest im<br />
Bergsee bei Wassertemperaturen von 4 bis<br />
10 °C problemlos bestanden.<br />
Gehäuse aus Carbonfaser<br />
Einige Gehäusehersteller verwenden kohlefaserverstärkte<br />
Harze zum Bau des Gehäusekörpers.<br />
Die aus dem Rennsport bekannten<br />
Materialien eignen sich gut für diesen<br />
Zweck. Das Verfahren erfordert Formen,<br />
über die die Gehäusekörper modelliert<br />
werden. Daher werden oft Einheitsgrößen<br />
angeboten, in die je nach verwendeter Kamera<br />
Bedienelemente eingearbeitet werden.<br />
Auch ein nachträgliches Ändern oder<br />
der Einbau weiterer Bedienelemente ist bei<br />
diesem Typ einfach. Die Technik ist daher<br />
für Prototypen oder Kleinstserien geeignet.<br />
Eine exakte Anpassung an die Kamera ist<br />
hingegen mit höherem Aufwand verbunden.<br />
Thermisch verhalten sich diese Gehäuse<br />
ähnlich wie die aus Plexiglas. Sie neigen<br />
im Kaltwasser ebenfalls zum Beschlagen<br />
der Glasflächen, sofern sie nicht mit einer<br />
die Feuchtigkeit bindenden Beflockung ausgekleidet<br />
sind.<br />
Gehäuse aus Aluminium<br />
Ein Kameragehäuse aus einem Aluminiumblock<br />
zu fräsen, ist die teuerste Variante<br />
und kann schnell das Doppelte der Kamera<br />
kosten, die darin Platz findet. Sie erlaubt<br />
aber eine optimale Anpassung an die Bedürfnisse<br />
der Kamera und des Fotografen.<br />
Man findet diesen Gehäusetyp daher fast<br />
ausschließlich bei Spiegelreflexkameras der<br />
gehobenen Preisklasse. Da das Aluminium<br />
Kälte besser leitet als Glas, ist bei diesen<br />
Gehäusen Beschlagen kein Thema. Meist<br />
sind sie auch zusätzlich mit einer die Feuchtigkeit<br />
bindenden Beflockung ausgestattet,<br />
die außerdem Reflexe minimiert. Um den<br />
Einsatz in Salzwasser schadlos zu überstehen,<br />
muss Aluminium eloxiert werden.<br />
Durch das Zusammentreffen unterschiedlicher<br />
Metalle, wie Aluminium, Messing oder<br />
Stahl, bildet sich im Kontakt mit Salzwasser<br />
UNTERWASSERGEHÄUSE<br />
RICHTIG LAGERN<br />
Für die Lagerung von Unterwassergehäusen<br />
gilt Ähnliches wie für die<br />
restliche Fotoausrüstung. Bewahren<br />
Sie das Gehäuse an einem trockenen,<br />
dunklen Ort bei Zimmertemperatur<br />
auf. Sorgen Sie dafür, dass das<br />
Gehäuse vor der Lagerung komplett<br />
getrocknet und sauber ist. Pflegen Sie<br />
die Dichtungen wie vor einem Einsatz.<br />
Lagern Sie die O-Ringe der Hauptdichtungen<br />
getrennt und schließen<br />
Sie den Gehäusedeckel nicht ganz.<br />
Sie verhindern damit eine Materialermüdung<br />
der Dichtungen.<br />
105
eine Batterie, wobei das jeweils unedlere<br />
Metall durch den Stromfluss angegriffen<br />
wird und korrodiert. Hier liegt auch einer der<br />
Nachteile dieses Gehäusetyps. Kleine Schäden<br />
an der Oberfläche können sich durch<br />
Korrosion ausweiten und so zum Problem<br />
werden. Gründlich gereinigte und entfettete<br />
Schadstellen schützen Sie mit Lack gegen<br />
weitere Korrosion.<br />
Licht in der Dunkelheit<br />
Kamera, Objektiv und Unterwassergehäuse<br />
reichen allein aber in den seltensten Fällen<br />
für zufriedenstellende Ergebnisse aus. Erst<br />
Blitzgeräte, Lampen und ein paar kleine Hilfen<br />
machen die Fotoausrüstung komplett.<br />
Wasser filtert Licht je nach Wellenlänge unterschiedlich<br />
stark. Das langwellige Ende des<br />
Spektrums wird dabei deutlich stärker gefiltert<br />
als das kurzwellige Ende. Daher fehlen<br />
nach wenigen Metern Tiefe bereits merklich<br />
die roten Anteile des Lichts. Befinden sich<br />
zusätzlich Schwebstoffe im Wasser, ist die<br />
Filterwirkung stärker und kann zu weiteren<br />
Farbverschiebungen führen. Diese Gesetzmäßigkeit<br />
gilt nicht nur für das Sonnenlicht,<br />
sie gilt auch für Kunstlicht, das Sie in Form<br />
von Lampen und Blitzlicht zum Aufhellen<br />
verwenden. Selbst bei ausreichend hoher<br />
Leistung ist daher die nutzbare Reichweite<br />
einer Lichtquelle durch die Filterwirkung des<br />
Wassers begrenzt. Mit zunehmender Tiefe<br />
verblassen nicht nur die Farben, es wird<br />
auch allgemein dunkler. Ein Grund, um Ihre<br />
Ausrüstung um eine Lichtquelle zu erweitern.<br />
Mit Kunstlicht können Sie diesen Effekt<br />
im Nahbereich kompensieren.<br />
Blitzlicht<br />
Das Licht aus Elektronenblitzen weist ein<br />
Spektrum auf, das dem Sonnenlicht sehr<br />
ähnlich ist. Es gehört daher zu den am meisten<br />
verwendeten Lichtquellen und zeichnet<br />
sich durch knackige Farben und eine hohe<br />
Intensität aus. Für die Dosierung der Lichtmenge<br />
haben sich zwei Verfahren etabliert:<br />
die automatische Messung durch das Kameraobjektiv,<br />
TTL (Through The Lens), und<br />
die manuelle Einstellung der Blitzleistung.<br />
Bei der Wahl des Blitzes stehen Sie vor der<br />
Entscheidung zwischen Systemblitz und Amphibienblitz.<br />
Während Systemblitze optimal<br />
auf die Kamera abgestimmt sind, punkten<br />
spezialisierte Amphibienblitze bei Leistung<br />
und Leuchtwinkel. Systemblitze stellen einen<br />
guten Kompromiss im Nahbereich dar, zur<br />
Ausleuchtung von Weitwinkel- oder Fisheye-<br />
Aufnahmen mangelt es ihnen an Leistung<br />
und Leuchtwinkel.<br />
Das TTL-Verfahren zur Blitzbelichtung gehört<br />
bei Analogkameras zum unverzichtbaren Luxus.<br />
Die für Digitalkameras eingesetzten Methoden<br />
der Lichtmessung unterscheiden sich<br />
jedoch grundlegend von denen für Film. Den<br />
Blitz bei offenem Verschluss zu zünden, die<br />
vom Motiv reflektierte Lichtmenge zu messen<br />
und den Blitz beim Erreichen eines Schwellenwerts<br />
abzuschalten, funktioniert nicht mit digitalen<br />
Sensoren. Diese simple und effektive<br />
Methode der Belichtungssteuerung musste<br />
durch einen aufwendigen Ablauf ersetzt werden,<br />
der in mehreren Stufen erfolgt. Sekundenbruchteile<br />
vor der eigentlichen Aufnahme<br />
löst die Kamera ein oder zwei sehr kurze<br />
Blitze, sogenannte Vor- oder Messblitze, aus.<br />
Diese dienen der Messung der notwendigen<br />
Lichtmenge. Erst danach wird der Verschluss<br />
geöffnet und der Blitz entsprechend den zuvor<br />
gemessenen Parametern für die eigentliche<br />
Belichtung gezündet.<br />
Um sich für dieses Verfahren zu eignen,<br />
muss ein Blitzgerät in der Lage sein, in sehr<br />
kurzer Folge mehrere Blitze unterschiedlicher<br />
Intensität abzugeben. Viele Herstel-<br />
106
KAPITEL 2<br />
FASZINIERENDE<br />
UNTER WASSERWELT<br />
ler von Amphibienblitzen haben ihre Produktpalette<br />
in den letzten Jahren an diese<br />
Notwendigkeit angepasst. Ältere Modelle<br />
scheitern oft an den notwendigen kurzen<br />
Intervallen zwischen Vorblitzen und Hauptblitz.<br />
Eine zusätzliche Hürde für die Ansteuerung<br />
mittels TTL sind die verwendeten digitalen<br />
Protokolle, mit denen Kameras und<br />
Blitzgeräte Informationen austauschen.<br />
Diese Protokolle sind herstellerspezifisch<br />
und können sich auch von Modell zu Modell<br />
leicht unterscheiden.<br />
Amphibienblitze verwenden meist die sehr<br />
weit verbreitete Ansteuerung, die für die<br />
Nikonos entwickelt wurde. Sie besteht aus<br />
einfachen Schaltbefehlen zum Zünden und<br />
Abschalten des Blitzlichts. Um die komplexe<br />
„Unterhaltung“ digitaler Protokolle<br />
in einfache Schaltbefehle für den Blitz zu<br />
wandeln, wurden TTL-Adapter entwickelt.<br />
Sie übernehmen die Umsetzung der Kamerabefehle<br />
und können eine breite Palette<br />
an Amphibienblitzen schalten. In manchen<br />
Blitzen ist ein solcher Adapter bereits<br />
eingebaut, andere Lösungen bevorzugen<br />
zwecks einfacher Wartung einen Adapter<br />
im Kameragehäuse. Trotz der immer besser<br />
abgestimmten Bewertungsregeln für<br />
die Belichtung scheitert die Automatik an<br />
mancher Situation im Wasser. Die Lichtverhältnisse<br />
weichen gelegentlich zu stark<br />
von den erwarteten Szenarien ab, und die<br />
Automatik entscheidet sich für falsche Parameter.<br />
Dann hilft nur, Korrekturfaktoren<br />
zu ermitteln oder manuell zu blitzen.<br />
Die Möglichkeit zur exakten Belichtungskontrolle<br />
mittels Histogramm hat die TTL-<br />
Messung beim Blitzen mit Digitalkameras<br />
entbehrlich gemacht. Anstatt in umfangreiche<br />
technische Lösungen zu investieren,<br />
reicht eine kurze Kontrolle des Histogramms,<br />
um die notwendige Leistungseinstellung am<br />
Blitzgerät zu ermitteln. Sehr hilfreich ist es<br />
in diesem Fall, wenn die Leistung des Blitzgeräts<br />
in mehreren Stufen einstellbar ist. Ein<br />
Bereich von 4 bis 5 EV ist ideal, 3 EV in Stufen<br />
zu 1 EV reichen für viele Anwendungen aus.<br />
Halogenlicht<br />
Mit einer Farbtemperatur von 3.000 bis<br />
4.500 K hat Halogenlicht einen höheren<br />
Rotanteil als Tageslicht. Es wirkt weicher<br />
und erzeugt weniger knackige Farben und<br />
Kontraste als Blitzlicht. Es ist als Dauerlicht<br />
auch gut als Fokussierhilfe zu gebrauchen.<br />
Sein Hauptanwendungsgebiet sind Videoaufnahmen.<br />
Für die reine Fotografie hat es<br />
eine untergeordnete Bedeutung.<br />
Die Intensität liegt weit unter der von Blitzlicht.<br />
Dazu ein kleines Rechenbeispiel: Ein<br />
durchschnittliches Blitzgerät mit einer Leistung<br />
von 60 Ws benötigt weniger als 0,02<br />
Sekunden für einen Blitz. Das entspricht der<br />
Lichtmenge von 3.000 W Halogenlicht während<br />
einer Belichtungszeit von 1/50 Sekunde,<br />
wobei der unterschiedliche Wirkungsgrad<br />
von Halogenleuchte und Blitzröhre in dieser<br />
Berechnung vernachlässigt wird.<br />
Das Ausleuchten von Weitwinkelaufnahmen<br />
ist daher nur begrenzt möglich. Kaltlichtspiegellampen<br />
eignen sich besonders<br />
gut für Foto und Video. Sie sind in Abstrahlwinkeln<br />
zwischen 10 und 60° erhältlich und<br />
zeichnen sich durch eine sehr gleichmäßige<br />
Ausleuchtung und einen sanften Helligkeitsabfall<br />
zum Rand hin aus. Zwei dimmbare<br />
Leuchten mit 30 bis 60 W Nennleistung<br />
sind ein guter Kompromiss zwischen<br />
Helligkeit, Gewicht und Volumen. Leuchtmittel<br />
mit speziellem Aufbau (z. B. Osram<br />
IRC) liefern bei gleichem Verbrauch deutlich<br />
mehr Licht. So haben Sie bei gleicher<br />
Akkukapazität die Möglichkeit, heller oder<br />
länger zu beleuchten.<br />
107
108<br />
LED-Licht<br />
Hohe Energieeffizienz, geringe Abwärme<br />
und die Robustheit der Leuchtmittel fördern<br />
die Verbreitung von LEDs als Lichtquellen.<br />
Nicht alle Typen weisen ein ausreichend kontinuierliches<br />
Farbspektrum auf. Das bewirkt<br />
falsche Farben oder Schwächen in der Ausleuchtung<br />
bei bestimmten Farbtönen. Die<br />
meisten LEDs haben einen engen Abstrahlwinkel.<br />
Eine gleichmäßige flächige Beleuchtung<br />
erfordert erhöhten Aufwand und Sorgfalt<br />
bei der Herstellung von LED-Lampen.<br />
Hochwertige Strahler können sehr effektvolles<br />
und effizientes Licht liefern, das gut<br />
für Nahaufnahmen eingesetzt werden kann.<br />
Neutralweiße LEDs zeigen die natürlichste<br />
Farbdarstellung. Viele LED-basierte Leuchten<br />
sind wegen ihrer ungleichmäßigen Helligkeitsverteilung<br />
und einem engen Lichtkegel<br />
nur als Hilfe zum Fokussieren zu verwenden,<br />
ihre Farbcharakteristik und Lichtverteilung<br />
disqualifiziert sie als Fotolicht.<br />
Als Fokushilfslicht eignen sich besonders<br />
jene LED-Lampen, die mit einem Helligkeitssensor<br />
ausgestattet sind, der sie beim<br />
Zünden eines Blitzlichts für ungefähr eine<br />
Sekunde abschaltet. So helfen diese Leuchten<br />
beim Fokussieren und verhindern durch<br />
das Abschalten unvorteilhafte Lichteffekte<br />
in der Aufnahme.<br />
HID-Licht<br />
In der Medizin- und Automobiltechnik verbreitet,<br />
führen diese Lichtquellen unter<br />
Wasser ein Schattendasein. Obwohl das von<br />
ihnen abgegebene Licht dem Sonnenlicht in<br />
Spektrum und Farbtemperatur sehr ähnlich<br />
ist und der Verbrauch deutlich unter dem<br />
von Halogenlampen liegt, wird HID-Licht<br />
kaum verwendet. Gründe dafür sind die hohen<br />
Kosten und die Anfälligkeit der Leuchtmittel<br />
sowie deren begrenzte Lebensdauer.<br />
HID-Lampen kommen gelegentlich beim<br />
technischen Tauchen zum Einsatz.<br />
Farbkorrekturfilter<br />
Es gibt Situationen, in denen Kunstlicht<br />
nicht verwendet werden kann. Bei Tiefen bis<br />
zu 10 m können Farbkorrekturfilter das Bildergebnis<br />
verbessern. Bis dorthin sind noch<br />
Teile des roten Spektrums vorhanden. Sie<br />
sind aber gegenüber den verbleibenden Anteilen<br />
des Spektrums verschwindend gering.<br />
Ein Farbkorrekturfilter kann dieses Ungleichgewicht<br />
kompensieren. Diese Filter schwächen<br />
die dominanten Grün- und Blauanteile<br />
ab, während sie die Rotanteile ungehindert<br />
passieren lassen. Das Ergebnis ist ein ausgeglichenes<br />
Spektrum. Natürlich kann man<br />
kleine Farbkorrekturen auch nachträglich<br />
am Computer durchführen. Eine bei Tiefen<br />
von 5 bis 10 m übliche Differenz von bis zu<br />
2 EV zwischen rotem und blauem bzw. grünem<br />
Farbkanal erfordert zur Korrektur eine<br />
extreme Verstärkung im roten Kanal. Das<br />
bewirkt ein übermäßiges Farbrauschen, das<br />
sich in Artefakten wie roten Flecken im Bild<br />
manifestiert. Durch die Verwendung eines<br />
Korrekturfilters verschieben sich die Belichtungsdaten<br />
um bis zu 2 EV. Die Balance<br />
zwischen den Farbkanälen wird annähernd<br />
hergestellt. Die verbleibende Abweichung<br />
kann leicht ohne sichtbare Folgen im Bild bei<br />
der Bearbeitung korrigiert werden.<br />
Der Einsatz von Farbkorrekturfiltern bietet<br />
sich vor allem bei Weitwinkel- und Fisheye-<br />
Objektiven an. Es schafft eine natürlich anmutende<br />
farbliche Tiefe, die mit Kunstlicht<br />
nicht erreichbar ist. Manche Objektive, besonders<br />
Fisheyes, erlauben keine Montage<br />
eines Filters vor der Frontlinse. Eine Filterfolie,<br />
die an der Rückseite des Objektivs<br />
platziert wird, ist oft die einzige Lösung. Hat<br />
ein Objektiv keine dafür vorgesehene Halterung,<br />
kann man die Filterfolie mit einem<br />
versteifenden Rahmen im Spiegelkasten der<br />
Kamera montieren. Wenn Sie Farbkorrekturfilter<br />
und Blitzlicht kombinieren, erzeugt
KAPITEL 2<br />
FASZINIERENDE<br />
UNTER WASSERWELT<br />
der Blitz einen Rotstich, weil sein Licht wegen<br />
des geringen Wegs überkompensiert<br />
ist. Für die Kombination von Filter und Blitz<br />
müssen Sie den Blitz mit einem passenden<br />
blauen Filter, abhängig vom Lichtweg, dem<br />
natürlichen Licht im Wasser anpassen.<br />
Kleine Helfer immer dabei<br />
Damit Sie die Kamera sicher an Ihrer Tarierweste<br />
befestigen können, empfiehlt sich ein<br />
Spiralfederzug. Die bei diesen Spiralfedern<br />
üblichen Karabiner aus Plastik sind klein und<br />
mit Handschuhen schlecht zu bedienen. Ersetzen<br />
Sie den Plastikkarabiner durch einen<br />
Karabiner aus dem Bergsport. Deren Größe<br />
und Griffigkeit gewährleistet selbst mit dicken<br />
Handschuhen eine gute Handhabung.<br />
Wollen Sie sicherstellen, dass sich der Karabiner<br />
nicht versehentlich durch Verdrehen<br />
ausklinkt und löst, verwenden Sie zwei Karabiner,<br />
die gegengleich eingehängt werden.<br />
Schraubkarabiner sind für den Einsatz im<br />
Wasser wenig geeignet, ebenso Karabiner<br />
mit Sicherungshülsen oder Schiebern. Sie<br />
verkleben leicht im Salzwasser und sind anfällig<br />
für Sand, der sie blockieren kann. Gleiches<br />
gilt für Schnappkarabiner herkömmlicher<br />
Bauart. Die Feder im Verschluss leidet<br />
schnell unter den im Wasser vorherrschenden<br />
Bedingungen.<br />
Die wie eine Büroklammer wirkenden<br />
Schnappkarabiner haben sich im Wasser<br />
bewährt. Der Mechanismus ist einfach,<br />
leicht auf korrekte Funktion überprüfbar<br />
und weitgehend selbstreinigend. Zur Pflege<br />
reicht es, den Karabiner mit Frischwasser<br />
abzuspülen und gelegentlich mit Silikonfett<br />
zu schmieren. Schadstellen durch Kontaktkorrosion<br />
entstehen erst nach jahrelangem<br />
intensivem Einsatz. Schäden sind bei dieser<br />
Konstruktion, im Gegensatz zu anderen<br />
Karabinern, leicht zu entdecken und treten<br />
meist nur an den Berührungspunkten von<br />
Farbkorrekturfilter für die Montage im Spiegelkasten von Olympus-<br />
E-System-Kameras. Diese Lösung funktioniert mit jedem Objektiv.<br />
(Bezugsquelle: mike-dive)<br />
Spiralfederzüge mit Metallkarabinern aus der Bergsportabteilung.<br />
Modelle mit Drahtbügel bleiben im Wasser jahrelang einsatzfähig.<br />
Klassische Schnappkarabiner haben eine Feder im Bügel, die sich<br />
durch Sand und Salz leicht verklemmt.<br />
109
Dieser Anblick möge<br />
Ihnen erspart bleiben.<br />
Blick durch den gefluteten<br />
Domeport, das Wasser<br />
reicht fast bis zum<br />
Objektiv. Als Fehlerquelle<br />
konnten die Gurt-Ösen<br />
identifiziert werden, die<br />
ein korrektes Schließen<br />
des Gehäuses verhinderten.<br />
Ein klassischer<br />
Bedienungsfehler.<br />
Drahtbügel und Körper auf. Ersetzen Sie<br />
den Karabiner, wenn die Korrosion so weit<br />
fortgeschritten ist, dass der Karabiner nicht<br />
mehr zuverlässig schließt. Eine breite Auswahl<br />
an Karabinern aus Aluminium finden<br />
Sie in der Bergsportabteilung.<br />
Karabiner aus Stahl halten zwar ewig, sie sind<br />
aber bei gleicher Größe deutlich schwerer<br />
und teurer. Ihre Mechanik ist häufig anfällig<br />
bei Sand und Schlamm. Sie sind im Bootszubehörhandel<br />
erhältlich.<br />
Nicht immer ist es möglich und sinnvoll,<br />
ein Motiv frei schwebend ins Visier zu nehmen.<br />
Sie minimieren in manchen Situationen<br />
das Risiko eines Schadens in der Natur,<br />
wenn Sie sich anstatt durch Flossenschlag<br />
durch Kontakt zum Boden fixieren. Um diesen<br />
Kontakt möglichst schonend für die<br />
Umwelt zu gestalten, benötigen Sie einen<br />
einfachen Zelthering mit Öse, der an einem<br />
Spiralfederzug befestigt ist. Damit können<br />
Sie sich mit minimalem Kontakt abstützen<br />
und die Kamera stabil halten. Der Zelthering<br />
funktioniert auch ganz gut als Zeigestab.<br />
Bei der Suche nach winzigen Motiven<br />
im Makrobereich bringt eine Unterwasserlupe<br />
bis zu 2,5-fache Vergrößerung. Normale<br />
Lupen haben im Wasser wenig Wirkung.<br />
Der Brechungsindex von Glas und<br />
Wasser liegt so nahe beisammen, dass die<br />
optische Wirkung verloren geht.<br />
Kamerapflege und Wartungstipps<br />
Ein Sprichwort sagt: Es gibt zwei Gruppen<br />
von Tauchern. Die eine hat ihre Kamera<br />
schon einmal geflutet, die andere wird es<br />
einmal tun. Der häufigste Grund für Wassereinbruch<br />
im Gehäuse sind Bedienungsfehler,<br />
gefolgt von falscher Wartung. Gute<br />
Planung, ausreichend Zeit und ein schrittweise<br />
aufgebauter Ablauf der vorbereitenden<br />
Arbeiten am Gehäuse helfen, Fehler zu<br />
vermeiden. Stellen Sie sich eine Checkliste<br />
zusammen, die Sie vor dem Tauchgang abarbeiten.<br />
Binden Sie die Überprüfung Ihrer<br />
Kameraausrüstung in den obligatorischen<br />
Buddy-Check der Tauchausrüstung ein.<br />
Dichtungen<br />
Für die Abdichtung des Gehäuses werden<br />
O-Ringe eingesetzt. Die Hauptdichtung<br />
am Gehäusedeckel ist die größte und auch<br />
jene, die vom Anwender regelmäßig gewartet<br />
werden muss. Das gilt bei Gehäusen mit<br />
Wechselports auch für die Portdichtungen.<br />
Weitere meist unauffällig verbaute O-Ringe<br />
finden sich in den Durchführungen von Tasten<br />
und Stellrädern. Ihre Pflege übersteigt<br />
die Möglichkeiten der meisten Anwender<br />
und sollte durch Hersteller oder qualifiziertes<br />
Servicepersonal erfolgen. Je nach Typ<br />
der Dichtungen liegen die Serviceintervalle<br />
zwischen zwei und vier Jahren.<br />
Ein O-Ring dichtet, indem er satt zwischen<br />
den Dichtflächen eingeklemmt wird. Sand,<br />
Staub, Haare, Salzkristalle oder andere<br />
Fremdkörper führen dazu, dass sich zwischen<br />
O-Ring und Dichtfläche ein Spalt bilden<br />
kann, durch den Wasser eindringt. Ein<br />
häufiger Fehler bei der Wartung ist übermäßiges<br />
Schmieren. Zu viel Fett kann auch<br />
dazu führen, dass Wasser den Weg ins Gehäuse<br />
findet. Die ideale Menge erkennen<br />
Sie daran, dass sich der O-Ring seidenmatt<br />
anfühlt. Geben Sie etwas Fett auf Ihre Fin-<br />
110
KAPITEL 2<br />
FASZINIERENDE<br />
UNTER WASSERWELT<br />
gerspitzen und ziehen Sie den O-Ring vorsichtig<br />
durch die sanft angepressten Finger.<br />
Verteilen Sie das Fett gleichmäßig und verwenden<br />
Sie ein flusenfreies Tuch, um überschüssiges<br />
Fett abzustreifen.<br />
Das Durchziehen des O-Rings ist gleichzeitig<br />
eine Kontrolle der Oberfläche. Achten<br />
Sie auf Risse, spröde Stellen und andere<br />
Verletzungen des O-Rings. Ist dieser beschädigt,<br />
muss er unbedingt ausgetauscht<br />
werden. Verwenden Sie nur Schmiermittel,<br />
die vom Hersteller für die Dichtungen empfohlen<br />
werden. Unpassende Schmiermittel<br />
können zum Aufquellen oder Zersetzen von<br />
O-Ringen führen. Ebenso sollten Sie als Ersatz<br />
nur O-Ringe gleicher Bauart, Härte und<br />
Abmessung verwenden, um die Dichtwirkung<br />
nicht zu gefährden.<br />
Nicht bewegte O-Ringe kleben nach einiger<br />
Zeit fest. Das betrifft besonders jene, die<br />
Taster und Stellräder abdichten. Drücken<br />
Sie daher alle Tasten und bewegen Sie alle<br />
WARTUNGSHINWEIS<br />
Zu viel Schmiere flutet die Kamera!<br />
Hüten Sie sich vor zu viel Fett auf den<br />
O-Ringen. Fett lässt die Dichtung<br />
gleiten, ebnet aber auch Wasser den<br />
Weg ins Gehäuse. Ein hauchdünner,<br />
seidenmatter Schmierfilm pflegt<br />
den O-Ring und gewährleistet eine<br />
gute Dichtun g. Verwenden Sie nur<br />
Schmiermittel, die vom Hersteller für<br />
die Dichtungen empfohlen werden.<br />
Unpassende Schmiermittel können<br />
zum Aufquellen oder Zersetzen von<br />
O-Ringen führen.<br />
Stellräder am Gehäuse, wenn Sie dieses<br />
einige Zeit nicht benutzt haben. Sie sollten<br />
das Gehäuse nur dann verwenden, wenn<br />
sich alle Bedienelemente leichtgängig bewegen<br />
lassen.<br />
Reinigung<br />
Salzwasser bildet beim Trocknen Kristalle<br />
aus. Ihr Wachstum ist in der Lage, Dichtungen<br />
auszuhebeln. Dadurch kann Feuchtigkeit<br />
ins Gehäuse gelangen. Dieser Fall tritt<br />
besonders dann auf, wenn das Gehäuse ungespült<br />
trocknet und danach in ein Spülbecken<br />
getaucht wird. Der dort herrschende<br />
geringe Wasserdruck reicht nicht aus, den<br />
O-Ring satt an die Dichtflächen zu pressen.<br />
Sickerwasser findet so leicht einen Weg ins<br />
Innere des Gehäuses.<br />
Spülen Sie das Gehäuse unmittelbar nach<br />
jedem Einsatz gründlich mit Süßwasser.<br />
Haben Sie keine Gelegenheit dazu, halten<br />
Sie das Gehäuse möglichst durchgehend<br />
nass, bis Sie es spülen können. Sie verhindern<br />
dadurch wirksam das Wachsen von<br />
Salzkristallen. Verwenden Sie keine scheuernden<br />
Putzmittel. Wenn es die Herstellerangaben<br />
zulassen, können Sie für die Entfernung<br />
hartnäckiger Verschmutzung auch<br />
Spülmittel verwenden. Zum Abtrocknen<br />
des Gehäuses eignet sich ein flusenfreies<br />
Tuch. Mikrofasertücher haben sich dafür<br />
besonders bewährt. Öffnen Sie das Gehäuse<br />
erst, wenn es trocken ist. Sie verhindern<br />
so, dass Wasser beim Öffnen ins Innere<br />
tropft und die Kamera beschädigt. Reinigen<br />
Sie die Nut der Hauptdichtung mit einem<br />
Tuch, um Sand, Schlamm, Schwebstoffe<br />
oder Salzkristalle zu beseitigen.<br />
111
Ihre Gesundheit steht an erster Stelle<br />
Keine Kamera ist mehr wert als Ihre Gesundheit.<br />
Tauchen Sie nie schneller auf, als<br />
es Ihr Tauchprofil erlaubt. Wenn Sie während<br />
des Tauchgangs feststellen, dass Ihr<br />
Gehäuse undicht ist, bewahren Sie Ruhe.<br />
Panik kann in dieser Situation Ihre Gesundheit<br />
ernsthaft gefährden.<br />
Halten Sie das Gehäuse so, dass sich das<br />
Wasser an einer Stelle sammelt, an der es<br />
möglichst wenig Schaden anrichten kann.<br />
Schalten Sie die Kamera und alles Zubehör<br />
ab. Versuchen Sie, die Kameraakkus<br />
trocken zu halten. Akkus haben die unangenehme<br />
Eigenschaft, ein Vielfaches ihres<br />
Volumens an Gas zu entwickeln, wenn sie<br />
nass werden. Dadurch kann ein Gehäuse im<br />
Extremfall sogar bersten.<br />
Zurück an der Oberfläche, öffnen Sie das<br />
Gehäuse und lassen das eingetretene Wasser<br />
auslaufen. Entfernen Sie alle Akkus und<br />
Batterien. Spülen Sie das Gehäuse und alle<br />
mit Salzwasser in Kontakt gekommenen Teile<br />
mit sauberem Süßwasser. Verwenden Sie,<br />
wenn verfügbar, destilliertes Wasser. Es löst<br />
Mineralstoffe und Salz optimal. Geben Sie<br />
der Elektronik ausreichend Zeit zum Trocknen,<br />
mindestens eine, besser zwei Wochen.<br />
Sie unterstützen die Trocknung, indem Sie<br />
die betroffenen Geräte in einem klimatisierten<br />
Raum mit trockener Luft lagern.<br />
Fliegen mit der Fotoausrüstung<br />
Fliegen mit der Fotoausrüstung will gut geplant<br />
sein. Die Entscheidung darüber, welche<br />
Teile der Ausrüstung aufgegeben werden<br />
müssen und was ins Handgepäck darf,<br />
können Sie den Transportvorschriften der<br />
IATA (Internationale Vereinigung der Luftfahrtunternehmen)<br />
entnehmen. Tauchen<br />
Sie vorwiegend in heimischen Gewässern,<br />
reicht für den Transport Ihrer Fotoausrüstung<br />
eine feste Tasche oder Transportbox.<br />
Fotografieren Sie aber auch in tropischen<br />
Regionen, müssen Sie Ihre Fotoausrüstung<br />
flugtauglich verpacken. Eine Kompaktkamera<br />
mit Gehäuse und Blitz findet leicht<br />
im Handgepäck Platz. Eine umfangreiche<br />
Ausrüstung aus Spiegelreflexkamera, Objektiven,<br />
Gehäuse, Ports und Blitzanlage<br />
überschreitet oft die zulässigen Limits bei<br />
Gewicht und Abmessungen. Die aktuellen<br />
Gewichtsgrenzen liegen je nach Fluglinie in<br />
der Economy-Klasse für ein Gepäckstück<br />
bei 6 bis 8 kg. Die maximalen Abmessungen<br />
für kabinentaugliches Gepäck sind bei<br />
den meisten europäischen Fluglinien mit<br />
55 x 40 x 20 cm angegeben.<br />
Unbedingt ins Handgepäck<br />
Tauchlampen und Blitzgeräte gelten als Gefahrgut.<br />
Für sie gelten spezielle Regelungen,<br />
die vorschreiben, dass diese Geräte mit demontiertem<br />
Akku oder Leuchtmittel und<br />
Einschaltsicherung im Handgepäck transportiert<br />
werden müssen. Der Grund dafür<br />
ist die Hitzeentwicklung im Fall eines Kurzschlusses.<br />
Sie kann zur Entzündung umliegender<br />
Gegenstände führen. Ein Problem,<br />
das während des Flugs in der Passagierkabine<br />
leichter zu lösen ist als im Frachtraum.<br />
Auch mindestens eine Kamera, die dazugehörigen<br />
Akkus, Speicherkarten und ein universelles<br />
Objektiv sollten im Handgepäck<br />
Platz finden. Sonst kann es passieren, dass<br />
Ihr Urlaub ganz ohne Bilder endet. Verwenden<br />
Sie weiche Taschen oder Rucksäcke für<br />
das Handgepäck.<br />
112
KAPITEL 2<br />
FASZINIERENDE<br />
UNTER WASSERWELT<br />
Was man aufgeben kann<br />
Es gibt schon einen guten Grund dafür, dass<br />
man die Überlassung von Gepäckstücken<br />
an eine Fluglinie als „aufgeben“ bezeichnet.<br />
Wer mit Tauchausrüstung reist, hat aber<br />
kaum eine andere Wahl und meist Übergepäck.<br />
Packen Sie nur robuste Ausrüstungsgegenstände<br />
ins aufgegebene Gepäck.<br />
Schützen Sie Empfindlicheres, indem Sie es<br />
zwischen Kleidungsstücke packen. Ist Ihre<br />
Ausrüstung so umfangreich, dass Sie auch<br />
Kamera, Gehäuseteile oder Objektive aufgeben<br />
müssen, wählen Sie eine robuste Verpackung.<br />
Ein Pelicase oder eine Zarges-Box,<br />
innen gepolstert mit ausreichend Schaumstoff,<br />
schützt Ihre wertvolle Ausrüstung<br />
zuverlässig. Das wissen in der Zwischenzeit<br />
auch Diebe. Packen Sie daher diese Behälter<br />
mit etwas Füllmaterial, z. B. Handtüchern<br />
oder Wäsche, in eine unauffällige Sporttasche<br />
oder einen Sack.<br />
Zum Verschließen aufgegebener Gepäckstücke<br />
sollten Sie nur TSA-taugliche Schlösser<br />
verwenden. Diese können bei Kontrollen,<br />
bevorzugt in den USA, mit Spezialschlüsseln<br />
geöffnet werden. Anderen Schlössern droht<br />
bei Gepäckkontrollen der Bolzenschneider.<br />
Parallel zum Schloss sollten Sie an einer Stelle<br />
einen Kabelbinder anbringen. Drucken Sie<br />
„please close with zip tie when you’re done“<br />
(bitte wieder mit Kabelbinder verschließen)<br />
auf ein Blatt Papier. Kleben Sie rote Kabelbinder<br />
mit Klebeband auf das Blatt und legen Sie<br />
es gut sichtbar obenauf ins Gepäck. Verwenden<br />
Sie grüne Kabelbinder, um das Gepäckstück<br />
vor dem Aufgeben zu sichern. Sie sehen<br />
dadurch sofort, wenn jemand Ihr Gepäck<br />
geöffnet hat. Die Kontrollorgane verschließen<br />
meist Ihr Gepäckstück wie gewünscht.<br />
Oft legen sie dabei auch einen Hinweis auf<br />
die erfolgte Kontrolle dazu. Vergessen Sie<br />
nicht, ausreichend Kabelbinder und Hinweiszettel<br />
für die Heimreise oder Teilstrecken mit<br />
neuerlichem Einchecken ins Handgepäck zu<br />
packen.<br />
Fluglinien ersetzen verloren gegangenes<br />
oder beschädigtes Gepäck nach Gewicht.<br />
Tauch- und Fotoausrüstung wird bei den<br />
üblichen Raten unter dem Schrottpreis abgegolten.<br />
Wenn Sie Ihre Ausrüstung zur<br />
Abfederung des finanziellen Schadens versichern,<br />
achten Sie darauf, dass die Versicherung<br />
auch dann zahlt, wenn Sie das<br />
versicherte Gut beim Fliegen aufgeben.<br />
Viele Versicherungen klammern diesen Fall<br />
im Kleingedruckten aus. Eine Versicherung<br />
hilft Ihnen zwar meist nicht schnell genug,<br />
dass Sie während Ihrer Reise wieder fotografieren<br />
können, sie mildert aber auf jeden<br />
Fall den Ärger der Wiederbeschaffung.<br />
NICHT IM HANDGEPÄCK<br />
UND DOCH SICHER<br />
Alles, was Sie am Körper tragen,<br />
zählt nicht zum Handgepäck. Nur in<br />
sehr kleinen Flugzeugen werden Sie<br />
selbst samt Gepäck gewogen. Seien<br />
Sie also kreativ bei der Auswahl der<br />
Kleidung. Fotowesten und Hosen mit<br />
vielen Taschen bieten zusätzlichen<br />
Stauraum für Kleinteile. Wenn Sie in<br />
Gruppen reisen, können Sie Ihre Fotoausrüstung<br />
auf nicht fotografierende<br />
Mitglieder der Gruppe aufteilen.<br />
Sprechen Sie das im Vorhinein ab, um<br />
böse Überraschungen beim Check-in<br />
zu vermeiden. Nichts ist schlimmer,<br />
als Gepäck aufgeben zu müssen, das<br />
nicht dafür vorbereitet wurde.<br />
113
Lauerjäger wie Drachenköpfe,<br />
Steinfische oder<br />
Krokodilsfische eignen<br />
sich besonders gut für<br />
Nahaufnahmen. Sie<br />
fühlen sich in ihrer guten<br />
Tarnung sicher und haben<br />
daher eine geringe<br />
Fluchtdistanz.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 50 mm<br />
Belichtung 1/125 s<br />
Blende<br />
f/16,0<br />
ISO 100<br />
Geheimnisse guter Unterwasserfotos<br />
Das Geheimnis der meisten guten Unterwasseraufnahmen<br />
ist: Gehen Sie nah ran!<br />
Dieser kleine Satz bildet die Grundlage für<br />
gute Unterwasserbilder. Kurze Lichtwege<br />
und wenig Platz für Schwebeteilchen<br />
zwischen Motiv und Kamera ermöglichen<br />
kräftige Farben. Das gilt für Makro- wie<br />
auch für Weitwinkelaufnahmen. Eine gekonnte<br />
Lichtführung unterstützt diese Wirkung<br />
und bringt Stimmung ins Bild.<br />
Wie nah ran, wird von der Fluchtdistanz bestimmt<br />
– jenem Abstand, den ein Tier als<br />
Bedrohung interpretiert und ab dem es mit<br />
Flucht oder Angriff reagiert. Kenntnis über<br />
Verhalten und Biologie Ihrer Motive hilft<br />
Ihnen, die Lage richtig einzuschätzen. Im<br />
Zweifelsfall können Sie sich auch an ein Motiv<br />
herantasten. Machen Sie Bilder, während<br />
Sie sich annähern. So schaffen Sie ein Bild,<br />
das vielleicht nicht optimal ist, aber allemal<br />
besser als gar kein Bild.<br />
Manuelle Kameraeinstellung<br />
Viele Kompaktkameras bieten Motivprogramme<br />
für Unterwasserfotos. Diese verwenden<br />
Einstellungen, die speziell auf die<br />
Anforderungen von Nah- und Übersichtsaufnahmen<br />
im Wasser ausgerichtet sind.<br />
Mehr Einfluss auf die Bildgestaltung nehmen<br />
Sie aber, wenn Sie alle Einstellungen<br />
manuell wählen. Sie vermeiden dadurch<br />
Fehler, die sich durch eine falsche Einschätzung<br />
der Lichtsituation durch die Automatik<br />
der Kamera ergeben könnten. Ein weiterer<br />
Vorteil manueller Einstellungen liegt darin,<br />
dass Sie die Parameter für die Belichtung<br />
bewusst verändern. So fallen Ihnen grenzwertige<br />
Einstellungen eher auf, als wenn Sie<br />
alles blind der Kamera überließen, und Sie<br />
können entsprechend gegensteuern.<br />
Die Schärfentiefe , also der als scharf empfundene<br />
Bereich im Bild, hängt vom verwendeten<br />
Abbildungsmaßstab ab. Dieser<br />
ergibt sich bei jeweils formatfüllender Abbildung<br />
eines Motivs mit gleichem Bildwinkel<br />
aus der Größe des Sensors und der<br />
dafür notwendigen Brennweite. Vereinfacht<br />
kann gesagt werden, dass die Schärfentiefe<br />
mit kleinerem Sensor wächst. Dieser Effekt<br />
hat zwei Seiten. Einerseits hilft eine große<br />
Schärfentiefe, Abbildungsfehler durch den<br />
Port abzuschwächen, andererseits verhindert<br />
sie den kreativen Einsatz selektiver<br />
Schärfe zur Bildgestaltung.<br />
Die im Folgenden angegebenen Blendenzahlen<br />
sind Erfahrungswerte, die für Kameras<br />
mit APS-C- oder FT-Sensor gelten. Bei<br />
Kompaktkameras mit deutlich kleinerem<br />
Sensor können Sie die Blende vergleichsweise<br />
um mehrere Stufen öffnen, ohne<br />
an Schärfentiefe zu verlieren. Das erlaubt<br />
Ihnen, eine geringere Empfindlichkeit einzustellen<br />
und so Einbußen in der Bildqualität<br />
durch Rauschen zu verringern.<br />
114
KAPITEL 2<br />
FASZINIERENDE<br />
UNTER WASSERWELT<br />
Parameter für Nah- und Makroaufnahmen<br />
Bei Nah- und Makroaufnahmen kommt<br />
das Licht überwiegend vom Blitz. Mit Systemblitzen<br />
wählen Sie die Synchronzeit<br />
der Kamera, ansonsten eher 1/125 Sekunde<br />
als Belichtungszeit. Bei leistungsstarken,<br />
länger leuchtenden Blitzen sollten Sie<br />
1/60 Sekunde wählen. Einen möglichst großen<br />
Schärfebereich erreichen Sie mit einer<br />
Blende zwischen f/8 und f/16. Dieser kann<br />
bei Abbildungsmaßstäben von 1:2 bis 1:1<br />
trotz weit geschlossener Blende auf wenige<br />
Millimeter schrumpfen. Zusätzlich hilft die<br />
weit geschlossene Blende, den nicht ausgeleuchteten<br />
Hintergrund in Dunkelheit zu<br />
tauchen.<br />
Die einzustellende Blitzleistung richtet sich<br />
nach gewählter Blende und Empfindlichkeit.<br />
Dieses Parameterpaar bestimmt die Belichtung<br />
und somit die Bildwirkung. Die Belichtungszeit<br />
ist in der Regel sekundär, solange<br />
sie ausreicht, um die Blitzenergie voll zu<br />
nutzen. Nur in Situationen, in denen Sie Bewegungsunschärfe<br />
gestalterisch einsetzen,<br />
sollten Sie die Belichtungszeit länger als<br />
1/60 Sekunde wählen. Synchronisieren Sie<br />
dann den Blitz auf den zweiten Verschlussvorhang,<br />
um den Effekt der Bewegung natürlich<br />
wirken zu lassen.<br />
Für eine optimale Bildqualität stellen Sie die<br />
Empfindlichkeit auf die Basisempfindlichkeit<br />
Ihrer Kamera ein. Diese liegt je nach Modell<br />
bei ISO 100 bis 200. Der Hauptlichtquelle<br />
entsprechend, verwenden Sie für den<br />
Weißabgleich Blitz oder Tageslicht, also<br />
einen Wert zwischen 5.000 und 5.500 K.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 8 mm<br />
Belichtung 1/30 s<br />
Blende<br />
f/5,6<br />
ISO 100<br />
Blitzleistung und Blende<br />
tragen zur Belichtung<br />
des Vordergrunds bei,<br />
Belichtungszeit und<br />
Blende bestimmen die<br />
Wirkung des Hintergrunds.<br />
115
Im trüben oder<br />
brackigen Wasser<br />
darf Kunstlicht nur mit<br />
großer Sparsamkeit<br />
eingesetzt werden,<br />
um „Schwebeteilchenschnee“<br />
zu vermeiden.<br />
Eine Lichtquelle am<br />
Modell erzeugt einen<br />
Akzent und unterstützt<br />
den auf schwache Leistung<br />
geregelten Blitz<br />
bei der Blickführung.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 8 mm<br />
Belichtung 1/60 s<br />
Blende<br />
f/4,0<br />
ISO 200<br />
Wenn Sie wenig Platz auf der Speicherkarte<br />
haben oder den höheren Aufwand bei der<br />
Bearbeitung scheuen, können Sie hier auch<br />
im JPEG-Format arbeiten. Für maximale<br />
Reserven in der Bearbeitung ist die Speicherung<br />
in RAW zu empfehlen.<br />
Freistellen durch selektive Schärfe ist mit<br />
Kompaktkameras wegen der großen Schärfentiefe<br />
kaum möglich. Alternativ können Sie<br />
in diesem Fall versuchen, mit Licht freizustellen.<br />
Mehr dazu finden Sie im Abschnitt „Ausleuchtung<br />
und Lichtführung im Wasser“.<br />
Parameter für Weitwinkelaufnahmen<br />
Bei Weitwinkelaufnahmen gewinnen zwei<br />
Parameterpaare an Bedeutung. Belichtungszeit<br />
und Blende bestimmen die Wirkung des<br />
Hintergrunds. Blende und Blitzleistung legen<br />
die Lichtwirkung im Vordergrund fest. Die<br />
Abstimmung dieser Wertepaare gibt Ihnen<br />
Spielraum in der Bildgestaltung.<br />
Sie messen die Belichtung auf den Hintergrund,<br />
zum Beispiel das tiefe Blau des<br />
Wassers. Dieses wirkt besonders plastisch,<br />
wenn Sie es ungefähr 1/2 EV unterbelichten.<br />
Mit der Belichtungszeit sollten Sie dabei<br />
zwischen 1/60 Sekunde und der Synchronzeit<br />
liegen. Längere Zeiten führen oft<br />
zu sichtbarer Bewegungsunschärfe. Fische<br />
sind zu schnell, um mit 1/30 Sekunde immer<br />
scharf abgebildet zu werden, selbst wenn<br />
Sie die Kamera dabei dank Bildstabilisator<br />
ruhig halten.<br />
Blendenwerte zwischen f/5,6 und f/11 sorgen<br />
für einen meist ausreichend großen<br />
Schärfebereich. Wollen Sie auch bei Weit-<br />
116
KAPITEL 2<br />
FASZINIERENDE<br />
UNTER WASSERWELT<br />
winkelaufnahmen den Hintergrund in Unschärfe<br />
versinken lassen, müssen Sie sehr<br />
nahe an das Hauptmotiv heran und die Blende,<br />
soweit es verträglich ist, öffnen. Notfalls<br />
müssen Sie die Empfindlichkeit anpassen,<br />
um die gewünschte Blende zu erreichen.<br />
Regeln Sie nun die Blitzleistung passend<br />
zur gewählten Blende. Die Einstellung soll<br />
so gewählt sein, dass keine bildwichtigen<br />
Elemente überstrahlt abgebildet werden.<br />
Farblich sind solche Aufnahmen schwer<br />
einzuschätzen. Der automatische Weißabgleich<br />
liegt in seiner Bewertung mit hoher<br />
Wahrscheinlichkeit falsch.<br />
Arbeiten Sie im RAW-Format und stimmen<br />
Sie die Farben zu Hause in der Bildbearbeitung<br />
ab. Als Ausgangsbasis für eine Vorschau<br />
bietet sich die Einstellung Tageslicht<br />
mit 5.000 bis 5.500 K an. Sie bildet die<br />
Charakteristik von Diafilm nach und ergibt<br />
eine einheitliche Farbgebung, wenn man die<br />
Bilder zur Voransicht mit einer Standardaktion<br />
in JPEG wandelt. Bei ausreichend Speicherplatz<br />
können Sie auch RAW und JPEG<br />
parallel speichern, um schnell eine Vorschau<br />
zur Hand zu haben.<br />
Wenn Sie ein korrigiertes Weitwinkelobjektiv<br />
hinter einem Domeport verwenden,<br />
verschenken Sie an den Bildecken je nach<br />
Domeradius zwischen 1 und 3 EV für den<br />
Ausgleich der Randschärfe gegenüber einem<br />
Fisheye. Das bedeutet, dass Sie trotz<br />
weiter geschlossener Blende zum Bildrand<br />
hin einen geringeren Schärfebereich zur<br />
Verfügung haben. Wie stark der Effekt wirkt,<br />
hängt von der Abstimmung von Domeport<br />
und Objektiv ab. Eine Testreihe im gefliesten<br />
Schwimmbecken zeigt Ihnen zuverlässig<br />
den verträglichen Blendenbereich.<br />
Ausleuchtung und Lichtführung<br />
im Wasser<br />
Die Ausleuchtung ist im Wasser ein wichtiges<br />
Mittel zur Bildgestaltung. Meist reicht<br />
das Sonnenlicht nicht als alleinige Lichtquelle.<br />
Es liegt daher an Ihnen, mit Kunstlicht<br />
für eine passende Stimmung oder farbige<br />
Akzente im Bild zu sorgen.<br />
Makroaufnahmen<br />
Frontales Licht lässt ein Motiv flach erscheinen,<br />
dazu erzeugt es auf dem Hintergrund<br />
harte Schatten. Weit angenehmer<br />
wird Licht empfunden, das seitlich schräg<br />
von oben kommt. Es modelliert das Motiv<br />
plastisch und hebt Strukturen hervor. Idealerweise<br />
verwenden Sie zwei in der Leistung<br />
getrennt einstellbare Lichtquellen und<br />
nehmen damit Ihr Motiv in die Zange. Das<br />
Hauptlicht kommt dabei z. B. von schräg<br />
oben, ein Hilfslicht zum Aufhellen befindet<br />
sich seitlich gegenüber der Hauptlichtquelle.<br />
Anstelle einer zweiten Lichtquelle können<br />
Sie auch einen Reflektor verwenden.<br />
Der längere Lichtweg führt aber – anders<br />
als beim Einsatz von Reflektoren an Land –<br />
beim reflektierten Licht zu leichten Farbverschiebungen<br />
in Richtung Blau.<br />
Für das Ausleuchten im Nahbereich ist die<br />
Kompaktheit und Beweglichkeit der Lichtquellen<br />
wichtiger als die Leistung. Sehr<br />
effektvolle Ergebnisse erreichen Sie mit<br />
speziellen Vorsätzen aus Glasfaserleitungen,<br />
sogenannten Snoots (dt. Schnute).<br />
Diese lenken das Licht eng gebündelt und<br />
leuchten punktförmig aus. Sie stellen damit<br />
kleinste Motive wie auf einer Bühne ins<br />
Rampenlicht.<br />
117
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 50 mm<br />
Belichtung 1/125 s<br />
Blende<br />
f/16,0<br />
ISO 100<br />
Freistellen mit Licht.<br />
Die nur knapp 12 mm<br />
große Spinnenkrabbe<br />
(Xenocarcinus<br />
tuberculatus) lebt auf<br />
einer langen dünnen<br />
Peitschenkoralle.<br />
Die Blickrichtung ins<br />
Freiwasser lässt den<br />
Hintergrund in 40 m<br />
Tiefe bei einer Blende<br />
von f/16,0 schwarz<br />
erscheinen.<br />
118<br />
Sie können Licht auch zum Freistellen eines<br />
Motivs verwenden und so Ihr Hauptmotiv<br />
betonen und hervorheben. Richten Sie Ihre<br />
Lichtquellen so aus, dass zwar das Hauptmotiv,<br />
nicht aber der Hintergrund angestrahlt<br />
wird. Auch eine Blickrichtung, die<br />
einen großen Abstand zwischen Motiv und<br />
Hintergrund ergibt, kann hier helfen. Je weiter<br />
Sie die Blende schließen, desto weniger<br />
trägt das restliche vom Hintergrund reflektierte<br />
Licht zur Belichtung bei.<br />
Weitwinkelaufnahmen<br />
Weite Bildwinkel zeigen viele Schwebeteilchen,<br />
besonders wenn diese im Lichtkegel<br />
der Blitzgeräte erstrahlen. Sie tun das gemäß<br />
den physikalischen Gesetzen umso<br />
stärker, je näher sie der Kamera sind. Wollen<br />
Sie „Schneegestöber“ im Bild vermeiden,<br />
müssen Sie Ihre Lichtquellen so ausrichten,<br />
dass möglichst wenig direktes Licht in den<br />
Raum unmittelbar vor der Kamera fällt. Keine<br />
leichte Aufgabe, denn Sie wollen doch Ihr<br />
Motiv ausleuchten, und das ist in jedem Fall<br />
vor der Kamera. Es gibt nur einen Weg, der<br />
hier zum Ziel führt. Die Lichtquellen müssen<br />
so weit wie möglich von der Kamera entfernt<br />
liegen. Sie werden im Extremfall sogar<br />
leicht von der Bildmitte abgewendet, um<br />
den Raum vor der Kamera möglichst nicht<br />
zu beleuchten. Noch streiten die Philosophen,<br />
ob ein Blitz (es gibt auch nur eine Sonne)<br />
oder zwei Blitze (gleichmäßigere Ausleuchtung)<br />
die ultimative Lösung darstellen.
KAPITEL 2<br />
FASZINIERENDE<br />
UNTER WASSERWELT<br />
Sie benötigen für diese Aufgabe lange Blitzarme<br />
zur Befestigung der Leuchten. Die<br />
Auswahlkriterien bei Blitzgeräten für die<br />
Ausleuchtung von Weitwinkelaufnahmen<br />
sind eine hohe Blitzleistung und ein weiter<br />
Abstrahlwinkel. Ein kleines Blitzgerät, das<br />
über Slave-Auslöser gezündet wird, kann,<br />
entfesselt im Bild platziert, als Effektlicht<br />
eingesetzt werden.<br />
Exakte Bildbeurteilung<br />
Der Kamerabildschirm ist zur Beurteilung<br />
von Belichtung und Bildschärfe ungeeignet.<br />
Selbst an Land ist eine Beurteilung schwierig<br />
und meist ungenau. Im Wasser herrschen<br />
Lichtverhältnisse, die das Auge bei dieser<br />
Aufgabe überfordern. Die einzige objektive<br />
Aussage über die Belichtung liefert das Histogramm<br />
. Zusammen mit der Höhen- und<br />
Tiefenwarnung gestattet es Ihnen, die Belichtung<br />
sehr genau zu bewerten.<br />
Oben: Ausleuchten von<br />
Weitwinkelaufnahmen<br />
mit einer Lichtquelle.<br />
Die Lichtquelle ist senkrecht<br />
über der Kamera<br />
positioniert.<br />
Die Ausleuchtung ist<br />
stark asymmetrisch,<br />
entspricht aber weitgehend<br />
dem natürlichen<br />
Empfinden.<br />
Unten: Ausleuchten von<br />
Weitwinkelaufnahmen<br />
mit zwei Lichtquellen.<br />
Die Lichtquellen sind<br />
links und rechts der<br />
Kamera positioniert.<br />
Sie zeigen leicht nach<br />
außen, um den Raum<br />
direkt vor der Kamera<br />
möglichst wenig auszuleuchten.<br />
Dadurch kann<br />
„Schneegestöber“ im<br />
Bild wirksam verringert<br />
werden.<br />
Unterbelichtung (–1 EV), korrekte Belichtung und<br />
Überbelichtung (+2 EV) im Histogramm.<br />
Extreme Belichtungssituationen, wie sie<br />
im Wasser häufig vorkommen, manifestieren<br />
sich auch in extremen Histogrammen.<br />
Trotzdem erkennen Sie Überbelichtung gut<br />
an stark rechtslastigen Kurven, Unterbelichtung<br />
hingegen an stark linkslastigen Kurven,<br />
EIN BLITZ ODER ZWEI BLITZE?<br />
Darüber streiten die Gelehrten. Eine einzelne, der Sonne<br />
nachempfundene Lichtquelle erzeugt natürliche Lichtverhältnisse.<br />
Zwei Lichtquellen erlauben eine gleichmäßigere Ausleuchtung,<br />
können aber auch unnatürliche Schatten bewirken.<br />
119
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 50 mm<br />
Belichtung 1/125 s<br />
Blende<br />
f/8,0<br />
ISO 100<br />
die am jeweiligen Rand anliegen, und an tonwertlosen<br />
Bereichen an der jeweils gegenüberliegenden<br />
Seite.<br />
Mut zur Entscheidung<br />
Gute Fotografen zeigen einfach nur gute<br />
Bilder. Weniger ist dabei mehr. Eine kurze,<br />
aber gelungene Fotostrecke hinterlässt<br />
einen besseren Eindruck als ein paar gute<br />
Bilder zwischen vielen durchschnittlichen<br />
Aufnahmen. Internetgalerien sollten 30 bis<br />
40 Bilder nicht überschreiten. Für eine Präsentation<br />
vor Publikum liegt die Obergrenze<br />
bei 70 bis 80 Bildern. Das ergibt einen<br />
Vortrag von ungefähr 90 Minuten, den man<br />
noch mit ausreichend Aufmerksamkeit verfolgen<br />
kann.<br />
Selbst wenn Sie vor dem Druck auf den<br />
Auslöser überlegen, ob das Motiv ein Foto<br />
rechtfertigt, können Sie sich glücklich<br />
schätzen, eine Erfolgsrate von ungefähr<br />
1:40 zu erreichen. Ein herzeigbares Bild<br />
aus 40 Aufnahmen ist eine Ausbeute, die<br />
auch bei guten Fotografen üblich ist – nur<br />
dass diese eventuell Bilder aussondern, die<br />
andere sofort an die Wand hängen würden.<br />
Sollten Sie unter Ihren ausgewählten Bildern<br />
mehr als drei bis vier absolut hitverdächtige<br />
Bilder pro Jahr finden, ist das eher<br />
ein Grund, Ihre Kriterien zu überdenken, als<br />
ein Grund zur Euphorie.<br />
Regelmäßige Reflexion der eigenen Ergebnisse<br />
und Bildbesprechungen schulen Ihren<br />
Blick für die Bildgestaltung. Nutzen Sie Internetforen,<br />
um anhand der Besprechung<br />
Ihrer Bilder und der Arbeiten anderer die<br />
Qualität Ihrer Ergebnisse zu steigern.<br />
Auch durch Beschnitt oder ein geändertes<br />
Seitenverhältnis kann die Bildwirkung beeinflusst<br />
werden. Aufnahme eines Kalmars, zugeschnitten<br />
auf die Seitenverhältnisse 3:2, 4:3 und 16:9.<br />
120
KAPITEL 2<br />
FASZINIERENDE<br />
UNTER WASSERWELT<br />
GELUNGENE<br />
BILDAUSWAHL<br />
Vergleichen Sie jeweils zwei Bilder.<br />
Reihen Sie das Bild, das Ihnen weniger<br />
gefällt, hinter dem besseren Bild ein.<br />
Nach mehreren Durchläufen haben<br />
Sie so die besten Bilder aus einer<br />
Serie ermittelt.<br />
Reserven für die Bildbearbeitung<br />
Je besser das Ausgangsmaterial, desto mehr<br />
Reserven und Möglichkeiten haben Sie bei<br />
der Bearbeitung Ihrer Bilder. Jede Bearbeitung<br />
kostet Information, die in Ihren Bilddaten<br />
enthalten ist. Manches davon können Sie<br />
zur Steigerung der Bildwirkung verwenden,<br />
ohne störende Artefakte zu provozieren.<br />
Überschreiten Sie die Grenzen der Bearbeitung,<br />
müssen Sie sichtbare Bilddetails opfern<br />
oder Störungen in Kauf nehmen. In manchen<br />
Aufnahmesituationen ist das ein Kompromiss,<br />
den Sie mit Rücksicht auf die Gesamtwirkung<br />
des Bilds eingehen müssen.<br />
Perfekte Nah- und Makroaufnahmen sind<br />
ohne Bearbeitung möglich. Ein gut ausgeleuchtetes<br />
und korrekt belichtetes Bild<br />
benötigt keine Kunstgriffe, um zu wirken.<br />
Selbst Weitwinkelaufnahmen können bei<br />
gut gewählter Belichtung direkt aus der Kamera<br />
präsentationsreif sein. Aufgrund der<br />
Unsicherheit bezüglich des Weißabgleichs<br />
und möglicher notwendiger Farbkorrekturen<br />
sollten Sie Weitwinkelmotive im RAW-<br />
Format aufnehmen. Das bietet Ihnen ein<br />
Maximum an Reserve zur Korrektur.<br />
Für eine Umsetzung in Schwarz-Weiß empfiehlt<br />
es sich ebenfalls, die Aufnahme im<br />
RAW-Format zu machen. Bei der JPEG-<br />
Komprimierung verlieren Sie feine Abstufungen,<br />
die sich nach der Umsetzung bei<br />
Grauverläufen in unschönen Flächen und<br />
Helligkeitssprüngen zeigen. Ziehen Sie bei<br />
der Umwandlung nach Schwarz-Weiß parametrierbare<br />
Methoden, wie z. B. den Kanalmixer,<br />
der einfachen Entsättigung vor.<br />
Diese verwendet nämlich in der Regel nur<br />
den Rotkanal des Bilds als Basis, genau jenen<br />
Farbanteil, der bei Unterwasseraufnahmen<br />
gering ausfällt und anfällig gegenüber Störungen<br />
ist.<br />
Bildgestaltung unter Wasser<br />
Auch unter Wasser ist Bildgestaltung nicht<br />
verboten. Goldener Schnitt , Bildeinteilung<br />
und Blickführung haben dort genauso wie<br />
an Land ihre Gültigkeit. Es ist nur ungleich<br />
schwieriger, das alles zu berücksichtigen,<br />
wenn das Gehirn unter der narkotisierenden<br />
Wirkung des Stickstoffs steht. Üben<br />
und verinnerlichen Sie die Regeln der Bildgestaltung<br />
im Trockenen. Es fällt Ihnen<br />
dann im Wasser leichter, die Informationen<br />
im Gehirn abzurufen. Natürlich sind die<br />
klassischen Regeln des Bildaufbaus kein<br />
unumstößliches Dogma. Denken Sie aber<br />
daran, dass Sie die Regeln gut kennen müssen,<br />
um sie gekonnt zu brechen.<br />
Die Farbe des Wassers<br />
Bereits in einer Tiefe von fünf Metern ist der<br />
rote Anteil im Tageslicht merklich geringer.<br />
Das Auge kompensiert diesen Effekt so weit<br />
wie möglich automatisch, die Kamera kann<br />
das nur in sehr engen Grenzen. Die Regeln,<br />
nach denen der automatische Weißabgleich<br />
funktioniert, sind mit der Situation<br />
121
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 8 mm<br />
Belichtung 1/125 s<br />
Blende<br />
f/8,0<br />
ISO 200<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 8 mm<br />
Belichtung 1/125 s<br />
Blende<br />
f/8,0<br />
ISO 200<br />
WEGEN UMBAUS<br />
GESCHLOSSEN<br />
Minimieren Sie Ihre Auswirkungen<br />
auf die Unterwasserwelt. Ein absolutes<br />
Nein gilt dem „Umbau“ Ihres<br />
Motivs. Kein Bild rechtfertigt das Entfernen<br />
von störenden Elementen oder<br />
das Versetzen von Tieren, z. B. Schnecken,<br />
an attraktivere oder fotogenere<br />
Plätze. Entweder Sie schaffen ein Bild<br />
unter den gegebenen Umständen,<br />
oder Sie nehmen davon Abstand. Zur<br />
Not können Sie Kleinigkeiten in der<br />
Bildbearbeitung umweltfreundlich<br />
korrigieren. In Gegenden mit hoher<br />
Dichte an Fotografen neigen Guides<br />
gelegentlich dazu, Ihnen Motive zu<br />
basteln oder fotogen zu optimieren.<br />
Sprechen Sie den Guide darauf an<br />
und erklären Sie ihm, dass Sie Tiere in<br />
natürlicher Umgebung und Zusammenstellung<br />
bevorzugen.<br />
Es muss nicht immer der Rausch der Tiefe sein. Auch ein seichtes<br />
Vergnügen kann spannende Bilder liefern. Im Bereich von zwei bis<br />
drei Metern Tiefe herrschen ideale, natürliche Lichtbedingungen.<br />
im Wasser meist überfordert. Auch der Bereich,<br />
in dem korrigiert werden kann, reicht<br />
selten aus. Blitzlicht ist nicht nur Lichtquelle,<br />
es dient auch als gestalterisches Mittel<br />
zum Setzen farblicher Akzente.<br />
Je tiefer Sie tauchen, desto schwieriger wird<br />
das Fotografieren. Abgesehen von der Farbverschiebung<br />
in Richtung Blau verringert der<br />
generelle Lichtverlust die Sichtweite. Kürzere<br />
Grundzeiten verleiten zur Eile und erlauben<br />
Ihnen weniger Fotos. Erhöhte Stickstoffbelastung<br />
beeinträchtigt Ihre Konzentration<br />
und wirkt sich meist negativ auf die Bildgestaltung<br />
aus. Optimale Bedingungen finden<br />
Sie meist in Tiefen bis zu 15 m. Ein erhöhter<br />
Schwebstoffgehalt verringert diesen Wert.<br />
122
KAPITEL 2<br />
FASZINIERENDE<br />
UNTER WASSERWELT<br />
Salzwasser versus Süßwasser<br />
Klares Meerwasser neigt zu tiefem Blau. Bei<br />
geringerem Salzgehalt tendiert die Farbe des<br />
Wassers in Richtung Grün. Je mehr Schwebeteilchen<br />
und Plankton darin schwimmen,<br />
desto schwieriger wird die Ausleuchtung.<br />
Die für Fotos nutzbare Sichtweite kann mit<br />
ungefähr der halben realen Sichtweite angenommen<br />
werden. Durch richtige Lichtführung<br />
und extreme Bildwinkel können Sie<br />
das Wasser klarer erscheinen lassen, als es<br />
in Wirklichkeit ist.<br />
Sauberes Süßwasser ist glasklar. Man<br />
sieht es kaum, und Taucher scheinen darin<br />
wie in Luft zu schweben. Diesen Zustand<br />
werden Sie in den seltensten Fällen vorfinden.<br />
Sie können dann auch sicher sein,<br />
dass das Wasser sehr kalt ist. Reinheit hat<br />
ihren Preis. Mit zunehmendem Schwebstoffgehalt<br />
kippt die Farbe in Richtung<br />
Braungrün.<br />
Trübe Aussichten?<br />
Schlechte Sichtverhältnisse sind kein Grund<br />
zur Verzweiflung. Bei Makroaufnahmen fallen<br />
wegen der geringen Entfernungen zwischen<br />
Kamera, Blitz und Motiv Schwebeteilchen<br />
weniger ins Gewicht. Durch geschickte<br />
Ausleuchtung senkrecht zur optischen Achse<br />
geraten weniger Schwebeteilchen in den<br />
Lichtkegel. Das Wasser wirkt dadurch klarer,<br />
als es in Wirklichkeit ist. Planen Sie aber<br />
Weitwinkelaufnahmen, sollten Sie möglichst<br />
auf Kunstlicht verzichten. Dieses führt<br />
leicht zu „Schneetreiben“ durch angeblitzte<br />
Schwebeteilchen im Bild. Gehen Sie wenn<br />
möglich nah ans Motiv heran. Nutzen Sie<br />
die mystische Stimmung zur Bildgestaltung.<br />
Die geringe Sichtweite<br />
im Riesachsee verleiht<br />
dem Bild eine mystische,<br />
märchenhafte<br />
Note.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 10 mm<br />
Belichtung 1/60 s<br />
Blende<br />
f/3,5<br />
ISO 400<br />
123
Die Totalreflexion am<br />
Übergang zur Luft<br />
bildet ein harmonisches<br />
Gegenstück zur<br />
Landschaft im Wasser.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 10 mm<br />
Belichtung 1/60 s<br />
Blende<br />
f/5,6<br />
ISO 200<br />
Blickrichtung und Kameraposition<br />
Ein typischer Anfängerfehler ist der Blick<br />
nach unten. Dadurch erscheinen die abgebildeten<br />
Tiere wie auf den Grund genagelt.<br />
Das Bild wirkt flach und langweilig. Es macht<br />
dabei keinen Unterschied, ob Sie Makro oder<br />
Weitwinkel fotografieren. Dem Modell ins<br />
Auge geblickt, die Kamera leicht nach oben<br />
zeigend, erzeugt Spannung. Diese Haltung<br />
ermöglicht ebenfalls das Freistellen von Motiven<br />
gegen das tiefe Blau des Wassers. Bei<br />
passenden Belichtungseinstellungen kann<br />
der Hintergrund so auch im totalen Schwarz<br />
versinken. Diese Technik – das Freistellen<br />
mit Licht – schafft eine klare Bildkomposition<br />
und reduziert auf das Wesentliche.<br />
Der Blick in Richtung Oberfläche birgt auch<br />
noch andere Möglichkeiten, beispielsweise<br />
Großfische als Silhouette oder ein Schwarm<br />
als Scherenschnitt gegen das Blau des Wassers.<br />
Dezent mit Blitz ausgeleuchtet, können<br />
Sie so auch kameranahe Fische farblich<br />
ausmodellieren. Der Farbverlauf des<br />
Wassers zwischen Oberfläche und Tiefe<br />
lässt ein Bild ebenfalls interessanter wirken.<br />
Vorsicht ist geboten, wenn Sie die Sonne im<br />
Bild haben. Die sorgt, je nach Sensortyp und<br />
eingestellter Blende, für zarte, sternförmige<br />
Strahlen oder für hässliche, unförmige weiße<br />
Flecken. Eine weit geschlossene Blende<br />
ist zwar förderlich, aber keine Garantie für<br />
fotogene Strahlen.<br />
124
KAPITEL 2<br />
FASZINIERENDE<br />
UNTER WASSERWELT<br />
ANGENAGELT<br />
Der Blick von oben ist tabu. Er lässt<br />
Bilder flach und langweilig wirken.<br />
Auch wenn es wesentlich leichter ist,<br />
z. B. einen Rochen von oben abzubilden,<br />
wirkt die Ansicht von vorne<br />
mit Blick in die Augen um Lichtjahre<br />
spannender. Versuchen Sie, Ihren<br />
Modellen zumindest auf Augenhöhe<br />
zu begegnen. Auch den Blick nach<br />
oben sollten Sie im Auge behalten.<br />
Steil nach oben, sehen Sie durch einen Kreis<br />
Dinge an der Oberfläche. Rund um diesen<br />
Kreis herrscht Totalreflexion. Abhängig<br />
von Wellen, Licht und Beschaffenheit der<br />
Uferlandschaft können Sie so die Welt an<br />
der Oberfläche mit völlig anderen Augen<br />
betrachten. In Bildsequenzen und Vorträgen<br />
können solche Bilder gut als Übergang<br />
zwischen unten und oben eingesetzt werden.<br />
Ist der Blick leicht nach oben gerichtet,<br />
profitieren Sie von der Totalreflexion an der<br />
Luftunterfläche. Je nach Wellengang kann<br />
der Effekt klare Spiegelbilder oder auch stark<br />
verlaufende Reflexionen liefern. Versäumen<br />
sollten Sie diesen Blick aber nie. Er lohnt sich<br />
meist und ist ein willkommener Zeitvertreib<br />
während des Sicherheitsstopps.<br />
Ein Winkelsucher am Gehäuse erlaubt Ihnen<br />
den entspannten Blick nach oben. Sie<br />
erreichen so Perspektiven, für die andere<br />
ein Loch graben müssten.<br />
Zum Teil über, zum Teil unter Wasser<br />
Unter der Bezeichnung „Halbe-halbe-Bilder“<br />
versteht man Bilder, die zum Teil über,<br />
zum Teil unter Wasser entstanden sind. Der<br />
Reiz dabei liegt in der gleichzeitigen Darstellung<br />
beider Welten, die dadurch in Beziehung<br />
zueinander treten. Die üblichen Zutaten<br />
sind Weitwinkel oder Fisheye und dazu<br />
eine möglichst große Domescheibe. Die<br />
Größe der Scheibe wirkt sich auf zwei Parameter<br />
aus. Je größer der Radius, desto weiter<br />
entfernt liegt unendlich im Wasser, und<br />
umso näher kommt es unendlich an Land.<br />
Sie benötigen daher weniger Schärfentiefe,<br />
um diese Abweichung auszugleichen.<br />
Der zweite Parameter ist die Wasserlinie an<br />
der Scheibe. Das Wasser zieht sich durch<br />
Adhäsion an der Scheibe hoch. Die dabei<br />
entstehende Wölbung ist als Linie im Bild<br />
erkennbar. Ihre Größe ist immer gleich, hat<br />
aber bei einer großen Scheibe prozentual<br />
weniger Anteil am Bild. Die bei Kompaktkameras<br />
üblichen Planscheiben mit 20 bis<br />
30 mm Durchmesser sind für diese Form der<br />
Aufnahme ungeeignet. Domes mit Radien ab<br />
100 mm liefern brauchbare Ergebnisse.<br />
Die Belichtung richtet sich primär nach der<br />
Oberfläche. Bei klarem Himmel mit ISO 100,<br />
einer Belichtungszeit von 1/125 Sekunde<br />
und eine Blende zwischen f/8 und f/11. Die<br />
Blitzsynchronzeit darf dabei nicht überschritten<br />
werden. Den Bildteil im Wasser<br />
leuchten Sie mit Blitz passend zur eingestellten<br />
Blende aus. Ob Sie auf einen Punkt<br />
über oder unter Wasser fokussieren, hängt<br />
von Ihrer Bildidee ab. Bei ausreichend großem<br />
Domeradius sorgt eine Blende von f/11<br />
für ausreichend Schärfe in beiden Hälften.<br />
125
Die winterliche<br />
Schwarza im Höllental.<br />
Schneebedeckte Landschaft<br />
im Kontrast zum<br />
kühlen Blaugrün des<br />
Wassers.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 8 mm<br />
Belichtung 1/60 s<br />
Blende<br />
f/11,0<br />
ISO 200<br />
Weite Winkel erzeugen perspektivische<br />
Verzerrungen. Stürzende Linien sind eine<br />
häufige Folge. Lassen Sie die Trennlinie zwischen<br />
Luft und Wasser horizontal durch die<br />
Bildmitte laufen. Positionieren Sie die Kamera<br />
waagerecht. Sie erreichen so einen harmonischen,<br />
symmetrischen Bildaufbau, der<br />
Ruhe vermittelt. Bei Fisheyes sorgt die mittige<br />
Lage für einen geradlinigen Horizont. Betrachten<br />
Sie diese Empfehlungen aber nicht<br />
als starre Regel. Wenn es die Bildaussage<br />
fördert, dürfen Sie ruhig alle Regeln brechen.<br />
Eine tropfen- und blasenfreie Domescheibe<br />
ist eine notwendige Bedingung für gelungene<br />
Halbe-halbe-Bilder. Im Zuge eines<br />
normalen Tauchgangs ist diese Bedingung<br />
selten erfüllt. Planen Sie Halbe-halbe-Aufnahmen<br />
getrennt von Tauchgängen. Nur mit<br />
Maske und Schnorchel bewaffnet, sind Sie<br />
wendiger. Besitzen Sie einen Winkelsucher,<br />
können Sie sogar ohne Maske arbeiten. Planen<br />
Sie ausschließlich Halbe-halbe-Aufnahmen,<br />
kann auch eine Watthose anstelle des<br />
Tauchanzugs den Komfort erhöhen.<br />
Es ist meist unvermeidlich, dass sich Tropfen<br />
auf der oberen Hälfte der Domescheibe<br />
sammeln. Verwenden Sie ein Mikrofasertuch<br />
zum Trocknen. Ebenso bilden sich<br />
126
KAPITEL 2<br />
FASZINIERENDE<br />
UNTER WASSERWELT<br />
auf einer trockenen Scheibe oft Luftblasen,<br />
wenn sie ins Wasser getaucht wird. Wischen<br />
Sie die Luftblasen vorsichtig ab, um<br />
einen ungehinderten Durchblick zu gewährleisten.<br />
Es gibt viele Hausrezepte, die<br />
versprechen, diese Effekte zu lindern. Alles<br />
was die Oberflächenspannung herabsetzt,<br />
kann helfen. Eine Nanoversiegelung verringert<br />
sowohl Tropfen- als auch Blasenbildung<br />
an der Scheibe. Diese Technik ist<br />
noch wenig ausgereift. Abgesehen von Umweltaspekten,<br />
ist auch die Auswirkung auf<br />
die Scheibe zu bedenken. Je nach Material<br />
kann die Anbringung einer Versiegelung die<br />
Oberfläche beschädigen.<br />
MOTIVKLINGEL<br />
Taucher sind gegenüber Fotografen an Land im Vorteil. Sie haben<br />
meist die institutionalisierte Motivklingel dabei, den Tauchguide.<br />
Auch Ihr Tauchpartner kann diese Aufgabe übernehmen. Je besser<br />
das biologische und fotografische Wissen Ihrer Helfer ist, desto<br />
höher sind Ihre Chancen auf brauchbare Motive. Ob Ihnen davon<br />
auch ein gutes Foto gelingt, liegt in Ihrer Verantwortung.<br />
Größenverhältnisse unter Wasser<br />
Nur wer selbst taucht, hat eine klare Vorstellung<br />
vom Größenverhältnis der Lebewesen<br />
im Wasser. Wollen Sie auch Nichttauchern<br />
ein Gefühl für den Maßstab geben,<br />
benötigen Sie einen Größenvergleich. Ihr<br />
Tauchpartner bietet sich dafür geradezu an.<br />
Geschickt platziert, dient er nicht nur als<br />
Referenz für die Größe, er kann auch Leben<br />
und Spannung ins Bild bringen. Während Sie<br />
eine Person in Weitwinkelaufnahmen meist<br />
zur Gänze abbilden, kann sich bei Makrofotos<br />
der Beitrag zum Bild auf das Gesicht<br />
oder sogar nur das Auge beschränken.<br />
Wenn Sie mit Weitwinkel fotografieren,<br />
sollten Sie sich die Platzierung einer Person<br />
gut überlegen. Je weiter der Winkel, desto<br />
mehr sind die Bildecken dafür tabu. Die Verzerrungen<br />
sind dort zu stark, um Personen<br />
mit natürlichem Aussehen abzubilden. Bei<br />
Fisheyes hingegen wirken Personen zu den<br />
Bildecken hin kleiner und leicht gekrümmt,<br />
dabei aber insgesamt natürlicher.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 9 mm<br />
Belichtung 1/60 s<br />
Blende<br />
f/4,0<br />
ISO 320<br />
Kanonenboot C50, Veracruz. Das gut bewachsene Wrack bildet einen<br />
dekorativen Rahmen, die Taucherin schafft einen Größenvergleich .<br />
127
Der Kunst ihre Zeit, der Zeit ihre Kunst<br />
Dieses Zitat steht auf einem bekannten<br />
Jugendstilbau der Wiener Secession. Es ist,<br />
etwas anders interpretiert, auch in der Unterwasserfotografie<br />
von Bedeutung. Nehmen<br />
Sie sich Zeit zum Fotografieren, besonders<br />
im Wasser. Oft drängen Tauchguide<br />
oder Tauchpartner zum Weiterschwimmen.<br />
Erklären Sie schon im Vorfeld, dass Sie sich<br />
langsamer fortbewegen und gegebenenfalls<br />
länger an einer Stelle verweilen wollen. Ihre<br />
Tauchpartner werden schnell lernen, dass<br />
es überall dort, wo sich Fotografen länger<br />
aufhalten, auch für andere Taucher genug<br />
zu sehen und zu entdecken gibt. Was<br />
den Guide betrifft: Dieser erhält sein Geld<br />
für den Genuss des Tauchgangs und nicht<br />
für einen neuen Geschwindigkeitsrekord.<br />
Das oft genannte Argument, man könne in<br />
großen Gruppen mit einem einzigen Guide<br />
nicht in Ruhe fotografieren, hat seine Berechtigung.<br />
Vermeiden Sie große Gruppen.<br />
Sie stören nur, wirbeln unnötig Sediment auf<br />
und sind im falschen Moment im Bild.<br />
Ihr Tauchpartner, Ihr Modell<br />
Schätzen Sie sich glücklich, wenn Sie einen<br />
ständigen Tauchpartner haben. Nichts hilft<br />
Ihnen mehr bei der Gestaltung Ihrer Bilder<br />
als ein Partner, der Sie im Wasser gut versteht,<br />
jemand, der eine Ahnung von Bildgestaltung<br />
hat, sich in Ihre Denkweise hineinversetzen<br />
kann und so einen aktiven Beitrag<br />
zu einem gelungenen Bild leistet. Bei langfristigen<br />
Tauchpartnerschaften können Sie<br />
die Ausrüstung bildwirksam beeinflussen.<br />
Die Farbwahl von Anzug, Flossen und Tarierweste,<br />
aber auch die Farbe und Form<br />
der Tauchermaske können einem Bild ansprechende<br />
farbliche Akzente verleihen.<br />
Neonfarben und Reflektoren hingegen können<br />
Ihnen das Blitzen zur Hölle machen und<br />
gnadenlos überstrahlen.<br />
Achten Sie bei der Wahl der Maske auf große<br />
Gläser und einen transparenten Maskenkörper.<br />
Sie erreichen dadurch eine gute<br />
Ausleuchtung des Gesichts und können so<br />
leicht Blickkontakt zwischen Modell und<br />
Betrachter herstellen.<br />
Sorgen Sie dafür, dass Ihr Modell eine Tauchlampe<br />
dabeihat. Sie können den Lichtkegel<br />
zur Lenkung des Blicks verwenden oder die<br />
SCHAU MIR IN DIE AUGEN<br />
Achten Sie auf Blickkontakt mit Ihrem<br />
Modell – egal ob Fisch, Taucher oder<br />
Schnecke. Der Blickkontakt erzeugt<br />
eine Beziehung zum Betrachter. Tiere<br />
von hinten vermitteln den Eindruck,<br />
auf der Flucht zu sein. Besonders bei<br />
den Wirbellosen hilft biologisches<br />
Wissen, vorne und hinten zu unterscheiden.<br />
MOTIVJAGD<br />
Achten Sie die Bedürfnisse und Gefühle<br />
Ihrer Motive. Die meisten Tiere,<br />
denen Sie begegnen, sind wesentlich<br />
kleiner als Sie. Sie lösen daher leicht<br />
Angst und Stress aus, wenn Sie ihnen<br />
zu nahe kommen. Beobachten Sie Ihr<br />
Motiv und halten Sie ausreichend<br />
Abstand. Viele besonders standorttreue<br />
Fische haben Lieblingsplätze,<br />
die sie gern aufsuchen. Werden sie<br />
dort zu oft gestört oder in Angst<br />
versetzt, geben sie diesen Platz auf.<br />
128
KAPITEL 2<br />
FASZINIERENDE<br />
UNTER WASSERWELT<br />
Lampe als Akzent ins Bild setzen. Ungeübten<br />
Tauchern verhilft die Lampe zu einer ruhigen<br />
Körperhaltung und „fixiert“ die Hände.<br />
Tauchen Sie mit wechselnden Partnern,<br />
oft zufällig vom Guide zugewiesen, ist es<br />
wichtig, mit einem noch wenig vertrauten<br />
Partner ein Fotobriefing zu machen. Vereinbaren<br />
Sie Zeichen für bestimmte Positionen<br />
und Lagen, für Richtungen und Bewegungen.<br />
Besprechen Sie, was Sie vorhaben, zeigen<br />
Sie ähnliche Bilder, die Sie bereits gemacht<br />
haben, oder fertigen Sie Skizzen an.<br />
Sobald Sie Ihren Tauchpartner als Modell<br />
in Ihre Fotos einbeziehen, tragen Sie die<br />
Verantwortung für die Regie. Sie müssen<br />
Ihr Modell dirigieren. Das ist im Wasser<br />
wesentlich schwieriger als an Land. Ein gut<br />
eingespieltes Team erkennt man am Wortschatz<br />
seiner Zeichensprache. Bedenken<br />
Sie, dass es im Wasser oft einen Umweg<br />
oder eine Schleife zu schwimmen bedeutet,<br />
um sich ein kleines Stück seitlich oder nach<br />
hinten zu bewegen.<br />
Achten Sie auf die Ausrüstung Ihres Modells.<br />
Eine zu hoch sitzende Pressluftflasche<br />
macht es schnell zum Schlauchmonster,<br />
dem die Schläuche aus dem Kopf wachsen.<br />
Abstehende Ausrüstungsteile, Konsolen,<br />
Finimeter oder auch Teile der Gurte können<br />
die Harmonie im Bild stören. Kümmern Sie<br />
sich um diese Dinge vor dem Tauchgang.<br />
Im Wasser ist die Gefahr zu hoch, dass Sie<br />
solche Details übersehen, die erst zu Hause<br />
am Computer zum Vorschein kommen.<br />
Besprechen Sie mit Ihrem Modell auch die<br />
Körperhaltung. Mangelnde Koordination und<br />
unzureichendes Körperbewusstsein führen<br />
zu unvorteilhaften Bildern. Zeichen für bestimmte<br />
Stellungen oder deren Korrektur<br />
verhelfen Ihnen und Ihrem Modell zu ästhetischen<br />
Fotos.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 50 mm<br />
Belichtung 1/125 s<br />
Blende<br />
f/16,0<br />
ISO 100<br />
Sepia hautnah. Das Auge besitzt eine Linse und ist im Aufbau<br />
dem von Wirbeltieren ähnlich.<br />
Fischporträts mit Standardzoom<br />
Mit Bildwinkeln zwischen 50 und 25°, die<br />
Sie bei Standardzooms spielend erreichen,<br />
lassen sich gute Fischporträts realisieren.<br />
Für den Anfang bieten sich Jäger an, die ihrer<br />
Beute auflauern. Drachenköpfe, Steinfische,<br />
Angler, aber auch Muränen lassen<br />
Sie in Schussweite, ohne nervös zu werden.<br />
Schwieriger ist es, einen stehenden<br />
Fisch mit ausgeprägtem Fluchtverhalten<br />
abzubilden. Zu dieser Gruppe zählen z. B.<br />
Barsche, die gern an geschützten Plätzen<br />
lauern. Noch schwieriger wird es mit Fischen,<br />
die ständig in Bewegung sind, wie<br />
z. B. Anemonenfische.<br />
Um Ihr Modell vom Hintergrund durch<br />
Schärfe freizustellen, öffnen Sie die Blende<br />
auf einen Wert zwischen f/5,6 bis f/2,0.<br />
129
Eine Nacktschnecke<br />
(Hypselodoris bullocki)<br />
bei der Eiablage. Die<br />
gelben Laichschnüre<br />
des Geleges sind gut<br />
zu erkennen.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 30 mm<br />
Belichtung 1/80 s<br />
Blende<br />
f/4,6<br />
ISO 80<br />
Der Blick gegen das Freiwasser bietet je<br />
nach gewählter Blende einen Hintergrund<br />
in Blau (auf Freiwasser belichtet) bis hin zu<br />
Schwarz (Freiwasser mehr als 3 EV unterbelichtet).<br />
Je homogener Sie den Hintergrund<br />
gestalten können, desto besser lässt<br />
sich das Hauptmotiv erkennen. Zu viele Details<br />
im Hintergrund machen das Bild unruhig<br />
und lenken vom Hauptmotiv ab.<br />
Gute Beziehungen gleich reizvolle Motive<br />
Reizvolle Motive ergeben sich durch die<br />
Darstellung von arttypischem Verhalten.<br />
Tiere, die in Symbiose leben oder besondere<br />
Verhaltensweisen zeigen, sind nicht nur<br />
biologisch interessant. Sie bieten Motive,<br />
die natürlich und lebendig wirken. Kenntnisse<br />
in Biologie erlauben Ihnen, solche<br />
Motive zu finden. Die Beispiele für Symbiosen<br />
spannen einen weiten Bogen von Pilotfischen,<br />
die einen Hai begleiten, über Putzerfische,<br />
Grundeln und Partnergarnelen<br />
bis zu wenigen Millimetern großen Krebsen,<br />
die gut getarnt in Haarsternen oder<br />
Korallen leben. Das Umfeld stellt in vielen<br />
dieser Bilder eine wesentliche Komponente<br />
dar, die den Kontext zum Hauptmotiv liefert.<br />
Experimentieren Sie mit Lichtführung<br />
und Schärfentiefe, um den Blick auf das<br />
Hauptmotiv zu lenken.<br />
Der Schwarm<br />
Keine Angst. Er wird Sie zwar überwältigen,<br />
aber nicht wie im gleichnamigen Roman<br />
vernichten. Schwärme sind komplexe Vereinigungen.<br />
Sie zeigen ein Verhalten, das<br />
auf den Schutz der Gruppe ausgerichtet ist.<br />
Das hat für Sie als Fotograf vorhersagbare<br />
Konsequenzen. Ein Schwarm wird Sie als<br />
Angreifer behandeln und sich teilen oder<br />
öffnen, sobald Sie zu nahe kommen. Hat<br />
er ausreichend Abstand zu Ihnen, wird er<br />
sich wieder zu einem homogenen Verband<br />
vereinen. Die Muster, die durch die Teilung<br />
entstehen, bieten Ihnen gestalterische<br />
Möglichkeiten. Selbst wenn Sie es schaffen,<br />
mitten im Schwarm zu schwimmen, wird<br />
Sie keiner der Fische berühren. Sie werden<br />
wie ein Fremdkörper abgekapselt. Dabei<br />
bildet der Schwarm oft einen Hohlzylinder,<br />
der um Sie kreist. Dieser Effekt ist ideal für<br />
den weitwinkeligen Blick nach oben.<br />
130
KAPITEL 2<br />
FASZINIERENDE<br />
UNTER WASSERWELT<br />
Auch die nahezu undurchdringliche Wand<br />
an Fischen bietet reizvolle Motive, sowohl<br />
von innen als auch von außen, sowie einen<br />
guten Blick auf ein Modell im Schwarm. Die<br />
Ausleuchtung ist in diesem Fall schwierig.<br />
Die meist silbrig glänzenden Fische reflektieren<br />
stark. Das Überstrahlen von Fischen<br />
nahe am Blitz ist eine unangenehme, aber<br />
kaum zu vermeidende Folge. Mit zwei weit<br />
nach außen ragenden Blitzgeräten können<br />
Sie den Effekt weitgehend minimieren.<br />
Geheimnisumwitterte Wracks<br />
Jedes gesunkene Schiff hat seine ganz individuelle<br />
Geschichte. Oft ist sie mit Tragödien,<br />
Opfern und Schicksalen verknüpft,<br />
die dem Ort sein besonderes Flair geben.<br />
Manchmal grenzt sie an ein Wunder, und<br />
alle Menschen an Bord konnten gerettet<br />
werden. Dazu kommt der Traum vom<br />
Schatz, der in den Tiefen der Dunkelheit im<br />
Wrack schlummert.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 8 mm<br />
Belichtung 1/30 s<br />
Blende<br />
f/3,5<br />
ISO 100<br />
Licht am Ende des<br />
Tunnels. Im Schwarm<br />
zu schwimmen,<br />
erzeugt ein Gefühl der<br />
Geborgenheit, das Sie<br />
nie vergessen werden.<br />
131
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 10 mm<br />
Belichtung 1/60 s<br />
Blende<br />
f/10,0<br />
ISO 100<br />
SIE SIND NICHT ALLEIN<br />
Achten Sie auf exakte Tarierung und auf Ihre Flossen. Auch nach Ihnen kommen<br />
Taucher, die sich an einer ungestörten Unterwasserwelt erfreuen wollen. Oft endet<br />
die Vorsicht nach dem Druck auf den Auslöser. Entfernen Sie sich genauso behutsam<br />
von Ihrem Motiv, wie Sie sich angenähert haben. Sie könnten der zweite Taucher<br />
sein und glücklich, wenn sich der Taucher vor Ihnen achtsam verhalten hat.<br />
Ein einmaliger Wracktauchgang.<br />
Der historische<br />
Einbaum wird<br />
für die Konservierung<br />
und Ausstellung im<br />
Museum geborgen.<br />
Um die Stimmung an einem Wrack einzufangen,<br />
benötigen Sie möglichst viel Bildwinkel.<br />
Die Größe des Objekts erfordert<br />
das, besonders bei geringen Sichtweiten.<br />
Ein gestalterischer Effekt, der die Bildwirkung<br />
unterstützt, ist die extreme Perspektive,<br />
die Sie mit starkem Weitwinkel oder<br />
Fisheye erreichen. Sie steigert die erdrückende<br />
Wirkung der Größe. Zeigen Sie im<br />
Bild auch Taucher, wird diese noch mehr<br />
betont.<br />
Die Ausleuchtung von Wracks in ihrer Gesamtheit<br />
ist mit vertretbaren Mitteln unmöglich.<br />
Setzen Sie daher, wenn es passt, mit<br />
Blitzlicht farbige Akzente im Vordergrund.<br />
Nutzen Sie das natürliche Umgebungslicht<br />
für den Schiffskörper. Filter zur Kompensierung<br />
der fehlenden Rotanteile können die<br />
farbliche Wiedergabe verbessern.<br />
Wenn die Farbverschiebung durch unterschiedlich<br />
lange Lichtwege an einem Wrack<br />
zu extrem ist, bietet sich die Ausarbeitung<br />
in Schwarz-Weiß an. Diese Darstellung<br />
betont auch den historischen Aspekt eines<br />
Wracks. Dafür ist die Aufnahme im RAW-<br />
Format unbedingt zu empfehlen. Die oft<br />
bei Schwarz-Weiß-Umsetzungen verwendeten<br />
harten Kontraste oder steilen Gradationskurven<br />
benötigen alle Reserven der<br />
Bilddaten, um Abrisse im Histogramm zu<br />
vermeiden, die unweigerlich zu unschönen<br />
Artefakten führen.<br />
Dringen Sie nur dann ins Innere eines Wracks<br />
vor, wenn Sie Ihre Tarierung perfekt beherrschen.<br />
In Wracks findet sich meist feines<br />
Sediment, das die Sicht mit einem einzigen<br />
falschen Flossenschlag auf null reduzieren<br />
kann. Selbst wenn Sie nur wenig aufwirbeln,<br />
132
KAPITEL 2<br />
FASZINIERENDE<br />
UNTER WASSERWELT<br />
verderben Sie anderen Fotografen nach Ihnen<br />
die Möglichkeit, noch brauchbare Fotos<br />
zu schießen. Wenn Sie sich aber entschließen,<br />
in ein Wrack einzudringen, vergessen<br />
Sie nie den Blick nach außen. Er bietet Ihnen<br />
oft sehr dekorative Rahmen für eine Aufnahme<br />
mit tiefem Blau im Hintergrund.<br />
Das Wasser und seine Lebewesen nehmen<br />
das Wrack in ihren Besitz, und mit der Zeit<br />
wird das Wrack zum Riff. Aufbauten bieten<br />
Halt für Schwämme und Korallen, Löcher<br />
und Winkel bieten Schutz und Verstecke<br />
für viele meist kleine Lebewesen. Schwärme<br />
von Glasfischen halten sich z. B. mit<br />
Vorliebe in Wracks auf. Wracks sind also<br />
nicht nur für Freunde weiter Winkel ein willkommenes<br />
Motiv. Die Makrofotografie unterscheidet<br />
sich an Wracks nicht wesentlich<br />
von der an anderen Plätzen.<br />
Tolle Spots und Unterwasserressorts<br />
Was macht einen Tauchgang zum Erlebnis?<br />
Wie kann man eine Reihung vornehmen,<br />
wo doch Vorlieben, Geschmack und Interessen<br />
so grundverschieden sein können?<br />
Sind Großfische der Hit oder vielleicht<br />
eher die Kleinsten der Kleinen? Ist es die<br />
Einmaligkeit des Ereignisses? Unter den<br />
hier gelisteten Tauchplätzen soll von allem<br />
etwas dabei sein. Es ist eine sehr persönliche<br />
Sammlung an Plätzen, die für mich mit<br />
einem besonderen Erlebnis verbunden sind.<br />
Stille Bergseen in den Alpen<br />
Wer sie beim Bergwandern sieht, kennt sie<br />
nur von außen. Stille Seen , von schroffen<br />
Felsen umgeben, in einer Landschaft von<br />
Was machen Taucher<br />
auf der Alm? Sie<br />
warten auf den Hubschrauber.<br />
Viele der<br />
entlegenen Bergseen<br />
in den Alpen sind mit<br />
Tauchausrüstung<br />
nur auf diesem Weg<br />
erreichbar.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 7 mm<br />
Belichtung 1/500 s<br />
Blende<br />
f/4,5<br />
ISO 100<br />
133
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 8 mm<br />
Belichtung 1/125 s<br />
Blende<br />
f/5,6<br />
ISO 100<br />
Der Steirersee auf der Tauplitzalm liegt lediglich 100 m von der Hütte<br />
entfernt. Er ist nur vertikal über einen steilen, schmalen Steig erreichbar.<br />
Unter einer Brücke durchtauchen kann man an vielen Orten. Über eine<br />
Brücke hinwegtauchen können Sie im Grünen See bei Tragöß.<br />
atemberaubender Schönheit. Schwer sind<br />
sie zu erreichen, meist auf schmalen Pfaden<br />
und nur nach stundenlangen Zustiegen.<br />
Wer käme da auf die Idee, so einen See zu<br />
betauchen?<br />
Fast alle Bergseen sind im Privatbesitz. Es<br />
bedarf vieler Genehmigungen, Verhandlungen<br />
und guter Kontakte zu den Besitzern<br />
der Seen und umliegenden Gründe, um<br />
einen solchen See zu betauchen. Einmal<br />
tauchen, wo zuvor noch nie jemand einen<br />
Blick unter Wasser gewagt hat? Es scheint<br />
wie ein Traum, aber ein Traum, den man<br />
buchen kann. Bis zu zweimal jährlich organisiert<br />
die Oberösterreich Werbung GmbH<br />
ein Tauchwochenende, an dem zwei entlegene<br />
Bergseen betaucht werden können.<br />
Dieses Erlebnis bleibt Ihnen für immer in<br />
Erinnerung. Schon der Flug zum See mit<br />
dem Helikopter leistet dazu seinen Beitrag.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 8 mm<br />
Belichtung 1/125 s<br />
Blende<br />
f/5,6<br />
ISO 100<br />
134
KAPITEL 2<br />
FASZINIERENDE<br />
UNTER WASSERWELT<br />
Grüner See bei Tragöß<br />
Am Fuße des Hochschwabmassivs gelegen,<br />
birgt dieser See eine Besonderheit.<br />
Es handelt sich dabei um einen saisonalen<br />
See. Das bedeutet, dass er fast das gesamte<br />
Jahr über eine Tiefe von zwei bis drei Metern<br />
hat, der Wasserspiegel aber zur Zeit<br />
der Schneeschmelze auf bis zu zehn Meter<br />
ansteigen kann. Dann sind Wege, Wiesen<br />
und auch eine Brücke versunken. Rast auf<br />
einer Parkbank in sechs Metern Tiefe? Kein<br />
Problem. Das Wasser ist sehr klar und hat<br />
selten mehr als 6 °C.<br />
Tauchen in Flüssen<br />
Flüsse haben ihren eigenen Reiz. Berauschende<br />
Sichtweiten bei guten Wetterbedingungen<br />
und abwechslungsreiche Flora<br />
und Fauna sind gute Gründe, einmal einen<br />
Fluss zu betauchen. Man könnte nicht nur<br />
ein Buch darüber schreiben.<br />
Spektakulärer Süßwassertauchgang<br />
in Silfra<br />
64° Nord, 3 °C – das sind die Eckdaten<br />
eines der spektakulärsten Süßwassertauchgänge<br />
, die man in Europa unternehmen<br />
kann. In Europa? Nicht ganz. An der<br />
rechten Schulter liegt Amerika. Der Platz<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 10 mm<br />
Belichtung 1/60 s<br />
Blende<br />
f/5,0<br />
ISO 400<br />
Der Zufluss zum<br />
Riesachsee besticht<br />
durch klares Wasser<br />
und attraktive Spiegelungen.<br />
135
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 8 mm<br />
Belichtung 1/125 s<br />
Blende<br />
f/8,0<br />
ISO 200<br />
Der unvergleichliche<br />
Blick durch glasklares<br />
Wasser und eine<br />
Temperatur von 3 °C<br />
rauben Ihnen in der<br />
Silfra-Spalte den Atem.<br />
Rechts: Hände wärmen<br />
im Nordatlantik! Aus<br />
vulkanischen Quellen<br />
im Eyjafjörður strömt<br />
knapp 80 °C warmes<br />
Süßwasser. Es bildet<br />
beim Vermischen mit<br />
dem kalten Meerwasser<br />
flimmernde<br />
Schlieren.<br />
heißt Silfra (auf Isländisch „Silber“), und er<br />
macht diesem Namen alle Ehre. Das Wasser<br />
ist so klar, dass man zu fliegen meint.<br />
Jahrelang wurde es von Vulkangestein gefiltert,<br />
um in absoluter Reinheit im Grabenbruch<br />
zwischen den Kontinentalplatten an<br />
die Oberfläche zu strömen. Die Sichtweite<br />
wird mit über 100 m angegeben. Schwarze<br />
Lavabrocken, von braunen und grünen<br />
Algenfäden überzogen, bilden den Rahmen<br />
für dieses Naturschauspiel. Nicht die<br />
Wassertemperatur, der Anblick allein wird<br />
Ihnen den Atem rauben.<br />
Unter der Adresse www.dive.is können Sie<br />
Tauchgänge an diesem einmaligen Platz<br />
buchen.<br />
Heißwasserschlot am Meeresgrund<br />
des Eyjafjörður<br />
Der einzige bekannte Heißwasserschlot ,<br />
der für Sporttaucher erreichbar ist, liegt im<br />
Norden Islands. Über 1.000 Jahre altes Süßwasser<br />
strömt mit ungefähr 80 °C aus einem<br />
Schlot , der sich vom Meeresgrund des<br />
Eyjafjörður aus einer Tiefe von 65 m erhebt.<br />
Die Wärme am Schlot hat, im Kontrast zum<br />
umgebenden, nur 5 °C kalten Meerwasser<br />
an diesem Platz ein einzigartiges Biotop<br />
entstehen lassen. Unweit des Strytan befindet<br />
sich auf einer Fläche von 400 x 1.000 m<br />
eine Gruppe kleinerer Schlote und Quellen,<br />
die ebenfalls in betauchbarer Tiefe liegen.<br />
136
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 8 mm<br />
Belichtung 1/60 s<br />
Blende<br />
f/4,0<br />
ISO 200<br />
KAPITEL 2<br />
FASZINIERENDE<br />
UNTER WASSERWELT<br />
137
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 4 mm<br />
Belichtung 1/60 s<br />
Blende<br />
f/2,0<br />
ISO 160<br />
Eine der beiden Schiffsschrauben der Zenobia. Sie vermittelt die gigantischen Ausmaße dieses Wracks.<br />
Fotogene Wracks auf Zypern<br />
Es bedarf keiner Weltreise, um fotogene<br />
Wracks zu sehen. Abseits großer Touristenströme<br />
bietet Zypern eine Auswahl<br />
an attraktiven Plätzen. Vor Paphos liegen<br />
mehrere Wracks in geringer Tiefe. Sie sind<br />
absolut anfängertauglich und ideal als Fotomotiv<br />
geeignet. Viel natürliches Licht, gute<br />
Sicht und ausreichend Grundzeit geben<br />
Ihnen Gelegenheit zum entspannten Fotografieren.<br />
Ein besonderer Tauchplatz ist die<br />
Zenobia , die 1980 in der Hafeneinfahrt von<br />
Larnaka voll beladen gesunken ist. Mit einer<br />
Länge von 172 m ist sie das größte betauchbare<br />
Wrack im Mittelmeer. Lastwagen<br />
hängen an Ketten oder liegen verstreut wie<br />
Spielzeug an Deck. Fast alle Tauchbasen auf<br />
Zypern haben dieses außergewöhnliche Erlebnis<br />
im Programm.<br />
138
KAPITEL 2<br />
FASZINIERENDE<br />
UNTER WASSERWELT<br />
Muck diving in der Lembeh Strait<br />
Eine schmale Wasserstraße zwischen zwei<br />
Inseln. Pechschwarzer Sand. Eine schmutzige<br />
Hafenstadt. Schiffe, von denen gedankenlos<br />
Müll über Bord geworfen wird. Der<br />
englische Begriff „muck diving“ bringt es<br />
auf den Punkt. Tauchen im Dreck. Gerade<br />
dort, wo achtlos weggeworfene Farbdosen,<br />
Autoreifen oder Metallteile liegen, sammelt<br />
sich buntes Leben. Kleine Oasen der Vielfalt<br />
im Müll. Tiere, die man sonst nirgends<br />
findet. Ein Kleinod im Herzen der Wallacea ,<br />
der äquatornahen Zone, die für ihre Biodiversität<br />
berühmt ist.<br />
Es gibt mehrere Tauchbasen rund um Lembeh,<br />
eine familiäre und vorbildlich geführte<br />
Tauchbasis ist die Divers Lodge Lembeh –<br />
www.diverslodgelembeh.com.<br />
Galapagos, der Name ist Programm<br />
Berühmte Forscher wie Charles Darwin und<br />
Alexander von Humboldt haben diesen außergewöhnlichen<br />
Platz besucht und dort geforscht.<br />
Die Inseln haben auch mehr als 200<br />
Jahre danach nichts von ihrer durch Naturgewalten<br />
geprägten Ausstrahlung verloren.<br />
Anders als die großen Forscher vergangener<br />
Jahrhunderte haben Sie heute die Möglichkeit,<br />
nicht nur die Oberfläche, sondern auch<br />
das Meer um diese Inselgruppe zu erkunden.<br />
Heftiger Seegang und Strömungen von bis zu<br />
drei Knoten sind an der Tagesordnung. Ein Erlebnis,<br />
das nur erfahrene Taucher wirklich genießen<br />
können. Als Belohnung winken riesige<br />
Schwärme, Großfische wie Haie und Mantas<br />
oder ein Tanz mit verspielten Seelöwen.<br />
Leben im schwarzen<br />
Vulkansand. Muck diving<br />
birgt eine Vielzahl<br />
an Überraschungen.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 36 mm<br />
Belichtung 1/125 s<br />
Blende<br />
f/2,4<br />
ISO 80<br />
139
140
KAPITEL 2<br />
FASZINIERENDE<br />
UNTER WASSERWELT<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 8 mm<br />
Belichtung 1/30 s<br />
Blende<br />
f/5,6<br />
ISO 100<br />
Hier dreht sich alles nur<br />
um Fisch. Ob Großfische<br />
oder Schwarm, Sie kommen<br />
auf Ihre Kasten.<br />
141
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 8 mm<br />
Belichtung 1/125 s<br />
Blende<br />
f/8,0<br />
ISO 100<br />
Die Höhle besteht aus<br />
mehreren Kammern,<br />
in denen man auftauchen<br />
kann. Bizarre<br />
Steinformationen<br />
zieren Decke und<br />
Wände.<br />
Höhlentauchen der Spitzenklasse:<br />
Taïn und La Sirena<br />
Eine enge, rostige Wendeltreppe führt zu<br />
diesem gut versteckten Schmuckstück. Die<br />
Höhle Taïn bei Boca Chica in der Dominikanischen<br />
Republik gehört zu den schönsten<br />
Höhlen weltweit. Trotz ihrer geringen Ausdehnung<br />
beinhaltet sie eine Vielzahl unterschiedlicher,<br />
bizarr geformter Tropfsteinformationen.<br />
In mehreren Kammern, die durch<br />
Engstellen voneinander getrennt sind, verläuft<br />
die Höhle annähernd horizontal im Boden.<br />
Sie liegt knapp über dem Meeresspiegel.<br />
Ein tiefer liegender Seitenarm ist teilweise<br />
mit Salzwasser gefüllt. Die dadurch entstehende<br />
Halokline sorgt beim Durchtauchen<br />
für psychedelisch wirkende optische Effekte.<br />
Sie kann aber auch zur Gefahr werden, weil<br />
sie, vom Flossenschlag durchmischt, die Orientierung<br />
deutlich beeinträchtigt.<br />
Rifftauchen auf Wakatobi<br />
Fremde Taucher – Geld zurück! Bei diesem<br />
Versprechen hätte die Basis auf Wakatobi<br />
kein Problem. Sie ist die einzige im Umkreis<br />
von 500 km. Ein hervorragendes Hausriff<br />
und dazu über 45 Tauchplätze mit gesunden<br />
und bestens bewachsenen Steilwänden<br />
sind die Zutaten zu diesem Traum am Ende<br />
der Welt. Als Draufgabe gibt es 5-Sterne-<br />
Service und eine Organisation, die an ein<br />
Schweizer Uhrwerk erinnert. Das liegt an<br />
Lorenz Mäder, einem Schweizer Biologen,<br />
der diesen Platz entdeckte und zur perfekten<br />
Tauchbasis ausgebaut hat.<br />
Informationen und Buchung finden Sie unter<br />
der Adresse www.wakatobi.com.<br />
Rechts: Gut bewachsene Steilwände sind auf<br />
Wakatobi die Regel. Hier ist das Riff noch intakt.<br />
142
KAPITEL 2<br />
FASZINIERENDE<br />
UNTER WASSERWELT<br />
WEITERFÜHRENDE QUELLEN<br />
Das Gehäuse zur Kamera finden<br />
Die Webseite www.digideep.com bietet eine umfangreiche Datenbank mit Kameras und dazu<br />
passenden Gehäusen. Auch Beispielfotos und Testberichte finden Sie dort. Für den direkten<br />
Meinungsaustausch sorgt das Diskussionsforum.<br />
Mehr aus den eigenen Bildern machen<br />
Das deutschsprachige Internetforum http://uwpix.org bietet eine gut besuchte Plattform rund<br />
um die Unterwasserfotografie. Neben technischen Themen legt dieses Forum einen Schwerpunkt<br />
auf Bildbesprechungen. Sie haben so die Chance, Tipps und Tricks zur Verbesserung<br />
Ihrer Bilder zu bekommen.<br />
Internationale Plattform für Unterwasserfotografie<br />
Das nur in englischer Sprache verfügbare Forum www.wetpixel.com ist eine internationale<br />
Plattform für Unterwasserfotografie auf sehr hohem Niveau. Die dort behandelten Themen<br />
erstrecken sich über viele Themenbereiche, wie Technik, Bestimmung von Tieren und natürlich<br />
die Bildgestaltung.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 8 mm<br />
Belichtung 1/60 s<br />
Blende<br />
f/8,0<br />
ISO 100<br />
143
146
KAPITEL 3<br />
ATEM BERAUBENDES<br />
HOCHGEBIRGE<br />
Atem beraubendes Hochgebirge<br />
149 O Täler weit, o Höhen<br />
149 Anforderungen an Mensch und<br />
Material<br />
150 Körperliche Fitness<br />
150 Vorzugsweise mit Bergpartner<br />
151 Studium des Bergwetters<br />
151 Vorsicht, Lawinengefahr!<br />
152 Knoten und Sicherungstechniken<br />
152 Kompass und Kartenmaterial<br />
153 Die Sternentabelle des Fotografen<br />
153 Wasser und konzentrierte Kalorien<br />
154 Klimatische Extreme, Feind der Kamera<br />
154 Mechanische Schätzchen, immer<br />
bereit<br />
156 Bergsteigen mit Kamera<br />
157 Fotografie mit Bergsteigen<br />
159 Hochgebirge, die Domäne<br />
der Weitwinkel<br />
164 Ausnahme: lange Telebrennweiten<br />
166 Polfilter, im Gebirge ein Muss<br />
167 Bildstabilisator oder besser mit Stativ?<br />
170 Bildbeurteilung mit Live-View<br />
171 Bildgestaltung oberhalb der<br />
Baumgrenze<br />
171 An erster Stelle steht die Bildidee<br />
171 Tourenplanung mit iPhone und iPad<br />
173 Der Beweis: das Gipfelfoto<br />
173 Eindrucksvolle Bergpanoramen<br />
174 Personen vor grandioser Kulisse<br />
175 Skifahrer während der rasanten<br />
Abfahrt<br />
176 Kletterer in der Wand<br />
178 Klärung der Größenverhältnisse<br />
180 Schattenrisse vor grandiosem<br />
Hintergrund<br />
181 Halt! Blitzlicht im Gebirge?<br />
182 Stürzende Linien auch im Gebirge<br />
183 Die Sache mit dem roten Pullover<br />
184 Wasserfälle, Seen und reißende<br />
Bergbäche<br />
189 Sonne und Mond in den Bergen<br />
190 Dramatische Wetter<br />
192 Regeln vor der Erstbesteigung<br />
192 Nehmen Sie sich Zeit<br />
192 Unterschätzen Sie die Witterung nicht<br />
193 Respektieren Sie Betretungsverbote<br />
194 Schreiben Sie Ihre Touren<br />
ins Hüttenbuch<br />
194 Stay alert! Bleiben Sie wachsam!<br />
196 Auf geht’s Buam:<br />
Hütten in den Alpen<br />
196 Mitgliedschaft im Alpenverein<br />
197 1.327 m: Tutzinger Hütte<br />
198 1.834 m: Erfurter Hütte im Rofan<br />
198 2.177 m: Riemannhaus am Steinernen<br />
Meer<br />
198 2.389 m: Olperer Hütte<br />
in den Ziller taler Alpen<br />
198 2.438 m: Dreizinnenhütte<br />
in den Dolomiten<br />
198 2.700 m: Dachstein-Gletscherbahn<br />
199 2.690 m: Kandersteg im Berner<br />
Oberland<br />
199 3.883 m: Seilbahn auf den Aiguille<br />
du Midi<br />
147
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 200 mm<br />
Belichtung 1/80 s<br />
Blende<br />
f/8,0<br />
ISO 200<br />
Das Doldenhorn in den Berner Alpen. Hier ein Blick auf die Südseite im spätherbstlichen Abendlicht.<br />
3<br />
Atem beraubendes Hochgebirge<br />
Hochgebirgsfotografie hat sich in den letzten 100 Jahren einen etwas zweifelhaften Ruf<br />
erarbeitet: Das blanke Ablichten beeindruckender Hochgebirgspanoramen, wahlweise mit<br />
Bergsteiger im karierten Flanellhemd davor, hat, im Verein mit den inflationär verbreiteten<br />
Ölschinken aus dem Alpenvorland, das Abbilden von Bergen etwas in Verruf gebracht. Erst<br />
in den letzten Jahren, durch die Renaissance des Klettersports und diverser alpiner Trendund<br />
Extremsportarten, sind die Berge wieder „cool“ genug, dass sie auch als Fotomotiv<br />
gefragt sind.<br />
148
KAPITEL 3<br />
ATEM BERAUBENDES<br />
HOCHGEBIRGE<br />
O Täler weit, o Höhen<br />
Bergfotografie, vor allem oberhalb der<br />
Baumgrenze , ist ein steter Spagat zwischen<br />
der Begeisterung für das Bergpanorama,<br />
gesteigert noch durch das persönliche Erfolgserlebnis,<br />
in solche Höhen überhaupt<br />
vorgedrungen zu sein, und dem Wunsch,<br />
fotografisch ansprechende Bilder zu machen.<br />
So fantastisch ein Alpenglühen ist, als<br />
Motiv ist es nur in Ausnahmefällen geeignet.<br />
So atemberaubend ein Rundblick sein<br />
kann – oft genug zeigen die von dort gemachten<br />
Bilder doch nur eine Anhäufung<br />
namenloser Felszacken. Doch Bergfotografie<br />
ist mehr als Panoramen knipsen, auch<br />
wenn die meisten zwangsläufig damit anfangen.<br />
Bergfotografie kann atemberaubende<br />
Momente festhalten und unvergleichliche<br />
Stimmungen zum Betrachter<br />
transportieren. Man muss dabei nicht notwendigerweise<br />
in die Eigernordwand einsteigen<br />
oder eine Expedition zum Nanga<br />
Parbat organisieren. Bergfotografie im<br />
Hochgebirge ist auch ohne Sherpa möglich.<br />
Anforderungen an Mensch und<br />
Material<br />
Das Hochgebirge bietet unendliche Motive,<br />
unendliche Lichtstimmungen und sehr abwechslungsreiches<br />
Wetter. Das Hochgebirge<br />
ist aber keine Studioumgebung. Denken<br />
Sie immer daran: Kein Foto ist es wert, dass<br />
Sie sich dafür die Finger abfrieren oder einen<br />
Flug mit dem Bergwachthubschrauber<br />
riskieren. Es gibt ausreichend Fotografen,<br />
die auf der Suche nach dem ultimativen Bild<br />
für immer in den Bergen geblieben sind.<br />
ÜBER DEN AUTOR<br />
Reinhard Wagner , Jahrgang 1963,<br />
bekam mit zehn Jahren eine Kodak<br />
Instamatic geschenkt, die ausschließlich<br />
quadratische Negative erzeugte.<br />
Nachdem er einige Jahre hauptsächlich<br />
schiefe Bilder produziert hatte,<br />
weil lediglich in der Diagonalen genügend<br />
Platz fürs Motiv war, setzte er<br />
mit 14 eine Kleinbild-Exakta Varex IIa<br />
durch und ist seitdem vom Spiegelreflex-Virus<br />
befallen. Seit 1981 macht er<br />
Zeitungsarbeit, setzt dabei seit 1999<br />
auch Digitalkameras von Olympus<br />
ein und dreht Kurzfilme. Technischen<br />
Hintergrund erhielt er an der Universität<br />
Erlangen und der Fachhochschule<br />
Regensburg. Seit 2008 leitet<br />
er neben seinem 1995 gegründeten<br />
Verlag auch die Website oly-e.de,<br />
eines der größten Foren zu Olympus<br />
im deutschsprachigen Raum.<br />
149
Blauer Himmel,<br />
wunderbare Tiefsicht<br />
von fast 3.000 m auf<br />
die Ägäis, es scheinen<br />
beste Wetterbedingungen<br />
zu herrschen.<br />
Trotzdem wird die<br />
Besteigung des Mytikas,<br />
des Hauptgipfels<br />
des Olymp, auf ca.<br />
2.600 m aufgrund<br />
des extremen Winds<br />
abgebrochen.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Dia<br />
analog<br />
Brennweite 50 mm<br />
Blende<br />
f/8,0<br />
Körperliche Fitness<br />
Fotografie im Hochgebirge erfordert zunächst<br />
einmal körperliche Fitness . Es geht<br />
dabei nicht darum, dass Sie einen Marathon<br />
absolvieren oder vor dem Frühstück 20 km<br />
Fahrrad fahren können. Es geht vor allem<br />
darum, dass Sie Ihre eigene körperliche<br />
Leistungsfähigkeit kennen. Im Hochgebirge<br />
funktionieren Handys manchmal ganz<br />
überraschend nicht, Sie sind also unter Umständen<br />
auf sich allein gestellt. Verletzen Sie<br />
sich unterwegs und haben keine Funkverbindung,<br />
kann der Fotoausflug sehr schnell<br />
zu einer tödlichen Gefahr werden. Die wichtigste<br />
Vorbereitung ist also, die persönliche<br />
körperliche Konstitution zu verbessern und<br />
realistisch einzuschätzen.<br />
Nicht zu vergessen: Trittsicherheit und<br />
Schwindelfreiheit sind ebenfalls entscheidende<br />
Voraussetzungen . Die Faustformel<br />
für sicheres Bergsteigen lautet: eine Hand<br />
am Berg – die meisten Kameras sind aber<br />
nicht einhandtauglich, also müssen Sie sich<br />
zwangsläufig ausschließlich auf Ihre Beine<br />
verlassen können.<br />
Vorzugsweise mit Bergpartner<br />
Ebenso wichtig: Suchen Sie sich eine Person<br />
Ihres Vertrauens, mit der Sie losziehen<br />
und die auch darauf vorbereitet ist, dass Sie<br />
fotografieren wollen. Im Normalfall schafft<br />
ein durchschnittlicher Bergsteiger etwa<br />
400 Höhenmeter pro Stunde. Wenn Sie<br />
unterwegs ernsthaft fotografieren wollen,<br />
können Sie höchstens mit der Hälfte rechnen.<br />
Ihre Partner müssen mit dieser verminderten<br />
Geschwindigkeit zurechtkommen.<br />
Das hat nicht nur mit Geduld, sondern auch<br />
mit Routenwahl und Fitness zu tun. Der<br />
Bergpartner kommt bei einer erzwungenen<br />
Pause aus dem Rhythmus – und das kostet<br />
Kraft. Eine normale Zweitagestour kann<br />
sich leicht auf das Doppelte ausdehnen und<br />
ist damit an einem Wochenende nicht mehr<br />
zu machen. Zudem wird das Wetter über<br />
einen längeren Zeitraum unsicherer.<br />
150
KAPITEL 3<br />
ATEM BERAUBENDES<br />
HOCHGEBIRGE<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Dia<br />
analog<br />
Brennweite 80 mm<br />
Blende<br />
f/8,0<br />
Studium des Bergwetters<br />
Die nächste Vorbereitungsphase ist natürlich<br />
das Studium des Bergwetters . Dabei<br />
geht es nicht nur darum, dass Sie halbwegs<br />
trocken und gesund auf den Gipfel kommen,<br />
sondern das Wetter sollte klar und<br />
sicher sein. In den Alpen geht klares Wetter<br />
oft mit Föhn einher. Föhn kann aber in<br />
Gipfellagen außerordentlich unangenehm<br />
werden, vor allem wenn man keine Hand<br />
frei hat, um sich festzuhalten.<br />
Nicht minder wichtig ist die mentale Vorbereitung.<br />
Für den Bergsteiger gilt die eiserne<br />
Regel: Held ist, wer umkehrt. Wer weitersteigt,<br />
ist ein Sturkopf und leider oft genug<br />
ein toter Sturkopf. Für fotografierende Bergsteiger<br />
ist diese Regel noch schärfer: besser<br />
ohne Kamera zurückkommen als ohne Kopf.<br />
Wenn Sie ein dummes Gefühl haben, sich<br />
körperlich nicht fit fühlen oder irgendetwas<br />
nicht passt: Drehen Sie um, verzichten Sie auf<br />
das Bild, verzichten Sie auf den Gipfel. Und<br />
wenn Sie am anderen Ende der Welt sind und<br />
nur einmal in Ihrem Leben die Chance haben,<br />
dieses eine Foto zu machen – bedenken Sie<br />
immer, Sie haben die einmalige Chance, bis<br />
an Ihr Lebensende an diesem Ort zu bleiben.<br />
Seien Sie sich deshalb von vornherein im<br />
Klaren darüber: Hochgebirgsfotografie ist<br />
klasse, aber wenn Sie sich dabei den großen<br />
Zeh erfrieren, merken Sie das den Rest<br />
Ihres Lebens, und wenn Ihr großer Zeh auftaut,<br />
könnten Sie vor Schmerz am liebsten<br />
in die Speicherkarte beißen.<br />
Vorsicht, Lawinengefahr!<br />
Solange Sie im Hochgebirge unterwegs<br />
sind, ist es selbstverständlich, dass Sie mit<br />
dem richtigen Verhalten in dieser Gegend<br />
vertraut sind. Gehen Sie im Winter ins Gebirge,<br />
muss Ihnen zwingend das Verhalten<br />
in lawinengefährdetem Gebiet geläufig<br />
sein, und idealerweise haben Sie auch einen<br />
entsprechenden Rettungskurs mitgemacht.<br />
Abstieg durch das Laliderer<br />
Tal im Karwendel. Im Sommer<br />
ist dies der Normalweg<br />
auf die Falkenhütte. Es kann<br />
aber jederzeit selbst auf<br />
dieser geringen Höhe ein<br />
Wettersturz kommen, der in<br />
heftiger Lawinengefahr und<br />
dickstem Nebel endet. 15<br />
Monate vor dieser Aufnahme,<br />
im Juni 1979, fand<br />
wenige Meter von dieser<br />
Aufnahme entfernt die bisher<br />
größte Bergrettungsaktion<br />
Österreichs statt, als zwei<br />
bayerische Bergsteiger<br />
während eines mehrtägigen<br />
Schneesturms aus der Laliderer<br />
Wand geborgen wurden.<br />
Auch bei der abgebildeten<br />
Bergtour musste ein Begleiter<br />
wegen Unterkühlung mit<br />
dem Hubschrauber abgeholt<br />
werden.<br />
151
Stativ in steilem Geröllfeld<br />
mit montiertem<br />
Nikkor 200-400,<br />
beschwert durch eine<br />
Plastiktüte mit Steinen.<br />
Im Hintergrund Bunderspitz<br />
und First.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 14 mm<br />
Belichtung 1/640 s<br />
Blende<br />
f/7,1<br />
ISO 100<br />
Knoten und Sicherungstechniken<br />
Falls Sie klettern, versteht es sich von selbst,<br />
dass Sie die notwendigen Knoten und Sicherungstechniken<br />
beherrschen und sich<br />
auch selbst abseilen können, schon allein<br />
deshalb, weil Sie als Fotograf grundsätzlich<br />
irgendwelche Extrawürste braten und den<br />
Betrieb aufhalten. Sie benötigen also unbedingte<br />
Fitness und Sicherheit am Fels. Natürlich<br />
gibt es Fotografen, die sich Top-Rope<br />
die Wand hochziehen lassen und dann<br />
fleißig die daneben kraxelnden Jungs ablichten<br />
oder nach getaner Arbeit, weil’s so<br />
einfach ist, mit ein paar Steigklemmen ein<br />
Fixseil „hochjümarn“. Es gibt aber ebenfalls<br />
Fotografen, die oben feststellen, dass das<br />
Fixseil an der Felskante gescheuert hat und<br />
sie um das buchstäbliche Haar noch mal<br />
davongekommen sind. Deshalb: Richten Sie<br />
sich darauf ein, die Technik ausschließlich<br />
zur Sicherung zu verwenden. Das hat auch<br />
den Vorteil, dass Sie ein Gefühl für die Natur<br />
behalten – und dieses Gefühl kann Ihnen<br />
das Leben retten. Das Hochgebirge ist kein<br />
Klettergarten oder Sportplatz.<br />
Kompass und Kartenmaterial<br />
Für die Tourplanung sind natürlich Kompass<br />
und Kartenmaterial unentbehrlich.<br />
Verlassen Sie sich nicht auf GPS-Kompass,<br />
Navigationsgerät oder gar Ihr Smartphone.<br />
Alle technischen Geräte können kaputtgehen,<br />
der Akku kann einfrieren – ein Wassereinbruch<br />
im Gerät, und Sie sind ohne Karte<br />
und den guten alten Magnetkompass völlig<br />
aufgeschmissen. Schon ein paar Stunden<br />
152
KAPITEL 3<br />
ATEM BERAUBENDES<br />
HOCHGEBIRGE<br />
Schneefall und etwas Nebel können ein bei<br />
Sonnenschein harmloses Hochplateau zu<br />
einer Todesfalle werden lassen.<br />
EISPICKEL UND<br />
PLASTIKTÜTE<br />
Sind Sie in steilem Gelände unterwegs,<br />
nehmen Sie einen Eispickel<br />
mit – es gibt nichts Besseres, um<br />
einen Fotorucksack gegen spontanes<br />
Davonkullern zu sichern. Vor allem<br />
in steilen Geröllfeldern ist das ein<br />
„Must“. Auch eine stabile Plastiktüte<br />
oder eine Stofftasche sind zweckmäßig.<br />
In diese kann man Steine<br />
einfüllen, um das Stativ zu beschweren.<br />
Der gern verwendete Rucksack<br />
hat den Nachteil, dass man möglicherweise<br />
während der Pause etwas<br />
herausholen möchte oder dass er die<br />
falschen Abmessungen hat.<br />
TRANSPORTKAPAZITÄTEN<br />
Wenn Sie beliebige Transportkapazitäten<br />
haben, nehmen Sie alles mit,<br />
was Sie an Fotozubehör besitzen. Sie<br />
können sicher sein, dass der Adlerhorst<br />
genau dann in Sicht kommt,<br />
wenn Sie nur ein Weitwinkelobjektiv<br />
dabeihaben, oder dass Sie im Mondlicht<br />
ein wunderbares Panorama, aber<br />
kein Stativ haben. Murphys Gesetz<br />
ist ewig, und gerade im Gebirge<br />
bestätigt sich das jeden Tag. Nicht<br />
jeder hat aber die Möglichkeit, den<br />
angestrebten Gipfel mit dem Helikopter<br />
anzufliegen, sodass Transport<br />
und Abholung des Equipments das<br />
Problem anderer wäre. In den meisten<br />
Fällen ist man gezwungen, die Fotoausrüstung<br />
selbst auf die Höhe zu<br />
bringen.<br />
Die Sternentabelle des Fotografen<br />
Genug der Schwarzmalerei, nicht jede<br />
Hochtour endet im Hubschrauber der Bergrettung,<br />
und auch die GPS-Geräte sind<br />
meistens zuverlässig. Die moderne Technik<br />
ermöglicht es sogar, Fotografie und Bergsteigen<br />
auf völlig neuartige Art und Weise<br />
zu kombinieren. Ein sehr praktisches Tool<br />
dafür ist TPE – The Photographer‘s Ephemeris.<br />
Übersetzt bedeutet das nichts anderes<br />
als „Die Sternentabelle des Fotografen“, was<br />
natürlich nicht ganz stimmt, da es hierbei<br />
nur um Sonnen- und Mondhöhen geht.<br />
Mit diesem Tool kann man nicht nur für<br />
jeden Punkt der Erde Sonnenauf und -untergangszeiten<br />
an jedem Tag des Jahres bestimmen,<br />
sondern auch die Sonnenhöhe zu<br />
jedem Zeitpunkt – und das auch noch unter<br />
Berücksichtigung des Geländeprofils. Sie<br />
können also schlicht genau den Zeitpunkt<br />
ausrechnen, an dem die Sonne genau die<br />
Spitze eines bestimmten Gipfels berührt,<br />
wenn Sie von einem bestimmten Grat aus<br />
fotografieren. Sie können feststellen, ob das<br />
von Ihnen gewünschte Alpenglühen von<br />
der geplanten Tour aus überhaupt sichtbar<br />
ist und ob die Wand vormittags im unteren<br />
Bereich Sonne hat oder nicht. Mittels dieses<br />
Tools können Sie nun Ihre Tour auch<br />
fotografisch planen – doch so schön diese<br />
Möglichkeiten auch sind, Vorrang hat immer<br />
die Sicherheit.<br />
Wasser und konzentrierte Kalorien<br />
Sorgen Sie für ausreichend Wasser und konzentrierte<br />
Kalorien . Wenn Sie mit den isotonischen<br />
Sportgetränken nichts anfangen<br />
können, nehmen Sie Mineraltabletten mit<br />
oder, falls Sie auch das nicht mögen, salzige<br />
153
Von links nach rechts:<br />
die voll- und teilmechanischen<br />
Saurier<br />
EXA IIa, Pentax MV,<br />
Minox EC. Dahinter<br />
eine CF-Karte zum<br />
Größenvergleich.<br />
Würstchen. Die Brotzeit der Bergbauern ist<br />
nicht umsonst deftig, das Bergsteigeressen<br />
auf Alpenvereinshütten besteht meist aus<br />
Kartoffeln mit Speck, Käsespätzle oder anderen<br />
Kalorienbomben wie Spaghetti Bolognese<br />
o. Ä. Wasser allein hilft Ihnen nichts,<br />
und Schokolade kann zwar für Energie sorgen,<br />
ersetzt aber nicht die verloren gegangenen<br />
Mineralstoffe – und Wadenkrämpfe<br />
zum falschen Zeitpunkt können Sie abrupt<br />
aus dem Rennen oder der Wand werfen.<br />
Auch wenn Sie bei vermeintlich bestem<br />
Wetter losmarschieren und es mitten im<br />
Hochsommer ist: Nehmen Sie zumindest<br />
warme Kleidung mit, auch ein paar leichte<br />
Fausthandschuhe sind keine übertriebene<br />
Vorsicht. Profis haben immer einen<br />
Biwaksack dabei, die es schon ab 120 g in<br />
einfachster Ausführung gibt. Für zwei Personen<br />
muss man etwa 400 g einrechnen.<br />
Klimatische Extreme, Feind der Kamera<br />
Die Beschränkung auf das Wesentliche ist<br />
bei der Hochgebirgsfotografie noch dringlicher<br />
als in einem anderen Umfeld. Dabei<br />
muss man nicht nur das Gewicht im Auge<br />
behalten, sondern auch die Funktionalität bei<br />
allen Klimabedingungen. Auf 4.000 m Höhe<br />
steigt das Thermometer in den Alpen selbst<br />
im Sommer kaum über 5 °C. Im Winter sind<br />
es auch mal 35 Minusgrade, was selbst in<br />
der Hosentasche vorgewärmte Akkus sehr<br />
schnell in die Knie zwingt. Im Unterschied<br />
dazu kann eine schwarze Kamera in der Sonne<br />
auch mal schnell so heiß werden, dass der<br />
Sensor nicht mehr ausreichend gekühlt werden<br />
kann. Klimatische Extreme sind also der<br />
natürliche Feind der Digitaltechnik.<br />
Mechanische Schätzchen, immer bereit<br />
Die Rundum-glücklich-Kamera für den,<br />
der für alle klimatischen Eventualitäten gewappnet<br />
sein will, ist eine Pentax MX oder<br />
die Olympus OM-1 mit 50- oder 35-mm-<br />
Objektiv. Zusammen mit einem 36er-Film<br />
wiegt das Ganze nicht mehr als 750 g und ist<br />
bei absolut jedem Klima einsetzbar. Wenn<br />
die internen Knopfzellen der Kameras aufgeben,<br />
sollte man noch einen Selen-Belichtungsmesser<br />
in der Tasche haben. Diese für<br />
wenige Euros erhältlichen Fossile funktionieren<br />
auch ohne Batterie. Leider sind sowohl<br />
die MX- als auch die Olympus-OM-Kameras<br />
nicht wirklich billig zu haben. Günstiger sind<br />
154
KAPITEL 3<br />
ATEM BERAUBENDES<br />
HOCHGEBIRGE<br />
die Vollmetall-Klopper aus Jena, EXA oder<br />
Exakta Varex mit einem 35-mm-Flektagon<br />
oder einem 50-mm-Tessar.<br />
Das Transportgewicht der „Großen“ liegt<br />
dann schon jenseits der 1.000 g, allerdings<br />
hat man auch so flotte Details wie integrierte<br />
Filmabschneider und auswechselbare<br />
Lichtschachtsucher an Bord. Man sollte lediglich<br />
bei Temperaturen unter –25 °C beim<br />
händischen Filmtransport etwas Vorsicht<br />
walten lassen, da bei diesen Temperaturen<br />
gern mal die Perforation der Filme ausreißt.<br />
Auch eine Praktika ist eine Überlegung<br />
wert. Die Kameras sind ziemlich günstig<br />
zu haben, die M42-Objektive gibt es in<br />
wirklich jeder Preis- und Qualitätsklasse,<br />
und die Kameras haben immerhin einen<br />
Schnittbildsucher.<br />
Auch wenn die altmodische Bereitschaftstasche<br />
albern und touristisch aussieht und bei<br />
alten Hasen den Spitznamen „Bereitschaftsverhinderungstasche“<br />
hat – durch die Konstruktion<br />
schützt sie die Kamera zuverlässig<br />
auch vor ausgesprochen herben Stößen in<br />
der Wand. Eine Varex IIa, die in einer Bereitschaftstasche<br />
außen am Rucksack befestigt<br />
war, überlebte den Sturz des Rucksacks über<br />
einen 50-m-Abhang im Karwendel ohne einen<br />
Kratzer. Falls Sie das Glück haben, noch<br />
eines der alten, mechanischen Schätzchen<br />
Bereitschaftstasche mit<br />
Exakta Varex IIa. Bereitschaftstaschen<br />
gibt es<br />
mittlerweile auch für die<br />
meisten Systemkameras<br />
und DSLRs, aus echtem<br />
Leder sind sie aber fast<br />
nicht mehr zu bezahlen.<br />
155
PLÄDOYER FÜR DIE BEREIT-<br />
SCHAFTSTASCHE<br />
Bereitschaftstaschen zeichnen sich<br />
dadurch aus, dass die Einzelteile<br />
„unverlierbar“ sind, mithin sich auch<br />
nicht unauffällig davonmachen können.<br />
Durch die mit einem Handgriff<br />
abklappbare Komplettabdeckung<br />
kann man sich auch den Objektivdeckel<br />
sparen. Der größte Nachteil<br />
der Bereitschaftstaschen ist ihr<br />
unglaublich muffiges Image und die<br />
Tatsache, dass man keine größeren<br />
Objektive darin unterbringen kann.<br />
im Schrank zu haben: Lassen Sie die Mechanik<br />
überholen und den Tuchverschluss reparieren,<br />
und Sie haben eine Kamera, die auch<br />
dann noch funktioniert, wenn alle anderen<br />
mangels Batterie aufgeben müssen.<br />
Bergsteigen mit Kamera<br />
Sobald Sie sicherstellen können, dass Sie<br />
immer und zu jeder Zeit einen angewärmten,<br />
vollen Akku parat haben, sprechen wir<br />
jedoch nur noch über Digitalkameras. Die<br />
kleinsten und leichtesten Kameras, die für<br />
extreme Situationen geeignet sind, sind die<br />
Outdoorkameras, die mit wasserdichtem<br />
Gehäuse und einem erweiterten Temperaturbereich<br />
punkten können. Diese Kameras,<br />
bei denen Olympus mit der Tough-<br />
Reihe Marktführer ist, sind unter normalen<br />
Umständen nicht kaputt zu kriegen. Solange<br />
sie irgendwie angebunden sind und<br />
sich nicht in einen Abgrund verabschieden,<br />
machen sie alles mit. Selbst eine Nacht im<br />
Schnee verkraften die Kameras ohne Klagen.<br />
Die neuesten Toughs haben mittlerweile<br />
sogar GPS an Bord. Einziges Manko<br />
ist die Bedienung der kleinen Kameras mit<br />
Handschuhen. Das erfordert eine gewisse<br />
Übungszeit. Bei extremer Kälte kann man<br />
die Kameras in Gänze in die Hosen- oder<br />
Jackentasche stecken, sodass sie eigentlich<br />
immer betriebsbereit sind.<br />
Leider haben diese unkaputtbaren Kompakten<br />
alle keinen Sucher mehr, sodass das<br />
Fotografieren im hellen Sonnenlicht zum<br />
Problem werden kann. Abhilfe schafft hier<br />
eine Kopfbedeckung mit Krempe oder Sonnenschutz.<br />
Es rentiert sich bei den Outdoorkameras<br />
übrigens nicht, ältere Exemplare zu<br />
erwerben. Die Bildqualität der neueren Modelle<br />
ist gegenüber denen der ersten Generation<br />
deutlich besser. Zudem haben neuere<br />
Kameras auch so praktische Features wie<br />
die automatische Panoramenerstellung<br />
oder einen HD-Videomodus an Bord.<br />
Ein großer Vorteil ist, dass die modernen<br />
Kompaktkameras über USB geladen<br />
werden können. Ein Solar-USB-Ladegerät<br />
macht Sie damit unterwegs vom Stromnetz<br />
unabhängig.<br />
Die modernen Knipsen bieten zwar bis zu 14<br />
Megapixel, tatsächlich reicht die Bildqualität<br />
oft genug aber nur für einen Print in 13 x<br />
18 cm aus. Da ist es empfehlenswert, genau<br />
hinzusehen und im Zweifelsfall mehr Geld<br />
auszugeben. DSLR-Qualität kann man allerdings<br />
auch bei den Besten nicht erwarten.<br />
Vor allem beim Dynamikumfang schwächeln<br />
die Kameras, und das unvermeidliche Rauschen<br />
wird durch aggressive, kamerainterne<br />
Glättung bekämpft – feine Strukturen bleiben<br />
da schon bei ISO 200 auf der Strecke.<br />
Wem die Bildqualität der „Rugged Cams“<br />
nicht ausreicht, ist versucht, zu einer Bridge<br />
oder einer der wohlfeilen Ultrazooms zu<br />
greifen. Wer bereits so eine Kamera besitzt<br />
und kein Geld ausgeben möchte, für den ist<br />
156
KAPITEL 3<br />
ATEM BERAUBENDES<br />
HOCHGEBIRGE<br />
das sicher eine Lösung des Problems, wirklich<br />
zufriedenstellend ist es aber auch nicht.<br />
Die Kameras sind durch den ausfahrenden<br />
„Rüssel“ noch empfindlicher als Kameras<br />
mit Wechselobjektiv, sie sind nicht so kompakt,<br />
haben meistens auch keine sonderlich<br />
großen Sensoren, weil sonst die extremen<br />
Zoomobjektive wieder unhandlich würden,<br />
und sind deshalb von der Bildqualität her<br />
eher im Bereich der „Rugged Cams“ angesiedelt.<br />
Interessanter sind da wieder die neuen<br />
Edelkompakten vom Schlage einer Olympus<br />
XZ-1 oder einer Canon S95. Bei diesen<br />
Kameras fährt das Objektiv nicht so weit<br />
aus, bei gutem Licht können die Ergebnisse<br />
mit DSLRs mithalten, die Kameras bieten<br />
RAW-Format, sind klein und leicht und<br />
trotzdem mit Handschuhen zu bedienen.<br />
Durch die hochwertigen, lichtstarken Objektive<br />
sind auch bei Dämmerung oder auf<br />
der Hütte noch erstklassige Fotos möglich.<br />
Fotografie mit Bergsteigen<br />
Ab der nächsten Stufe tritt nun das reine<br />
Bergsteigen mit Kamera in den Hintergrund,<br />
und man kommt in den Bereich der<br />
„Fotografie mit Bergsteigen“.<br />
Systemkameras<br />
Hier ist man dann mit einer der neuen Systemkameras<br />
unterwegs, vorzugsweise einer<br />
Panasonic GF oder Olympus PEN. Die<br />
ebenfalls in diesem Bereich angesiedelten<br />
Sony NEX und Samsung NX haben sensorbedingt<br />
deutlich größere Optiken und sind<br />
häufig nur schwer einhändig zu halten und<br />
zu bedienen. Die für die mFT-Kameras erhältlichen<br />
Aufstecksucher sind zwar ungeheuer<br />
praktisch, laufen aber auf längeren<br />
Touren unter „verlierbarem, teurem Kleinkram“.<br />
Als ideales Objektiv für die Tour hat sich<br />
bei den mFT-Kameras das 9-18 mm herausgestellt.<br />
Sowohl in der Wand als auch<br />
Drei Digitalkameras<br />
fürs Gebirge: Olympus E-3<br />
mit Batteriegriff und<br />
Zuiko 11-22 (22-44),<br />
Olympus E-P2 mit<br />
mZuiko 9-18 (18-36) und<br />
die Olympus Tough 810<br />
mit eingebautem 5-25-<br />
(28-140-mm-)Objektiv.<br />
157
für das Gipfelfoto sorgt der Bildwinkel des<br />
Objektivs für spektakuläre Bilder, die Kombination<br />
ist zudem noch durchaus kompakt.<br />
Brauchbare Allrounder sind die 14-42-mmund<br />
14-45-mm-Standardzooms, wobei<br />
auch hier die Olympus mZuikos aus ganz<br />
praktischen Gründen zu bevorzugen sind:<br />
Sie kommen nämlich aufgrund der Konstruktion<br />
ohne Streulichtblende aus – wieder<br />
ein Teil, das sich zu gern zum unpassenden<br />
Zeitpunkt selbstständig macht oder mit<br />
dem man irgendwo hängen bleiben kann.<br />
Spiegelreflexkamera<br />
Etwas größer als die Systemkameras sind<br />
dann die Spiegelreflexkameras mit FT- oder<br />
APS-Sensor. Bei den im Gebirge bevorzugt<br />
verwendeten Brennweiten im Weitwinkelund<br />
leichten Telebereich macht das keinen<br />
großen Unterschied. Es gibt in diesem<br />
Bereich ebenfalls mehrere gedichtete Kameras,<br />
denen auch mal ein Regenschauer<br />
nichts ausmacht. Das obere Ende der Wetterfestigkeit<br />
markiert hier Olympus mit der<br />
E-5, die vom Sand- bis zum Schneesturm<br />
alles aushält. Eine abgedichtete Kombi mit<br />
dem Zuiko 12-60 mm wiegt aber bereits<br />
Knapp 1,5 kg. Empfehlenswert sind auf jeden<br />
Fall Kombinationen mit Bildstabilisator, wobei<br />
es nebensächlich ist, ob der Stabilisator<br />
im Objektiv oder in der Kamera verbaut ist,<br />
in der Kamera ist er nur auf Dauer billiger.<br />
Kleinbildkameras<br />
Kleinbildkameras stehen im Ruf, groß und<br />
schwer zu sein, was für die Kameras selbst<br />
gar nicht zutreffen muss – die Nikon D700<br />
ist nicht viel größer als eine Olympus E-5,<br />
aber vor allem die Objektive sind voluminöser.<br />
Während zu analogen Zeiten noch<br />
drei- und vierlinsige Festbrennweiten auf<br />
den leichten, mechanischen Kameras zu<br />
finden waren, sind es heute, so man die<br />
damaligen Lichtstärken erreichen will, voluminöse<br />
Zooms mit einem Dutzend Linsen,<br />
AF-Motor, elektrischer Springblende und<br />
einem optischen Stabilisator – alles ausgesprochen<br />
praktische Erfindungen, die aber<br />
neben der Fehleranfälligkeit noch einen<br />
gravierenden Nachteil haben: Sie wiegen.<br />
Kleinbildkameras sind am Berg vor allem<br />
in der Werbefotografie und entsprechend<br />
budgetierten Produktionen zu finden. Hobbyisten<br />
sollten sich entweder auf wenige Objektive<br />
beschränken oder die Fotoausrüstung<br />
auf die Teammitglieder aufteilen. Priorität im<br />
Rucksack hat immer die eigene Notfallausrüstung.<br />
Wird ein Mitglied der Gruppe vom<br />
Rest getrennt und ist das zufällig der Fotograf,<br />
der zwar einen schweren Fotorucksack,<br />
aber keinerlei Ausrüstung besitzt, dann kann<br />
das im Gebirge böse ausgehen.<br />
AUSRÜSTUNG SICHERN<br />
Ein wichtiger Punkt bei der Ausrüstung<br />
im Hochgebirge ist immer:<br />
Rechnen Sie damit, dass Sie Ihre<br />
Ausrüstung verlieren. Bereiten Sie<br />
sich mental darauf vor, dass Ihnen<br />
Teile der Ausrüstung aus der Hand<br />
gleiten und sich vorzeitig ins Tal<br />
verabschieden. Das ist, wenn es passiert,<br />
ärgerlich. Aber es ist besser,<br />
Sie haben sich und Ihr Portemonnaie<br />
bereits darauf eingestellt, als<br />
dass Sie sich dazu hinreißen lassen,<br />
einen riskanten Rettungsversuch zu<br />
unternehmen. Trotzdem sollten Sie<br />
natürlich immer dafür sorgen, dass<br />
Ihre Ausrüstung gesichert ist – schon<br />
allein um zu verhindern, dass Ihren<br />
Nachsteigern harte Gegenstände auf<br />
den Kopf fallen.<br />
158
KAPITEL 3<br />
ATEM BERAUBENDES<br />
HOCHGEBIRGE<br />
Erinnern Sie sich an die Gruppe der vier<br />
Bergsteiger, die im April 2010 von einem<br />
Wettersturz am Großvenediger überrascht<br />
wurden und fast drei Tage in einer Schneehöhle<br />
durchhalten mussten, bevor sie erschöpft,<br />
aber heil gerettet wurden. Ohne<br />
die richtige Ausrüstung und die richtige<br />
Ausbildung wäre diese Geschichte wie die<br />
meisten anderen vergleichbaren ausgegangen:<br />
tödlich.<br />
Hochgebirge, die Domäne der Weitwinkel<br />
Konkrete Objektivempfehlungen sind fürs<br />
Hochgebirge schwierig zu geben. Zu sehr ist<br />
das auch von den individuellen Fotografiergewohnheiten<br />
abhängig. Für den Einsteiger<br />
in das Thema ist ein leichtes Standardzoom<br />
die beste Wahl. Lichtstärke ist dabei nicht<br />
so wichtig, eher eine Streulichtblende, die<br />
man zum Verstellen des Polfilters nicht<br />
abnehmen muss. Der Brennweitenbereich<br />
sollte mindestens den Bereich zwischen 28<br />
und etwa 80 mm Kleinbild abdecken. Damit<br />
kommt man schon sehr weit und kann<br />
ausprobieren, in welchem Bereich man sich<br />
selbst wohlfühlt.<br />
Weitwinkel<br />
Unterm Strich ist das Gebirge die Domäne<br />
der Weitwinkel. Dabei ist eine kontrastreiche,<br />
scharfe Abbildung wichtiger als die Bildgeometrie.<br />
Eine leichte Tonnenverzerrung<br />
fällt bei Gebirgsaufnahmen nicht auf. Auch<br />
wenn man natürlich vom Gipfel aus mit der<br />
langen Brennweite den Nachbargipfel nah<br />
heranzoomen kann – lohnende Motive erhält<br />
man damit in den seltensten Fällen. Im Gegenteil,<br />
die mit langen Brennweiten im Gebirge<br />
entstandenen Fotos kranken oft an uninteressanten<br />
Sujets, Dunst und Verblauung.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 200 mm<br />
Belichtung 1/500 s<br />
Blende<br />
f/4,5<br />
ISO 100<br />
Ein Milan vor der Südwand<br />
der Bire. Hier lag<br />
Ende Mai noch Schnee.<br />
Trotzdem ist die Wand<br />
dunstig und verblaut,<br />
der Milan hebt sich<br />
scharf ab. Milane<br />
sind glücklicherweise<br />
Segelflieger, sodass<br />
man sie auch mit<br />
langen Brennweiten<br />
gut erwischt.<br />
159
Rechts: Kletterin<br />
in der Fränkischen<br />
Schweiz. Aufgenommen<br />
mit Ultraweitwinkel<br />
im Abendlicht.<br />
Die Verzerrungen am<br />
Bildrand sorgen für<br />
zentral zulaufende<br />
Linien im Fels, die objektiv<br />
natürlich nicht<br />
da sind.<br />
Die Lichtstärke ist bei Landschaftsaufnahmen<br />
mit Weitwinkel weniger von Bedeutung.<br />
Im Gebirge wollen Sie meistens das<br />
Bild scharf haben, also werden Sie sowieso<br />
auf die Hyperfokaldistanz einstellen und<br />
irgendwo zwischen Blende f/8 und Blende<br />
f/11 bleiben. Stellen Sie vorab fest, bei<br />
welcher Blende Ihre Objektive die beste<br />
Leistung bringen, und arbeiten Sie in diesem<br />
Bereich. Probieren Sie das aber nicht<br />
im heimischen Vorgarten aus, sondern<br />
tatsächlich in der Landschaft. Die Leistung<br />
von Objektiven kann im Nahbereich und im<br />
Fernbereich unterschiedlich sein. Berücksichtigen<br />
Sie auch, wenn irgend möglich,<br />
das Motiv. Wenn Sie Landschaften mit grünen<br />
Wäldern aufnehmen, haben Sie andere<br />
Anforderungen als bei Aufnahmen in der<br />
Großstadt oder im blanken Fels.<br />
Einige Objektive sind im Zusammenspiel<br />
mit den Kameras auf Kantenkontrast optimiert,<br />
das bedeutet, Häuser, Dächer und<br />
alle Dinge mit klaren Kontrastkanten werden<br />
knackscharf. Bildbereiche mit geringen<br />
Kontrasten und weichen Farbabstufungen<br />
werden matschig. Letzteres trifft vor allem<br />
auf Vegetation, bisweilen aber auch auf<br />
Geröllfelder zu. Da kann es sein, dass sich<br />
ein Objektiv lohnt, das stärker auf Auflösung<br />
als auf Kontrast optimiert ist. Diese<br />
Objektive – ein Beispiel ist das Zuiko 11-22<br />
mm – sind normalerweise unbeliebt, da<br />
die Ergebnisse damit unauffällig und wenig<br />
spektakulär sind. Wirklich kantenscharfe<br />
Ergebnisse erreicht man da meist nur durch<br />
Nachschärfen am Computer. Diese Objektive<br />
können aber bei Landschaftsaufnahmen<br />
ihre Stärken ausspielen. Die Bilder wirken<br />
deutlich ausgewogener und natürlicher.<br />
Mittlerweile wird vor allem bei den sogenannten<br />
Systemkameras sehr stark mit<br />
digital optimierten Objektiven gearbeitet.<br />
Das heißt, die Objektive haben teils erhebliche<br />
Abbildungsfehler, die aber über eine<br />
kamerainterne Optimierung herausgerechnet<br />
werden, eine Folge des Kostendrucks<br />
und der geringen Baugröße. Dies betrifft<br />
nicht nur die Bildgeometrie, sondern auch<br />
chromatische Aberrationen und Vignettierungen.<br />
Seien Sie mit diesen Objektiven<br />
vorsichtig. Die digitale Schärfe ist in den Bildern<br />
sichtbar und nicht jedermanns Sache.<br />
Was bei Personenfotografie und im urbanen<br />
Umfeld kein großes Problem ist, kann die<br />
Bilder aus dem Hochgebirge nachhaltig verderben,<br />
weil eben kleine Farbunterschiede<br />
verwaschen und Kontrastkanten ungleichmäßig<br />
verstärkt werden.<br />
Ultraweitwinkel<br />
Ultraweitwinkel verzerren die Perspektive,<br />
weil sie die eigentlich gebogenen Linien am<br />
Rand so korrigieren, dass sie gerade werden<br />
und damit die Darstellung nicht mehr<br />
flächentreu ist. Die Tonnenverzerrung einfacher<br />
Weitwinkelobjektive und von Fisheye-<br />
Objektiven resultiert ja nicht aus einem seltsamen<br />
Humor der Objektivdesigner, sondern<br />
aus der tatsächlichen Perspektive, die eben<br />
nicht auskorrigiert wurde. Genau genommen<br />
ist eben diese Korrektur keine Berichtigung,<br />
sondern eine Verzerrung.<br />
Diese Verzerrung sorgt dafür, dass Dinge<br />
am Rand deutlich an Fläche zunehmen.<br />
Der optische Effekt ist, dass der Betrachter<br />
in das Bild hineingezogen wird, das Bild hat<br />
„Geschwindigkeit“. Um diesen Effekt zu maximieren,<br />
muss man darauf achten, dass die<br />
Gegenstände an den Rändern deutlich näher<br />
sind als Motive in der Mitte des Bilds. Baut<br />
man im Gegenteil das Bild so auf, dass das<br />
Hauptmotiv sehr nahe und in der Mitte ist,<br />
wird es unnatürlich groß dargestellt, der Hintergrund<br />
wird zur weit entfernten Tapete.<br />
160
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 14 mm<br />
Belichtung 1/250 s<br />
Blende<br />
f/4,0<br />
ISO 100<br />
KAPITEL 3<br />
ATEM BERAUBENDES<br />
HOCHGEBIRGE<br />
161
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 16 mm<br />
Belichtung 1/400 s<br />
Blende<br />
f/5,6<br />
ISO 100<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 16 mm<br />
Belichtung 1/250 s<br />
Blende<br />
f/11,0<br />
ISO 100<br />
So harmlos und friedlich diese Aufnahme wirkt: Vor Kühen ist äußerster Respekt<br />
angebracht. Nicht dass sie sonderlich agressiv wären, die meisten Kühe in den<br />
Alpen sind Wanderer gewöhnt und wollen nur in Ruhe gelassen werden, aber<br />
Kühe sind ausgesprochen neugierig und interessieren sich sehr für Kameratechnik.<br />
Ein gut gemeinter Stupser mit der Nase, ein schneller Schlabber übers<br />
Objektiv, und die Fototour wird zwangsweise durch eine größere Putzaktion<br />
unterbrochen.<br />
Auch die Tierfotografie ist im Gebirge mit<br />
Ultraweitwinkeln interessant zu lösen. Man<br />
kommt zwar eher selten nahe genug an ein<br />
Murmeltier heran, dass man eine kurze<br />
Brennweite mit Erfolg einsetzen kann, aber<br />
bisweilen ergeben sich auch mit Haustieren<br />
nette Motive. Sie können sogar mit Fisheye-<br />
Objektiven Bergfotos machen, bei denen<br />
die in der Stadt offensichtliche Verzerrung<br />
kaum zu sehen ist.<br />
Rechts: Der Klassiker,<br />
Enzian am Oeschinensee.<br />
Aufgenommen mit<br />
einem 180°-Fisheye.<br />
Fisheye<br />
Ein Fisheye-Objektiv ist das im Gebirge am<br />
meisten unterschätzte Objektiv. Die Perspektive<br />
ermöglicht nicht nur beeindruckende<br />
Panoramen, sondern bietet vor allem die<br />
Möglichkeit nahezu unendlicher Schärfentiefe<br />
schon aus dem Nahbereich heraus. Das<br />
ermöglicht Bilder, die so mit keinem anderen<br />
Objektiv möglich sind. Auskorrigierte Ultraweitwinkel<br />
verzerren die Randbereiche so<br />
stark, dass dort kein natürlicher Eindruck<br />
mehr möglich ist. Bei einem Fisheye dagegen<br />
162
KAPITEL 3<br />
ATEM BERAUBENDES<br />
HOCHGEBIRGE<br />
163
können bildwichtige Motive auch im Randbereich<br />
platziert werden, solange man darauf<br />
achtet, dass sie nicht über die gesamte<br />
Bildhöhe gehen.<br />
Besonders prädestiniert für solche Fotos<br />
sind Motive wie Blumen und andere kleine<br />
Dinge. Im Beispiel ist es ein Klassiker: der<br />
Enzian. Wer es moderner mag, kann auch<br />
einen Karabiner, einen Kletterhelm oder<br />
das Kochgeschirr in den Vordergrund platzieren,<br />
je nachdem, was eben als Hingucker<br />
in die Bildkomposition soll.<br />
Ausnahme: lange Telebrennweiten<br />
Es gibt natürlich eine Ausnahme, und die<br />
betrifft die Tierfotografie. Für Steinböcke,<br />
Adler und Murmeltiere kann die Brennweite<br />
nicht lange genug sein. In der Tierfotografie<br />
ist der wesentliche Faktor das „Gewusstwo-und-wann“.<br />
Wenn Sie nicht wissen, wo<br />
sich die gesuchten Steinböcke aufhalten, ist<br />
das Mitschleppen von schweren Teleobjektiven<br />
nur aus Fitnessgründen sinnvoll. Dass<br />
Ihnen rein zufällig im passenden Moment<br />
die Tiere in Reichweite über den Weg laufen,<br />
ist ausgesprochen unwahrscheinlich.<br />
(Anders ist es bei Alpendohlen – da reicht<br />
meist schon ein Vesperbrot, und Sie können<br />
die Tiere in Gemütsruhe mit dem Ultraweitwinkel<br />
formatfüllend ablichten.) Aber auch<br />
bei Tieraufnahmen gilt: Wer früh aufsteht,<br />
macht die besten Fotos. Später am Tag wird<br />
der Dunst sehr schnell selbst für die Tierfotografie<br />
zu dicht.<br />
Wenn Sie sich entschlossen haben, die<br />
Schlepperei auf sich zu nehmen, sollten Sie<br />
ein paar wesentliche Dinge bei der Auswahl<br />
der Objektive berücksichtigen:<br />
Ein junger Steinbock am Schwarxhorn, fotografiert Anfang Mai um die Mittagszeit. Abstand etwa 40 m. Ein Glücksfall,<br />
der auch durch den extrem milden Frühling begünstigt wurde. Das Schwarxhorn wird übrigens wirklich mit x geschrieben.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 290 mm (KB 435 mm)<br />
Belichtung 1/500 s<br />
Blende f/10<br />
ISO 200<br />
164
NACHMITTAGS-<br />
AUFNAHMEN<br />
BEI SONNENSCHEIN<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 294 mm<br />
Belichtung 25 s<br />
Blende<br />
f/14,0<br />
ISO 100<br />
Wenn die Sonne den ganzen Tag<br />
auf die Felsen gebrannt hat, bekommen<br />
Sie Luftblasen über den<br />
Felsen – der Segelflieger nennt<br />
das Thermik –, die wie kleine<br />
Linsen wirken und jede Schärfe<br />
von weiter entfernten Sujets<br />
illusorisch machen. Sehr schön<br />
können Sie das beobachten,<br />
wenn Schneefelder und Felsen<br />
direkt nebeneinanderliegen.<br />
Über Schneefeldern haben Sie<br />
perfekte Fotografierbedingungen,<br />
über den direkt danebenliegenden<br />
Felsen bekommen Sie<br />
kein scharfes Bild.<br />
Lichtstärke bei langen Telebrennweiten<br />
Bei Weitwinkel- und Normalobjektiven ist<br />
die Lichtstärke im Gebirge eher kein Kriterium,<br />
bei langen Telebrennweiten aber<br />
sehr wohl. Dabei ist nicht die Lichtstärke<br />
bei Offenblende von Interesse, sondern<br />
die Lichtstärke bei möglichst guter Abbildungsqualität.<br />
Das berühmt-berüchtigte Sigma 50-500<br />
mm, wegen des gigantischen Zoombereichs<br />
und der Tatsache, dass es für die meisten<br />
Bajonette verfügbar ist, ziemlich weit verbreitet,<br />
sollte man in der ersten Version<br />
am besten auf Blende f/10 abblenden. Die<br />
neuere Version mit integriertem Stabilisator<br />
ist schon ab Blende f/8 gut. Die theoretisch<br />
erreichbare Lichtstärke von 5,6 bei 500 mm<br />
klingt zwar gut, die Ergebnisse sind aber<br />
nur in der Sportfotografie ganz okay, im<br />
Gebirge eher suboptimal. Eines der besten<br />
Teleobjektive für die Gebirgsfotografie ist<br />
das Zuiko 50-200 mm, das mit Offenblendentauglichkeit<br />
von 2,8 bis 3,5 glänzen kann<br />
und trotzdem nur 1 kg wiegt. Es bietet den<br />
Bildwinkel eines 100-400 mm an Kleinbild –<br />
bei einem Bruchteil des Gewichts. Das Nikkor<br />
200-400 mm wiegt dagegen gut das<br />
Dreifache, was eben auch ein stabileres Stativ<br />
und damit noch mehr Gewicht bedingt.<br />
Bisweilen sind manche Perspektiven von<br />
Bergen auch überhaupt nur von tieferen<br />
Standpunkten mit langen Brennweiten zu<br />
machen. Das Blümlisalphorn verliert aus<br />
der Nähe seinen Pyramidencharakter, eine<br />
solche Perspektive ist also nur mit Tele und<br />
an einem klaren Tag zu bekommen.<br />
Blümlisalphorn,<br />
3.664 m. Dieses Bild<br />
wurde vom Stativ mit<br />
ND3-Graufilter und<br />
Polfilter gemacht.<br />
Durch die verlängerte<br />
Belichtungszeit werden<br />
die Wolken verwischt<br />
und geben den Eindruck<br />
von stärkerem<br />
Wind als bei kurzer<br />
Belichtungszeit, bei der<br />
Wolken und Schnee<br />
nur schwer auseinanderzuhalten<br />
sind. Der<br />
Schatten am unteren<br />
Bildrand entstand<br />
durch die Wolken.<br />
165
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 184 mm<br />
Belichtung 1/400 s<br />
Blende<br />
f/5,0<br />
ISO 100<br />
Polfilter, im Gebirge ein Muss<br />
Polfilter sind im Gebirge ein Muss. Die Auswirkungen<br />
auf die Abbildungsqualität sind<br />
dramatisch. Polfilter verursachen einen<br />
Lichtverlust von etwa eineinhalb bis zwei<br />
Blenden, wird dies auf die Lichtstärke eines<br />
Teleobjektivs aufgerechnet, wird es selbst<br />
bei besten Lichtverhältnissen oft genug eng.<br />
Aus Blende f/8 wird auf einmal Blende f/14<br />
bis f/16 – und da wird es dann mit verwacklungsfreien<br />
Fotos schon sehr schwierig.<br />
Ausblick vom Hochfelln, aufgenommen ohne Polfilter.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 184 mm<br />
Belichtung 1/160 s<br />
Blende<br />
f/5,0<br />
ISO 100<br />
Ausblick vom Hochfelln, aufgenommen mit Polfilter. Die beiden Aufnahmen<br />
wurden mit ESP-Belichtungsmessung im Abstand von 4 Sekunden<br />
gemacht. Man sieht auch an den unterschiedlichen Belichtungszeiten<br />
den starken Lichtverlust, den ein Polfilter verursacht.<br />
POLFILTER<br />
NACH KÄSEMANN<br />
Fahren Sie öfter ins Hochgebirge, ist<br />
die Anschaffung eines Polfilters nach<br />
Käsemann (Erfinder der Methode)<br />
interessant. Dabei geht es lediglich<br />
um einen speziellen Kitt, mit dem die<br />
beiden Glasplatten, zwischen denen<br />
die Polfilterfolie steckt, verklebt sind.<br />
Dieser Kitt ist widerstandsfähiger<br />
und sorgt vor allem bei feuchtem<br />
Klima für eine längere Lebens dauer<br />
des Polfilters. Obwohl die Luft im<br />
Hochgebirge meist weder warm noch<br />
feucht ist – in der Unterkunft ist oft<br />
genug dicke Luft.<br />
Egal welche Filter Sie einsetzen:<br />
Besorgen Sie sich eine eigene Filtertasche.<br />
Die Plastikboxen, in denen die<br />
Filter geliefert werden, sind definitiv<br />
nicht gebirgstauglich. Befestigen Sie<br />
diese Filtertasche mit einer Schnur<br />
an Ihrer Fototasche. Ein dummer<br />
Windstoß, und die teuren Filter liegen<br />
ein paar hundert Meter tiefer. Legen<br />
Sie für diese Filtertasche ruhig etwas<br />
Geld an – billige Filtertaschen dünsten<br />
Weichmacher aus, das tut weder dem<br />
Glas noch dem Fotografen gut.<br />
166
KAPITEL 3<br />
ATEM BERAUBENDES<br />
HOCHGEBIRGE<br />
Bildstabilisator oder besser mit Stativ?<br />
Über Stative gibt es ein paar weit verbreitete<br />
Vorurteile: Stative sind sperrig, schwer<br />
und bleiben doch meistens im Kofferraum.<br />
Und: Stative sind für gute Landschaftsaufnahmen<br />
unentbehrlich. Beides ist nicht<br />
ganz falsch. Ein Stativ erzwingt einen bewussteren<br />
Bildaufbau, was vor allem bei<br />
Landschaftsfotos dafür sorgt, dass man<br />
zweimal hinsieht, ob sich das Aufbauen des<br />
Stativs auch rentiert, ob man nicht einfach<br />
durch einen Wow-Ausblick nach langem<br />
Aufstieg geblendet wurde, ob man Vorder-,<br />
Mittel- und Hintergrund sauber arrangiert<br />
und ob man Hyperfokaldistanz und Schärfentiefe<br />
im Auge behalten hat. All dies ist<br />
auch freihändig möglich – aber das Stativ<br />
erzieht hier zu mehr Sorgfalt.<br />
Exkurs zum Thema Bildstabilisator<br />
Heute ist man geneigt, einen in der Kamera<br />
oder im Objektiv verbauten Bildstabilisator<br />
als Ersatz für ein Stativ zu sehen – dies ist<br />
jedoch ein Trugschluss. Um das zu verdeutlichen,<br />
muss etwas weiter ausgeholt<br />
werden. Zu Kleinbildzeiten galt bezüglich<br />
Verwacklungsgefahr folgende Regel: Die<br />
Belichtungszeit sollte maximal der Kehrwert<br />
der Brennweite sein. Bei einer Kleinbildbrennweite<br />
von 100 mm konnte man<br />
mit 1/100 Sekunde Belichtungszeit davon<br />
ausgehen, dass das Bild scharf wird. Diese<br />
Berechnung beruhte auf dem durchschnittlichen<br />
Drehwinkel, mit einer Bildauflösung<br />
von nicht mehr als 5 Megapixel und einem<br />
zulässigen Zerstreuungskreisdurchmesser<br />
von 1/1500 Sekunde der Bilddiagonale.<br />
Sehr viel mehr brachten die seinerzeit üblichen<br />
Objektive auch nicht auf den seinerzeit<br />
üblichen Film.<br />
Mittlerweile reden wir aber bei Digitalkameras<br />
über die dreifache Auflösung bei<br />
Sensoren, die gerade mal die Hälfte der Fläche<br />
eines Kleinbildfilms haben. Die zulässigen<br />
Zerstreuungskreisdurchmesser sind<br />
also deutlich geschrumpft, mithin auch der<br />
zulässige Verwacklungswinkel. In dieser<br />
Rechnung wird übrigens kein zusätzlicher<br />
Crop- oder Formatfaktor benötigt, da die<br />
Sensorgröße bereits in der Berechnung des<br />
Zerstreuungskreises enthalten ist.<br />
Also ist auch die Zeit, die benötigt wird, um<br />
ein Objektiv einer bestimmten Brennweite<br />
so ruhig zu halten, dass das Ergebnis tatsächlich<br />
scharf ist, deutlich reduziert. Ein<br />
500-mm-Objektiv (etwa das Sigma 50-<br />
500 mm) benötigt also an einer APS-C-<br />
Kamera mit 18 Megapixeln etwa 1/2000<br />
Sekunde – ebenso wie an einer FT-Kamera<br />
mit 12 Megapixeln. Interne Stabilisatoren<br />
SENSOR-<br />
FORMAT<br />
AUFLÖSUNG<br />
ZULÄSSIGER<br />
ZERSTREUUNGSKREIS<br />
ZEIT BEI 50 MM<br />
BRENNWEITE<br />
Kleinbild 5 MP 0,028 mm 1/50 s<br />
Kleinbild 20 MP 0,013 mm 1/125 s<br />
APS-C 10 MP 0,012 mm 1/125 s<br />
APS-C 18 MP 0,0086 mm 1/200 s<br />
FT/mFT 10 MP 0,0095 mm 1/200 s<br />
FT/mFT 14 MP 0,008 mm 1/250 s<br />
167
ALLHEILMITTEL<br />
BILDSTABILISATOR?<br />
Ein Bildstabilisator ist weder Allheilmittel<br />
noch Stativersatz, sondern<br />
lediglich eine technische Maßnahme,<br />
um die exorbitanten Auflösungen<br />
heutiger Sensoren und langen Brennweiten<br />
heutiger Objektive überhaupt<br />
beherrschbar zu halten. Das Sigma<br />
50-500 hat am langen Ende Blende<br />
6,3 und ist erst ab Blende 8 brauchbar<br />
scharf. Ohne Stabilisator hätte<br />
man recht selten die Möglichkeit, das<br />
Objektiv aus der Hand einzusetzen:<br />
Wann kann man schon Blende 8 und<br />
1/2000 Sekunde belichten?<br />
WASSERWAAGE<br />
Ausgesprochen nützlich im Gebirge<br />
ist eine Wasserwaage , entweder am<br />
Stativkopf, bereits in der Kamera<br />
eingebaut oder als Aufsteckwasserwaage<br />
für den Blitzschuh. Im Gebirge<br />
gibt es kaum Linien, von denen man<br />
mit Sicherheit sagen kann, dass sie<br />
senkrecht oder waagerecht seien.<br />
Eine Ausrichtung per Sucherbild<br />
kann demzufolge kläglich scheitern.<br />
Während das beim normalen Foto –<br />
eben weil man nicht hundertprozentig<br />
sagen kann, was gerade und was<br />
krumm ist – bisweilen nicht stört,<br />
ist spätestens dann, wenn man ein<br />
Panorama mit Panodrehteller machen<br />
will, eine exakte Ausrichtung extrem<br />
wichtig.<br />
können diese Zeiten wieder etwas entschärfen.<br />
Die Effektivität dieser Geräte wird<br />
vom Hersteller mit 3 bis 5 EV angegeben,<br />
aufgrund der eben dargestellten Problematik<br />
bleiben davon aber nur 1 bis 3 EV gegenüber<br />
den alten Verhältnissen übrig.<br />
Die Kamera sauber ausrichten<br />
Hier kommt das Stativ wieder ins Spiel.<br />
Dabei muss man noch nicht mal ultralange<br />
Brennweiten besitzen, auch bei Weitwinkelfotos<br />
ist das Stativ ausgesprochen hilfreich,<br />
um die Kamera sauber auszurichten,<br />
von Aufnahmen mit Selbstauslöser oder in<br />
der Dämmerung ganz zu schweigen.<br />
Die einfachste und leichteste Methode für<br />
ein Stativ ist natürlich ein Wanderstock mit<br />
Stativgewinde, wie sie Leki vertreibt. Von<br />
der Methode, einfach mit dem Schweißgerät<br />
eine Stativschraube auf einen Eispickel<br />
aufzubraten, ist dagegen abzuraten – der<br />
Schweißpunkt ist eine Sollbruchstelle, und<br />
eine gebrochene Schaufel eines Eispickels<br />
kann tödlich sein. Die nächste Möglichkeit<br />
sind Klemmen mit Stativschrauben, wie sie<br />
etwa von Manfrotto oder Cullmann angeboten<br />
werden. Diese wiegen aber auch ein<br />
gutes Pfund und wollen geschleppt werden.<br />
In der Gewichtsklasse gibt es jedoch bereits<br />
Carboneinbeine von Velbon, und selbst Dreibeine<br />
liegen noch unter einem Kilogramm.<br />
Unterschätzt wird gern das Gewicht eines<br />
anständigen Kopfs. Ob es nun ein Dreiwegeneiger<br />
oder ein Kugelkopf sein soll, ist<br />
Geschmackssache, aber gute Stativköpfe,<br />
die nicht nur das Gewicht einer DSLR-Kamera<br />
aushalten, sondern auch ohne zu verrutschen<br />
und nachzusacken klemmen, kosten<br />
etwas Geld und wiegen. Sehr brauchbar<br />
und mit 420 g noch tragbar ist der Triopo<br />
B2. Der B3 aus gleichem Hause ist dann<br />
mehr was für die ganz langen Tüten – er<br />
wiegt schon fast 600 g.<br />
168
KAPITEL 3<br />
ATEM BERAUBENDES<br />
HOCHGEBIRGE<br />
Das Quadropod von Novoflex.<br />
Vor allem in unebenem Gelände<br />
und mit schweren Objektiven<br />
weist er ein deutliches Plus<br />
an Stabilität auf. Die Beine<br />
gibt es in unterschiedlichsten<br />
Ausführungen: mit drei oder<br />
vier Segmenten, aus Alu oder<br />
Carbon und sogar mit Handgriffen<br />
als Wanderstöcke. Alle<br />
sind gleichzeitig auch als Einbein<br />
verwendbar. Doch Flexibilität<br />
und Stabilität kosten Gewicht:<br />
Das abgebildete Stativ wiegt fast<br />
3 kg, vier Wanderstöcke und die<br />
benötigte Grundplatte bleiben<br />
nur knapp unter 2 kg.<br />
169
Wenn es ins Gebirge geht, kommt man<br />
heute fast nicht mehr um ein Carbonstativ<br />
herum. Die High-Tech-Gerätschaften werden<br />
langsam bezahlbar, man sollte aber auf<br />
keinen Fall zu irgendwelchen No-Names<br />
greifen, sondern sich auf Markenware verlassen<br />
– wobei der Begriff Marke durchaus<br />
dehnbar zu handhaben ist. Es muss nicht<br />
immer Gitzo sein, Novoflex hat mit seinem<br />
zerlegbaren Vierbein eine extrem stabile<br />
Lösung im Angebot, Velbon bietet mittlerweile<br />
schon Klassiker, Benro holt auf,<br />
und von Manfrotto gibt es Stative in unterschiedlichen<br />
Preislagen.<br />
Bildbeurteilung mit Live-View<br />
Der große Vorteil von Live-View (Livebild)<br />
in der Wand und überhaupt im Gebirge ist,<br />
dass man zum Fotografieren nicht durch<br />
den Sucher sehen muss, auch wenn man<br />
den Nachteil in Kauf nehmen muss, dass<br />
man das Bild auf dem Display bei knalliger<br />
Sonne nur schlecht erkennen kann. In<br />
Wirklichkeit ist das eigentlich ein alter Hut –<br />
schon die ganz alten Spiegelreflexkameras<br />
hatten Lichtschachtsucher, die man nicht<br />
ans Auge halten musste.<br />
Live-View ist im Prinzip eine wunderbare<br />
Erfindung, hat aber, wenn es auf schnelle<br />
Reaktionen ankommt – etwa beim Fotografieren<br />
eines Adlers im Flug – einen wesentlichen<br />
Nachteil: Derzeit haben alle Live-<br />
View-Anzeigen noch eine Verzögerung von<br />
mindesten 1/10 Sekunde. Dabei geht es<br />
nicht um die Auslöseverzögerung, sondern<br />
darum, dass das Bild auf dem Display mit<br />
einer Verzögerung von ca. 1/10 Sekunde<br />
angezeigt wird. Man muss also wie in alten<br />
Zeiten zweiäugig fotografieren: mit einem<br />
Auge grob die Kamera in Position halten,<br />
mit dem anderen Auge die Szene beobachten<br />
und den richtigen Zeitpunkt abpassen.<br />
Zu starke Sonneneinwirkung<br />
Bei der Fotografie mit Live-View können Sie<br />
auf dem Display der Kamera sofort beurteilen,<br />
ob das Bild etwas geworden ist. Leider<br />
scheitert das im Gebirge häufig genug<br />
daran, dass man aufgrund der starken Sonneneinwirkung<br />
auf dem Display nicht viel<br />
erkennt. Da hilft keine starke Sonnenbrille,<br />
sondern nur direkter Schatten. Für alle, die<br />
keine der neuen spiegellosen Systemkameras<br />
mit elektronischem Sucher haben, bei<br />
denen die Bildkontrolle in bester Qualität<br />
auch bei hellstem Sonnenschein möglich<br />
ist, stellt die einfachste Möglichkeit eine<br />
Baseballkappe mit großem Schirm oder ein<br />
breitkrempiger Hut dar. Während Baseballkappen<br />
beim Fotografieren im Hochformat<br />
oft stören, sind Hüte mit jedem Format und<br />
auch mit Batteriegriff kompatibel, zudem<br />
schützen sie auch nebenbei den Nacken<br />
des Fotografen vor Sonnenbrand. Modische<br />
Ansprüche sollte man allerdings an<br />
derlei Kopfbedeckungen nicht stellen – sie<br />
sind reine Zweckaccessoires.<br />
Verfälschte Farbdarstellung<br />
auf dem Display<br />
Ein weiteres Problem sind oft die verfälschenden<br />
Farben der Kameradisplays. Die<br />
wenigsten Displays haben überhaupt die<br />
Möglichkeit, alle Farben darzustellen, die<br />
die Kamera aufnehmen kann. Vor allem im<br />
Bereich Lila haben viele Displays eklatante<br />
Schwächen. Bisweilen gaukeln Displays<br />
auch eine korrekte Belichtung vor, weil der<br />
interne Bildprozessor bestrebt ist, aus dem<br />
Material ein in allen Details durchgezeichnetes<br />
Bild zu produzieren. Sieht man sich<br />
dann die Bilder am kalibrierten Monitor an,<br />
sind die Bilder krass unterbelichtet. Wieder<br />
andere Displays haben eine reflektierende<br />
Folie im Displayhintergrund, die den<br />
170
KAPITEL 3<br />
ATEM BERAUBENDES<br />
HOCHGEBIRGE<br />
Strombedarf des Displays minimieren soll<br />
und das Umgebungslicht zur Steigerung<br />
der Helligkeit und des Kontrasts nutzt. Eine<br />
gut gemeinte Erfindung, die aber eine Beurteilung<br />
des Bilds weiter erschwert. Eine<br />
ernsthafte Beurteilung des Bilds ist meist<br />
nur mittels des Histogramms möglich.<br />
Beurteilung der Bildschärfe<br />
Auch die Bildschärfe zu beurteilen, erfordert<br />
Erfahrung. Die meisten Kameras bieten zwar<br />
die Möglichkeit, ins Bild hineinzuzoomen,<br />
zeigen dabei aber unter Umständen nicht das<br />
komplette Bild, sondern aus Performancegründen<br />
nur ein geringer aufgelöstes Vorschaubild.<br />
Andere zoomen weiter, als selbst<br />
das voll aufgelöste Bild überhaupt hergibt,<br />
sprich, sie zoomen bis zur 200-%-Ansicht,<br />
und bei dieser wirken auch knackscharfe<br />
Bilder bisweilen etwas matschig. Die Regel<br />
ist also: unterwegs niemals Bilder löschen,<br />
außer sie sind wirklich zweifelsfrei misslungen.<br />
Speicherkarten sind mittlerweile so<br />
klein und billig, dass es daran nicht scheitern<br />
sollte. Achten Sie allerdings darauf, Ihre Speicherkartentasche<br />
sicher an Ihrer Fototasche<br />
zu befestigen. Einige Hersteller haben dafür<br />
eigene kleine Karabiner vorgesehen.<br />
Bildgestaltung oberhalb<br />
der Baumgrenze<br />
Die Berge sind ein Eldorado für Motive aller<br />
Art. In den Bergen gibt es fast alles,<br />
Höhlen, Wasserfälle und mehr – von der<br />
Tierfotografie bis zu Makros. Und genau<br />
das ist die Gefahr: Zu gern knipst man wild<br />
in der Gegend herum im Bemühen, all die<br />
wundervollen Eindrücke festzuhalten. Die<br />
Fotos werden dadurch beliebig und sorgen<br />
beim Betrachter nur noch für ein Gähnen.<br />
Selbst wenn man in mühsamer Arbeit über<br />
jeden der Felszacken des Panoramas, die<br />
Gipfel und deren Höhe schreibt – wer nicht<br />
selbst dort oben gewesen ist, verschwitzt,<br />
erschöpft, glücklich, der begreift die Faszination<br />
des „Summits“ nicht. Gute Bergfotos<br />
müssen also weg vom rein dokumentarischen<br />
und hin zum gestalteten Bild.<br />
An erster Stelle steht die Bildidee<br />
Ein Berg ist zuerst immer ein emotionsloser<br />
Steinhaufen, ein Tal ist einfach der Raum<br />
zwischen zwei Steinhaufen. Berge sind per<br />
se weder schön noch hässlich, sie sind einfach<br />
nur da. Ein gutes Bild lichtet nun also<br />
nicht einfach nur die Existenz des Bergs<br />
als solchen ab, sondern versucht, Assoziationen<br />
zu wecken. Nur einfach die beeindruckende<br />
Aussicht auf das Matterhorn zu<br />
fotografieren, reicht heute nicht mehr. Ihr<br />
erster Schritt zu einem guten Foto muss<br />
immer die Bildidee sein. Prinzipiell gibt es<br />
zwei verschiedene Arten der Bergfotografie:<br />
Landschaftsfotografie und Fotos von<br />
Menschen in Interaktion mit dem Berg.<br />
Tourenplanung mit iPhone und iPad<br />
Der Vorteil der reinen Landschaftsfotografie<br />
ist, dass sie mittlerweile vergleichsweise<br />
gut planbar ist. Mit Programmen wie<br />
„The Photographers Ephemeris“ können<br />
Sie problemlos bereits auf dem heimischen<br />
Sofa auskundschaften, wo Sie wann stehen<br />
müssen, um eine bestimmte Bergwand im<br />
Morgenlicht zu erwischen. Google Earth<br />
kann da sogar bei der Motivauswahl helfen.<br />
Haben Sie keine Skrupel, mit technischen<br />
Hilfsmitteln Sonnenwinkel zu bestimmen<br />
und Fotos zu planen – versuchen Sie es.<br />
Verlassen Sie sich nicht auf das Prinzip<br />
Hoffnung. Selbstverständlich können Sie<br />
171
Mit der TPE-App,<br />
erhältlich im Apple<br />
App Store, kann man<br />
im Vorfeld sehr genau<br />
die Höhe eines Bergs,<br />
die Position der Sonne,<br />
des Monds und andere<br />
Parameter bestimmen.<br />
Die Google-Bezeichnungen<br />
der Berggipfel<br />
müssen nicht mit<br />
denen in Ihrer eigenen<br />
Karte übereinstimmen,<br />
Schreibweisen differieren<br />
sowieso häufig.<br />
Hier sieht man, wann<br />
die Sonne vom Ufer<br />
des Oeschinensees<br />
aus genau hinter dem<br />
Blümlisalphorn steht<br />
– am 21. April, kurz<br />
nach 9 Uhr. Mehr zu<br />
TPE erfahren Sie unter<br />
http://photoephemeris.com.<br />
172
KAPITEL 3<br />
ATEM BERAUBENDES<br />
HOCHGEBIRGE<br />
auch einfach auf den Berg steigen und dort<br />
Panorama fotografieren. Aber berücksichtigen<br />
Sie dabei: Um den Mount Everest zu<br />
fotografieren, müssen Sie auf den Nuptse<br />
– 7.861 m, Erstbesteigung erst acht Jahre<br />
nach dem Mount Everest – steigen. Das<br />
Matterhorn sieht vom Matterhorn aus<br />
ziemlich langweilig aus, und wenn man von<br />
der Eigernordwand aus fotografiert, muss<br />
man das dazuschreiben, damit es spektakulär<br />
rüberkommt.<br />
Der Beweis: das Gipfelfoto<br />
Das Gipfelfoto ist im Allgemeinen der Beweis,<br />
dass man oben war. Also reicht es, die<br />
Kamera am ausgestreckten Arm mit möglichst<br />
kurzer Brennweite in Richtung der<br />
eigenen Nase zu halten und abzudrücken,<br />
sinnvollerweise entweder mit einer Kompaktkamera,<br />
bei der der größte Teil des<br />
Bilds scharf ist, oder eben mit einer Systemoder<br />
Spiegelreflexkamera mit möglichst<br />
weit geschlossener Blende. Der künstlerische<br />
Wert solcher Fotos ist eher begrenzt,<br />
besser wird es, wenn man zu zweit ist.<br />
Dann kann der andere ein paar Schritte<br />
zurücktreten und den Gipfelstürmer in den<br />
Goldenen Schnitt oder auf eine Drittellinie<br />
setzen – die Beweiskraft des Bilds bleibt erhalten,<br />
aber man hängt sich das Foto auch<br />
mal an die Wand.<br />
Eindrucksvolle Bergpanoramen<br />
Panoramafotografie im Gebirge ist eigentlich<br />
eine recht einfache Sache, solange man<br />
es schlicht macht. Sollen aber Vordergrund,<br />
Mittelgrund und Hintergrund mit aufs Bild<br />
oder soll es gar ein Kugelpanorama werden,<br />
wird es schwierig, und man benötigt einen<br />
Panoramawinkel . Panoramen mit Vordergrund-Mittelgrund-Hintergrund-Aufbau<br />
sind ein komplexe Angelegenheit. Wenn Sie<br />
Auch zu analogen Zeiten war die Kamera immer dabei. Der Beweis:<br />
Gipfelfoto vom Aufstieg auf den Watzmann aus den frühen Fünfzigern.<br />
173
das Panorama nicht mit Brennweiten jenseits<br />
der 100 mm machen wollen, kommen<br />
Sie ohne Panoramawinkel nicht aus, denn<br />
sonst besteht die Gefahr von Parallaxenfehlern.<br />
Bei einem Parallaxenfehler stimmt der<br />
Bildausschnitt im Sucher der Kamera nicht<br />
mit dem von der Kamera aufgenommenen<br />
Bild überein. Beim Zusammenbau der Einzelbilder<br />
zu einem Panorama sieht man dann<br />
vereinzelt geisterhafte Artefakte, die in der<br />
Regel nur durch manuelle Retusche in der<br />
Bildbearbeitung behoben werden können.<br />
Es gibt hier jede Menge Konstruktionen, aber<br />
nur wenige sind von Gewicht und Packmaß<br />
her hochgebirgstauglich. Der beste Kompromiss<br />
ist immer noch der Nodal Ninja 3, dessen<br />
Wasserwaage leidlich genau ist und der<br />
für viele einfachere Kameras und Objektive<br />
ausreicht. Wichtig ist, dass der Nodalpunkt<br />
des Objektivs bzw. der Drehpunkt bei der geplanten<br />
Brennweite nicht weiter als 108 mm<br />
hinter dem Drehpunkt liegt. Der Verstellweg<br />
des Nodal Ninja 3 geht nur bis zu dieser<br />
Marke. Falls Sie eine Kamera haben, deren<br />
Stativschraube nicht in der optischen Achse<br />
liegt, benötigen Sie noch ein T-Stück, damit<br />
Sie die Kamera korrekt am Panoramawinkel<br />
befestigen können. Für Kameras mit fest<br />
montiertem Batteriegriff ist der Nodal Ninja 3<br />
auf jeden Fall zu klein.<br />
Gute Panoramen sind außerordentlich aufwendig,<br />
und wenn Sie erst nach mehreren<br />
Stunden am Computer feststellen, dass der<br />
Fehler einfach nicht korrigierbar ist, ist es zu<br />
spät, das Panorama zu wiederholen. Auch<br />
bei Panoramen rentiert es sich, Regeln zum<br />
Bildaufbau zu beachten. Idealerweise ist ein<br />
Panorama nicht einfach ein Rundblick, sondern<br />
tatsächlich ein durchkomponiertes Bild.<br />
Personen vor grandioser Kulisse<br />
Oft wird die grandiose Natur der Berge nur<br />
als Kulisse für Werbefotos verwandt. Bisweilen<br />
handelt es sich dabei auch tatsächlich<br />
aus Kostengründen nur um Kulissen,<br />
sprich Studioaufnahmen mit nachträglich<br />
eingefügtem Hintergrund. Doch auch Bilder,<br />
die vor Ort entstehen, haben häufig genug<br />
Studiocharakter. Da wird mit mobilen<br />
Blitzanlagen und großformatigen Reflektoren<br />
perfekt ausgeleuchtet, die Modelle<br />
sind geradezu antiseptisch, und die letzten<br />
Hier ein Manfrotto-<br />
144B-Stativ mit<br />
Manfrotto-141RC-Dreiwegeneiger,<br />
darauf ein<br />
NN3-Panoramawinkel<br />
mit einer Olympus E-3<br />
und 8-mm-Fisheye.<br />
Gewicht von Stativ und<br />
Kopf 3,5 kg, Gewicht<br />
des Panorama winkels<br />
0,5 kg. Standort:<br />
Hochfelln bei Inversions<br />
wetterlage.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 28 mm<br />
Belichtung 1/250 s<br />
Blende<br />
f/7,1<br />
ISO 100<br />
174
KAPITEL 3<br />
ATEM BERAUBENDES<br />
HOCHGEBIRGE<br />
Fehler werden dann noch mit Photoshop<br />
hinfortgebügelt. Mit <strong>Extremfotografie</strong> hat<br />
das nicht viel zu tun – das Einzige, was hierbei<br />
extrem ist, ist der Aufwand, der dabei<br />
getrieben wird. Ein Klassiker ist der Snowboarder,<br />
fliegenderweise im Gegenlicht<br />
aufgenommen, meist noch mit dezentem<br />
Aufhellblitz. Eines der besten Bilder der<br />
letzten Jahre in der Sparte Bergwerbung ist<br />
die 2011er-Kampagne der Firma Mammut,<br />
für die 20 Kletterer zwei Stunden lang in<br />
luftiger Höhe am Seil hingen, von unten mit<br />
einem Weitwinkel fotografiert.<br />
Für den Hobbyisten ist ein solcher Aufwand<br />
natürlich nicht möglich. Kaum jemand kann<br />
es sich leisten, nur für ein einziges Foto einen<br />
Reisebus voller Leute und Equipment<br />
ins Gebirge zu schaffen. Für den ambitionierten<br />
Fotografen geht es darum, einzelne<br />
Personen in der Natursituation abzulichten,<br />
ob nun in sportlicher Aktion an der Wand,<br />
im Schnee oder auch nur in Bewunderung<br />
des Ausblicks. Wesentlich dabei ist, wie<br />
bei allen Bildern, der konsequente Aufbau.<br />
Beeindruckende Bergfotos sind selten<br />
Schnappschüsse.<br />
Setzen Sie Ihre Kamera auf Serienbild und<br />
stellen Sie auf jeden Fall die Belichtung und<br />
die Schärfe vorher ein. Achten Sie darauf,<br />
dass der Skifahrer nicht schwarz gekleidet<br />
ist, da die Kontraste die meisten Kameras<br />
überfordern. Wenn irgend möglich, lassen<br />
Sie den Skifahrer vorher direkt vor Ihnen<br />
posieren, oder halten Sie zumindest an<br />
gleicher Stelle eine Skijacke gleicher Farbe<br />
vor die Kamera, im Extremfall eben an<br />
einer langen Stange, falls Sie den Schnee<br />
nicht zusammentreten wollen. Auf diesen<br />
„Dummy“ stellen Sie Licht und Fokus ein, fixieren<br />
die Einstellungen und warten auf den<br />
Tourenskifahrer am<br />
äußeren Fisistock.<br />
Trotz großer Entfernung<br />
und spätem<br />
Vormittag glasklares<br />
Wetter über dem<br />
Schnee.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 1.000 mm<br />
Belichtung 1/1250 s<br />
Blende<br />
f/7,1<br />
ISO 100<br />
Skifahrer während der rasanten Abfahrt<br />
Skifahrer sind noch relativ einfach. Ein Skifahrer<br />
ist von Natur aus in Bewegung, man<br />
muss nur dafür sorgen, dass diese Bewegung<br />
sichtbar wird – da trifft sich staubender<br />
Schnee mit schrägem Lichteinfall<br />
hervorragend. Am rasantesten wird der<br />
vorbeifahrende Brettlartist mit einem Ultraweitwinkel.<br />
Mit etwas mehr Aufwand,<br />
nämlich einem guten Reflektor samt gutem<br />
Assistenten, wird der Fahrer bei der Vorbeifahrt<br />
dezent aufgehellt.<br />
175
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 260 mm<br />
Belichtung 1/100 s<br />
Blende<br />
f/3,0<br />
ISO 100<br />
als abgeschnittene Körperteile. Auch sollte<br />
man immer darauf achten, dass der Hintergrund<br />
bzw. der Horizont mit abgelichtet<br />
wird. Erst durch den Hintergrund kann<br />
das Bild eingeordnet und verortet werden.<br />
Ohne eine Bergkette im Hintergrund könnte<br />
das Foto auch einfach in einer Indoorskihalle<br />
gemacht worden sein – unspannend. Erst<br />
durch Himmel und Berge wird der Sportler<br />
mit Freiheit, frischer Luft und Hochleistungssport<br />
verbunden – auch wenn er per<br />
Helikopter auf die Piste gebracht wurde.<br />
Kletterer an der<br />
Mittelbergwand im<br />
Fränkischen Jura.<br />
Skifahrer. Serienbild in höchster Geschwindigkeit<br />
ist selbstverständlich, achten Sie auf<br />
eine schnelle Speicherkarte, frische Akkus<br />
und darauf, dass Sie nicht zu früh auslösen,<br />
weil dann der Puffer der Kamera unter Umständen<br />
voll ist und die Serienbildrate einbricht.<br />
Eine weitere häufige Fehlerquelle bei derlei<br />
Fotos ist, dass man zu wenig Luft am Rand<br />
einplant. Es kann passieren, dass der Skifahrer<br />
einen Kick näher kommt, als man<br />
das gedacht hatte, dass ein Skistecken auf<br />
einmal in die Luft ragt oder ein Schal zu<br />
weit zur Seite weht. Also lieber mehr Luft<br />
Kletterer in der Wand<br />
Der zweite Klassiker des Bergsports ist der<br />
Kletterer in der Wand. Es gibt dabei mehrere<br />
Möglichkeiten: Sie können den Kletterer<br />
mit dem langen Tele aufs Korn nehmen oder<br />
ganz nah mit dem Ultraweitwinkel. Das Telefoto<br />
hat erst einmal den großen Vorteil,<br />
dass Sie oft aus recht bequemer Warte auf<br />
den Schuss warten können. Zudem stellt<br />
die geringe Schärfentiefe den Kletterer<br />
frei, und Sie können ziemlich unabhängig<br />
vom Hintergrund Ihre Bilder machen. Die<br />
Verortung des Kletterers im Umfeld fällt<br />
dann natürlich schwerer. Ein Foto mit langer<br />
Brennweite hat demzufolge oft eher einen<br />
sportlichen Charakter, es wird auf die Kletterleistung<br />
fokussiert.<br />
Beim Ultraweitwinkel oder gar beim Fisheye<br />
hat man das Umfeld mehr oder weniger<br />
mit drauf und kann mit etwas Geschick sehr<br />
spektakulär tricksen. Wände ragen auf einmal<br />
schier unendlich in den Himmel, Schatten<br />
verlaufen im Bild in mehrere Richtungen<br />
– vor allem bei einem 180°-Fisheye ein<br />
ausgesprochen spektakulärer Effekt –, und<br />
aus einer unspannenden Felswand wird ein<br />
überhängendes Monster.<br />
176
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 16 mm<br />
Belichtung 1/800 s<br />
Blende<br />
f/7,1<br />
ISO 200<br />
KAPITEL 3<br />
ATEM BERAUBENDES<br />
HOCHGEBIRGE<br />
Vorstieg an der Bunderspitz, im Hintergrund das Steghorn und der Ueschinegrat. Aufgenommen mit einem Fisheye.<br />
Und hier das Making-of dazu.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 130 mm<br />
Belichtung 1/800 s<br />
Blende<br />
f/9,0<br />
ISO 400<br />
177
Rechts oben: Gasteretal,<br />
im Hintergrund die Altels.<br />
Der Klassiker: Almwiese<br />
mit blau-weißem Himmel<br />
und Dreitausender im<br />
Hintergrund. Trotz kurzer<br />
Brennweite reicht die<br />
Schärfe nicht fürs ganze<br />
Bild.<br />
Unten: Route de la Forclax<br />
nach Martigny, Mitte<br />
rechts La Crevasse, im<br />
Hintergrund die Walliser<br />
Alpen. Fotografiert mit<br />
nach oben gekipptem<br />
Fisheye und auf 16:9<br />
beschnitten.<br />
Rechts unten: Gleicher<br />
Standpunkt, nur nach<br />
unten gekippt und beschnitten.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 16 mm<br />
Belichtung 1/800 s<br />
Blende<br />
f/5,0<br />
ISO 100<br />
Der Nachteil des Ultraweitwinkels ist, dass<br />
man mitsamt der Kamera ganz nah am<br />
Geschehen sein muss – sprich, man ist mit<br />
dem Kletterer auf Tuchfühlung, was bedeutet,<br />
dass man genau neben ihm in der Wand<br />
hängt, jedoch mit dem Unterschied, dass<br />
der Kletterer beide Hände frei hat, der Fotograf<br />
keine. Zudem muss man grundsätzlich<br />
gegen die Sonne fotografieren, weil man<br />
sonst den eigenen Schatten im Bild hat.<br />
Klärung der Größenverhältnisse<br />
Wer aus der Erfahrung mit dem Fotografieren<br />
im urbanen Umfeld gewohnt ist, Ultraweitwinkel<br />
immer exakt gerade zu halten,<br />
muss sich im Gebirge umgewöhnen. Durch<br />
ein geneigtes Fisheye kann man Täler tiefer<br />
oder flacher machen, dramatische Wolken<br />
zaubern und steilste Bergwände erschaffen.<br />
Mit einem 14 mm auskorrigierten Weitwinkel<br />
können Sie eine Person, die auf einem<br />
eher unspektakulären Felsen steht, zu einem<br />
todesmutigen Bergsteiger machen,<br />
der über der Weite des Abgrunds posiert.<br />
MAGNESIA:<br />
FÜR FOTOGRAFEN TABU<br />
Magnesia ist unter Kletterern umstritten,<br />
für Fotografen eigentlich<br />
tabu – auch wenn der Magnesiabeutel<br />
natürlich beim abzulichtenden<br />
Kletterer einen sehr professionellen<br />
Eindruck macht und man den Beutel<br />
selbst auch wunderbar dafür verwenden<br />
kann, eine kleine Kamera darin<br />
zu verstauen. Die weißen Spuren im<br />
Fels sind aber optisch alles andere als<br />
attraktiv, Magnesiapulver hat in der<br />
Nähe von Kameras nichts zu suchen,<br />
und auch aus Umweltschutzgründen<br />
– außer in reinem Kalk – ist Magnesia<br />
abzulehnen, da der Fels zersetzt<br />
werden kann. In einigen Gebieten ist<br />
der Gebrauch von Magnesia generell<br />
untersagt.<br />
178
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 18 mm<br />
Belichtung 1/400 s<br />
Blende<br />
f/9,0<br />
ISO 200<br />
KAPITEL 3<br />
ATEM BERAUBENDES<br />
HOCHGEBIRGE<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 16 mm<br />
Belichtung 1/400 s<br />
Blende<br />
f/5,0<br />
ISO 100<br />
179
AUFNAHMEDATEN<br />
Dia<br />
analog<br />
Brennweite 50 mm<br />
Platzieren Sie einfach den Felsklotz in die<br />
Mitte des Bilds und sorgen Sie dafür, dass<br />
rechts und links hauptsächlich Abgrund zu<br />
sehen ist. Die winzigen Berge im Hintergrund<br />
machen die Felsnase zwangsläufig zu<br />
einer Art Supergipfel.<br />
Was jeden Bergsteiger im Hochgebirge fertigmacht,<br />
ist die schiere Unmöglichkeit, Entfernungen<br />
realistisch einzuschätzen, weil<br />
Fixpunkte bekannter Größe fehlen – bei der<br />
Fotografie mit Ultraweitwinkel ist das aber<br />
äußerst praktisch. Es gibt keine geraden Linien,<br />
es gibt keine klaren Bezugspunkte. Sie<br />
können mit der Verzerrung der Linsen und<br />
dem Gehirn des Betrachters Fangen spielen.<br />
Erste Regel also: Setzen Sie bei der kurzen<br />
Brennweite immer etwas in den Vordergrund,<br />
das die Größenverhältnisse klärt. Die<br />
harmlose Variante sind Bergblumen, aber<br />
prinzipiell können Sie alles dafür hernehmen.<br />
Beachten Sie: Wenn der Betrachter das<br />
Vordergrundmotiv nicht kennt und von der<br />
Größe her nicht einschätzen kann, haben<br />
Sie freie Bahn, surreale Berglandschaften zu<br />
schaffen.<br />
Schattenrisse vor grandiosem<br />
Hintergrund<br />
Weniger spektakulär, aber sehr bewegend,<br />
können Bilder sein, bei denen Menschen<br />
auf eine Natursituation reagieren. Das<br />
muss nicht notwendigerweise ein starker,<br />
emotionaler Ausdruck sein, auch leise Töne<br />
sind gut – und man muss dabei nicht einmal<br />
das Gesicht der Person sehen, auch ein<br />
Schattenriss kann Emotion durch Körperhaltung<br />
ausdrücken. Wichtig ist, dass dabei<br />
die Natur, auf die reagiert wird, mit abgebildet<br />
wird.<br />
Immer wieder gut kommen natürlich auch<br />
Fotos während der Pause. Ob nun der erschöpfte<br />
Hochtourengeher, der Kletterer<br />
beim Sichten seiner Ausrüstung oder das<br />
erleuchtete Zelt vor grandioser Kulisse –<br />
auch hier gilt: immer das Gebirge im Hintergrund<br />
mit einbinden. Weitwinkelobjektive<br />
sind das Mittel der Wahl. Hat man gerade<br />
keine grandiose Kulisse im Hintergrund, tut<br />
es auch einfach der Abendhimmel.<br />
180<br />
Abendlicher Aufstieg zum Riemannhaus im Steinernen<br />
Meer. Im Hintergrund die Kitzbüheler Alpen.
KAPITEL 3<br />
ATEM BERAUBENDES<br />
HOCHGEBIRGE<br />
Halt! Blitzlicht im Gebirge?<br />
In den meisten Fällen bedeutet ein Systemblitz<br />
einfach nur zusätzliches Gewicht. Für<br />
die Landschaftsfotografie ist er in der Regel<br />
entbehrlich und für die Dokumentation<br />
des Gipfelerfolgs auch eher suboptimal. Für<br />
Makros ist der aufgesteckte Systemblitz<br />
ebenfalls nur mit etwas Aufwand verwendbar,<br />
sodass sich der Einsatz des Blitzes<br />
dann eher für die Dokumentation des Hüttenabends<br />
oder des Biwaks eignet – hier<br />
ist aber meist der eingebaute Blitz ausreichend,<br />
der auch deutlich weniger aufträgt.<br />
Zudem ist eines der größten Probleme der<br />
Systemblitze die offenen elektrischen Kontakte,<br />
die witterungsempfindlich sind. Auch<br />
toben sich in Systemblitzen bis zu 330 Volt<br />
aus, in älteren Geräten sogar noch höhere<br />
Spannungen. Die Geräte sind also prinzipiell<br />
feuchtigkeitsempfindlich.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 82 mm<br />
Belichtung 1/80 s<br />
Blende<br />
f/3,3<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 56 mm<br />
Belichtung 1/500 s<br />
Blende<br />
f/3,1<br />
ISO 200<br />
ISO 200 Eingesetzt werden können Blitze bei Sportaufnahmen<br />
und als Aufhellblitze. Speziell<br />
bei Sportaufnahmen etwa mit stiebendem<br />
Schnee sollten Sie aber darauf achten, die<br />
Blitze entfesselt zu betreiben – staubender<br />
Pulverschnee frontal geblitzt wirkt flach.<br />
Die Lösung sind kleine Funkauslöser, bei<br />
denen der Sender über den Mittenkontakt<br />
des Blitzschuhs betrieben wird. Bei den von<br />
den meisten Kameraherstellern propagierten<br />
Remotesystemen handelt es sich zwar<br />
um sehr komfortable TTL-Systeme, das<br />
Problem ist aber, dass zur Steuerung der kamerainterne<br />
Blitz verwendet wird, was die<br />
Reichweite der Steuerung vor allem im Freien<br />
stark verringert und auch voraussetzt,<br />
Abendstimmung<br />
am Camp.<br />
181
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 62 mm<br />
Belichtung 0,5 s<br />
Blende<br />
f/11,0<br />
ISO 100<br />
dass die Blitze in einem gewissen Winkel<br />
vor der Kamera aufgebaut sind. Funkauslöser<br />
sind da deutlich flexibler und auch gegen<br />
versehentliche Abschattungen durch Motiv,<br />
Schnee oder das Objektiv unempfindlich.<br />
Eine weitere Verwendung für Remoteblitze<br />
ist die Simulation abendlich erleuchteter<br />
Zelte, wie sie auf dem 2011er-Tatonka-Katalog<br />
vorne abgebildet sind. Um vor Abendhimmel<br />
ein erleuchtetes Zelt zu bekommen,<br />
benötigt man nicht etwa eine Zeltlampe –<br />
diese ergibt bestenfalls einen hellen Fleck –,<br />
sondern einen veritablen Systemblitz.<br />
In diesem Fall wurde die Blende stark geschlossen, um die Belichtungszeit zu<br />
verlängern – der Blitz wurde nicht über Funk ausgelöst, sondern über Zuruf von<br />
einem im Zelt befindlichen Helfer. Der Blitz war ein Metz 54 mit voller Leistung.<br />
Mit Funkauslöser hätte man die Blende wesentlich weiter öffnen können, was<br />
das Zelt heller gemacht hätte.<br />
Plattkofel in den Dolomiten, Tiefblick am Oscar-Schuster-Weg. Ohne die drei<br />
verlorenen Bergsteiger als Blickfang würde das Bild die Situation nicht vermitteln.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Dia<br />
analog<br />
Brennweite 50 mm<br />
Stürzende Linien auch im Gebirge<br />
Was im urbanen Umfeld gilt – dass senkrechte<br />
Linien nur dann als senkrecht abgebildet<br />
werden, wenn die Kamera gerade<br />
gehalten wird –, gilt selbstverständlich auch<br />
im Gebirge. Nur mit dem kleinen Unterschied,<br />
dass es im Hochgebirge außer Bäumen<br />
und gelegentlichen Hütten nichts gibt,<br />
was der unbefangene Betrachter spontan<br />
als „senkrecht“ identifiziert.<br />
Der Fotograf kann also mit der Perspektive<br />
spielen – Wände steiler machen, Täler<br />
tiefer, Überhänge gefährlicher. Bei einem<br />
Haus ist jedem klar, dass es nicht nach hinten<br />
oder vorne kippt. Bei einer Felswand<br />
trifft das nicht zu. Die im Gebirge gern<br />
verwendeten Weitwinkelobjektive können<br />
den Himmel dramatisieren und weite Täler<br />
zusammenschrumpfen lassen. Letzterer Effekt<br />
resultiert daraus, dass die Hänge links<br />
und rechts des Tals, die bei normaler Sicht<br />
außerhalb des Bildfelds liegen, auf einmal<br />
mit drauf sind. Der Raumeindruck wird dadurch<br />
nicht größer, wie es etwa bei Bildern<br />
von Inneneinrichtungen der Fall ist, sondern<br />
enger.<br />
182
KAPITEL 3<br />
ATEM BERAUBENDES<br />
HOCHGEBIRGE<br />
Ganz brutal ist der Fisheye-Effekt . Durch<br />
das Fehlen einer klaren Horizontlinie kann<br />
man das Fisheye sehr stark neigen, bevor<br />
die Krümmung am oberen Bildrand auffällt<br />
– man kann also das Tal sehr stark vertiefen<br />
und steile Wände zaubern, wo vorher nur<br />
harmlose Hänge waren. Im urbanen Umfeld<br />
fällt jede Abweichung eines Weitwinkels<br />
von der Horizontalen sofort auf – im Gebirge<br />
nicht. Wenn man zusätzlich noch darauf<br />
achtet, eventuelle Häuser in der Nähe der<br />
unverzerrten Bildmitte zu platzieren, wird<br />
die Illusion perfekt.<br />
Ein beliebter Trick ist das unauffällige Kippen<br />
der Kamera, um eine Wand etwas steiler<br />
zu gestalten. Solange keine Bäume auf<br />
dem Bild sind, funktioniert das erstaunlich<br />
gut. Auch das Fotografieren von unten kann<br />
spannend sein, solange man im Weitwinkel<br />
bleiben kann. Erliegt man der Versuchung<br />
und fährt das Zoom in den Telebereich, bekommt<br />
man zwar den Kletterer formatfüllend<br />
drauf, ohne ihm auf den Händen stehen<br />
zu müssen, aber auch die Entfernung<br />
zum Wandfuß oder zum Gipfel schrumpft<br />
zusammen, und aus der Eigernordwand<br />
wird ein Boulderfelsen in der Fränkischen<br />
Schweiz.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 28 mm<br />
Belichtung 1/1000 s<br />
Blende<br />
f/4,5<br />
ISO 200<br />
Der Kletterer von schräg unten, Kamera dezent gekippt, um die Wand<br />
und das Seil in die Senkrechte zu bringen. Das Seil hängt in Wahrheit<br />
schräg.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 36 mm<br />
Belichtung 1/2000 s<br />
Blende<br />
f/5,6<br />
ISO 200<br />
Die Sache mit dem roten Pullover<br />
Ein mittlerweile sprichwörtlicher Auswuchs<br />
eines Tipps für die bessere Bildgestaltung<br />
ist der rote Pullover . Der Tipp stammt noch<br />
aus Schwarz-Weiß-Zeiten, als man bei Erinnerungsbildern<br />
die Dame oder den Herrn<br />
des Herzens möglichst von der Schlosskulisse<br />
im Hintergrund abzuheben wünschte.<br />
Freistellung mit geöffneter Blende war<br />
keine Option, schließlich sollte man das<br />
Schloss ja erkennen. Der Trick war: der rote<br />
Pullover. Das Rot wirkte auf Fotos schwarz<br />
und sorgte damit für einen wunderbaren<br />
Kontrast zum grauen Hintergrund.<br />
Mit Perspektive nach oben.<br />
183
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 13 mm<br />
Belichtung 1/640 s<br />
Blende<br />
f/4,5<br />
ISO 100<br />
Chinesische Reisegruppe<br />
vor dem Fisistock.<br />
Als dann die Farbfilme aufkamen, wimmelten<br />
alle Fotos von Leuten in roten Pullovern.<br />
Was in Schlossgärten mit roten Rosen<br />
schon seltsam anmutete und sich bald<br />
von selbst erledigte, hat sich im Gebirge bis<br />
heute gehalten. Von rot karierten Hemden<br />
bis zu der signalfarbenen Funktionskleidung<br />
unserer Tage – die Kontrastfarbe Rot ist vor<br />
dem verblauenden Hintergrund ferner Berge<br />
nach wie vor ein echter Hingucker.<br />
Wasserfälle, Seen und reißende<br />
Bergbäche<br />
Auch wenn Wasser in der eigenen Flasche<br />
bisweilen im Hochgebirge bedrückend<br />
knapp sein kann – Wasserfälle, Seen und<br />
reißende Bergbäche gibt es trotzdem fast<br />
überall. Um sie zu fotografieren, gibt es<br />
mehrere Ansätze. Der Klassiker ist natürlich<br />
der Bergsee, entweder von oben als<br />
scheinbare Pfütze mit darum herum aufragenden<br />
Bergen oder eben mit Weitwinkel<br />
vom Boden aus. Die Wirkung ist jeweils unterschiedlich.<br />
Während bei der Perspektive von oben<br />
die Berge überbetont werden, schrumpft<br />
bei der Weitwinkelperspektive die Umgebung<br />
erheblich, während der Himmel zum<br />
bestimmenden Element wird – besonders<br />
weil er sich im See spiegelt. Wird der See<br />
dagegen von oben fotografiert, spiegelt sich<br />
nur der Himmel, was wahlweise zu einem<br />
faszinierenden Blau oder eben auch, bei<br />
schlechterem Wetter, zu einem unheimlichen<br />
Schmutziggrau führen kann.<br />
Bäche im Hochgebirge sind nicht nur eine<br />
willkommene Auffüllstation für die Wasserflasche<br />
– soweit man sich davon überzeugt<br />
hat, dass sie nicht weiter oben an<br />
einer Hütte vorbeifließen –, sondern auch<br />
184
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 14 mm<br />
Belichtung 1/250 s<br />
Blende<br />
f/8,0<br />
ISO 100<br />
KAPITEL 3<br />
ATEM BERAUBENDES<br />
HOCHGEBIRGE<br />
durchaus lohnende Motive. Durch das hohe<br />
Gefälle der Bäche kommt man oft ohne die<br />
im Flachland üblichen starken Graufilter<br />
aus, um das fließende Wasser abzubilden.<br />
Zudem befinden sich in den entsprechenden<br />
Bächen immer ausreichend dekorative<br />
Steine.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 12 mm<br />
Belichtung 1/1250 s<br />
Blende<br />
f/4,5<br />
ISO 100<br />
Oben: Durch das Ultraweitwinkel wird eine kleine<br />
Bucht des Weißensees (2.229 m) zum Hauptteil<br />
des Sees, der Rest wird bis zur Bedeutungslosigkeit<br />
gestaucht, und die 2.500er im Hintergrund<br />
schrumpfen auf Mittelgebirgsniveau. Der Große<br />
Knallstein rechts, der nur 100 m höher ist, wird<br />
dagegen zum übermächtigen Berg.<br />
Unten: Der Oeschinensee mit Blümlisalp und<br />
Doldenhorn, mit einer Kompaktkamera und dem<br />
eingebauten „Dramatic Tone“-Filter, der eine Art<br />
HDR-Tonemapping-Effekt erzeugt, produziert.<br />
185
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 70 mm<br />
Belichtung 1/6 s<br />
Blende<br />
f/11,0<br />
ISO 200<br />
Durch die verlängerte Belichtungszeit wird das Wasser nicht mehr<br />
„eingefroren“, sondern „fließend“ dargestellt. In diesem Fall wurde ein<br />
ND0,6-Graufilter verwendet.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 66 mm<br />
Belichtung 13 s<br />
Blende<br />
f/6,3<br />
ISO 200<br />
Langzeitbelichtung. „L‘eau Noire“ am Rand des Mont-Blanc-Massivs.<br />
Die stark weich gezeichneten Wasserläufe sind aber nicht jedermanns<br />
Geschmack, der Effekt nutzt sich rasch ab, und man kehrt bald wieder zu<br />
kürzeren Belichtungszeiten zurück, die den Bachlauf lebendiger zeigen.<br />
Solange man die Belichtungszeit nur verdoppeln<br />
oder vervierfachen will, kann man<br />
auch statt eines eigenen Graufilters einen<br />
Polfilter verwenden. Bei den schnellen Bächen<br />
im Gebirge reicht das normalerweise<br />
schon aus, um den Effekt des fließenden<br />
Wassers eindrucksvoll in Szene zu setzen.<br />
Den Samtweicheffekt, bei dem sich der<br />
Bach in einen weißen Nebel auflöst, erreicht<br />
man aber erst bei deutlich längeren Belichtungszeiten.<br />
Dazu sind ND3-Graufilter notwendig.<br />
Wenn die Bäche den Rand eines Felsabbruchs<br />
erreichen, werden sie zu spektakulären<br />
Wasserfällen, die auf Fotos meist<br />
recht unscheinbar rüberkommen. Fallendes<br />
Wasser, vor allem wenn es sich um sehr<br />
hohe Wasserfälle handelt, übt eine hypnotische<br />
Wirkung aus, da man mit dem Auge<br />
den fallenden Strukturen zu folgen versucht<br />
und die sich ständig ändernden und trotzdem<br />
sich selbst ähnelnden Figuren des<br />
Wassers zu kurzlebig sind, als dass sich der<br />
Geist darauf konzentrieren und Bekanntes<br />
assoziieren könnte.<br />
Sobald ein Wasserfall dagegen fotografiert<br />
ist und als Standbild vorliegt, fällt diese<br />
ständige Anregung des Geists weg, und es<br />
bleibt eine mäßig spannende Felswand mit<br />
fallendem Wasser übrig, das selten große<br />
Assoziationen weckt. Zudem ist es oft<br />
schwierig, den durchaus mal hundert Meter<br />
hohen Wasserfall so zu fotografieren, dass<br />
diese hundert Meter auch visuell beeindruckend<br />
sind – es gibt keine Bezugspunkte.<br />
Selbst wenn man Personen an den Fuß des<br />
Wasserfalls stellt, wird das Geplätscher<br />
dadurch nur selten beeindruckender. Interessanter<br />
kann man Wasserfälle machen,<br />
wenn man sich auf Spielereien mit Licht<br />
konzentriert.<br />
186
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 400 mm<br />
Belichtung 1/800 s<br />
Blende<br />
f/3,5<br />
ISO 200<br />
KAPITEL 3<br />
ATEM BERAUBENDES<br />
HOCHGEBIRGE<br />
Dazu ist aber wieder genaue Planung<br />
notwendig – die Wasserfälle<br />
heben sich nur dann von der<br />
Umgebung ab, wenn das Streiflicht<br />
von der tief stehenden Morgen-<br />
oder Abendsonne genau<br />
den Wasserfall trifft, der Hintergrund<br />
aber im Schatten liegt.<br />
Auch ein Wasserfallregenbogen<br />
ist nicht ganz einfach. Man benötigt<br />
dazu Sonne von hinten,<br />
also ebenfalls wieder eine tief<br />
stehende Sonne. Je näher man<br />
dem Wasserfall kommt, desto<br />
größer wird der Regenbogen.<br />
Man muss dabei aber immer im<br />
Kopf behalten, dass man selbst<br />
sich immer im Mittelpunkt des<br />
Bogens befindet, Form und<br />
Höhe des Bogens also nur mit<br />
dem eigenen Standort zu tun<br />
haben. Es kann sein, dass man,<br />
wenn man genau zwischen<br />
Abendsonne und Wasserfall<br />
steht, den Bogen gar nicht sieht,<br />
weil der Dunst des Falls nicht bis<br />
nach oben zieht.<br />
Zwei der zahlreichen Wasserfälle<br />
am Fisistock im Abendlicht.<br />
187
Regenbogenwasserfall<br />
am Fisistock.<br />
Hier ist nur das<br />
rechte untere Ende<br />
des Bogens sichtbar.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 102 mm<br />
Belichtung 1/640 s<br />
Blende<br />
f/3,2<br />
ISO 200<br />
188
KAPITEL 3<br />
ATEM BERAUBENDES<br />
HOCHGEBIRGE<br />
Sonne und Mond in den Bergen<br />
Sonne und Mond sind natürlich wohlfeile<br />
Gestaltungselemente in der Bergfotografie.<br />
Sie stehen eigentlich fast immer zur Verfügung,<br />
man muss sich nur richtig herum<br />
hinstellen, und schon kann man ungeliebte<br />
Bildteile in Schlagschatten absaufen lassen<br />
oder einen eigentlich unspannenden Sattel<br />
mit etwas Mond aufpeppen.<br />
Über die Problematik, direkt in die Sonne zu<br />
fotografieren, wurde weiter oben schon etwas<br />
geschrieben, passen Sie also auf Ihre Augen<br />
auf. Um den Strahlenkranz um die Sonne<br />
zu bekommen, müssen Sie abblenden. Je<br />
stärker, desto ausgeprägter sind die Strahlen.<br />
Beachten Sie aber, dass diese eindrucksvollen<br />
Strahlen eigentlich ein Abbildungsfehler<br />
sind – ein Beugungseffekt. Die Lichtstrahlen<br />
der Sonne sind nicht anders zusammengesetzt<br />
als alle anderen Lichtstrahlen auch,<br />
die durch Ihr Objektiv wandern. Sie haben<br />
diesen Strahlenkranz also nicht nur um die<br />
Sonne, sondern um alle anderen Lichtstrahlen<br />
auch, was ein vergleichsweise unscharfes<br />
Bild beschert. Wenn Sie die strahlende Sonne<br />
haben wollen, müssen Sie sich also damit<br />
abfinden, dass die Knackschärfe Ihrer Optik<br />
verloren geht.<br />
Die Anzahl der Strahlen richtet sich übrigens<br />
nach der Anzahl der Blendenlamellen<br />
– und je schärfer die Blendenlamellen<br />
voneinander abgegrenzt sind, desto stärker<br />
ausgeprägt ist ihr Sterncheneffekt. Bei<br />
modernen Objektiven, bei denen die Blendenlamellen<br />
kreisförmig ausgebildet sind,<br />
um ein harmonischeres Bokeh zu erreichen,<br />
tritt dieser Sterncheneffekt deshalb später,<br />
das heißt erst bei weiter geschlossener<br />
Blende, auf. Ein interessanter Effekt kommt<br />
dann zustande, wenn die Anzahl der Blendenlamellen<br />
ungerade ist. Dann sind die<br />
Strahlen der Sterne deutlich kürzer, dafür<br />
sind es doppelt so viele. Übrigens, je kürzer<br />
die Brennweite ist und je kleiner die Sonne<br />
damit erscheint, desto schärfer werden die<br />
Strahlen der Sonne.<br />
Diese Probleme hat man beim Fotografieren<br />
des Monds eher nicht. Da geht es vor<br />
allem darum, den Berg darunter noch sichtbar<br />
abzulichten, und dazu benötigt man<br />
Sonnenlicht. Das Mondlicht reicht zwar<br />
mit einem entsprechenden Stativ durchaus<br />
auch für Bergbilder aus, allerdings wandert<br />
der Mond während der notwendigen Belichtungszeit<br />
so schnell weiter, dass er auf<br />
dem resultierenden Bild eher als weißer<br />
Strich zu sehen ist.<br />
Vollmond ist ebenfalls ungünstig: Vollmondaufgang<br />
ist bei Sonnenuntergang. Was in der<br />
Ebene oder in den Mittelgebirgen funktioniert,<br />
weil man da den Mond im Allgemeinen<br />
am Horizont erwischt, geht in den Bergen nur<br />
dann, wenn man bei Sonnenuntergang auf einem<br />
hohen Gipfel sitzt und der Mond hinter<br />
den niedrigeren Gipfeln aufgeht. Es gibt nur<br />
wenige hohe Gipfel, bei denen man riskieren<br />
sollte, erst nach Sonnenuntergang mit dem<br />
Klettern am Wildenauersteig<br />
an der Hohen<br />
Wand im Gegenlicht.<br />
Das Objektiv hat<br />
sieben Blendenlamellen.<br />
Um so ein Foto zu<br />
machen, muss man<br />
natürlich früh aufstehen,<br />
sonst ist die Sonne<br />
schon zu weit oben.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 14 mm<br />
Belichtung 1/250 s<br />
Blende f/16<br />
ISO 100<br />
189
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 106 mm<br />
Belichtung 1/100 s<br />
Blende<br />
f/5,6<br />
ISO 100<br />
Der Mond über dem Mont Blanc du Tacul, 4.248 m.<br />
Gipfelaufbau des Mytikas (2.918 m), des Olymp-Hauptgipfels vom<br />
Couloir-Normalweg aus. Vormittagslicht.<br />
Abstieg zu beginnen – Stativ und Fotoausrüstung<br />
im Gepäck. Also konzentriert man sich<br />
auf zunehmenden Mond – wenn der hinter<br />
den Bergen aufgeht, gibt es meistens noch<br />
ausreichend Abendlicht, damit man Mond<br />
und Bergkette auf ein Bild bekommt.<br />
Dramatische Wetter<br />
Gebirge und Wetter , die Kombination macht<br />
das Bild. Denn wie gesagt: Berge allein sind<br />
Steinhaufen. Erst mit dramatischem Wetter<br />
wird die Sache spannend. Zum Wetter gehört<br />
auch blauer Himmel. So langweilig er<br />
am Boden sein kann, im Hochgebirge und<br />
bei richtigem Licht kann er zu dunkelblauem<br />
Samt werden, vor dessen Hintergrund<br />
Felsformationen eine geradezu unwirkliche<br />
Präsenz bekommen. Wichtig ist dabei immer,<br />
den Polfilter nicht zu vergessen, wobei<br />
es in den Fällen, in denen man keine weiten<br />
Entfernungen überbrücken muss, auch<br />
ohne geht.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Dia<br />
analog<br />
Brennweite 50 mm<br />
190
KAPITEL 3<br />
ATEM BERAUBENDES<br />
HOCHGEBIRGE<br />
Immer wieder sehenswert ist natürlich das<br />
rote Abendlicht im Hochgebirge, wenn die<br />
tief stehende Sonne Berggipfel in kräftige<br />
Rottöne taucht. Zusammen mit Schnee und<br />
ein paar dekorativen Wolken können da<br />
spannende Fotos gelingen. Oft wird dabei<br />
der Fehler gemacht, mit einem Weitwinkel<br />
das gesamte Tal mit den farbigen Berggipfeln<br />
ablichten zu wollen. Dies geht häufig<br />
schief, da die Kontraste vom Tal zum Gipfel<br />
zu stark sind, und selbst wenn die Kamera<br />
das verkraftet, bleibt oft das Tal im Motivwert<br />
deutlich hinter den Bergen zurück.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 400 mm<br />
Belichtung 1/500 s<br />
Blende<br />
f/3,5<br />
ISO 200<br />
WETTERSTURZ:<br />
GEHEN SIE KEIN RISIKO EIN<br />
So spannend Gebirgsbilder mit dramatischen<br />
Gewitterwolken aussehen,<br />
fotografieren Sie diese von einer<br />
Hütte aus – niemals vom Gipfel.<br />
Wer Wetterstürze im Gebirge unterschätzt,<br />
hat bisweilen keine Gelegenheit<br />
mehr, das zu bereuen. Wer<br />
Gewitter oder Schneefall aus dem<br />
Flachland kennt und für harmlos hält,<br />
kann sich nicht vorstellen, wie ein Gewitter<br />
im Gebirge sein kann – und wie<br />
schnell einem Schneefall und Nebel<br />
die Orientierung rauben können, bis<br />
man sich buchstäblich im Vorgarten<br />
der rettenden Hütte verirrt. Wege,<br />
auf denen man bei gutem Sommerwetter<br />
Scharen von Kinderwagen<br />
schiebenden Familien antrifft, können<br />
bei einem Wettersturz für blanken<br />
Horror sorgen.<br />
Das Doldenhorn, 3.643 m, im Abendlicht.<br />
Nebel am Fisistock.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 400 mm<br />
Belichtung 1/1600 s<br />
Blende<br />
f/4,5<br />
ISO 100<br />
191
Gletscherabbruchkante<br />
des Oxfjordjökelen in<br />
Nordnorwegen. Hier<br />
ist der Einsatz eines<br />
Tele angebracht. Den<br />
Gletscher aus dieser<br />
Perspektive mit Weitwinkel<br />
abzulichten,<br />
kann gefährlich sein.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 400 mm<br />
Belichtung 1/8000 s<br />
Blende<br />
f/3,5<br />
ISO 100<br />
Wenn das Wetter es hergibt, spricht in diesem<br />
Fall nichts gegen eine lange Brennweite.<br />
Interessant kann auch Nebel sein, solange<br />
er begrenzt ist. Nebel kann Motive „freistellen“<br />
und durch die Abdeckung der Landschaft<br />
für eine geheimnisvolle Stimmung<br />
sorgen. Nebel ist allerdings ebenfalls ein<br />
Motiv, das man besser mit dem Tele ablichtet<br />
als mit dem Weitwinkel, schon allein aus<br />
dem Grund, da man sich von Nebel im Gebirge<br />
besser fernhält, wenn man sich nicht<br />
auf einem perfekt ausgeschilderten und<br />
ausgebauten Weg befindet.<br />
Regeln vor der Erstbesteigung<br />
Im Gebirge können Fehler tödlich sein, und<br />
fotografische Fehler sorgen für langweilige<br />
Bilder. Während man zu einem Dom oder<br />
einer Burgruine einfach noch mal hinfährt<br />
und das Bild wiederholt, wird man sich in<br />
den seltensten Fällen noch mal aufmachen,<br />
um einen Berg zu besteigen – nur um das<br />
eine Bild in 3.000 m Höhe zu wiederholen.<br />
Man muss sich also immer, wenn man im<br />
Gebirge fotografiert, bewusst sein, dass<br />
man genau diese eine Chance hat – keine<br />
andere.<br />
Nehmen Sie sich Zeit<br />
Sie schleppen die Kamera nicht mit, um zu<br />
hetzen, sondern um zu fotografieren. Verabschieden<br />
Sie sich von der Faustformel:<br />
400 Höhenmeter pro Stunde. Gehen Sie<br />
mit Begleitern, die dafür Verständnis haben<br />
– und zwar nicht zähneknirschendes, sondern<br />
echtes Verständnis – und idealerweise<br />
selbst fotografieren oder fürs Rumstehen<br />
und Warten bezahlt werden.<br />
Nehmen Sie sich nicht zu viel vor. Eine lockere<br />
Zweistundentour kann sich mit Fotoequipment<br />
zur Halbtagestour auswachsen.<br />
Selbst mit montierter Schnellwechselplatte<br />
ist der Aufbau eines Stativs jedes Mal mit<br />
zehn Minuten Zeitverlust verbunden, bei<br />
normalem Tempo sind das mehr als 50 Höhenmeter.<br />
Das ist gegenüber der Restgruppe<br />
nicht mehr aufzuholen. Die dauernde<br />
Warterei kann den Mitwanderern gehörig<br />
auf die Nerven gehen. Abgesehen davon,<br />
dass der Rest der Gruppe in diesen zehn Minuten<br />
kalt wird, während man selbst bei der<br />
Knipserei auch keine Erholung hat.<br />
Unterschätzen Sie die Witterung nicht<br />
Fotografen neigen dazu, die Witterung zu<br />
unterschätzen. Während ein Wanderer<br />
dauernd und gut geschützt in Bewegung<br />
ist, muss sich der Fotograf ruhig verhalten,<br />
er hält sich die durchgefrorene Kamera ans<br />
Gesicht und fasst sie an. Teilweise werden<br />
auch noch die Handschuhe ausgezogen,<br />
damit man besser an die kleinen Knöpfchen<br />
herankommt. Die Folge: angefrorene Finger.<br />
Wer jemals erlebt hat, wie es sich anfühlt,<br />
wenn gefrorene Extremitäten wieder auftauen,<br />
der weiß, was keinen Spaß macht.<br />
192
KAPITEL 3<br />
ATEM BERAUBENDES<br />
HOCHGEBIRGE<br />
Sich irgendwas zu erfrieren, ist nur ein Zeichen<br />
von Leichtsinn – und sonst nichts.<br />
Oberhalb der Baumgrenze gibt es unter<br />
Umständen keinen Schatten, sorgen Sie<br />
also dafür, dass Sie eine Kopfbedeckung und<br />
ausreichend Wasser und Mineralien dabeihaben.<br />
Akuter Wassermangel muss sich<br />
gar nicht so sehr in Durst ausdrücken, eine<br />
Dehydratation verursacht auch Schwindelgefühl,<br />
Kopfschmerzen oder starkes Schwitzen.<br />
Vor allem ältere Bergsteiger haben das<br />
Problem, zu wenig zu trinken. Wasser aus<br />
sauberen Gebirgsbächen kann die Wasservorräte<br />
ergänzen, trotzdem benötigen Sie<br />
unbedingt auch zusätzliche Mineralstoffe,<br />
Magnesiumtabletten etwa. Blankes Wasser<br />
kann Ihren Mineralhaushalt durcheinanderbringen.<br />
Respektieren Sie Betretungsverbote<br />
Wege im Hochgebirge anzulegen, ist außerordentlich<br />
mühselig. Wilde Abkürzungen<br />
zerstören die empfindliche Vegetation und<br />
den filigranen Zusammenhalt des Bodens<br />
und sorgen für verstärkte Erosion und damit<br />
für die Zerstörung der Wege. Zudem sind<br />
vor allem für Fotografen, die Gepäck schleppen,<br />
die Wege sicherer. Ein Ausrutscher<br />
auf einer unbefestigten Abkürzung, und Sie<br />
können nur noch hoffen, dass Ihr Equipment<br />
gut geschützt ist. Abkürzungen mögen<br />
kurzfristigen Zeitgewinn geben, langfristig<br />
kosten sie Kraft.<br />
Einige Kletter- und Wandergebiete sind aus<br />
Naturschutzgründen zu bestimmten Zeiten<br />
gesperrt, manche frühere Kletterfelsen mittlerweile<br />
sogar ganzjährig. Diese Sperrungen<br />
In den Grand Canyon<br />
darf nur absteigen, wer<br />
ausreichend Wasser<br />
dabeihat – zu Recht.<br />
Sie müssen aber nicht<br />
in den Grand Canyon<br />
hinein, um ein Problem<br />
mit der Hitze zu bekommen.<br />
Es reicht eine<br />
ganz normale Tour im<br />
Gebirge.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 70 mm<br />
Belichtung 1/320 s<br />
Blende<br />
f/5,6<br />
ISO 100<br />
193
sind unbedingt auch von Fotografen zu beachten.<br />
Entsprechende Übersichten haben<br />
die jeweiligen örtlichen Kletter- und Wandervereine.<br />
Dies betrifft nicht nur Deutschland,<br />
in Frankreich etwa sollen 40 % der<br />
Calanques bei Cassis gesperrt werden, das<br />
Wandern ist dort im Sommer bereits verboten.<br />
Werden die mühsam ausgehandelten<br />
Felssperrungen nicht respektiert, droht oft<br />
eine Ausweitung der Sperrungen, was weder<br />
im Interesse der Kletterer noch der Fotografen<br />
ist.<br />
Oft ist der ideale Standpunkt für ein Foto<br />
einige Meter neben dem Weg. Wenn sich<br />
dort Wiesen befinden, schonen Sie diese<br />
so weit es geht. Die Vegetationsperiode im<br />
Hochgebirge ist so kurz, dass Sie durch unbedachtes<br />
Herumstapfen in einer Almwiese<br />
diese beschädigen. Sind Sie dabei auch<br />
anderen ein Beispiel. Kritisch wird es vor<br />
allem dann, wenn die Almwiesen blühen.<br />
Analogdia ohne UV-Filter und Polfilter. Eintragung ins Gipfelbuch<br />
des Breithorns, Steinernes Meer.<br />
Schreiben Sie Ihre Touren ins Hüttenbuch<br />
Hüttenbücher sind keine einfachen Gästebücher,<br />
sondern Dokumente, die schon den<br />
einen oder anderen Bergsteiger gerettet<br />
haben. Angst vor Datenklau ist hier fehl am<br />
Platz. Tragen Sie Namen, Herkunft und Anzahl<br />
der Personen sowie das Tourenziel gewissenhaft<br />
ein. Auch Gipfel- und Wanderbücher<br />
sind solche Dokumente, in die die<br />
entsprechenden Daten sauber einzutragen<br />
sind. Wer das nicht macht, ist selbst schuld.<br />
Wer Gipfelbücher zerstört oder entwendet,<br />
kann Rettungen verzögern und deshalb<br />
Menschenleben gefährden. Lesen Sie auch<br />
die Bucheinträge in den Spalten vor Ihnen.<br />
Wenn dort Leute auftauchen, die das gleiche<br />
Ziel haben wie Sie, verfolgen Sie deren<br />
Spur weiter. Verliert sich die Spur, informieren<br />
Sie den nächsten Hüttenwirt darüber.<br />
Der weiß dann, was zu tun ist.<br />
Stay alert! Bleiben Sie wachsam!<br />
Das Gebirge ist kein Studio und kein Abenteuerspielplatz.<br />
Eigentlich sollte das selbstverständlich<br />
sein. Die jährlich steigenden<br />
Opferzahlen beweisen, dass dem nicht so<br />
ist. Früher waren die meisten Unfälle im Gebirge<br />
auf ungenügende Ausrüstung zurückzuführen<br />
– die berühmt-berüchtigten Halbschuhbergsteiger.<br />
Mittlerweile hat sich<br />
das etwas verlagert. Hervorragend ausgerüstete<br />
und in der Kletterhalle trainierte<br />
Bergsportler verunglücken, weil sie übersehen,<br />
dass Berge nicht GS-geprüft sind und<br />
Wetter und Felsen sich dauernd verändern.<br />
Seien Sie immer wachsam. Beachten Sie,<br />
dass für Sie als Fotograf die allerwichtigste<br />
Regel im Gebirge nicht gilt: eine Hand für<br />
den Mann, eine Hand für den Berg. Sie haben<br />
als Fotograf nicht genug Hände für diese<br />
Regel. Sie müssen die dritte Hand durch<br />
erhöhte Aufmerksamkeit ersetzen: „Stay<br />
alert – bleiben Sie wachsam.“<br />
194
KAPITEL 3<br />
ATEM BERAUBENDES<br />
HOCHGEBIRGE<br />
Unabsichtliche Lawinenauslösung<br />
Vermeiden Sie es, mit Gegenständen zu<br />
werfen. Dies betrifft nicht nur Steine, sondern<br />
natürlich auch Objektive oder irgendwelche<br />
Ausrüstungsgegenstände. Dabei<br />
geht es nicht nur darum, dass man absichtlich<br />
irgendwelche Dinge ins Tal wirft. Es<br />
geht vor allem um unabsichtliche Lawinenauslösung.<br />
Ob das nun Steinlawinen oder<br />
Schneebretter sind: Schon das Aufstellen<br />
eines Stativs am falschen Ort kann fatale<br />
Folgen haben.<br />
Gefährliche Gegenlichtaufnahmen<br />
Im Hochgebirge gibt es neben den Gefahren<br />
von Wetter und Fels auch das Problem der<br />
Sonne. Sonne im Hochgebirge ist deutlich<br />
stärker als im Flachland. Eine Sonnenbrille<br />
ist ein Muss, in Schneegebieten auch eine<br />
Gletscherbrille. Gegenlichtaufnahmen, vor<br />
allem im Gebirge von hohem ästhetischem<br />
Reiz, sind besonders gefährlich. Wenn irgend<br />
möglich, vermeiden Sie den optischen<br />
Sucher und verwenden einen eventuell vorhandenen<br />
Live-View-Modus – je länger die<br />
Brennweite, desto dringender ist der Rat.<br />
Selbst Gegenlichtfotos am Abend können<br />
Ihre Augen nach wenigen Minuten so stark<br />
irritieren, dass Sie eine halbe Stunde nur<br />
eingeschränkt sehfähig sind – im Gebirge<br />
bei hereinbrechender Dunkelheit eine Katastrophe.<br />
Kletterseile und Karabiner prüfen<br />
Sie haben als Fotograf die Verantwortung,<br />
dass Ihr „Modell“ bei spektakulären Winterund<br />
Kletterfotos nicht in Gefahr kommt. So<br />
beeindruckend perfekt fotografierte Kletterer<br />
sind, die gerade aus der Wand fallen:<br />
Stürze für die Kamera zu provozieren, kann<br />
schiefgehen. Seile können durchscheuern,<br />
Karabiner abreißen. Es ist absolut empfehlenswert,<br />
regelmäßig die Berichte des<br />
Sicherheitskreises des Deutschen Alpenvereins<br />
zu lesen. Seile und Karabiner sind<br />
Sicherungsmittel, keine Turngeräte. Ein Seil,<br />
das zehn Stürze hinter sich hat, ist reif für<br />
den Müll. Wenn Sie aus bestimmten Gründen<br />
solche Fotos machen müssen, sorgen<br />
Sie unbedingt für bestes, neues Klettermaterial<br />
und einen Fachmann, der die Sicherungen<br />
vornimmt.<br />
Verlassen Sie sich nicht auf Ihr Handy<br />
Auch wenn in den Alpen an den verblüffendsten<br />
Stellen wunderbarer Empfang möglich<br />
ist: Das kann schon wenige Meter weiter<br />
ganz anders sein. Sie sollten das alpine<br />
Notsignal beherrschen und auch eine kleine<br />
Taschenlampe dabeihaben. Das alpine Notsignal<br />
besteht aus einem optischen und/oder<br />
akustischen Signal beliebiger Art, das sechs<br />
Mal innerhalb einer Minute abgesetzt wird.<br />
Es soll nach einer Minute Pause in gleicher<br />
Folge wiederholt werden, solange Aussicht<br />
besteht, von anderen Bergsteigern, von Berghütten<br />
oder im Tal bemerkt zu werden. Die<br />
Antwort auf ein solches Signal wird mit drei<br />
Zeichen pro Minute gegeben und ebenfalls<br />
nach einer Minute Pause wiederholt. Dadurch<br />
kann dem Alarmierenden bestätigt<br />
werden, dass sein Notsignal empfangen worden<br />
ist.<br />
BERGWACHTEINSÄTZE<br />
Die Bergwacht ist nur für unverschuldete Notfälle da. Aber die meisten<br />
Einsätze hat sie, weil sich irgendwer selbst oder seine Ausrüstung<br />
über- oder das Wetter unterschätzt hat. Die Bergwacht sollte<br />
nicht auch noch unvorsichtige Fotografen aus der Bredouille ziehen<br />
müssen. Bergwachteinsätze sind prinzipiell auch immer für die Helfer<br />
gefährlich!<br />
195
Auf geht’s Buam: Hütten<br />
in den Alpen<br />
Gebirgsfotografie findet in Höhen jenseits<br />
der 1.500 m statt und idealerweise in den<br />
Morgen- oder Abendstunden. Nachtbergsteigen<br />
mit Kameraausrüstung ist aber<br />
nicht jedermanns Sache, also gibt es noch<br />
die Möglichkeit, bei Tag gemütlich aufzusteigen<br />
und dann entsprechend auf einer<br />
Berghütte zu übernachten.<br />
nicht zu unterschätzen – ein Anrecht auf<br />
einen Schlafplatz. Ich habe es selbst erlebt,<br />
dass bei gefüllter Hütte weitere Gäste,<br />
Nichtmitglieder eben, auf der Terasse unter<br />
Bierbänken schlafen mussten, egal wie das<br />
Wetter war. Voranmeldungen und eine genaue<br />
Routenplanung zahlen sich also aus.<br />
Mitgliedschaft im Alpenverein<br />
In den Alpen werden die meisten Hütten<br />
vom Deutschen Alpenverein bzw. einem<br />
seiner Partnervereine betrieben. Die Mitgliedschaft<br />
im Alpenverein beschert dem<br />
Hüttengast nicht nur ein verbilligtes Bergsteigeressen,<br />
sondern auch – und das ist<br />
Bei der Hüttensuche hilft die Webseite des Deutschen Alpenvereins<br />
weiter – www.dav-huettensuche.de.<br />
196
KAPITEL 3<br />
ATEM BERAUBENDES<br />
HOCHGEBIRGE<br />
1.327 m: Tutzinger Hütte<br />
Wer wenig Zeit hat und sich trotzdem mal<br />
im Hochgebirge tummeln will, für den gibt<br />
es natürlich auch die Randgebirge. Hochfelln<br />
und Jenner verfügen über Seilbahnen,<br />
die bei gutem Wetter erstklassigen Rundblick<br />
bieten, ohne dass man stundenlang<br />
Ausrüstung auf die Höhe schleppen müsste.<br />
Spannend ist vor allem die Inversionswetterlage,<br />
bei der im Tal unten alles in<br />
der Suppe steckt und man oben im strahlenden<br />
Sonnenschein Fotos macht. Wer<br />
mal ausprobieren will, etwa als Training für<br />
Hochtouren, wie sich die Fotoausrüstung<br />
Ausblick vom Hochfelln<br />
bei Inversionswetterlage.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 144 mm<br />
Belichtung 1/125 s<br />
Blende<br />
f/7,1<br />
ISO 100<br />
197
über längere Strecken schleppt, dem sei die<br />
Benediktenwand bei Benediktbeuren empfohlen.<br />
Sie verfügt über ein hervorragendes<br />
Quartier am Fuß – die Tutzinger Hütte, siehe<br />
http://alt.dav-sektion-tutzing.de – sowie<br />
Routen durch die Wand und außen herum<br />
in allen Schwierigkeitsgraden. Und ganz nebenbei<br />
auch noch über einen fantastischen<br />
Fernblick. Gelegentlich kann man hier sogar<br />
Steinböcken in freier Wildbahn begegnen.<br />
1.834 m: Erfurter Hütte im Rofan<br />
Hütten auf Höhe gibt es in den Alpen dutzendweise.<br />
Einige sind für Fotografen besonders<br />
luxuriös, hier führen Seilbahnen in<br />
das unmittelbare Umfeld. So ist die Erfurter<br />
Hütte im Rofan, siehe http://hoehenrausch.<br />
de/huetten/erfurter_huette, immerhin schon<br />
auf 1.834 m, mit der Seilbahn von Maurach<br />
zu erreichen, das Rofan selbst ist überschaubar<br />
und bietet ein paar schöne Tagestouren<br />
mit spektakulärer Sicht auf das Karwendel,<br />
die Zillertaler Alpen und auf den Achensee<br />
im Tal. Die Erfurter Hütte ist auch im Januar<br />
geöffnet und kann dann für Wintertouren<br />
genutzt werden, die je nach Schneelage<br />
durchaus lohnend sind. Seit Kurzem gibt es<br />
auf dem Haushügel der Erfurter Hütte, dem<br />
Gschöllkopf, eine künstliche Konstruktion,<br />
das Adlernest, das den Erlebnistourismus<br />
ankurbeln soll. Fotografisch ist das Konstrukt<br />
zwar kein Gewinn, aber auch kein<br />
tragischer Verlust, da der Gschöllkopf auch<br />
ohne Adlernest nicht wirklich attraktiv war<br />
und man die besten Motive von dort aus hat<br />
– und da stört das Adlernest dann nicht.<br />
2.177 m: Riemannhaus am Steinernen Meer<br />
Interessant ist auch das Riemannhaus am<br />
Steinernen Meer, hier kann man nach Absprache<br />
die Ausrüstung mit der Materialseilbahn<br />
hochfahren lassen, siehe www.<br />
riemannhaus.de. Die Gipfel rund ums Riemannhaus<br />
sind auch mit Kameraausrüstung<br />
machbar und bieten gute Motive – allerdings<br />
sei vor dem Steinernen Meer gewarnt.<br />
Bei schlechtem Wetter ist dieser natürliche<br />
Irrgarten schon mehr als einem Bergsteiger<br />
zum Verhängnis geworden.<br />
2.389 m: Olperer Hütte<br />
in den Zillertaler Alpen<br />
Eine der schönsten Hütten auf Höhe ist die<br />
neu gestaltete Olperer Hütte in den Zillertaler<br />
Alpen auf 2.389 m, siehe www.olpererhuette.de.<br />
Die Aussicht auf den Schlegeisspeicher<br />
ist schon von der Terrasse aus<br />
spektakulär, die Touren in die Umgebung<br />
absolut lohnend.<br />
2.438 m: Dreizinnenhütte<br />
in den Dolomiten<br />
Der Klassiker für Fotografen sind natürlich<br />
die Dolomiten . Felszacken und in der Regel<br />
vergleichsweise stabiles, gutes Wetter.<br />
Die Dreizinnenhütte , ein viel frequentierter<br />
Ausgangspunkt für Foto- und Klettertouren,<br />
liegt am Fuß der Paternkofel mit Blick auf die<br />
Dreizinnen – siehe www.dreizinnenhuette.<br />
com. Die Klettersteige auf den Paternkofel<br />
und die Tofanen bieten spektakuläre Motive<br />
mit Tiefsicht und sind trotzdem auch mit der<br />
Kamera und Fotoausrüstung zu bewältigen.<br />
Einziger Nachteil: Die Dolomiten sind als Bilderbuchberge<br />
schon etwas überfotografiert.<br />
2.700 m: Dachstein-Gletscherbahn<br />
Früher ebenso berüchtigt war der Dachstein,<br />
mittlerweile ist er aber durch das<br />
ganzjährige Gletscherskigebiet entschärft.<br />
Hier gibt es die Dachstein-Gletscherbahn ,<br />
die auf knapp 2.700 m fährt. Donnertags<br />
gibt es die Sonnenaufgangsfrühgondel – für<br />
Fotografen natürlich ein Leckerbissen. Wer<br />
198
KAPITEL 3<br />
ATEM BERAUBENDES<br />
HOCHGEBIRGE<br />
schwindelfreie Unterhosen und das Fisheye<br />
eingepackt hat, kann sich auch mal den<br />
„Dachstein-Skywalk“ ansehen.<br />
2.690 m: Kandersteg im Berner Oberland<br />
Interessant ist auch die Gegend um Kandersteg<br />
im Berner Oberland. Die spektakuläre<br />
Mautstraße, die ins Gasteretal führt, ist ein<br />
Motiv für sich. Der vom Militär Anfang des<br />
letzten Jahrhunderts in den Felsen gehauene<br />
Weg ist allerdings erst dann wirklich adrenalinpumpend,<br />
wenn man ihn mit einem<br />
ortskundigen Autofahrer zurücklegt. Vom<br />
Gasteretal führt der alte Lötschenpass ins<br />
Wallis. Auf der Passhöhe in 2.690 m gibt es<br />
eine Hütte mit Übernachtungsmöglichkeit.<br />
Für etwas härtere Fotografen kann man als<br />
Standquartier im Gasteretal das Waldhotel<br />
empfehlen – Zimmer ohne elektrischen<br />
Strom und fließend Wasser, aber eine spektakuläre<br />
Umgebung. Vor allem im Frühling<br />
Ende Mai ist das Gasteretal ein Blütenmeer<br />
mit allerlei unter Schutz stehenden Blumen.<br />
Extreme Vorsicht ist im Gasteretal bei unsicherer<br />
Wetterlage geboten. Es geht hier<br />
nicht nur um Schnee, Regen und Eis, sondern<br />
vor allem um Muren- und Lawinenabgänge.<br />
Ein Bereich des Tals ist explizit als<br />
Gefahrenzone markiert. Lawinen, die von<br />
der einen Seite des Tals abgehen, reißen allein<br />
durch ihren Luftdruck noch auf der anderen<br />
Seite des Tals reihenweise Bäume um.<br />
3.883 m: Seilbahn auf den Aiguille<br />
du Midi<br />
Die beiden höchsten Seilbahnen Europas<br />
führen von Chamonix aus auf die Aiguille<br />
du Midi und auf das kleine Matterhorn . Von<br />
der Aiguille hat man Ausblick auf den Mont<br />
Blanc, vom kleinen Matterhorn aus auf das<br />
große Matterhorn – für Gipfelsammler absolut<br />
lohnend und bei klarem Wetter auch<br />
mit langen Brennweiten interessant. Auf jeden<br />
Fall kommt man nirgends so einfach auf<br />
knapp 4.000 m. Um noch ein paar Meter<br />
höher zu kommen, muss man schon nach<br />
Indien ins Gulmargtal oder nach Ecuador<br />
fahren – in Quito kann man auf den Pichincha<br />
auf 4.100 m hochgondeln.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 1.000 mm<br />
Belichtung 1/320 s<br />
Blende<br />
f/8,0<br />
ISO 100<br />
Die Bergstation auf<br />
dem Aiguille du Midi<br />
auf 3.842 m, eine Zeit<br />
lang die höchste Bergstation<br />
der Welt.<br />
199
202
KAPITEL 4<br />
TANZ AUF<br />
DEM VULKAN<br />
Tanz auf dem Vulkan<br />
205 Vulkanausbruch live<br />
205 Ohne extrem hohen Aufwand und Glück<br />
geht nichts<br />
206 Lohnenswerte Motive auch bei verpasster<br />
Eruption<br />
207 Ideale Locations für ambitionierte<br />
Fotografen<br />
208 Spektakulär: die Aschewolke<br />
des Eyjafjallajökull<br />
210 Bildgestaltungstipps für angehende<br />
Vulkanfotografen<br />
211 Anforderungen an Mensch und<br />
Material<br />
211 Was zählt, sind Geduld und Konzentration<br />
211 Psychische Härte und Glück<br />
212 Risiken beim Tanz auf dem Vulkan<br />
213 Das ist die größte Gefahr bei einem Vulkanausbruch<br />
213 Glutlawinen aus heißer Asche, Gasen und<br />
Gestein<br />
214 Welcher Kameratyp eignet sich am besten?<br />
215 Hier trennt sich die Spreu vom Weizen<br />
216 Kontrastunterschiede deutlich machen<br />
217 Extrem heiße Glutlawinen bei Nacht<br />
220 Unverhofft kommt oft: das richtige Stativ<br />
221 Betauung, Korrosion und Abnutzung<br />
221 Ascheeruptionswolke vor Sternenhimmel<br />
223 Zoomobjektive oder lichtstarke<br />
Festbrennweiten?<br />
225 Rauchringe mit einem Teleobjektiv einfangen<br />
226 Gute Fokussierung macht den Unterschied<br />
227 Unvorhersehbare Blitzentladungen einfrieren<br />
228 Traumobjektiv für nächtliche Vulkanfotografie<br />
229 Mein Objektivpark! – In der Praxis vielfach<br />
bewährt<br />
231 Ein Problem, das nicht verschwiegen werden<br />
soll<br />
232 Unberechenbar: graue Vulkane<br />
232 Lebensgefährlich! – Glutlawinen<br />
aus dem Nichts<br />
233 Warnzeichen bei schnell aufsteigenden<br />
Aschewolken<br />
233 In Deckung! – Steinschlag und Lavabomben<br />
234 Vorsicht! – Unerwartete Einwirkung giftiger<br />
Gase<br />
235 An Schwefelquellen auftretender<br />
Schwefelbrand<br />
236 Einbruchgefahr bei dünnem und<br />
unterhöhltem Boden<br />
236 Einfache Regeln gegen extreme<br />
Hitze abstrahlung<br />
237 Lavaströme, Lavafälle, Lavaseen<br />
239 Einmalige Blicke auf dahinschießende<br />
Lavaströme<br />
239 Nahezu unkritisch: Aufnahmen zähflüssiger<br />
Lavaströme<br />
240 Zur richtigen Zeit am richtigen Ort:<br />
spektakuläre Lavafälle<br />
241 Faszinierendes Spiel zwischen Wasser und<br />
Lava<br />
242 Gefährlich! – Heiße Lava und das Meer<br />
242 Unerschöpfliches Reservoir unterschiedlichster<br />
Motive<br />
244 Sensationelle Bilder aktiver Lavadome<br />
245 Gefahrenpotenzial aktiver Lavadome<br />
245 Lavaseen bieten immer wieder<br />
gute Fotogelegenheiten<br />
246 Intensives Farbenspiel in Kraterseen<br />
247 Aufsteigende Lavablasen und Fontänen<br />
in Lavaseen<br />
249 Achtung! – Hitzeschutz für exponierte<br />
Hautstellen und die Kamera<br />
249 Explosiv: Strombolianische<br />
Eruptionen und Lavafontänen<br />
251 Eindrucksvolles Schauspiel<br />
von Lavafontänen<br />
252 Lavafontänen und platzende Lavablasen<br />
253 Darauf ist im Umfeld von Lavafontänen<br />
zu achten<br />
254 Platzende Schlammvulkane und heiße<br />
Springquellen<br />
255 Spektakuläre Farbenspiele seltener<br />
Erscheinungsformen<br />
203
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 94 mm<br />
Belichtung 1/125 s<br />
Blende<br />
f/6,3<br />
ISO 200<br />
Dünnflüssige Lavaströme sind eine ideale Möglichkeit, um sich mit der Materie vertraut zu machen,<br />
hier ein typischer Pahoehoe-Lavastrom am Kilauea, Big Island, Hawaii.<br />
4<br />
Tanz auf dem Vulkan<br />
Jeder kennt die spektakulären Bilder und die eindrucksvollen Schilderungen von Zeugen<br />
früherer Ausbrüche. In mehr oder weniger zufälligen Abständen ereignen sich Vulkanausbrüche<br />
, vor allem an den durch die Geologie vorgegebenen Schwächezonen der Erdkruste .<br />
Diese Naturgewalt, die unseren Planeten maßgeblich formt und die Menschheit stetig in<br />
Atem hält, zerstört und schafft gleichzeitig Neues. Obwohl immer wieder von menschlichen<br />
Tragödien berichtet wird, muss auch die andere Seite gesehen werden. Ohne Vulkane<br />
gäbe es kein Leben, Vulkane formen Inseln des Lebens in den Weiten der Ozeane, binden<br />
Regenwolken und lassen Urwälder in ansonsten ariden Landschaften entstehen. Ihre Ausbrüche<br />
düngen die umliegenden Felder und bilden die Grundlage für erfolgreichen Ackerbau.<br />
204
KAPITEL 4<br />
TANZ AUF<br />
DEM VULKAN<br />
Vulkanausbruch live<br />
Wer das Glück hatte, selbst einmal einen<br />
Vulkanausbruch zu erleben, ohne dabei persönlich<br />
von eventuellen Verwüstungen betroffen<br />
zu sein, wird den dadurch gewonnenen<br />
tiefen Eindruck niemals wieder vergessen.<br />
Vulkanausbrüche zählen mit Sicherheit zu<br />
den eindrucksvollsten Naturerscheinungen,<br />
die man erleben kann. Sie prägen sich gleichzeitig<br />
in alle Sinne, und die Größe und Gewalt<br />
der Natur wird direkt erfahrbar.<br />
ÜBER DEN AUTOR<br />
Ohne extrem hohen Aufwand und<br />
Glück geht nichts<br />
Beginnt man dann, sich für dieses Thema<br />
zu interessieren, und verfolgt eine gerade<br />
stattfindende spektakuläre Eruption in<br />
den Medien, wird einem schnell klar, dass<br />
es alles andere als einfach ist, ein solches<br />
Ereignis mitzuerleben oder gar fotografisch<br />
zu dokumentieren. Die aktiven Vulkane<br />
befinden sich meistens auf anderen Kontinenten<br />
in entlegenen Regionen. Die Vulkanologie<br />
ist auch heute noch nicht in der<br />
Lage, eine bevorstehende Eruption präzise<br />
vorherzusagen, der Ausbruch richtet sich<br />
nicht nach dem aktuellen Wetter, und die<br />
Nähe zu besiedelten Regionen kann bedeuten,<br />
dass Evakuierungen und Absperrungen<br />
die Bedingungen für den Vulkanbesucher<br />
erschweren. Lokale aschebedingte Flugverbote<br />
sind ebenfalls möglich.<br />
Man kann also definitiv nicht auf eine günstige<br />
Jahreszeit warten oder den nötigen<br />
Flug frühzeitig buchen. Vor Ort sind die<br />
Reisemöglichkeiten durch die stattfindende<br />
Eruption oft erheblich erschwert, man kann<br />
sich nicht auf eine bestehende Infrastruktur<br />
verlassen usw. Ferner dauern gerade die<br />
großen Eruptionen oft nur eine kurze Zeit.<br />
Martin Rietze , Jahrgang 1964, Elektronikentwickler<br />
bei Baader Planetarium<br />
und nebenberuflich Vulkan- und Astrofotograf.<br />
Das Interesse an der Astround<br />
Landschaftsfotografie erwachte<br />
schon in der Schul- und Studienzeit.<br />
Dabei kamen ihm häufiger auch nicht<br />
aktive Vulkane in die Quere. Ab etwa<br />
dem Jahr 2000, nach einigen Besuchen<br />
aktiver Vulkane (Hawaii, Stromboli),<br />
erfolgte sein Einstieg in die ernsthafte<br />
Vulkanfotografie mit der Organisation<br />
von Expeditionen auch in entlegene<br />
Gebiete. In den letzten Jahren zeigt<br />
Martin Rietze seine Bilder in Vorträgen,<br />
Zeitschriften und Büchern.<br />
Ebenso werden sie weltweit über Bildagenturen<br />
vertrieben.<br />
205
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 16 mm Fisheye<br />
Belichtung 4 s<br />
Blende<br />
f/2,8<br />
ISO 100<br />
Vollmond mit Morgendämmerung<br />
über dem<br />
Krater des Villaricca-<br />
Vulkans im südlichen<br />
Chile.<br />
Der Vulkan setzt die gesamte Energie, die<br />
sich jahrelang – wenn nicht sogar jahrtausendelang<br />
– angestaut hat, plötzlich frei. Es<br />
kann einem durchaus passieren, dass man<br />
viel Geld in die Anreise investiert und die<br />
Eruption genau bei der Ankunft stoppt. Somit<br />
ist klar, dass eine plötzlich stattfindende<br />
große Eruption nur unter extrem hohem<br />
Aufwand zu erreichen ist und selbst dann<br />
lediglich ein Blick aus großer Entfernung<br />
möglich wird. Auf den ersten Blick erscheint<br />
dies demotivierend.<br />
Lohnenswerte Motive auch bei verpasster<br />
Eruption<br />
Oft trifft man bei länger vorgeplanten Reisen<br />
oder bei zu später Ankunft eines inzwischen<br />
schon wieder ruhig gewordenen<br />
Vulkans nur noch geringe Restaktivität an.<br />
BELICHTUNG<br />
ZUR BLAUEN STUNDE<br />
Während der blauen Stunde ändert<br />
sich die Lichtmenge mit erheblicher<br />
Geschwindigkeit. Hier kann es<br />
sinnvoll sein, die einmal mit Probebelichtung<br />
ermittelten Werte durch<br />
Belichtungskorrektur anzunähern.<br />
Damit kann dann die Automatik dem<br />
schnellen Lichtwechsel ohne großes<br />
Risiko folgen. Es kann hier z. B. durchaus<br />
vorkommen, dass zwei bis drei<br />
Blenden Unterbelichtung nötig sind.<br />
206
KAPITEL 4<br />
TANZ AUF<br />
DEM VULKAN<br />
Hier ergibt das schwache Glühen allein oft<br />
kein lohnenswertes Motiv mehr ab. Jedoch<br />
kann der Fotograf mit ein wenig Kreativität<br />
dennoch ein Bild mit vielleicht sogar höherer<br />
Ästhetik als bei einer chaotisch abgebildeten<br />
Fontäne schaffen. Eingebettet<br />
in eine schöne Landschaft mit besonderer<br />
Lichtstimmung, wie sie die blaue Stunde liefert,<br />
gelingt die Kombination von Himmelsobjekten<br />
und Stimmungen sogar besser,<br />
da hier keine zwingenden Vorgaben wie zu<br />
hoher Lavakontrast oder Gefahrenminimierung<br />
im Vordergrund stehen. Der Fotograf<br />
kann in Ruhe das Bild gestalten. Hilfreich<br />
sind gerade für das Einbinden von Himmelsfarben<br />
und Himmelsobjekten lichtstarke<br />
Weitwinkelobjektive.<br />
Ideale Locations für ambitionierte<br />
Fotografen<br />
Wer die aktiven Vulkane genauer verfolgt,<br />
wird schnell feststellen, dass es neben den<br />
großen, sich in den Schlagzeilen wiederfindenden<br />
Eruptionen auch viele kleinere, aber<br />
dafür oft lang anhaltende Ereignisse gibt.<br />
Diese Vulkane entlassen den über lange<br />
Zeit angestauten Druck nicht plötzlich, sondern<br />
besitzen ein offenes Schlotsystem, das<br />
beständigen Druckabbau ermöglicht. Zwar<br />
besitzen solche kleinen Eruptionen bei Weitem<br />
nicht die gleiche Heftigkeit, aber genau<br />
das führt dazu, dass man sich bequem darauf<br />
einstellen kann. Die Einwohner haben<br />
sich an die beständigen kleinen Eruptionen<br />
gewöhnt und oft sogar eine Infrastruktur<br />
speziell für Vulkantourismus geschaffen.<br />
Eine längerfristige Reiseplanung ist durchaus<br />
möglich, und vor allem die Gefahren bei<br />
Annäherung sind besser einschätzbar. Die<br />
Trefferquote für gute Bilder steigt, da man<br />
den Moment mit gutem Wetter abwarten<br />
kann.<br />
Aber vor allem hat man bei solchen Vulkanen<br />
wesentlich mehr Möglichkeiten der Bildgestaltung.<br />
Zwar herrscht nicht die unglaubliche<br />
Gewalt einer großen Eruption, aber das<br />
wird mehr als wettgemacht durch die bessere<br />
Zugänglichkeit. Man kann verschiedenste<br />
Perspektiven einnehmen und auf Details<br />
achten. Während bei einer großen Eruption<br />
kaum mehr als eine riesige Aschewolke aus<br />
großer Entfernung erfassbar ist, erlebt man<br />
bei diesen kleineren Ereignissen erst richtig<br />
alle Begleiterscheinungen. Lavafetzen werden<br />
im Detail sichtbar, man sieht die Druckwellen<br />
aus dem Krater laufen, die Akustik ist<br />
direkt, Gasfackeln oder brennender Schwefel<br />
schaffen Farb akzente. Optimale Lichtstimmungen<br />
bei Sonnenauf- und -untergang<br />
sind planbar, man kann oft riskieren, auch<br />
die Nacht über zu beobachten. Dennoch<br />
muss man sich auch bei solchen Vulkanen<br />
der potenziellen Gefahren immer bewusst<br />
und entsprechend vorbereitet sein. Auch<br />
hier gibt es eine Grenze, die nicht überschritten<br />
werden darf.<br />
Typische daueraktive Vulkane, die sich ideal<br />
für einen ersten Besuch eignen, sind der<br />
Stromboli nahe Sizilien, der Kilauea auf Hawaii,<br />
der Pacaya und der Santiaguito in Guatemala,<br />
der Arenal in Costa Rica, der Erta Ale<br />
in Äthiopien, der Yasur auf Tanna (Vanuatu),<br />
der Semeru in Java und zu bestimmten Zeiten<br />
auch der sizilianische Ätna .<br />
Generell empfiehlt sich als Vorbereitung,<br />
eine gute körperliche Verfassung und einen<br />
guten Trainingszustand zu gewährleisten.<br />
Auch Bergsteigen hilft ungemein, um<br />
ein Gefühl für naturbelassenes Gelände,<br />
schwere Rucksäcke, Outdoorfähigkeit und<br />
den nötigen Orientierungssinn zu entwickeln.<br />
Natürlich ist all dies z. B. am Drivein-Vulkan<br />
Kilauea in Hawaii ebenso unnötig<br />
wie auf der gemütlich geführten Wanderung<br />
auf den Stromboli.<br />
207
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 47 mm<br />
Belichtung 1/400 s<br />
Blende<br />
f/8,0<br />
ISO 100<br />
stab wird anhand benachbarter Objekte<br />
klarer. Die Anforderungen an die Kamera<br />
sind relativ gering, es herrscht genügend<br />
Licht, und man kann sich, ohne auf technische<br />
Schwierigkeiten achten zu müssen,<br />
voll auf die Bildgestaltung und den besten<br />
Moment konzentrieren. Die Entfernung gibt<br />
genügend Sicherheit – mit Ausnahme von<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 200 mm<br />
Belichtung 1/400 s<br />
Blende<br />
f/4,0<br />
ISO 400<br />
Eyjafjallajökull-Eruption,<br />
vom Kraterrand aus<br />
gesehen. Gerade eben<br />
löst sich der vorher alles<br />
verhüllende Nebel auf, ein<br />
besonders eindrucksvoller<br />
Vorgang. Man sieht,<br />
bedingt durch die Nähe<br />
von nur einigen hundert<br />
Metern, lediglich den<br />
alleruntersten Teil der<br />
Aschewolke, dafür ist die<br />
Stimmung und Akustik<br />
unbeschreiblich.<br />
Spektakulär: die Aschewolke<br />
des Eyjafjallajökull<br />
Diese geradezu klassische Erscheinungsform<br />
von aktivem Vulkanismus ist auch an<br />
daueraktiven Vulkanen zu beobachten. Besonders<br />
bei neu beginnenden Eruptionen<br />
werden diese Wolken sehr groß und dynamisch.<br />
Geht es bei einem größeren Ausbruch<br />
insbesondere um die Fotografie der<br />
Aschewolke, ist interessanterweise eine<br />
mehrere Kilometer entfernte Fotodistanz<br />
oft besser. Dann stimmt die Perspektive,<br />
die gesamte Form wird klar, und der Maß-<br />
208
KAPITEL 4<br />
TANZ AUF<br />
DEM VULKAN<br />
besonders großen Jahrhunderteruptionen<br />
natürlich, bei denen z. B. die gesamte Wolke<br />
kollabieren und sich in riesige pyroklastische<br />
Ströme verwandeln könnte.<br />
Vor allem Phasen mit hoher Austrittsgeschwindigkeit<br />
und Aschedichte sind lohnend,<br />
da die Wolke dann besonders gewaltig wirkende<br />
Formen bildet.<br />
Normalerweise glühen Aschewolken nicht,<br />
dafür ist die fein zerstäubte Lava schon zu<br />
kalt, wenn sie über die Kraterkante tritt. Jedoch<br />
hat sie bei sehr starken Ausbrüchen an<br />
der Basis noch genügend Hitze, um von innen<br />
heraus zu glühen. Dieses Schauspiel kann<br />
man sogar am Tag, vor allem im Schatten,<br />
beobachten. Faszinierend sind die schnell<br />
Eyjafjallajökull-Eruption,<br />
Blick vom Kraterrand in<br />
den aktiven Kessel. Die<br />
mit höchster Geschwindigkeit<br />
austretende Asche<br />
ist kurz nach ihrem Austritt<br />
noch so heiß, dass sie<br />
bei Tageslicht glüht.<br />
209
wechselnden Form- und Farbkombinationen.<br />
Neigt sich die Sonne dem Horizont zu<br />
und will man diese Glutästhetik ausreichend<br />
scharf einfangen, steigen die Anforderungen<br />
an die Kameraausrüstung stark an, denn die<br />
hoch beschleunigte Asche benötigt kurze<br />
Belichtungszeiten, die Details eine Telebrennweite<br />
und das schwächere Licht eine<br />
hohe Lichtstärke. Auch ist für solche Details<br />
eine wesentlich stärkere Annäherung an die<br />
Ausbruchstelle erforderlich.<br />
Bildgestaltungstipps für angehende<br />
Vulkanfotografen<br />
Hier gilt das Gleiche wie für die normale<br />
Landschaftsfotografie, jedoch lassen sich<br />
die Regeln in der Vulkanfotografie oft wesentlich<br />
schwieriger anwenden. Gerade das<br />
liefert aber eine zusätzliche Herausforderung,<br />
die unter anderem den Reiz dieses<br />
Themas ausmacht.<br />
Im Folgenden dazu einige Überlegungen:<br />
• Durch eine Vordergrund-Hintergrund-<br />
Aufteilung sollte möglichst ein räumlicher<br />
Eindruck geschaffen werden. Auch<br />
ein allseits bekanntes Objekt (Person,<br />
Gegenstand, Haus, ...) kann einen Maßstab<br />
geben und somit erst die Größe einer<br />
Aschewolke veranschaulichen.<br />
• Das Hauptobjekt, also der aktive Vulkan<br />
bzw. Schlot, muss zwar bilddominierend,<br />
aber nicht unbedingt mittig platziert werden<br />
(Stichwort Goldener Schnitt).<br />
Gerade diese Technik ist oft besonders<br />
schwierig anzuwenden, weil Vulkanausbrüche<br />
häufig in langen Abständen<br />
erfolgen und sich die Auswurfrichtung<br />
stark ändern kann. Hier benötigt man<br />
zwangsläufig eine gute Beobachtungsgabe,<br />
sehr viel Geduld, eine hohe Konzentration<br />
auch nach vielen Stunden<br />
Wartezeit und nicht zuletzt Glück.<br />
Wählt man die ideale Brennweite für nahezu<br />
bildfüllende Eruptionen, wirkt diese<br />
Problematik zusätzlich erschwerend.<br />
Hier hilft die moderne Digitaltechnik<br />
enorm, denn mit etwas weniger Brennweite<br />
und einem scharfen Objektiv ist<br />
bei den mittlerweile hochauflösenden<br />
Kameras das spätere Zuschneiden des<br />
Bilds problemlos machbar.<br />
So kann man den Austrittspunkt der<br />
Eruption genau in die Bildmitte nehmen<br />
und erst später am Rechner den optimalen<br />
Bildschnitt finden.<br />
• Achten Sie auf gute, aber nicht zu extreme<br />
Kontraste, die Lichtquelle (Sonne,<br />
Mond) sollte also eher auf der Seite<br />
sein. Gerade von hinten beleuchtete<br />
Szenen wirken oft sehr abgeflacht und<br />
wenig dynamisch.<br />
• Es sollte möglichst viel von der Dynamik<br />
des Vorgangs eingefangen werden,<br />
also vorzugsweise mit einer Weitwinkelbrennweite<br />
nahe am Geschehen. Ein<br />
Teleobjektiv zeigt oft nur ein sehr flaches<br />
und wenig strukturiertes Bild.<br />
• Schaffen Sie zusätzlich einen Überblick<br />
über das ganze Geschehen und binden<br />
Sie die weitere Umgebung ein:<br />
Natürlich sind Nah- und Detailaufnahmen<br />
unersetzlich und spektakulär. Aber<br />
erst die Überblicksaufnahme schafft die<br />
richtige Perspektive und Einordnung in<br />
die umgebende Landschaft.<br />
Geradezu erstaunlich ist oft, wie klein<br />
eine eigentlich riesige Aschewolke wirkt,<br />
wenn man sehr dicht dransteht, denn<br />
man sieht dann ja nur den alleruntersten,<br />
noch engen und im Vergleich zur<br />
210
KAPITEL 4<br />
TANZ AUF<br />
DEM VULKAN<br />
Gesamtwolke winzigen Teil. Erst in einigen<br />
Kilometern Entfernung stimmt die<br />
Perspektive, und man erblickt die volle<br />
vertikale Ausdehnung.<br />
• Fotografieren Sie möglichst viele unterschiedliche<br />
Ansichten: Erst mehrere<br />
Perspektiven und Einblicke schaffen<br />
Abwechslung und ein vollständiges Gesamtbild.<br />
Hier lohnt sich körperlicher<br />
Einsatz durchaus. Besonders hilfreich ist<br />
auch ein vorheriger Überflug mit einem<br />
Helikopter oder einer Propellermaschine<br />
– zuerst wegen der oft sehr interessanten<br />
Luftperspektive und danach auch für die<br />
weitere Planung im Gelände.<br />
Anforderungen an Mensch und<br />
Material<br />
Es ist eine Tatsache, dass mehr Vulkanbeobachter<br />
durch Wetter und Gelände ums<br />
Leben kommen als durch die Auswirkungen<br />
der Eruptionen selbst. Das ist bei der<br />
Wahl der Ausrüstung unbedingt zu berücksichtigen.<br />
Schon die abgelegeneren und<br />
unbekannteren Vulkane lehren einen sehr<br />
schnell, mit für uns Mitteleuropäer ungewohnten<br />
Bedingungen klarzukommen.<br />
Was zählt, sind Geduld und<br />
Konzentration<br />
Egal ob Tropen mit schwüler Hitze und zahlreichem<br />
Getier oder eisige Stürme in großer<br />
Höhe, auch hier gilt es, die Kamera sicher zu<br />
beherrschen und nicht an den harten Bedingungen<br />
zu scheitern. Dazu sind Geduld und<br />
Konzentrationsfähigkeit Voraussetzung – so<br />
z. B., wenn man nach zehn Stunden kalter<br />
durchwachter Nacht noch in der Lage ist, auf<br />
eine plötzlich ohne jedes Anzeichen beginnende<br />
Eruption in Sekundenbruchteilen zu<br />
reagieren, und den entscheidenden Moment<br />
mit der Kamera festhalten kann. Aus eigener<br />
Erfahrung entwickelt sich zwischen dem<br />
Vulkan und dem Beobachter schnell ein sonderbares<br />
Verhältnis. Der Vulkan gönnt dem<br />
Fotografen nicht einmal den kleinsten Keks,<br />
allein der Griff zum Rucksack und das Loslassen<br />
des Kameraauslösers reichen aus, um<br />
den stundenlang abgewarteten Eruptionsbeginn<br />
zu verpassen.<br />
Zum Trost sei gesagt, dass es oft auch kontinuierlich<br />
ablaufende Eruptionen gibt, bei<br />
denen man sich einzig auf die Bildgestaltung<br />
konzentrieren muss, immer natürlich<br />
unter Beachtung der Sicherheitsaspekte.<br />
Besonders bei hohen Vulkanen und in arktischen<br />
Regionen sollte man niemals die gute<br />
Bergsteigerausrüstung vergessen. Gerade<br />
in den Tropen kann es über 3.000 m empfindlich<br />
kalt werden, es gibt selbst dort immer<br />
wieder Todesfälle durch Erfrierung bei<br />
ungenügender Kleidung. Schon am Ätna<br />
können Steigeisen und Pickel einen Aufstieg<br />
erst möglich machen. Entsprechend<br />
winddichte Kleidung und ausreichend Flüssigkeit<br />
sind absolut notwendig, ebenso Biwakausrüstung<br />
für unerwartete Notfälle.<br />
Psychische Härte und Glück<br />
Die Vulkanfotografie wird immer eine Herausforderung<br />
bleiben. Auch ein hoher Aufwand<br />
garantiert keinesfalls einen Erfolg. Ich<br />
beschoss, eine lohnende Eruption auf der<br />
Vulkaninsel Reunion zu besuchen. Nach<br />
Ankunft am Vulkan konnte ich bei schlechtem<br />
Wetter in der Ferne die Eruption leuchten<br />
sehen. Wenige Stunden danach bei etwas<br />
besserem Wetter näherte ich mich der<br />
Eruptionsstelle, nur um festzustellen, dass<br />
die Eruption vor drei Stunden nach mehrmonatiger<br />
Daueraktivität für immer endete.<br />
Dennoch versucht man sein Glück bei der<br />
nächsten Eruption wieder.<br />
211
Pyroklastischer Strom<br />
auf der Karibikinsel<br />
Montserrat.<br />
Ebenso zahlt sich Hartnäckigkeit aus. Hier<br />
eine typische Szene zur Anschauung:<br />
Der Fotograf besteigt einen aktiven Vulkan,<br />
alles passt und die Kamera ist perfekt eingerichtet.<br />
Urplötzlich kommt dichter Gipfelnebel<br />
auf, stundenlanges Warten ist erfolglos.<br />
Er steigt unter großen Mühen bei null<br />
Sicht wieder ab, nur um auf halbem Abstieg<br />
festzustellen, dass sich der Gipfelnebel völlig<br />
auflöst. Er überlegt, völlig erschöpft und<br />
frustriert, weiter abzusteigen und bequem<br />
zu schlafen oder nochmals aufzusteigen mit<br />
dem Risiko erneuten Nebeleinfalls in dieser<br />
feuchten Nacht. Nach Überwindung steigt<br />
er nochmals auf, es bleibt klar, und es gelingen<br />
ihm mit die besten Aufnahmen, die er<br />
jemals an diesem Vulkan gemacht hat.<br />
Risiken beim Tanz auf dem Vulkan<br />
Ein erfahrener und umsichtig vorgehender<br />
Vulkanbeobachter geht in der Regel kein größeres<br />
Risiko ein als z. B. ein Berufskraftfahrer<br />
oder Bergsteiger, was sich auch anhand<br />
von Statistiken belegen lässt. Dennoch sind<br />
die Art und Schwere der Gefahren und deren<br />
eventuelle Folgen anders zu gewichten.<br />
Auch wenn die Wahrscheinlichkeit noch so<br />
gering ist, es besteht immer die Möglichkeit<br />
einer spontanen und völlig unerwarteten<br />
Reaktion des Vulkans. Hat man dabei das<br />
Pech, zur falschen Zeit am falschen Ort zu<br />
sein, kann eine ausweglose Situation entstehen.<br />
Verschärft wird das durch die oftmalige<br />
Unmöglichkeit einer Rettung oder Bergung.<br />
Anders als bei einem Auto- oder Bergunfall<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 111 mm<br />
Belichtung 1/640 s<br />
Blende<br />
f/8,0<br />
ISO 100<br />
212
KAPITEL 4<br />
TANZ AUF<br />
DEM VULKAN<br />
wird sich kaum ein Rettungsteam dem unerwartet<br />
reagierenden Vulkan in der eigentlich<br />
nötigen Schnelle nähern.<br />
Daraus folgt, dass man am Vulkan genau<br />
wie bei einer Expedition im ursprünglichen<br />
Sinn unterwegs ist. So wie sich ein Extrembergsteiger<br />
in großer Höhe und über einer<br />
langen Hochlagerkette völlig klar sein muss,<br />
dass es im Ernstfall keinerlei schnelle Rettung<br />
und oft nicht einmal eine Chance zur<br />
späteren Bergung gibt, muss man sich auch<br />
am Vulkan klar darüber sein, dass ein hohes<br />
Maß an Selbstverantwortung nötig ist. Es<br />
soll hier nicht übertriebene Angst geschürt<br />
werden, aber doch dringend vor naivem<br />
Vorgehen und unbedachter Leichtsinnigkeit<br />
gewarnt werden. Gerade weil die für manchen<br />
ungewohnte, aber unumgängliche<br />
Selbstverantwortlichkeit am Vulkan leicht<br />
unterschätzt wird, empfiehlt sich hierbei<br />
schon im Voraus, gerade darauf großes<br />
Augenmerk zu legen. Auch übernimmt der<br />
Autor keinesfalls eine Verantwortung für<br />
eine Nachahmung der beschriebenen Vorgehensweisen.<br />
Das ist die größte Gefahr<br />
bei einem Vulkanausbruch<br />
Ein instabiler, wachsender Lavadom, eine<br />
hügelartige Erhebung sehr zäher Lava oder<br />
eine kollabierende Aschewolke können einen<br />
sogenannten pyroklastischen Strom<br />
auslösen. Dabei werden das Magma und<br />
die Lavabrocken zu feiner Asche zermahlen,<br />
die dann zusammen mit den austretenden<br />
Gasen wie auf einem Luftkissen mit bis<br />
zu 400 km/h die Hänge hinunterrast. Da<br />
die Temperaturen innerhalb eines solchen<br />
Stroms 300 bis 800 °C betragen, verbrennt<br />
und pulverisiert er alles, was im Weg steht.<br />
Das ist mit die größte Gefahr eines Vulkanausbruchs<br />
und extrem schwer einschätzbar.<br />
Zahlreiche Tragödien der Menschheitsgeschichte<br />
belegen dies. Vielleicht geht gerade<br />
deshalb eine besondere Faszination<br />
davon aus. Wer schon einmal solch eine<br />
rasend schnell und völlig lautlos dahingleitende<br />
Wolke gesehen hat, wird das bestätigen.<br />
Bei halbwegs normalen Ausbrüchen<br />
und größerer Distanz gelingt es erstaunlich<br />
oft, dieses Phänomen zu beobachten.<br />
Aber für eine hochwertige Fotografie sind<br />
die Bedingungen meistens viel zu schlecht.<br />
Es stehen Bäume oder Hügel im Weg und<br />
verdecken die Flowfront, durch die große<br />
Entfernung fehlt die Detailzeichnung etc.<br />
SCHLOT UND LAVADOM<br />
Ein Schlot ist der Aufstiegskanal der<br />
Lava aus dem Erdinneren. Er kann in<br />
einem Krater, einer Eruptionsspalte<br />
oder einem Lavadom enden – auch als<br />
Vulkandom oder Staukuppe bezeichnet.<br />
Ein Lavadom ist eine hügel artige<br />
Erhebung aus sehr zäher Lava, die<br />
durch langsame Bewegung und<br />
schnelles Abkühlen kaum abfließen<br />
kann – gleich einem Pfropfen, der<br />
den Schlot verschließt. Lavadome<br />
können sehr instabil sein und bergen<br />
ein sehr großes Gefahrenpotenzial.<br />
So können sich zum Beispiel jederzeit<br />
pyro klastische Ströme, sprich Glutlawinen,<br />
lösen.<br />
213
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 200 mm<br />
Belichtung 1/400 s<br />
Blende<br />
f/6,3<br />
ISO 100<br />
Kleiner pyroklastischer<br />
Strom am Soufriere-<br />
Hills-Lavadom auf der<br />
Karibikinsel Montserrat.<br />
Für die Bildqualität gilt, dass Nähe durch<br />
nichts zu ersetzen ist. Vor allem ein freier<br />
Blick ist Voraussetzung für ein klar gestaltetes<br />
Bild. Das bedeutet aber zusammen mit<br />
der erwähnten Risikosituation, dass man im<br />
Beobachterleben denkbar wenige vertretbare<br />
Gelegenheiten hat, dieses Phänomen<br />
zu fotografieren. Trotz ihrer enormen Hitze<br />
sehen diese Wolken am Tag nur völlig grauschwarz<br />
aus, es ist keine Glut erkennbar.<br />
Welcher Kameratyp eignet sich<br />
am besten?<br />
Zunächst stellt sich die Frage, welche Kamera<br />
sich am besten eignet. Im Grunde<br />
hat man keine Wahl mehr zwischen Emulsionsfilm<br />
und digitalem Sensor. Dennoch<br />
sei nicht vergessen, dass ein Negativ- oder<br />
Diafilm, was seine Dynamik und sein Farbspektrum<br />
betrifft, wesentlich besser als<br />
ein Bildsensor für die Abbildung extremer<br />
Farb- und Helligkeitskontraste geeignet war.<br />
Vergleicht man Dias von zurückliegenden<br />
Vulkanausbrüchen mit heutigen digitalen<br />
Aufnahmen ähnlicher Ausbrüche, zeigt sich<br />
eine spürbar bessere Zeichnung gerade des<br />
tiefen Rots der Lava beim Film. Dieses wirkt<br />
geradezu flach und zeichnungsarm bei der<br />
digitalen Version. Ebenso gerät der digitale<br />
Bildsensor bei helleren Stellen gnadenlos<br />
in die Sättigung, das Bild wirkt an diesen<br />
Stellen unnatürlich ausgebrannt, und oft<br />
treten durch Sättigungseffekte in nur einem<br />
Farbkanal Farben auf, die in der Natur so nie<br />
vorhanden waren. Dagegen hilft nur eine<br />
ausgefeilte Aufnahme- und Nachbearbeitungstechnik.<br />
214
KAPITEL 4<br />
TANZ AUF<br />
DEM VULKAN<br />
Andererseits lohnt sich der Weg zurück<br />
zum Film doch nicht, denn die digitale Technik<br />
bringt eben auch unschätzbare Vorteile<br />
gerade bei der Vulkanfotografie. Serienaufnahmen,<br />
um genau den richtigen Moment<br />
abzupassen, sofortige Kontrolle nach der<br />
Aufnahme und perfekte Fokussiermöglichkeiten<br />
sind oftmals einfach unverzichtbar<br />
geworden. Und die Probleme durch ungenügende<br />
Dynamik des Bildsensors kann<br />
man oft durch HDR-Techniken kompensieren.<br />
Zudem hat heute fast jede Digitalkamera<br />
einen Videomodus, und gerade<br />
eruptierende Aschewolken und Lavafontänen<br />
zeigen erst im Film ihre volle Dynamik<br />
und räumliche Wirkung. Außerdem hatten<br />
die zahlreichen Aschepartikel verheerende<br />
Folgen für den Emulsionsfilm (Kratzer) und<br />
das Kamerainnere beim nötigen Filmwechsel,<br />
mit einer großen Speicherkarte stellt<br />
sich dieses Problem nicht mehr.<br />
Für Eruptionen im Tageslicht eignet sich<br />
praktisch jede Kamera. Hier kann man auch<br />
zur kleinen Kompaktkamera greifen und mit<br />
niedrigen ISO-Werten selbst aus der Hand<br />
spontan die Ereignisse festhalten. Dies hat<br />
den Vorteil, dass man unbelastet durchs<br />
Gelände streifen kann und sich nicht mit<br />
schwerer Ausrüstung herumplagen muss.<br />
Hier trennt sich die Spreu vom Weizen<br />
Auf besondere Ereignisse reagieren zu können<br />
oder mit starken Kontrastunterschieden<br />
klarzukommen, wird allerdings schwierig<br />
sein. Gerade die Weitwinkelbereiche vom<br />
Kompaktkameras sind unzureichend, wenn<br />
Aschewolke am Vulkan<br />
Bromo in Ostjava,<br />
durch den sehr nahen<br />
Standort konnte die<br />
schnelle Bewegung<br />
mithilfe eines Weitwinkels<br />
eingefroren<br />
werden.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 24 mm<br />
Belichtung 2 s<br />
Blende<br />
f/1,4<br />
ISO 1600<br />
215
Dem Auswurfmaterial<br />
folgende Kondensationsspuren<br />
am Eyjafjallajökull<br />
in Island.<br />
Der blaue Himmel<br />
bietet einen kontrastreichen<br />
Hintergrund.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 116 mm<br />
Belichtung 1/640 s<br />
Blende<br />
f/5,6<br />
ISO 100<br />
sich überraschenderweise eine Aschewolke<br />
hoch in den Himmel erhebt. Die unbefriedigende<br />
Auslöseverzögerung macht es<br />
schwierig, genau den richtigen Moment<br />
einzufangen. Auch die sehr bescheidene<br />
Serienbildfunktion erlaubt nicht wirklich<br />
eine hohe Trefferquote beim Erfassen eines<br />
Eruptionsablaufs. Finden sich starke<br />
Lichtkontraste, geraten große Bildbereiche<br />
schnell in die Sättigung, die oft nicht abschaltbare<br />
Aufnahmeautomatik versagt in<br />
diesem Spezialgebiet manchmal völlig. Der<br />
Autofokus ist mit einer konturarmen Aschewolke<br />
völlig überfordert, und der manuelle<br />
Fokussiermodus reicht selten für eine wirklich<br />
pixelscharfe Einstellung.<br />
Kontrastunterschiede deutlich machen<br />
Oftmals kann man bei pulsartigen und in<br />
Abständen wiederkehrenden Eruptionen<br />
Druckwellen sehen, hören und fühlen. Gerade<br />
bei wolkigem und feuchtem Wetter<br />
zeigen sich diese durch spontane Kondensation<br />
an der Verdichtungswelle besonders<br />
deutlich. Sie entstehen, wenn der Schlot<br />
sich kurzfristig verstopft und der nachschiebende<br />
Druck ihn plötzlich freibricht. Leider<br />
ist dieses Phänomen der Videoaufzeichnung<br />
vorbehalten. Selbst ein Einzelbild einer<br />
Bildserie zeigt den Effekt nur marginal. Der<br />
visuelle Eindruck ist im Wesentlichen von<br />
der Differenz von Bild zu Bild abhängig, was<br />
nur ein ablaufender Film schafft.<br />
Anders bei Gasschleppen und Kondensationsstreifen:<br />
Die voranfliegenden Lavabrocken<br />
sind klar zu sehen, und die Fahnen<br />
halten sich eine geraume Zeit. Wichtig ist<br />
ein guter Kontrast zum Hintergrund, also<br />
ein blauer Himmel oder ein dunkler Kraterboden.<br />
Gegen eine Dampfwolke hat so ein<br />
Streifen keine Chance. Alle diese Phänomene<br />
sind mit derzeitiger Technik nachts<br />
noch nicht abbildbar.<br />
216
KAPITEL 4<br />
TANZ AUF<br />
DEM VULKAN<br />
MONDLICHT<br />
Plant man Nachtaufnahmen, ist das<br />
Mondlicht unabdingbar. Ideal ist der<br />
Vollmond, aber auch zwischen Halbund<br />
Vollmond lässt sich ausreichend<br />
Detailzeichnung in der Umgebung<br />
festhalten. Zur Not muss es die blaue<br />
Stunde tun, nur leider ist diese z. B.<br />
am Äquator sehr kurz. Ohne jedes<br />
aufhellende Licht kann man keine Details<br />
in bewegten Szenen einfrieren,<br />
die Lava steht steril ohne jede weitere<br />
Struktur im Bild. Sie wirkt unecht, es<br />
fehlt jeder Maßstab.<br />
Extrem heiße Glutlawinen bei Nacht<br />
Vor allem wenn man auch an der Nachtfotografie<br />
Interesse hat, geht es nur mit einer<br />
digitalen Spiegelreflexkamera oder auch<br />
einer spiegellosen Systemkamera ohne Reflexsucher,<br />
die in der Bildgüte und Leistung<br />
den DSLR-Kameras in nichts nachsteht.<br />
Dennoch wird schnell klar, dass auch ein<br />
noch so perfekter Digitalsucher nachts völlig<br />
überfordert ist. Die Bildgestaltung in der<br />
Nacht gerät damit zum reinen Glücksspiel.<br />
Will man zum Beispiel die Strukturen einer<br />
Aschewolke erhalten oder die Dynamik einer<br />
Eruption festhalten, benötigt man kurze<br />
Belichtungszeiten.<br />
Ein Extrembeispiel sind Glutlawinen bei<br />
Nacht. Will man die glühende Front überhaupt<br />
noch mit Struktur abbilden, muss<br />
man an die Grenze des technisch Möglichen<br />
gehen. Anders als am Tag ist es hier<br />
möglich, die vordere wirbelnde und alles<br />
Dem Auswurfmaterial<br />
folgende Kondensationsspuren<br />
am Eyjafjallajökull<br />
in Island, diesmal mit<br />
dunklem Hintergrund.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 200 mm<br />
Belichtung 1/100 s<br />
Blende<br />
f/5,0<br />
ISO 100<br />
217
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 50 mm<br />
Belichtung 1 s<br />
Blende<br />
f/1,4<br />
ISO 1600<br />
Vulkandom Soufriere Hills auf der Karibikinsel Montserrat. Pyroklastischer Strom während einer<br />
Vollmondnacht.<br />
218
KAPITEL 4<br />
TANZ AUF<br />
DEM VULKAN<br />
vernichtende Front glühen zu sehen. Ebenso<br />
bildet der besonders feine Staub, der<br />
sich danach am Boden absetzt, einen tiefroten<br />
Fußabdruck. Dieser ist nach Abzug<br />
der Wolke noch minutenlang zu sehen und<br />
schafft eine besondere Stimmung. Aufgrund<br />
der hohen Geschwindigkeit solcher<br />
Glutlawinen, der relativ schwachen Glutintensität<br />
und der geringen Nachthelligkeit ist<br />
es besonders schwierig, dieses Phänomen<br />
abzubilden. Dementsprechend selten findet<br />
man daher solche Bilder.<br />
Will man hier Erfolg haben, muss man an<br />
die Grenzen des Machbaren gehen, also<br />
höchste Lichtstärke, höchste vertretbare<br />
ISO-Empfindlichkeit, Vollformatkamera und<br />
Vollmond bei klarem Wetter. Belichtungszeiten<br />
sollten keinesfalls länger als 1 Sekunde<br />
sein, sonst verschwimmt jede Kontur. Es<br />
bietet sich an, eine Bildserie anzufertigen.<br />
Erstens kann man dann später die beste<br />
Phase auswählen, und zweitens ist die Erstellung<br />
eines Zeitrafferfilms möglich.<br />
Das bedeutet, einen möglichst rauscharmen<br />
Kamerasensor zu verwenden. Hier gilt<br />
die Regel: Je größer der Sensor und auch je<br />
größer die einzelnen Pixel, desto weniger<br />
rauscht es. Damit wird klar, dass nur ein<br />
sogenannter Vollformatsensor (entspricht<br />
Kleinbildfilmgröße) diesen Wunsch erfüllen<br />
kann. Egal wie professionell eine Kamera<br />
mit APS-Sensor (Cropfaktor 1,5 bis 2) auch<br />
ist, sie reicht in puncto Rauschen und damit<br />
High-ISO-Bildqualität niemals an einen<br />
Vollformatsensor heran. Wenn man sich<br />
bei den aktuellen Kameramodellen einliest,<br />
stellt man fest, dass praktisch alle APS-<br />
Kameras ein vergleichbares Rauschniveau<br />
haben. Es variiert höchstens um eine drittel<br />
bis eine halbe Blendenstufe. Der Vollformatsensor<br />
bringt hier einen Vorteil von bis zu<br />
mehr als zwei Blendenstufen. Das bedeutet<br />
219
ZWEITKAMERA<br />
MIT ALTERNATIVER<br />
BESTÜCKUNG<br />
Übrigens kann sich vor allem an Vulkanen<br />
mit sporadischer, phasenweiser<br />
Aktivität eine Zweitkamera mit<br />
anderer Bestückung sehr bewähren.<br />
Denn wenn man stundenlang auf die<br />
vielleicht einzige Eruption der Nacht<br />
wartet und dann feststellt, gerade die<br />
falsche Brennweite oder den falschen<br />
Bildausschnitt an der Kamera eingestellt<br />
zu haben, ist dies oft nicht korrigierbar<br />
und kann frustrieren. Zudem<br />
kann man damit parallel fotografieren<br />
und eventuell filmen.<br />
z. B. den Unterschied zwischen einer Belichtung<br />
von 1 und 6 Sekunden, bei einer schnellen<br />
Aschewolke ist dies der Unterschied<br />
zwischen scharf und unbrauchbar.<br />
Bei dieser Betrachtung wird natürlich nur<br />
das RAW-Format herangezogen, jegliche<br />
Rauschunterdrückung in der Kamera verfälscht<br />
das Bild. Gerade in der Vulkanfotografie<br />
bei Nacht sind oft die Sterne ein wichtiges<br />
Bildelement. Diese vertragen keinen<br />
Standard-Entrauschalgorithmus, weil er die<br />
Sterne als störendes Rauschen interpretiert<br />
und abschwächt. Dasselbe gilt für kleine,<br />
glühende Lapilis, also kleinste Lavabröckchen,<br />
die in der Nacht oft die Kraterkonturen<br />
betonen. Genau deshalb sollte man nicht auf<br />
das Entrauschen setzen, diese Algorithmen<br />
sind für gängige Motive wie Porträts oder<br />
Landschaften entwickelt worden. Es empfiehlt<br />
sich, das Entrauschen, wenn es denn<br />
wirklich nötig ist, gezielt und vor allem reversibel<br />
später am PC durchzuführen.<br />
Nun könnte man sagen, dass für eine weitere<br />
Optimierung noch größere Sensoren<br />
sinnvoll wären. Das stimmt zwar physikalisch<br />
gesehen, aber in der Praxis sind die<br />
Sensoren der digitalen Mittelformatkameras<br />
nicht auf High-ISO optimiert, hier gelten<br />
andere Kriterien.<br />
Einen gewaltigen Vorteil würden Spezialkameras<br />
bringen, wie sie in der Astronomie<br />
eingesetzt werden. Mit entsprechender<br />
Kühlung und hochoptimierten Sensoren<br />
bis zu mehrfacher Kleinbildgröße könnte<br />
man nochmals mehrere Blendenstufen gewinnen.<br />
Allerdings besteht ein rein praktisches<br />
Problem. Vulkanfotografie bei Nacht<br />
ist fast immer eine Stresssituation, man<br />
hat nicht geschlafen, es sind Sicherheitsaspekte<br />
zu beachten, und man befindet sich<br />
in sehr kamerafeindlicher Umgebung. Wer<br />
unter diesen Bedingungen eine kompliziert<br />
zu bedienende Spezialkamera mit zahlreichen<br />
Kabeln, Stromversorgung und Steuer-<br />
PC beherrschen will, wird schnell verzweifeln<br />
oder vielleicht das schwere Equipment<br />
erst gar nicht zum Vulkan schleppen können.<br />
Deshalb dürfte derzeit noch eine speziell<br />
gewählte DSLR die beste Wahl sein.<br />
Unverhofft kommt oft: das richtige Stativ<br />
Ein besonders heikles Thema, denn je stabiler<br />
und schwerer, desto besser, aber ein<br />
schweres Stativ belastet im Gelände ungemein<br />
und verhindert unter Umständen<br />
eine erfolgreiche Annäherung. Andererseits<br />
kann ein leichtes Stativ den Erfolg vereiteln,<br />
wie der Autor mehrfach leidvoll erfahren<br />
musste.<br />
Fazit: Eine gewisse Stabilität ist für ein erfolgreiches<br />
Arbeiten unverzichtbar. Dies<br />
betrifft die Live-View-Fokussierung, die am<br />
220
KAPITEL 4<br />
TANZ AUF<br />
DEM VULKAN<br />
zittrigen Stativ ebenso wie durch den oftmals<br />
vorhandenen Wind misslingt. Auch<br />
der Spiegelschlag der Kamera kann schon<br />
bei Brennweiten unter 200 mm erheblich<br />
stören. Die praktische Spiegelvorauslösung<br />
ist gerade bei strombolianischen Eruptionen<br />
nicht anwendbar, weil man damit den<br />
perfekten Zeitpunkt garantiert verpasst.<br />
Also bleibt nur eine kompromisslose Optimierung<br />
des Stativs. Der Autor verzichtet<br />
auf jegliche Bequemlichkeit, die das Gewicht<br />
mit sich bringt, und wählt einen nicht<br />
ausziehbaren Unterbau aus Carbon in Verbindung<br />
mit einem vollflächigen Kugelkopf<br />
ohne Schwenkneiger. Dabei ist das Ziel, die<br />
2 kg keinesfalls zu überschreiten und dennoch<br />
maximale Stabilität zu haben. Kommt<br />
man aufgrund des Standorts und der Eruptionsform<br />
ohne Teleobjektiv aus, reicht<br />
auch ein Ministativ. Jedoch gilt die Regel:<br />
Unverhofft kommt oft.<br />
Betauung, Korrosion und Abnutzung<br />
In den Tropen und vor allem in Meeresnähe<br />
kommt es bei nächtlicher Abkühlung<br />
und Ausrichtung des Objektivs in Richtung<br />
Himmel gern zur Betauung der Optik. Dieses<br />
Problem ist aus der Astrofotografie<br />
leidlich bekannt und dort durch eine Taukappe<br />
samt Heizung zuverlässig gelöst.<br />
Leider verbessern die Sonnenblenden der<br />
Objektive die Situation nur leicht, aber bei<br />
Weitem nicht so effektiv wie eine ausgeprägte<br />
Taukappe. Auch hat man normalerweise<br />
nicht genügend Akkus am Vulkan,<br />
um die Frontlinsen einfach freizuheizen.<br />
Nun hilft das Abwischen mit einem sauberen<br />
Tuch kaum, denn wenn das Objektiv<br />
erst einmal auf die Umgebungstemperatur<br />
abgekühlt ist, bildet sich umgehend wieder<br />
Tau. Zudem besteht die erhebliche Gefahr,<br />
durch angeflogene Ascheteilchen bleibende<br />
Kratzer in die Linse zu reiben. Am effektivsten<br />
ist eine selbst gebaute Taukappe mit<br />
mindestens drei- bis vierfachem Objektivdurchmesser,<br />
aber dies funktioniert wegen<br />
des Bildfelds nur bei Teleobjektiven. Häufig<br />
bleibt nur ein einfacher Objektivwechsel<br />
und das Aufwärmen der Optik am Körper.<br />
Unglücklicherweise verliert man damit den<br />
mühsam eingestellten Fokus.<br />
Wenn irgend möglich, hilft ein weiter im<br />
Festland oder in größerer Höhe gelegener,<br />
trockenerer Standort. Übrigens auch eine<br />
größere Nähe zur Eruption, denn die Infrarotstrahlung<br />
der Lava verhindert effektiv<br />
Objektivbetauung. Dummerweise ist das<br />
hinsichtlich der eigenen Sicherheit nicht<br />
immer möglich.<br />
Je nach Ausbruchform und Standort kann<br />
die Kamera sehr stark unter aggressiven<br />
Gasen und Vulkanasche leiden. Hier hilft ein<br />
Schutzbeutel oder Gehäuse, auch wenn sich<br />
das Kamerahandling dadurch erschwert. Bei<br />
direkter Gaseinwirkung, vor allem in Kombination<br />
mit Feuchte und sich daraus bildenden<br />
Säuretröpfchen, kann schon nach kurzer<br />
Einwirkdauer die Vergütung der Objektive<br />
dauerhaft beschädigt werden. Interessanterweise<br />
kann das auch in Geothermalgebieten<br />
durch Geysire geschehen, wie der Autor<br />
ebenfalls leidvoll erfahren musste. Hier hilft<br />
nur ein Frontfilter, der sich aber leider in<br />
manchen Aufnahmesituationen negativ auswirkt,<br />
siehe weiter oben.<br />
Ascheeruptionswolke vor Sternenhimmel<br />
Natürlich sind hier die Formen gleich der<br />
einer normalen Aschewolke – der große<br />
und sehr lohnende Unterschied liegt aber<br />
im Sternenhimmelhintergrund und in der<br />
wesentlich intensiveren Rotwiedergabe der<br />
mit ausgeworfenen Lava. Geht man den<br />
Weg einer längeren Belichtung, gelingt es<br />
zwar, perfekte Flugparabeln der Lavabrocken<br />
abzubilden, aber der Rest des Bilds<br />
221
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 50 mm<br />
Belichtung 2,5 s<br />
Blende<br />
f/1,4<br />
ISO 200<br />
Oben: Vulkan Sakurajima<br />
in Südjapan, alle<br />
ein bis sieben Stunden<br />
findet eine heftige<br />
Eruption statt, die eine<br />
mehrere Kilometer hohe<br />
Aschewolke produziert.<br />
Bei diesem Bild musste<br />
die Zweitkamera samt<br />
Panoramatechnik<br />
herhalten, während die<br />
Hauptkamera für das<br />
Tele reserviert war.<br />
Rechts: Von der Lava<br />
im Krater beleuchtete<br />
Aschewolke am Vulkan<br />
Krakatau in Indonesien,<br />
22.5.2008.<br />
leidet stark. So ziehen sich die Sterne zu<br />
kurzen Strichen aus, was einen sehr unharmonischen<br />
und minderwertigen Eindruck<br />
erzeugt. Die Aschewolke verschmiert zu<br />
einem konturlosen, halb durchsichtigen<br />
Matsch ohne Ästhetik, und eventuelle<br />
Ereignisse wie Überschlagsblitze stehen<br />
zusammenhanglos im diffusen Raum – abgesehen<br />
von sehr starken Ausbrüchen mit<br />
Mehrfachblitzen.<br />
Wenn sich aber der Mond nahe der Vollmondphase<br />
befindet, gelingt es, das Geschehen<br />
quasi einzufrieren, selbst noch bei<br />
bewölktem Himmel. Hierfür eignen sich<br />
Brennweiten vom Weitwinkel bis zum leichten<br />
Tele, die Relativbewegung der Wolke<br />
im Bild ist noch beherrschbar. Je nach Geschwindigkeit<br />
und Nähe gelingt es, mit 1 bis<br />
6 Sekunden die dominierenden Konturen<br />
zu erhalten. Natürlich wird damit die Wolke<br />
nicht genauso scharf wie am Tag, aber<br />
dennoch reicht es völlig für einen realistischen<br />
Eindruck. Muss man wegen größerer<br />
Distanz zum 200-mm-Tele greifen, bleiben<br />
einem fast nur die aufwendigen Sonderkonstruktionen<br />
– Blende f/1,8 oder f/2. Selbst<br />
mit einer Öffnung von f/2,8 gelingt es kaum<br />
mehr, die Wolke vor dem Verschmieren zu<br />
retten. Pflicht ist hier möglichst perfekte<br />
Scharfstellung, weil die voll geöffneten Objektive<br />
bei Blende 1 bis 2 enorm fokuskritisch<br />
sind.<br />
222
KAPITEL 4<br />
TANZ AUF<br />
DEM VULKAN<br />
Wieder ist die Vollformatkamera klar im Vorteil,<br />
denn ein Blendenvorteil von 1 bis 2 bei<br />
High-ISO und die durch die Bewegung vorgegebene<br />
Maximalbelichtungszeit bringen den<br />
wesentlichen Unterschied beim Rauschen.<br />
Bei kleineren Aschewolken steht weniger die<br />
Wolkenform im Vordergrund, sondern die<br />
Farbkomposition mit Mondlicht, Himmelshintergrund<br />
und Lavabeleuchtung.<br />
Zoomobjektive oder lichtstarke<br />
Festbrennweiten?<br />
Tagsüber und bei nächtlichen Langzeitbelichtungen<br />
genügen ein oder zwei normal geöffnete<br />
Zoomobjektive, vielleicht zusammen<br />
mit einem Extremweitwinkel oder Fisheye<br />
völlig, je nach Anspruch an die Bildqualität in<br />
entsprechend hochwertiger Ausführung.<br />
RICHTIGER ZEITPUNKT FÜR DIE AUSLÖSUNG<br />
Je nach Eruptionsform gibt es oft ein sehr kleines Zeitfenster für den<br />
optimalen Auslösezeitpunkt. Belichtet man erst zu Beginn der Eruption,<br />
verschleiert sich das Bild durch das austretende Material in Kürze, und<br />
der entstehende Schatten dunkelt die eigentlich wichtige Umgebung ab.<br />
Das Bild wirkt dann vernebelt, schlecht durchzeichnet und kontrastarm.<br />
Belichtet man pausenlos Serien, um vor dem Ausbruch eine optimale<br />
Vorbelichtung der klaren und durchzeichneten Landschaft zu haben,<br />
erwärmt sich der Sensor übermäßig und verschlechtert die Bildqualität.<br />
Legt man dagegen Bilder mit weitem zeitlichen Abstand übereinander, ist<br />
das Kunst und hat mit realitätsnaher Fotografie nichts mehr zu tun.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 50 mm<br />
Belichtung 4 s<br />
Blende<br />
f/1,4<br />
ISO 400<br />
223
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 135 mm<br />
Belichtung 1/400 s<br />
Blende<br />
f/2,5<br />
ISO 100<br />
Die höhere Flexibilität ist der große Vorteil,<br />
es empfiehlt sich im Interesse der Abbildungsgüte,<br />
kein Zoomobjektiv mit einem<br />
Zoomfaktor größer 4x zu verwenden. Der<br />
unglückliche Trend zu Superzooms arbeitet<br />
völlig gegen die immer höhere Pixeldichte<br />
der neuen Kameras. Hier ist Enttäuschung<br />
vorprogrammiert, die Physik lässt sich nicht<br />
austricksen.<br />
Für das Vollformat wäre die ideale Kombination<br />
24-75 mm und 70-200 mm. Legt<br />
man den Schwerpunkt auf Festbrennweiten,<br />
ist es im Interesse des Gesamtgewichts<br />
sinnvoll, sich auf Lichtstärken von 4,0 bis<br />
5,6 zu beschränken. Ist man bereit, bei der<br />
Nachtfotografie Kompromisse einzugehen,<br />
kann man versuchen, alle Festbrennweiten<br />
wegzulassen und dafür zwei gute Zoomobjektive<br />
mit Offenblende f/2,8 zu verwenden.<br />
Damit ist man natürlich besonders<br />
beweglich. Dazu noch ein Fisheye oder ein<br />
leichtes Weitwinkelzoom mit einem Telekonverter<br />
für Notfälle, und fertig ist die Allroundausrüstung.<br />
Gerade mit einer Vollformatkamera<br />
ist diese Objektivausstattung<br />
oft ausreichend, weil der Sensor unter nicht<br />
zu dunklen Bedingungen meist schon bei<br />
Blende f/2,8 rauscharm genug arbeitet.<br />
Leider wiegen aber 2,8er-Zooms erheblich<br />
mehr als 4-5,6er, für das Differenzgewicht<br />
kann man genauso gut einige Festbrennweiten<br />
mitnehmen, was dann aber nochmals<br />
erheblichen Lichtgewinn bringt – 24 mm,<br />
f/1,4 und 50 mm, f/1,4 – das war für den<br />
Autor bisher die beste Lösung.<br />
Plant man, die Geschehnisse bei Nacht mit<br />
kurzen Belichtungszeiten quasi einzufrieren,<br />
kommt man um besonders lichtstarke<br />
Festbrennweiten nicht herum. Im Gegensatz<br />
zu der nun bereits häufiger gehörten<br />
224
KAPITEL 4<br />
TANZ AUF<br />
DEM VULKAN<br />
Aussage, dass aufgrund der immer besser<br />
werdenden Bildsensoren für alle Anwendungen<br />
auch ein lichtschwaches Zoom<br />
ausreicht, gilt gerade bei der Vulkanfotografie,<br />
dass jedes Photon zählt. Und damit<br />
eben auch die deutlich größere eingefangene<br />
Lichtmenge mit Festbrennweiten. Es<br />
ist sogar der Fall, dass eine Festbrennweite<br />
mit dem gleichen geometrischen Öffnungsverhältnis<br />
wie ein vergleichbares Zoom<br />
meistens mehr Lichtdurchlass bietet. Dies<br />
beruht unter anderem auch auf der Anzahl<br />
der nötigen Linsenelemente. Mehr Linsen<br />
bedeuten immer noch weniger Lichtdurchlass<br />
trotz gleicher Öffnung. Es gibt sehr erfahrene<br />
Vulkanfotografen, die aus Prinzip<br />
nur mit Festbrennweiten arbeiten.<br />
Rauchring im Strombolikrater.<br />
Rauchringe mit einem Teleobjektiv<br />
einfangen<br />
Besteht das richtige Verhältnis und die Symmetrie<br />
über einem aktiven vulkanischen<br />
Schlot mit Gasaustritt, kann manchmal die<br />
Bildung von Rauchringen unterschiedlicher<br />
Größe beobachtet werden. Diese sind problemlos<br />
mit einem Teleobjektiv erfassbar,<br />
denn sie sind erstaunlich stabil und können<br />
sich minutenlang halten. Herrscht kaum<br />
Wind, gelingt es sogar, diese in Vollmondnächten<br />
am Nachthimmel abzubilden. Einziges<br />
Problem ist die schwere Vorhersagbarkeit.<br />
Es kann ein einziger Ring am Tag<br />
entstehen, dann kommt es darauf an, eine<br />
solche Gelegenheit zu nutzen. Bei kleinen<br />
Eruptionen, bei denen sich der Fotograf gut<br />
annähern kann, hilft es, auf pulsartige Gasfreisetzungen<br />
zu achten und den entsprechenden<br />
Schlot im Auge zu behalten.<br />
225
Gute Fokussierung macht<br />
den Unterschied<br />
Eines der wichtigsten Themen, denn eine gut<br />
fokussierte Aufnahme macht den wesentlichen<br />
Unterschied, vor allem bei schwer vorherbestimmbaren<br />
Bildausschnitten von nur<br />
in großen Abständen erfolgenden Eruptionen.<br />
Das nachträgliche Beschneiden des<br />
Bilds kann für eine gute Bildgestaltung nötig<br />
werden. Ein nicht optimal scharfes Bild lässt<br />
sich kaum croppen.<br />
Dieses Thema wird in der normalen Fotografie<br />
gern vernachlässigt, da heutige Autofokussysteme<br />
mit den Standardbedingungen<br />
meistens hervorragend klarkommen.<br />
Auch in der Vulkanfotografie am Tag kann<br />
man sich in den meisten Fällen darauf verlassen.<br />
Einzig bei schnell aufsteigenden<br />
Aschewolken oder plötzlich und überraschend<br />
startenden Ausbrüchen ist es sinnvoll,<br />
auf die erwartete Distanz vorab scharf<br />
zu stellen. Denn geht in der Hektik des<br />
losbrechenden Ausbruchs der Autofokus<br />
daneben, ist die Gelegenheit des perfekten<br />
Moments eventuell vertan. Anders als z. B.<br />
in der Tierfotografie hat man oft keine zweite<br />
Chance. Aber Vorsicht, viele Zoomobjektive<br />
haben keinen gleichbleibenden Fokus<br />
über den gesamten Brennweitenbereich.<br />
Bei Nachtaufnahmen gestaltet sich die Fokussierung<br />
besonders schwierig. Gerade<br />
hochgeöffnete Objektive sind in der Scharfstellung<br />
extrem kritisch. Zudem kommt<br />
der oben diskutierte problematische Farblängsfehler<br />
hinzu. Hier gilt es, genau auf die<br />
Lavabrocken scharf zu stellen bzw. einen<br />
optimalen Schärfekompromiss zwischen<br />
normalfarbigem Krater und rotfehlerbehafteter<br />
Lava zu finden. Gerade strombolianische<br />
Eruptionen mit ihren schnell abkühlenden<br />
Auswurfschlacken geben wenig<br />
Gelegenheit, auf die Lava scharf zu stellen.<br />
ABBILDUNGSFEHLER<br />
IN DEN BILDECKEN<br />
Insbesondere bei Weitwinkel- und<br />
Normalobjektiven können in den Bildecken<br />
Abbildungsfehler in Form von<br />
Koma und Astigmatismus entstehen.<br />
Es zeigen sich hässliche Striche und<br />
Bögen um helle Lichtquellen wie Sterne,<br />
Lava und Lampen. Um diese Fehler zu<br />
minimieren, hilft nur abblenden. Und<br />
genau das können wir nachts am Vulkan<br />
bei schnellen Bewegungen nicht. Einzige<br />
Möglichkeit ist dann die Vermeidung<br />
heller, punktförmiger Lichtquellen<br />
in den Bildecken. Sterne sind noch<br />
beherrschbar, da die wenigen genügend<br />
hellen gut retuschiert werden können.<br />
Aber spätestens bei den Lichtern einer<br />
Stadt in der Ferne ist Schluss, hier wird<br />
man scheitern. Bei Teleobjektiven ist<br />
dieser Fehler leichter korrigierbar und<br />
daher oft nicht spürbar.<br />
FILTER: JA ODER NEIN?<br />
Obwohl Filter generell als Schutz zu<br />
empfehlen sind, muss man sich dennoch<br />
klar sein, dass gerade die Vulkanfotografie<br />
mit ihren oft hohen Kontrasten<br />
in der Nacht sehr anfällig für störende<br />
Reflexe ist. Ein Frontfilter zeichnet z. B.<br />
bei einem Blitz in einer Aschewolke oder<br />
auch bei einer lokal übersättigten Lavabombe<br />
einen hässlichen und oft kaum<br />
retuschier baren Reflex. Der Autor ist sich<br />
darüber im Klaren und verzichtet daher<br />
bewusst auf solche Filter, er befindet sich<br />
damit in guter Gesellschaft von anderen<br />
Vulkan fotografen. Denn in der Hektik hat<br />
man oft nicht die Muße, den Filter abzuschrauben.<br />
Der Preis dafür ist erhöhter<br />
Objektivverschleiß, aber auch die größere<br />
Chance auf das perfekte Bild.<br />
226
KAPITEL 4<br />
TANZ AUF<br />
DEM VULKAN<br />
Der Autofokus kann eine Hilfestellung sein,<br />
richtig verlässlich ist er unter diesen Bedingungen<br />
definitiv nicht.<br />
Auch der von alten Objektiven bekannte<br />
Unendlich-Anschlag reicht in seiner Genauigkeit<br />
nicht für heutige Bildsensorauflösungen.<br />
Man braucht also nicht zu bedauern,<br />
dass er bei heutigen Autofokusobjektiven<br />
fehlt. Eher schon die generell instabilere<br />
Bauweise, diese ist der Preis, den der Trend<br />
zur höchstmöglichen Autofokusgeschwindigkeit<br />
mit sich bringt.<br />
In Anbetracht des in dieser Situation unzuverlässigen<br />
Autofokus hilft der Live-View,<br />
den praktisch alle neueren DSLRs mitbringen,<br />
ungemein. Hier kann intuitiv mit maximaler<br />
Vergrößerung auf z. B. glühende Lavabrocken<br />
fokussiert und somit schnell ein<br />
sehr gutes Fokusergebnis erzielt werden.<br />
Generell kann man sagen, dass bei Objektivbrennweiten<br />
vom Fisheye bis zu etwa<br />
35 mm oft eine Unendlich-Fokussierung an<br />
Sternen oder weit entfernten Straßenlampen<br />
gute Ergebnisse bringt.<br />
Bei Brennweiten darüber, insbesondere bei<br />
Nicht-APO-Objektiven, kommt man kaum<br />
umhin, direkt auf die Lava zu fokussieren.<br />
Sind die Objektive stark farblängsfehleranfällig,<br />
gilt es, den für das jeweilige Objektiv<br />
besten Kompromiss einzustellen – also z. B.<br />
genau auf die Lava zu fokussieren und danach<br />
ein klein wenig auf den normalfarbigen<br />
Fokus nachzustellen.<br />
Entscheidend ist auch, die Fokusverschiebung<br />
durch Temperaturänderung nicht zu<br />
vergessen!<br />
Gerade bei beginnender Nacht herrscht oft<br />
ein starkes Temperaturgefälle, und auch<br />
beim ersten Aufsetzen des noch tagwarmen<br />
Objektivs auf das Stativ. Gerade bei<br />
APO-Teleobjektiven kann der Fokusdrift<br />
erheblich sein. Hier ist ein oftmaliges Nachfokussieren<br />
unabdingbar.<br />
Es muss klar sein, dass solche Objektive<br />
nicht für lang anhaltenden stabilen Fokus<br />
gebaut wurden, weil das deren normale<br />
Anwendung nicht erfordert.<br />
Weitwinkelobjektive dagegen bleiben aufgrund<br />
ihrer kurzen Brennweite davon verschont,<br />
was deren Bedienung erheblich<br />
vereinfacht.<br />
Unvorhersehbare Blitzentladungen<br />
einfrieren<br />
Durch die zahlreichen fein verteilten und<br />
hoch beschleunigten Lavateilchen kommt<br />
es teilweise zu starker Ladungstrennung.<br />
Bei den richtigen Verhältnissen entstehen<br />
so mehr oder weniger starke Überschlagsblitze<br />
innerhalb der Wolke oder auch auf<br />
die Umgebung übergreifend. Für eine detaillierte<br />
Abbildung wären hier Teleobjektive<br />
sinnvoll. Leider ist der genaue Blitzort<br />
schwer abzuschätzen, die Gefahr eines<br />
falschen Bildausschnitts ist zu groß. Daher<br />
empfehlen sich hier eher Normalobjektive<br />
oder kurzbrennweitige Teles.<br />
Ein Problem besteht in der genauen Abschätzung<br />
des Blitzzeitpunkts. Natürlich<br />
könnte man den Kameraverschluss einfach<br />
sekundenlang offen lassen, aber damit verwischen<br />
alle anderen Strukturen. Folgt der<br />
Blitz einer strombolianischen Phase, darf<br />
man nicht zu früh auslösen, sonst zeichnen<br />
sich angeschnittene Glutparabeln über den<br />
Blitz – jedoch auch nicht zu spät, sonst findet<br />
sich weder das eine noch das andere<br />
auf dem Bild.<br />
Bei starken Eruptionen mit zahlreichen Blitzen<br />
wird es wieder einfacher, denn jeder Blitz<br />
friert ähnlich einem Kamerablitz seine nähere<br />
Umgebung ein. Selbst bei minutenlanger<br />
Belichtung erscheint die zugehörige Aschewolke<br />
zumindest zonal noch völlig scharf.<br />
227
Blitzentladung am<br />
Vulkan Sakurajima<br />
in Südjapan – festgehalten<br />
mit Normalobjektiv.<br />
Dazu ist Abblenden durchaus legitim, denn<br />
besonders helle Blitze überstrahlen schnell<br />
und bringen Bildteile in die Sättigung. Bei<br />
Tageslicht ist es fast völlig aussichtslos, die<br />
wenigen Millisekunden genau zu erwischen.<br />
Hier hilft zumindest für einfache Ansprüche<br />
der Ausschnitt eines Einzelbilds aus einer<br />
Zwei-Megapixel-HD-Videoszene.<br />
Traumobjektiv für nächtliche Vulkanfotografie<br />
Ein wichtiger Faktor beim Einfrieren nächtlicher<br />
Bewegung ist auch die Brennweite.<br />
Ein Foto mit Teleobjektiv wird wesentlich<br />
schneller „verwischen“ als ein Weitwinkelbild.<br />
Damit ist das Traumobjektiv für die<br />
nächtliche Vulkanfotografie ein möglichst<br />
starkes Weitwinkel mit maximaler Öffnung.<br />
RICHTIGER ZEITPUNKT<br />
FÜR DAS AUSLÖSEN<br />
Belichtet man gleich zu Anfang der<br />
Eruption, überstrahlt oft die austretende<br />
Lava den in einigen Sekunden<br />
nachfolgenden Blitz. Wartet man<br />
dagegen zu lange, verpasst man den<br />
Blitz. Macht man eine automatische<br />
Belichtungsreihe, kann man davon<br />
ausgehen, hässlich angeschnittene<br />
Lavaflug parabeln im Bild zu haben.<br />
Den richtigen Zeitpunkt zu finden<br />
ist eine Mischung aus Erfahrung und<br />
Glück.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 50 mm<br />
Belichtung 4 s<br />
Blende<br />
f/1,4<br />
ISO 100<br />
228
KAPITEL 4<br />
TANZ AUF<br />
DEM VULKAN<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 90 mm<br />
ISO 100<br />
Leider sind den bezahlbaren Konstruktionen<br />
schnell klare Grenzen gesetzt, so findet<br />
man Objektive mit maximaler Blende f/1,4<br />
nur bis herunter zu 24 mm.<br />
Ein schöner Nebeneffekt eines solchen<br />
Objektivs ist, dass der umgebende Sternenhimmel<br />
mit beeindruckender Sternendichte<br />
ohne jegliche Tendenz zu den<br />
unästhetischen, durch die Erddrehung verursachten<br />
Strichspuren abgebildet wird. Ein<br />
weniger schöner Nebeneffekt dieser Spezialoptiken<br />
ist die sinkende Abbildungsgüte<br />
und die stark steigende Vignettierung in den<br />
Bildecken. Damit muss man leben, denn<br />
ein Abblenden würde zwar die Bildqualität<br />
verbessern, aber das Motiv verwischen und<br />
damit die Bildidee ruinieren.<br />
Mein Objektivpark! – In der Praxis<br />
vielfach bewährt<br />
Nähe ist nicht durch Teleobjektive zu ersetzen.<br />
Das Bild gewinnt dadurch an Tiefe und<br />
Dramatik, zudem können Vordergrund und<br />
Hintergrund besser getrennt werden. Natürlich<br />
kann man sich einem Vulkan nur nähern,<br />
wenn die Aktivität nicht zu stark und<br />
das damit verbundene Risiko vertretbar ist.<br />
Auch das Gelände muss für eine Annäherung<br />
geeignet sein.<br />
Ferner erlaubt eine größere Nähe den<br />
schnellen Wechsel des Standorts für unterschiedliche<br />
Perspektiven. Daraus folgt, dass<br />
man je nach Vulkan allein schon aufgrund<br />
der Sicherheitsaspekte und eventueller<br />
Besteigungspläne einen Plan ausarbeiten<br />
Blitzentladung am<br />
Eyjafjallajökull in<br />
Island – festgehalten<br />
mit kurzbrennweitigem<br />
Tele.<br />
229
muss, aus dem die möglichen Kamerapositionen<br />
hervorgehen. Damit kann man dann<br />
die eventuell nötigen Brennweiten bestimmen<br />
und unnötiges Zubehör zu Hause lassen.<br />
Über die Jahre hat sich beim Autor in<br />
der Praxis folgendes Objektivspektrum besonders<br />
bewährt:<br />
• Fisheye: Für maximal gleichzeitig erfassbaren<br />
Winkel, oft wesentlich hilfreicher<br />
als gedacht. Man kann mit entsprechenden<br />
Programmen die entstehenden<br />
Bilder in eine Superwinkelprojektion<br />
umrechnen und eventuell das Superweitwinkel<br />
sparen. Dies ist durchaus<br />
ein Vorteil, denn Fisheyes sind konstruktionsbedingt<br />
kleiner, leichter und oft<br />
lichtstärker als extreme Weitwinkelobjektive.<br />
Auch die Sternabbildungen in<br />
den Ecken sind häufig denen mit extremen<br />
Weitwinkelobjektiven überlegen.<br />
Zudem kann bei vielen Motiven die flächentreue<br />
Abbildung eines Fisheyes<br />
wichtiger sein als die winkeltreue und damit<br />
stark flächenverzerrende Abbildung<br />
eines extremen Weitwinkelobjektivs.<br />
Für APS-Kameras empfiehlt sich 8-10 mm<br />
und für das Vollformat 14–16 mm, nur damit<br />
erhält man die vollen 180°. Die jeweils<br />
lichtstärksten Fischeyes sind am effektivsten,<br />
das bedeutet Blende 2,8.<br />
Gegenüber früher hat sich hier vieles<br />
getan, gerade die 10,5-mm-ED-Version<br />
kann voll überzeugen. Hier lohnt sich<br />
auch der Umbau auf Vollformat durch<br />
Abfräsen der Frontblende.<br />
• Möglichst lichtstarkes, kurzbrennweitiges<br />
Weitwinkel: Bestens bewährt sich ein<br />
24 mm, Blende 1,4, am besten von der<br />
gleichen Marke wie die Kamera, da z. B.<br />
ein scheinbar interessantes 20 mm/1,8<br />
vom Fremdhersteller nach Messungen<br />
nur eine reale Maximalblende von<br />
2,4 hatte. Inzwischen ist das 24-mm-<br />
Objektiv trotz einiger Schwächen bei<br />
Vignettierung und Eckabbildung das<br />
Lieblingsobjektiv des Autors für Nachtaufnahmen.<br />
Bei APS-Kameras hat man ein unlösbares<br />
Problem: Es gibt bisher keine wirklich<br />
lichtstarken Weitwinkelobjektive. Das<br />
obige 24er entspräche einem 16-mm<br />
f/1,4.<br />
• Lichtstarkes und vignettierungsarmes<br />
50-mm-Normalobjektiv: Ein solches<br />
ist normalerweise relativ günstig zu<br />
bekommen, es muss nicht unbedingt<br />
Blende 1,2 sein, eine maximale Blende<br />
von 1,4 ist leichter und günstiger und<br />
oft sogar besser in der Abbildungsleistung.<br />
Bei Vollformat eine ideale Brennweite,<br />
die dem natürlichen Sehfeld entspricht<br />
und erstaunlich oft einen guten<br />
Bildausschnitt ergibt.<br />
Für APS-Kameras empfiehlt sich ein<br />
28 mm, um den gleichen Ausschnitt zu<br />
erhalten, wenn möglich, auch 1,4, was<br />
aber bei einer guten Konstruktion schon<br />
empfindlich teuer werden kann. Wieder<br />
ein Grund für Vollformat.<br />
• Ein 90–135-mm-Tele um Blende 2,0: Gerade<br />
diese Brennweite ist sehr anfällig für<br />
Farblängsfehler. Es kann sinnvoll sein,<br />
einfach auf das ohnehin empfohlene<br />
lichtschwache Universaltelezoom auszuweichen.<br />
Auf alle Fälle ist von hochlichtstarken<br />
Konstruktionen ohne apochromatische<br />
Eigenschaften dringend<br />
abzuraten.<br />
Der Autor verwendet mit Vorliebe ein<br />
Leica 90 mm 2,0 APO, das immer wieder<br />
durch seine herausragende Abbildung<br />
gerade am Vulkan begeistert.<br />
230
KAPITEL 4<br />
TANZ AUF<br />
DEM VULKAN<br />
• Lichtstarkes 200-mm-Teleobjektiv: Die<br />
ideale Telebrennweite erweist sich<br />
überraschend oft als genau passend,<br />
um auch noch genügend Umfeld zu<br />
erfassen. Wichtig ist eine Version mit<br />
Korrektur des Farblängsfehlers, ab dieser<br />
Brennweite ist sie schon recht gut<br />
erhältlich. Eine Version mit 2,8-Öffnung<br />
bleibt kompakt und überschaubar, jedoch<br />
ist das legendäre Canon 200 mm<br />
f/1,8 mit für diesen extremen Linsensatz<br />
ausgezeichneter Unterdrückung<br />
des Farblängsfehlers unschlagbar. Leider<br />
ist es schwer erhältlich und belastet<br />
die Ausrüstung hinsichtlich Gewicht<br />
und Volumen.<br />
Neuerdings gibt es auch 70–200-mm-<br />
2,8-Zooms mit hervorragender Korrektur,<br />
damit kann man dann auf die 2,8er-<br />
Festbrennweite verzichten.<br />
• 400-mm-Teleobjektiv: Für fast alle Fälle<br />
ist dies die maximal sinnvoll beherrschbare<br />
Brennweite und für Details mit ungewöhnlichem<br />
Bildausschnitt durchaus<br />
von Nutzen – vor allem auch bei nicht<br />
möglicher weiterer Annäherung durch<br />
schweres Gelände oder drohende Gefahr.<br />
Zwar wäre gerade hier eine hohe<br />
Lichtstärke von Vorteil, aber der Transport<br />
zur Beobachtungsstelle ist dafür<br />
oft zu belastend. Die Praxis zeigt, dass<br />
mehr Beweglichkeit im Gelände wichtiger<br />
ist. Deshalb empfiehlt sich die Beschränkung<br />
auf Blende 5,6.<br />
Um Gewicht zu sparen, kann es bei<br />
einem sehr gut korrigierten 200-mm-<br />
Objektiv sinnvoll sein, einen 1,4x-Telekonverter<br />
zu verwenden und das<br />
400-mm-Objektiv zu Hause zu lassen.<br />
Ein Problem, das nicht verschwiegen<br />
werden soll<br />
Leider gibt es gerade in der Vulkanfotografie<br />
ein unschönes Problem, das in der normalen<br />
Fotografie praktisch nicht auftaucht:<br />
die Empfindlichkeit der Lavafotos für den<br />
Farblängsfehler. Während der Farbquerfehler<br />
inzwischen per Software schon in<br />
jedem RAW-Konverter wunderbar behebbar<br />
ist – es werden die einzelnen Farbkanäle<br />
individuell skaliert –, funktioniert das beim<br />
Längsfehler nicht.<br />
Beim Farblängsfehler hat jede Farbe eine<br />
unterschiedliche Brennweite, vielleicht ist<br />
Ihnen dies schon einmal an scharfen Kanten<br />
bei hohen Kontrasten aufgefallen. Es<br />
entstehen dabei rote oder grüne Farbsäume<br />
gerade auch in der so wichtigen Bildmitte.<br />
Bei gering geöffneten oder abgeblendeten<br />
Objektiven stört dieser Fehler weniger, da er<br />
quadratisch mit der genutzten Frontöffnung<br />
zunimmt. Daher sind Teleobjektive davon<br />
besonders betroffen. Interessanterweise<br />
ist gerade das ein Grund dafür, dass er bei<br />
qualitativ hochwertigen Telekonstruktionen<br />
inzwischen ausgezeichnet korrigiert ist.<br />
Denn eine lange Brennweite hat zwingend<br />
eine große Frontlinse und ist daher für diesen<br />
Fehler auch bei normaler Anwendung<br />
extrem anfällig, er kann nicht mehr ignoriert<br />
werden. Hierfür finden sogenannte<br />
apochromatische Konstruktionen (APOs)<br />
Anwendung. Durch den höheren Aufwand<br />
erhöht sich natürlich der Kaufpreis, aber das<br />
ist in diesem Fall mehr als lohnend.<br />
Bei normaler Anwendung, also in nahezu<br />
sämtlichen anderen Bereichen der Fotografie<br />
wie Porträts, Architektur oder Landschaft,<br />
existiert nur ein relativ geringer Farbunterschied/Farbkontrast<br />
zwischen eng benachbarten<br />
Strukturen. Daher ist es bei geringeren<br />
Brennweiten, etwa unter 200 mm,<br />
231
unüblich, diesen Fehler mit teuren und dem<br />
normalen Fotografen schwer vermittelbaren<br />
APO-Konstruktionen zu beheben.<br />
Aber am Vulkan sieht die Sache im wahrsten<br />
Sinn des Wortes extrem aus. Denn die<br />
tiefrote Lava, sich bezüglich der Farbtemperatur<br />
bis ins Infrarot erstreckt, hat natürlich<br />
bei nicht apochromatischen Objektiven<br />
eine völlig andere Brennweite als die grüne<br />
oder graue Landschaft oder gar der Sternenhimmel.<br />
Fast unglaublich, aber eigentlich<br />
völlig verständlich – davon sind gerade<br />
die hochlichtstarken Objektivlegenden mit<br />
höchster Schärfezeichnung betroffen. Zum<br />
Beispiel ist ein bekanntes 85-mm f/1,2 bei<br />
Lava in der Nacht praktisch unbrauchbar,<br />
obwohl es im normalen Alltagseinsatz erstklassig<br />
ist. Diese Objektive wurden vor allem<br />
für die Porträtfotografie entwickelt, bei<br />
der sie auch vorzüglich arbeiten.<br />
Leider gibt es unterhalb einer Brennweite<br />
von 200 mm nur extrem wenige, schwer<br />
adaptierbare bezahlbare APO-Objektive mit<br />
entsprechend hoher Lichtstärke. Wer mit<br />
herkömmlicher Optik arbeitet, tut gut daran,<br />
im Brennweitenbereich von 50 bis 135 mm<br />
hochlichtstarke Objektive zu meiden. Denn<br />
selbst abgeblendet sind diese für Lava oft<br />
schlechter als schwächer geöffnete Zoomobjektive.<br />
Generell hilft in diesem Brennweitenbereich<br />
nur die Fokussierung auf die Lava<br />
und die Akzeptanz einer etwas unscharfen<br />
Landschaft. Umgekehrt sieht es noch unästhetischer<br />
aus.<br />
Bei Weitwinkelbrennweiten stört die Problem<br />
weniger, denn dann gehen diese Farblängsfehler<br />
nicht mehr so deutlich in die<br />
Abbildungsgüte ein.<br />
Unberechenbar: graue Vulkane<br />
Je nach Eruptionstypus ist eine entsprechende<br />
Gefahrenabschätzung nötig. Insbesondere<br />
die Gefahren bei grauen Vulkanen<br />
sind außerordentlich schwer einzuschätzen.<br />
Zwar besteht während einer längeren<br />
Ruhephase nur eine geringe und sehr überschaubare<br />
Gefahr, aber dabei bietet sich leider<br />
kein besonders großes Motivspektrum.<br />
Daher gilt als erste Regel bei aktiven grauen<br />
Vulkanen, die Unberechenbarkeit einzuplanen<br />
und das eigene Verhalten darauf abzustimmen.<br />
Als besondere Ausrüstung kann<br />
hier einzig eine Staubschutzmaske gegen<br />
schwebende Vulkanasche dienen. Diese<br />
vermindert das Einatmen der durchaus<br />
durch ihre Scharfkantigkeit und Härte für<br />
die Lunge gefährlichen Aschepartikel.<br />
Lebensgefährlich! – Glutlawinen<br />
aus dem Nichts<br />
Befindet sich ein grauer Vulkan in einer aktiven<br />
Phase, kann sich jederzeit eine Glutlawine<br />
lösen. Es ist unmöglich, vorherzusagen,<br />
welche Größe und Richtung eine solche Lawine<br />
bekommt. Daher gibt es weder einen<br />
optimalen Fotoabstand noch einen sicheren<br />
Beobachtungspunkt bei gleichzeitig interessanter<br />
Bildperspektive. Die Geschwindigkeit<br />
solcher Glutwolken kann durchaus mehr als<br />
200 km/h erreichen, ein Ausweichen ist<br />
nicht möglich.<br />
Der Autor kennt einen Fall, in dem sich nach<br />
15 Jahren einer mehr oder weniger starken<br />
Daueraktivität mit nahezu festen Bahnen<br />
dieser Glutwolken im abseitigen Hügelgelände<br />
ein Naturparadies abseits menschlichen<br />
Einflusses entwickelt hat. Niemals in<br />
der Geschichte dieser stetigen Eruption gab<br />
232
KAPITEL 4<br />
TANZ AUF<br />
DEM VULKAN<br />
es eine spürbare Belastung dieser Gegend,<br />
die Häuser der Einwohner blieben völlig<br />
unbeschädigt. Dennoch löste ein partieller<br />
Domkollaps ohne jegliche Vorwarnung einen<br />
großen pyroklastischen Strom aus, der<br />
diese Gegend samt jeglichem Leben in Sekunden<br />
völlig ausgelöscht hat.<br />
Gegen eine plötzliche Glutlawine ist in der<br />
Regel jeglicher Schutz vergeblich, allein<br />
schon die Berührung des Randbereichs ist<br />
selbst mit bester Ausrüstung absolut tödlich.<br />
Mancherorts werden in der Nähe solcher<br />
Vulkane Betonbunker errichtet, aber<br />
auch diese sind trügerisch, wenn es nicht<br />
gelingt, sie rechtzeitig hermetisch zu verriegeln.<br />
Ebenso ist es nicht möglich, über<br />
die frischen Ablagerungen eines pyroklastischen<br />
Stroms zu gehen. Man sinkt in dieses<br />
extrem feinpulvrige Material unweigerlich<br />
tief ein, und schon dicht unter der Oberfläche<br />
herrschen mehrere Hundert Grad.<br />
• Die einzig sinnvolle Maßnahme ist eine<br />
entsprechende Distanz, bei normalen<br />
Abgängen wenige Kilometer, bei einem<br />
Domkollaps aber durchaus bis zu Dutzenden<br />
von Kilometern.<br />
• Im Ernstfall sollte man benachbarte<br />
Schutzbunker aufsuchen und diese hermetisch<br />
verriegeln.<br />
genau wie bei normalen Gewittern statische<br />
Aufladungen. Wenn die Haare abzustehen<br />
beginnen, ist man definitiv zu nahe.<br />
Achten Sie auf folgende Punkte:<br />
• Annäherung mit dem Wind.<br />
• Staubschutzmaske gegen Einatmen der<br />
winzigen, aber extrem scharfkantigen<br />
Lavaascheteilchen.<br />
• Je nach Größe Sicherheitsdistanz zwischen<br />
400 m und 50 km.<br />
• Achtung vor statischer Elektrizität, es<br />
besteht die Gefahr von Überschlagsblitzen.<br />
Daher gleiches Verhalten wie bei<br />
Gewitter, aber natürlich am besten die<br />
Distanz deutlich erhöhen.<br />
• Schutz vor herabrieselnder Asche durch<br />
ein Tuch über der Kamera, besser Wetterschutzbeutel.<br />
• Eventuell Filter vor dem Objektiv.<br />
• In jedem Fall Ascheablagerungen auf<br />
der Frontlinse niemals abwischen, nur<br />
abblasen. Die extrem scharfen und harten<br />
Aschepartikel zerkratzen beim Wischen<br />
sofort das Glas.<br />
• Vorsicht beim Objektivwechsel, Phasen<br />
mit geringem Aschefall abwarten.<br />
Warnzeichen bei schnell aufsteigenden<br />
Aschewolken<br />
Eine oft nicht bedachte Gefahr entsteht bei<br />
schnell aufsteigenden Aschewolken durch<br />
Entladungen. Diese können nicht nur innerhalb<br />
der Wolke, sondern auch durchaus<br />
weit in die Umgebung ausgreifen. Hier hilft<br />
nur genügend Abstand, Warnzeichen sind<br />
In Deckung! – Steinschlag und<br />
Lavabomben<br />
Glücklicherweise sieht es bei den anderen<br />
Eruptionsformen deutlich besser aus, insbesondere<br />
fließende Lava kann gut in ihrer<br />
Flussrichtung und in ihrem Verhalten eingeschätzt<br />
werden, mit Ausnahme der extrem<br />
dünnflüssigen Natriumcarbonatit-Lava.<br />
233
Einzig bei explosiv ausgeworfener Lava besteht<br />
die Gefahr herabfallender Brocken.<br />
Hier schützt ein Steinschlaghelm bis zu einer<br />
gewissen Brockengröße. Werden größere<br />
Lavafetzen bei heftigeren Eruptionen ausgeworfen,<br />
spricht man von Lavabomben. Gegen<br />
eventuell metergroße Lavabomben hilft<br />
natürlich weder ein Helm noch ein Schutzanzug,<br />
aber bei solchen Eruptionen kann die<br />
Auswurfweite über längere Zeit beobachtet<br />
werden, und daher kann bei Annäherung an<br />
die Flugweite eine zusätzliche Sicherheitsdistanz<br />
eingehalten werden.<br />
Diese noch zähflüssigen Klumpen von durchaus<br />
mehreren Metern Größe erhalten erst<br />
beim Flug ihre endgültige Form. Der Einschlag<br />
ist entsprechend heftig, es bilden sich<br />
teils mehrere Meter große Einschlagtrichter.<br />
Unglaublich ist auch die Akustik der Luftverdrängung,<br />
die man bei Überflügen solcher<br />
Bomben hört. Hier ist unbedingt auf eine gute<br />
Deckung zu achten, denn ein direkter Treffer<br />
ist keinesfalls zu überleben. Startende Bomben<br />
sind mit kurzen Belichtungszeiten einfach<br />
zu erfassen, aber der folgende Impakt<br />
ist aufgrund hoher Geschwindigkeit kaum<br />
fotografierbar, man kann die Auftreffstelle<br />
oft schlecht abschätzen. Größere Bomben<br />
ziehen häufig eine Gasschleppe hinter sich<br />
her oder bilden Kondensstreifen.<br />
Vorsicht! – Unerwartete Einwirkung<br />
giftiger Gase<br />
Auch die scheinbar harmlosen Formen von<br />
vulkanischer Aktivität dürfen keinesfalls unterschätzt<br />
werden. Es können bei besonders<br />
Büschelweise ausgeschleuderte Lavabomben mit nachfolgenden Kondensstreifen am Eyjafjallajökull in Island. Diese Bomben<br />
hatten dort durchaus auch Busgröße, die maximal beobachtete Aufstiegshöhe betrug etwa 1.000 m.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 200 mm<br />
Belichtung 1/400 s<br />
Blende<br />
f/4,0<br />
ISO 400<br />
234
KAPITEL 4<br />
TANZ AUF<br />
DEM VULKAN<br />
aktiven Fumarolenfeldern vulkanische Gase<br />
und Wasserdampf, große Mengen Schwefeldioxid,<br />
Schwefelwasserstoff und andere aggressive<br />
Gase in großen Mengen austreten.<br />
Hier ist aufgrund instabilen Geländes und giftiger<br />
Gase sehr viel Umsicht, eine Gasmaske<br />
und eine dichte Schutzbrille erforderlich. Die<br />
Situation kann sich bei solchen auf den ersten<br />
Blick harmlos erscheinenden Gasfeldern<br />
schnell zuspitzen.<br />
Auch ein Schutz der Kamera vor Nässe- und<br />
Gaseinwirkung ist sehr anzuraten. Gerade<br />
wenn korrosives Gas durch längere Einwirkung<br />
ins Kamerainnere dringt und sich das<br />
Gas mit vorhandener Feuchtigkeit in aggressive<br />
Säuretröpfchen verwandelt, kommt<br />
es zu bleibenden Schäden an Linsenvergütungen<br />
und dem Kameragehäuse und bei<br />
nicht hermetisch abgedichteten Innenteilen<br />
zu starker Platinenkorrosion. Man beachte,<br />
dass der hauptsächliche Kameraverschleiß<br />
genau daher rührt. Bei „richtigen“ Vulkanausbrüchen<br />
ist die Kamera weit weniger in<br />
Gefahr. Als einziger Kameraschutz ist ein<br />
Schutzbeutel, wie er z. B. für Unterwasseraufnahmen<br />
erhältlich ist, denkbar, und ein<br />
Frontfilter für die Optik. Dass man direkt im<br />
Gas keine Objektive wechselt, versteht sich<br />
wohl von selbst.<br />
Der Autor selbst musste z. B. am Welirang-<br />
Vulkan in Indonesien folgende kritische Erfahrung<br />
machen:<br />
Geschützt mit einer Gasmaske, näherte ich<br />
mich mit dem Wind einer der zahlreichen<br />
gasreichen Schwefelaustrittsstellen, der<br />
Wind drehte plötzlich, und das undurchsichtige<br />
Wasserdampf-SO2-Gasgemisch hüllte<br />
mich vollständig ein. Kein Problem mit Gasmaske,<br />
aber mangels Schutzbrille reagierten<br />
die Augen aufgrund besonders hoher<br />
Gasdichte und Säurebildung mit extremen<br />
Schmerzen. Dabei versucht man instinktiv,<br />
die Augen zu schützen, was in diesem Fall ein<br />
Verrutschen der Gasmaske zur Folge hatte.<br />
Daraufhin hielt diese nicht mehr dicht, und<br />
die Folge war akute Atemnot zusammen mit<br />
Desorientierung mangels Sehfähigkeit inmitten<br />
mehrerer Schwefelquellen mit Hunderten<br />
Grad Hitze. Dies endete in einer temporären<br />
Ohnmacht, erst viele Sekunden später<br />
wachte ich bei abziehender Gaswolke direkt<br />
neben einer 400 °C heißen Fumarole wieder<br />
auf. Eine eindeutige Warnung für die Zukunft.<br />
An Schwefelquellen auftretender<br />
Schwefelbrand<br />
Dieses Naturphänomen ist weitgehend unbekannt.<br />
Es tritt an Schwefelquellen in der<br />
Nähe von aktiven oder potenziell aktiven<br />
Kratern auf. Ist die Hitze an der Austrittsstelle<br />
groß genug, beginnt der überhitzte<br />
Schwefel von selbst zu brennen. Dies kann<br />
kontinuierlich bei extrem aktiven Fumarolen<br />
und Lavadomen geschehen oder auch<br />
nur während einer ablaufenden Eruption.<br />
Hält der Vorgang lange genug an, bildet<br />
sich ein weit ausgreifender Schwefelfluss,<br />
der, abgesehen von der tiefblauen Farbe,<br />
fast einem normalen Lavastrom ähnelt.<br />
Im ersteren Fall sind Nahaufnahmen möglich,<br />
wobei hier die besondere Ästhetik<br />
auffällt. Für den Autor sind die rasenartig<br />
über den Schwefelflüssen züngelnden und<br />
sich wiegenden Schwefelflämmchen eine<br />
der eindrucksvollsten Naturerscheinungen.<br />
Der Brand und auch die Flüsse sind z. B.<br />
am Kawah Ijen hell genug, um mit normalen<br />
Belichtungszeiten und Blenden um 1/8<br />
Sekunde und f/2,8 festgehalten zu werden.<br />
Bei ruhigeren Lavadomen jedoch kann der<br />
Schwefelbrand auch sehr lichtschwach<br />
sein, dann kann schon das Vollmondlicht<br />
den Effekt überstrahlen.<br />
Die Herausforderung besteht im Wesentlichen<br />
darin, die extrem aggressiven Schwefeldioxidgase<br />
fernzuhalten. Eine Gasmaske<br />
235
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 105 mm<br />
Belichtung 1/4 s<br />
Blende<br />
f/4,0<br />
ISO 800<br />
Schwefelbrand im<br />
Krater des Vulkans<br />
Kawah Ijen in Ostjava/<br />
Indonesien.<br />
mit frischen Filtern ist absolut notwendig,<br />
auch die Augen sind unbedingt mit einer<br />
dichten Brille zu schützen. Ebenso empfiehlt<br />
sich ein Schutz für das Kameragehäuse,<br />
ansonsten korrodiert die Kamera<br />
samt Objektiv im Zeitraffertempo. Anders<br />
bei ablaufenden Eruptionen, hier bleibt nur<br />
die Teleaufnahme mit geringem Risiko, aber<br />
natürlich fehlender Detailansicht.<br />
Als Ausblick sei erwähnt, dass es ebenso<br />
zahlreiche andere brennbare Gase gibt, die<br />
in verschiedenen Farben an aktiven Kratern<br />
brennen können. Für diese gilt das Gleiche<br />
wie oben.<br />
Einbruchgefahr bei dünnem und<br />
unterhöhltem Boden<br />
Bei typischen Thermalgebieten besteht vor<br />
allem die Gefahr, in den oft dünnen und unterhöhlten<br />
Boden einzubrechen. Hier hilft nur<br />
gute Beobachtungsgabe und entsprechende<br />
Vorsicht, denn das oft heiße Innere kann zu<br />
schwersten Verbrühungen führen. Touristisch<br />
erschlossene Thermalgebiete sind gut<br />
abgesichert, aber in abgelegenen Regionen<br />
ist man für sich selbst verantwortlich.<br />
Einfache Regeln gegen extreme Hitzeabstrahlung<br />
In direkter Nähe zur fließenden Lava besteht<br />
eine extreme Hitzeabstrahlung , aber<br />
dies ist frühzeitig erkennbar und daher<br />
wenig gefährlich. Will man sich dennoch<br />
nähern, helfen einem Grundkenntnisse in<br />
Physik wesentlich weiter als z. B. ein spektakulärer<br />
und teurer Hitzeschutzanzug.<br />
Dieser dient nur als nettes Fotomotiv mit<br />
denkbar geringer Praxistauglichkeit, da er<br />
nur wenige Meter mehr erlaubt und sich<br />
dennoch langsam aufheizt. Wesentlich effektiver<br />
ist eine möglichst bodennahe und<br />
windabgewandte Annäherung, da die Hitze<br />
fast ausschließlich nach oben und mit dem<br />
Wind abstrahlt. Dies ist auch die einzige<br />
236
KAPITEL 4<br />
TANZ AUF<br />
DEM VULKAN<br />
Möglichkeit für scharfe Detailaufnahmen,<br />
da andernfalls die Luftunruhe jedes Detail<br />
zur Unkenntlichkeit verwischt. Ebenso ist<br />
Kleidung aus Lomex, das aus dem Motorsport<br />
bekannt ist, bei direkter Hitzeeinwirkung<br />
durch z. B. Lavakontakt sinnvoller.<br />
Lavaströme, Lavafälle, Lavaseen<br />
Dünnflüssige Lavaströme , die klassische<br />
Form des aktiven Vulkanismus, bieten eine<br />
ideale Möglichkeit, um sich mit der Materie<br />
vertraut zu machen. Die Gefahren sind<br />
überschaubar, und man hat beliebig Zeit,<br />
die Motive zu gestalten. Zudem kann man<br />
sich oft sehr gut annähern und das Augenmerk<br />
auf die zahlreichen Details richten.<br />
Gerade die hawaiianische Pahoehoe-Lava<br />
zeigt sehr ästhetische Fließmuster, wenn<br />
sie noch frei und nicht kanalisiert neues<br />
Terrain erobert. Lava ist an die Erdoberfläche<br />
gelangtes Magma . Mit Magma bezeichnet<br />
man die unter der Erdoberfläche<br />
befindliche Gesteinsschmelze.<br />
Wichtig ist vor allem, sich mit dem Wind<br />
und aus der Bodenperspektive heraus zu<br />
nähern. Dies schützt vor allzu viel Hitze<br />
und Gasen. Zudem werden die Aufnahmen<br />
schärfer durch weniger Luftunruhe.<br />
Am besten lässt sich solche Lava am Tag<br />
aufnehmen, durchaus gerade auch bei bedecktem<br />
Himmel. Zur Dämmerung hin wird<br />
zwar die Leuchtintensität höher, aber das<br />
kann sehr schnell zu viel des Guten sein.<br />
Hier hilft auch kein Vollmond mehr. Nachts<br />
gelingen so nur Aufnahmen von durch Lava<br />
Eruption des Santiaguito-<br />
Doms in Guatemala. Im<br />
vorderen Bereich ist Brand<br />
von Schwefel und anderen<br />
Gasen erkennbar.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 200 mm<br />
Belichtung 20 s<br />
Blende<br />
f/1,8<br />
ISO 400<br />
237
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 40 mm<br />
Belichtung 1/80 s<br />
Blende<br />
f/8,0<br />
ISO 100<br />
Multiple Lavaströme am Vulkan Pacaya in Guatemala.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 75 mm<br />
Belichtung 1/640 s<br />
Blende<br />
f/5,6<br />
ISO 100<br />
Skylight im Lavatube mit darunter sichtbarem Lavastrom auf Big Island,<br />
Hawaii. Auf diesem Weg wird die Lava ohne spürbare Abkühlung zu den<br />
Meereseintritten transportiert – 8.4.2005.<br />
angeleuchteter Landschaft oder in kleinen<br />
Bildzonen gezielt verwischter und überbelichteter<br />
Lava.<br />
Richtig auf die Lava belichtet, bleiben die<br />
Bilder steril und nichtssagend – wenn schon<br />
nachts, dann gern auch mit Blitz. Dies ist<br />
eine der wenigen Möglichkeiten, in denen<br />
das Blitzen bei der Vulkanfotografie erfolgreich<br />
angewandt werden kann, denn man<br />
befindet sich in komfortabler Blitzreichweite.<br />
Etwas Vorsicht ist wieder bei der Kamera<br />
angebracht, setzt man sie zu sehr der<br />
Hitze aus, könnte sie Schaden nehmen.<br />
Noch eine scheinbar triviale, aber dennoch<br />
enorm wichtige Anmerkung: Besonders bei<br />
sich eben erst ausbreitenden Lavaströmen<br />
kann man nicht immer gut vorhersagen,<br />
wohin sich die Lava weiter ausbreitet. Man<br />
238
KAPITEL 4<br />
TANZ AUF<br />
DEM VULKAN<br />
kann zwar immer bequem zu Fuß davongehen,<br />
aber wenn man vergessen hat, seinen<br />
Rucksack oder sein Stativ im Auge zu<br />
behalten, kann es schnell geschehen, dass<br />
diese Requisiten überrollt werden. Als Objektiv<br />
genügt hier meist ein Standardzoom,<br />
da man etwas Schärfetiefe brauchen kann<br />
und überwiegend am Tag fotografiert.<br />
Einmalige Blicke auf dahinschießende<br />
Lavaströme<br />
Schnell fließende und dünnflüssige Lavaströme<br />
bilden oft ihren eigenen Kanal, der<br />
sich zu einem Tunnel ausbauen kann. In<br />
diesem ist die Lava vor der Abstrahlung<br />
ihrer Hitze geschützt, und sie kann sich<br />
durch solche sogenannten Lavatubes über<br />
viele Kilometer fast ohne Abkühlung fortbewegen.<br />
Ab und zu kommt es vor, dass<br />
die Decke dieser Tubes in kleinen Bereichen<br />
einstürzt. Hier bietet sich einem Beobachter<br />
der einmalige Blick auf den über<br />
1.000 °C heißen, schnell dahinschießenden<br />
Lavastrom. Solche Löcher nennt man auch<br />
Skylights, nachts kann man solche Stellen<br />
schon von Weitem leuchten sehen.<br />
Leider dürfte es keinem Fotografen gelingen,<br />
jemals ein scharfes Bild von einem solchen<br />
Skylight zu bekommen, da die kaminartig<br />
austretende, extrem heiße Luft selbst<br />
für ein Weitwinkel zu stark wabert. Klar<br />
muss auch sein, dass hier die Decke nicht<br />
grundlos eingebrochen ist. Daher gilt es, bei<br />
der Annäherung die Instabilität besonders<br />
zu berücksichtigen. Auch die ausströmende<br />
heiße Luft kann sehr schmerzhaft sein.<br />
Über solchen Skylights können sich bei<br />
ansteigendem Lavaniveau auch Lavakegel,<br />
sogenannte Hornitos, bilden.<br />
Nahezu unkritisch: Aufnahmen<br />
zähflüssiger Lavaströme<br />
Zähflüssige Lavaströme erfordern ebenfalls<br />
nur eine normale Fotoausrüstung, da sich<br />
aufgrund von Struktur und Lavahelligkeit<br />
kaum Nachtaufnahmen lohnen. Übersichts-<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 105 mm<br />
Belichtung 1/125 s<br />
Blende<br />
f/8,0<br />
ISO 100<br />
Aa-Lavastrom, der<br />
sich die Südhänge des<br />
sizilianischen Ätna<br />
hinabwälzt. Beeindruckend<br />
ist auch die<br />
begleitende Akustik,<br />
durch das beständige<br />
Geschiebe von hinten<br />
und die glasharte Lava<br />
kommt es zu starken<br />
klirrenden und schabenden<br />
Geräuschen.<br />
239
Soeben neu entstandener<br />
Lavafall bei<br />
der Fimmvördurhals-<br />
Eruption auf Island.<br />
Der Autor musste eine<br />
gute Stunde warten,<br />
bis sich der durch die<br />
herabfallende Lava<br />
am Schluchtboden<br />
bildende Wasserdampf<br />
einigermaßen gelegt<br />
hatte.<br />
aufnahmen sind völlig unkritisch und auch<br />
mit geringem Gefahrenpotenzial verbunden,<br />
da sich die Lava nur recht langsam fortbewegt.<br />
Will man dagegen Nahaufnahmen,<br />
hilft wieder eine Annäherung aus der Bodenperspektive,<br />
da selbst diese kühlere Lava<br />
immer noch genügend heiß für die empfindliche<br />
Haut und das Kameraequipment ist.<br />
Aufpassen muss man dann auch auf sich<br />
plötzlich lösende größere Brocken, hiervon<br />
darf man sich keinesfalls treffen lassen.<br />
Zur richtigen Zeit am richtigen Ort:<br />
spektakuläre Lavafälle<br />
Fließt der Lavastrom auf eine Klippe zu,<br />
bildet sich analog zu einem Wasserfall ein<br />
Lavafall. Dieses auch hinsichtlich Akustik<br />
spektakuläre Ereignis ist aber leider oft nur<br />
von kurzer Dauer, daher bleibt es Glückssache,<br />
zur richtigen Zeit am richtigen Ort<br />
MESSERSCHARF!<br />
ERKALTETE AA-LAVA<br />
Übrigens ist die erkaltete Aa-Lava<br />
fast gefährlicher als die entstehende,<br />
denn die messerscharfen Kanten der<br />
Lavabrocken schneiden sich gnadenlos<br />
durch jedes Schuhwerk und bei<br />
unglücklichem Hinfallen auf diesem<br />
völlig lockeren und losen Untergrund<br />
auch tief in das Fleisch, was bleibende<br />
Narben hinterlässt. Darauf muss man<br />
vor allem nachts achten, wenn man<br />
erkaltete Aa-Felder überquert.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 180 mm<br />
Belichtung 1/320 s<br />
Blende<br />
f/5,6<br />
ISO 200<br />
240
KAPITEL 4<br />
TANZ AUF<br />
DEM VULKAN<br />
zu sein. Hier kommen eher längere Brennweiten<br />
zum Einsatz, wichtig ist auch eine<br />
kurze Belichtungszeit, um die schnell fallende<br />
Lava scharf einzufrieren. Interessante<br />
Bilder entstehen natürlich auch bei nächtlichen<br />
Langzeitbelichtungen, wenn sich die<br />
Lava im Bild zu einem weichen Vorhang zusammenfügt.<br />
Faszinierendes Spiel zwischen Wasser<br />
und Lava<br />
Dieses besonders eindrucksvolle Geschehen<br />
zeigt in der frühen Dämmerung sein<br />
schönstes Lichtspiel. Zäh wie Honig läuft<br />
die Lava in das anbrandende Meer. Aber<br />
auch in vollem Tageslicht lässt sich das eindrucksvolle<br />
Spiel zwischen Wasser und der<br />
mehr als 1.000 °C heißeren Lava gut verfolgen.<br />
Herrscht keinerlei Druck, kann sich<br />
eine perfekt isolierende Dampfhaut bilden,<br />
und das Wasser schützt sich genau so wie<br />
die allseits bekannte quasi schwebende<br />
Wasserlinse auf der heißen Herdplatte.<br />
Jedoch gilt es zu beachten, dass gerade in<br />
schnell wachsenden Küstenzonen das neue<br />
Land ohne Vorwarnung spontan kollabieren<br />
kann. Denn die Brandung unterspült die erkaltete<br />
Lava, und es bilden sich Hohlräume,<br />
die instabil werden. Auch eine ungünstige<br />
Kombination aus Wellenrichtung und Lavahöhle<br />
kann das Wasser-Lava-Gemisch<br />
unter Druck setzen, und es ereignen sich<br />
durchaus heftige littorale Explosionen.<br />
Die Gefahr besteht hier in mit hoher Geschwindigkeit<br />
umherfliegenden Brocken, die<br />
von der Explosion mitgerissen werden. Zudem<br />
bilden sich oft aggressive Gase wie z. B.<br />
HCl durch die Salze im Meerwasser. Diese<br />
sind schädlich für die Lunge wie für die Kameraausrüstung.<br />
Demzufolge benötigen Sie für<br />
Lava-Meereseintritt<br />
an der Südostküste<br />
von Big Island, Hawaii.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 200 mm<br />
Belichtung 1/80 s<br />
Blende<br />
f/3,2<br />
ISO 100<br />
241
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 200 mm<br />
Belichtung 1/1600 s<br />
Blende<br />
f/3,2<br />
ISO 100<br />
Gerade für Meereseintritte und littorale<br />
Explosionen eignet sich ein Boot hervorragend.<br />
Damit befindet man sich bezüglich<br />
der potenziellen Gefahr auf der sicheren<br />
Seite. Leider sind auf einem Schiff jedoch<br />
noch kürzere Belichtungszeiten nötig, um<br />
vom schwankenden Boot aus scharfe Bilder<br />
zu bekommen.<br />
Gefährlich! – Heiße Lava und das Meer<br />
• Vorsicht vor frei werdenden aggressiven<br />
Gasen, unbedingt Gasmaske, wenn<br />
der Wind ungünstig steht.<br />
• Vorsicht vor umherfliegenden Lavabrocken,<br />
gerade wasserdampfgetriebene<br />
Explosionen beschleunigen das Material<br />
auf höchste Geschwindigkeiten. Hier hilft<br />
nur ein entsprechender Abstand, es gibt<br />
keine Schutzkleidung, die das abhält.<br />
• Vorsicht vor instabilem Untergrund,<br />
gerade frisch gewachsene Küstenlinien<br />
werden oft vom Meer unterspült, und es<br />
kann zu plötzlichen „Bench-Collapses“<br />
kommen.<br />
Eintauchende Lavazunge auf Big Island, Hawaii. Besonders gut erkennt<br />
man hier die Bildung eines schützenden Dampffilms, das Wasser beginnt<br />
nur langsam zu kochen, da keinerlei Druck aufgebaut wird.<br />
dieses Thema Teleobjektive, die wegen der<br />
sehr schnell ablaufenden Vorgänge (Brandungsgischt,<br />
littorale Explosion) eine eher<br />
hohe Lichtstärke für die nötigen sehr kurzen<br />
Belichtungszeiten haben sollten. Nachts<br />
kann man andererseits durchaus versuchen,<br />
die Bewegung mit Langzeitbelichtung gezielt<br />
zu einem ästhetischen Kunstwerk zu formen.<br />
• Bei phreatischen Eruptionen (Gletschervulkan,<br />
Krater mit Grundwasserkontakt<br />
etc.) unbedingt ausreichend Abstand<br />
halten, es herrscht eine besonders hohe<br />
Explosivität, und hoch aufsteigendes<br />
Auswurfmaterial kann weit in die Umgegend<br />
fliegen.<br />
• Schützen Sie Ihre Kameraausrüstung<br />
durch Schutzbeutel vor aggressiven Gasen,<br />
hier vor allem HCl, und Feuchtigkeit.<br />
Unerschöpfliches Reservoir unterschiedlichster<br />
Motive<br />
Man unterscheidet im Wesentlichen graue<br />
und rote Vulkane . Die grauen fördern sehr<br />
zähe Lava, die sich langsam zu sogenannten<br />
Vulkandomen aufwölbt. Es bildet sich<br />
242
KAPITEL 4<br />
TANZ AUF<br />
DEM VULKAN<br />
hoher Druck durch hohe Gasanteile. Steigt<br />
der Druck zu stark, tritt eine spontane<br />
Druckentlastung auf, und die durch die<br />
Explosion fein zerstäubte Lava bildet eine<br />
aufsteigende, zusätzlich durch Hitzethermik<br />
getriebene Aschewolke. Ist die Materialmenge<br />
zu groß, kann diese Wolke in<br />
sich zusammensinken und die Hänge des<br />
Vulkans hinabrasen. Ebenso kann es ohne<br />
besondere Vorwarnung passieren, dass ein<br />
lange Zeit ruhiger Lavadom oder ein Teil<br />
davon statisch instabil wird und kollabiert.<br />
Die dabei losrollende Lava und das frei werdende<br />
Dominnere entladen sich dann in<br />
ebenfalls fein zerstäubter Lava, die in Form<br />
einer Glutwolke die Vulkanhänge hinunterrast.<br />
Im normalen Zustand ist solch ein<br />
Lavadom harmlos. Wird Material von unten<br />
gefördert, kann man oft über lange Zeiträume<br />
das Abbröseln des Doms beobachten,<br />
einzelne Lavabrocken rollen dann glühend<br />
die Hänge herunter.<br />
Fotografisch interessieren bei aktuell nicht<br />
explosiven Domen die Domextrusionen,<br />
die herabrollenden Lavastücke, austretende<br />
und brennende Gase etc. Besonders das<br />
zähflüssige Magma kann an Lavadomen<br />
Extrusionen bilden. Dabei schiebt und presst<br />
das teigartige Magma große Materialmengen<br />
über den Dom hinaus, die Lavanadeln<br />
oder Lavarücken bilden.<br />
Bei explosiven Domen sind es dagegen vor<br />
allem die aufsteigenden Aschewolken mit<br />
ihren Blitzentladungen und die sich herabwälzenden<br />
Glutwolken. Hier heißt es<br />
dann, unbedingt Abstand zu halten. Die<br />
roten Vulkane sind oft gasärmer, es tritt<br />
daher Lava ohne größere Explosionen aus.<br />
Je nach Schlotform, Zusammensetzung<br />
und Temperatur können hier periodisch<br />
kleinere Explosionen mit Auswurf von Lavabrocken,<br />
bei neu entstehenden Spalten<br />
aufsteigende Lavafontänen oder bei schon<br />
Hier ein Lavaeintritt<br />
auf der Insel Stromboli.<br />
Die Lava trifft<br />
unter Druck auf das<br />
Meerwasser, es erfolgt<br />
eine Wasserdampfexplosion,<br />
die zahlreiche<br />
Lavabrocken mit hoher<br />
Geschwindigkeit wegschleudert.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 200 mm<br />
Belichtung 1/2500 s<br />
Blende<br />
f/3,5<br />
ISO 100<br />
243
länger offenen Systemen ruhig austretende<br />
Lavaströme beobachtet werden.<br />
Ist die Lava sehr heiß und dünnflüssig, läuft<br />
sie mit hoher Geschwindigkeit die Hänge<br />
hinab und bildet oft eigene Kanäle. Diese<br />
können sich selbst einen Tunnel bauen und<br />
dann fast ohne weitere Abkühlung viele Kilometer<br />
zurücklegen. Ist die Lava dagegen<br />
sehr zähflüssig bzw. kühlt sie nach längerem<br />
Weg ab, beginnt sie zu bröckeln und<br />
verwandelt sich in sogenannte Aa-Lava.<br />
Diese kann am ehesten mit einem „wandernden<br />
Schutthaufen“ verglichen werden.<br />
Ebenso interessant sind gerade hier die<br />
zahlreichen Formen austretender Lava, die<br />
einen unerschöpflichen Reichtum an unterschiedlichsten<br />
Motiven liefern. Dies ist eigentlich<br />
der bekannteste und farbenfrohste<br />
Teil der Vulkanfotografie. Glücklicherweise<br />
ist es auch der ungefährlichste, da heftige<br />
und unerwartete Explosionen selten sind.<br />
Natürlich gibt es verschiedenste weitere<br />
Eruptionsarten, vor allem abhängig von<br />
der Anwesenheit von Wasser. So kann z. B.<br />
auch ein roter Vulkan stark explosiv tätig<br />
sein, wenn er auf Wasser (Ozean, Kratersee,<br />
Gletscher) trifft.<br />
Eindrucksvoll, aber auch sehr gefährlich, ist<br />
die explosive Wechselwirkung mit Wasser.<br />
Erfolgt der Wassereintritt der fließenden<br />
Lava ruhig und ohne jeglichen Druck, bildet<br />
sich eine Dampfschutzschicht ohne Explosion.<br />
Besteht dagegen Druck, z. B. wenn<br />
eine Wasserwelle in den aktiven Lavatunnel<br />
eintritt oder wenn die Lava unter einem See<br />
oder Gletscher austritt, bilden sich heftige<br />
Explosionen, die durchaus große Mengen<br />
an Lava und umliegendem Material mitreißen.<br />
Dies kann den Unterschied zwischen<br />
einer auf wenige Meter begrenzten, harmlosen<br />
Touristenattraktion und einer den<br />
ganzen Kontinent lahmlegenden explosiven<br />
Aschewolke ausmachen, so erlebt beim<br />
Ausbruch des isländischen Eyjafjallajökull<br />
2010, der am Fimmvördurhals nicht explosiv<br />
und völlig harmlos begann.<br />
Unter besonderen Umständen können rote<br />
Vulkane Lavaseen bilden – eine Ansammlung<br />
von flüssiger Lava über oder neben Vulkanschloten.<br />
Hier besteht eine permanente<br />
Verbindung zur Magmakammer, ohne dass<br />
größere Mengen Lava gefördert werden.<br />
Normalerweise sind solche Seen sehr kurzlebig,<br />
aber sie können auch Jahrzehnte im<br />
Krater des entsprechenden Vulkans stehen.<br />
Fotografisch interessant ist die sich stetig<br />
umwälzende Kruste, es gibt kein eindrucksvolleres<br />
Beispiel der irdischen Plattentektonik<br />
im kleinen Modell. Durch frei werdende<br />
Gase oder Absinken des Lavasees entstehen<br />
zeitweise Lavafontänen. Daher bieten<br />
Lavaseen die einmalige Gelegenheit, dieses<br />
Phänomen abseits der ansonsten sehr kurzlebigen<br />
und damit schwer erreichbaren neu<br />
entstehenden Lavaspalten zu beobachten.<br />
Sensationelle Bilder aktiver Lavadome<br />
Aktive Lavadome bieten ein dankbares und<br />
einfach zu beherrschendes Motiv. Mit wenig<br />
Aufwand kommt man so zu sensationellen<br />
Bildern, ähnlich einer strombolianischen<br />
Eruption zeichnen die sich bewegenden Lavabrocken<br />
mehr Rot in die Landschaft, als<br />
dem Auge auf einmal zugänglich ist. Hier<br />
hat man die Möglichkeit, das Objektiv abzublenden<br />
und somit die Bildqualität vor<br />
allem durch den schwer beherrschbaren<br />
Farblängsfehler zu verbessern. Ist der Dom<br />
besonders aktiv, besteht aber auch jederzeit<br />
die Möglichkeit der Loslösung einer gefährlichen<br />
Glutlawine.<br />
244
KAPITEL 4<br />
TANZ AUF<br />
DEM VULKAN<br />
Gefahrenpotenzial aktiver Lavadome<br />
• Vorsicht vor sich unerwartet lösenden<br />
Glutlawinen. Diese sind nicht einschätzbar,<br />
daher hilft nur entsprechende Distanz.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 200 mm<br />
Belichtung 10 s<br />
Blende<br />
f/4,0<br />
ISO 400<br />
• Herabrollende Lavabrocken sind dadurch<br />
harmlos, denn die nötige Distanz wegen<br />
potenzieller Glutwolken gibt auch hiervor<br />
Schutz. Daher ist auch keine besondere<br />
Ausrüstung nötig, es hilft nur der entsprechende<br />
Abstand.<br />
• Ansonsten bei zwischendurch aufsteigenden<br />
Aschewolken zum Schutz der<br />
Lunge vor den scharfkantigen Aschepartikeln<br />
eine Staubmaske tragen.<br />
Lavaseen bieten immer wieder<br />
gute Fotogelegenheiten<br />
Diese spezielle Form der vulkanischen Aktivität<br />
ist zwar auf den ersten Blick nicht<br />
so spektakulär wie eine starke Eruption,<br />
hat aber doch durch die Langlebigkeit dieses<br />
Phänomens erhebliche Vorteile. Denn<br />
man ist nicht gezwungen, das Geschehen<br />
in kürzester Zeit zu erreichen, und kann gutes<br />
Wetter abwarten. Es bieten sich immer<br />
wieder gute Fotogelegenheiten, man muss<br />
nicht viele Stunden auf die vielleicht nur einmal<br />
am Tag stattfindende Eruption warten.<br />
Besonders eindrucksvoll ist die gerade in<br />
ruhigen Phasen beobachtbare Plattendrift.<br />
Hier läuft im Zeitraffertempo exakt das<br />
Gleiche wie bei der irdischen Plattentektonik<br />
ab. Schnell bildet sich eine feste Lavakruste,<br />
die über den See driftet und an einer<br />
Stelle abtaucht, während sich an anderer<br />
Stelle entlang eines Risses neue Kruste bildet.<br />
Diesen Vorgang kann man wunderbar<br />
als Bilderfolge im Zeitraffer animieren.<br />
Je nach Aktivität und Größe eigen sich Lavaseen<br />
auch für Nachtaufnahmen. Jedoch<br />
ist es schwer, gleichzeitig die umgebende<br />
Der Soufriere-Hills-Lavadom auf der Karibikinsel Montserrat bei Nacht.<br />
Durch die Langzeitbelichtung verliert zwar die Asche- und Dampfwolke<br />
an Zeichnung, aber dafür zeichnen die durch den wachsenden Dom sich<br />
lösenden und herabrollenden Lavabrocken glühende Strukturen. Für<br />
diese Art der Nachtaufnahme benötigt man keine besonders lichtstarke<br />
Optik, weil eine lange Belichtungszeit sogar förderlich ist.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 70 mm<br />
Belichtung 1/25 s<br />
Blende<br />
f/4,0<br />
ISO 100<br />
Der Nyiragongo-Lavasee in der Abenddämmerung, hier zeigt sich die<br />
Miniaturplattentektonik besonders eindrucksvoll.<br />
245
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 24 mm<br />
Belichtung 10 s<br />
Blende<br />
f/6,3<br />
ISO 200<br />
Der Nyiragongo-Lavasee in der Morgendämmerung, mittels<br />
HDR-Technik werden Kraterwände und See gleichzeitig sichtbar.<br />
Landschaft und den See abzubilden. Hier<br />
kommt einem eventuell die HDR-Technik<br />
entgegen, oder man konzentriert sich auf<br />
Details wie z. B. die rot beleuchteten Kraterwände.<br />
Intensives Farbenspiel in Kraterseen<br />
Die sich in feuchten Gegenden mit Wasser<br />
füllenden Krater geben oft sehr schöne Motive<br />
ab. Vor allem die Chemie der austretenden<br />
Gase und Stoffe erzeugt intensive Färbungen.<br />
Oft ist es schwierig, den gesamten Krater zu<br />
erfassen, ideal wäre hier die Flugaufnahme.<br />
Notfalls tut es auch ein Fisheye- oder Weitwinkelpanorama.<br />
Die Farben kommen am<br />
Tag gut zur Geltung, Grund für eine Nacht-<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 70 mm<br />
Belichtung 1/250 s<br />
Blende<br />
f/8,0<br />
ISO 100<br />
Erneut der Nyiragongo-Lavasee in der DR Kongo, der derzeit größte<br />
Lavasee der Erde. Um ihn zu beobachten, muss man den auf 3.400 m<br />
liegenden Kraterrand zu Fuß erwandern.<br />
ANSPRÜCHE AN<br />
DIE FOTOAUSRÜSTUNG<br />
An die Fotoausrüstung werden hier<br />
nur geringe Ansprüche gestellt,<br />
normale Brennweiten und wenig lichtstarke<br />
Optiken genügen für die recht<br />
hellen Szenen völlig. Ein Vorteil ist<br />
natürlich eine hohe Kameradynamik<br />
oder eben die HDR-Technik. Will man<br />
den ganzen Krater mit einbeziehen<br />
und dennoch in keinen Helikopter<br />
investieren, hilft ein Fisheye-Objektiv<br />
und/oder ein starkes Weitwinkel, mit<br />
dem man Panoramen anfertigt. Die<br />
eher kurzen Brennweiten erfordern<br />
außerdem kein schweres Stativ.<br />
Übrigens empfiehlt es sich auch hier,<br />
frühzeitig eine Gasmaske aufzusetzen.<br />
Oft erscheinen die Gasmengen<br />
recht gering, aber sie zeigen im Lauf<br />
der Beobachtungsstunden oder -tage<br />
dennoch eine akkumulierende Wirkung<br />
auf die Lunge.<br />
246
KAPITEL 4<br />
TANZ AUF<br />
DEM VULKAN<br />
aufnahme besteht eigentlich nur bei glühender<br />
Lava oder brennenden Gasen in direkter<br />
Nähe. Nur dann ist eine hohe Lichtstärke von<br />
Vorteil, um die aufsteigenden Gase nicht völlig<br />
zu verwischen.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 10 mm<br />
Belichtung 1/40 s<br />
Blende<br />
f/3,5<br />
ISO 800<br />
Aufsteigende Lavablasen und Fontänen<br />
in Lavaseen<br />
Wie bereits erwähnt, bietet sich hier eine bequeme<br />
Möglichkeit, die sonst so kurzlebigen<br />
Lavafontänen abzulichten. Man erlebt bei<br />
Lavaseen oft einen Wechsel zwischen ruhigen<br />
und aktiven Phasen, sogenannten Lake<br />
Storms. Die dabei aufsteigenden Lavablasen<br />
und Fontänen können durchaus bis 30 m<br />
groß werden, insbesondere beim größten Lavasee<br />
der Erde im Nyiragongo-Krater. Leider<br />
gibt es aber auch hier einige Erschwernisse,<br />
die man nicht immer in den Griff bekommt.<br />
Denn gerade wenn der See aktiv wird und<br />
die Fontänen hochsteigen, herrscht auch<br />
eine extreme Thermik. Diese erzeugt heftige<br />
Luftbewegungen, die gerade Teleaufnahmen<br />
unscharf werden lassen.<br />
Der sich nach einem Überlauf neu bildende Lavasee des Erta Ale im<br />
äthio pischen Rift Valley. Dieser schuf sich durch Absinken einen sehr<br />
steilen Pitkrater, der bei dem relativ geringen Seedurchmesser von etwa<br />
45 m eine für Detailaufnahmen permanent ungeeignete Hitzeluftzelle<br />
bildet.<br />
Kratersee des Lokon auf Nordsulawesi/Indonesien. Am Ufer glüht die<br />
zähe Lava eines Lavadoms.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 50 mm<br />
Belichtung 6 s<br />
Blende<br />
f/2,0<br />
ISO 800<br />
247
Des Weiteren sorgt durch das Magma aufsteigendes<br />
Gas, das die Fontänen antreibt,<br />
oft für schlechte Durchsicht. Insofern ist die<br />
richtige Windrichtung und vor allem eine<br />
geringe Windstärke vonnöten. Vor allem zu<br />
viel Wind sorgt für Verwirbelungen hinter<br />
der Kraterkante , der gesamte Krater wird<br />
von trübem Gas durchmischt. Entgegen<br />
der vielleicht anfänglichen Erwartung, dass<br />
der Wind das Gas wegweht, tritt exakt das<br />
Gegenteil ein. Erst bei Windstille kann die<br />
Thermik über dem Lavasee die Gassäule<br />
perfekt nach oben abführen, und die kühle<br />
Luft kann von den Kraterkanten her nach<br />
unten nachströmen und für ruhige und klare<br />
Luft sorgen.<br />
Sehr von Vorteil für die Plastizität und<br />
Schärfe der Fontänenbilder ist ein tiefer<br />
Standort, möglichst genau auf Lavaseeniveau.<br />
Von oben muss man durch viel mehr<br />
hitzebewegte Luft fotografieren, und der<br />
kontrastarme Hintergrund ergibt flache Bilder.<br />
Leider ist es aufgrund extrem instabiler<br />
und steiler Kraterwände fast nie möglich,<br />
sich auf dieses Niveau zu begeben. Dazu<br />
sind professionelle Expeditionen mit entsprechender<br />
Ausrüstung notwendig. Anders<br />
als bei anderen Vulkanmotiven lohnen<br />
sich Nachtaufnahmen einzelner Fontänen<br />
weniger, weil der Rotkontrast viel zu hoch<br />
ist. Es kann sich keine weitere Farbe durchsetzen,<br />
und die Umgebung ist viel zu dunkel.<br />
Ein weiteres Dilemma darf ebenfalls nicht<br />
verschwiegen werden. Hat man einen großen<br />
Krater, kann sich die überhitzte Luft<br />
gut abführen, aber dann besteht eine sehr<br />
große Distanz zur Kamera, und es sind für<br />
formatfüllende Fontänenaufnahmen sehr<br />
lange Brennweiten mit ihren bekannten<br />
Problemen (Erschütterungsempfindlichkeit,<br />
Fokussierung, schweres Stativ erforderlich<br />
etc.) nötig.<br />
Ist der Krater dagegen klein oder eventuell<br />
nur ein Loch mit senkrechten Wänden<br />
(Pitkrater), herrscht fast immer extreme<br />
Luftunruhe. Das kann so weit gehen, dass<br />
selbst Bilder mit einem Normalobjektiv<br />
nicht scharf zu bekommen sind. In beiden<br />
Fällen hilft nur viel Geduld, um die besten<br />
Momente abzupassen.<br />
Für weit entfernte Lavaseen hilft eine APS-<br />
Format-Kamera (Cropfaktor 1,5 bis 2). Anstelle<br />
eines überteuerten Teleobjektivs lässt<br />
sich eventuell ein kleines astronomisches<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 840 mm<br />
Belichtung 1/500 s<br />
Blende<br />
f/5,6<br />
ISO 200<br />
Etwa 15 m hohe Lavafontäne<br />
über der frisch<br />
erstarrten Kruste des<br />
Nyiragongo-Lavasees<br />
bei Tag.<br />
248
KAPITEL 4<br />
TANZ AUF<br />
DEM VULKAN<br />
Fernrohr sinnvoll einsetzten. Es ist als ED-<br />
Version schon für relativ wenig Geld zu<br />
erstehen und leistet auch für Himmelsschauspiele<br />
wie Sonnen- und Mondfinsternisse<br />
gute Dienste.<br />
Achtung! – Hitzeschutz für exponierte<br />
Hautstellen und die Kamera<br />
• Vorsicht vor dem Einschließen der Beobachterposition<br />
bei mehreren sich<br />
ausbreitenden Lavaströmen, gerade bei<br />
landabwärts liegenden Klippen.<br />
• Bei starker Annäherung Hitzeschutz für<br />
jede exponierte Hautstelle, am besten<br />
durch hitzefeste Materialien wie Leder.<br />
• Unbedingt mit dem Wind und aus der<br />
Bodenposition annähern, sich niemals<br />
über den See oder den Strom beugen,<br />
die Hitzeabstrahlung in einer solchen<br />
Position ist extrem und kann sehr<br />
schmerzhaft sein.<br />
• Besondere Vorsicht bei offenen Lavaröhren<br />
oder Lavaseeufern, das sich<br />
ständig wandelnde Gelände ist dort<br />
extrem instabil und brüchig, es besteht<br />
ständig Abbruchgefahr.<br />
• Bei Gasfreisetzung Schutz vor umherfliegenden<br />
Lavastückchen (bedeckende<br />
Kleidung, Lomex) und Gasmaske für<br />
den Schutz der Lunge.<br />
• Kamera immer nur kurz der direkten<br />
Hitze aussetzen.<br />
• Vorsicht bei längeren Bildserien vom<br />
Stativ. Die Kamera kann sich dabei extrem<br />
überhitzen. Immer wieder Abkühlpausen<br />
gönnen.<br />
Explosiv: Strombolianische<br />
Eruptionen und Lavafontänen<br />
Die am häufigsten anzutreffende Form von<br />
Lavaaustritt bei aktiven Vulkanen bezeichnet<br />
man als die bereits mehrfach erwähnte<br />
strombolianische Eruption. Hierbei werden<br />
in Abständen von wenigen Sekunden bis<br />
vielen Stunden oder gar Tagen spontan, oft<br />
unter hoher Geräuschentwicklung, kleine<br />
bis mittlere Lavabrocken, vereinzelt auch<br />
Lavabomben, ausgeworfen. Die Auswurfmenge<br />
und Geschwindigkeit variiert von<br />
Vulkan zu Vulkan sehr stark. Da die einzelnen<br />
Teilchen oft sehr klein sind, wirken sie<br />
im kurz belichteten Bild nicht, es sind dann<br />
SPIEGELSCHLAG DÄMPFEN<br />
Der Spiegelschlag , ein heikles Thema.<br />
Gerade strombolianische Eruptionen<br />
sind dagegen sehr empfindlich, auch<br />
die kleinste Erschütterung zeichnet<br />
die Flugparabeln der Lava gnadenlos<br />
als Sinuskurve auf. Man kann sich<br />
mit der Hand oder einer Pappe vor<br />
dem Objektiv behelfen, die man erst<br />
nach der Auslösung abzieht, dies ist<br />
manchmal intuitiver als das zweimalige<br />
Drücken des Auslösers für<br />
die Vorauslösung. Ein kleiner Trick<br />
kann bei geringem Wind helfen. Der<br />
Kameraspiegel hat den geringsten<br />
Hebel, wenn die Kamera über ihre<br />
Bodenstativschraube anstatt über<br />
die Objektivschwerpunktschelle mit<br />
dem Stativ verbunden ist. Damit wird<br />
der Spiegelschlag deutlich gedämpft.<br />
Der Preis dafür ist ein unbalanciertes<br />
Objektiv, das windempfindlicher ist<br />
und sich sehr unbequem bei der Bildausschnittwahl<br />
verhält.<br />
249
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 400 mm<br />
Belichtung 25 s<br />
Blende<br />
f/5,6<br />
ISO 200<br />
Typische strombolianische Eruption am Gipfel des namensgebenden<br />
Vulkans Stromboli nördlich von Sizilien. Die späte Abenddämmerung<br />
schafft einen dunkelblauen Hintergrund. Weil hier der gesamte Gipfelbereich<br />
sichtbar sein sollte, musste ein Teleobjektiv eingesetzt werden.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 24 mm<br />
Belichtung 30 s<br />
Blende<br />
f/4,0<br />
ISO 125<br />
Typische strombolianische Eruption am Vulkan Yasur auf Tanna Island<br />
im pazifischen Vanuatu-Archipel. Der Aufnahmestandpunkt befand sich<br />
hier genau auf der Kraterkante, da nur so ein Einblick in die tiefe Kraterschüssel<br />
möglich war. Demzufolge wurde ein Superweitwinkel nötig.<br />
nur zahlreiche rote, winzige Punkte. Erst die<br />
Langzeitbelichtung zeichnet die kompletten<br />
Flugparabeln auf und erzeugt damit das allseits<br />
bekannte, füllige, ästhetische Bild.<br />
Gleichzeitig ist damit klar, dass für diese<br />
Form nur Nachtaufnahmen infrage kommen.<br />
Gut geeignet ist auch noch die blaue Stunde ,<br />
also die Abend- und Morgendämmerung. Sie<br />
stellt aber besonders hohe Anforderungen<br />
an den Fotografen. Das Licht wechselt sehr<br />
schnell, das Rot der Lava beginnt sehr schnell<br />
im umgebenden blauen Licht unterzugehen.<br />
Wichtig ist hier vor allem eine knappe, gezielt<br />
starke Unterbelichtung. Denn nimmt<br />
der blaue Himmel schon den größten Teil der<br />
Sensordynamik ein, bleibt nichts mehr für das<br />
Rot der Lava, sie bleibt viel zu fahl. Es kann<br />
daher ohne Weiteres nötig werden, mehr als<br />
zwei Blendenstufen unterzubelichten.<br />
Wichtig sind generell, wie auch bereits weiter<br />
oben angedeutet, der richtige Moment<br />
und die richtige Belichtungszeit. Die Bogen<br />
sollen nicht angeschnitten, aber auch nicht<br />
250
KAPITEL 4<br />
TANZ AUF<br />
DEM VULKAN<br />
in der Mitte völlig ausgebrannt sein. Es werden<br />
einige Versuche nötig sein, um hier das<br />
richtige Gefühl zu entwickeln.<br />
Typische Belichtungszeiten sind 5 bis 30<br />
Sekunden. Durch die Helligkeit der Lava<br />
kann man sogar abblenden und mit Low-<br />
ISO arbeiten. Demzufolge reichen normal<br />
geöffnete Objektive. Die Brennweite hängt<br />
stark vom erreichbaren Standort und von<br />
der Kratergeometrie ab. Steht man an der<br />
Kraterkante, können schon 24 mm zu viel<br />
Brennweite sein, muss man dagegen am<br />
Fuß des Vulkans bleiben, sind manchmal<br />
400 mm erforderlich.<br />
RICHTIGER ZEITPUNKT<br />
FÜR DIE AUSLÖSUNG<br />
Je nach Eruptionsform gibt es oft ein<br />
sehr kleines Zeitfenster fürs Auslösen<br />
. Sieht man direkt auf den Schlot,<br />
ist eine Kameraauslösung sofort<br />
bei Beginn problematisch, denn die<br />
enorm hohe Anfangshelligkeit bringt<br />
den Sensor voll in die Sättigung samt<br />
dazugehöriger Reflexe. Abblenden<br />
hilft nicht, da dann die eigentlich<br />
interessanten Randpartien unterbelichtet<br />
werden. Also wartet man,<br />
bis die größte Helligkeit vorbei ist.<br />
Wartet man jedoch zu lange, beginnen<br />
auf dem fertigen Bild die Bogen<br />
irgendwo in der Mitte, was das Bild<br />
vom ästhetischen Standpunkt aus<br />
quasi entstellt. Verschärft wird die Situation<br />
bei gleichzeitig austretender<br />
Aschewolke, denn um diese scharf<br />
abzubilden, hat man nur wenige Sekunden<br />
Belichtungszeit. Dabei gilt es,<br />
in diesen wenigen Sekunden komplette<br />
und nicht angeschnittene Bogen<br />
der Lavabrocken zu erfassen.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 24 mm<br />
Belichtung 2 s<br />
Blende<br />
f/1,4<br />
ISO 1600<br />
Gerade bei den Flugparabeln wird jede Kameraerschütterung<br />
durch Spiegelschlag<br />
oder Wind sofort durch Oberwellen sichtbar.<br />
Deshalb sollte man immer dem hier<br />
unanfälligen Weitwinkel den Vorzug geben,<br />
sofern eine Annäherung möglich ist. Ansonsten<br />
hilft nur ein schweres Stativ. Belichtet<br />
man bei starken Ausbrüchen nur die<br />
erste Phase, also noch bevor die ersten Brocken<br />
eine Parabel beschreiben, ergibt sich<br />
ein Bild mit einem Linienbüschel, das eventuell<br />
mehr Dynamik und Energie vermittelt.<br />
Eine besondere Herausforderung ist die<br />
Kombination aus Aschewolke und strombolianischer<br />
Eruption. Denn für eine Aschewolke<br />
darf kaum mehr als 2 bis 4 Sekunden<br />
belichtet werden, um sie noch scharf<br />
zu bekommen. Andererseits benötigt eine<br />
vollständige Flugparabel mindestens 4 Sekunden.<br />
Dennoch kann ein solches Foto mit<br />
vielen Versuchen ab und zu gelingen.<br />
Eindrucksvolles Schauspiel<br />
von Lavafontänen<br />
Die klassische Lavafontäne unterscheidet sich<br />
von der strombolianischen Eruption durch<br />
ihre permanente Tätigkeit, die Lava steigt<br />
ohne Unterbrechung mehr oder weniger<br />
stark auf. Lavafontänen entstehen normalerweise<br />
bei sich öffnenden Spalten am Beginn<br />
einer Eruption. Durch die hohe aus geworfene<br />
Materialmenge baut sich ein Schlackekegel<br />
Beginn einer strombolianischen<br />
Eruption<br />
am Vulkan Bromo<br />
innerhalb der Tengger<br />
Caldera auf Ostjava,<br />
Indonesien. Durch die<br />
kurze Belichtungszeit<br />
sind die Flugbahnen<br />
noch nicht zu Bogen<br />
geformt.<br />
251
Links: Typische<br />
Lavafontänen, hier bei<br />
der Fimmvördurhals-<br />
Eruption im winterlichen<br />
Island.<br />
Mitte: Eine Eruption<br />
am Stromboli in Italien,<br />
aber diesmal mit<br />
wesentlich fülligerem<br />
Auswurfmaterial.<br />
Erst damit lohnt eine<br />
Kurzzeitbelichtung.<br />
mit großer Geschwindigkeit auf. Ein hochschießender<br />
Strahl von Lava, angetrieben<br />
von sich im Schlot rasch ausdehnendem Gas,<br />
erreicht Höhen zwischen 10 und 100 m, im<br />
Extremfall bis 1.500 m. Solche Lavafontänen<br />
gehören mit zum Eindrucksvollsten, was man<br />
am Vulkan erleben kann – auch weil sie normalerweise<br />
recht harmlos sind und man sich<br />
gut annähern kann. Leider sind sie aber oft<br />
von sehr kurzer Dauer, im schlimmsten Fall<br />
halten sie nur ein paar Stunden. Daher ist es<br />
ein echter Glücksfall, einmal eine etwas längerlebige<br />
Fontäne erleben zu können.<br />
In Gegensatz zur mühsamen Warterei bei<br />
anderen Eruptionsformen hat man hier ein<br />
beständiges, unterbrechungsfreies Schauspiel.<br />
Man kann sich in aller Bequemlichkeit<br />
das Motiv zurechtlegen und verschiedene<br />
Perspektiven ausprobieren. Es gibt keine<br />
Langeweile, zumal die von der Fontäne ausgehenden<br />
Lavaströme gute Motive abgeben.<br />
Bedingt durch die andauernde große Helligkeit<br />
dominiert hier die Fotografie bei Tag<br />
oder in der Dämmerung, in der Nacht gerät<br />
man zu stark in die Sättigung, will man<br />
Landschaft mit einbeziehen. Denn die Fontäne<br />
allein wirkt mit einem völlig schwarzen<br />
Hintergrund kaum. Übrigens ist diese Form<br />
der Aktivität auch besonders lohnend für<br />
eine Videoaufzeichnung.<br />
Für ein scharfes Bild verwendet man hier<br />
wieder kurze Belichtungszeiten. Durch die<br />
ausreichende Helligkeit werden keine besonders<br />
lichtstarken Objektive benötigt.<br />
Ebenso genügen mittlere Brennweiten.<br />
Wichtig ist auch der richtige Standort, denn<br />
bei falschem Wind fotografiert man durch<br />
heiße Luft und Gase, was unweigerlich in<br />
einem unscharfen Bild endet.<br />
Lavafontänen und platzende Lavablasen<br />
Ist die Auswurfmenge besonders hoch oder<br />
sind die Brocken sehr groß und noch im Lavafetzenzustand,<br />
lohnt eine kurz belichtete<br />
Aufnahme. Hiermit kann die Bewegung eingefroren<br />
werden, und man gewinnt den Eindruck<br />
einer Fontäne oder platzenden Lavablase.<br />
Solche Fotos gelingen im Gegensatz<br />
zu Lavaflugbogen gerade im Tageslicht und<br />
nicht bei Nacht. Oftmals bieten sich hier sogar<br />
mehr Motive als bei der Nachtbeobachtung,<br />
daher sollte man nicht den Anfängerfehler<br />
machen und bei Tagesanbruch den<br />
Beobachtungsplatz verlassen.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 165 mm<br />
Belichtung 1/200 s<br />
Blende<br />
f/4,5<br />
ISO 100<br />
252
KAPITEL 4<br />
TANZ AUF<br />
DEM VULKAN<br />
Darauf ist im Umfeld von Lavafontänen<br />
zu achten<br />
• Schutz vor einzelnen, ungewöhnlich<br />
weit fliegenden Lavabröckchen durch<br />
feste Kleidung und vor allem Schutzhelm.<br />
Unbedingt Helmgurt verwenden,<br />
ein Bauhelm allein ist nicht zuverlässig<br />
genug.<br />
• Annäherung immer mit dem Wind, für<br />
den Fall einer nötigen Umrundung oder<br />
Windänderung immer Gasmaske in Bereitschaft<br />
halten.<br />
• Stetige Aufmerksamkeit auf spontan<br />
ausgeworfene Lavabomben, dabei die<br />
Flugbahn beobachten und entsprechend<br />
dem angenommenen Einschlag<br />
ausweichen. Dies aber niemals überhastet,<br />
um dadurch Unfälle im oft rauen<br />
Gelände zu vermeiden. Ebenso einen<br />
Beobachtungsplatz immer mit entsprechenden<br />
Fluchtmöglichkeiten wählen,<br />
also genügend Raum für Ausweichmanöver<br />
und/oder großen überhängenden<br />
Felsen als Schutz.<br />
• Niemals einen Schlafplatz an einer der<br />
Eruption nahen Beobachtungsstelle<br />
bauen. Obwohl sich das selbstverständlich<br />
anhört, verstößt man in der Praxis<br />
gern dagegen – vor allem wenn das<br />
Wetter schlechter wird oder man müde<br />
ist, aber dennoch keine Gelegenheiten<br />
verpassen will. Auch wenn die Eruption<br />
über lange Zeit völlig stabil zu sein<br />
scheint, kann sich bei längerer Unaufmerksamkeit<br />
einiges zum Ungünstigen<br />
hin verändern.<br />
• Nur beim zeitweisen Durchqueren von<br />
Gasschleppen Kamera vor direkter Gaseinwirkung<br />
schützen.<br />
• Bei remote platzierter Kamera auf jeden<br />
Fall Schutzbeutel, der Wind kann drehen<br />
und die Kamera in die Gasschleppe<br />
geraten.<br />
• Schutz der Kamera vor Einschlägen<br />
eigentlich unnötig, da die Trefferwahrscheinlichkeit<br />
sehr gering und ein geeignetes<br />
Schutzgehäuse viel zu unhandlich<br />
für die Feldarbeit ist.<br />
Rechts: Bei besonders<br />
starker Aktivität<br />
können wie hier<br />
am Stromboli auch<br />
größere Lavafetzen<br />
und sogar Lavablasen<br />
entweichen. Um solche<br />
Strukturen scharf zu<br />
bekommen, sind sehr<br />
kurze Belichtungszeiten<br />
nötig.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 200 mm<br />
Belichtung 1/800 s<br />
Blende<br />
f/5,6<br />
ISO 100<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 200 mm<br />
Belichtung 1/1250 s<br />
Blende<br />
f/3,5<br />
ISO 100<br />
253
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 200 mm<br />
Belichtung 1/800 s<br />
Blende<br />
f/5,6<br />
ISO 100<br />
254<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 28 mm<br />
Belichtung 2,5 s<br />
Blende<br />
f/1,4<br />
ISO 800<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 28 mm<br />
Belichtung 8 s<br />
Blende<br />
f/2,5<br />
ISO 200<br />
Platzende Schlammvulkane und<br />
heiße Springquellen<br />
Für viele unbekannt ist die überraschend<br />
hohe Anzahl an Schlammvulkanen . Viele<br />
davon befinden sich am Meeresboden.<br />
Gas, vor allem Kohlendioxid, treibt kalten<br />
oder warmen Schlamm an die Oberfläche,<br />
der ähnlich echter Lava die Hänge hinabläuft<br />
oder durch seine Zähigkeit mehrere<br />
Meter große Blasen bildet, die mit lautem<br />
Geräusch zerplatzen. Für diese platzenden<br />
Blasen braucht man ein gutes Gefühl für<br />
den richtigen Moment, eine kurze Belichtungszeit<br />
und aufgrund des instabilen Untergrunds<br />
eher eine Telebrennweite.<br />
Springquellen , sprich Geysire , sind ein besonders<br />
weites und ergiebiges Gebiet mit<br />
sehr lohnenden Fotomotiven. Zudem bergen<br />
sie wenig Gefahren, sieht man einmal<br />
vom Einbrechen in den oft dünnen und<br />
hohlen Boden ab. Bei Springquellen entlädt<br />
sich überhitztes Wasser alle paar Minuten<br />
bis Stunden. Interessant sind vor allem die<br />
aufsteigende Wasserblase kurz vor dem<br />
Zerplatzen und die eigentliche Wasserfontäne.<br />
Vor allem die Wasserblase erfordert<br />
ein gutes Reaktionsvermögen und eine kurze<br />
Belichtungszeit, eventuell hilft hier eine<br />
schnelle Bildserie. Interessant sind auch<br />
die bei richtigem Winkel und tiefer Sonne<br />
entstehenden Regenbogen. Bei Kälte entsteht<br />
mehr Dampf, der die Thermalgebiete<br />
zusätzlich strukturiert, aber leider auch oft<br />
den Blick auf Details verwehrt.<br />
Oben: Schlammvulkan Bledug Kuwu in Ostjava/<br />
Indonesien. Platzende Schlammblase.<br />
Mitte: Konus im aktiven Nordkrater des Vulkans<br />
Ol Doinyo Lengai im Rift Valley im nördlichen<br />
Tansania. Die dünnflüssige Lava fließt aus einer<br />
seitlichen Öffnung heraus, das Licht des Vollmonds<br />
bringt Zeichnung in die Landschaft.<br />
Unten: Lavastrom aus Natriumcarbonatitlava<br />
in der Abenddämmerung. Die Farbe hat soeben<br />
von Tiefschwarz auf Dunkelrot gewechselt, ein<br />
weltweit einzigartiger Vorgang.
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 17 mm<br />
Belichtung 1/400 s<br />
Blende<br />
f/8,0<br />
ISO 100<br />
KAPITEL 4<br />
TANZ AUF<br />
DEM VULKAN<br />
Spektakuläre Farbenspiele seltener<br />
Erscheinungsformen<br />
Alles bisher Erörterte geht von Silikat-Lava<br />
in verschiedenen Zusammensetzungen<br />
aus. Jedoch ist es durchaus möglich, wenn<br />
auch wesentlich seltener, andere Laven zu<br />
finden, so z. B. die Natriumcarbonatit-Lava<br />
am Ol Doinyo Lengai . Diese kann ebenso<br />
alle Erscheinungsformen der Silikat-Lava<br />
zeigen, ist jedoch wesentlich kühler und daher<br />
weniger leuchtkräftig. Am Tag erscheint<br />
sie vollkommen schwarz, wie Erdöl. Der<br />
Vorteil für den Fotografen ist die dadurch<br />
wesentlich bessere Nachtfototauglichkeit.<br />
So lassen sich Landschaft, Sterne und Lava<br />
gleichzeitig belichten, ohne wie bei Silikat-<br />
Lava komplett in die Sättigung zu gehen.<br />
Darüber hinaus ist der Farbwechsel von<br />
Tiefschwarz zu Tiefrot in der Dämmerung<br />
spektakulär. Weil die Lava beim Austritt<br />
extrem dünnflüssig ist und sich mit bis zu<br />
15 Metern pro Sekunde fortbewegt, ist auf<br />
einen sicheren Standort zu achten, auch die<br />
500 °C dieser Lava führen noch zu schwersten<br />
Verbrennungen. Die frische Lava erkaltet<br />
schnell und verfärbt sich durch die Umgebungsfeuchtigkeit<br />
im Verlauf von Stunden<br />
und Tagen in eine weiße Substanz.<br />
Im Interesse der Bildkomposition (dies ist<br />
die einzige Lava, die man ohne totale Überbelichtung<br />
auch nachts mit Landschaft kombinieren<br />
kann) empfiehlt sich ein leichtes bis<br />
stärkeres Weitwinkel. Und gerade an diesem<br />
Vulkan hilft eine hohe Lichtstärke sehr. Damit<br />
sind auch die Sterne noch als Punkte belichtbar,<br />
und man kann die äußeren Partien der<br />
Lava trotz Bewegung scharf bekommen.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 55 mm<br />
Belichtung 1/500 s<br />
Blende<br />
f/7,1<br />
ISO 100<br />
Oben: Der Strokkur-Geysir in Island.<br />
Unten: Aufsteigende Wasserblase kurz vor dem<br />
Zerplatzen, Strokkur-Geysir in Island.<br />
255
258
KAPITEL 5<br />
BLICK IN DEN<br />
STERNEN HIMMEL<br />
Blick in den Sternen himmel<br />
261 Voraussetzungen<br />
für die Astrofotografie<br />
262 In der frühen Dämmerung<br />
263 Zwischen Dämmerung und<br />
Nacht<br />
263 Mit den Belichtungszeiten spielen<br />
263 Dunkle Mondseite<br />
im aschgrauen Licht<br />
264 Arbeiten mit langen Belichtungszeiten<br />
264 Ein alter Trick – die Hutmethode<br />
264 Mond- und Sonnenfinsternisse<br />
264 Blutrot romantische Mondfinsternis<br />
265 Dramatische Effekte bei der Sonnenfinsternis<br />
267 Sternenhimmel mit Weitwinkel<br />
268 Sterne mutieren zu ästhetischen<br />
Strichspuren<br />
268 Belichtungszeiten und Objektivbrennweiten<br />
269 Ideale Brennweiten für die Stativkamera<br />
269 Unendlich ist nicht gleich unendlich<br />
270 Landschaft als Hintergrund<br />
270 Balance zwischen ISO und Blende<br />
271 Blick in die Milchstraße<br />
272 Sternstrichspuren als Stilmittel<br />
274 Nachteil der Digitaltechnik<br />
274 Extreme Belichtungszeiten<br />
275 Motorischer Ausgleich<br />
der Erdrotation<br />
276 Arbeiten mit parallaktischer<br />
Montierung<br />
277 Optimierte Kameras<br />
für die Astrofotografie<br />
277 Langbrennweitige<br />
Teleobjektive<br />
278 Sehr lange Brennweiten<br />
279 Fortgeschrittene<br />
Astro fotografie<br />
259
5<br />
Blick in den Sternen himmel<br />
Wer hat nicht schon mal einen unglaublich schönen Sternenhimmel oder einen Mondaufgang<br />
gesehen, den er allzu gern im Bild festgehalten hätte? Diese sogenannte Astrofotografie<br />
ist eine der schwierigsten fotografischen Disziplinen überhaupt, denn das Licht<br />
der Himmelsobjekte ist relativ schwach, und die Himmelsobjekte stehen nicht still! Sonne,<br />
Mond, Planeten und Sterne ziehen infolge der Erddrehung in festgelegten Bahnen über den<br />
Himmel, und ihre Bewegungen sind schneller, als man glaubt, sodass es spezielle Techniken<br />
braucht, ein scharfes Bild zu erhalten.<br />
260
KAPITEL 5<br />
BLICK IN DEN<br />
STERNEN HIMMEL<br />
ÜBER DEN AUTOR<br />
Südlicher Sternenhimmel<br />
mit Milchstraße,<br />
Poldrehaufnahme um<br />
den Himmelssüdpol,<br />
Lombok, Indonesien,<br />
Caldera des Rinjani-<br />
Vulkans, 28.08.2009,<br />
23:00h.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 16 mm Fisheye<br />
Belichtung 15 min<br />
Blende f/4<br />
ISO 100<br />
Voraussetzungen<br />
für die Astrofotografie<br />
Voraussetzungen sind eine digitale Spiegelreflexkamera<br />
mit hoher ISO-Einstellung<br />
und rauscharmem Sensor, ein Stativ, ein<br />
Drahtauslöser sowie Objektive mit möglichst<br />
kleiner Blendenzahl. Kennt man noch<br />
die wichtigsten Zusammenhänge und<br />
Grundlagen, lassen sich mit einfachen Mitteln<br />
sehr stimmungsvolle Fotos gewinnen.<br />
Michael Risch, Jahrgang 1967, Mitbegründer<br />
der Hobbyastronomen-Community<br />
Astronomie.de und Mitarbeiter<br />
von Baader Planetarium ist 1981<br />
mit seinem ersten Teleskop in die<br />
beobachtende Astronomie eingestiegen<br />
und hat unmittelbar danach seine<br />
ersten Schritte in die Astrofotografie<br />
getan. Anlass war die Wiederkehr des<br />
Kometen Halley. Seither hat er mit<br />
mobilem Equipment immer wieder<br />
fotografische Reisen unternommen.<br />
Die Ergebnisse wurden auf Ausstellungen<br />
gezeigt und in Fachzeitschriften<br />
publiziert. Seit 2001 leitet<br />
er jährlich Reisen in den Polarkreis<br />
zur Beobachtung und Fotografie von<br />
Polarlichtern.<br />
261
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 600 mm<br />
Belichtung 1/2 s<br />
Blende f/4<br />
ISO 200<br />
Komet McNaught<br />
am Abendhimmel,<br />
09.01.2007 17:37h.<br />
262<br />
Etwas mehr Technik erlaubt sehr beeindruckende<br />
Fotos vom tiefen Universum.<br />
Generell ist es in der Astrofotografie notwendig,<br />
die Automatik der Kamera auszuschalten<br />
und mit rein manueller Einstellung<br />
(Einstellung M) zu arbeiten. Belichtungsautomatik<br />
oder gar Motivprogramme sind<br />
nicht auf die speziellen Lichtverhältnisse<br />
abgestimmt, es würden überbelichtete, verrauschte<br />
und verwackelte Bilder entstehen.<br />
Besser ist es, sich genug Zeit nehmen, um<br />
Belichtungsserien mit verschiedenen ISO-<br />
Einstellungen zu testen; dadurch entwickelt<br />
sich ein Gefühl für die richtigen Werte.<br />
In der frühen Dämmerung<br />
Ausschließlich in der frühen Dämmerung<br />
hilft manchmal die Kameraautomatik dabei,<br />
gute Anhaltspunkte für die Werte erster<br />
Fotos zu erhalten. Herkömmliche astro-<br />
EIN STABILES STATIV<br />
IST ALLES<br />
Trotz der relativ kurzen Belichtungszeiten<br />
ist in der Dämmerung ein stabiles<br />
Stativ ratsam. Leichte Stative sind<br />
ein Kompromiss, der nur eingegangen<br />
werden sollte, wenn z. B. bei Flugreisen<br />
oder Wanderungen das Gewicht<br />
eines stabilen Stativs zum Problem<br />
wird. Beim Fokussieren langer Brennweiten<br />
mit z. B. Live-View für eine<br />
Belichtungsserie, vor allem jedoch bei<br />
Wind, ist eine Kombination aus stabilem<br />
Stativ und einem mechanisch<br />
steifen, exakten Neigekopf wichtig.
KAPITEL 5<br />
BLICK IN DEN<br />
STERNEN HIMMEL<br />
nomische Objekte zu dieser Tageszeit sind<br />
Sonne und Mond. Ein- oder zweimal im Jahr<br />
gesellt sich ein Planet zum Sonnenauf- oder<br />
-untergang hinzu. Ganz selten steht ein Besucher<br />
aus dem äußeren Sonnensystem,<br />
ein Komet , knapp über dem Horizont im<br />
roten Abend- oder Morgenhimmel. Informationen<br />
über solche besonderen Himmelsereignisse<br />
finden sich im Internet auf<br />
Webseiten für Amateurastronomen wie<br />
z. B. Astronomie.de.<br />
Zwischen Dämmerung und<br />
Nacht<br />
Die Übergangszeit zwischen heller Dämmerung<br />
und Nacht eignet sich ideal, um mit<br />
herkömmlicher Technik ohne großen Aufwand<br />
sehr ungewöhnliche, stimmungsvolle<br />
Aufnahmen zu erhalten. Vor allem der tief<br />
stehende, gelbliche Mond auf dunkelblauem<br />
Himmelshintergrund übt eine Faszination<br />
aus, der sich kaum jemand entziehen kann.<br />
Dunkle Mondseite<br />
im aschgrauen Licht<br />
Genau so, wie der Mond nachts am irdischen<br />
Firmament leuchtet und die Landschaft<br />
erhellt, so ist die Erde am Nachthimmel<br />
des Monds ebenfalls ein helles Objekt.<br />
Sie erleuchtet die Kraterlandschaften des<br />
Monds dank ihrer Größe wesentlich stärker<br />
als der Vollmond die Erdnacht. Die dunkle<br />
Seite des Monds wird so in ein graues Licht<br />
getaucht, das sich einige Tage vor und nach<br />
Neumond um die Dämmerungszeit beobachten<br />
lässt. Steht noch ein heller Stern<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 300 mm<br />
Belichtung 1/20 s<br />
Blende f/7<br />
ISO 100<br />
Mit den Belichtungszeiten spielen<br />
Der Himmel ist nach Sonnenuntergang zunächst<br />
hellblau und färbt sich dann langsam<br />
tief dunkelblau, bevor er schließlich nachtschwarz<br />
wird. Der automatische Weißabgleich<br />
ist in der blauen Stunde nicht sinnvoll.<br />
Idealerweise korrigiert man die Farbabstimmung<br />
später am PC, die Fotos sollten also<br />
im RAW-Format erstellt werden. Es empfiehlt<br />
sich in der Astrofotografie generell<br />
das RAW-Format, denn nur damit sind am<br />
PC weitreichende Korrekturen zur optimalen<br />
Ausnutzung der Bilddaten möglich.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 600 mm<br />
Belichtung 8 s<br />
Blende f/8<br />
ISO 100<br />
Oben: Westgrönland, Ilulissat Eisfjord, aufgehender<br />
Vollmond, 29.08.2007 abends.<br />
Unten: Zunehmender Mond am Abendhimmel,<br />
Erdschein (sekundäres Licht), Planet Venus,<br />
19.02.2007 18:25h.<br />
263
oder Planet in der Nähe, ergibt sich eine<br />
sehens- und fotografierenswerte Konstellation<br />
von zwei Himmelskörpern.<br />
Arbeiten mit langen Belichtungszeiten<br />
Für die Aufnahme benötigt man wiederum<br />
ein festes Stativ, denn die Brennweite sollte<br />
um 200 mm liegen. Bei längeren Brennweiten<br />
verwischt das Bild, bedingt durch die<br />
Erddrehung, während der Belichtungszeit.<br />
Mit 200 mm Brennweite liegt die Belichtungszeit<br />
zwischen 2 und 4 Sekunden. Die<br />
Empfindlichkeit sollte je nach Blendenzahl<br />
des Objektivs bei ca. ISO 200 bis ISO 800<br />
liegen. Oft ist die Mondsichel überbelichtet,<br />
wenn das aschgraue Licht hervortritt, aus<br />
dem das Bild seine Ästhetik bezieht.<br />
Der Autofokus funktioniert beim Mond in<br />
den meisten Fällen gut, anders als bei vielen<br />
anderen Himmelsobjekten. Um zu verhindern,<br />
dass bei mehreren Sekunden Belichtungszeit<br />
das Bild durch die Vibration des<br />
zurückklappenden Spiegels ruiniert wird,<br />
sind ein Fernauslöser oder Selbstauslöser<br />
sowie die Einstellung der Spiegelvorauslösung<br />
hilfreich.<br />
Ein alter Trick – die Hutmethode<br />
Ein alter Trick, wenn man keinen Selbstoder<br />
Fernauslöser zur Hand hat: die Hutmethode<br />
. Man stellt die Kamera auf einige<br />
Sekunden Belichtungszeit (4 bis 15 Sekunden),<br />
hält einen Hut oder eine Zeitschrift<br />
vor die Optik, ohne diese damit zu berühren,<br />
und drückt dann den Auslöser. Etwa 2<br />
bis 3 Sekunden dauert es, bis die Vibrationen<br />
abgeklungen sind. Dann zieht man Hut<br />
oder das Heft für die gewünschte Belichtungszeit<br />
vor der Optik weg. Dieser Trick<br />
funktioniert besonders bei sehr langen Teleskopbrennweiten,<br />
bei denen selbst der<br />
Schlitzverschluss der Kamera eine zu hohe<br />
Vibration erzeugt.<br />
Stimmungsvoll wirken Fotos des Monds mit<br />
Erdlicht aber auch bei geringerer Brennweite,<br />
wenn eine schöne Landschaftskulisse<br />
mit einbezogen werden kann.<br />
Mond- und Sonnenfinsternisse<br />
Wenn sich der Mond im Schatten der Erde<br />
verfinstert (Mondfinsternis) oder sich vor<br />
die Sonne schiebt (Sonnenfinsternis), ist<br />
das für Astrofotografen ein Pflichttermin.<br />
Von einem festen Standort aus wird man<br />
im Laufe seines Lebens wesentlich mehr<br />
Mondfinsternisse als Sonnenfinsternisse<br />
zu sehen bekommen, das liegt vor allem an<br />
der Geometrie der Bahnen von Sonne und<br />
Mond. Finsternisse vergehen erfahrungsgemäß<br />
viel zu schnell für Experimente, deshalb<br />
sollte man schon Wochen im Voraus<br />
mit der Ausrüstung experimentieren und<br />
sich einen Ablaufplan (Belichtungszeiten,<br />
Brennweiten, Objektivwechsel) überlegen,<br />
der während des Ereignisses abgearbeitet<br />
werden kann.<br />
Blutrot romantische Mondfinsternis<br />
Wenn der Vollmond in den Schatten der<br />
Erde gleitet, spricht man von einer Mondfinsternis<br />
. Der Mond wird dabei noch vom<br />
roten Licht erleuchtet, das die Erdatmosphäre<br />
in den Schatten der Erde reflektiert.<br />
Fast jedes Jahr ist eine Mondfinsternis zu<br />
sehen. Im Gegensatz zur totalen Sonnenfinsternis<br />
lässt sie sich von der kompletten<br />
dem Mond zugewandten Erdseite beobachten<br />
und nicht nur in einem schmalen,<br />
eingegrenzten Gebiet. Für das bloße Auge<br />
nimmt der Mond einen Farbton an, der von<br />
Hellorange bis Dunkelbraun variieren kann.<br />
Mehrere Sekunden lange Belichtungen sind<br />
erforderlich. Ohne Nachführung mit Stativ<br />
empfiehlt sich daher eine Beschränkung auf<br />
etwa 200 bis 300 mm Brennweite.<br />
264
KAPITEL 5<br />
BLICK IN DEN<br />
STERNEN HIMMEL<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 1.800 mm,<br />
2x-Telekonverter<br />
Belichtung 1/60 bis 20 s<br />
Ein schönes, scharfes und durchgezeichnetes<br />
Bild, das man etwas beschneidet, ist<br />
besser als ein verzogenes, verwackeltes und<br />
zu dunkles langbrennweitiges Bild. Mit einer<br />
Serie von Einzelaufnahmen lässt sich am<br />
Computer der gesamte Finsternisverlauf als<br />
Reihenaufnahme zusammensetzen.<br />
Dramatische Effekte bei der Sonnenfinsternis<br />
Bei einer Sonnenfinsternis schiebt sich der<br />
Mond vor die Sonne. Weil die Bahn des<br />
Monds um die Erde nicht exakt mit dem<br />
Sonnenlauf am Himmel übereinstimmt,<br />
geschieht das nur sehr selten. Die fotografierbaren<br />
Effekte sind dramatisch. Bei<br />
der partiellen Sonnenfinsternis bzw. in der<br />
partiellen Phase einer totalen Sonnenfinsternis,<br />
wenn die Sonne noch nicht komplett<br />
vom Mond verdeckt ist, muss unbedingt ein<br />
Filter vor die Optik gesetzt werden, um das<br />
grelle Sonnenlicht um mindestens den Faktor<br />
10.000 bis 100.000 abzuschwächen.<br />
Totale Mondfinsternis, Komposit aus sieben Einzelaufnahmen,<br />
09.01.2001.<br />
Totale Sonnenfinsternis, Konya, Türkei, HDR aus sechs Einzelbildern,<br />
29.03.2006.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 600 mm,<br />
ED80 Refraktor<br />
Belichtung 1/60 bis 1 s<br />
Blende<br />
f/7,5<br />
ISO 100<br />
265
WARNUNG!<br />
Der direkte Blick in die Sonne ist<br />
gefährlich – für das Auge und für<br />
die Kameraausrüstung. Auch alte<br />
Hausmittel wie rußgeschwärzte<br />
Scheiben oder unbelichteter Schwarz-<br />
Weiß-Film sowie Schweißgläser sind<br />
unbrauchbar, denn sie lassen zu viel<br />
schädliches UV- und IR-Licht durch,<br />
das man zwar nicht sieht und spürt,<br />
das aber die Augen und die Ausrüstung<br />
zerstört.<br />
Die unkomplizierteste Montage und beste<br />
Filterung ermöglicht eine Sonnenfilterfolie,<br />
wie sie bei jedem Astrohändler im Internet<br />
erhältlich ist. Diese Folie kann man in kleine<br />
Stücke zerteilen und mit Klebeband oder<br />
Pappfassung stabil vor der jeweiligen Optik<br />
befestigen. Jedoch ist darauf zu achten,<br />
dass der Filter während der totalen Phase<br />
schnell abgenommen und danach wieder<br />
aufgesetzt werden kann.<br />
Partielle Sonnenfinsternis<br />
In Deutschland kann man alle zwei bis drei<br />
Jahre eine partielle, also teilweise Sonnenfinsternis<br />
beobachten. Dabei bedeckt der<br />
Mond nur einen kleineren oder größeren<br />
Teil der Sonne, verfinstert sie jedoch nicht<br />
komplett. Ebenso wie bei einer Mondfinsternis<br />
ist die Fotografie der partiellen Phase<br />
einer Sonnenfinsternis recht einfach. Unbedingt<br />
erforderlich ist wie oben beschrieben<br />
ein Sonnenfilter. Mit ein paar Belichtungsversuchen<br />
per Automatikeinstellung findet<br />
man schnell die optimale Belichtungszeit.<br />
Achten Sie auf die kleinen Höcker in der<br />
Histogrammdarstellung, das sind die dem<br />
Sonnen- bzw. Mondbild zugehörigen Grauwerte.<br />
Diese sollen zwar im oberen Bereich<br />
sein, dürfen aber keinesfalls am rechten<br />
Ende in der Sättigung liegen.<br />
Totale Sonnenfinsternis<br />
Eine totale Sonnenfinsternis erleben die<br />
meisten Menschen niemals in ihrem Leben.<br />
Etwa einmal im Jahr ist in einem circa 50<br />
Kilometer breiten und wenige Tausend Kilometer<br />
langen Streifen auf der Erde, dem sogenannten<br />
Totalitätspfad, dieses Schauspiel<br />
zu bewundern. Die Sonne wird nur in diesem<br />
Gebiet komplett vom Mond verdeckt, und<br />
es kommt zu einer extremen Veränderung<br />
der Natur rund um den Beobachter. Von der<br />
Sonne bleibt nur ein heller Lichtkranz, die<br />
Korona , am Himmel übrig. Die Landschaft<br />
wird in Sekundenschnelle dunkel und in ein<br />
merkwürdiges Zwielicht getaucht, der ganze<br />
Horizont glimmt in Dämmerungsfarben,<br />
und am Tag werden Sterne sichtbar.<br />
Die Temperatur fällt spürbar, Vögel singen<br />
ihr Abendlied. Durch diese einmalige Atmosphäre<br />
machen Sonnenfinsternisse regelrecht<br />
süchtig. Viele Enthusiasten haben<br />
sich in den letzten Jahren zu sogenannten<br />
Eclipse-Chasern entwickelt, die zu den Orten<br />
totaler Sonnenfinsternisse auf der ganzen<br />
Welt reisen. Wir verdanken dieses Naturereignis<br />
einem kosmischen Zufall: Mond<br />
und Sonne erscheinen am Himmel etwa<br />
gleich groß, die Sonne hat allerdings den<br />
400-fachen Durchmesser des Monds und<br />
wirkt von der Erde aus nur deshalb so klein,<br />
weil sie viel weiter entfernt ist als der Mond.<br />
Will man Mond bzw. Sonne bildfüllend aufnehmen,<br />
bedarf es überraschend langer<br />
Brennweiten. Für z. B. das Kleinbildformat<br />
sind es immerhin 2.500 mm Brennweite. Es<br />
gibt keine Teleobjektive dieser Brennweite,<br />
266
KAPITEL 5<br />
BLICK IN DEN<br />
STERNEN HIMMEL<br />
und ein solches wäre auf einem üblichen<br />
Fotostativ aufgrund der Verwacklungsgefahr<br />
auch keinesfalls beherrschbar. Solche<br />
Brennweiten bleiben den motorisch nachgeführten<br />
Teleskopen fortgeschrittener Astrofotoamateure<br />
vorbehalten. Jedoch reicht die<br />
hohe Auflösung moderner Digitalkameras<br />
durchaus, um auch bei wesentlich kürzeren<br />
Brennweiten eindrucksvolle Ergebnisse zu<br />
erzielen. Es bieten sich vor allem Reihenaufnahmen<br />
des gesamten Finsternisverlaufs<br />
bei Mond- und Sonnenfinsternissen an,<br />
aber auch Weitwinkelaufnahmen mit Einbindung<br />
der umliegenden Landschaft.<br />
Gerade bei einer Sonnenfinsternis werden<br />
dadurch die einzigartigen Stimmungen in<br />
der Atmosphäre und der Umgebung erfasst.<br />
Mittlere Brennweiten um 200 bis<br />
600 mm zeigen auch den vollen Kranz der<br />
Sonnenkorona bei einer totalen Sonnenfinsternis.<br />
Die Sonnenkorona ist so hell wie<br />
der Vollmond, die Belichtungszeiten bleiben<br />
fast immer unter 2 Sekunden. Ärgerlich<br />
und schwer zu beherrschen ist jedoch die<br />
Erddrehung, das Bild wandert schon in Sekunden<br />
deutlich aus der Bildmitte. Besitzer<br />
einer motorisierten Teleskopmontierung<br />
(ab ca. 500 Euro) können dieses Problem<br />
technisch kompensieren. Mit Fotostativ<br />
wählt man stattdessen eine etwas kürzere,<br />
beherrschbare Brennweite.<br />
Belichtungsreihen sind Pflicht<br />
Die totale Phase einer Sonnenfinsternis<br />
dauert meist nur zwei bis drei Minuten,<br />
maximal sieben – was jedoch nur ein- bis<br />
zweimal im Jahrhundert irgendwo auf der<br />
Erde vorkommt. Die kurze zur Verfügung<br />
stehende Zeit lässt lediglich eine einzige<br />
durchgehende Belichtungsreihe zu. Praktische<br />
Werte bei den üblichen Blenden f/5<br />
bis f/12 sind 1/250 Sekunde für die innerste<br />
Korona mit den Protuberanzen (Gaseruptionen<br />
über dem Sonnenrand) bis etwa 2<br />
bis 4 Sekunden für die äußerste Korona bei<br />
besonders klarem Himmel. Es ist unmöglich,<br />
die extremen Kontrastunterschiede in<br />
einem Bild zu erfassen, diese können bis<br />
eins zu einer Million betragen. Eine solche<br />
Dynamik in einem einzigen Foto aufzunehmen,<br />
gelingt mit keiner heute zur Verfügung<br />
stehenden Technik.<br />
Möchte man die Sonnenkorona fotografisch<br />
so darstellen, wie das Auge sie sieht,<br />
muss man die oben beschriebene Bildserie<br />
mit HDR-Technik zu einem Bild vereinen.<br />
Wichtig ist ferner, auf die Scharfstellung<br />
zu achten. Zwar funktioniert der Autofokus<br />
oder auch die Live-View-Ansicht tadellos<br />
am Mond- oder Sonnenrand, sobald<br />
aber die Totalität eintritt, verändern sich<br />
die Lichtverhältnisse derart, dass man den<br />
Rand von Sonne oder Mond nicht mehr zur<br />
Fokussierung heranziehen kann. Es empfiehlt<br />
sich dringend, noch vor der Totalität<br />
präzise scharf zu stellen und dann auf jede<br />
weitere Fokussierung bis nach der Totalitätsphase<br />
zu verzichten. Fokussiert man<br />
nur einmal zu Beginn der Finsternis, besteht<br />
gerade bei längeren Brennweiten die Gefahr,<br />
dass sich mit der Änderung der Umgebungstemperatur<br />
der Fokus verschiebt.<br />
Daher sollten Sie unbedingt zwischendurch<br />
den Fokus kontrollieren.<br />
Sternenhimmel mit Weitwinkel<br />
Wenn die Nacht einbricht und die Sterne<br />
sichtbar werden, passt sich unser Auge an die<br />
Dunkelheit an, ohne dass wir es merken. Die<br />
Sehzellen, die für das Farbsehen zuständig<br />
sind (Zäpfchen), stellen den Dienst ein, und<br />
die wesentlich empfindlicheren Schwarz-<br />
Weiß-Sehzellen (Stäbchen) erzeugen das<br />
Bild. Deshalb sehen wir nachts kaum Farben,<br />
was die Volksweisheit „In der Nacht sind alle<br />
267
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 28 mm<br />
Belichtung 15 s<br />
Blende f/2<br />
ISO 400<br />
Morgendämmerung<br />
über dem bayerischen<br />
Voralpenland,<br />
Wildalpjoch-Gipfel,<br />
27.12.2006 6:34h.<br />
268<br />
Katzen grau“ erklärt. Die Belichtungsautomatik<br />
der Kamera ist leider nicht so flexibel<br />
wie unser Auge. Sie erkennt die Sterne nicht<br />
und liefert unendliche Belichtungszeiten,<br />
obwohl schon mit einigen Sekunden Belichtungszeit<br />
Sterne sichtbar zu machen sind.<br />
Deshalb bleibt dem Fotografen nur, die Kamera<br />
manuell einzustellen.<br />
Sterne mutieren zu ästhetischen Strichspuren<br />
Will man die Sterne als Punkte abbilden, wie<br />
das Auge sie sieht, dürfen die Belichtungszeiten<br />
je nach Objektivbrennweite und aufzunehmender<br />
Himmelsregion nicht zu lang<br />
sein, weil ansonsten die Sterne zu kleinen<br />
Strichen ausgezogen werden. Diese sogenannten<br />
Strichspuren sehen sehr ästhetisch<br />
aus bei sehr langen Belichtungen. Sind sie<br />
jedoch zu kurz, wirken sie für die meisten<br />
Betrachter eher unruhig und störend.<br />
Belichtungszeiten und Objektivbrennweiten<br />
Es gibt in der einschlägigen Fachliteratur<br />
allerlei Berechnungsformeln, die die maximalen<br />
Belichtungszeiten bei verschiedenen<br />
Objektivbrennweiten in Abhängigkeit von<br />
der Stellung des Objekts am Himmel angeben.<br />
Diese wurden zu Zeiten der Emulsionsfotografie<br />
entwickelt, da man noch nicht die<br />
Möglichkeit hatte, wie in der Digitalfotografie<br />
nach dem Try-and-Error-Prinzip zu verfahren,<br />
also mit den Belichtungszeiten zu<br />
experimentieren und sich die Bilder gleich<br />
nach der Aufnahme am eingebauten Bildschirm<br />
der Kamera anzusehen. Diese Technik<br />
macht es uns heute leicht, ein Gefühl für<br />
die richtige Belichtungszeit in der jeweiligen<br />
Situation zu entwickeln. Wir geben deshalb<br />
hier nur Richtwerte statt Formeln an.
KAPITEL 5<br />
BLICK IN DEN<br />
STERNEN HIMMEL<br />
Ideale Brennweiten für die Stativkamera<br />
Ideale Brennweiten bei Aufnahmen mit einer<br />
auf einem Fotostativ montierten Kamera<br />
sind 8 bis 85 mm (Kleinbild). Bei höheren<br />
Brennweiten wandern die Sterne zu schnell,<br />
und es entstehen unschöne kurze Striche<br />
selbst bei kürzestmöglichen Belichtungszeiten<br />
von wenigen Sekunden. Die maximal<br />
möglichen Belichtungszeiten liegen<br />
zwischen etwa 5 Sekunden (85 mm) und 1<br />
Minute (8-mm-Fisheye).<br />
Mit Brennweiten von 35 bis 50 mm (Kleinbild)<br />
kann man einzelne Sternbilder voll<br />
erfassen und damit einen eigenen Katalog<br />
der Sternbilder erstellen. Gerade für diesen<br />
Bereich gibt es Objektive hoher Lichtstärke,<br />
die auch diverse schwache Sterne erfassen.<br />
Anders als bei vielen anderen Fotomotiven,<br />
wo die Regel gilt, für beste Abbildung immer<br />
ein bis zwei Blenden unter der Maximalöffnung<br />
des jeweiligen Objektivs zu bleiben,<br />
sollte man in der sogenannten Deep-Sky-<br />
Astrofotografie die Blende voll öffnen.<br />
Das Risiko, in den Bildecken verzogene<br />
Sternabbildungen zu erhalten, ist zugunsten<br />
der Abbildung vieler Sterne in der möglichen<br />
Belichtungszeit vertretbar. Um am nachtschwarzen<br />
Himmel möglichst viele Sterne<br />
zu erfassen, bedarf es einer hohen ISO-Einstellung.<br />
Trotz verstärkten Rauschens, das<br />
sich speziell in der Sternfotografie nur sehr<br />
schwer mit Filtern glätten lässt – denn beim<br />
Filtern verschwinden die Sterne gleich mit –,<br />
wirkt das jeweilige Sternbild bei hohen ISO-<br />
Werten deutlich besser.<br />
Denkbar ist auch die Addition mehrerer<br />
Einzelbilder, um das Bildrauschen zu reduzieren.<br />
Dazu werden spezielle Programme<br />
aus dem Astrofotografiebereich benötigt,<br />
die dazu dienen, die sich weiterbewegenden<br />
Sterne geometrisch richtig übereinander zu<br />
zentrieren, bevor man die Bilder addiert.<br />
Unendlich ist nicht gleich unendlich<br />
Wichtig ist auch eine optimale Scharfstellung.<br />
Gerade die feinen Lichtpunkte sind<br />
extrem kritische Indikatoren für die Objektivqualität.<br />
Schon eine leichte Fokusabweichung<br />
zeigt unschöne, weiche Sterne. Im<br />
Gegensatz zu den manuellen Objektiven<br />
von früher mit fester, metallener Fassung<br />
und festem Unendlich-Anschlag haben<br />
alle heutigen AF-Objektive deutliches Spiel<br />
über den Unendlich-Punkt hinaus. Das bedeutet<br />
eine kritische Scharfstellung, ohne<br />
sich auf die Skalen der Objektive verlassen<br />
zu können. Leider ist der Autofokus an<br />
schwachen Sternen sehr unzuverlässig, hier<br />
hilft nur das Scharfstellen an einem Planeten,<br />
am Mond oder einem sehr hellen Stern.<br />
Gelingt auch das nicht, bietet der Live-View<br />
mit maximaler Vergrößerung eine gute<br />
Scharfstellhilfe.<br />
SCHARFSTELLEN<br />
AN TERRESTRISCHEN<br />
OBJEKTEN<br />
Auf unendlich scharf gestellt werden<br />
muss immer mit einer rein weißen<br />
Lichtquelle, ansonsten sorgt der sogenannte<br />
Farblängsfehler, den jedes<br />
Objektiv mehr oder weniger stark aufweist,<br />
für eine falsche Fokussierung.<br />
Weit entfernte terrestrische Lichtquellen<br />
sind häufig ungeeignet. Selbst<br />
wenn sie weiß wirken, können sie z. B.<br />
einen zu großen Rot-Anteil haben.<br />
Es ist also Vorsicht geboten.<br />
269
Sternbild Orion über<br />
den Dolomiten,<br />
Marmolada-Gipfel,<br />
Südtirol, 22.09.2010,<br />
2:20h.<br />
Landschaft als Hintergrund<br />
Gerade die Aufnahmen von Sternen von<br />
einem fest stehenden Stativ schaffen die<br />
Möglichkeit, die umgebende Landschaft<br />
mit einzubinden, es wird dann ein klarer und<br />
oft sehr ästhetischer terrestrischer Bezug<br />
geschaffen. Das ist der große Vorteil dieser<br />
einfachen Aufnahmetechnik, denn all die<br />
fantastischen Sternfeld- und Sternennebelaufnahmen<br />
der Großteleskope haben eines<br />
gemeinsam: Es fehlt genau dieser terrestrische<br />
Bezug.<br />
Entgegen der sonstigen Notwendigkeit eines<br />
dunklen Himmels in der Astrofotografie sind<br />
solche Aufnahmen am besten bei nahezu<br />
vollem Mond und/oder in der fortgeschrittenen<br />
Dämmerung zu machen. Bei DSLR-<br />
Kameras mit herkömmlichem Spiegelreflexsucher<br />
ist die Bildkomposition recht einfach.<br />
Wichtig ist ein gerader Horizont, weil das<br />
nachträgliche Drehen des Bilds eventuell<br />
Teile der gewünschten Sternbilder beschneidet.<br />
Nachts ist die Horizontbeurteilung im<br />
Sucher deutlich erschwert. Hilfreich ist eine<br />
aufsteckbare Wasserwaage, wie es sie im<br />
Fotozubehörhandel überall gibt. Für die Belichtungszeiten<br />
gelten die Ausführungen aus<br />
dem vorigen Abschnitt, auch hier wirken die<br />
Striche bei zu langer Belichtung eher störend.<br />
Balance zwischen ISO und Blende<br />
Die Empfindlichkeit (ISO) der Kamera sollte<br />
bei Sternfeldaufnahmen mit Landschaft im<br />
Vordergrund nicht zu hoch eingestellt werden,<br />
weil gerade bei den Landschaftsdetails<br />
das Bildrauschen stört. Dämmerungs- und<br />
Mondlicht, das die Landschaft beleuchtet,<br />
macht es einfacher, dieses Problem zu<br />
überdecken. ISO 400 bis ISO 800 reichen<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 18 mm<br />
Belichtung 30 s<br />
Blende<br />
f/3,5<br />
ISO 200<br />
270
KAPITEL 5<br />
BLICK IN DEN<br />
STERNEN HIMMEL<br />
bei einem Objektiv mit Blende 1,4 bis 2,8 in<br />
der Regel aus. Denkbar ist auch das Stacken<br />
(Aufaddieren) mehrerer Bilder. Wendet<br />
man diese Summierung nur auf den Landschaftsteil<br />
an, bleiben die Sterne punktförmig.<br />
Auch ein Rauschfilter, wie er in fast jedem<br />
Bildbearbeitungsprogramm zu finden<br />
ist, bringt oft eine Verbesserung. Leider<br />
sind diese Tools nicht auf die Astrofotografie<br />
optimiert und zerstören viele schwache<br />
Sterne. Auch eine zu starke Nachschärfung<br />
wirkt bei Sternen schnell unnatürlich.<br />
Am besten geeignet zum Einbinden terrestrischer<br />
Motive ist ein möglichst gutes<br />
Weitwinkelobjektiv. Zum einen wird erst<br />
dadurch das Abbilden ganzer Sternbilder<br />
zusammen mit der Landschaft möglich,<br />
zum anderen erlaubt die kurze Brennweite<br />
eine längere Belichtungszeit, ohne dass unschöne<br />
Strichspuren entstehen.<br />
Blick in die Milchstraße<br />
Mit der beschriebenen Technik zur Fotografie<br />
der Sterne lässt sich sehr weit in den<br />
Weltraum vordringen. In einer mondarmen<br />
Nacht sind sogar die Sternwolken der<br />
Milchstraße, unserer Heimatgalaxie, abzubilden.<br />
Dieses schwache, milchige Band<br />
am Himmel besteht aus vielen Milliarden<br />
von Sternen, von denen jeder eine Sonne<br />
ist wie unsere Sonne. Die Sterne der Milchstraße<br />
sind allerdings so weit von der Erde<br />
entfernt, dass das Licht bis zu uns mehrere<br />
Zehntausend Jahre unterwegs ist. Sie können<br />
mit einem Foto der Milchstraße also<br />
Licht konservieren, das ausgesandt wurde,<br />
als unsere Vorfahren noch in Höhlen gewohnt<br />
haben. Dadurch wird Ihre Kamera zu<br />
einer Zeitmaschine – Sie blicken in der Zeit<br />
zurück.<br />
Südlicher Sternen himmel<br />
mit Milchstraße, darunter<br />
Fish-River Canyon,<br />
Namibia, 06.06.2010,<br />
5:15h.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 16 mm Fisheye<br />
Belichtung 60 s<br />
Blende<br />
f/2,8<br />
ISO 800<br />
271
Zum Vergleich: Das Licht vom Mond zur<br />
Erde ist nur eine Sekunde auf der Reise. Von<br />
der Sonne bis zu uns benötigt ein Lichtstrahl<br />
etwa acht Minuten.<br />
Für Fotos der Milchstraße empfiehlt sich<br />
ein starkes Weitwinkelobjektiv, am besten<br />
ein Fisheye mit voller Öffnung. Es ermöglicht<br />
eine lange Belichtungszeit von 30 Sekunden<br />
und mehr ohne Strichspuren sowie<br />
eine für die Sternwolken und Dunkelnebel<br />
unserer Heimatgalaxie ausreichende Flächenhelligkeitsempfindlichkeit.<br />
Sehr schön<br />
sind auf solchen Fotos auch zahlreiche<br />
Sternbilder im Gesamtzusammenhang darstellbar.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 24 mm<br />
Belichtung 165 min<br />
Blende f/4<br />
ISO 800<br />
Sternstrichspuren als Stilmittel<br />
Will man komplette Sternbilder sichtbar<br />
machen, stört die Erddrehung, sie zieht die<br />
einzelnen Sterne zu kurzen Strichen auseinander.<br />
Allerdings lässt sich dieser Effekt<br />
auch nutzen, um Fotos mit einer völlig anderen<br />
Ästhetik zu gewinnen. Wenn man<br />
die Belichtungszeit extrem in die Länge<br />
zieht, entstehen völlig neue Phänomene.<br />
Der Himmelsnord- oder -südpol wird als<br />
zentraler Punkt deutlich, alle Sterne scheinen<br />
sich darum zu bewegen. Mehrstündige<br />
Belichtungszeiten lassen die unzähligen<br />
Sternstrichspuren wie einen Lichtstrudel<br />
erscheinen. Solche Fotos vermitteln ein Gefühl<br />
für die Erdrotation, wie es sonst kaum<br />
möglich ist. In Kombination mit einer interessanten<br />
Landschaft oder anderen Objekten<br />
entstehen verblüffende Fotos. Leider ist<br />
diese Art der Langzeitfotografie einer der<br />
wenigen Bereiche, in denen die alte Emulsionsfotografie<br />
entscheidende Vorteile hatte.<br />
272
KAPITEL 5<br />
BLICK IN DEN<br />
STERNEN HIMMEL<br />
Poldrehaufnahme um den Himmelsnordpol in der algerischen Sahara, Tadrart-Gebiet.<br />
11 Einzelbilder zu je 15 min kombiniert (= 165 min Belichtung), 06.01.2011.<br />
273
Nachteil der Digitaltechnik<br />
Bei der alten Technik mit chemischem<br />
Film war es kein Problem, stundenlang den<br />
mechanischen Verschluss einer Kamera<br />
zu öffnen und den Film dem schwachen<br />
Glimmen des Nachthimmels auszusetzen.<br />
Bei der Digitalkamera hingegen erwärmt<br />
sich mit zunehmender Belichtungszeit der<br />
Sensor immer stärker, es entsteht durch<br />
Dunkelstrom ein unschönes Bildrauschen<br />
(Verstärkerglühen ), und der Akku quittiert<br />
schon nach kurzer Zeit den Dienst. Belichtungszeiten<br />
über 15 Minuten sind daher<br />
schwer zu realisieren, da hilft nur das<br />
Aufaddieren mehrerer Fotos. Auf jeden<br />
Fall empfiehlt es sich, die kamerainterne<br />
Langzeitbelichtungsrauschunterdrückung<br />
zu aktivieren. Damit erzeugt die Kamera<br />
selbsttätig ein Dunkelbild, das vom vorherigen<br />
Bild abgezogen wird. Auf diese Weise<br />
verschwinden die meisten bei solchen langen<br />
Belichtungszeiten entstehenden Bildstörungen<br />
(Hot-Pixel, Bildrauschen).<br />
Will man jedoch sogenannte Poldrehaufnahmen<br />
mit mehrstündigen Belichtungszeiten<br />
erzeugen, benötigt man eine ausgefeiltere<br />
Technik. Belichtet man einfach<br />
nur mehrere Stunden durch, erhält man<br />
ein völlig unbrauchbares Bild. Daher empfiehlt<br />
sich die Aufnahme einer Bildserie<br />
aus zahlreichen Einzelaufnahmen mit je 5<br />
bis 15 Minuten. Das nötige Dunkelbild sollte<br />
man mit aufgesetztem Objektivdeckel<br />
selbst anfertigen, weil jeweils Bild auf Bild<br />
ohne Verzögerung aufgenommen werden<br />
muss. Ansonsten gäbe es störende Unterbrechungen<br />
der Sternbogen beim späteren<br />
Zusammenfügen der Einzelbilder. Eine<br />
solche Bildserie kann dann in einem Bildbearbeitungsprogramm<br />
zu einem einzigen<br />
Gesamtbild vereint werden. Hier helfen<br />
Techniken wie Stacking, aufhellende Überlagerung<br />
und Dunkelbildabzug.<br />
Extreme Belichtungszeiten<br />
Aufnahmen mit sehr langen Belichtungszeiten<br />
unterm Nachthimmel benötigen einige<br />
Vorbereitung. Taubildung ist ein nicht<br />
zu unterschätzendes Problem, dem man mit<br />
einer Heizmanschette (erhältlich im Astrofachhandel)<br />
begegnen kann. Ein vollständig<br />
geladener Akku, die Sicherheit, dass niemand<br />
während der Nacht mit einer Lichtquelle<br />
ins Bild tritt bzw. die Kamera stiehlt,<br />
und natürlich ein stabiles, wolkenfreies<br />
Wetter sind weitere Voraussetzungen für<br />
das Gelingen solcher Projekte mit mehreren<br />
Stunden Gesamtbelichtungszeit.<br />
Wichtig bei diesen Aufnahmen ist eine angepasste<br />
ISO-Blende-Kombination. Stimmt<br />
diese Kombination nicht, ist nach der langen<br />
Aufnahmezeit das Bild verloren und<br />
kaum wiederholbar. Es lässt sich eine Art<br />
Vorschau auf das zu erwartende Bildergebnis<br />
erzeugen, indem man den höchsten<br />
ISO-Wert der Kamera, z. B. 12800, einstellt<br />
und ca. eine bis zwei Minuten belichtet.<br />
Wenn das Ergebnis ansprechend wirkt,<br />
erstellt man weitere Fotos, wobei man die<br />
Empfindlichkeit (ISO) stufenweise herunterdreht<br />
und die Reduzierung der Empfindlichkeit<br />
durch eine höhere Belichtungszeit<br />
ausgleicht. So lässt sich problemlos auf etliche<br />
Stunden extrapolieren.<br />
Man darf immer auf Überraschungen hoffen<br />
wie z. B. auf Sternschnuppen oder Satelliten,<br />
die während der Bildaufnahme durch<br />
das Bildfeld ziehen. Oft erhalten die Fotos<br />
durch solche unvorhergesehenen Zufälle<br />
einen zusätzlichen Reiz. Für extrem lang belichtete<br />
Aufnahmen bieten sich, beispielsweise<br />
im Urlaub, in der offenen Landschaft,<br />
in einer Wüste oder auf Bergen optimale<br />
Gelegenheiten.<br />
274
KAPITEL 5<br />
BLICK IN DEN<br />
STERNEN HIMMEL<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 28 mm<br />
Belichtung 8 Bilder,<br />
je 5 min<br />
Blende f/2<br />
ISO 200<br />
Motorischer Ausgleich<br />
der Erdrotation<br />
Poldrehaufnahme des nördlichen Sternenhimmels am Äquator,<br />
Gipfelkrater Ol Doinyo Lengai, 05.07.2004 21:14h.<br />
Es gibt ein technisches Hilfsmittel gegen die<br />
störende Erdrotation , die sogenannte parallaktische<br />
Montierung. Darunter versteht<br />
man ein motorisiertes Stativ, das sich mit einer<br />
Achse genau auf einen der Himmelspole<br />
ausrichten lässt. Um diese Achse rotiert die<br />
Kamera während der Aufnahme mithilfe eines<br />
Motors entgegen der Erdbewegung. Für<br />
kurze Brennweiten reicht schon ein kleines<br />
und leichtes Modell, will man jedoch mit<br />
langen Teleobjektiven oder einem Fernrohr<br />
arbeiten, sollte eine tragfähigere Variante<br />
mit zusätzlicher manueller oder automatischer<br />
Kontroll- und Korrekturmöglichkeit<br />
der Nachführung angeschafft werden.<br />
Sternfeld um Antares im Skorpion, Namibia,<br />
14.06.2010 2:55h.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 90 mm<br />
Belichtung 2 x 4 min<br />
Blende f/2<br />
ISO 400<br />
275
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 90 mm<br />
Belichtung 4 min<br />
Blende f/2<br />
ISO 800<br />
Arbeiten mit parallaktischer Montierung<br />
Sobald man keine Sorgen mehr haben<br />
muss, dass sich die Sterne schon nach wenigen<br />
Sekunden bis Minuten als Striche abbilden,<br />
eröffnen sich viele neue Möglichkeiten.<br />
Man kann das Objektiv für eine bessere<br />
Abbildung abblenden. Auch die Vignettierung<br />
, eine Abdunklung in den Bildecken,<br />
die fast jedes Objektiv aufweist, verbessert<br />
sich beim Abblenden deutlich. Natürlich<br />
kann die Vignettierung per automatischer<br />
Bildkorrektur bzw. in der Bildbearbeitung<br />
behoben werden, jedoch führt das zu verstärktem<br />
Bildrauschen in den Ecken.<br />
Bei den langen Belichtungszeiten, die parallaktische<br />
Montierungen ermöglichen, werden<br />
viel schwächere Sterne erkennbar, und<br />
es treten nun auch Nebel und Sternhaufen<br />
optimal auf den Fotos hervor. Bedenkenlos<br />
kann eine etwas längere Brennweite zum<br />
Einsatz kommen, es erschließen sich zunehmend<br />
mehr Details des Universums.<br />
Üblicherweise empfehlen sich mit DSLR-<br />
Kameras Belichtungszeiten zwischen zwei<br />
und zehn Minuten, längere Belichtungszeiten<br />
führen zu mehr Bildstörungen durch die Erwärmung<br />
des Kamerasensors. Um möglichst<br />
detaillierte und rauschfreie Bilder zu erhalten,<br />
ist das Aufnehmen von Bildserien mit etwa<br />
vier Einzelbildern bis zu mehreren Hundert<br />
Aufnahmen üblich. Diese werden nachträglich<br />
am Computer mit entsprechenden Bildbearbeitungsprogrammen<br />
summiert. Bei<br />
kurzen Brennweiten und hohen Lichtstärken<br />
Oben: Kreuz des Südens, Namibia, 18.06.2010.<br />
Unten: Das Teleskop Celestron Omni XLT 102 auf<br />
einer parallaktischen Montierung. Damit ist der<br />
Einstieg in die Astrofotografie mit motorischer<br />
Nachführung möglich. Daten der Optik: 100 mm<br />
Öffnung, 1.000 mm Brennweite. Der Preis liegt<br />
inklusive Motorset bei ca. 600 Euro.<br />
276
KAPITEL 5<br />
BLICK IN DEN<br />
STERNEN HIMMEL<br />
des Objektivs reicht oft schon eine einzige<br />
Belichtung bei nicht zu hoher Empfindlichkeit<br />
(ISO). Generell empfiehlt sich der Abzug<br />
von selbst gefertigten Dunkelbildern oder<br />
zumindest der kamerainternen Dunkelbilder<br />
(Langzeitrauschunterdrückung), ansonsten<br />
bauen sich zu viele störende Hot-Pixel auf.<br />
Optimierte Kameras<br />
für die Astrofotografie<br />
Je tiefer man in die Astrofotografie einsteigt,<br />
umso mehr wird man mit einem<br />
grundsätzlichen Problem bei der Verwendung<br />
von DSLR-Kameras für Astroaufnahmen<br />
konfrontiert. Alle DSLR-Kameras sind<br />
nur in einem für Tageslicht optimierten<br />
Spektralbereich empfindlich. Nun leuchten<br />
aber fast alle Gasnebel im All in einer diskreten<br />
Wellenlänge, nämlich dem tiefen Rot<br />
der Wasserstofflinie, bei 656 nm. Speziell<br />
für die Astrofotografie gebaute Spezialkameras<br />
sind daher in diesem Spektralbereich<br />
besonders empfindlich. Gerade mit zunehmender<br />
Brennweite und damit höherer Detailauflösung<br />
gewinnen interessante Himmelsobjekte,<br />
z. B. Gasnebel, in denen Sterne<br />
entstehen, enorm an Detailreichtum.<br />
Auch die Sensoren von DSLR-Kameras sind<br />
in dieser Farbe durchaus empfindlich, es<br />
ist allein der in diesen Kameras verbaute<br />
Tageslicht-Farbkonversionsfilter, der dieses<br />
dunkle Rot auf unter 10 % seiner normalen<br />
Stärke reduziert. Nun kann man zwar diesen<br />
kamerainternen Filter entfernen oder<br />
entfernen lassen und damit die Kamera für<br />
Astroaufnahmen optimieren. Leider ist ein<br />
solcher Umbau irreversibel, nicht günstig<br />
und lässt in der Regel auch die Herstellergarantie<br />
erlöschen. Wer jedoch Gefallen an<br />
der Astrofotografie findet, wird früher oder<br />
später darüber nachdenken. Dazu lässt sich<br />
zum Beispiel ein Zweitgehäuse der letzten<br />
Kamerageneration sinnvoll weiterverwenden,<br />
sofern es über Live-View verfügt. Die<br />
geringere Pixelzahl ist eher günstig, denn<br />
die ist aufgrund ihrer größeren Kapazität<br />
und Rauscharmut für astrofotografische<br />
Anwendungen ohnehin vorzuziehen. Die<br />
volle zig-Megapixel-Auflösung neuester Kameras<br />
ist in der Astrofotografie nicht nötig,<br />
weil die Detailschärfe nicht ausgereizt werden<br />
kann.<br />
Mit einer für die Astrofotografie umgerüsteten<br />
DSLR-Kamera lassen sich zwar noch<br />
Tageslichtaufnahmen erzielen, aufgrund<br />
der erhöhten Rotempfindlichkeit ist aber ein<br />
manueller Weißabgleich nötig. Dieser Trick<br />
funktioniert erstaunlich gut in der allgemeinen,<br />
dokumentarischen Tagfotografie, wird<br />
aber dem anspruchsvollen Amateur nicht<br />
genügen, weil bei kritischer Betrachtung<br />
eine etwas eingeschränkte Farbnuancierung<br />
und Dynamik festzustellen ist. Es gibt<br />
auf dem Markt inzwischen Retrofilter, die<br />
die Kamera wieder völlig auf das Spektrum<br />
vor dem Umbau abstimmen, sie lassen sich<br />
leider nur sehr eingeschränkt und umständlich<br />
einsetzen.<br />
Langbrennweitige Teleobjektive<br />
Bei Teleobjektiven mit Brennweiten über<br />
200 mm ist die Aufnahmetechnik im Grunde<br />
dieselbe wie bei kurzbrennweitigen<br />
Objektiven. Der einzige Unterschied ist,<br />
dass sich bei stärkerer Vergrößerung nicht<br />
ignorierbare Nachführfehler auf kleinerer<br />
Skala bei der Nachführung mit einer parallaktischen<br />
Montierung zeigen. Sie entstehen<br />
durch mechanische Ungenauigkeiten<br />
der Montierung im Sub-Millimeterbereich,<br />
aber auch dadurch, dass sich die Montierungsachse<br />
niemals hundertprozentig exakt<br />
auf den Himmelspol ausrichten lässt.<br />
277
Halbmond, f5-Newton-<br />
Teleskop, 25.04.2007<br />
22:11h.<br />
278<br />
Auch viele weitere Faktoren spielen noch<br />
eine Rolle, wie z. B. die sich ständig ändernden<br />
optischen Eigenschaften der irdischen<br />
Atmosphäre.<br />
Man kann eine Bildserie aus vielen kurz<br />
belichteten Bildern anfertigen, die man am<br />
Computer zu einem einzigen, quasi lang<br />
belichteten Fotos zusammensetzt, um<br />
diese Problematik zu umgehen. Oder man<br />
gleicht die entstehenden Fehler durch aktive<br />
Nachführkontrolle, das sogenannten<br />
Guiding, aus. Natürlich ist das Guiding die<br />
vorzuziehende Methode, die Addition vieler<br />
zwangsläufig unterbelichteter Einzelaufnahmen<br />
kann nicht so effektiv sein wie eine<br />
durchbelichtete Aufnahme.<br />
Zwar gilt, wie bereits oben erwähnt, durch<br />
die vorhandenen Schwächen der DSLR-<br />
Technik eine maximal mögliche Belichtungszeit<br />
von 5 bis 15 Minuten, aber bei<br />
Brennweiten von um die 0,5 m können ohne<br />
aktive Nachführkorrektur schon einige Sekunden<br />
Belichtungszeit zu viel sein. Die<br />
Fehler in Aufstellung und Mechanik zeigen<br />
sich dann gnadenlos in einem verzerrten<br />
Sternbild. Wählt man eine nicht zu lange<br />
Brennweite und ein lichtstarkes Objektiv,<br />
gelingen meist auch mit der Einzelbildtechnik<br />
verhältnismäßig gute Fotos.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 2.500 mm<br />
Belichtung 1/40 s<br />
Blende<br />
f/7,5<br />
ISO 100<br />
Eine Entscheidung für das Guiding bedeutet<br />
eine erhebliche Aufrüstung des Equipments.<br />
Es wird eine zweite, parallel zum<br />
Teleobjektiv ausgerichtete Optik benötigt,<br />
ausgestattet mit beleuchtetem Fadenkreuz,<br />
ferner eine elektronische Montierungssteuerung,<br />
die Geschwindigkeitskontrolle<br />
und feine Korrekturen zulässt. Eleganter ist<br />
alternativ ein sogenannter Autoguider, also<br />
eine externe kleine CCD-Kamera für die<br />
automatische Fehlerkorrektur. Sie nimmt<br />
automatisch kurz belichtete Sternfotos auf<br />
und gibt Steuerimpulse an die Motoren der<br />
Montierung, damit die Sterne auf dem Chip<br />
wie festgenagelt an ihrer Position bleiben.<br />
Mit diesem Aufwand verlässt man den<br />
spontanen und intuitiven Pfad der reinen<br />
DSLR-Fotografie. Wer tiefer in das Gebiet<br />
der Astrofotografie einsteigen will, sieht<br />
sich jedoch früher oder später mit diesen<br />
Themen konfrontiert. Spektakuläre Detailaufnahmen,<br />
wie sie in den Fachzeitschriften<br />
zu finden sind, belohnen den Astrofotografen<br />
für den Aufwand.<br />
Sehr lange Brennweiten<br />
Bei Aufnahmen von schwachen Objekten<br />
mit den dafür nötigen langen Belichtungszeiten<br />
ist eine extrem hohe Brennweite, die<br />
die Auflösung des Fernrohrs völlig ausnutzt,<br />
wenig sinnvoll. Denn die Turbulenzen in der<br />
irdischen Atmosphäre (Luftunruhe ) und<br />
Guiding-Fehler verschmieren solche Bilder<br />
zwangsläufig. Anders verhält es sich bei<br />
hellen planetaren Objekten: Hier kann der<br />
Fotograf mit Brennweiten um 2 bis 10 m die<br />
volle Auflösung der jeweiligen Optik nutzen,<br />
denn die nötigen kurzen Belichtungszeiten<br />
vom Bruchteil einer Sekunde erlauben es,<br />
die Luftunruhe einzufrieren und scharfe<br />
Momentaufnahmen zu erhalten. Aus einer<br />
Serie von Aufnahmen kann die beste ausgewählt<br />
werden.
KAPITEL 5<br />
BLICK IN DEN<br />
STERNEN HIMMEL<br />
Ideale Objekte für diese Technik sind der<br />
Mond , die hellen Planeten (Jupiter , Saturn ,<br />
Mars , Venus ) und die Sonne , jedoch nur<br />
mit entsprechendem Filter. Ein weiterer<br />
Vorteil der Fotografie dieser hellen Objekte<br />
und der daraus resultierenden kurzen Belichtungszeiten<br />
ist, dass keine Kosten für<br />
zusätzliche Technik zur Kontrolle der Nachführung<br />
entstehen.<br />
Fortgeschrittene Astrofotografie<br />
Wie schon bei der Fotografie mit langen<br />
Teleobjektiven angedeutet, verlassen wir<br />
hier das Gebiet der spontanen, einfachen<br />
Himmelsfotografie und betreten das Feld<br />
der nahezu beliebig vertiefbaren reinen Astrofotografie.<br />
Es geht dem Fotografen hier<br />
nicht mehr um die Einbringung terrestri-<br />
scher Motive und das Festhalten momentaner<br />
Stimmungen, sondern um die Erfassung<br />
feinster und schwächster Details in der Tiefe<br />
des Universums .<br />
Im Bereich kleinerer Brennweiten und höherer<br />
Lichtstärken gelingt es zwar noch<br />
erstaunlich gut, mit der derzeitigen DSLR-<br />
Technik eindrucksvolle Ergebnisse zu erzielen,<br />
wesentlich effizienter arbeiten allerdings<br />
sogenannte Astro-CCD-Kameras .<br />
Diese verfügen über eine stabile Kühlung<br />
zur maximalen Rauschreduzierung, AD-<br />
Wandler mit einer vielfach höheren Grauwertauflösung<br />
für schwächste Details, monochrome<br />
Sensoren für die präzisere und<br />
erweiterte Erfassung verschiedener Spektralbereiche<br />
in diskreten Emissionslinien,<br />
integrierte Autoguider zur ständigen Fehlerkorrektur<br />
und viele weitere technische<br />
Finessen.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 200 mm<br />
Belichtung 72 Bilder, je 50 s<br />
Blende<br />
f/2,5<br />
ISO 1600<br />
Komet Lulin, Aldino<br />
nahe Bozen, Südtirol,<br />
25.02.2009 3:30h.<br />
279
Für fortgeschrittene<br />
Astrofotografen bieten<br />
sich größere Optiken<br />
an, zum Beispiel<br />
ein Celestron Edge<br />
HD 1100 (275 mm<br />
Öffnung, 2.750 mm<br />
Brennweite). Mit<br />
motorisierter parallaktischer<br />
Montierung<br />
liegt der Preis bei ca.<br />
4.000 Euro.<br />
Mit der Technik, die heute dem interessierten<br />
Amateur zur Verfügung steht, sind<br />
Fotos mit deutlich besserer Qualität möglich<br />
also die, die vor ein bis zwei Jahrzehnten<br />
noch mit vielen Millionen Dollar teuren<br />
US-Großteleskopen erzeugt wurden. Man<br />
macht unsichtbare Objekte sichtbar, dringt<br />
mit der Kamera tief in Raum und Zeit ein,<br />
sieht die unglaublichen Strukturen, die die<br />
Natur erschaffen hat, und beschäftigt sich<br />
zwangsläufig mit der Frage nach dem Ursprung<br />
der Erde und ihrem Platz im Weltraum.<br />
Nicht zuletzt dadurch ist die Astrofotografie<br />
ein Hobby, das an Faszination<br />
kaum zu überbieten ist.<br />
AUFNAHMEDATEN<br />
Brennweite 560 mm<br />
Belichtung 20 Bilder,<br />
je 30 bis 60 s<br />
Blende f/2<br />
ISO 800<br />
280
KAPITEL 5<br />
BLICK IN DEN<br />
STERNEN HIMMEL<br />
C11 Hyperstar, Eta-Carinae-Nebel, Namibia, 16.06.2010 20:00h.<br />
281
INDEX<br />
A<br />
Abbildungsmaßstab 55<br />
Adobe Photoshop 48<br />
Aiguille du Midi 199<br />
Akku 42, 84<br />
Akzente<br />
knackige 52<br />
Alexander von Humboldt 139<br />
Amphibienkameras 96<br />
Analoge Kamera 34<br />
Archivsicherheit 84<br />
Arenal 207<br />
Aschewolken 208, 221, 233<br />
Astro-CCD-Kameras 279<br />
Astrofotografie 274, 277<br />
Atemregler 103<br />
Ätna 207<br />
Ausleuchtung 117<br />
Auslösezeitpunkt 251<br />
Autofokus 43<br />
Autoreservierung 31<br />
B<br />
Baumgrenze 149<br />
Bekleidung 23<br />
Gamaschen 29<br />
Handschuhe 30<br />
Hitzeschutz 249<br />
Mützen 24<br />
Reißverschluss 39<br />
Schneeschuhe 28<br />
Sturmhaube 26<br />
warme 23<br />
Winterstiefel 27<br />
Zwiebelkleidung 27<br />
Belichtung 119<br />
Belichtungsmessung 45<br />
Belichtungsreihe 267<br />
Belichtungszeit 81<br />
Bereitschaftstasche 156<br />
Bergbäche 184<br />
Bergpanoramen 173<br />
Bergpartner 150<br />
Bergseen 133<br />
Bergwacht 195<br />
Bergwetter 151<br />
Bestimmungsbücher 91<br />
Bewölkung 57<br />
Bildbeurteilung 119<br />
Bildeinteilung 121<br />
Bilder speichern 84<br />
Bildgestaltung 121, 171<br />
Bildidee 171<br />
Bildrauschen 44, 274<br />
Bildschärfe 119<br />
Bildstabilisator 42, 67, 167<br />
Blaue Stunde 61, 263, 207, 250, 206<br />
Astrofotografie 263<br />
Blende 85<br />
Blendenlamellen 189<br />
Blendenöffnung 55<br />
Blickführung 121<br />
Blickrichtung 124<br />
Blitzentladungen 227<br />
Blitzgeräte 37<br />
Blitzlicht 106, 181<br />
Boca Cica 142<br />
Brotzeit 154<br />
C<br />
CF-Karte 38<br />
Charles Darwin 139<br />
D<br />
Dachstein-Gletscherbahn 198<br />
Dämmerung 262<br />
Deep-Sky-Astrofotografie 269<br />
Deutscher Alpenverein 196<br />
Diffuse Lichtverhältnisse 57<br />
DNG-Format 85<br />
Dolomiten 198<br />
Domeport 101<br />
Dreizinnenhütte 198<br />
E<br />
Eclipse-Chaser 266<br />
Edelkompakte 157<br />
Eisblöcke 66<br />
Eismonster 64<br />
Eispickel 153<br />
Eisskulpturen 66<br />
Emulsionsfotografie 268<br />
Energiereserven 34<br />
Energieriegel 34<br />
Erdkruste 204<br />
Erdrotation 275, 81<br />
Erfurter Hütte 198<br />
Ersatzkamera 37<br />
Erstbesteigung<br />
Regeln 192<br />
Erta Ale 207<br />
282
EXTREMFOTOGRAFIE<br />
INDEX<br />
Eruption 205<br />
Extremkälte 33<br />
Eyjafjallajökull 208, 229<br />
Eyjafjörður 136<br />
F<br />
Fahrzeug 32<br />
Farbkorrekturfilter 108<br />
Farbstiche 84<br />
Fäustling 30<br />
Fellmützen 25<br />
Festfrieren 43<br />
Filter 226<br />
Fingerhandschuh 30<br />
Finnenmütze 25<br />
Finsternisse 264<br />
Fischführer 91<br />
Fischporträt 129<br />
Fisheye 272<br />
Fisheye-Effekt 183<br />
Fitness 150<br />
Fliegen 112<br />
Fluchtdistanz 114<br />
Flüsse 135<br />
Fokussierung 226<br />
Freiwasser 130<br />
Fridtjof Nansen 75<br />
Frontlinsenschutz 36<br />
G<br />
Galapagos 139<br />
Gamaschen 29<br />
Gasschleppen 216<br />
Geysire 254<br />
Giftige Gase 234<br />
Gipfelfoto 173<br />
Glutlawinen 213, 217, 232<br />
Goldener Schnitt 121<br />
Goretex 30<br />
Graue Vulkane 232<br />
Graufilter 186<br />
Größenvergleich 127<br />
Größenverhältnisse 127, 178<br />
Großfische 139<br />
Guiding 278<br />
Guiding-Fehler 278<br />
H<br />
Halogenlicht 107<br />
Handgepäck 112<br />
Hans Hass 91<br />
Hechte 92<br />
Heißwasserschlot 136<br />
Heizmanschette 274<br />
Helge Süß 91<br />
HID-Licht 108<br />
Himmelsfotografie 279<br />
Hintergrund 173, 270<br />
Histogramm 119<br />
Hitzeabstrahlung 236<br />
Hitzeschutz 249<br />
Hochformat 52<br />
Hochgebirge 149<br />
Hochgebirgsfotografie 148<br />
Höhlentauchen 142<br />
Höhle Taïn 142<br />
Hosen 24<br />
Hot-Pixel 277<br />
Hutmethode 264<br />
Hütten 196<br />
Hüttenbuch 194<br />
I<br />
Illuminieren 68<br />
Internetrecherchen 91<br />
iPad 39, 171<br />
iPhone 171<br />
ISO-Wert 81<br />
J<br />
Jacken 24<br />
JPEG 57, 116<br />
JPEG-Format 79, 85<br />
Jupiter 279<br />
K<br />
Kalorien, konzentrierte 153<br />
Kälte 23, 34, 84<br />
Kamerapflege 110<br />
Kamerasensor 219<br />
Kandersteg 199<br />
Kartenmaterial 152<br />
Käsemann 166<br />
Kilauea 207<br />
Klaus Radtke 23<br />
Kleinbildkameras 158<br />
Kletterer 176<br />
Klimatische Extreme 154<br />
Knoten 152<br />
Komet 263<br />
Kompaktkameras 96, 156, 215<br />
Kompass 152<br />
Kondensationsstreifen 216<br />
Kondenswasserbildung 41<br />
Kontrastunterschiede 215<br />
Korona 266<br />
283
INDEX<br />
Kraterkante 248<br />
Kraterrand 208<br />
Kraterseen 246<br />
Krebse 92<br />
Kuusamo 21<br />
L<br />
Landschaftsfotografie 21, 50<br />
Lange Belichtungszeiten 264<br />
Langzeitbelichtungen 84<br />
Langzeitfotografie 272<br />
Lappland 31, 74<br />
Larnaka 138<br />
Lava 209, 241<br />
Lavablasen 247<br />
Lavabomben 233<br />
Lavadome 244<br />
Lavafälle 240<br />
Lavafontänen 247, 251, 253<br />
Lavaseen 245<br />
Lavaströme 237, 239<br />
Lawinenauslösung 195<br />
Lawinengefahr 151<br />
Leder 30<br />
LED-Licht 108<br />
Lembeh Strait 139<br />
Lichtführung 117<br />
Lichtmalerei 69<br />
Kameraeinstellungen 70<br />
Lichtpinsel 71<br />
Lichtquellen 61<br />
Lichtschutzfaktor 31<br />
Livaara 21<br />
Live-View 42, 81, 170<br />
Luftunruhe 278<br />
Luftverbrauch 95<br />
M<br />
Magma 237<br />
Makro 95<br />
Mars 279<br />
Martin Rietze 205<br />
Matterhorn 199<br />
Meer 92<br />
Mehrfeldmessung 47<br />
Michael Nagel 21<br />
Milchstraße 271<br />
Mittelgrund 173<br />
Mittenbetonte Integralmessung 46<br />
Mond 189, 279<br />
Mondfinsternis 264<br />
Mondlicht 217<br />
Motivjagd 128<br />
Motivsuche 49<br />
Motorsäge 66<br />
Muck diving 139<br />
Muovaara 21<br />
N<br />
Nase<br />
festgefroren 43<br />
ND3-Graufilter 186<br />
Nebel 57, 192<br />
Netbooks 39<br />
Nordfinnland 21<br />
Nordlichter 74<br />
Farben 76<br />
Häufigkeit 75<br />
Standort 77<br />
Vorbereitung 78<br />
Notebooks 39<br />
O<br />
Objektive 41, 54<br />
AF-Objektiv 41<br />
Festbrennweiten 223<br />
Fisheye 132, 162, 176, 230<br />
Normalobjektiv 230<br />
Standardzoom 129<br />
Telebrennweiten 164<br />
Teleobjektiv 225, 231<br />
Ultraweitwinkel 160, 176<br />
Unterwasser 98<br />
Weitwinkel 55, 95, 132, 159, 230<br />
Zoomobjektive 223<br />
Ol Doinyo Lengai 255<br />
Olperer Hütte 198<br />
Oulanka-Nationalpark 21<br />
Outdoorartikel 24<br />
P<br />
Pacaya 207<br />
Panoramafotografie 173<br />
Panoramawinkel 173<br />
Parallaktische Montierung 276<br />
Partielle Sonnenfinsternis 266<br />
Perspektiven 50, 182<br />
Planport 101<br />
284
EXTREMFOTOGRAFIE<br />
INDEX<br />
Polarkreis 20<br />
Polarnacht 61<br />
Polfilter 166, 186<br />
Pyroklastische Ströme 213<br />
Q<br />
Querformat 52<br />
R<br />
Rauchringe 225<br />
RAW 57, 116<br />
RAW-Format 67, 79, 85, 220<br />
RAW-Konverter 231, 85<br />
Reinhard Wagner 149<br />
Reißverschluss 39<br />
Riemannhaus 198<br />
Rifftauchen 142<br />
Roter Pullover 183<br />
Rote Vulkane 242<br />
Route 31<br />
Rugged Cams 156<br />
Rukatunturi 21, 58<br />
S<br />
Sakurajima 228<br />
Salzwasser 123<br />
Santiaguito 207<br />
Saturn 279<br />
Schärfentiefe 55, 114<br />
Schattenrisse 180<br />
Schlammvulkane 254<br />
Schlot 136<br />
Schnappkarabiner 109<br />
Schnee 42<br />
Schneeschuhe 28<br />
Schneewesen 64<br />
Schwarm 130<br />
Schwefelquellen 235<br />
Schwimmbad 94<br />
Schwindelfreiheit 150<br />
SD-Karte 38<br />
Seegraswiesen 92<br />
Seen 133, 184<br />
Selbstauslöser 83<br />
Semeru 207<br />
Sensorgröße 167<br />
Sensorreinigung 39<br />
Sicherungstechniken 152<br />
Silicagel 39, 44<br />
Skibrille 31<br />
Skidoo 27<br />
Skifahrer 175<br />
Snow Pads 38<br />
Sonne 189, 279<br />
Sonnenaufgang 153<br />
Sonnencreme 31<br />
Sonnenfinsternis 265<br />
Sonnenhöhe 153<br />
Sonnenkorona 267<br />
Sonnenuntergang 153<br />
Speicherkarten 85<br />
Speichermedien 38<br />
Spiegelreflexkameras 97<br />
Spiegelschlag 249<br />
Spotmessung 47<br />
Springquellen 254<br />
Stativ 37, 167, 220, 262<br />
Stativbeine 37<br />
Stativköpfe 37<br />
Steinschlag 233<br />
Sternbilder 269<br />
Sterne 260, 267<br />
Empfindlichkeit 270<br />
Hintergrund 270<br />
ideale Brennweiten 269<br />
Strichspuren 268<br />
Sternenhimmel 260<br />
Sternentabelle 153<br />
Stiefel 24<br />
Strombolianische Eruption 250<br />
Strytan 136<br />
Sturmhaube 26<br />
Stürzende Linien 182<br />
Sucher 100<br />
Süßwasser 92, 123<br />
Süßwassertauchgang 135<br />
Symbiosen 130<br />
Systemkameras 157, 158<br />
T<br />
Tageszeiten 50<br />
Tarierung 94<br />
Tarnen 91<br />
Tauchausrüstung 94<br />
Tauchen 93<br />
Tauchguide 91<br />
Tauchlampe 128<br />
Tauchmaske 95<br />
Tauchpartner 128<br />
Täuschen 91<br />
Teleobjektive 277<br />
285
INDEX<br />
Temperaturvergleich 22<br />
Terrestrische Motive 271<br />
Tiefschnee 33, 38<br />
Totale Sonnenfinsternis 266<br />
Totalitätspfad 266<br />
Tourenplanung 171<br />
iPad 171<br />
iPhone 171<br />
TPE 153<br />
Transportvorschriften 112<br />
Trittsicherheit 150<br />
Trockenreinigung 40<br />
Trockentraining 94<br />
Trolle 64<br />
Turku 31<br />
Tutzinger Hütte 197<br />
U<br />
Universum 279<br />
Unschärfe 55<br />
Unterwasserfotografie 90<br />
Unterwassergehäuse 101<br />
UV-Filter 36<br />
V<br />
Venus 279<br />
Verstärkerglühen 274<br />
Vignettierung 36, 276<br />
Vorbereitung 91<br />
Vordergrund 173<br />
Vulkanausbrüche 204, 213<br />
Vulkane 204<br />
Vulkanologie 205<br />
Vulkantourismus 207<br />
W<br />
Wakatobi 142<br />
Wallacea 139<br />
Wärmegelpads 39<br />
Wasser 91, 95, 121, 153, 241<br />
Wasserfälle 184<br />
Wasserfallregenbogen 187<br />
Wasserwaage 168<br />
Weißabgleich 81, 84<br />
Weitwinkelaufnahmen 116<br />
Wetter 190, 211<br />
Wetterstürze 191<br />
Winterstiefel 27<br />
Wracks 131, 138<br />
Y<br />
Yasur 207<br />
Z<br />
Zeit 50, 128, 192<br />
Zeitmaschine 271<br />
Zenobia 138<br />
Zerstreuungskreis 167<br />
ZipLoc-Beutel 41<br />
Zwiebelkleidung 27<br />
286
EXTREMFOTOGRAFIE<br />
BILDNACHWEIS<br />
Bildnachweis<br />
Kapitel 1<br />
Michael Nagel 20<br />
Frederike Coring 21<br />
Michael Nagel 22<br />
Andreas Winkel 24<br />
Klaus Radtke 25, 26<br />
Michael Nagel 28–30<br />
Andreas Winkel, Heinz Vogler 32<br />
Michael Nagel 35–39<br />
Klaus Radtke 41<br />
Michael Nagel 42<br />
Klaus Radtke 44<br />
Michael Nagel 45–47<br />
Andreas Winkel 48<br />
Michael Nagel 49–83<br />
Kapitel 2<br />
Helge Süß 86–143<br />
Kapitel 3<br />
Reinhard Wagner 144–145<br />
Dieter Langlois 148<br />
Heike Sturm 149<br />
Reinhard Wagner 150–161<br />
Helge Süß 162<br />
Reingard Wager 163<br />
Dieter Langlois 164<br />
Reinhard Wagner 165–166<br />
Novoflex 169<br />
Reinhard Wager 173–176<br />
Dieter Langlois 177<br />
Reinhard Wagner 178–185<br />
Dieter Langlois, Reinhard Wagner 186<br />
Reinhard Wagner 187, 188<br />
Helge Süß 189<br />
Reinhard Wagner 190–192<br />
Dieter Langlois 193<br />
Reinhard Wagner 194–199<br />
Kapitel 4<br />
Martin Rietze 200–255<br />
Kapitel 5<br />
Martin Rietze 256–273<br />
Martin Rietze, Michael Risch 275<br />
Michael Risch, Celestron 276<br />
Martin Rietze 278–279<br />
Celestron, Martin Rietze 280<br />
Martin Rietze 281<br />
287