Hans-Joachim Leske Nur noch Erinnerungen

wichtheben geübt.
Vor einem solchen „Schaukampf“ gingen mein Vater
und sein Freund einmal durch den Ort und kamen an der
dortigen Schmiede vorbei und sahen, wie junge Männer
sich an schweren Gegenständen versuchten, sie zur Hochstrecke
zu bringen. Beide belächelten die umständlichen
Versuche und der Freund meines Vaters sagte dann: „Emil,
zeig doch mal, wie man das macht“. Die jungen Männer
hörten das und fingen an zu hänseln. Der Überredungskunst
des Freundes meines Vaters war es zuzuschreiben, dass
mein Vater sich animieren ließ und ging hin. Er suchte sich
das schwerste Stück aus, legte es sich auf seine Füße, damit
er unterfassen konnte und fasste das Gewicht mit einer
Hand an. „Dat warst du wöll nicht schaffen,“ sprach dann
der Großknecht. Seelenruhig aber hob mein Vater die Last
an, brachte sie zur Hochstrecke und ein paar mal auf und
nieder. Beim Tanz im Zelt war der Großknecht dann sein
Mädel los, machte auch keine Anstalten, sie von meinem
Vater abzuhalten.
Er war überhaupt eine Seele von Mensch, konnte aber
auch gewaltig ausrasten, wenn es an seine Ehre ging. Seine
Kraft war allgemein bekannt und jeder wusste, dass mit ihm
nicht zu spaßen war. Auch ich hatte vor ihm einen riesen
Respekt. Besonders dann, wenn ich etwas ausgefressen
hatte. Das kam öfter schon mal vor, denn ich war keinesfalls
ein Kind von Traurigkeit und auch kein Musterknabe.
Wenn meine Mutter mich dann nicht fassen konnte, weil
ich schneller war als sie, oder weil ich mich geschickt versteckte,
sagte sie nur: „Das sage ich Vati heute abend, wenn
er zu Hause ist“. Für mich brachen dann immer Stunden
an, die sehr lang und manchmal zur Ewigkeit wurden, denn
ich wusste, was auf mich zukam. Meistens forderte mein
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