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Das Andreaskreuz von Emmerzhausen<br />

von Michael Schnippering<br />

Andreaskreuze genießen in unserer Gesellschaft nur noch wenig Beachtung. Ihre Aufgabe, dem Schienenverkehr<br />

Vorrang zu gewähren haben größtenteils Ampel- und Schrankenanlagen übernommen. Doch<br />

das war nicht immer so. Noch vor wenigen Jahrzehnten begegnete man Andreaskreuzen ähnlich einem<br />

Stoppschild. Eisenbahnen genossen noch gewissen Respekt, denn unbeabsichtigte Bekanntschaft mit<br />

den großen, schwarzen Lokomotiven wollte man unbedingt vermeiden. Obwohl Andreaskreuze als Verkehrszeichen<br />

Nr. 201 in der Straßenverkehrsordnung enthalten sind, gehören sie aus frühster Zeit zur<br />

Anlage der Eisenbahn.<br />

Durch ihre Bauform sind sie heute durch Vandalismus sehr gefährdet und müssen häufig erneuert werden,<br />

so dass wirklich alte Warnkreuze kaum noch existieren. Es lohnt sich also einen Blick auf ein Andreaskreuz<br />

zu werfen, das aus alter Zeit bis heute überlebt hat.<br />

1. Warnungstafeln im Wandel.<br />

Schon in der Sicherheitsordnung für Eisenbahnen untergeordneter Bedeutung vom 10. Mai 1877 wurden<br />

Warnungstafeln für niveaugleiche Wegübergänge vorgeschrieben. Im Jahr 1925 tauchen Varianten der<br />

Warnungstafeln auf, die sich dem zunehmenden Kraftfahrzeugverkehr widmen und nicht allein dem Kreuzungsverkehr<br />

von Straße und Schiene dienen. Im Amtsblatt der Reichsbahndirektion zu Berlin treten zum<br />

01. September 1927 erneuerte Warnungstafeln in Kraft. Bemerkenswert erscheint, dass diese Tafeln im<br />

Amtsblatt der Eisenbahn erscheinen, obwohl sie aus heutiger Sicht eigentlich Zeichen des Straßenverkehrs<br />

sind.<br />

In der Eisenbahn- Bau- und Betriebsordnung<br />

vom 17. Juli 1928<br />

Amtsblatt der Reichsbahndirektion Berlin, vom 20. September 1927:<br />

werden die klassischen Warnungstafeln<br />

HALT! WENN EIN<br />

ZUG SICH NÄHERT. durch<br />

Warnkreuze ersetzt. Die neuen<br />

Warnungstafeln für unbeschrankte<br />

Bahnübergänge von<br />

1927 werden nun den Warnkreuzen<br />

vorangestellt. Aus diesen<br />

Warnungstafeln entstehen<br />

1934 die ersten Verkehrszeichen<br />

für den Straßenverkehr. Die<br />

Form der Warnkreuze ist angelehnt<br />

an das X-förmige Railroad-<br />

Crossing Zeichen, das in den<br />

USA verwendet wird.<br />

Es gibt Hinweise darauf, dass<br />

Warnkreuze schon vor dem 1.<br />

Weltkrieg an Wegübergängen<br />

existierten, doch in den Vorschriften<br />

finden sich hierzu leider<br />

keine Belege.<br />

Die sechs 1927 neu eingeführten Warnungstafeln für den Straßenverkehr.<br />

© Marc Rosenkranz, Emmerzhausen, www.<strong>emmerzhausen</strong>-<strong>westerwald</strong>.de, letzte Aktualisierung: 23.10.2012


2. Vom Warnkreuz zum Andreaskreuz.<br />

Es gab drei unterschiedliche Arten von Warnkreuzen, die unterschiedliche Bahnübergangsformen ankündigten:<br />

den beschrankten, den eingleisigen und den mehrgleisigen Bahnübergang. In der geplanten neuen<br />

Eisenbahn-Signalordnung von 1951, die allerdings nie in Kraft trat, waren die Warnkreuze als Signale<br />

für den Straßenverkehr dargestellt.<br />

1953 tauchten zwei weitere Varianten von Warnkreuzen auf, so auch das hochgestellte Warnkreuz, das ab 1960 als Andreaskreuz<br />

alle anderen Warnkreuze ersetzte (aus Signalbuch für Straßenbahnen von 1953).<br />

Der neue, offizielle Name Andreaskreuz geht auf den Heiligen Andreas<br />

zurück, der ein Bruder des Petrus war. Während Petrus kopfüber gekreuzigt<br />

wurde, schlug man Andreas an ein X-förmiges Kreuz, wie noch heute<br />

in einigen Kirchen dargestellt ist.<br />

Darstellung des Hl. Andreas<br />

mit Kreuz, gemalt 1606.<br />

3. Werdegang eines Andreaskreuzes.<br />

Der östliche Teil des Westerwaldes war um 1920 kaum erschlossen. Das karge Land war geprägt von<br />

kleineren Ortschaften mit etwas Landwirtschaft. Hoffnung machte die Erschließung von unterschiedlichsten<br />

Bodenschätzen. So entschloss sich die Westerwaldbahn in der Weltwirtschaftskrise 1929 ihre Strecke<br />

von Weitefeld über Friedewald nach Emmerzhausen zu verlängern. Der Streckenbau geschah als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme.<br />

Schon 1930 war die 10 km lange Strecke fertiggestellt, doch die Erwartungen<br />

erfüllten sich nicht.<br />

Etwa einen Kilometer vor dem (Güter) Bahnhof Emmerzhausen (als Bahnhof bezeichnet man eine Betriebsstelle<br />

mit mindestens einer Weiche und diese war nur am Mahlwerk vorhanden), der eigentlich keiner<br />

war, lag der Haltepunkt gleichen Namens, mit Bahnsteig, dort, wo eine Straße zum Stegskopf das<br />

Gleis kreuzte. Hier wurde 1930 jenes Warnkreuz aufgestellt. Da stand es nun um den Wegübergang zu<br />

sichern, doch es kam kein Zug. Der Haltepunkt (567 m ü. NN) lag etwa drei Kilometer vom Ort Emmerzhausen<br />

(400 m ü. NN) entfernt, wobei ein Höhenunterschied von 160 m zu überwinden war. Dieser ungünstige<br />

Umstand führte dazu, dass nie ein planmäßiger Personenverkehr nach Emmerzhausen aufgenommen<br />

wurde.<br />

© Marc Rosenkranz, Emmerzhausen, www.<strong>emmerzhausen</strong>.de.vu, letzte Aktualisierung: 30. März 2011


Erst als sich 1936 ein Bong´sches Mahlwerk in Emmerzhausen ansiedelte und mittels Feldbahn Quarzit<br />

zum (Güter) Bahnhof mit Ladestraße beförderte, wurde am 8. Oktober 1936 ein spärlicher Güterverkehr<br />

aufgenommen. Zwei- bis dreimal pro Woche kam nun ein Zug mit fünf oder sechs Wagen nach Emmerzhausen.<br />

Diese Fahrten konnten wegen des mangelhaften Oberbaus nur mit leichten Lokomotiven erfolgen<br />

und waren beim Bahnpersonal unbeliebt, da oft Stunden auf die Beladung gewartet werden musste.<br />

Im 2. Weltkrieg wurde die Strecke von Emmerzhausen zum Flugplatz Lippe um etwa 6 km verlängert.<br />

Nun herrschte ein reger Güterverkehr, der Kriegsmaterialien und Flugbenzin zum Flughafen brachte. In<br />

dieser Zeit erreichten die Personenzüge den Haltepunkt Emmerzhausen. Es waren Sonderzüge der Hitlerjugend,<br />

die ein Ausbildungslager am Stegskopf hatte.<br />

Nach dem Krieg wurde es wieder ruhig um das Warnkreuz.<br />

Wegen Zerstörung einer Brücke vor Emmerzhausen wurde<br />

der spärliche Güterverkehr erst 1948 wieder aufgenommen.<br />

Direkt an das Netz des internationalen Eisenbahnverkehrs<br />

war Emmerzhausen angeschlossen, als in den Nachkriegsjahren<br />

auf dem Stegskopf von der französischen Besatzungsmacht<br />

ein Erholungslager für französische Kinder eingerichtet<br />

wurde. Zwei Sommer lang kamen Kinder aus Paris<br />

mit modernen Pullmann-Wagen zum Zielbahnhof Emmerzhausen.<br />

1953 wurde auf dem Stegskopf (654 m ü. NN) ein Truppenübungsplatz<br />

eingerichtet. Die Strecke der Westerwaldbahn<br />

durchfuhr nun das Gelände. Um Lokomotiven und Personal<br />

vor Querschlägern zu schützen, mussten die Lokomotiven<br />

seitlich mit Stahlplatten behangen werden, ehe sie die Strecke<br />

nach Emmerzhausen befahren durften.<br />

Als 1960 die Warnkreuze hochkant aufgestellt werden mussten,<br />

beschaffte die Westerwaldbahn überwiegend neue Andreaskreuze.<br />

Nur wenige von den alten Kreuzen blieben erhalten.<br />

Das Andreaskreuz von Emmerzhausen hatte Glück; die<br />

Im Mai 2008 kehrte das inzwischen gerichtete<br />

und geschweißte Andreaskreuz noch<br />

einmal für dieses Foto an seinen alten Platz<br />

zurück.<br />

Nach 42 Jahren Pause nähert sich am frühen Morgen<br />

des 6. Juni 2008 dem Andreaskreuz von Emmerzhausen<br />

wieder läutend ein Zug.<br />

Vilser Holz, 6.6.2008.<br />

alten Bohrungen, mit denen das Kreuz 30 Jahre lang an einem<br />

Holzmast befestigt war, wurden zugenietet. Mit neuen<br />

Bohrungen wurde es nun hochkant an einer Feldbahnschiene<br />

befestigt.<br />

4. Einsames Andreaskreuz in karger Landschaft.<br />

Der Betrieb der Strecke nach Emmerzhausen rechnete sich für die Westerwaldbahn in keiner Weise. Als<br />

Ende 1966 das Quarzitvorkommen zu Ende ging, wurde der Zugbetrieb eingestellt und die Strecke im Juli<br />

1970 stillgelegt. Die Bundeswehr errichtete nach 1967 eine neue Panzerstraße, etwa 50 m neben der<br />

alten Straße. Das Andreaskreuz blieb einsam stehen, während die alte Straße langsam zuwuchs.<br />

1989 erwähnt Gert Wolff in seinem Band 1 der Buchreihe Deutsche Klein- und Privatbahnen das Andreaskreuz<br />

auf Seite 279:<br />

Ein einsames total verrostetes Andreaskreuz zeigt die<br />

frühere Lage der Gleise an. Auch hier liegt das Gleis<br />

noch unter verfilztem Gras, die Natur hat Bahnkörper,<br />

Schwellen und Schienen zurückerobert und bis zur<br />

Unauffindbarkeit versteckt.<br />

Dort stand das Andreaskreuz noch 41 Jahre nach dem<br />

letzten Zug, einsam, in unwirklicher, karger Landschaft,<br />

bis es im Sommer 2007 durch Rost vom Mast abgesprengt<br />

wurde.<br />

Heute ist es gerichtet, geschweißt und restauriert und<br />

sichert einen der meist fotografierten Bahnübergänge<br />

in Deutschland, den Feldweg am Haltepunkt Vilser<br />

Holz des Deutschen Eisenbahn Vereins. Seine ungewöhnliche<br />

Geschichte macht dieses einfache, geschweißte<br />

Blechstück wertvoll und erhaltenswert. Mit<br />

Sicherheit gehört es heute zu den dienstältesten Andreaskreuzen<br />

in Deutschland.<br />

© Marc Rosenkranz, Emmerzhausen, www.<strong>emmerzhausen</strong>.de.vu, letzte Aktualisierung: 30. März 2011


Quellen:<br />

Gert Wolff, Deutsche Klein- und Privatbahnen, Teil 4, Verlag W. Zeunert, 1975.<br />

Matthias Koch: Die Feldbahnen der Bong´schen Mahlwerke, EK-Verlag, 2004.<br />

Gert Wolff, Deutsche Klein- und Privatbahnen, Band 1, EK-Verlag, 1989.<br />

Signalbuch der Stuttgarter Straßenbahn, Ausgabe 1953.<br />

Signalbuch der Wuppertaler Stadtwerke, 1951.<br />

Eisenbahn- Bau- und Betriebsordnung, Ausgabe Oktober 1936.<br />

Eisenbahn- Bau- und Betriebsordnung, vom 17. Juli 1928.<br />

Rhein-Zeitung vom 14.04.1969, Sammlung Marc Rosenkranz.<br />

© Marc Rosenkranz, Emmerzhausen, www.<strong>emmerzhausen</strong>.de.vu, letzte Aktualisierung: 30. März 2011

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