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Verwirklichung des Reich Gottes hier auf Erden - Heinz Kappes

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<strong>Heinz</strong> <strong>Kappes</strong><br />

„<strong>Verwirklichung</strong> <strong>des</strong> <strong>Reich</strong> <strong>Gottes</strong><br />

<strong>hier</strong> <strong>auf</strong> <strong>Erden</strong>“<br />

Gedanken am 26. 12. 1976


<strong>Heinz</strong> <strong>Kappes</strong>: „<strong>Verwirklichung</strong> <strong>des</strong> <strong>Reich</strong> <strong>Gottes</strong> <strong>hier</strong> <strong>auf</strong> <strong>Erden</strong>“ 2 von 7<br />

<strong>Heinz</strong> <strong>Kappes</strong> bediente sich gern der Kassette, um seine Gedanken auszusprechen. Die Niederschrift<br />

folgt dem gesprochenen Wort.<br />

Yoga bedeutet für ihn „Anjochung an Gott“, die <strong>Verwirklichung</strong> <strong>des</strong> <strong>Reich</strong> <strong>Gottes</strong> <strong>auf</strong> <strong>Erden</strong>.<br />

Diese <strong>Verwirklichung</strong> im Experiment an eigenen Leib und Leben war für <strong>Heinz</strong> <strong>Kappes</strong> die tief<br />

verwurzelte Grundlage für seinen eigenen Weg im Yoga<br />

Der Text ist als Hilfe für den Einzelnen bestimmt (oder in Kopie zur persönlichen Weitergabe an<br />

Interessierte) und darf nicht für kommerzielle Interessen genutzt werden.<br />

„<strong>Verwirklichung</strong> <strong>des</strong> <strong>Reich</strong> <strong>Gottes</strong> <strong>hier</strong> <strong>auf</strong> <strong>Erden</strong>“<br />

Gedanken am 26.12.1976<br />

T-0068<br />

Else und ich sitzen zusammen und haben angefangen mit der Frage: Ist das, was wir von Sri<br />

Aurobindo wissen als Weg, und ist das, was wir in den Blumhardt-Andachten als ein radikales<br />

Sich-hingeben an die <strong>Verwirklichung</strong> <strong>des</strong> <strong>Reich</strong> <strong>Gottes</strong> <strong>hier</strong> <strong>auf</strong> <strong>Erden</strong> erkennen – ist das Wirklichkeit?<br />

Ist es Wirklichkeit für uns? Oder ist das zu hoch? Ist es unverwirklichbar? Ist das für die vielen,<br />

die <strong>auf</strong> diesen Weg gegangen sind -, entweder in der Begeisterung <strong>des</strong> religiösen Sozialismus,<br />

angeregt durch Blumhardt und Ragaz oder angeregt durch die Lektüre unserer Hefte von<br />

Aurobindo oder der übersetzten Werke, <strong>des</strong> „Life Divine“ oder der „Synthese <strong>des</strong> Yoga“ - und die<br />

dann wieder zurückgetreten sind, (wenigstens sichtbar für mich zurückgetreten sind), ist das also<br />

alles zu schwer? Ist das auch für die Menschen, die zunächst einmal angesprochen worden sind,<br />

unvollziehbar?<br />

Das ist <strong>des</strong>wegen eine ernste Frage für mich – und zuallererst für mich, weil ich <strong>auf</strong> diesem Weg<br />

bleibe, und weil ich aus diesem Glauben - in dem Sinn, wie ich das neulich in der Predigt über<br />

Leuchter - Brennstoff - Flamme darzulegen versucht habe - weil ich aus diesem Glauben zu leben<br />

versuche. Heute Nacht stand in meiner Meditation diese Frage wieder vor mir und zugleich auch<br />

die Frage nach Christus.<br />

Es ist ganz gewiß nicht ein Christus, wie er von außen her verehrt wird. Es ist ganz gewiß jenes<br />

Grundprinzip <strong>des</strong> göttlichen Menschseins, das, wie das im Johannes-Evangelium heißt, als das<br />

“Wort“: „Er ist das Wort" im Bewußtsein <strong>des</strong> göttlichen Wesens oder <strong>des</strong> Ursprungs da ist; denn<br />

wenn vom Wort die Rede ist, ist vom Menschen die Rede, weil nur der Mensch das Bewußtsein<br />

hat, mit dem Wort zu begreifen und damit einer Sache gewiß zu werden, die er in den Griff bekommen<br />

hat und besitzt. Und diese Sache, die der Mensch, um vollkommen zu sein, in den Griff<br />

bekommen soll, begreifen soll, besitzen soll, ist das <strong>Reich</strong> <strong>Gottes</strong>, denn der Mensch ist göttlichen<br />

Wesens. Wenn ich so allgemein sage: „der Mensch“, dann ist das etwas Prinzipielles; dann ist es<br />

im Blick <strong>auf</strong> den Christus gesagt, der dieser göttliche Mensch als Grundprinzip der ganzen<br />

Menschheitsschöpfung ist - als Prinzip - und immer wieder in der Evolution hervortrat, wenn kritische<br />

Zeiten, Krisenzeiten kamen, um das Bewußt-Sein <strong>des</strong> göttlichen Menschen, der über die<br />

Kräfte <strong>Gottes</strong> verfügen soll, dieses Bewußtsein zu wecken. Und diese Kräfte sind der göttliche<br />

Bereich, der göttliche Machtbereich, der Machtbereich der Vollkommenheit in all dem, was die<br />

Kräfte <strong>des</strong> psychischen Wesens, wie das Aurobindo nennt, oder der Seele sind. Es soll also in<br />

stärkerem, in immer stärkerem Maß der Mensch Frieden unter den Menschen schaffen, Liebe<br />

verwirklichen, Liebe sein, Gerechtigkeit, Wahrheit, Güte: alle diese großen Werte wahrhaftig göttlichen<br />

Mensch-Seins verwirklichen, und dazu hilft ihm - in immer stärkerem Maß in der allgemeinen<br />

Evolution der Menschheit - das Hervortreten dieses Christus, der unter anderem in dem Menschen<br />

Jesus hervortrat und der immer weiter hervortritt. Wenn ich diese Grundthese sage, dann rechne<br />

ich natürlich mit den Stufen der Entwicklung der Menschheit. Dann bin ich der Überzeugung, daß<br />

ich viele Stufen durchzumachen hatte, bis ich zu meiner jetzigen Stufe gekommen bin, in der mir<br />

einleuchtet, was ich eben gesagt habe. Aber dieses Einleuchten ist dieses ´Licht`, dieses Einleuchten<br />

ist die aktive Wirkung <strong>des</strong> gegenwärtig wirkenden Christus. Ich habe vorhin gesagt: dieser<br />

Christus ist hervorgetreten unter anderem in dem Menschen Jesus. Wenn ich jetzt sage: dieser


<strong>Heinz</strong> <strong>Kappes</strong>: „<strong>Verwirklichung</strong> <strong>des</strong> <strong>Reich</strong> <strong>Gottes</strong> <strong>hier</strong> <strong>auf</strong> <strong>Erden</strong>“ 3 von 7<br />

aktiv wirkende Christus, dann beziehe ich natürlich ein, daß jener Mensch Jesus durch sein Leben,<br />

durch seinen Tod und seine Auferstehung, durch seine Gegenwärtigkeit eine weiterwirkende<br />

Macht ist, so wie ich wohl auch annehmen soll, daß Buddha oder Krishna, die beiden von Aurobindo<br />

neben dem Christus Jesus genannten Avatare, weiterwirken im Bewußtsein derer, die von ihnen<br />

ergriffen sind. Aber dieser Christus, das heißt also der prinzipiell in Gott, aus Gott wirkende<br />

<strong>Gottes</strong>mensch, der uns zum Gott-Menschentum empor führt, zur Vollkommenheit, „wie der Vater<br />

im Himmel vollkommen ist", dieser Christus offenbart sich in Menschen. Und ich denke mit Dankbarkeit<br />

an die, die mir die Offenbarer dieses Christus geworden sind: an Christoph Blumhardt, an<br />

Ragaz, an Sri Aurobindo. Und, wenn ich nun meine Aufgabe ganz bewußt erfasse, so geht dieser<br />

Erfassung meiner Aufgabe voraus: die Hingabe aller Egoitäten. Das ist die einzige Vorbedingung,<br />

die uns gestellt ist, daß wir in dem Dienst der <strong>Verwirklichung</strong> dieses Gott-Menschentums, also <strong>des</strong><br />

<strong>Reich</strong> <strong>Gottes</strong> <strong>auf</strong> der Erde unter den Menschen durch die Menschen, daß wir in diesem Dienst<br />

stehen und brauchbar sind. Das ist allerdings eine tägliche Leistung. Aber diese tägliche Leistung<br />

kann nicht in dem Krampf gemacht werden: ich muß mich hingeben, sondern in einer anderen Haltung:<br />

<strong>hier</strong> bin ich, nimm mich, ich bin bereit zu tun, was Du mir eingibst, einleuchten läßt, einfallen<br />

läßt.<br />

Als ich neulich bei einer AA-Tagung in Kempten war, da wurde ich am Abend vorher noch mitgenommen<br />

zu dem Abschlußmeeting eines Seminars mit dem Berliner Arzt Dr. Lothar Schmidt, (dort<br />

am jüdischen Krankenhaus), der eine große positive Funktion in der AA-Bewegung führt, der<br />

selbst aktives Mitglied und auch Prediger bei den Adventisten ist, und der sagte mir an dem gleichen<br />

Abend, als das Seminar zuende ging und bevor das Abschlußmeeting dann abends, (zu dem<br />

ich gekommen war), begann, wie er da in sein Zimmer gehen mußte und wie er sagen mußte:<br />

„Hier bin ich, gib mir meine Aufgabe, ich bin bereit, sie zu tun." Das ist nun ein Mann, der ganz in<br />

dem Programm unserer A-Bewegungen steht, obwohl er kein Alkoholiker ist, der <strong>des</strong>wegen auch<br />

mit Vollmacht über das Programm sprechen kann und der auch die Grenzen erkennt, die er als<br />

Therapeut in seinem therapeutischen Dienst erreichen kann: nämlich den Ich-Menschen einigermaßen<br />

<strong>auf</strong> die normale Stufe zu bringen aus der vor-normalen Stufe, in der er als Patient ist oder<br />

war, der aber den großen Unterschied macht zwischen dem Programm der A-Bewegungen und<br />

der Therapie, der also der Überzeugung ist, daß nun das totale surrender notwendig ist, damit<br />

wirklich die Neugeburt erfolgen kann, für die alle die Stufen <strong>des</strong> Programms Wege sind und zu<br />

immer höherer, authentischer, unmittelbarer, echter <strong>Gottes</strong>-Erfahrung führen - also ein spiritueller<br />

Weg, nicht ein religiöser Weg, <strong>auf</strong> dem man die <strong>Gottes</strong>-Erfahrung anderer übernimmt, sie in Liedern<br />

preist oder erbittet und in festgelegten Gebeten, in Ritualien, in symbolischen Handlungen<br />

(Sakramenten) oder in all dem anderen, was man unter Annehmen einer Lehre versteht und einer<br />

Verehrung <strong>Gottes</strong> oder Christi oder der Propheten und Moses oder wessen auch immer in den<br />

Religionen: Mohammed oder Krishna, einer Verehrung nach außen hin. Das ist eine Integrierung<br />

dieses <strong>Gottes</strong>-Menschen, also <strong>des</strong> Christus, <strong>des</strong> wirkenden Christus in uns. Und darum können wir<br />

nur diese Bereitschaft dazu in der völligen Hingabe, in dem völligen surrender <strong>auf</strong>bringen.<br />

Das geschieht in dem Still-Legen der Denkprozesse, der vitalen Prozesse, der körperlichen Funktionen,<br />

der Einwirkungen der Verhältnisse, aber auch in dem Still-Legen unserer Emotionen, bis<br />

(was ich neulich den Brennstoff nannte) soviel bereiter Brennstoff da ist, daß die Flamme <strong>des</strong> Heiligen<br />

Geistes sich daran entzünden und Nahrung finden kann. Ich werde ganz existentiell zu dieser<br />

Haltung gedrängt. Der Druck derer, die mir zugewiesen werden, wird immer stärker, und die Frage<br />

an mich, ob ich dem gewachsen bin, ob ich in dem, was ich ihnen bin, was ich ihnen sage oder<br />

schreibe, das Richtige tue, diese Frage – ich will nicht sagen beängstigt mich, aber muß mich beunruhigen.<br />

Dieser Frage muß ich, wie Paulus das sagt: mit Furcht und Zittern standhalten. Und ich<br />

kann das nur, wenn ich in dieser völligen Hingabe weiß: „Du machst das ja, weil Du mich dazu<br />

gebrauchst.”<br />

Dieses Gebrauchen ist Seine Liebe zu mir. Es kann eine harte Liebe sein, die mich zu der Erkenntnis<br />

von manchem bringt, was überwunden werden muß, es kann eine disziplinierende Liebe<br />

sein, und das ist notwendig, damit alle Kräfte Ihm zur Verfügung gestellt werden. Und daraus<br />

kommt dann, daß man ich frei funktioniert, daß ich mich also dar<strong>auf</strong> verlassen kann, daß wenn ich<br />

jetzt von jemandem angerufen werde, der mir seine eigenen Schwierigkeiten sagt, seine Nöte<br />

sagt, daß ich ihm das Richtige sage, das gar nicht von mir kommt, sondern mir im Augenblick ein-


<strong>Heinz</strong> <strong>Kappes</strong>: „<strong>Verwirklichung</strong> <strong>des</strong> <strong>Reich</strong> <strong>Gottes</strong> <strong>hier</strong> <strong>auf</strong> <strong>Erden</strong>“ 4 von 7<br />

gegeben wird, daß ich in meiner Haltung das Richtige tue, auch wenn es fragwürdig erscheint von<br />

irgendwelchen anderen Gesichtspunkten her, daß es also authentisch ist, aus dem Kairos, aus<br />

dem Selbst kommt: aus dem von Gott gelenkten Selbst.<br />

Und dazu haben wir die Erkenntnis unseres eigenen inneren Wesens durch den Yoga Aurobindo´s<br />

bekommen; wir haben tatsächlich eine übergeordnete Psychologie kennengelernt, hinter und über<br />

aller Ichhaftigkeit, das heißt, der vom Ich ausgebildeten Funktionen der Vernunft, <strong>des</strong> Verstan<strong>des</strong>,<br />

<strong>des</strong> Willens, <strong>des</strong> Bewußtseins, der reinen Gefühle, der Moralität, <strong>des</strong> Friedens über den Dualitäten,<br />

der Erweckung eines gesunden, starken Körperbewußtseins, damit unsere ganze Funktion<br />

auch einen tragfähigen Apparat hat, daß das alles die Vorbereitung ist und dann dieses Ich ganz<br />

stillgelegt wird, damit nun die Führung übernommen wird von dem ja schon vor meiner Geburt existierenden<br />

psychischen Wesen, meinem Selbst, und damit nun in alle diese Funktionen einstrahlen<br />

kann jenes ´Licht`, das nun den Brennstoff - all das eben Aufgezählte - verwendet und transformiert.<br />

Dieses ´Licht` ist der Geist. Und wir müssen, ich betone das: wir müssen diesen Geist<br />

wieder rehabilitieren, in seine ursprüngliche Bedeutung einsetzen, gewissermaßen, juristisch gesprochen,<br />

in seinen früheren Stand bringen. Denn Geist kann nur dieser Schöpferische Geist <strong>Gottes</strong><br />

sein. Mich beschäftigt jetzt gerade im Blick <strong>auf</strong> meine Predigt am Epiphaniastag, am 6. Januar<br />

(1977): „Über die T<strong>auf</strong>e Jesu nach Markus" diese Frage besonders. Markus hat keine Geburtsgeschichte<br />

wie Lukas, keine Kindheitsgeschichten wie Matthäus, keine große Kosmologie wie das<br />

Johannes-Evangelium, sondern er sagt: Dieser Jesus, über <strong>des</strong>sen bisherige Entwicklung gar<br />

nichts ausgesagt wird, kommt zu dem Täufer Johannes in die Wüste und stellt sich ihm wie alle die<br />

anderen, die (<strong>auf</strong>geschreckt durch das Bewußtsein der Zeitwende, durch die großen Nöte unter<br />

der römischen Besatzung, durch alle die Unsicherheiten im religiösen Leben und im moralischen<br />

Leben), nun zu dem Mann kommen, in dem sie den Propheten sehen, der ihnen den Weg zeigen<br />

soll aus dem Verhängnis heraus: zu dem kommenden <strong>Reich</strong> <strong>Gottes</strong>, in ihm einen neuen Elias verehren<br />

oder einen Moses, also irgendeinen der ganz Großen aus der Vorgeschichte, in denen Gott<br />

geredet hat. Und der weist von sich weg, er t<strong>auf</strong>t, er taucht unter, er läßt den alten Menschen, wie<br />

Luther sich drastisch ausdrückt, ersäufen im Wasser. Aber das Wasser ist zugleich das Symbol<br />

<strong>des</strong> Lebens, so daß gereinigt, in der vollen Bereitschaft der Hingabe, in der Bereitschaft zu einem<br />

<strong>auf</strong> die kommende Offenbarung, <strong>auf</strong> den Geist geläuterten Leben, der Mensch ein seinen Verhältnissen<br />

entsprechen<strong>des</strong>, sittliches Leben führt: der Soldat, und der Zöllner und wer immer. In diesen<br />

Prozeß schaltet sich dieser Jesus ein. Es wird <strong>hier</strong> gar nichts gesagt von seiner Sündlosigkeit<br />

vorher, gar nichts von seiner inneren Entwicklung, obwohl angedeutet wird, daß der Täufer in ihm<br />

jemanden empfindet, der ganz anders ist als die, die als zerknirschte Sünder zu ihm gekommen<br />

sind, und eine Ahnung hat, daß Der, <strong>auf</strong> den er hingewiesen hat, vor ihm steht. „Wie sollte ich Dir<br />

die T<strong>auf</strong>e tun, Dich untertauchen, Dir die Sündlosigkeit zusprechen?" – und er tut es doch. Entscheidend<br />

ist, was nun kommt. Entscheidend ist, daß dieses totale surrender von diesem Jesus<br />

aus Nazareth geleistet worden ist, in dem Maß geleistet worden ist, daß er nun vollkommen offen<br />

ist für das Empfangen <strong>des</strong> göttlichen Geistes, - daß der Geist wie eine konkrete Erscheinung <strong>auf</strong><br />

ihn zukommt und in ihn eingeht: wie eine Taube. Die Taube ist das Symbol <strong>des</strong> Friedens - das ist<br />

aus der Noah-Geschichte bekannt im jüdischen Volk: die Taube, die den Ölzweig zurückbrachte -,<br />

also den Frieden in ihn einbringt, zusammen mit einer außerordentlichen ´Lichtkraft`, und daß diese<br />

‛Lichtkraft in ihm die Bereitwilligkeit <strong>des</strong> inneren Sinnes: zu Horchen eröffnet hat und das innere<br />

Schauen, daß er Den - von dem wir keine Vorstellung haben, von dem sich kein Jude eine Vorstellung<br />

machen durfte -, Gott, nun in der Macht der Liebe <strong>des</strong> Vaters erfährt, daß Er, der unanschauliche<br />

und unverfügbare Ursprung ihm sagt: „Du bist mein Sohn", daß er noch einmal jene Offenbarung<br />

ganz neu erlebt: „Ich bin Gott, ich bin Mensch - als Einheit."<br />

Und damit ist Jesus bevollmächtigt, und damit können nun durch die tägliche Hingabe, die gerade<br />

ja beim Markus auch beschrieben wird: daß er nachts sich zurückzog von seinen Jüngern und <strong>auf</strong><br />

das Feld in die Öde ging, um dort zu meditieren und zu beten, daß er diese Einung dauernd sucht<br />

und dann von sich sagen kann: „Ich tue die Werke <strong>des</strong>sen, der mich gesandt hat, ich rede Sein<br />

Wort, ich bin Sein Werkzeug."<br />

Ich sage: für mich ist das eine aktuelle eigene Angelegenheit. Ich kann davon nicht reden als von<br />

einer vergangenen Geschichte. Das Wort: „Wäre Christus tausendmal in Bethlehem geboren und<br />

nicht in dir, du wärest tausendmal verloren" - das wird <strong>hier</strong> aktuell, noch viel mehr als die Geburt


<strong>Heinz</strong> <strong>Kappes</strong>: „<strong>Verwirklichung</strong> <strong>des</strong> <strong>Reich</strong> <strong>Gottes</strong> <strong>hier</strong> <strong>auf</strong> <strong>Erden</strong>“ 5 von 7<br />

<strong>des</strong> Christusbewußtseins in mir, die Geburt <strong>des</strong> aktiven Christusmenschen, der aus dem Heiligen<br />

Geist zu handeln hat, so daß der Sinn <strong>des</strong> Lebens nun gar kein anderer ist, als diese Funktion zu<br />

erfüllen in dem Maß, wie Er, eben dieser Christus, der Gott-Mensch, dasselbe tut, was Er damals<br />

als Jesus getan hat: durch mich. Und damit ist dieses Ich <strong>auf</strong> das Min<strong>des</strong>t-Maß herabgeschraubt.<br />

Das tragische Mißverständnis bei Jesus in seiner Geschichte war, daß, als er davon sprach, daß<br />

er in diesem Verhältnis zu Gott steht: „Sohn” – daß er wegen Blasphemie, wegen <strong>Gottes</strong>lästerung<br />

hingerichtet worden ist, wobei gerade das der Ausdruck der tiefsten Demut (der griechische Ausdruck<br />

<strong>hier</strong> heißt Kenosis: sich völlig von Ichhaftigkeit entleeren), der Ausdruck <strong>des</strong>sen ist, daß<br />

eben die Befreiung von der Ichhaftigkeit erfolgt ist, und nicht mehr das Ego mit irgendwelchen störenden<br />

Einflüssen sich dazwischenmischt, sondern daß es zum willigen Diener <strong>des</strong> Selbst wird,<br />

das die Kräfte <strong>des</strong> Göttlichen, <strong>des</strong> Heiligen Geistes in der spirituellen Seele <strong>auf</strong>nimmt und in alle<br />

Funktionen, Außen- und Umwelt und Innenwelt einleuchten läßt.<br />

Nun ist die Frage: – und mit dieser Frage habe ich angefangen, ist das denn überhaupt vollziehbar?<br />

Ich kann nur sagen: ich muß. Ich konnte das aus der Blumhardt-Predigt, (die wir heute morgen<br />

gelesen haben, die aus dem Jahr 1896 oder 1894 gewesen ist über die Weihnachtsbotschaft<br />

mit seiner Ablehnung der Nur-Religion), ich kann daraus nur sein Grundgefühl heraushören: „Ich<br />

muß - ich, der Christoph Blumhardt, muß. „Und ich sag's euch (so klingt es ja durch alle seine Predigten<br />

weiter hindurch), ich sag's euch: das ist die einzige Wirklichkeit, dazu sind wir da, um dieses<br />

<strong>Reich</strong> <strong>Gottes</strong> zu schaffen, und wir sind nicht da, um Religion zu pflegen, um unser Ich zu pflegen,<br />

unsere schönen Gefühle, und um glücklich zu werden, sondern wir sind dazu da, um diese Funktion<br />

zu erfüllen, und alles weitere ist Seine Sache." Ich habe allerdings gesehen, daß von vielen<br />

Menschen, die ihm doch mit Begeisterung zugehört hatten, denn wo er predigte, wo Blumhardt<br />

predigte, auch in Karlsruhe, hat sich viel Volk eingefunden, so wie sie zu Johannes dem Täufer<br />

gegangen sind oder zu Jesus gegangen sind und dann mit Begeisterung sagten: „der redet aber<br />

anders: nicht wie die Schriftgelehrten" und viele in der <strong>Verwirklichung</strong> steckengeblieben sind, aber<br />

nicht alle: Dasselbe was ich sehe, was dann bei den Religiösen Sozialisten erfolgt ist, die ja durch<br />

diesen Pfarrer Lejeune in Zürich diese Predigten zugänglich bekommen haben, und viele von ihnen<br />

haben sie gehabt und gelesen, und wir sprachen darüber, wenn wir in unseren Agape-<br />

Versammlungen <strong>hier</strong> im Kreis der Religiösen Sozialisten uns zusammenfanden, das heißt zuerst<br />

das Liebesmahl nach alt-christlicher Sitte feierten. Jeder brachte sein Essen mit und teilte aus, und<br />

aus dieser Gemeinschaft entwickelte sich das Gespräch und das Horchen und der Wille zur <strong>Verwirklichung</strong>.<br />

Und es entwickelte sich in Pondicherry, und es ist dieses ‛Licht durchgebrochen. Mit<br />

Absicht sagt Sri Aurobindo, daß dieses "<strong>Reich</strong> <strong>Gottes</strong> Jesu" dasselbe ist wie das "<strong>Reich</strong> der Wahrheit"<br />

im Hinduglauben, im spirituellen Hinduglauben. Und Wahrheits-Bewußtsein ist ja ein anderer<br />

Ausdruck für supramentales Bewußtsein.<br />

Man darf aber nicht fragen, wie die äußere <strong>Verwirklichung</strong> davon ist, denn das hängt ja davon ab,<br />

wie weit der einzelne Mensch, durch das in seinem Karma festgelegte Schicksal, ist, das heißt:<br />

durch all die Wege, durch die er hindurchgegangen, und durch die Essenz, die sein absolutes<br />

Selbst angesammelt hat und mitgegeben hat für die jetzige Inkarnation: man darf nicht fragen, wie<br />

weit die Einzelnen sind. Man kann nur von sich aus sagen: Er ist bei mir, Er führt mich, Er gebietet<br />

mir, und alles weitere ist Seine Sache. Genau das, was die „Bhagavadgita“ sagt: Der Erfolg ist bei<br />

Ihm, die Frucht meines Tuns ist bei Ihm, denn Er wirkt.<br />

Nun kommt aber eines dazu, und das ist immer die Frage: Ja, was ist mit dem <strong>Reich</strong> <strong>Gottes</strong>? Und<br />

da kann ich nur alle Zweifel an der Durchführbarkeit von mir abwehren als die Versuchungen und<br />

kann sagen: Er macht's ja und kann mich dar<strong>auf</strong> verlassen, daß irgendwo, in irgendeinem Bereich,<br />

in irgendeiner Religion, in irgendeiner anderen Rasse es ebenso Sein Wirken ist, und daß diese<br />

vielfältigen Aktivitäten durch Menschen von Ihm gesteuert werden, daß also Sein <strong>Reich</strong> im Werden<br />

ist, und daß gerade die jetzige Krise im Bewußtsein der Menschheit dar<strong>auf</strong> hinweist, daß Er wirkt.<br />

Ich kann mich also nicht irgendwie beeinflussen lassen von Erfolgsgedanken. Ich kann mich nicht<br />

beeinflussen lassen von dem Blick <strong>auf</strong> die Religionen, etwa: die Lage <strong>des</strong> Christentums oder die<br />

anderen Bewegungen, sondern ich kann nur <strong>auf</strong> Ihn trauen. Das ist eine große Vereinfachung, die<br />

mich immer mehr ausschaltet von Interessen an vielfältigen Dingen und Bemühungen, aber andererseits<br />

doch auch realistisch denken läßt in all den politischen, ökonomischen, sozialen, kulturel-


<strong>Heinz</strong> <strong>Kappes</strong>: „<strong>Verwirklichung</strong> <strong>des</strong> <strong>Reich</strong> <strong>Gottes</strong> <strong>hier</strong> <strong>auf</strong> <strong>Erden</strong>“ 6 von 7<br />

len und religiösen Bewegungen der Zeit, die mich <strong>auf</strong>merksam werden läßt, wo die Entwicklungen<br />

<strong>auf</strong> die Krise hintreiben.<br />

Denn so, wie ich meine Krise erlebt habe in der Unmöglichkeit, aus der Egoität meine Lebensfunktion<br />

zu lösen, und durch das surrender und den ganzen vorhin beschriebenen Weg dazu gekommen<br />

bin, ein demütiges und bescheidenes Werkzeug Seiner Wirksamkeit zu werden und <strong>auf</strong> Ihn<br />

allein zu trauen, so ist es ja auch im Weltganzen. Und darum sind alle diese Krisen positiv zu bewerten.<br />

Darum soll man nicht zurückschrecken vor dem Tod, denn in dieser Haltung gibt es kein<br />

Zurückschrecken vor dem Tod. Da sind die Grenzen zwischen Tod und Leben nur relative Grenzen<br />

innerhalb <strong>des</strong> ganzen Lebens, das durch Ihn gegeben wird, <strong>des</strong> Ewigen Lebens, <strong>des</strong>sen wir<br />

durch den Heiligen Geist immer bewußter werden, oder wie die „Bhagavadgita“ sagt: daß wir in der<br />

Unsterblichkeit leben oder, wie es im Neuen Testament heißt: daß wir in der Auferstehung Christi<br />

leben, so daß wir also den Menschen, die noch vor der To<strong>des</strong>angst zurückschrecken, vorleben<br />

sollen, daß das kein Grund zur Angst und zum Verzweifeln ist, sondern im Gegenteil ein In-die-<br />

Krise-gedrängt-werden zur Neuen Geburt – und zwar jetzt, <strong>hier</strong>, in diesem Dasein. Wer vor dem<br />

Tod zurückschreckt, und wer das ernsthaft tut oder wer ernsthaft mit dem Gedanken <strong>des</strong> Suizid<br />

spielt oder ernsthaft davorsteht, dem soll klarwerden, daß das ein Drängen seiner eigenen Lebenskrise<br />

ist zu einem Neuwerden, Neugeborenwerden im universaleren Leben - in einem Leben,<br />

das nur durch den Tod der Egoitäten, das heißt durch ihre Umwandlung als Brennstoff in der<br />

Flamme <strong>des</strong> Lichts, der Liebe, <strong>des</strong> Lebens, all der großen, göttlichen <strong>Reich</strong>-<strong>Gottes</strong>-Werte, gelöst<br />

wird. Und daß Er, der diese Lösung bringt, da ist und personal wirkt, den, der in diese Krise hineinkommt,<br />

gesucht hat - nach dem Wort Augustins: „Du hast uns zu Dir hingezogen, und unser Herz<br />

ist erst ruhig, wenn es ruht in Dir."<br />

So scheint mir, daß die Zweifelsfrage, ob all das, was uns <strong>hier</strong> anvertraut worden ist im Evangelium,<br />

im Integralen Yoga, was uns als Weg gezeigt ist – ich sage, daß die Zweifelsfrage, ob das die<br />

Wahrheit ist und ein gangbarer Weg ist, gar nicht <strong>auf</strong>kommen kann. Es kann sich nur um mich<br />

allein handeln. Denn nur dadurch kann die Ausstrahlung oder Radianz von dem, was Er mir an<br />

‛Licht und ‛Geist` gibt, verwirklicht werden, daß ich selber nie zweifle, daß wenn die Unsicherheiten<br />

kommen, ich dann um so fester alle Kräfte zusammenfasse als Brennstoff, damit sie wieder von<br />

dem ´Licht` gewandelt werden.<br />

Nun ist aber diese persönliche Haltung gerade das, worum es sich handelt: unseren Menschen<br />

gegenüber, die zu uns als Aufgeschlossene, als Zweifelnde, als Suchende, als Leidende kommen.<br />

Es besteht die Gefahr, das zu lehren, was ich <strong>hier</strong> eben dargestellt habe als eigenes Ringen und<br />

eigene Erfahrung. Und das könnte über das Versuchs-Vermögen hinausgehen, oder es könnte<br />

dazu führen, daß es abgelehnt wird als zu schwer. Der Einwand: „Du verlangst zuviel" - ein unsinniger<br />

Einwand, aber ein Einwand der Ausflucht vor dieser Wirklichkeit - ist mir schon gemacht worden.<br />

Ich sage nun: gerade <strong>hier</strong> in dieser Funktion denen gegenüber, die einem zugewiesen werden,<br />

muß man sehr horchend sein <strong>auf</strong> das, was im Gespräch von Gott eingegeben wird, wie man<br />

helfend antworten soll. Ich komme immer wieder dar<strong>auf</strong> zurück, daß ich das, was an Fragen, Leiden<br />

mir <strong>auf</strong>erlegt wird (vor allem derer, die mir zugewiesen sind), daß ich das konzentriere und an<br />

Gott weitergebe, daß ich also in mir zuerst wieder einen Vorgang der Ausschaltung meiner Ichhaftigkeit,<br />

nämlich mich darzustellen, tun soll. Ich habe das bisher nur unvollkommen tun können, bis<br />

mir <strong>auf</strong>gegangen ist, daß es ja sinnlos ist, daß ich mich darstelle, denn dann bin ich wieder mit<br />

einer Ichhaftigkeit, mit einer wohlgemeinten, ja sogar mit einer spiritualisierten Egoität zwischen<br />

das getreten, was Er durch mich zu sagen hat, und mir <strong>auf</strong>trägt im Sagen oder im Schweigen weiterzugeben.<br />

Im Schweigen weitergeben kann ich es dann, wenn der betreffende Mensch mit seinen<br />

mir bekannten oder gefühlten Leiden nicht persönlich da ist. Da kann ich das, was ich fühle,<br />

was in ihm ringt, nach Gestaltung ringt, nach Neuwerden ringt, was seine Krise darstellt, das kann<br />

ich dann an Gott hingeben. Dann kann ich mich dar<strong>auf</strong> verlassen, daß der Christus in ihm bewußt<br />

wird, also sein Gott-Mensch, durch die Wirkung, die der Heilige Geist an ihm ausübt, wie immer,<br />

<strong>auf</strong> der Stufe, <strong>auf</strong> der, der Betreffende jetzt steht. Und das ist gerade bei der großen Zahl derer,<br />

die ich persönlich nicht mit dem gesprochenen Wort oder mit der Kassette oder telefonisch erreichen<br />

kann, die notwendige egofreie Haltung <strong>des</strong> Funktionärs: <strong>des</strong> Funktionärs <strong>des</strong> göttlichen Geistes.<br />

Mir scheint, daß das eine große und weithin ungenützte Macht ist in unseren Gruppen, bei<br />

den Bewegungen, die <strong>auf</strong> Gott hinzielen, und daß man auch in der Kirche viel zu großen Wert legt


<strong>Heinz</strong> <strong>Kappes</strong>: „<strong>Verwirklichung</strong> <strong>des</strong> <strong>Reich</strong> <strong>Gottes</strong> <strong>hier</strong> <strong>auf</strong> <strong>Erden</strong>“ 7 von 7<br />

<strong>auf</strong> das gesprochene Wort, das oft so leer ist von dieser spirituellen Kraft <strong>des</strong>sen, „Der das Wort<br />

ist", so daß <strong>hier</strong> das, was wir aus der Psychologie Sri Aurobindo´s gelernt haben, nun zu neuen<br />

Erkenntnissen <strong>auf</strong> allen Gebieten verwendet werden muß: <strong>auf</strong> den Gebieten der Pädagogik, der<br />

Seelsorge, der Psychotherapie, der Übermittlung der Erkenntnisse im gesprochenen Wort und im<br />

geschriebenen Wort oder durch die Massenmedien, damit nicht der Funktionär - ein williger Diener<br />

vom Ich, sagt Sri Aurobindo - sich wieder aus seiner abhängigen Stellung (vom göttlichen Geist)<br />

herauslöst und sich so <strong>auf</strong>führt, als ob er der Meister wäre.<br />

© Else Lehle und <strong>Heinz</strong> <strong>Kappes</strong> Freun<strong>des</strong>kreis<br />

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil dieser Niederschriften oder der Tondokumente darf ohne schriftliche<br />

Genehmigung verändert, gekürzt oder auszugsweise veröffentlicht oder vertrieben werden.

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