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hallo natur- und kunstfreunde - caco-total

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Anthologie<br />

Baum Bäume Wald<br />

Als mir die Idee zu „3333bäumefürkrefeld“ kam, sammelte ich Texte, in denen sie<br />

eine Rolle spielen, hier ist das vorläufige Ergebnis :<br />

Beiträge von<br />

Aegidius von Assisi / Alexandra / Unbekannten Autoren / Edward Bach / Rudolf Bayr<br />

/ Joseph Beuys / Bibel / Paul Celan / Cosima Birnbaum / Friedrich Bodenstedt /<br />

Berthold Brecht / Emily Bronte / Jochen Butz / Caco / Hakki Cimen / U We Claus /<br />

Günter Eich / Theodor Fontane / Margot Gabriel / Jean Giono / Jürgen Görtz /<br />

Johann Wolfgang von Goethe / Friedrich Gorissen / Martin Greif / Grimmismál /<br />

GRÜN KAPUTT / Johann Peter Habel / Rudolph Hagelstange / Otto Erich Hartleben<br />

/ Wilhelm Hauff / Werner Helwig / Hermann Hesse / Nazim Hikmet / Helge Hommes /<br />

Erich Kästner / Helen Keller / Gottfried Keller / Keltisches Baumhoroskop / Keokuk /<br />

Kerstin von Klein / Ernst Köppen / Matthias Kremers / Hugo Kükelhaus / Dalai Lama<br />

/ Else Lasker Schüler / Legenden / Lexikon / Maurice Lindsay / Theoder Lipp /<br />

Viktoria Lösche / Dorothy Maclean / Moran Mac Main / Märchen / Conrad Ferdinand<br />

Meyer / Ruth Mönks / Nena / Friedrich Nietzsche / Orgetorix / Gerhard Polt /<br />

Sigism<strong>und</strong> von Radecki / Redewendungen / Rainer Maria Rilke / Sagen / Elisabeth<br />

Schlanstein / Gerda Schnell / Birgit Schnelle / Rudolf Alexander Schröder / Franz<br />

Schubert / Renate Sommer / Sprichwörter / Sprüche / Horst Stern / Talesiesin /<br />

Albert Vigoleis-Thelen / Alfred Tennyson / Aleke Thuja / Hella Ullrich / Hein<br />

Versteegen / Christel Vogt / Karl Heinz Wagger / Detlef Wendler / Louwrien Wijers /<br />

Friedrich Wolf, um nur einige zu nennen.<br />

Ansprache zur<br />

Vernissage KUNSTfürBÄUME vom 14. – 23. Sept. 07 im Krefelder<br />

Südbahnhof, mit der uns über 90 Künstler unterstützten.<br />

Meine Damen <strong>und</strong> Herren, liebe Künstlerinnen <strong>und</strong> Künstler!<br />

Wissen Sie eigentlich, was Kunst ist? Welch provokative Frage, mögen Sie<br />

denken. Das erfahren wir spätestens auf einer Vernissage. Und spätestens<br />

in der Eröffnungsrede, wo uns eine mehr oder weniger gewichtige<br />

Kunstperson erzählt, wie wichtig das ist, was uns der Künstler da geschaffen<br />

hat, da haben wir begriffen. Plötzlich sehen wir die Kunst aus ganz anderen<br />

Augen. So, wie es der Künstler sich garantiert nicht gedacht hat. Da stehen<br />

dann all die Kunstexperten vor den Kunstwerken <strong>und</strong> stellen gewichtige<br />

Fragen: Was will uns der Künstler damit sagen? Um dann gleich an diese<br />

rhetorische Frage seine eigenen Interpretationen zu platzieren, um zu<br />

demonstrieren, wie viel man von Kunst versteht <strong>und</strong> die Künstlerschaft hört<br />

andächtig zu, erfährt vielleicht zum ersten mal, was sie sich bei der<br />

Entstehung des Kunstwerks so alles gedacht haben soll. Lacht sich<br />

womöglich selbst ins Fäustchen oder auch nicht. Und wir? Wir sind live<br />

dabei, mit dem Sektglas in der Hand, womit man so furchtbar schlecht


klatschen kann, ohne sich zu verletzen. Ein paar Tage später lesen wir dann<br />

in der Zeitung, dass das, was andere für Kunst halten, noch lange keine<br />

Kunst ist. Denn was Kunst ist oder zu sein hat, das entscheiden nicht wir,<br />

<strong>und</strong> schon mal gar nicht die Künstlerschaft, sondern die Kunstkritiker. Das<br />

sind Leute, die sind so gewichtig <strong>und</strong> autark, dass sie eine beliebige<br />

Publikumsmenge mit einer einzigen Stimme überstimmen können. Egal, ob<br />

wir das verstehen oder nicht. Wir sind ja nur Volk! Und was versteht Volk<br />

schon von Kunst? Spätestens dann sollten wir geheilt sein <strong>und</strong> wissen, dass<br />

wir eigentlich nix wissen. Wir, das h<strong>und</strong>sgemeine, ordinäre Volk. Das ist<br />

immer schon so gewesen. Früher waren die Künstler von der Gnade der<br />

Fürstenhöfe abhängig, heute ist es die Gnade der Medien, die damit die<br />

Gnade der Mäzene beeinflussen <strong>und</strong> irgendwie dann auch das Schicksal der<br />

Künstlerschaft. Mitunter lassen Kunstkritiker sich aber auch gnädig herab,<br />

wenn sie sich mitleidig über Kunst <strong>und</strong> Künstler der eigenen Region<br />

erheben. Die werden dann gern in die 4. Liga eingestuft, da wo im Fußball<br />

der Amateurstatus aufhört oder beginnt, je nachdem aus welcher Richtung<br />

man auf- oder absteigt. Dazu fällt mir spontan das Zitat von Markus Lüpertz<br />

ein, das ich heute Morgen in der Zeitung las: Der Künstler ist das Beste,<br />

Schönste <strong>und</strong> Großartigste, was die Gesellschaft hat! Natürlich<br />

implementiert dieses Zitat auch die Künstlerin, nehme ich an! Wohl der<br />

Künstlerin <strong>und</strong> dem Künstler, der frei <strong>und</strong> unabhängig ist! Der denkt dann<br />

womöglich im Traum, was kann es die Buche kratzen, wenn ein Pinscher<br />

daran sein Bein hebt.<br />

Und damit komme ich zum Baum <strong>und</strong> zur Cacophonie, natürlich mit „c“<br />

geschrieben, also der Cacos’schen Verwaldungsidee für Krefeld. Das hat<br />

nichts mit Kakophonie mit „k“ zu tun, sondern eher mit dem Gegenteil.<br />

Dass ich die Eröffnungsrede (Ausstellung) halten darf, ehrt mich, denn das<br />

ist das erste mal, dass ich zu so etwas Hohem berufen werde. Einmal im<br />

Leben soll der Mann ein Buch schreiben, eine Rede halten oder gar einen<br />

Baum pflanzen. Das Letztere ist eine besonders schöne Idee. Überdauert<br />

dieser Baum doch in der Regel die Lebensdauer des Menschen <strong>und</strong> sei es<br />

als Bestandteil eines Friedwaldes auf der letzten Ruhestätte! Die zurück<br />

bleibenden Menschen, werden noch lange an den Verblichenen erinnert,<br />

sofern kein Kyrill oder anderer Wüterich oder Wüterin über unser Land<br />

hinweg fegt <strong>und</strong> den gepflanzten Baum wieder mit brachialer Gewalt der<br />

Natur entreißt.<br />

Aber das, was Joseph Beuys im Rahmen der documenta in Kassel mit<br />

seiner Kunstidee der 7.000 Eichen geschultert hat, das dürfte Caco mit<br />

seiner nimmermüden Beharrlichkeit gemeinsam mit seinen Gleichgesinnten<br />

in Krefeld doch auch gelingen: nämlich 3.333 Bäume zu pflanzen, wobei ich<br />

nicht weiß, was Caco sich bei dieser karnevalistisch anmutenden<br />

Schnapszahl gedacht hat. Will er damit der Verwaltung demonstrieren, was<br />

Verwaldung ist, <strong>und</strong> welch karnevalistisch anmutende Entscheidung sie<br />

manchmal trifft? Beuys hat damals 5 Jahre gebraucht, bis der 7.000. Baum<br />

gepflanzt war. 1987, zur 8. documenta war es geschafft. Kassel war um<br />

7.000 Bäume reicher! Ja, Kassel war wirklich reicher geworden um diese<br />

7.000 Bäume.<br />

Ja <strong>und</strong> in Krefeld, der Geburtsstadt von Joseph Beuys, wurden allein durch


Kyrill 12.000 Bäume vernichtet, an einem Tag. Die Wiederaufforstung soll<br />

laut Grünflächenamt r<strong>und</strong>e 3 Mio. € kosten. Selbst, wenn es also gelingt, die<br />

3.333 Bäume neu zu pflanzen, hat Krefeld immer noch einen Verlust von<br />

r<strong>und</strong> 8.700 Bäumen „vor K“! Die Stadt wird also keineswegs um 3.333<br />

Bäume reicher! Es sei denn, man wählt die neue Zeiteinheit „nach K“, dann<br />

würde die Stadt in der Tat um 3.333 Bäume reicher. Cacos Idee, die<br />

heimische Kunstszene durch Werkspenden mit einzubinden, verdient<br />

jedenfalls höchste Anerkennung. Immerhin sind auf diese Art fast 100 Werke<br />

zusammen gekommen, die hier besichtigt <strong>und</strong> erworben werden können,<br />

wodurch wir der Baumidee ein ganzes Stück näher rücken. Bäume spenden<br />

Leben, Luft zum Atmen, Bäume wachsen in den Himmel. So haben wir sie<br />

als Kinder immer gesehen, wenn wir im Stadtwald an den mächtigen Buchen<br />

hoch guckten <strong>und</strong> vor lauter Bäumen nicht mehr den Wald gesehen haben.<br />

Und unten, in der Rinde fand man die Spuren menschlichen Tuns, da haben<br />

sich jung verliebte Paare verewigt, Treueschwüre in die Rinde geritzt. Man<br />

kann sie noch heute erkennen. Ob diese Menschen sich noch erinnern in<br />

unserer schnelllebigen Zeit, wo man sich so schnell wieder trennt? Ob sie<br />

überhaupt noch leben? Wo sind die Stammhalter? Bäume spenden<br />

Schatten, schützen uns eine Zeit lang vor dem Regen, bis ihr Blätterdach<br />

der Last des Regens nicht mehr gewachsen ist <strong>und</strong> <strong>und</strong>icht wird. Bäume<br />

neigen sich vor dem Sturm, halten normalerweise Stand, wenn die Wurzeln<br />

nicht krank sind oder der Blitz einschlägt. Der Stammbaum unseres Lebens<br />

weiß davon zu berichten. Dieser Stammbaum, der das Synonym für eine<br />

gewachsene Familie darstellt. Und in dem Zusammenhang frage ichmich<br />

immer, wie solche Stammbäume in h<strong>und</strong>ert Jahren mal aussehen mögen?<br />

Wie viele Äste mag es dann noch geben, wie viele Früchte? Und wie viele<br />

verkrüppelte Bäume, die kaum noch Äste haben? Der Baum der Erkenntnis<br />

möge in uns wachsen. Wir alle wissen, dass dieser Baum im Garten Eden,<br />

gleich vorne links, wenn man rein kommt, direkt neben dem Baum des<br />

Lebens stand. Beide Bäume waren von elementarer Bedeutung für die<br />

gesamte Menschheit. So entschied der Baum mit seinen Früchten über<br />

Wohl <strong>und</strong> Wehe der Menschheit. Geht der Mensch mit dem Baum deshalb<br />

so um? Vernichtet er ihn deshalb durch die Abholzung der Regenwälder,<br />

durch Brandstiftung aus bodenspekulativer Raffgier <strong>und</strong> indirekt durch den<br />

gnadenlos-rücksichtslosen Umgang mit der Umwelt? Dadurch schaffen wir<br />

es sogar, die Bäume in unserem eigenen Lebensraum unheilbar krank zu<br />

machen. Wir Menschen glauben, die Natur im Griff zu haben, in Wirklichkeit<br />

ist es andersrum. Und wir haben es immer noch nicht gemerkt. Wie viele<br />

Kyrills <strong>und</strong> Cathrinas brauchen wir eigentlich noch, um endlich wach zu<br />

werden? Wenn wir so weiter machen, kommen wir irgendwann mit dem<br />

Aufforsten nicht mehr nach.<br />

Baum<br />

du Weggefährte<br />

vergib uns<br />

dass wir dich<br />

abholzen<br />

zerteilen<br />

trocknen<br />

zersägen<br />

zu Kreuzen


vernageln<br />

schälen<br />

spanen<br />

verfeuern<br />

pressen<br />

zu Särgen<br />

wir nehmen<br />

den gleichen Weg<br />

du Weggefährte<br />

Baum<br />

Jochen Butz<br />

Nach Kyrill<br />

Januar 2007<br />

Mein Gott, die Bäume<br />

es war passiert<br />

schon oft<br />

aber nicht so<br />

nicht SO viele<br />

aber so nicht<br />

nicht mit uns<br />

was nun<br />

was tun<br />

nach diesem Orkan<br />

da kam die Idee<br />

dann das für <strong>und</strong> wider<br />

evt.<br />

vielleicht<br />

ja<br />

nein<br />

gezweifelt<br />

gehofft<br />

viel gelesen<br />

geredet<br />

telefoniert<br />

geschrieben<br />

umgehört<br />

gefragt<br />

nachgefragt<br />

kennst du die?<br />

wie<br />

den auch?<br />

ja, um ein paar Ecken<br />

gesammelt<br />

gefahren<br />

abgeholt<br />

gelagert<br />

ein- <strong>und</strong> ausgepackt


hingestellt<br />

aufgehängt<br />

abgehängt<br />

umgehängt<br />

hier- oder dahin?<br />

also doch da<br />

oder doch hier?<br />

Preise <strong>und</strong><br />

Liste gemacht<br />

Prozente?<br />

Verhandelt<br />

Gehandelt<br />

dann<br />

von gestern auf heute<br />

Tür <strong>und</strong> Tor geöffnet<br />

AHA<br />

Ansprache Musik Leute<br />

Da<br />

Gesprochen<br />

Erzählt<br />

Zugehört<br />

Zugesehen<br />

wiedergesehen<br />

sehen gelassen<br />

getroffen<br />

gestaunt<br />

MÄNSCH!<br />

ihr <strong>und</strong> ich<br />

wir <strong>und</strong> du<br />

zusammen<br />

Baum für Baum<br />

ABER HALLO!<br />

Caco<br />

Der Mann der Bäume pflanzte<br />

Übersetzung von Tina Walpen, 2007.<br />

Jean Giono schrieb die folgende Erzählung im Jahr 1953. Obwohl in<br />

Frankreich nur wenig bekannt, wurde sie trotzdem in 13 Sprachen übersetzt<br />

<strong>und</strong> in der ganzen Welt verbreitet. Sie wurde so geschätzt, dass sehr oft<br />

Fragen gestellt wurden über die Person Elzéard Bouffier <strong>und</strong> über den Wald<br />

von Vergons. Darum ist das Interesse für den Text wieder erwacht. Auch<br />

wenn der Mann, der die Eichen pflanzte, ein Produkt der Fantasie des<br />

Autors ist, bemühte man sich in dieser Region seit 1880 sehr effektiv um<br />

eine Wiederaufforstung. Vor dem ersten Weltkrieg wurden h<strong>und</strong>ert Tausend<br />

Hektaren Wald aufgeforstet, hauptsächlich mit der österreichischen<br />

Schwarzkiefer <strong>und</strong> der europäischen Lärche. Heute stehen hier schöne


Wälder, die die ganze Landschaft sowie den Wasserhaushalt nachhaltig<br />

verändert haben. J. Giono schrieb 1957 dem Konservator für Wasser <strong>und</strong><br />

Wald von Digne, Herrn Valdeyron, folgenden Brief :<br />

Sehr geehrter Herr,<br />

Leider muss ich Sie enttäuschen, Elzéard Bouffier ist eine<br />

erf<strong>und</strong>ene Person. Mein Ziel war es, die Liebe zu Bäumen oder<br />

besser die Liebe zum Pflanzen von Bäumen zu fördern. Das ist<br />

seit jeher eine meiner liebsten Ideen. Misst man die Sache am<br />

Resultat, so ist das Ziel durch diese erf<strong>und</strong>ene Person erreicht<br />

worden. Der Text, den Sie in Trees & Life gelesen haben, wurde<br />

ins Dänische, Finnische, Schwedische, Norwegische, Englische,<br />

Deutsche, Russische, Tschechische, Ungarische, Spanische,<br />

Italienische, Jiddische <strong>und</strong> Polnische übersetzt. Ich habe die<br />

Rechte für alle diese Veröffentlichungen kostenlos abgetreten. Ein<br />

Bürger der USA besuchte mich kürzlich <strong>und</strong> bat mich um die<br />

Rechte, h<strong>und</strong>ert Tausend Exemplare gratis in den USA verteilen<br />

zu können. Natürlich habe ich zugesagt. Die Universität Zagreb<br />

hat eine Übersetzung ins Serbokroatische gemacht. Es ist einer<br />

der Texte, auf die ich besonders stolz bin. Er bringt mir keinen<br />

Cent ein, <strong>und</strong> darum wohl erreicht er genau das, wofür er<br />

geschrieben wurde.<br />

Falls es Ihnen möglich ist, möchte ich mich gern mit Ihnen treffen,<br />

um Genaueres zum Gebrauch des Textes zu besprechen. Ich<br />

glaube, es ist Zeit für eine „Politik der Bäume“, wenn auch das<br />

Wort Politik schlecht zu passen scheint.<br />

Herzlichst<br />

Jean Giono<br />

Um außergewöhnliche Qualitäten eines menschlichen Wesens erkennen zu<br />

können, muss man das Glück haben, sie während vielen Jahren beobachten<br />

zu können. Falls das Werk ohne jeden Egoismus <strong>und</strong> die Idee von<br />

einzigartiger Größe ist, <strong>und</strong> auch noch sichtbare Spuren auf der Erde<br />

hinterlassen werden, dann begegnet man wirklich einem unvergesslichen<br />

Charakter.<br />

Vor etwa vierzig Jahren unternahm ich eine lange Wanderung in der uralten<br />

Alpenregion, die sich in die Provence hinein erstreckt, für Touristen eine<br />

völlig unbekannte Gegend. Im Süden wird sie durch den Lauf der Durance<br />

zwischen Sisteron <strong>und</strong> Mirabeau begrenzt, im Norden von der Drome von<br />

der Quelle bis nach Die, <strong>und</strong> im Westen von den Ebenen der Grafschaft<br />

Venaissin <strong>und</strong> den Vorgebirgen des Mont Ventoux. Sie enthält den ganzen<br />

nördlichen Teil des Departements der Basses-Alpes, den Süden der Drome<br />

<strong>und</strong> eine kleine Enklave der Vaucluse.<br />

Zu der Zeit, als ich zu meiner langen Wanderung aufbrach, war das eine<br />

nackte <strong>und</strong> monotone Landschaft auf 1200 bis 1300 Metern Höhe, nur von<br />

wildem Lavendel bewachsen. Ich überquerte dieses Land in der ganzen<br />

Breite <strong>und</strong> nach drei Tagesmärschen befand ich mich in einer einzigartigen<br />

Einöde. Ich nächtigte an der Seite der Überreste eines kleinen verlassenen<br />

Dorfes. Seit dem Morgen hatte ich kein Wasser mehr <strong>und</strong> ich musste


unbedingt danach suchen. Bei diesen Ruinen, die wie ein altes Wespennest<br />

aussahen, musste es doch in alter Zeit eine Quelle oder einen Brunnen<br />

gegeben haben. Eine Quelle war da, aber völlig ausgetrocknet. Die fünf oder<br />

sechs von Wind <strong>und</strong> Wetter zerfressenen Häuser <strong>und</strong> die kleine Kapelle mit<br />

dem eingestürzten Turm waren zwar angeordnet wie die belebten Dörfer,<br />

aber alles Leben war daraus verschw<strong>und</strong>en. Obwohl es ein sonniger Junitag<br />

war, blies der Wind mit einer unerträglichen Brutalität über die ungeschützte<br />

<strong>und</strong> gegen den Himmel offene Gegend. Er fauchte um die Überreste der<br />

Häuser wie ein Raubtier, das beim Fressen überrascht wird. Ich musste das<br />

Lager aufgeben. Fünf St<strong>und</strong>en weiter hatte ich immer noch kein Wasser<br />

gef<strong>und</strong>en <strong>und</strong> nichts gab mir Hoffnung es zu finden. Überall die gleiche<br />

Trockenheit, die gleichen verholzten Sträucher. In der Ferne schien ich eine<br />

kleine schwarze aufrechte Silhouette zu sehen. Ich dachte, es sei ein<br />

einzelner Baumstrunk. Auf gut Glück lief ich auf ihn zu. Es war ein Hirte,<br />

neben ihm lagen etwa 30 Schafe. Er gab mir aus seiner Flasche zu trinken<br />

<strong>und</strong> führte mich ein wenig später zu seinem Haus in einer Bodensenke der<br />

Plateaus. Er holte sein ausgezeichnetes Wasser aus einem natürlichen sehr<br />

tiefen Erdloch, über das er eine einfache Winde angebracht hatte.<br />

Dieser Mann sprach nicht viel. Das trifft man oft an bei Menschen die alleine<br />

leben. Aber ich fühlte, dass er sich seiner selbst sicher war. Das war<br />

ungewöhnlich in diesem kargen Land. Er wohnte nicht in einer Hütte,<br />

sondern in einem Haus aus Stein, dem man ansah, wie er mit seinen<br />

Händen die Ruine, die er angetroffen hatte, wieder instand gestellt hatte.<br />

Das Dach war solide <strong>und</strong> wasserdicht. Der Wind, der auf die Ziegel traf,<br />

machte einen Lärm wie das Rauschen am Meeresstrand. Sein Haushalt war<br />

geordnet, die Wäsche gewaschen, der Holzboden gewischt, sein Gewehr<br />

geölt. Auf dem Herd kochte eine Suppe. Jetzt bemerkte ich, dass er frisch<br />

rasiert war, <strong>und</strong> dass alle Knöpfe gut angenäht waren. Seine Kleider waren<br />

in der feinen Art ausgebessert, die den Flick unsichtbar macht. Er hieß mich,<br />

die Suppe mit ihm zu teilen. Als ich ihm meinen Tabaksbeutel anbot, sagte<br />

er mir, er rauche nicht. Sein H<strong>und</strong> war wachsam ohne unterwürfig zu sein<br />

<strong>und</strong> so still wie sein Meister.<br />

Wir kamen bald überein, dass ich die Nacht hier verbringen würde. Das<br />

nächste Dorf war mehr als eineinhalb Tagesmärsche entfernt. Darüber<br />

hinaus kannte ich den Charakter der wenigen Dörfer dieser Region. Sie<br />

befinden sich weit voneinander entfernt an Abhängen im Buschholz der<br />

Steineichen am äußersten Ende von befahrbaren Strassen. Die Einwohner<br />

sind Köhler. Es sind keine angenehmen Wohnorte. Die Familien sind Winter<br />

wie Sommer in diesem rauen Klima aneinander geb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> leben ihren<br />

Egoismus im Kleinen aus. Der unbewusste Ehrgeiz zeigt sich in der<br />

dauernden Sehnsucht, dem Ort zu entfliehen. Die Männer transportieren die<br />

Holzkohle mit ihren Lastwagen in die Stadt, dann kehren sie wieder zurück.<br />

Auch solide Charakter zerbrechen unter solch dauernd wechselndem<br />

Dasein. Die Frauen hegen mancherlei Groll. Bei allem <strong>und</strong> jedem gibt es<br />

Konkurrenz, beim Kohleverkauf wie bei der Kirchenbank, sie streiten um die<br />

Tugenden <strong>und</strong> die Laster, in einer Mischung ohne Ende. Der Hirte rauchte<br />

nicht, aber er holte einen kleinen Sack <strong>und</strong> verteilte einen Haufen Eicheln<br />

auf dem Tisch. Aufmerksam kontrollierte er eine nach der anderen <strong>und</strong><br />

trennte die Schlechten von den Guten. Ich rauchte meine Pfeife dabei <strong>und</strong><br />

bot ihm an, zu helfen. Das ist meine Angelegenheit, erwiderte er. Und


wirklich, als ich seine Sorgfalt dabei sah, bestand ich nicht mehr darauf. Das<br />

war unsere ganze Unterhaltung. Als er einen ansehnlichen Haufen auf der<br />

Seite der Guten hatte, fing er an, sie in Einheiten von Zehn zu zählen. Dabei<br />

schaute er sie noch genauer an <strong>und</strong> legte die kleinen oder leicht<br />

eingerissenen weg. Als er so h<strong>und</strong>ert perfekte Eicheln vor sich hatte, hielt er<br />

inne <strong>und</strong> wir gingen schlafen.<br />

Die Gesellschaft dieses Mannes erfüllte mich mit Frieden, darum bat ich ihn<br />

am nächsten Morgen, mich den ganzen Tag bei ihm ausruhen zu dürfen. Er<br />

fand das ganz normal, besser gesagt, er machte den Eindruck, als ob ihn<br />

überhaupt nichts stören könnte. Dieser Ruhetag war für mich nicht zwingend<br />

nötig, aber ich war neugierig <strong>und</strong> wollte mehr wissen. Er ließ seine Herde<br />

heraus <strong>und</strong> führte sie auf eine Weide. Vorher hatte er den Sack mit den<br />

sorgfältig ausgewählten <strong>und</strong> gezählten Eicheln in einem Eimer Wasser<br />

getränkt.<br />

Ich bemerkte, dass er anstelle eines Steckens einen dicken ungefähr 150<br />

cm langen Eisenstab mitnahm. Wie ein Spaziergänger folgte ich ihm nach.<br />

Die Schafweide befand sich in einer Mulde. Er ließ die kleine Herde in der<br />

Obhut seines H<strong>und</strong>es <strong>und</strong> stieg wieder zu mir herauf. Ich befürchtete schon,<br />

er werde mir meine Neugierde vorhalten, aber im Gegenteil, ich stand<br />

zufällig auf seinem Weg <strong>und</strong> er lud mich ein, ihn zu begleiten, falls ich nichts<br />

Besseres zu tun hätte. Dann stieg er 200 Meter weiter auf.<br />

Am Ziel angelangt, fing er an, seinen Eisenstab in die Erde zu bohren. Er<br />

machte ein Loch, versenkte eine Eichel <strong>und</strong> verschloss das Loch wieder. Er<br />

pflanzte Eichen! Ob dieses Land ihm gehörte? Nein, sagte er. Ob er wisse,<br />

wer der Besitzer sei? Er wusste es nicht. Vielleicht nahm er an, es sei<br />

Gemeindeboden oder die Besitzer kümmerten sich nicht darum? Nein, das<br />

war ihm völlig egal. So pflanzte er an dem Tag h<strong>und</strong>ert Eicheln mit größter<br />

Sorgfalt.<br />

Nach dem Mittagsmahl nahm er die Arbeit wieder auf. Da ich eindringlich<br />

fragte, erzählte er mir ein wenig. Er pflanzte nun seit drei Jahren Bäume in<br />

dieser Einöde. Er hatte bisher schon h<strong>und</strong>ert Tausend gepflanzt. Davon<br />

trieben etwa zwanzigtausend aus. Er rechnete damit, die Hälfte davon durch<br />

Nagetiere oder durch Unvorhergesehenes zu verlieren. Das ergab, dass<br />

dort, wo vorher Wüste war, nun zehntausend Eichen wuchsen. In diesem<br />

Moment fragte ich mich wie alt dieser Mann wohl sei. Er musste über 50<br />

Jahre alt sein. Er heiße Elzeard Bouffier <strong>und</strong> sei 55jährig, sagte er. Im Tal<br />

unten hatte er einen Bauernhof besessen, seinen Lebensplan realisiert,<br />

doch dann den einzigen Sohn <strong>und</strong> später die Frau verloren. Er zog sich<br />

zurück in die Einsamkeit <strong>und</strong> fand Gefallen am langsamen Lebensrhythmus<br />

mit seinen Schafen <strong>und</strong> dem H<strong>und</strong>.<br />

Er hatte erkannt, dass das Land am Mangel von Bäumen zugr<strong>und</strong>e gehen<br />

würde. Und da er keine besonderen Aufgaben hatte, dachte er, diesen<br />

Zustand zu ändern.<br />

Da ich damals trotz meiner Jugend als Einzelgänger lebte, verstand ich es<br />

mit Behutsamkeit mit einsamen Leuten in Kontakt zu kommen. Trotzdem<br />

machte ich einen Fehler. Gerade eben wegen meiner Jugend stellte ich mir<br />

die Zukunft vor <strong>und</strong> sagte optimistisch: diese Zehntausend Eichen werden in<br />

30 Jahren ganz w<strong>und</strong>erbar dastehen. Er fand nur, das, wenn Gott ihm das<br />

Leben noch gewähre, er in 30 Jahren so viele Bäume gepflanzt habe, dass


diese Eichen darunter nur wie ein Tropfen im Meer erscheinen würden.<br />

Übrigens studierte er auch schon die Aufzucht von Buchen <strong>und</strong> hatte nahe<br />

seinem Haus eine Pflanzschule mit Bucheckern angelegt. Die jungen<br />

Pflanzen, die er mit einem Gitter vor den Schafen geschützt hatte, gediehen<br />

prächtig. Er dachte auch an Birken für diejenigen Standorte, wo wenige<br />

Meter unter der Oberfläche Feuchtigkeit zu finden war. Wir trennten uns am<br />

folgenden Tag.<br />

Im nächsten Jahr, 1914, war Krieg <strong>und</strong> ich wurde für fünf Jahre eingezogen.<br />

Ein Infanterist kann kaum über Bäume nachdenken. Um ehrlich zu sein: die<br />

Geschichte hatte mich nicht all zu sehr beeindruckt. Ich hielt sie für ein<br />

Steckenpferd, so wie Briefmarkensammeln, <strong>und</strong> vergaß sie.<br />

Am Ende des Kriegs hatte ich eine kleine Abfindung erhalten <strong>und</strong> ich sehnte<br />

mich nach frischer Luft. Ohne Plan, nur gerade aus dieser Sehnsucht<br />

heraus, nahm ich wieder den Weg zu diesen Einöden auf. Das Land hatte<br />

sich nicht verändert. Allerdings bemerkte ich oberhalb des verlassenen<br />

Dorfes eine Art grauer Nebel, der die Anhöhe bedeckte wie ein Teppich. Ich<br />

dachte wieder an den Hirten, der Bäume pflanzte. Zehntausend Eichen<br />

brauchen wirklich viel Platz, sagte ich mir.<br />

In den fünf Jahren hatte ich zu viele Menschen sterben sehen, um mir nicht<br />

vorstellen zu können, dass dieser Mann vielleicht gestorben war, so wie man<br />

mit zwanzig Jahren denkt, dass 50jährige schon alt sind <strong>und</strong> dem Tod schon<br />

nahe. Er war aber nicht tot, sondern sogar noch gut im Saft. Er besaß nur<br />

noch vier Schafe, dafür etwa h<strong>und</strong>ert Bienenstöcke. Weil die Schafe seine<br />

Pflanzungen gefährdeten, hatte er sich von ihnen getrennt. Er sagte, <strong>und</strong> ich<br />

konnte das sehen, dass er sich überhaupt nicht um den Krieg geschert<br />

hatte, sondern weiter pflanzte ohne sich stören zu lassen.<br />

Die Eichen von 1910 waren nun zehn Jahre alt <strong>und</strong> größer als er <strong>und</strong> ich, ein<br />

beeindruckender Anblick. Ich war buchstäblich sprachlos, <strong>und</strong> wir<br />

verbrachten den ganzen Tag schweigend wandernd in seinem Wald. Dieser<br />

war dreiteilig, 11 km lang <strong>und</strong> an der breitesten Stelle 3 km weit. Stellte man<br />

sich vor, wie das alles aus den Händen <strong>und</strong> der Seele dieses Mannes<br />

entstanden war - <strong>und</strong> das ohne technische Hilfsmittel - so verstand man,<br />

dass Menschen eine gottgleiche Macht haben können, nicht nur im<br />

Zerstören.<br />

Er hatte seine Idee verfolgt <strong>und</strong> die schulterhohen Buchen, die sich, so weit<br />

man sehen konnte, ausgebreitet hatten, zeugten davon. Die Eichen standen<br />

dicht <strong>und</strong> hatten das Alter überschritten, wo sie vom Wild gefährdet waren.<br />

Um dieses Werk zu zerstören müsste das Schicksal schon zu einem<br />

Wirbelsturm greifen. Er zeigte mir bew<strong>und</strong>ernswerte Birkenhaine, die etwa 5<br />

Jahre alt waren, das heißt, von 1915, als ich in Verdun kämpfte. Sie<br />

wuchsen, zart <strong>und</strong> aufrecht wie junge Menschen, auf den Böden, die, wie er<br />

richtig vermutet hatte, Feuchtigkeit direkt unter dem Boden enthielten.<br />

Die Arbeit schien weiterzuwirken: obwohl er sich nicht darum kümmerte,<br />

sondern ganz einfach sein Ziel verfolgte. Denn als ich ins Dorf zurückging,<br />

bemerkte ich rinnendes Wasser in Bachbetten, die seit Menschengedenken<br />

trocken gewesen waren. Das war die schönste Kettenreaktion, die mir je zu<br />

Gesicht kam. In uralten Zeiten hatten diese Bächlein Wasser geführt. Einige<br />

dieser traurigen Dörfer, von denen ich am Anfang sprach, waren auf den<br />

Stätten gallorömischer Dörfer gebaut worden. Es gab noch Überreste <strong>und</strong><br />

die Archäologen hatten sie ausgegraben <strong>und</strong> Angelhaken gef<strong>und</strong>en an


Orten, wo man im 20.Jahrh<strong>und</strong>ert auf Zisternen angewiesen war. Auch der<br />

Wind verteilt Samen <strong>und</strong> darum erschienen mit dem Wasser nun auch Kopf -<br />

<strong>und</strong> Trauerweiden, Wiesen, Gärten, Blumen <strong>und</strong> eine gewisse<br />

Lebensfreude.<br />

Die Veränderung geschah aber so langsam, dass sie ins Bewusstsein trat,<br />

ohne zu erstaunen. Die Jäger, die in diese einsamen Gegenden aufstiegen<br />

um Hasen <strong>und</strong> Wildschweine zu jagen, hatten das Sprießen der Bäume<br />

beobachtet, aber sie hatten dies den Launen der Natur zugeschrieben.<br />

Darum störte niemand das Werk dieses Mannes. Hätte man etwas geahnt,<br />

wäre er zurechtgewiesen worden. Er stand außerhalb jeden Verdachts. Wer<br />

hätte sich im Dorf oder in der Verwaltung eine solche Sturheit <strong>und</strong><br />

Selbstlosigkeit ausmalen können? Seit 1920 besuchte ich ihn jedes Jahr.<br />

Ich habe ihn niemals zweifeln sehen. Trotzdem, wer weiß schon, ob Gottes<br />

Hand im Spiel war? Ich zählte seine Misserfolge nicht, aber man kann sich<br />

vorstellen, dass man für einen solchen Erfolg auch viele Widrigkeiten<br />

überwinden muss. Damit eine solche Leidenschaft siegt, muss man mit der<br />

Hoffnungslosigkeit kämpfen können. Er hatte zum Beispiel während eines<br />

Jahres zehn Tausend Ahornsamen gepflanzt <strong>und</strong> alle waren zugr<strong>und</strong>e<br />

gegangen. Im folgenden Jahr ließ er es sein zu Gunsten von Buchen, die<br />

sogar besser als die Eichen heranwuchsen. Um sich ein klareres Bild von<br />

diesem außergewöhnlichen Charakter zu machen, darf man nicht<br />

vergessen, dass er ganz einsam lebte, so einsam, dass er gegen Ende<br />

seines Lebens gar nicht mehr sprach. Oder vielleicht war es einfach nicht<br />

mehr notwendig?<br />

1933 erhielt er Besuch eines verblüfften Forstmeisters. Dieser legte ihm<br />

nahe, ja kein Feuer zu machen, um diesen „natürlichen“ Wald nicht zu<br />

gefährden. Der naive Mann sagte sogar, er sehe zum ersten Mal einen Wald<br />

von alleine sprießen. Zu jener Zeit wollte er etwa 12 km von seinem Hause<br />

weg Buchen säen. Um sich den Weg zu sparen, plante er, sich eine<br />

Steinhütte bei seiner Pflanzung zu bauen. Immerhin war er da schon 65<br />

Jahre alt. Und er baute sie wirklich im folgenden Jahr. 1935 erschien eine<br />

ganze Delegation der Verwaltung, um den „natürlichen“ Wald zu<br />

begutachten. Der Direktor der Abteilung Wald <strong>und</strong> Wasser war dabei, ein<br />

Abgeordneter <strong>und</strong> Fachleute. Man verlor viele unnütze Worte. Es wurde<br />

beschlossen, etwas zu machen <strong>und</strong> glücklicherweise geschah nichts, außer<br />

dass man den Wald unter Schutz stellte <strong>und</strong> die Köhlerei verbot. Es war<br />

unmöglich, nicht von der der Schönheit dieser jungen ges<strong>und</strong>en Bäume<br />

überwältigt zu werden, sogar der Abgeordnete erlag dieser Pracht.<br />

Unter den Förstern der Delegation war ein Fre<strong>und</strong> von mir. Ich erklärte ihm<br />

das W<strong>und</strong>er. Eine Woche später gingen wir auf die Suche nach ihm <strong>und</strong><br />

fanden ihn 20 km vom Ort der Inspektion an der Arbeit. Der Förster war nicht<br />

umsonst mein Fre<strong>und</strong>. Er kannte den Wert der Dinge <strong>und</strong> wusste zu<br />

schweigen. Als Gastgeschenk hatte ich einige Eier mitgebracht <strong>und</strong> wir drei<br />

teilten unseren Imbiss miteinander <strong>und</strong> betrachteten ein paar St<strong>und</strong>en<br />

schweigend die Landschaft. Dort wo wir hergekommen waren, waren die<br />

Bäume bereits 6 - 7 Meter hoch <strong>und</strong> ich erinnerte mich an den Anblick im<br />

Jahre 1913: eine Wüste!<br />

Die friedfertige <strong>und</strong> regelmäßige Arbeit, die frische Höhenluft, das karge<br />

Essen <strong>und</strong> vor allem die Heiterkeit der Seele verliehen dem alten Manne<br />

eine fast feierliche Ges<strong>und</strong>heit. Er war ein Kämpfer Gottes <strong>und</strong> ich fragte


mich, wie viele Hektare er noch mit Bäumen bepflanzen würde. Vor seinem<br />

Aufbruch machte mein Fre<strong>und</strong> nur eine kleine Anmerkung über die<br />

Beschaffenheit des Bodens, ohne weiter darüber zu reden. Etwas später<br />

sagte er mir: Dieser Mann weiß mehr als Alle! Und nach etwa einer St<strong>und</strong>e<br />

Fußmarsch hatte die Tragweite der Idee sein Innerstes erreicht. Er hat einen<br />

w<strong>und</strong>erbaren Weg zum Glück gef<strong>und</strong>en. Dank diesem Förster blieb nicht nur<br />

der Wald sondern auch das Schicksal des Mannes beschützt. Er ernannte<br />

drei Waldhüter für den Schutz bläute ihnen ein, sich niemals von den<br />

Köhlern mit einer Flasche Wein bestechen zu lassen. Nur im Jahr 1939<br />

geriet das Werk in Gefahr. Damals wurden die Autos mit Holzvergasern<br />

betrieben <strong>und</strong> man hatte nie genug Holz. Man begann, die Eichen von 1910<br />

abzuholzen, aber sie waren so weit von jeder Strasse entfernt, dass es sich<br />

nicht lohnte <strong>und</strong> man brach die Sache ab. Der Hirte hatte nichts davon<br />

erfahren, er war 30 km weiter daran, seine friedliche Arbeit zu tun. Den Krieg<br />

ignorierte er wie 1914.<br />

Ich habe ihn im Juni 1945 zum letzten Mal gesehen. Er war 78 Jahre alt. Ich<br />

wollte meine einstige Wanderung wiederholen. Jetzt gab es trotz der<br />

Nachkriegszeit einen Bus zwischen dem Tal der Durance <strong>und</strong> den Bergen.<br />

Weil das so schnell ging, erkannte ich die Landschaft meiner damaligen<br />

Wanderung nicht mehr. Es schien mir auch, dass ich an ganz fremden Orten<br />

vorbeikam. Erst als ich den Namen eines Dorfes hörte, wurde mir klar, dass<br />

ich mich schon mitten in der einstigen Einöde befand. In Vergons stieg ich<br />

aus dem Bus. 1913 lebten in dem Weiler drei Personen. Es waren raue<br />

misstrauische Menschen, die von der Fallenjagd lebten, moralisch <strong>und</strong><br />

physisch Menschen aus der Vorzeit ähnlich. Brennnesseln verschlangen die<br />

verlassenen Häuser. Es sah hoffnungslos aus für sie, darum warteten sie<br />

nur auf den Tod <strong>und</strong> das begünstigt keineswegs die Tugenden. Aber jetzt<br />

war alles verändert, sogar die Luft. An Stelle der brutalen trockenen Winde<br />

blies nun eine wohlriechende Brise. Von den Höhen tönte der Wind in den<br />

Wäldern wie murmelndes Wasser. Und zu meinem Erstaunen hörte ich<br />

richtiges Wasser in ein Becken plätschern. Man hatte einen reichlich<br />

fließenden Brunnen gebaut <strong>und</strong>, was mich sehr berührte, eine Linde<br />

daneben gepflanzt. Sie war etwa 4jährig <strong>und</strong> schön gewachsen, ein Symbol<br />

der Auferstehung.<br />

Auch sonst sah ich in Vergons Spuren von Arbeiten, für die eine gehörige<br />

Portion Optimismus nötig war. Die Hoffnung war also zurückgekehrt. Man<br />

hatte die Ruinen weggeräumt, die verfallenen Mauern eingerissen <strong>und</strong> fünf<br />

Häuser neu gebaut. Der Weiler zählte schon 28 Einwohner, darunter vier<br />

junge Haushalte. R<strong>und</strong> um die frisch verputzten Häuser sah ich Gärten, wo<br />

nebeneinander angeordnet Gemüse <strong>und</strong> Blumen wuchsen, Kohl <strong>und</strong> Rosen,<br />

Lauch <strong>und</strong> Löwenmaul, Sellerie <strong>und</strong> Anemonen. Man bekam direkt Lust, dort<br />

zu wohnen.<br />

Von Vergons aus ging ich zu Fuß weiter. So kurz nach dem Krieg war unser<br />

Leben noch nicht in voller Blüte, aber Lazarus war aus dem Grab gestiegen.<br />

An den Flanken der Berge erblickte ich kleine Felder von Gerste <strong>und</strong><br />

Roggen <strong>und</strong> im Tal das Grün von Wiesen.<br />

Seit dieser Zeit hat es nur 8 Jahre gebraucht, um das Land ganz aufblühen


zu lassen. Auf dem Platz der Ruinen, die ich 1913 gesehen hatte, stehen<br />

jetzt richtige schön verputzte Bauernhöfe, die Lebensfreude <strong>und</strong><br />

Behaglichkeit ausstrahlen. Die alten Quellen bringen wieder Wasser. Sie<br />

werden gespeist von Regen <strong>und</strong> Schnee, der von den Wäldern<br />

zurückgehalten wird. Man hat die Bäche kanalisiert <strong>und</strong> bei jedem Bauernhof<br />

sieht man zwischen Ahornbäumen Brunnenbecken inmitten eines Teppichs<br />

frischer Minze. Nach <strong>und</strong> nach werden die Dörfer aufgebaut. Einwanderer<br />

aus der Ebene oder von dort wo der Boden teuer ist, haben sich<br />

niedergelassen <strong>und</strong> bringen Jugendfrische, Bewegung <strong>und</strong><br />

Unternehmungslust mit. Auf den Wegen sieht man gut genährte Frauen <strong>und</strong><br />

Männer, Buben <strong>und</strong> Mädchen, die lachen können <strong>und</strong> ländliche Feste lieben.<br />

Zählt man die Eingewanderten zu der alten, kaum wieder zu erkennenden<br />

Bevölkerung dazu, verdanken mehr als zehntausend Personen ihr Glück<br />

„dem Mann, der Bäume pflanzte“. Wenn ich so sehe, wie ein einziger<br />

Mensch sich auf seine physischen <strong>und</strong> moralischen Kräfte verlassend<br />

genügt, um aus einer Wüste ein Gelobtes Land zu machen, denke ich, dass<br />

die Menschheit trotz allem bew<strong>und</strong>ernswert ist. Um so etwas zu schaffen,<br />

braucht es dauerhafte Seelengröße <strong>und</strong> selbstlose Großzügigkeit. Darum<br />

zolle ich diesem alten Bauern, der dies Gotteswürdige Werk erschaffen hat,<br />

allergrößten Respekt.<br />

Eleazard Bouffier ist im Jahre 1947 im Altersheim von Banon friedlich<br />

entschlafen.<br />

JEAN GIONO<br />

DER MAI IST GEKOMMEN<br />

Reden wir über den Ausschlag<br />

der Bäume, über das Schäumen<br />

des gleichnamigen Krauts in den Wiesen.<br />

Die poetischen Anstrengungen sind<br />

nicht weniger geworden.<br />

Die Liebe ist nicht leichter<br />

zu bewerkstelligen<br />

nur dadurch, dass es Mai ist.<br />

So werfen wir Blicke auf Herz<br />

Abschürfungen <strong>und</strong> Seelenspliss,<br />

auf die romantische Mechanik<br />

der Körper, auf Einsamkeiten<br />

getarnt mit einem Lächeln.<br />

Nur das Grün ist grüner.<br />

Tatsächlich. Und auch der<br />

beherzte Schnitt deines Messers<br />

in die Birkenrinde, gibt Anlass,<br />

zu berechtigten Hoffnungen.


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Wir hören oft „Ihr macht ja nur den Beuys nach!“ Ja, wir hoffen, für eine lebens- <strong>und</strong><br />

liebenswertere Welt, dass ihm alle Städte „nacheifern“.<br />

3333bäumefürkrefeld sind kein Beuys Plagiat, sondern sein Denk-Mal<br />

“7000 Eichen“ in Kassel sind nicht nur Eichen. Aber wodurch unterscheiden sich<br />

Beuys Eichen von zig Mio. ihresgleichen? Sind Beuys Eichen jene, neben denen<br />

Steinstelen aufgestellt wurden? Die Verbindung von Baum <strong>und</strong> Stein folgt einer<br />

uralten Traditionslinie, wurde also nicht von Jupp "erf<strong>und</strong>en", siehe alte Land- <strong>und</strong><br />

Heer-Straßen, oder die über 1000jährige Linde in Collm/Sachsen. Auch Heutzutage<br />

pflegt man diesen Brauch noch, siehe Linde mit Basaltstele neben St. Gereon, Köln,<br />

auch in unserer Stadt, z.B. der Stadtbaum, mit Steinstele, an der Dionysiuskirche.<br />

Die Kugelakazien an der Rheinbabenstraße in KR-Linn haben gleich 4 Stelen.<br />

Eine europaweite Auflistung wäre unendlich! Sind zigtausende Bäume, neben<br />

Steinstelen, egal aus welcher Zeit, nur Plagiate? sogar rechtswidrig? Wo ist das<br />

Patent eingetragen? Und noch zwei Fragen: Was meinte J. B. wohl damit, als er im<br />

März 1982 in London sagte "Es liegt nahe, die Welt, Städte <strong>und</strong> ihre Umgebung<br />

waldartig zu machen"? <strong>und</strong> das soll jetzt verboten sein? Von wem?<br />

Caco<br />

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Tag für Tag verliert das Auge. Da hat jemand sein Haus saniert. Mit großer Mühe,<br />

<strong>und</strong> es mit lang abgesparten Geld vermurkst bis in alle Ewigkeit. Dabei selbst Hand<br />

angelegt, seine alten Bäume umgesägt. Und plötzlich steht das Haus verloren da.<br />

Kahl wie ein Kühlschrank. Deutschland - auf- <strong>und</strong> ausgeräumt. Man hört den Wind<br />

nicht mehr. Und nicht den Regen. Und die Vögel bringt kein Vogelhaus mehr zurück.<br />

Und plötzlich ist die Strasse eng geworden. Und das Gr<strong>und</strong>stück klein. Die Tiefe<br />

fehlt. Die Höhe fehlt. Und alle Räumlichkeit. Nicht die Veränderung an sich ist es, die<br />

deprimiert, die gab es immer, muss es geben, wo etwas lebendig ist, sondern der<br />

Abstieg ins Grelle <strong>und</strong> Banale. Der Verlust an Gestalt. An Geschmack <strong>und</strong> Qualität.<br />

Nicht das Auge sieht, sondern der Mensch.<br />

Hugo Kükelhaus<br />

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Aus „GRÜN KAPUTT“ :<br />

Dass man Menschen, die einen goldenen Ahorn im Herbst gesehen haben oder eine<br />

Birke im Raureif, vorrechnen muss, was Bäume als Staubfänger,<br />

Sauerstofflieferanten <strong>und</strong> Schallschlucker leisten, ist ein Thema für Psychiater <strong>und</strong><br />

Anthropologen.<br />

Wo sieht man heutzutage noch Bauernhöfe, die langen roten Ziegeldächer<br />

eingegrünt, in hohe Laubkronen geborgen. Oder in die Pracht blühender Apfelbäume<br />

eingehüllt. Dächer unter hohen Bäumen. Sinnbild von Schutz <strong>und</strong> Wärme. Vom Dorf


is zu Gehäuse einer alten Stadt. Behagliche Gemeinsamkeit. Gebaute <strong>und</strong><br />

gepflanzte Nachbarschaft.<br />

Früher erwartete man von Bäumen, dass sie in stolze Höhen wuchsen. Heute zahlt<br />

man jeden Preis für Krüppel- <strong>und</strong> Pinschergrün, geknickt, gebeugt, gekrümmt,<br />

gestaucht, kriechend, krauchend, starr, pflegeleicht <strong>und</strong> ohne Leben. Bäume<br />

wachsen nur noch auf Modellen. Rasant <strong>und</strong> schräg. Und malerisch<br />

Es ist nicht nur der Saure Regen, der die Bäume sterben lässt. Ordnungsfanatismus<br />

<strong>und</strong> ökonomische Interessen räumen die Landschaft auch aus. Mit verbissener<br />

Zielstrebigkeit werden Bäume <strong>und</strong> Büsche gefällt, zersägt, zerschnitten <strong>und</strong><br />

zerstückelt Die Leichenteile liegen – pingelig geordnet nach ehemaligem Stamm,<br />

nach Ästen, Zweigen <strong>und</strong> Wurzeln, am nunmehr leeren Hang. Doch nicht einmal der<br />

Holzwert zählt. Bäume <strong>und</strong> Pflanzen werden zu Abfall. Es herrscht Ordnung im<br />

Land.<br />

Im Zeitalter der hohen PS-Zahlen sind Alleebäume eher lästig. Sogar<br />

lebensgefährlich. Wenn Alleebäume nicht beseitigt werden, bleibt der Mensch dem<br />

Umweltschutz untergeordnet. Sagt der ADAC.<br />

Die alte Welt voller Zeichen. Zeichen der Erinnerung, Zeichen des Dankes, Zeichen<br />

der Sühne, Zeichen der Bitten, Zeichen des Glaubens , Zeichen der Mahnung,<br />

Zeichen über den Tag hinaus. Diese Zeichen waren Blick <strong>und</strong> Ziel in einer<br />

Landschaft. Halt <strong>und</strong> Höhepunkt. An solchen Orten hielt man ein. Ein Zeichen<br />

setzen. Einen Bildstock, eine kleine Kapelle. Und zwei große Bäume. Manche dieser<br />

Baummale <strong>und</strong> Wegkapellen reichen in die Frühgeschichte zurück. Stehen an<br />

Wegkreuzungen von Altstraßen. Bei ältesten Reihengräbern. Es ist immer noch eine<br />

Aura um solch einen Ort. Bäume pflanzen, die die Zeit überdauern <strong>und</strong> uns selbst.<br />

Das ist unzeitgemäß geworden. Die meisten dieser Zeichen wurden beseitigt, weil<br />

sie im Weg standen. Oder massakriert in namenlosem Missverständnis. Der Rest<br />

der alten Heiligtümer ist schäbig vom Asphalt umzingelt, mit Telefonzellen,<br />

Parkuhren <strong>und</strong> Abfallkübeln. Und gelben Plastik-Bänken. Und dem Verkehrsschild<br />

„Vorsicht ! Bäume !“<br />

Fried-Höfe. Orte des Friedens. Die Gräber lagen im Gras, helle kleine Steine ohne<br />

Sockel, ohne goldene Schrift, fre<strong>und</strong>liche Sommerblumen, Efeu, duftender Buchs,<br />

ein Rosenstrauch von Centifolien. Ein feiner, stiller Ort. Und an den Friedhofsmauern<br />

standen hohe Eichen oder Linden. Schutz <strong>und</strong> Ruhe für die Ewigkeit. Heutzutage<br />

regt sich dort kein Unkraut mehr.<br />

Reihenweise fallen die alten Streuobstanlagen. Die langen Zeilen von Apfel-, Kirsch<strong>und</strong><br />

Zwetschgenbäumen, mit den alten Bäumen geht auch eine große Zahl von alten<br />

Sorten unter, die oft seit Jahrh<strong>und</strong>erten in einer Landschaft zuhause waren. Denn<br />

mit der Flurbereinigung geht auch eine „Sortenbereinigung“ durch den alten<br />

Paradiesgarten. Die B<strong>und</strong>essortenliste nennt noch 16 „anbauwürdige“ Apfelsorten.<br />

Die deutschen Bauern haben es nicht leicht mit ihrem Obst, das vielleicht kleiner ist,<br />

harmloser aussieht <strong>und</strong> später am Markt erscheint, weil unser Klima eben anders ist.<br />

Dabei hätten sie soviel zu bieten. So heißt das einzige Rezept der Ämter:<br />

Arbeitsvereinfachung. Und das heißt runter von dem alten Hochstamm. Auf<br />

Zwergbäume <strong>und</strong> Büsche. Die höchstens zehn bis 15 Jahre leben. Man wird nur<br />

eine Sorte pflanzen, die zur gleichen Zeit blüht, die man zur gleichen Zeit spritzt.


Fließband-Bäume. Eine Norm in unserer Normlandschaft. Der Tod der alten<br />

Apfelbäume. Auch aus den Hausgärten <strong>und</strong> von den Dorfstrassen sind sie<br />

verschw<strong>und</strong>en. Dabei passten sie in jede Landschaft, zu jedem Haus, zu jeder<br />

Kirche. Aber wenn wir Bausparer geworden sind, dann pflanzen wir auf einmal<br />

Krüppelkoniferen.<br />

Es ist ein Kahlschlag auch der Seele. Der Hass auf Bäume <strong>und</strong> der Hass auf Laub.<br />

Tödliches Gift zu spritzen, wenn sich Moos auf Plattenfugen zeigt. Dass jemand in<br />

Nachbarsgarten einsteigt, um einen Hol<strong>und</strong>er-Busch auszurotten, weil die Vögel rote<br />

Flecken auf das Kunststeinpflaster kleckern. Dass Nachbarn wegen Bäumen<br />

prozessieren – Das alles sind schon mehr als seelische Dürrezeichen.<br />

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Zitiert nach Rudolph Hagelstange :<br />

Wer denkt noch daran, dass die US Militärführung, im Vietnamkrieg, aus taktischen<br />

Gründen die Wälder entlauben ließ? Die Gegner sollten sich nicht mehr verstecken<br />

können. In diesem fast 30jährigen Krieg genügten ca. 25 Mio. Bomben nicht.<br />

Napalm sollte die Niederlage abwenden, sinnlos starben Mensch <strong>und</strong> Natur,<br />

verdammt weit weg, verdammt lange her.<br />

In Nordindien gibt es die religiös inspirierte Chipko - Bewegung. Sie wendet sich<br />

gegen die Ausbeutung der Wälder. Mitglieder umarmen Bäume, die gefällt werden<br />

sollen. Aus dem 18. Jahrh<strong>und</strong>ert wird berichtet, dass 363 Frauen von ihnen dabei<br />

einen Märtyrertod starben, mit 363 Bäumen.<br />

Ein Blick zurück im Zorn <strong>und</strong> dann nach vorn. Bleiben wir im hier <strong>und</strong> jetzt. In<br />

unseren Landen wird der Krieg gegen Bäume langsam, still, anhaltend, geführt. Sie<br />

haben wenig Verbündete, nicht im Schwarzwald, Harz, Hunsrück, Reichswald, den<br />

bayerischen Wäldern <strong>und</strong> sonst wo.<br />

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Ansprache<br />

Meine Damen <strong>und</strong> Herren, liebe Fre<strong>und</strong>e!<br />

Es gibt ausreichend Gründe, sich mit Bäumen zu beschäftigen. Und das nicht erst<br />

seit Kyrill <strong>und</strong> dem anschließenden Baumfällwahn, dem manche Kommune verfallen<br />

zu sein scheint. Wir wissen von der Notwendigkeit des Blattwerkes für den<br />

Sauerstoffhaushalt der Atmosphäre, wir wissen von der Notwendigkeit des<br />

Wurzelwerkes für oder besser gegen die Erosion des Bodens <strong>und</strong> wir wissen von<br />

den Nutzen des Holzes als Bau- bzw. Heizmaterial, um nur einige wenige Aspekte<br />

zu benennen. Wir wissen auch von der Bedeutung des Baumes in Literatur, Musik,<br />

Religion <strong>und</strong> Kunst, wo er in der Einzahl, oder in der Mehrzahl <strong>und</strong> dann als Wald<br />

bezeichnet, seit eh <strong>und</strong> je Thema ist. Vom „Baum der Erkenntnis“ über die<br />

„Judenbuche“ <strong>und</strong> den „Erlkönig“ bis hin zu Alexandras unvergessenem schmalzigen<br />

„Mein Fre<strong>und</strong> der Baum“ reicht das Spektrum künstlerischer Auseinandersetzungen,


wobei das Thema des „Waldes“ vornehmlich in der Kunst der Romantik von<br />

Bedeutung ist. Als Orte unheimlicher Verzauberung, der Verwünschung <strong>und</strong><br />

Verbannung, wo man in Not, Verzweiflung Erlösung findet, bietet der Wald in der<br />

romantischen Fantasie verirrten Helden, Kobolden, Hexen <strong>und</strong> anderen seltsamen<br />

Geschöpfen eine geeignete Plattform. Hier können sie sich tummeln <strong>und</strong> die Bäume<br />

beseelen, so wie es bereits früher im germanischen Kulturkreis die Nymphen, Elfen,<br />

Zwerge <strong>und</strong> Geister aller Art getan haben. Nicht von ungefähr klingt das Wort Wald<br />

beinah wie das Wort wild, <strong>und</strong> von da ist es nicht weit zur Wildnis <strong>und</strong> dem<br />

unbebauten Land. Wälder sind unbebautes, nicht besiedeltes Land.<br />

Dr. Christian Krausch<br />

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Als Kind schon berührten sie meine Seele, sie waren immer um mich herum, ich<br />

sprach mit ihnen, auch mit den Vögeln die darin wohnten. Ich kletterte an ihnen<br />

hoch, versteckte mich, baute mit vielen Kindern Baumhäuser, band Schaukeln an<br />

ihre Äste, ließ mich im Herbst in Laubberge fallen, warf die Blätter hoch, freute mich<br />

über ihre Farben <strong>und</strong> glaubte ganz fest daran, dass nur der liebe Gott sie so<br />

mischen kann. Ich erinnere mich an das Sonnenlicht, das mit seinen Strahlen, wie<br />

durch Kirchenfenster, in den dämmrigen Wald fiel. Den Geruch von damals habe ich<br />

noch in der Nase. Und heutzutage, wenn ich durch einen Wald gehe, sehe ich das<br />

Bild vor mir, wie ich mit Ästen Staudämme, oder Brücken baue, <strong>und</strong> alles um mich<br />

herum vergaß.<br />

Bäume ernähren, neben Vögeln, auch viele andere Tierarten, die in ihnen wohnen,<br />

mit ihren Nüssen, Esskastanien <strong>und</strong> Früchten der Obstbäume z.B. Inzwischen<br />

wohnen auch Menschen in ihnen, denn der neueste Trend sind luxuriöse<br />

Baumhäuser, auch für Familien. Kinder stellen nicht so hohe Ansprüche, sie sägen,<br />

hämmern, schrauben <strong>und</strong> nageln gerne, bauen sich ein eigenes Reich, dort oben,<br />

über der Welt der Erwachsenen, haben sie den vollen Überblick <strong>und</strong> mit Proviant<br />

ausgestattet lässt es sich da prima leben. Wer keins hat, aber von oben kucken will,<br />

findet evt. in Wald oder Feld einen Hochsitz. Dort ist man ganz nah am Himmel, <strong>und</strong><br />

schaut weit über´s Land, besser noch mit einem Fernglas.<br />

Caco<br />

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September 1774<br />

Man möchte rasend werden, Wilhelm, dass es Menschen geben soll ohne Sinn <strong>und</strong><br />

Gefühl an dem wenigen, was auf Erden noch einen Wert hat. Du kennst die<br />

Nussbäume, unter denen ich bei dem ehrlichen Pfarrer gesessen, die herrlichen<br />

Nussbäume! die mich, Gott weiß, immer mit dem größten Seelenvergnügen füllten!<br />

Wie vertraulich sie den Pfarrhof machten, wie kühl! <strong>und</strong> wie herrlich die Äste waren!<br />

Und die Erinnerung bis zu den Geistlichen, die sie vor so vielen Jahren pflanzten.<br />

Der Schulmeister hat uns den einen Namen oft genannt, den er von seinem<br />

Großvater gehört hatte; <strong>und</strong> so ein braver Mann soll er gewesen sein, <strong>und</strong> sein<br />

Andenken war mir immer heilig unter den Bäumen. Ich sage Dir, dem Schulmeister<br />

standen die Tränen in den Augen, da wir gestern davon redeten, dass sie


abgehauen worden – Abgehauen. Ich möchte toll werden, ich könnte den H<strong>und</strong><br />

ermorden, der den ersten Hieb dran tat. Ich, der mich vertrauern könnte, wenn so ein<br />

paar Bäume in meinem Hofe stünden, <strong>und</strong> einer davon stürbe vor Alter ab, ich muss<br />

zusehen. Lieber Schatz, eins ist doch dabei! Was Menschengefühl ist! Das ganze<br />

Dorf murrt, <strong>und</strong> ich hoffe, die Frau Pfarrerin soll es an Butter <strong>und</strong> Eiern <strong>und</strong> übrigem<br />

Zutrauen spüren, was für eine W<strong>und</strong>e sie ihrem Ort gegeben hat. Denn sie ist es, die<br />

Frau des neuen Pfarrers (unser alter ist auch gestorben), ein hageres kränkliches<br />

Geschöpf, das sehr Ursache hat, an der Welt keinen Anteil zu nehmen; denn<br />

niemand nimmt Anteil an ihr….So einer Kreatur war es auch allein möglich, meine<br />

Nussbäume abzuhauen. Siehst Du, ich komme nicht zu mir! Stell Dir vor, die<br />

abfallenden Blätter machen ihr den Hof unrein <strong>und</strong> dumpfig, die Bäume nehmen ihr<br />

das Tageslicht, <strong>und</strong> wenn die Nüsse reif sind, so werfen die Knaben mit Steinen<br />

darnach, <strong>und</strong> das fällt ihr auf die Nerven….Da ich die Leute im Dorfe, besonders die<br />

alten, so unzufrieden sah, sagte ich: Warum habt ihr es gelitten? Wenn der Schulze<br />

will, hierzulande, sagten sie, was kann man machen ?<br />

Johann Wolfgang von Goethe<br />

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Caco blättert im Lexikon<br />

(watt ett alles jibt!?)<br />

Baum, meist mehr als 5 m hoch wachsendes Holzgewächs mit mehr oder weniger<br />

hohem Stamm <strong>und</strong> einer Krone, die entweder aus beblätternden Zweigen - Wipfel-<br />

Baum - oder aus großen Blättern, so genannten Wedeln - Schopf-Baum, Baumfarne,<br />

Palmen, Grasbäume - besteht. Es gibt laubwerfende <strong>und</strong> immergrüne Bäume,<br />

letztere mit lederartigen Blättern oder Nadeln. Höhe bei Eukalyptus-Bäumen über<br />

150 m. Stammdurchmesser bei Mammutbäumen 11 m; Manche sind Zier- andere<br />

Nutzbäume; letztere liefern Holz <strong>und</strong> dergl., Gerb-, Bitter-, Farbstoffe, Harz, Saft,<br />

Obst, Kautschuk u.a. Kulturformen: Hoch- <strong>und</strong> Halbstamm, Busch- <strong>und</strong> Formbaum;<br />

Baumformen: Kugel-, Kopf- Pyramiden-, Hänge-, Schirmbaum. Mammut-Baum <strong>und</strong><br />

Rieseneukalyptus können 1500 Jahre, die Eibe sogar 2000 Jahre alt werden.<br />

Baumfrevel, als Sachbeschädigung oder als Polizeidelikt strafbare Beschädigung<br />

von Bäumen.<br />

Baumkreuz, das Kreuz Christi in Gestalt eines Baumes als Sinnbild des<br />

Lebensbaum. Die frühesten Darstellungen des Baumkreuzes sind in Handschriften<br />

des 12. Jh.<br />

Kett- <strong>und</strong> Warenbaum, Baum der Reisenden, Baumberge, Baumfalke, Baumfarne,<br />

Baumfrösche, Baumgrenze, Baumhaar, Baumhaus, Baumheide, Baumkänguruhs,<br />

Baumläufer, Baummarder, Baumpieper, Baumsarg, Baumscheibe, Baumschläfer,<br />

Baumschlinge, Baumschule, Baumschwamm, Baumstachelschweine,<br />

Baumstammwerfen, Baumgrille, Baumspitzmaus, Baumwachs, Baumwachtel,<br />

Baumwanzen, Baumwaran, Baumwollbaum, Baumwollsameneiweißfaser,<br />

Baumwürger etc.<br />

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Über allen Gipfeln<br />

ist Ruh.<br />

Das stammt, man weiß es, von Goethe.<br />

Wer schlüge dem die Türe zu,<br />

der dies zu einem Lebensbaum böte!<br />

Die Vögelein schweigen im Walde,<br />

Auch hier ist Nacht <strong>und</strong> Traum, -<br />

Warte nur, balde<br />

wird`s wieder lebendig<br />

im Baum<br />

Albert Vigoleis-Thelen<br />

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Dieser Boden<br />

wird einst arm <strong>und</strong> zahm sein, <strong>und</strong> kein hoher Baum wird mehr aus ihm wachsen<br />

können….Wehe! Es kommt die Zeit des verächtlichsten Menschen, der sich selber<br />

nicht mehr verachten kann….Die Erde ist dann klein geworden, <strong>und</strong> auf ihr hüpft der<br />

letzte Mensch, der alles klein macht… Ehemals war alle Welt irre „Wir haben das<br />

Glück erf<strong>und</strong>en“ – sagen die letzten Menschen.<br />

Friedrich Nietzsche<br />

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Ja, manchmal liest man schockierende Zahlen, wird aber schnellstens beruhigt, alle<br />

Beteiligten schwören, endlich mit der Schweinerei aufzuhören, geloben Besserung.<br />

Dann wird von Gutachten gesprochen, die den Ernst der Lage dokumentieren sollen,<br />

in Zahlen, Rubriken <strong>und</strong> Werten. Danach erst könne man entscheiden, wie man<br />

handeln soll. Unterdessen stirbt der Wald weiter, auch nach dem nächsten Schock,<br />

der wieder alarmierende Zahlen nennt. Alle murmeln wieder „Na, da schau`n wir<br />

mal…!“ Bäume schenken uns sehr viel. Heutzutage opfern wir sie, schlagen sie an´s<br />

Holz-Kreuz! Wir haben Bretter vor`m Kopf, wir wollen nichts sehen davon. Wann<br />

hören wir endlich die Hilferufe kranker Bäume <strong>und</strong> sterbender Wälder?<br />

Caco<br />

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Aus „Die Harzreise“<br />

„….Sonne, Bäume, Blumen, Wasser <strong>und</strong> Liebe. Freilich, fehlt letztere im Herzen des<br />

Beschauers, so mag das Ganze wohl einen schlechten Anblick gewähren, <strong>und</strong> die<br />

Sonne hat dann bloß so <strong>und</strong> so viele Meilen im Durchmesser, <strong>und</strong> die Bäume sind<br />

gut zum Einheizen, <strong>und</strong> die Blumen werden nach den Staubfäden klassifiziert, <strong>und</strong><br />

das Wasser ist nass“.


Heinrich Heine<br />

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Über Salzburg<br />

„….denke Dir Wiesen <strong>und</strong> Äcker, wie eben so viele Teppiche von den schönsten<br />

Farben, dann die herrlichen Straßen, die sich wie Bänder um sie herumschlingen,<br />

<strong>und</strong> endlich st<strong>und</strong>enlange Alleen von ungeheuren Bäumen….“<br />

Franz Schubert<br />

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Jean Jaques Rosseau<br />

rief am 20. Mai 1778, aus Paris kommend, im Park von Ermenonville: „Es ist so<br />

lange her, dass ich einen Baum sehen konnte, der nicht bedeckt war von Staub <strong>und</strong><br />

Ruß. Diese Bäume hier sind so frisch. Lasst mich zu ihnen hin, so nahe ich kann, ich<br />

möchte nicht einen einzigen entbehren.“ Dann zog er sich zurück hinter die grünen<br />

Wände aus traumdichtem Grün.<br />

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Aus „Sinnieren über Ameisen“<br />

Ein wenig, wie damals im Grün der Koniferenecke. Wo ich ja hockte. Dort stand<br />

außer allen bisher beschriebenen Baumfre<strong>und</strong>en noch eine Omorika-Fichte. Damals<br />

empfand ich sie liebenswert dicht <strong>und</strong> seriös dunkel. Heute habe ich den<br />

Kenntnisstand erlangt, dass die Omoriken nicht so ganz p.c. sind – sie kippen hier<br />

immer um. Boden zu lehmig. Gehören nicht hierher. Selbiges denke ich von mir<br />

auch manchmal...aber gut. Die Omoriken haben doch einen schlechteren Ruf unter<br />

den Gärtnern.<br />

Weiterhin erfreute ich mich der Gesellschaft einer Blauzeder. Noch ganz zart <strong>und</strong><br />

schon herrlich bizarr. Damals fand ich es sehr eigenartig, wie sie ihre Nadeln<br />

büschelweise aus dem Zweig trieb. Ungewohnt künstlich. Wenngleich – <strong>und</strong> das sah<br />

ich schon als Sandkastenpimpf in Spork Eichholz – die Lärche ja das Gleiche tut.<br />

Die Lärche war mir auf eine sensible Art näher... vielleicht, weil sie unaufdringlich<br />

zart die Nadeln abwarf im Herbst. Das war schon immer EXTREM faszinierend – ein<br />

NADELBAUM, der die Nadeln abwirft im Herbst. Total schräg. Als avantgardistisch<br />

bewertete ich diesen Mut. Obwohl ich noch nie etwas von Avantgarde gehört hatte.<br />

Naja, heute kenne ich dann also auch den Urweltmammutbaum, also die<br />

Metasequoia glyptostroboides. Gehört auch zu den Nadelbäumen – <strong>und</strong> schmeißt<br />

auch das Laub, also die Nadeln ab. Wie die Sumpfzypresse. Taxodium distichum.<br />

Nur nicht verwechseln. Kann ja leicht passieren, der eine aber gegenständig, der<br />

andere wechselständig. WENN belaubt. Haha.<br />

Dieses Metasequoia glyptostroboides ist ein w<strong>und</strong>ersames Wort – man liest es<br />

einmal <strong>und</strong> vergisst es nie wieder. Metasequoia glyptostroboides. Lysergsäurediäthylamid.<br />

Desoxyribonucleinsäure. Betörend. Aus diesem Wortstoff werden<br />

großartige Romane geschrieben.<br />

Und dann noch die Laubnadeln abschmeissen. Verrückte Hühner!


Als finales Bonbon gab es zur Linken die....Trommelwirbel....COLORADOTANNE.<br />

Abies concolor. Ein Name wie Fury, Blitz <strong>und</strong> Black Beauty zusammen.<br />

Coloradooooooooootanne. Und die WAR vielleicht nett. Derart fre<strong>und</strong>lich. Ein<br />

richtiger Kinderbaum. Ganz glatte hellgraue Rinde. Ganz ganz lange, an den Enden<br />

sanft abger<strong>und</strong>ete Nadeln. Dick. Grünlichgräulich. Fast sukkulent. Selbstverständlich<br />

ebenfalls ein DUFT!!!! Eher hauchigzitronigwürzig. Ein Duftekumpel. Um ehrlich zu<br />

sein: wenn Kartoffeln so duften würden, hätten sie bei mir damals mehr Chancen<br />

gehabt <strong>und</strong> da sind wir auch schon wieder am Ausgangsort des Geschehens.<br />

Kartoffeln.<br />

Opa hatte die Koniferenecke geentert, ein Versteck, das natürlich keins war – <strong>und</strong><br />

bat mich zu Tisch. Opa roch nicht nur an Nadelbäumen, sondern auch den Braten.<br />

Kerstin von Klein<br />

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GINGO BILOBA<br />

Dies Baums Blatt, der von Osten<br />

Meinem Garten anvertraut,<br />

Gibt geheimen Sinn zu kosten<br />

Wie´s den Wissenden erbaut.<br />

Ist es Ein lebendig Wesen,<br />

Das sich in sich selbst getrennt ?<br />

Sind es zwei, die sich erlesen,<br />

Dass man sie als Eines kennt ?<br />

Solche Fragen zu erwidern,<br />

Fand ich wohl den rechten Sinn :<br />

Fühlst du nicht an meinen Liedern,<br />

Dass ich Eins <strong>und</strong> doppelt bin ?<br />

Johann Wolfgang von Goethe<br />

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Baumstämme<br />

<strong>und</strong> Äste im späten November, noch kein Schnee. Apfelbäume knotig in sich<br />

gew<strong>und</strong>en. Nadelbäume splittig gerade, dunkel <strong>und</strong> freigestellt gegen den Himmel.<br />

Geben ihnen eine tröstliche Struktur. Womöglich hat man ja beim Malen den Himmel<br />

als Abgr<strong>und</strong> unter sich.<br />

Paul Celan<br />

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Bei Bäumen<br />

ist die Lunge der wichtigste <strong>und</strong> größte Körperteil. Unter einer blühenden Lunge lag<br />

ich, in den unwirtlichen Armen meiner Mutter, so um den ersten Mai herum, drei


Wochen nach meiner Geburt. Die wogenden Birnbaumblüten wiesen mir schon da<br />

den Weg hinaus.<br />

Elisabeth Schlanstein<br />

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Der Obstbaum<br />

Der Dichter<br />

fragte den Obstbaum:<br />

„Wie erzeugst du deine Farben?“<br />

Der Baum erwiderte:<br />

„Seit meiner Entstehung<br />

bin ich in Trauer.<br />

Meine bunten Früchte<br />

Sind nur die andere Seite dieser Trauer.“<br />

Hakki Cimen<br />

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Rauten<br />

In meiner Hängematte<br />

Unter heimischen Palmen<br />

Prägen sich Rautenmuster<br />

in meine nackte Haut<br />

verschieben sich<br />

<strong>und</strong> verwischen sich<br />

lösen sich auf in heitere Luft<br />

Südluft Tangduft Palmenbeschwörung<br />

<strong>und</strong> fügen sich wieder<br />

zu schöner Ordnung:<br />

Rautenmaschige Fischernetze<br />

trocknen unter der Sonne<br />

bist du die Schönste<br />

in unserer Bucht bei Sorrent<br />

schaukeln Boote <strong>und</strong> Kiefern im Wind<br />

schaukle ich in der Rautenmatte<br />

unter heimischen Pappeln<br />

Unauflöslich<br />

Das Rautengeflecht der Erinnerung<br />

unsre Kiefernländer unsre Palmenländer<br />

hinter der Stirn<br />

Hella Ullrich<br />

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Mit jedem Baum stirbt ein Gedicht“<br />

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Hallo, <strong>hallo</strong> !<br />

Es gibt Bäume, sag ich dir, z.B. die uralten Eiben. Die spendeten schon den alten<br />

Griechen Schatten, <strong>und</strong> grünen immer noch. Oder zählebige Eichen <strong>und</strong><br />

kalifornische Mammutbäume, voller Geister, Götter, Kobolden, Nestern, Sagen- <strong>und</strong><br />

Mythengestalten, Märchen, Wind- <strong>und</strong> Vogelgesängen, wenn wir zuhören, haben sie<br />

viel zu erzählen.<br />

Die germanischen Götter wohnten in Bäumen. Um den Germanen zu beweisen,<br />

dass der christliche Gott stärker sei, als ihre „heidnischen“, ließ Bonifatius tausend<br />

alte Eichen fällen. (nä nä nä!) Die Germanen w<strong>und</strong>erten sich, warum die Welt nicht<br />

unterging. Aber sie rächten ihre Baumgötter <strong>und</strong> ermordeten den Baummörder.<br />

Dafür sprach ihn die die Kirche als Märtyrer heilig, <strong>und</strong> so nennt man ihn heute, den<br />

Hl. Bonifatius.<br />

Caco<br />

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Backt eine himmlische Baumtorte, schmeckt sie, <strong>und</strong> schreibt eure irdischen<br />

Eindrücke nieder.<br />

Cosima Birnbaum<br />

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Aus „Ich verliere mich“<br />

….Zum Glück dämmerte mir auch noch nicht, dass es Biologielehrer gibt, die von<br />

der Existenz von Douglasien „noch nie etwas gehört haben. Nein. Also<br />

DOUGLASIEN. Haha. Ha.“. Klar, dieser Lehrer kam auch nicht aus der Pfalz. Wo die<br />

gemeine Föhre neben der Douglasie zu bestaunen <strong>und</strong> bestimmen war. Die<br />

gemeine Kiefer. Natürlich habe ich das mit großen Augen (Oma sagte immer<br />

„Guckerchen“....) bew<strong>und</strong>ert:<br />

Abends in der letzten Sonne, wenn die oberen Stammabschnitte kupfrig aufleuchten.<br />

Und die kleinen Zapfen habe ich gesammelt. Im Winter, um sie auf die Heizung zu<br />

legen, zum Aufknacken, dann mit Goldlack bemalt. Wer hat das nicht? Profan.<br />

ABER wir haben in Werken auch Mobiles mit Kiefernzapfen gebastelt. Ja. Das geht.<br />

Man kann dann z.B kleine Strohblumen in die Zapfen kleben. Ja. Und das hat nichts<br />

mit Waldorff sondern ganz viel mit Pestalozzi <strong>und</strong> leider gar nichts mit Luise von<br />

Duesberg zu tun. Wie sollte aber dieser ignorante Lehrer, im Norden Deutschlands,<br />

zwischen Gerste, Weizen, Roggen <strong>und</strong> viel zu seltenem Hafer Nadelbäume<br />

kennen???? Der Depp. Hoffe, er liest dies hier zufällig. Hallo, Herr Wege! Erst<br />

nachschlagen, dann lehren.


Heute weiß ich, dass Opas Lieblingsweihnachtsbaum, also die Douglasie, die beim<br />

Zerreiben der Nadeln so irre nach Orangezitronigemnadelwald duftet <strong>und</strong> aufgr<strong>und</strong><br />

der langen, dünnen, etwas fluffig um den Zweig stehenden Nadeln eine so<br />

unglaublich unscharfe Silhouette bildet, dass man denkt, es sei neblig, wenn man<br />

aus einiger Entfernung Douglasien anschaut, dass also diese Douglasie noch viel<br />

toller heißt: Pseudotsuga menziesii. Tätäää. Na jetzt aber, Herr Wege: Sechs,<br />

setzen.<br />

Heute bin ich also ausgebildet..<br />

Kerstin von Klein<br />

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Leben<br />

einzeln <strong>und</strong> frei<br />

wie ein Baum<br />

<strong>und</strong> brüderlich<br />

wie ein Wald<br />

ist unsere Sehnsucht<br />

Nazim Hikmet<br />

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Bäume sind wie Menschen,<br />

alle verschieden <strong>und</strong> doch ähnlich. Ein Sturm kann sie aus der Bahn werfen, kann<br />

sie zerstören, <strong>und</strong> wenn es ganz schlimm kommt, zerbricht ein Baum, so auch der<br />

Mensch. Einen gefallenen Baum wieder aufzurichten, gelingt nicht immer <strong>und</strong> ist mit<br />

großer Mühe verb<strong>und</strong>en, so auch bei gefallenen Menschen.<br />

Renate Sommer<br />

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Was ich dir wünsche?<br />

Nicht,<br />

dass du tausend Meter hoch<br />

über dem Meer<br />

auf dem Libanon stehst<br />

wie die Zeder.<br />

Aber das wünsche ich Dir,<br />

dass du dem Himmel nahe bist<br />

<strong>und</strong> mit der Erde kräftig verb<strong>und</strong>en.<br />

Dass Deine Wurzeln Wasser finden<br />

<strong>und</strong> deine Zweige im Licht sind.<br />

Aus dem Libanon, Autor unbekannt


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Zu fällen einen großen Baum<br />

braucht´s eine halbe St<strong>und</strong>e kaum ;<br />

zu stehen, bis man ihn bew<strong>und</strong>ert<br />

braucht es jedoch fast ein Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

Unbekannter Autor<br />

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Saublödes, deutsches Allerleihrauch-Märchen.<br />

Also, da gabs einen König, der hatte die schönste Frau auf Erden, mit goldenen<br />

Haaren. Als sie im sterben lag, sprach sie zu ihm „Wenn du wieder heiraten willst,<br />

nimm keine, die nicht genauso schön ist wie ich, die keine goldenen Haare hat“. Der<br />

König versprach´s <strong>und</strong> schickte Boten in die ganze Welt, um eine zu suchen, die<br />

genau so schön war, wie die Verstorbene. Aber es war keine zu finden. Daraufhin<br />

verliebte sich der König in seine Tochter, die gerade so schön war, wie ihre Mutter.<br />

Mit seinem Dickschädelm<strong>und</strong> sprach er: „Ich will sie heiraten, denn sonst kann ich<br />

doch keine Braut finden, die ihr gleicht“. Seine Berater bekamen ´nen Schock,<br />

sagten: „´ne Teufelsidee. Gott selbst hat verboten, dass Väter ihre Töchter heiraten,<br />

aus dieser Sünde heraus kann man nur Zombys gebären!“ (beschtimmpt!) Die<br />

Tochter flippte fast aus, <strong>und</strong> um ihrem Schicksal zu entgehen, forderte sie<br />

Unmögliches. Aber im Märchen gelingt Königen ALLES (aber locker, boh eh!) Es<br />

gab also keine Hoffnung für sie, Väterchens Herz umzuwenden.<br />

Da haute sie ab in einen großen Wald, der gehörte, ganz klar, auch dem Daddy. Als<br />

ihr die Socken qualmten, verkroch sie sich in einen hohlen Baum <strong>und</strong> schlief.<br />

Der König war echt sauer, sogar sehr, sehr sauer, er fluchte <strong>und</strong> schrie alle an. Er<br />

konnte es einfach nicht ab, wenn er seinen Willen nicht bekam. So war er eben,<br />

seine Frustrationstoleranzgrenze war nicht besonders hoch. Vor lauter Wut ging er<br />

im besagten Wald (könnt ihr euch ja denken) auf die Jagd. Ihm gehörte hier alles,<br />

auch die leckeren Viehcher, die da so rumliefen. Als seine H<strong>und</strong>e an DEN Baum<br />

kamen, machten sie <strong>total</strong> Palaver. Da rief er seine Jäger <strong>und</strong> befahl ihnen: „Nehmt<br />

das Wild gefangen, bindet es auf einen Wagen <strong>und</strong> nehmt es mit!“<br />

Da fanden sie die verstörte Königstochter, die um ihr Leben bat <strong>und</strong> um einen „ein €<br />

Job“. Das versprachen die Jäger, die sowieso gerade eine Magd suchten, jetzt<br />

hatten sie auch noch so´ne Schöne!<br />

Sie wurde in die Küche gesteckt, pennen musste sie unter der Treppe, ohne<br />

Tageslicht. Davon war sie ziemlich schnell genervt, ständig Holz- <strong>und</strong><br />

Wasserschleppen, kochen <strong>und</strong> putzen, Feuer schüren, Federvieh rupfen, Gemüse<br />

sortieren, Asche kehren, da hatte sie keinen Bock drauf. Als Prinzessin hatte sie<br />

sich nie die Hände schmutzig gemacht, sondern den ganzen Tag nur mit nix-tun<br />

verplempert.<br />

So wie hier in der Küche hatte sie sich ihre Karriere nicht vorgestellt, so ganz ohne<br />

Aufstiegschancen! Schöne S……e!!! Selbst eine Gewerkschaft oder einen<br />

Betriebsrat gab´s nicht, um sich zu beschweren…..!!!<br />

Dann doch lieber Königin werden. Es gelang ihr mit Tricks, Verwirr- <strong>und</strong><br />

Versteckspielchen, Kostümen, leckerem Essen <strong>und</strong> so, sich wieder im Schloss<br />

breitzumachen (war ja klar!). Durch ihre harte Lehrzeit hatte sie sich dermaßen


verändert, dass der König, die immer noch Schönste im Lande, nicht erkannte<br />

(Alzheimer?). So eine hatte der König noch nicht mal in der Glotze geseh´n, ja, die<br />

wollte er heiraten, das war nur ein Vorwand, um eine Leibeigene zu gewinnen.<br />

Doch nach der Hochzeit lief es nicht gut für ihn, damit hatte er sich ein dickes Ei<br />

gelegt, denn sie ließ ihn nie „an ihre Wäsche“, nein, nein, nein. Darüber ärgerte sich<br />

ihr Vatter dermaßen, dass er lieber früh ins Gras biss, <strong>und</strong> wäck war er!<br />

Nun konnte sie endlich ihren Reitlehrer heiraten.<br />

Was das alles mit Bäumen zu tun hat? Nun denn: Wie wir sehen, wäre Inzest<br />

beinahe, selbst durch einen hohlen Baum, nicht verhindert worden.<br />

Peter Pank<br />

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Aus „Pallieter“<br />

Nach dem Essen zog Pallieter Klettersporen an die Beine, nahm eine Leiter auf die<br />

Schulter <strong>und</strong> zog in die Felder hinaus, um einmal nachzusehen, wie es mit den Eiern<br />

<strong>und</strong> den jungen Vögeln stand. Er nahm fast jeden Bum vor, legte die Leiter an die<br />

Stämme, um in die Astlöcher zu sehen, <strong>und</strong> kletterte mit Katzengewandtheit bis in<br />

die Spitzen der Bäume. So sah er die rosigen, grün- <strong>und</strong> schwarzgesprenkelten Eier<br />

in den dunkeln Nestern glänzen, er zählte sie <strong>und</strong> hatte seine Freude daran, sie<br />

vorsichtig mit leisen Fingern zu streicheln. Aber am längsten konnte er stehen vor<br />

einem Nest mit nackten Jungen, die mit ihren gierigen, weitoffenen Schnäbeln nach<br />

Futter schrien.<br />

Die Felder lagen im Mittagsfrieden. Wenige Bauern waren auf dem Land. Nur die<br />

Sonne allein tat ihre große Arbeit, sie erwärmte das feste Land durch <strong>und</strong> durch. Die<br />

Rüben schwollen davon in der Erde, <strong>und</strong> das blaugrüne Korn wuchs sichtbar dabei<br />

in die Höhe. Die Fernen waren sauber, wie auf gotischen Gemälden.<br />

Und der Vetter kletterte an vielen Bäumen in die Höh, sprach mit einem Bauern oder<br />

einem Bauernmädchen, besah die Felder, löschte seinen Durst an einer Quelle, <strong>und</strong><br />

so war er schon ein ganzes Ende gegangen <strong>und</strong> hatte solchen Hunger, dass sich<br />

ihm der Magen umdrehte.<br />

Er dachte schon ans Heimgehen, aber da sah er auf einmal auf dem höchsten Feld<br />

der weiten Landschaft eine schlanke Pappel ganz allein turmhoch in die Luft<br />

hineinragen, mit einer weißen Wolke aus Holland hinter sich. Da wollte er erst noch<br />

hinauf! Und im Handumdrehen saß er in der Krone. Oh, du Gott der Meere! Wie war<br />

die Welt paradieseschön! St<strong>und</strong>enweit erstreckte sich das fruchtbare Land unter<br />

ihm. Er sah an die zwanzig Kirchtürme <strong>und</strong> ich weiß nicht wie viel Bauernhöfe auf<br />

allen Seiten liegen. Alle Dörfer hatten Mühlen, <strong>und</strong> die roten Dächer <strong>und</strong> weißen<br />

Giebel lagen wie feine Perlen von Korallen <strong>und</strong> Austernschalen in dem kostbaren<br />

Reichtum von all dem verschiedenen Grün von Wäldern, Wiesen <strong>und</strong> viereckigen<br />

Feldern. Schwarze Eisenbahnzüge fuhren ganz weit hinten mit einer langen weißen<br />

Wolke hinter sich langsam in die Ferne. Segelschiffe zogen über die Nethe, die<br />

blitzend in ruhigen Buchten den einen Horizont mit dem anderen verband. Groß<br />

stand der Himmel darüber, fünfmal so hoch, die Sonne füllte die Erdenschale mit<br />

ihrem überreichen Licht. Alles schien so klein <strong>und</strong> sauber wie ein Stück neues<br />

Spielzeug <strong>und</strong> Pallieter sagte:


„Von hier aus ist der Mensch noch keine Pfeife Tabak wert!“<br />

Er saß da so hoch oben wie ein Riese, der Herr war über das Land. Und zu seiner<br />

großen Freude kam ein Wind <strong>und</strong> bewegte die Krone der Pappel. Pallieter wiegte<br />

sich mit <strong>und</strong> es war, als ob er auf einer Wolke in ein anderes Land geweht würde.<br />

Ohne dass er es wusste, tönte aus seiner Kehle ein mächtiges Lied, das bis zum<br />

Himmel hinaufklang.<br />

Es war hier zu schön, um hinunter zu steigen, aber das weiße Licht färbte sich<br />

golden, die Sonne wurde größer <strong>und</strong> größer <strong>und</strong> rot. Das Rot jubelte in die Wolken<br />

hinein <strong>und</strong> rollte über die Welt. Und hinter fernen, blauen Wäldern sank die Sonne<br />

hinein in ein Chaos von ruhigen, hell erleuchteten Riesenwolken. Die Schatten<br />

schossen lang heraus <strong>und</strong> nahm die Helligkeit weg. Unten lag die Welt in<br />

Dämmerung, aber auf Pallieter klebte das Sonnengold noch wie rotes Papier. Er<br />

hätte sich selber streicheln können.<br />

Ganz fern sah er zwei Reiher schweben. Er ließ sie nicht aus den Augen, denn sie<br />

waren großartig in dem wachsenden Abend. Er verfolgte die große Linie, die sie mit<br />

weichem Flügelschlag durch den sich schließenden Abendhimmel zogen. Manchmal<br />

blieben sie eine ganze Zeit lang still mit weitausgebreiteten Flügeln <strong>und</strong> zogen dann<br />

regungslos weiter auf dem dunkelnden Blau. Sie waren geheimnisvoll <strong>und</strong> machten<br />

einen tiefen Eindruck. Und ebenso regungslos <strong>und</strong> schweigend, wie sie gekommen<br />

waren, verschwanden sie in der purpurnen Dämmerung am gegenüberliegeden<br />

Horizont. Als sie weg waren, war doch noch etwas von ihrer Seele in der Luft<br />

geblieben. Der Sonnentriumph war gestorben; im Westen flackerte noch eine<br />

unbestimmte Helligkeit, <strong>und</strong> in den brannte irgendwo ein Lichtchen.<br />

Felix Timmermann<br />

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Von unserer niederrheinischen Landschaft<br />

sprechen wir. Von ihren wogenden Getreidefeldern, von sattgrünen Weiden mit<br />

schwarzbunten Kühen, von den pappelbesäumten Landwegen, von den Wäldern –<br />

als sei das Natur, die man vor dem vernichtenden <strong>und</strong> verfälschenden Zugriff der<br />

Menschen zu retten habe. Dabei machen wir uns selbst, wenn auch unwissentlich,<br />

etwas vor. Ein sachliches Gespräch mit einem Naturhistoriker klärt uns rasch <strong>und</strong><br />

gründlich darüber auf, wie wenig natürlich die Landschaft ist, in der wir leben <strong>und</strong> in<br />

der unsere Eltern <strong>und</strong> Großeltern gelebt haben. Was den größten Wald des<br />

Niederrheins, den Reichswald betrifft, so liegt seit dem 13. Jh. das urk<strong>und</strong>liche <strong>und</strong><br />

seit dem 14. Jh. das Rechnungsmaterial so vollständig vor, dass wir mit großer<br />

Wahrscheinlichkeit annehmen dürfen, schon seit karolingischer Zeit sei das eine<br />

Baumplantage gewesen, die regelmäßig <strong>und</strong> vollständig nach wirtschaftlichen <strong>und</strong><br />

forstlichen<br />

Gesichtspunkten genutzt <strong>und</strong> erneuert wurde. Man braucht kein Bauer zu sein um<br />

einzusehen, dass die niederrheinischen Weiden kein Stück Natur sind, sondern<br />

Ergebnis eines planenden Eingriffes in die natürliche Landschaft.<br />

Friedrich Gorissen<br />

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„Aschenputtel“, ein deutsches Mehrschen


Eine Tochter liebte ihre Mutter über alles. Das half ihr aber nix, denn die starb lieber<br />

zu früh, als so einen volltrotteligen Mann (davon später!) „am Hals“ zu haben, näh!<br />

Naja, der fand danach trotzdem noch ´ne Braut, die aber eine ächte Xanthippe war!<br />

Die brachte zwei Töchter mit in die Ehe, die zwar schön, aber garstig (auch ein Wort,<br />

das ausstirbt, woll ?) waren, ganz ohne Herz <strong>und</strong> Mitgefühl. Die hörten nicht auf, ihre<br />

Stiefschwester zu mobben, nannten sie Aschenputtel, ja sie wurde von diesem Trio<br />

wie eine Sklavin behandelt. Sie musste in der Küche arbeiten <strong>und</strong> in Asche schlafen.<br />

Unklar ist, warum sich ihr Vater nicht für bessere Arbeitsbedingungen einsetzte, oder<br />

sich zumindest nach einer anderen Stelle für sie umkuckte, denn sie war noch nicht<br />

mal versichert! Und bekam keinen einzigen € für diese Schinderei.<br />

Nur ein Haselnussbusch-Reis gab er ihr, dass sie am Grab ihrer Mutter pflanzte. Sie<br />

weinte dabei sehr oft <strong>und</strong> begoss es dabei mit ihren Tränen, sodass es ein schöner<br />

Baum wurde. Jeden Tag ging sie zu ihm, um zu heulen, anstatt einmal richtig auf<br />

den Tisch zu hauen.<br />

Doch manchmal kommt es anders als man denkt, <strong>und</strong> von nun an spielt mal wieder<br />

ein König die 2. Hauptrolle:<br />

Jener lud alle schönen Jungfrauen des Landes zu einer Dreitageparty auf sein<br />

Schloß ein, Di´jis sollten zum Tanz auflegen. Doch da war ein Haken bei: Heimlich<br />

wollte er sich eine Braut unter ihnen aussuchen, genial. Man munkelte, dass er in<br />

allem sehr wählerisch sei.<br />

Unser Trio wollte durch schikanöse Auflagen verhindern, dass Aschenputtel auch<br />

dort auftauchte. So schütteten sie z.B. Erbsen in die Asche die solle sie wieder<br />

aufklauben, „das schafft die nie!“ kicherten sie <strong>und</strong> zischten ab. Aber alle Vöglein<br />

unter dem Himmel halfen ihr dabei, denn sie wurden immer von ihr gefüttert, auch im<br />

Winter. Ruckzuck, machten sie alles klar. Dadurch hatte sie genug Zeit, ans Grab<br />

ihrer Mutter zu gehn, dort rief sie unter dem Haselnussbaum „Bäumchen, rüttel dich<br />

<strong>und</strong> schüttel dich, wirf Gold <strong>und</strong> Silber über mich“, <strong>und</strong> zack“ lagen glänzende<br />

Fummeln vor ihr. Die zog sie an, machte sich fein, <strong>und</strong> ab ging´s zur Fete. In der<br />

Schloßdisco ging die Post ab, sie mischte sich flugs unter die Tänzer. Das Trio<br />

erkannte sie nicht, sie war ja geschminkt <strong>und</strong> trug die teuren Klamotten. Als der<br />

König sie endeckte, fuhr er <strong>total</strong> auf sie ab <strong>und</strong> hiphopte mit ihr die ganze Nacht.<br />

Langsam gab`s keine Extasy-Pillen mehr <strong>und</strong> alle fanden die Musik plötzlich<br />

schrecklich.<br />

Diese Situation nutzte Aschenputtel, um sich zu verdrücken. Sie rannte zu Mutters-<br />

Grab, gab ihre kostbare Verkleidung zurück <strong>und</strong> schlich sich wieder in die Küche.<br />

Dort legte sie ihr Haupt wieder in die Asche.<br />

Der König blickte nicht mehr durch „Was, einfach abgehauen ist sie?! Ob sie keinen<br />

Bock mehr auf mich hatte?“<br />

Das passierte auch am zweiten Abend, doch diesmal schlich der König hinter ihr her,<br />

um zu sehen, ob sie vielleicht von ihrem Macker abgeholt würde. Doch die merkte<br />

das sofort <strong>und</strong> flitzte rasch in den Schloss-Garten. Darin stand ein schöner Birnbaum<br />

(er nannte ihn Cosima), an dem die herrlichsten Birnen hingen (was denn sonst ?).<br />

Auf dem kletterte sie, behend wie ein Eichhörnchen, zwischen die Äste <strong>und</strong> ward<br />

nicht mehr gesehen. Er ließ den Baum sofort fällen, Strafe muß sein, denn der hatte<br />

ja sein Feinsliebchen versteckt. Aber trotzdem war sie nicht mehr dadrin, sie war<br />

nämlich von der Hinterseite des Baumes runtergesprungen, (nicht verraten, liebe<br />

Leser!).<br />

Am dritten Tag rappten sie wieder, er bew<strong>und</strong>erte ihr extroveriertes, ausgeflipptes<br />

Kopf-hin-<strong>und</strong>-her-schütteln, ihre hypnotischen Augen versprachen viel, sie<br />

berauschten ihn, das war auch billiger als Hasch. Doch diesmal wollte er es wissen<br />

„so nicht wieder“ dachte er sich. . Sie konnte also nicht ahnen, dass der König, nach


ihrem Eintreffen, die ganze Treppe mit Pech bestreichen ließ. Als sie nun wieder die<br />

Biege machte, blieb ein goldener Schuh von ihr kleben. Ab da suchte der König nur<br />

noch die Frau, deren Fuß genau in diesen Schuh passte. Eine von Aschenputtels<br />

Stiefschwester schnitt sich dafür einen Zeh ab. Um zum Schloss zu gelangen,<br />

musste der König <strong>und</strong> seine angebliche Braut ausgerechnet an DEM Grab (nah, an<br />

welchem wohl?) vorbei. Dort wurde sie von den Täubchen, aus dem Haselnuss-<br />

Bäumchen verpetzt, denn die gurrten „Rucke die Uh, Blut ist im Schuh, der Schuh ist<br />

zu klein, die ächte Braut ist noch daheim“. Da merkte der König, dass er gelinkt<br />

worden war <strong>und</strong> brachte sie zurück. Da hackte sich ihre Schwester ein Stück der<br />

Verse ab, dadurch passte ihr der Schuh. Aber auch sie wurde unterm Haselbaum<br />

verpfiffen. Da brachte er sie wütend zurück <strong>und</strong> rief „Verdammt, irgendeinem<br />

Weibsbild hier im Haus muss doch der Schuh passen“. Rein „zufällig“ ließ sich<br />

Aschenputtel blicken <strong>und</strong> auch sie bat er, den Schuh anzuziehen, aber Hallo! der<br />

passte ihr wie Arsch auf Eimer.<br />

Bevor er sie endlich abschleppte, wusch sie sich <strong>und</strong> zog ihr diamantanes Kleid an,<br />

da erkannte er sie <strong>und</strong> rief lauthals: „Mensch, das funkelt ja wie ein Christbaum!“,<br />

das haute ihn glatt, er war <strong>total</strong> platt!, er fand sie echt „Super!“ sogar „Spitze!!!“<br />

Die Hochzeit war ´ne Riesensause. Das Trio wollte ihre gute Laune ausnutzen, <strong>und</strong><br />

sich bei ihr einschleimen, diese falschen Fuffziger! Aber da waren sie schief<br />

gewickelt, denn die Tauben pickten ihnen, ruck-zuck, die Augen aus, blind stolperten<br />

sie sie durch die Gegend, echt dumm gelaufen für sie!<br />

Aus Dankbarkeit ließ die Königin überall Haselnussbäume pflanzen, die sollten auch<br />

anderen „armen Schweinen“ Wünsche erfüllen, da kannte sie nix!.<br />

Punk Piet<br />

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Auf den großen Plätzen<br />

stehen die Weiden,<br />

Schon seit Wochen sind die Messer gewetzt,<br />

Wolken <strong>und</strong> Donnerschlag überstehen die Zeit,<br />

Wo sind die Flüsse, die wir uns geschenkt ?<br />

Wo sind die Mützen, die wir uns gestülpt ?<br />

Wo ist der Weihnachtsbaum, der vom Wurm benagt,<br />

dem Allerheiligsten sich verband <strong>und</strong> die Kinder erfreut…. ?<br />

Richard Huelsenbeck<br />

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Wenn der Baum<br />

geboren wird,<br />

ist er nicht sofort groß.<br />

Wenn er groß ist,<br />

blüht er nicht sofort.<br />

Wenn er blüht,<br />

bringt er nicht sofort Früchte hervor.<br />

Wenn er Früchte hervorbringt,<br />

sind sie nicht sofort reif.


Wenn sie reif sind,<br />

werden sie nicht sofort gegessen.<br />

Aegidius von Assisi<br />

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Barbarazweige<br />

Am Barbaratage holt´ ich<br />

drei Zweiglein vom Kirschenbaum,<br />

die setzt ich in eine Schale,<br />

drei Wünsche sprach ich im Traum.<br />

Der erste, daß einer mich werbe,<br />

der zweite, dass er noch jung,<br />

der dritte, daß er auch habe<br />

des Geldes wohl genug.<br />

Weihnachten vor der Mette<br />

Zwei Stöcklein nur blühn zur Frist:<br />

Ich weiß einen armen Gesellen,<br />

den nähm ich, wie er ist.<br />

Martin Greif<br />

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Lange leben<br />

heißt gar vieles überleben, geliebte, gehasste, gleichgültige Menschen, Königreiche,<br />

Hauptstädte, ja Wälder <strong>und</strong> Bäume, die wir jugendlich gesäet <strong>und</strong> gepflanzt, Wir<br />

überleben uns selbst <strong>und</strong> erkennen durchaus noch dankbar, wenn uns auch nur<br />

einige Gaben des Leibes <strong>und</strong> Geistes übrig bleiben. Alles dieses Vorübergehende<br />

lassen wir uns gefallen; bleibt uns nur das Ewige jeden Augenblick gegenwärtig, so<br />

leiden wir nicht an der vergänglichen Zeit.<br />

Johann Wolfgang von Goethe<br />

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Ein Lebenslauf<br />

Manchmal besuch ich ihn auf dem Friedhof<br />

Wilhelm Schlosser neunzehnsechzehn bis<br />

Neun<strong>und</strong>sechzig<br />

Keiner erzählte Märchen wie er<br />

Aber wir Kinder der Ebene hörten am liebsten<br />

Immer dieselbe Abenteuergeschichte<br />

Von seinem Urlaub im Allgäu<br />

Acht<strong>und</strong>reißig im Juli vierzehn Tage mit KdF.<br />

Er zeichnete uns die kühlen Schatten


Die kühnen Zacken der Berge<br />

Ganz genau die Namen der Almen<br />

Der Sennerinnen wie Fichten duften<br />

Nach Regennächten an Sonnentagen<br />

Alles behielt er treu im Gedächtnis<br />

Auch noch in Minsk <strong>und</strong> Smolensk.<br />

Erst fünf<strong>und</strong>fünfzig kam er zurück<br />

Zurück ins Stahlwerk Walzstraße 1<br />

Zwei kleine Zimmer im Reihenhaus<br />

Nicht mal Tauben erlaubte der Hauswirt<br />

Aber sonntags der Stadtwald so grün<br />

So treu mit Weißdorn Hol<strong>und</strong>er Liguster<br />

Im Juli schlief er nachts auf den Bänken<br />

Pfiff auf sein Rheuma aber das Herz …<br />

Jetzt im Reihengrab; rote Begonien immerhin<br />

Tauben gurren <strong>und</strong> Efeu rankt um den Stein –<br />

Rankt weitab von der schönen hohen<br />

Zypressenallee<br />

Der Lärm der Stadt ist noch gedämpft zu<br />

Vernehmen.<br />

Hella Ullrich<br />

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aus „ghetto für blumen“<br />

hier ist mein garten<br />

kompost quellen schattenblumen<br />

für dich<br />

hier pflück ich den mond vom baum<br />

dem verbotenen<br />

wolltest ihn kosten<br />

der alte zaun liegt im gras<br />

ich blühe<br />

in vier offene türen<br />

aber du kommst nicht<br />

<strong>und</strong> der mond<br />

ist ein abgeschnittener fingernagel<br />

auf dem staubtuch<br />

Beim wäldchen<br />

auf der wiese


am bach<br />

unterm busch<br />

im schatten<br />

lag ich<br />

da kam der wind<br />

blähte die bäume<br />

<strong>und</strong> wir<br />

das wäldchen<br />

die wiese<br />

der bach<br />

der busch<br />

der schatten<br />

<strong>und</strong> ich<br />

legten ab<br />

ein ruder war nicht<br />

vor dem wind<br />

nur das waldsegel<br />

das wiesendeck<br />

<strong>und</strong> der bach<br />

der schirmbusch<br />

der schattenkompaß<br />

<strong>und</strong> ich<br />

ein ruder war nicht<br />

das wäldchen<br />

die wiese<br />

der bach<br />

der busch<br />

der schatten<br />

<strong>und</strong> ich<br />

strandeten<br />

an der vorstadt<br />

Credo<br />

Ich glaube an bäume<br />

im herbst im schnee unter der axt<br />

ich glaube an das kind das vor angst<br />

im dunkeln singt<br />

ich glaube an worte wie brücken<br />

über dem abgr<strong>und</strong><br />

ich glaube an den fluß<br />

wir sind die meerwärts treibenden


die bäume die äxte <strong>und</strong> wir<br />

das kinderlied <strong>und</strong> die angst<br />

die brücken der abgr<strong>und</strong><br />

meerwärts<br />

gib mir deine hand<br />

ich glaube dir<br />

bis dahin<br />

Viktoria Lösche<br />

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Eine ganze Stadt kämpft für einen Baum<br />

Ein Sturm der Entrüstung fegt durch die niederbergische Kreisstadt Mettmann.<br />

Bürger machen Front gegen die Pläne der Stadt, eine r<strong>und</strong> 200 Jahre alte Blutbuche<br />

für ein kleines Einkaufs- <strong>und</strong> Wohnzentrum im Herzen der Stadt zu fällen. Die Pläne<br />

hat eine Wohnungsbau-Genossenschaft nach den Wünschen von Verwaltung <strong>und</strong><br />

Politik entworfen. Begründung : dem schwächelnden Einzelhandel in der Innenstadt<br />

zu helfen. Der Plan, sieht 750 qm Einkaufsfläche <strong>und</strong> 50 Mietwohnungen vor.<br />

„Damit setzen wir die Wünsche der Bürger um, nach einem erweiterten<br />

Warensortiment“. Doch das sehen viele Bürger anders : „Wenn die Blutbuche fällt,<br />

wäre das ein herber Verlust für Mettmann. Sowohl, was das Mikroklima als auch die<br />

Attraktivität angeht.“ Vorschläge der Bürger den Bau so umzusetzen, dass der Baum<br />

erhalten werden kann, sind laut Bürgermeister <strong>und</strong> Investor nicht realisierbar. Es sei<br />

natürlich schmerzlich, wenn man beim abwägen zwischen Naturschutz <strong>und</strong><br />

Stadtentwicklung, sich für das Fällen der Buche entscheidet. Aber eine<br />

Kompromisslösung scheidet aus. Die Bürger beurteilen auch diese Situation anders.<br />

Bevor man neue Verkaufsflächen schafft, solle sich die Stadt erst einmal um den<br />

vorhandenen Leerstand kümmern. Sie wollen mehr Grün statt mehr Geschäften in<br />

der Stadt. Mit einem Bürgerentscheid soll der Beschluss für das Wohn- <strong>und</strong><br />

Ladenzentrum gestoppt werden. Die Bürgerinitiative hat mit knapp 6000<br />

Unterschriften weit mehr als die erforderlichen sieben Prozent.<br />

Jetzt gibt’s´s Probleme mit dem Städte- <strong>und</strong> Gemeindeb<strong>und</strong>, der formale juristische<br />

Fehler in dem Begehren geltend macht. Es soll seitens der Stadt ein Gutachten<br />

erstellt werden, in dem die formale Zulässigkeit geklärt wird. Sollte die<br />

Unterschriftenaktion als unzulässig erklärt werden, <strong>und</strong> der Rat den Bürgerentscheid<br />

ablehnen, stehen beiden Parteien langwierige gerichtliche Auseinandersetzungen<br />

bevor. Die Bürgerinitiative „Alte Buche“ will diesen juristischen Weg zur Not gehen.<br />

Also auch hier kämpfen Wirtschaftsinteressen gegen einen Baum.<br />

Aus Zeitungsberichten<br />

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Der Baumbesetzer<br />

Es war im Spätsommer 1981, als jene Baumbesetzung geschah, die damals die<br />

Lokalseiten der Zeitungen am Oberrhein füllte. BAUMBESETZER GIBT NICHT AUF


- SYMPATHISANTEN BEWACHEN DEN BAUM - POLIZEI ZUR BELAGERUNG<br />

ENTSCHLOSSEN - NACHTWACHE BEI STURM UND REGEN - STADTRAT IN<br />

DER DEFENSIVE - WIRD WASSSERWERFER EINGESETZT? -<br />

BAUMBESETZERSZENE DROHT AUF ANDERE BÄUME ÜBERZUGREIFEN<br />

Es fehlte nicht an zugkräftigen Schlagzeilen. Die Reporter hatten ihre große Zeit,<br />

<strong>und</strong> die Einwohner einer kleinen Stadt wurden eine Woche lang in Spannung<br />

gehalten, zumal sie den Schauplatz täglich besichtigen konnten. Sie hatten ihr Fest,<br />

Ihren Zirkus, ihre Show. Für viele war die Baumbesetzung allerdings mehr. Sie war<br />

eine Tat, die Mut, Phantasie <strong>und</strong> Ausdauer erforderte, <strong>und</strong> schließlich eine gute<br />

Portion Humor. Denn ohne Humor war das ganze Ereignis <strong>und</strong>enkbar.<br />

Es war die Zeit der Hausbesetzungen in den Städten. Bauplätze wurden besetzt, wo<br />

Großkraftwerke entstehen sollten. Auch dort kämpften die Bürger um ihre Bäume,<br />

stellten sich vor Pappeln <strong>und</strong> Weiden, wenn Bulldozer anrückten <strong>und</strong> Motorsägen<br />

angesetzt wurden, die Bäume zu fällen.<br />

Doch der Fall Thulingen – so der Name jener kleinen Stadt – hat seine eigene<br />

Brisanz. Dort war seit längerem bekannt, dass die Allee am Mühlenbach aus<br />

verkehrstechnischen Gründen verbreitert werden sollte. Dafür müssten die Bäume<br />

einer Seite der Allee geopfert werden, das wurde in einer Stadtratssitzung<br />

einstimmig beschlossen. Die Anwohner befürchteten zunehmenden Autoverkehr,<br />

andere erwähnten das ehrwürdige Alter <strong>und</strong> den schönen Wuchs der Bäume. Sie<br />

reagierten darauf mit einer Unterschriftensammlung, um den Stadtratsbeschluss<br />

rückgängig zu machen.<br />

Doch vorher rückten Ende August städtische Arbeiter mit Ausziehleitern <strong>und</strong><br />

Motorsägen an. Die ersten Äste wurden gekappt. Aber eine kleine, streitbare Schar<br />

genügte, um sie in ihrem Tun aufzuhalten. Nach wenigen Tagen kam der<br />

Arbeitstrupp zurück, diesmal begleitet von behelmten Polizisten mit Gummistock am<br />

Hosenbein. Man war gewarnt <strong>und</strong> hatte schon vom frühen Morgen an gewartet. In<br />

wenigen Augenblicken würde die Säge den Stamm der ersten Esche<br />

durchschneiden, <strong>und</strong> es gab keine Möglichkeit, den Eingriff wieder ungeschehen zu<br />

machen. Die Leute riefen den Arbeitern <strong>und</strong> Polizisten zu : „Jetzt reicht´s aber !“<br />

„Schluss mit damit !“ u. ä. war zu hören.<br />

Da umklammerte Herr Schwer mit einem Sprung den untersten Ast <strong>und</strong> arbeitete<br />

sich von da aus in die Krone des Baumes. Eine Baumbesetzung war von der<br />

Einsatzleitung nicht vorgesehen. Die Versuche, ihn von dort oben runter zu holen ,<br />

misslangen. Es kam zu Protestrufen, wildem Gestikulieren <strong>und</strong> Kindergeheul. Über<br />

Megaphon hörte man die Aufforderung, den Baum unverzüglich zu verlassen <strong>und</strong><br />

der Zusatz :“Hier spricht die Polizei“ amüsierte alle, es gab Gelächter <strong>und</strong> Buhrufe.<br />

„Oben bleiben !“ tönte es mehrfach aus der Menge. Die Arbeitskolonne wurde<br />

weggeschickt <strong>und</strong> auch die Polizei zog ab, früher oder später würde Herr Schwer<br />

den Baum von selbst verlassen.<br />

Hin <strong>und</strong> wieder kamen Leute um zu schauen, ob der Baum noch besetzt sei. Es<br />

wurde gefordert, dass man mit dem Raubbau an der Natur aufhören sollte, denn wer<br />

sie zerstöre, säge an dem Ast, auf dem er selber sitzt. Wenn Herr Schwer essen<br />

gehen wollte, wurde er durch einen anderen Besatzer abgelöst. Der Baum wurde zu<br />

einem Treffpunkt. Familien mit Kindern kamen, die Alten <strong>und</strong> Jungen, man trank,<br />

man aß, einer spielte Gitarre, Decken wurden gebracht, Thermosflaschen mit Tee,<br />

ein Nahrungsdepot angelegt. Es kam Festatmosphäre auf. Eine Bürgerinitiative<br />

wurde gegründet, ein Vorstand gewählt, Handzettel verteilt, eine Versammlung<br />

einberufen, ein ausführlicher Aufruf an die Presse geschickt. Man besorgte Material,<br />

damit konnte sich Herr Schwer einen Hochsitz bauen. Ein Polizist kam, wollte ihn zu


Aufgabe bewegen. Dann versuchte es ein Lokalpolitiker. Dann erschienen Reporter<br />

<strong>und</strong> Fotografen, die sich ein Bild machen wollten, ganz verw<strong>und</strong>ert über die große<br />

Menschenmenge.<br />

Zur Protest-Versammlung erschienen überraschend viele. Nach mehreren Reden<br />

beschloss man, sich mit allen Mitteln zu wehren. Der Stadtrat sollte merken, dass die<br />

Bevölkerung hinter dieser Baumbesatzung stehe. Man erstellte eine<br />

Unterschriftenliste, die von Tag zu Tag voller wurde.<br />

Inzwischen schrieben viele Zeitungen, auch überregionale, über die „Heldentat“, <strong>und</strong><br />

durch die BILD Zeitung wurde sie im ganzen land bekannt, selbst Radio <strong>und</strong><br />

Fernsehen sendeten Beiträge Der Baum wurde ein Treffpunkt der Bevölkerung <strong>und</strong><br />

auch immer mehr Auswärtige fanden sich ein, die Besetzung geriet zum Volksfest.<br />

Mütter mit Kindern kamen, es wurde gegrillt, auch Musiker fanden sich ein. Einer<br />

hatte sogar einen Song geschrieben, den er mit seiner Gitarre vortrug :<br />

Es war ein Baum an der Allee,<br />

ein Baum <strong>und</strong> weiter nichts,<br />

im Sommer grün, im Winter voll Schnee,<br />

so stand er seit Jahren an der Allee,<br />

ein Baum <strong>und</strong> weiter nichts.<br />

Doch eines Tages störte der Baum.<br />

Da ging es dem Baum ans Leben.<br />

Und ohne zu fragen, hielt man Gericht.<br />

Der Baum stand stumm <strong>und</strong> wehrte sich nicht.<br />

Er musste gefällt werden eben.<br />

Was man vergaß im Rate der Stadt :<br />

Der Baum hatte Fre<strong>und</strong>e im Lande.<br />

Und ehe die Säge die Rinde verletzt`,<br />

da hatte ein Mann den Baum schon besetzt<br />

<strong>und</strong> dachte nicht an Spott <strong>und</strong> an Schande.<br />

Es steht ein Baum an der Allee,<br />

ein Baum von vielen Jahren,<br />

im Sommer grün, im Winter voll Schnee,<br />

so steht er noch lange an dieser Allee,<br />

weil wir diesen Baum bewahren.<br />

Die Polizei versuchte es immer wieder, aber sämtliche Räumungsversuche<br />

scheiterten am entschiedenen Widerstand der Anwesenden.<br />

Zu einer weiteren Versammlung erschienen auch Bauern, deren Felder an der Allee<br />

lagen. Und immer mehr Jugendliche stellten sich schützend vor den Baum. War das<br />

die Jugend, von der man sagte, sie habe keine Ideale mehr ?<br />

Der Stadtrat konnte es drehen oder wenden wie er wollte, aber eine Baumfällung<br />

war nun nicht mehr möglich. Er sprach jetzt von einer geänderten Ausgangslage,<br />

man habe halt zwischen mehreren Gütern abzuwägen, <strong>und</strong> nun seien die Würfel<br />

zugunsten de Baumes gefallen. Ja, jetzt lobte man die Leute für ihr Engangement,<br />

denn auch alle Ratsmitglieder würden schließlich die Natur lieben <strong>und</strong> seien stolz<br />

auf ihre grüne Stadt, einschließlich ihrer schönen Bäume.


Dieser Entschluss wurde ganz groß gefeiert, mit Musik, Fassbier <strong>und</strong> Tänzen. Der<br />

Pfarrer ließ sogar die Glocken läuten <strong>und</strong> noch während des Fest` spazierten alle<br />

noch mal zu IHREM Baum.<br />

Trotz heftigem Widerspruch des Stadtrats, setzte man durch, dass an der Esche ein<br />

Schild angebracht wurde mit folgendem Text :<br />

DASS DIESER BAUM NOCH STEHT, VERDANKT DIE THULINGER<br />

BEVÖLKERUNG DEM MUTIGEN EINSATZ VON DR. JOHANNES SCHWER, DER<br />

DEN BAUM VOM 31. August BIS ZUM 5. SEPTEMER BESETZT HIELT: SEINE<br />

TAT IST UNS ZUM ZEICHEN, DER BAUM ZUM MAHNMAL GEWORDEN.<br />

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Heilmagie<br />

zur Übertragung einer Krankheit durch Berühren oder „Verpflocken“ galt beim<br />

Hol<strong>und</strong>er als besonders wirkungsvoll. Den Germanen war der Hol<strong>und</strong>er heilig, ein<br />

Attribut ihrer Göttinnen HOLDA <strong>und</strong> FREYA. In Irland gebrauchten Hexen<br />

Hol<strong>und</strong>eräste für ihre Flugreisen. Auch in England <strong>und</strong> Spanien wird der Baum mit<br />

Hexen, mit dem Teufel <strong>und</strong> auch dem Tod in Verbindung gebracht. Da, der auf Stock<br />

gesetzte Hol<strong>und</strong>er rasch <strong>und</strong> zuverlässig wieder austreibt, wurde er zu einem<br />

Symbol der Wiedergeburt. Tacitus berichtet, dass Hol<strong>und</strong>erholz bei der Bestattung<br />

der Toten mitverwendet wurde. Auch die Wikinger pflanzten sie auf Gräber. James<br />

Joyce lässt im 12. Kapitel des Ulysses eine Miss Priscilla Holderblüt auftreten.<br />

U We Claus<br />

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Die Kopfweide in der Kunst<br />

Ein mittelaltericher Zeuge für die Kopfweide ist Jakob von Maerlant (1235-1300), der<br />

den Baum in einem Gedicht beschreibt. Erst recht sind aus dem ausklingenden<br />

Mittelalter Bildwerke erhalten. Gesellschaftliche Veränderungen hatten zur Folge,<br />

dass nicht nur der Adel <strong>und</strong> die Kirchen Malereien in Auftrag gab, sondern auch<br />

Gilden, Zünfte <strong>und</strong> Kaufherren z. B. die nicht nur religiöse, sondern auch weltliche<br />

Themen behandelten In vielen Bildern dieser Zeit, werden Kopfweiden abgebildet. In<br />

Frankreich entstand, durch Pol de Limbourg, um 1410 der Zyklus eines herzoglichen<br />

St<strong>und</strong>enbuches („Die sehr reichen St<strong>und</strong>en des Grafen von Berry“), welches gleich<br />

in mehreren Monatsbildern als Bildhintergr<strong>und</strong> Kopfbaumreihen vor Fließgewässern<br />

aufweist.<br />

Auf einem Gemälde von Hieronymus Bosch mit dem Titel „Die Versuchung“ finden<br />

wir eine Kopfweide, auch auf den volksnahen Bildern Pieter Brueghels z. B.<br />

die„Winterlandschaft“ oder auf dem „Düsteren Tag“, wo uns der Maler eine Lektion<br />

über das Köpfen der Weiden erteilt.<br />

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Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland<br />

ein Birnbaum in seinem Garten stand,<br />

<strong>und</strong> kam die goldene Herbsteszeit<br />

<strong>und</strong> die Birnen leuchteten weit <strong>und</strong> breit,


da stopfte, wenn´s Mittag vom Turme scholl,<br />

der von Ribbeck sich beide Taschen voll,<br />

<strong>und</strong> kam in Pantinen ein Junge daher,<br />

so rief er: „Junge, wiste ´ne Beer?“<br />

Und kam ein Mädel, so rief er: “Lütt Dirn,<br />

kumm man röwer, ick hebb ´ne Birn´.“<br />

So ging es viele Jahre, bis Lobesam<br />

der von Ribbeck auf Ribbeck zum Sterben kam.<br />

Er fühlte sein Ende. ´s war Herbsteszeit,<br />

wieder lachten die Birnen weit <strong>und</strong> breit;<br />

da sagte von Ribbeck: „Ich scheide nun ab,<br />

legt mir eine Birne mit ins Grab!“<br />

Und drei Tage darauf, aus dem Doppeldachhaus,<br />

trugen von Ribbeck sie hinaus.<br />

Alle Bauern <strong>und</strong> Büdner mit Feiergesicht<br />

sangen „Jesus meine Zuversicht!“<br />

Und die Kinder klagten, das Herze schwer:<br />

„He ist dod nu. Wer giwt uns nu ´ne Beer?“<br />

So klagten die Kinder. Das war nicht recht.<br />

Ach, sie kannten den alten Ribbeck schlecht!<br />

Der neue freilich, der knausert <strong>und</strong> spart,<br />

hält Park <strong>und</strong> Birnbaum streng verwahrt.<br />

Aber der alte, vorahnend schon<br />

<strong>und</strong> voll Misstrauen gegen den eigenen Sohn,<br />

der wusste genau, was damals er tat,<br />

als um eine Birn´ ins Grab er bat;<br />

<strong>und</strong> im dritten Jahr aus dem stillen Haus<br />

ein Birnbaumsprössling sprosste heraus.<br />

Und die Jahre gehen wohl auf <strong>und</strong> ab,<br />

längst wölbt sich ein Birnbaum über dem Grab,<br />

<strong>und</strong> in der goldenen Herbsteszeit<br />

leuchtet´s wieder weit <strong>und</strong> breit,<br />

<strong>und</strong> kommt ein Jung´ übern Kirchhof her,<br />

so flüstert´s im Baume: “Wisde ´ne Beer?“<br />

Und kommt ein Mädel, so flüster´s: „Lütt Dirn,<br />

kumm man röwer, ick gew´di ´ne Birn!“<br />

So spendet Segen noch immer die Hand<br />

Des von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland.<br />

Theodor Fontane<br />

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Krefeld, so wie es war<br />

Krefeld entwickelte sich in mehreren Schritten zur „Stadt im Grünen“.


1843 entstand der Park um Haus Greiffenhorst. Weitere „grüne“ Anregungen sind<br />

zurückzuführen auf das Jahr 1897. Der Oberbürgermeister schrieb an die<br />

Regierung, die Stadt sei leider nicht im Besitz von wünschenswerten Park- oder<br />

Waldanlagen. Doch im selben Jahr schenkte der Seidenfabrikant Wilhelm Deuß<br />

seinen Mitbürgern den Stadtwald. Die Stadt selber erwarb1910 Haus Heyes mit dem<br />

dazugehörigen Park – dem späteren Kaiser-Friedrich-Hain.<br />

Der Stadtwald ließ den alten Traum von einer Pferderennbahn aufleben. Dafür<br />

kaufte die Stadt 1911 ein 68 Morgen großes Gelände an der Hüttenallee. Der erste<br />

Renntag, der 11. Juni 1913 wurde zum glanzvollen Auftakt, der die kühnsten<br />

Hoffnungen übertraf.<br />

Ebenfalls im Jahr 1911 wurde der Stadtwald ausgebaut. Am 31. Oktober 1913, zwei<br />

Jahre nach Deuß´ Tod, wurde er mit Mozartmusik <strong>und</strong> Eichendorffliedern<br />

eingeweiht. Im See spiegelte sich ein an den Stifter erinnernder, in klassischen<br />

Formen gehaltener R<strong>und</strong>tempel.<br />

Oberbürgermeister Dr. Johansen wandte den Blick zurück. „Der 70. Geburtstag war<br />

der glücklichste Tag im Leben von Herrn Wilhelm Deuß…. Denn an diesem Tag, an<br />

dem er sich aus dem Geschäft zurückzog, stiftete er uns 140 Morgen Land <strong>und</strong> 20<br />

000 Mark für einen Stadtwald“<br />

Fre<strong>und</strong>e die ihm nahe standen, hatten ihn auf die Parks aufmerksam gemacht, die<br />

man in England zur Erholung der arbeitenden Bevölkerung geschaffen hatte. Ihm<br />

gefiel der Gedanke, dass ein solches Werk, für die Ges<strong>und</strong>heit der ganzen<br />

Bürgerschaft sorgte. Jahre gingen ins Land. Kräftig reckten sich die Bäume. Das<br />

erste Gedeihen erlebte er noch. In seinen alten Tagen wurde er dort oft gesehen <strong>und</strong><br />

man konnte ihm keine größere Freude bereiten, als den Stadtwald zu loben. 1925<br />

wurde Haus Sollbrüggen (12. Jahrh<strong>und</strong>ert), die heutige Musikschule, <strong>und</strong> der<br />

dazugehörende Park in Krefelds Grüngürtel mit einbezogen.<br />

Der Liegenschaftsdirektor Ludwig Spelten erwarb in zähen Verhandlungen verstreut<br />

liegende Parzellen, um sie zu einem geschlossenen Erholungsgebiet abzur<strong>und</strong>en,<br />

dem Hülser Bruch am Hülser Berg. Das Gegenstück bildete der Forstwald, der 1929<br />

in Stadtbesitz kam.. Von den Erben Rhodius kaufte die Stadt die Linner Burg, den<br />

Greiffenhorstpark <strong>und</strong> erwarb bald darauf Sollbrüggen, Neuenhofen <strong>und</strong> den<br />

Großhüttenhof. Bürgermeister Johansen führte die rheinisch-westfälische Presse,<br />

am Pfingstfest des Jahres 1926, selbst durch die neuen Volksparks.<br />

Ernst Köppen<br />

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Die alte Linde<br />

Es war einmal ein alte Linde, ein mächtiger, dicker Baum, der mitten im Dorf auf<br />

einer Wiese stand. Irgendjemand hatte eine Bank dort aufgestellt. Hierher kam jeder,<br />

der Ruhe suchte, seine Gedanken ordnen wollte oder einmal nur dem Wind in den<br />

Zweigen lauschte. Hier machten die Wanderer Halt, hier besprach sogar der<br />

Bürgermeister, Probleme mit den Dorfbewohnern, <strong>und</strong> immer fand hier alles eine<br />

gute Lösung. Wie oft saß jemand unter der Linde <strong>und</strong> schlief <strong>und</strong> träumte, <strong>und</strong> wenn<br />

er erwachte, hatte er plötzlich gute Ideen <strong>und</strong> wusste, wie es für ihn weiterging. Hier<br />

fand der Dichter seine Worte, <strong>und</strong> der Maler sah das Bild vor sich, das er schon<br />

immer beginnen wollte. Viele w<strong>und</strong>erten sich über den Zauber, der dort verborgen<br />

lag. Niemand wusste, dass eine Elfe in der alten Linde wohnte. Sie zwinkerte oft<br />

dem Wind zu, der in den Zweigen spielte. Und wer schon einmal dem Wind zugehört


hat, der durch den Baum streicht, der kennt seine Lieder, seine Melodien <strong>und</strong> seinen<br />

Frieden, der jedes Herz erreicht, das sich für ihn öffnet. Jeden Morgen begrüßte die<br />

Elfe ihren Baum, richtete hier <strong>und</strong> da ein paar Zweige <strong>und</strong> ließ den Wind wieder neu<br />

mit seinen Liedern beginnen. Immer spielte er etwas anderes, <strong>und</strong> immer summte<br />

die Elfe mit, der Baum wiegte sich dazu im Takt. Wer sich auf die Bank setzte,<br />

musste einfach mitschwingen, <strong>und</strong> damit war tiefer Friede in ihm. So ging das viele<br />

Jahre lang.<br />

Eines Tages im Frühling, erschien der „Fortschritt“ in diesem Winkel. Eine große<br />

Gruppe aufgeregter Männer mit riesigen Bauplänen <strong>und</strong> weit ausholenden Gesten.<br />

“Ja“ hörte man sie rufen „Ja hier muss die neue Straße hin, mitten durch´s Dorf, die<br />

alte Linde muss weg! Es geht um das Wohl aller, ihr wollt euch doch nicht der Welt<br />

verschließen?“<br />

Trotz aller Proteste fraß sich die Säge durch das Holz. Und der mächtige, über<br />

100jährige Baum fiel. Arbeiter, Planierraupen <strong>und</strong> Betonmischer verwandelten den<br />

einst ruhigen Platz in ein Chaos. Doch die Sache ging nicht voran, keiner wusste<br />

warum, das Gr<strong>und</strong>wasser stieg <strong>und</strong> stieg <strong>und</strong> ließ sich selbst mit den modernsten<br />

Mittel nicht trockenlegen. Endlich verlegten sie ihre Straße ein paar Kilometer weiter.<br />

Elfen sind einfach stärker als Mensch <strong>und</strong> Maschine. Der Schöpfergeist sah, dass<br />

die Elfe weinte <strong>und</strong> weinte, bis auf dem Platz ein kleiner Dorfweiher entstand <strong>und</strong> er<br />

setzte eine Trauerweide an´s Ufer. Heute steht dort auch eine Bank, auf der so<br />

mancher sitzt, träumt <strong>und</strong> seinen Frieden findet.<br />

Nach einer Geschichte von Christel Vogt<br />

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Verkündigung<br />

Die Worte des Engels<br />

Du bist nicht näher an Gott<br />

als wir;<br />

wir sind ihm alle weit.<br />

Aber w<strong>und</strong>erbar sind dir<br />

Die Hände benedeit.<br />

So reifen sie bei keiner Frau,<br />

so schimmernd aus dem Saum:<br />

Ich bin der Tag, ich bin der Tau,<br />

du aber bist der Baum.<br />

Ich bin jetzt matt, mein Weg war weit,<br />

vergib, ich vergaß,<br />

was Er, der groß in Goldgeschmeid<br />

wie in der Sonne saß,<br />

dir künden ließ, du Sinnende,<br />

(verwirrt hat mich der Raum).<br />

Sieh: Ich bin das Beginnende, du aber bist der Baum.<br />

Ich spannte meine Schwingen aus<br />

Und wurde seltsam weit;<br />

jetzt überfließt dein kleines Haus<br />

von meinem großen Kleid.


Und dennoch bist du so allein<br />

Wie nie <strong>und</strong> schaust mich kaum;<br />

Das macht: Ich bin ein Hauch im Hain,<br />

du aber bist der Baum.<br />

Die Engel alle bangen so,<br />

lassen einander los:<br />

noch nie war das Verlangen so,<br />

so ungewiss <strong>und</strong> groß.<br />

Vielleicht, dass Etwas bald geschieht,<br />

das du im Traum begreifst.<br />

Gegrüßt sei, meine Seele sieht:<br />

Du bist bereit <strong>und</strong> reifst.<br />

Du bist ein großes, hohes Tor,<br />

<strong>und</strong> aufgehn wirst du bald.<br />

Du meines Liedes liebstes Ohr,<br />

jetzt fühl ich: Mein Wort verlor<br />

sich in dir wie im Wald.<br />

So kam ich <strong>und</strong> vollendete<br />

Dir tausendeinen Traum.<br />

Gott sah mich an; er blendete….<br />

Du aber bist der Baum<br />

Rainer Maria Rilke<br />

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Aus Frühling <strong>und</strong> Frühjahr<br />

Die Bäume sind jetzt am schönsten sie sind nicht mehr schwarze<br />

Federzeichnungen, wie im Winter – aber auch noch nicht verborgen hinter<br />

Laubmassen wie im Sommer, sondern die Blätter, einzelne grüne Flämmchen,<br />

bezeichnen einen kostbaren Raum, wo innen das Astwerk, dieser Charakter des<br />

Baumes, bald wildgedrängt, bald anmutig-harmonisch das Ganze trägt. Präge dir die<br />

schönen Astgestalten noch gut ein, denn bald kommt der Sommer <strong>und</strong> überwölkt<br />

das alles mit seinem Grün.<br />

Sigism<strong>und</strong> von Radecki<br />

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Aus „Die Wiese“<br />

….die Bäume am Hag sind mit ihm aufgewachsen, viele hat er selbst gepflanzt,<br />

andere kennt er noch aus seiner Jugend, die fallen jetzt unter seiner Axt. Es sind<br />

prächtige Bäume darunter, w<strong>und</strong>erbar im Frühling, wenn das Laub aus den<br />

Knospen bricht, das mag schon sein, <strong>und</strong> in Sommernächten unter dem ziehenden<br />

Wind. Allein davon weiß Michael nichts, er ist kein Schwärmer. Laub mag rot oder<br />

grün sein, es gibt dieselbe gute Streu für seinen Stall, aber es wirft auch Schatten<br />

auf seinen Acker. Man muss darauf sehen, dass die Kronen nicht zu üppig werden


<strong>und</strong> dass man das Holz herausschlägt, solange es noch ges<strong>und</strong> <strong>und</strong> fest im Kern ist.<br />

So hat alles seinen Sinn <strong>und</strong> seine gute Ordnung in dieser kleinen Welt, Michael<br />

wacht darüber mit dem einfachen Verstand des Bauern. Auch Gott macht keine<br />

Verse.<br />

Karl Heinrich Waggerl<br />

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Standrede im Gemüsegarten seiner Schwiegermutter<br />

Die meisten Pflanzen haben eine w<strong>und</strong>erbare Vermehrungskraft…. Man schätzt bei<br />

einer Eiche, dass sie 500 Jahre leben könne. Aber wenn wir uns nun vorstellen,<br />

dass sie in dieser Zeit nur 50mal Früchte trage, <strong>und</strong> jedes Mal in ihren weit<br />

verbreiteten Ästen <strong>und</strong> zweigen nur 500 Eicheln, so lieferte sie doch 25 000, wovon<br />

jede die Anlage hat, wieder ein solcher Baum zu werden. Gesetzt, dass dieses<br />

geschehe, <strong>und</strong> es geschehe bei jeder von diesen wieder, so hätte sich die einzige<br />

Eiche, in der zweiten Abstammung, schon zu einem Walde von 625 Mio. Bäumen<br />

vermehrt.<br />

Johann Peter Hebel<br />

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Blätterrauschen<br />

Ein Nachruf<br />

Abgesägt<br />

Von der Wurzel der Baum<br />

Abgeschlagen<br />

Vom Baum der Ast<br />

Abgebrochen<br />

Vom Ast der Zweig<br />

Abgefallen<br />

Vom Zweig das Blatt<br />

Hier<br />

Rauschen keine Blätter mehr<br />

K. H. Renner<br />

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Von des Cortez Leuten<br />

Am siebenten Tage unter leichten Winden wurden die Wiesen heller. Da die Sonne<br />

gut war, gedachten sie zu rasten. Rollten Branntwein von ihren Wägen, machten<br />

Ochsen los, die schlachteten sie gegen Abend. Da es kühl wurde, schlug man vom<br />

Holz des nachbarlichen Sumpfes armdicke Äste, knorrig, gut zu brennen. Dann<br />

schlangen sie gewürztes Fleisch hinunter <strong>und</strong> fingen singend um die neunte St<strong>und</strong>e<br />

mit Trinken an. Die Nacht war kühl <strong>und</strong> grün. Mit heisrer Kehle, tüchtig vollgesogen,


mit einem letzten kühlen Blick nach großen Sternen entschliefen sie gen Mitternacht<br />

am Feuer. Sie schliefen schwer, doch mancher wusste morgens, dass er die Ochsen<br />

einmal brüllen hörte. Erwacht gen Mittag, sind sie schon im Wald. Mit glasigen<br />

Augen, schweren Gliedern, heben sie ächzend sich aufs Knie <strong>und</strong> sehen staunend<br />

armdicke Äste, knorrig, um sie stehen, höher als mannshoch, sehr verwirrt, mit<br />

Blattwerk <strong>und</strong> kleinen Blüten süßlichen Geruchs. Es ist sehr schwül schon unter<br />

ihrem Dach, das sich zu dichten scheint. Die heiße Sonne ist nicht zu sehen, auch<br />

der Himmel nicht. Der Hauptmann brüllt als wie ein Stier nach Äxten. Die liegen<br />

drüben, wo die Ochsen brüllten. Man sieht sie nicht. Mit rauen Flüchen stolpern die<br />

Leute im Geviert, ans Astwerk stoßend, das zwischen ihnen durchgekrochen war.<br />

Mit schlaffen Armen werfen sie sich wild in die Gewächse, die leicht zittern, so als<br />

ginge leichter Wind von außen durch sie. Nach St<strong>und</strong>en Arbeit pressen sie die<br />

Stirnen schweißglänzend finster an die fremden Äste. Die Äste wuchsen <strong>und</strong><br />

vermehrten langsam das schreckliche Gewirr. Später, am Abend, der dunkler war,<br />

weil oben Blattwerk wuchs, sitzen sie schweigend, angstvoll <strong>und</strong> wie Affen in ihren<br />

Käfigen, von Hunger matt. Nachts wuchs das Astwerk. Doch es musste Mond sein.<br />

Es war noch ziemlich hell, sie sah`n sich noch. Erst gegen Morgen war das Zeug so<br />

dick, dass sie sich nimmer sahen, bis sie starben. Den nächsten Tag stieg Singen<br />

aus dem Wald. Dumpf <strong>und</strong> verhallt. Sie sangen sich wohl zu. Nachts ward es stiller.<br />

Auch die Ochsen schwiegen. Gen Morgen war es, als ob Tiere brüllten, doch<br />

ziemlich weit weg. Später kamen St<strong>und</strong>en, wo es ganz still war. Langsam fraß der<br />

Wald in leichtem Wind, bei guter Sonne, still die Wiesen in den nächsten Wochen<br />

auf.<br />

Bertolt Brecht<br />

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Bäume<br />

erzählen Geschichten von längst vergangenen Zeiten,<br />

zählen die Jahre,<br />

schaffen Wohlgefühl,<br />

speichern Wasser,<br />

halten die Erde,<br />

spenden Schatten,<br />

geben Luft,<br />

decken zu,<br />

schützen.<br />

Aber wer schützt sie?<br />

K. H. Renner<br />

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Predigt<br />

Viele Bäume sind Kyrill zum Opfer gefallen. Viele Baumstümpfe im Wald zeugen<br />

traurig davon. Jeder einzelne Baumstumpf erzählt vom Leben seines Baumes, dabei<br />

gleicht keines dem anderen. Ich schaue mir die Jahresringe genau an, die<br />

gleichmäßig um eine Mitte kreisen. In dieser Mitte hat das Leben des Baumes


einmal begonnen, zart <strong>und</strong> schwach mit einem dünnen Stiel aus einem Samenkorn<br />

gekeimt. Fester <strong>und</strong> stärker wurde der junge Baum, Jahr um Jahr. Ein Ring wächst<br />

unter der schützenden Rinde, da, wo die Lebenssäfte auf- <strong>und</strong> absteigen; wo die<br />

Lebenssäfte des Baumes pulsieren. Ein Jahresring formt sich aus den<br />

Lebensbedingungen des Baumes. Sonne, Regen <strong>und</strong> guter Boden lassen einen<br />

breiten Ring entstehen. Ein sparsames Jahr mit schlechten Wachstumsbedingungen<br />

lässt auch den Baum nur wenig wachsen. Die Lebensbedingungen eines Baumes<br />

haben sich in seine Jahresringe eingezeichnet, nach außen verborgen hinter der<br />

groben, schützenden Rinde. Erst wenn der Baum gefällt ist wird sichtbar, wie er<br />

gewachsen ist <strong>und</strong> was ihn geprägt hat. Vor uns liegt dann sein stetiges Wachsen<br />

<strong>und</strong> Werden, Jahr um Jahr, kreisend um eine Mitte.<br />

Rainer Maria Rilke hat sich von dieser Weisheit der Bäume zu einem Gedicht<br />

anregen lassen:<br />

Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen,<br />

die sich über die Dinge ziehn.<br />

Ich werde den letzten vielleicht nicht vollbringen,<br />

aber versuchen will ich ihn.<br />

Ich kreise um Gott, um den uralten Turm<br />

<strong>und</strong> ich kreise jahrtausendelang<br />

<strong>und</strong> ich weiß noch nicht<br />

Bin ich ein Falke, ein Sturm,<br />

oder ein großer Gesang.<br />

Ein Gedicht voller Weisheit <strong>und</strong> Lebenserfahrung. Der Rhythmus der Worte, erzählt<br />

von Vertrauen <strong>und</strong> Beständigkeit <strong>und</strong> lässt ahnen, dass sich hier ein Mensch über<br />

sein Leben Gedanken macht. Er schaut zurück auf das W<strong>und</strong>er der gewachsenen<br />

Kreise um eine Mitte, aus der es hervorgegangen ist <strong>und</strong> schaut in die Zukunft mit<br />

dem Mut zum Wachsen <strong>und</strong> Ringen. Ich hätte dabei eher an einen älteren<br />

Menschen gedacht, aber Rainer Maria Rilke war erst 24 Jahre alt, als er dieses<br />

Gedicht schrieb. Es ist also keine Frage des Alters, Weisheiten des eigenen Lebens<br />

zu entdecken. Wer wohlwollend auf sein Leben schaut, der kann die Weisheit seines<br />

eigenen Lebens aufspüren. Das Gedicht lädt ein, die eigenen Lebensringe zu<br />

betrachten. Lassen Sie sich von meinen Gedanken inspirieren auf Ihre Jahresringe<br />

zu schauen: Vieles ist im Laufe des Lebens geschehen. Manches hat sich<br />

eingegraben, hat Spuren in mir hinterlassen. Viele Menschen, nahe <strong>und</strong> ferne, viele<br />

Erlebnisse, traurige <strong>und</strong> freudige, viele Erfahrungen, bittere <strong>und</strong> ermutigende,<br />

haben mich geprägt <strong>und</strong> meine Jahresringe mitgestaltet. Ich bin geworden,<br />

gewachsen, mein Leben hat Kreise gezogen, Kreise um eine Mitte, einen Ursprung.<br />

Was kenne ich von meiner Mitte, um die sich mein Leben dreht? Wie sieht mein<br />

innerster Kern aus, der mich ausmacht? Worauf hoffe ich <strong>und</strong> vertraue ich? Nicht<br />

immer liegt mein Leben offen vor mir, nicht immer kenne ich meine Mitte, nicht<br />

immer kreisen meine Gedanken um Gott, den Ursprung auch meines Lebens. Und<br />

dennoch wachse ich, <strong>und</strong> dennoch bin ich getragen <strong>und</strong> gehalten,<br />

manchmal sogar so, dass ich es fühlen kann, <strong>und</strong> dennoch richtet sich mein Leben<br />

an einer Mitte aus. Ein Segen liegt auf dem Leben, der Segen Gottes, der Kraft, die<br />

Anfang <strong>und</strong> Ziel des Lebens ist. Die mich begonnen hat <strong>und</strong> mich vollenden wird,<br />

wenn es an der Zeit ist <strong>und</strong> die beständig <strong>und</strong> treu mein Wachsen <strong>und</strong> Ringen


egleitet. Mit diesem Segen kann ich glauben, dass mein Leben im Ursprung, aus<br />

dem alles kommt, gut aufgehoben ist. Mit diesem Segen, kann ich hoffen, dass auch<br />

mein Leben Vollendung finden wird. Und mit diesem Segen darf ich vertrauen, dass<br />

ich wachsen <strong>und</strong> reifen darf, mit meinen individuellen Vernarbungen, Verletzungen,<br />

Ecken <strong>und</strong> Kannten, jeden Tag neu. Mögen wir die Bäume, die weise in unser Leben<br />

hineinsprechen, schützen, die Schöpfung achten <strong>und</strong> Bäume pflanzen<br />

Birgit Schnelle<br />

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Philemon <strong>und</strong> Baukis<br />

Auf einem Hügel im Lande Phrygien steht eine mächtige Eiche, <strong>und</strong> dicht neben ihr<br />

eine gleichfalls uralte Linde, beide von einer niedrigen Mauer umgeben. Mancher<br />

Kranz ist an den Ästen des Baumpaares aufgehängt. Nicht weit davon breitet sich<br />

ein sumpfiger See aus; wo vordem bewohntes Erdreich war, da flattern jetzt nur<br />

noch Enten <strong>und</strong> Fischreiher umher.<br />

Einst kam in diese Gegend Vater Zeus mit seinem Sohn Hermes. In menschlicher<br />

Gestalt wollten sie die Gastlichkeit der Menschen versuchen; darum klopften sie an<br />

tausend Türen um ein Obdach für die Nacht zu finden. Überall wurden sie von den<br />

Sterblichen abgewiesen, sodass sie nirgendwo Einlass fanden.<br />

Da sahen sie eine Hütte am Ende des Dorfes, ärmlich, niedrig <strong>und</strong> klein. Aber in<br />

diesem Hause wohnte ein glückliches Paar, Philemon <strong>und</strong> Baukis. Hier hatten die<br />

beiden zusammen die frohe Jugend durchlebt, hier waren sie zu weißhaarigen Alten<br />

geworden. In herzlicher Liebe einander zugetan, ertrugen sie heiter ihre Armut.<br />

Als nun die Götter an die Pforte klopften, kam ihnen das wackere Paar fre<strong>und</strong>lich<br />

entgegen; als sie nach Obdach für eine Nacht fragten, wurde es gewährt. Als nun<br />

die Götter den Raum betraten, stellte der Greis die Sessel zurecht <strong>und</strong> Baukis<br />

bedeckte sie mit grobem Gewebe. Sie eilte geschäftig zum Herd, stöberte nach<br />

einem glimmernden Funken, nahm trockenes Holz <strong>und</strong> Reisig <strong>und</strong> blies mit<br />

schwachem Atem die Flamme an. Darauf schob sie einen kleinen Kessel.<br />

Unterdessen hatte Philemon Kohl aus dem Garten geholt, <strong>und</strong> während ihn die Alte<br />

entblätterte, holte er einen geräucherten Schweinsrücken von der rußigen Decke,<br />

den sie für festliche Gelegenheiten aufgespart hatten, <strong>und</strong> schnitt ein großes Stück<br />

von der Schulter ab, um ihn ins siedende Wasser zu werfen.<br />

Damit die Fremden keine Langeweile hatten, bemühten sie sich, sie mit Geschichten<br />

zu unterhalten. Auch gossen sie Wasser in eine hölzerne Wanne, damit die müden<br />

Wanderer sich am Fuße erquickten. Lächelnd nahmen die Götter das liebreich<br />

Gebotene an, <strong>und</strong> während sie die Füße behaglich ins Wasser streckten, richteten<br />

die guten Alten die Liegestatt für die Mahlzeit. Mit Teichschilf waren die Polster<br />

gestopft; aber Philemon brachte Teppiche geschleppt, die nur bei Feiern<br />

hervorgeholt wurden. Ach, sie waren alt <strong>und</strong> verschlissen, <strong>und</strong> dennoch legten sich<br />

die göttlichen Gäste gerne darauf, um das fertige Mahl zu genießen. Das Mütterchen<br />

stellte einen etwas wackeligen Tisch vor das Lager. Darauf trug sie die Speisen auf.<br />

Da waren Oliven, <strong>und</strong> eingemachte Kornelkirschen, Rettiche, Endivien, vorzüglicher<br />

Käse <strong>und</strong> Eier, in warmer Asche gesotten, dazu schenkte sie Wein ein. Vom Herd<br />

wurden die warmen Gerichte geholt, <strong>und</strong> für den Nachtisch Nüsse, Feigen <strong>und</strong><br />

Datteln gereicht, auch Pflaumen, duftende Äpfel <strong>und</strong> eine Honigscheibe fehlten<br />

nicht. Die schönste Würze des Mahles waren die fre<strong>und</strong>lichen, gütigen <strong>und</strong><br />

strahlenden Gesichter der Alten. Während nun alle an Speis <strong>und</strong> Trank sich labten,<br />

bemerkte Philemon, dass sich die Becher nicht leerten. Da erkannte er mit Staunen


<strong>und</strong> Ehrfurcht, wen er beherbergte. Ängstlich flehte er mit seiner Gattin, man möge<br />

gnädig auf das dürftige Mahl schauen, ach, was konnten sie ihren Gästen noch<br />

bieten? Diese wehrten den Eifer der beiden ab <strong>und</strong> sprachen lächelnd: „Wir sind<br />

Götter. Um die Gastlichkeit der Menschen zu erforschen, sind wir auf die Erde<br />

gestiegen. Eure Nachbarn waren ruchlos, sie werden ihrer gerechten Strafe nicht<br />

entrinnen. Ihr folgt uns hinauf auf die Höhe des Berges, damit ihr nicht mit den<br />

Schuldigen leidet“.<br />

So schnell wie ein Pfeilschuss standen sie auf dem höchsten Gipfel. Als sie ihren<br />

Blick wandten, sahen sie das ganze Dorf in einen sumpfigen See verwandelt. Aber<br />

an der Stelle ihrer ärmlichen Hütte stand ein stolzer Tempel, auf Säulen von Marmor<br />

schimmerte das goldene Dach.<br />

Jetzt wandte Zeus sich den zitternden Alten zu <strong>und</strong> fragte: „Sagt, was wünschet ihr<br />

euch?“ Da antworteten sie: „Vergönnt uns, in diesem Tempel eure Priester zu sein!<br />

Und weil wir so lange in Eintracht miteinander gelebt haben, so lasset uns beide in<br />

gleichen St<strong>und</strong>e dahinsterben, damit keines das Grab des anderen zu schauen<br />

braucht.“<br />

Ihr Wunsch wurde erfüllt. Sie hüteten beide den Tempel, solange wie ihnen das<br />

Leben gegönnt war. Und als ihre Zeit vorüber war, wurden sie zu Bäumen, er wurde<br />

zur Eiche, sie zur Linde, <strong>und</strong> noch im Tod stehen sie traulich beisammen, so wie sie<br />

im Leben unzertrennlich waren.<br />

Griechische Erzählung<br />

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An diesem Ast hängt<br />

der dreck der letzten tage<br />

(prüfen <strong>und</strong> nachher die hände waschen)<br />

die passivität<br />

das mitläufertum<br />

die kurzsichtigkeit<br />

der egoismus<br />

die beziehungslosigkeit<br />

das gegeneinander<br />

die rücksichtslosigkeit<br />

die ausbeutung<br />

die gewalt<br />

aber -<br />

kein blatt<br />

K. H. Renner<br />

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Die Bäume,<br />

die verwurzelten Wächter der Oberfläche, verwandeln die höheren Kräfte <strong>und</strong> führen<br />

sie der Erde über den Boden zu. Sie haben ein besonderes Geschenk für den<br />

Menschen dieses Zeitalters der Geschwindigkeit, des Verkehrs <strong>und</strong> der<br />

Geschäftigkeit. Wir sind Ruhe, Ausdauer, Lobpreis <strong>und</strong> sorgsame Einstimmung. All<br />

das wird dringend in der Welt benötigt. Wir sind mehr als das. Wir sind Ausdruck der<br />

Liebe des Schöpfers für sein überfließendes, einzigartiges <strong>und</strong> immer mit ihm<br />

verb<strong>und</strong>enes Leben. (...) Wir sind die Haut dieser Welt; wenn ihr uns wegnehmt,


trocknet der Planet aus. Er ist dann nicht mehr funktionstüchtig <strong>und</strong> stirbt. Lasst uns<br />

leben <strong>und</strong> alle Kreatur wird vor Freude jauchzen, das Leben seinen normalen Lauf<br />

nehmen <strong>und</strong> immer stärker die Einheit wahrnehmen.<br />

Dorothy Maclean<br />

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Baum, Bäume, Wald im Werk von Else Lasker-Schüler<br />

Esther ist schlank wie die Feldpalme,<br />

Nach ihren Lippen duften die Weizenhalme<br />

(Aus „Esther“)<br />

Und die Nachtwolke trinkt<br />

Meinen tiefen Zederntraum<br />

(Aus „Sulamith“)<br />

Der Sturm hat ihre Stämme gefällt,<br />

O, meine Seele war ein Wald….<br />

O, meine Seele war ein Wald;<br />

Palmen schatteten,<br />

An den Ästen hing die Liebe<br />

(Aus „Nun schlummert meine Seele“)<br />

Mein Traum ist eine junge, wilde Weide<br />

Und schmachtet in der Dürre<br />

(Aus „O meine schmerzliche Lust…“)<br />

O du Süßgeliebter,<br />

Dein Angesicht ist mein Palmengarten<br />

(Aus „Palmenlied“)<br />

Auf deines Leibes Steppe<br />

Pflanze ich Zedern <strong>und</strong> Mandelbäume.<br />

(Aus „Dem Barbaren“)<br />

Dann weinst du um mich.<br />

Blutbuchen schüren<br />

Meine Träume kriegerisch.<br />

(Aus „O ich möchte aus der Welt“)<br />

Ich stehe ganz bunt am Granatbaum<br />

In einem Bilderbuch<br />

(Aus „Dem Mönch“)<br />

Überall beugen sich Zedern<br />

Und streuen Blüten.<br />

(Aus „Rast“)<br />

Immer muss ich an die Pharaonenwälder denken


Und küsse die Bilder meiner Sterne.<br />

(Aus „Heimweh“)<br />

Schlafend fällt das nächtliche Laub,<br />

O, du stiller dunkelster Wald…<br />

Kommt das Licht mit dem Himmel,<br />

Wie soll ich wach werden?<br />

Überall wo ich gehe,<br />

Rauscht ein dunkler Wald;<br />

Und bin doch dein spielender Herzschelm, Erde,<br />

Denn mein Herz murmelt das Lied<br />

Moosalter Bäche der Wälder.<br />

(Aus „Mein Lied“)<br />

.<br />

Vielleicht stieß mal ein Messer in den Stamm<br />

Ein Mann im Walde, - seine Lust zu kühlen.<br />

(Aus „Ewige Nächte“)<br />

Ich wachse wie das Blatt im Wassersegen<br />

Und ehe noch der frühe Morgen graut,<br />

Bin ich ein Wald, <strong>und</strong> Sonne säumt auf meinen Wegen,<br />

Da ich auf ewigen Wandel mich hab aufgebaut.<br />

(Aus „Die Erkenntnis“)<br />

Es tanzen Schatten in den dunkelgrünen Bäumen,<br />

Die du so liebst, elf deiner guten Feen,<br />

Die treu dein Haus <strong>und</strong> dich, du Rauschender, betreuen.<br />

(Aus „An Mill“)<br />

Es schlafen schon alle Bäume im Garten –<br />

Auch der nimmermüde<br />

Vor meinem Fenster –<br />

(Aus „In meinem Schoße“)<br />

Ich weiß, dass ich bald sterben muss,<br />

Es leuchten doch alle Bäume<br />

Nach langersehntem Julikuss –<br />

Fahl werden meine Träume –<br />

(Aus „Ich weiß“)<br />

Ich will dir viel viel Liebe sagen –<br />

Wenn auch schon kühle Winde wehen,<br />

In Wirbeln sich um Bäume drehen,<br />

Um Herzen, die in ihren Wiegen lagen.<br />

(Aus „Herbst“)<br />

Wenn ich ein Stück Land besäße, ich würde mir ein kleines Wäldchen von<br />

Ebereschen Pflanzen. Ein einziger der glühenden Bäume könnte schon das Glück<br />

eines Spätsommers ausmachen <strong>und</strong> verklären. Ja, die Eberesche leuchtet in den


Dezember hinein, täglich etwas dunkler werdend <strong>und</strong> zweighängerischer. Bis die<br />

letzte Koralle an der Dolde wartet auf die Schwarzdrossel, die sie aufpickt.<br />

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Ballade vom Mangobaum<br />

Viele Tausend Jahre steht der Mangobaum, tausend Affen schliefen in seinem<br />

Geäst, tausend Vögel bauten drin ihr Nest. So lang wie das große Reich steht der<br />

Mangobaum!<br />

Viele Tausend Jahre steht der Mangobaum, tausend Menschen lagen in seinem<br />

Schatten, Bauern vom Reisfeld, Karawanen, Soldaten. Über h<strong>und</strong>ert Geschlechtern<br />

rauscht der Mangobaum!<br />

Einmal aber fährt der Sturm in den Mangobaum. Einer der Äste saust´ nieder, ward<br />

zum Speer. Einer ins Feuer fiel, ward zur Fackel. Einer zerschlug, ward der Schaft<br />

zum Gewehr.<br />

H<strong>und</strong>ert Gewehre, tausend Gewehre, zehntausend Gewehre aus dem uralten<br />

Mangobaum.<br />

Friedrich Wolf<br />

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Der Baum<br />

Ich kann nicht sprechen – <strong>und</strong> nicht reden,<br />

doch besitz auch ich ein Leben<br />

Ich bin ein Stück von der Natur,<br />

<strong>und</strong> halt mich auf in Wald <strong>und</strong> Flur.<br />

Man hat behandelt mich oft schlecht,<br />

denn Menschen nahmen sich das Recht,<br />

<strong>und</strong> sägten von der Wurzel ab,<br />

mein Stamm – ich war doch gar nicht schlapp.<br />

In meinem Körper – meinem Kleid,<br />

verbrachten Vögel ihre Zeit.<br />

Ich Liebespärchen unterstützt,<br />

schön beschattet <strong>und</strong> beschützt.<br />

Auf einer Bank sie oft gesessen,<br />

wird der Mensch das all vergessen?<br />

Sie suchten Schutz – dank meiner Kron,<br />

erhalt ich dafür keinen Lohn?<br />

An meinem Körper – meinem Stamm,<br />

die Motorsäge setzt man an.<br />

Man riss mich raus aus der Natur,<br />

ich wurd ne Wohlstandskreatur.<br />

Wär ich krank – ich könnt verstehn,<br />

sollte bleiben ich nicht stehn.<br />

Könnt ich reden – oder sprechen,<br />

ich würd mich wehren – oder rächen.<br />

Der Mensch muss handeln <strong>und</strong> schnell schalten,<br />

um die Natur noch zu erhalten.


Behalt als Baum ich nicht mein Leben,<br />

wird es keine Zukunft geben.<br />

Matthias Kremers<br />

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Gute Kameradschaft<br />

gleicht einer lieblichen Blume<br />

oder einer köstlichen Frucht<br />

auf einem langsam wachsenden Baum.<br />

Helen Keller<br />

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Wird ein Blatt vom Baum,<br />

von vielen Blättern eines,<br />

das eine Blatt, man merkt es kaum,<br />

denn eines ist ja keines.<br />

doch dieses eine Blatt allein,<br />

war Teil von unserem Leben,<br />

darum wird dieses eine Blatt allein<br />

uns immer fehlen.<br />

Aus einer Todesanzeige<br />

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"Mein Fre<strong>und</strong> der Baum"<br />

war ein Riesenhit der Sängerin Alexandra (eigentlich Doris Nefedov geb. Treitz,<br />

geboren am 19.05.1942, bei einem Autounfall gestorben am 31.07.1969). Obgleich<br />

ich (Jahrgang 1940) in meiner Jugend wenig Zeit <strong>und</strong> Gelegenheit hatte, Schlager<br />

zu hören, ist mir das Lied doch noch deutlich in Erinnerung. Manche bezeichnen es<br />

als eines der ersten Öko-Lieder. Nach meiner Information hat Alexandra es selbst<br />

getextet <strong>und</strong> vertont, arrangiert wurde es von Boris Jojic.<br />

Gerda Schnell<br />

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Mein Fre<strong>und</strong> der Baum<br />

Ich wollt dich längst schon wieder sehn,<br />

mein alter Fre<strong>und</strong> aus Kindertagen,<br />

ich hatte manches dir zu sagen,<br />

<strong>und</strong> wusste, du wirst mich verstehen.<br />

Als kleines Mädchen kam ich schon<br />

zu dir mit all den Kindersorgen.<br />

Ich fühlte mich bei dir geborgen,<br />

<strong>und</strong> aller Kummer flog davon.


Hab ich in deinem Arm geweint,<br />

strichst du mit deinen grünen Blättern<br />

mir übers Haar, mein alter Fre<strong>und</strong>.<br />

Mein Fre<strong>und</strong> der Baum ist tot,<br />

er fiel im frühen Morgenrot.<br />

Du fielst heut früh, ich kam zu spät,<br />

du wirst dich nie im Wind mehr wiegen,<br />

du musst gefällt am Wege liegen,<br />

<strong>und</strong> mancher, der vorüber geht,<br />

der achtet nicht den Rest von Leben<br />

<strong>und</strong> reißt an Deinen grünen Zweigen,<br />

die sterbend sich zur Erde neigen.<br />

Wer wird mir nun die Ruhe geben,<br />

die ich in Deinem Schatten fand?<br />

Mein bester Fre<strong>und</strong> ist mir verloren,<br />

der mit der Kindheit mich verband.<br />

Bald wächst ein Haus aus Glas <strong>und</strong> Stein,<br />

dort wo man ihn hat abgeschlagen,<br />

bald werden graue Mauern ragen,<br />

dort wo er liegt im Sonnenschein.<br />

Vielleicht wird es ein W<strong>und</strong>er geben,<br />

ich werde heimlich darauf warten,<br />

vielleicht blüht vor dem Haus ein Garten,<br />

<strong>und</strong> er erwacht zu neuem Leben.<br />

Doch ist er dann noch schwach <strong>und</strong> klein,<br />

<strong>und</strong> wenn auch viele Jahre gehen,<br />

er wird nie mehr derselbe sein.<br />

Alexandra<br />

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Predigt<br />

Im Paradies ließ Gott allerlei Bäume wachsen. Sie sahen verlockend aus, ihre<br />

Früchte schmackhaft: Der Baum des Lebens mitten im Garten, der Baum der<br />

eigenmächtigen Erkenntnis von Gut <strong>und</strong> Böse. Von dem letzteren sollten die<br />

Menschen nicht essen. 1.Mose 2,9.17 In der Bibel gibt es viele Bäume mit<br />

symbolischer Bedeutung. Aus dem Religionsunterricht kennen Sie vielleicht noch<br />

den Baum im Paradies, von dessen Früchten man nicht essen soll, den Baum der<br />

eigenmächtigen Definition von Gut <strong>und</strong> Böse. Wozu dieses Tabu? Die alten<br />

Geschichten der Bibel enthalten tiefe psychologische Wahrheit. Der Mensch soll<br />

nicht eigenmächtig erkennen, das heißt nicht eigenmächtig definieren, was gut <strong>und</strong><br />

was böse ist. Erkennen ist sowohl nach dem Sprachgebrauch der Bibel als auch<br />

nach der modernen Philosophie des Konstruktivismus mehr als reine Rezeption, das<br />

Erkennen schafft erst das Erkannte. Der Mensch soll nicht eigenmächtig definieren,<br />

was gut <strong>und</strong> böse ist. In dem er sich selbst zum Herrn über gut <strong>und</strong> böse macht,<br />

vergreift er sich an den Gr<strong>und</strong>lagen seines Lebens. Sein Denken über gut <strong>und</strong> böse<br />

ist immer kurzsichtig, immer interessengeleitet, immer fehlbar. Er wird immer


denken: Gut ist, was mir nützt! Und: Nach mir die Sintflut! Wenn ich das Holz gut<br />

verkaufen <strong>und</strong> mir damit Lebensqualität kaufen kann, warum soll ich die Wälder nicht<br />

abholzen. Was kümmern mich die Generationen nach mir. Das Tabu, vom Baum der<br />

eigenmächtigen Erkenntnis von gut <strong>und</strong> böse zu essen, hält uns zu heilsamer<br />

Bescheidenheit an, zum Einhalten unserer Grenzen. Wir dürfen uns nicht zum<br />

eigenmächtigen Herrscher über die Moral machen. Ganz altmodisch gesagt, sollen<br />

wir den Mut zur Demut haben, <strong>und</strong> uns sagen lassen, was gut <strong>und</strong> böse ist: Gut ist,<br />

was das Leben erhält, <strong>und</strong> zwar langfristig, böse ist das Gegenteil. Wenn Menschen<br />

eigenmächtig umdefinieren, was gut <strong>und</strong> böse ist, können sie auch definieren, dass<br />

die Ausrottung anderer Menschen wegen ihres Andersseins „gut“ ist, eine<br />

Perversion des Denkens, die leider allzu oft anzutreffen war <strong>und</strong> ist, leider oft auch<br />

noch mit religiöser Begründung. Religiös formuliert heißt diese Perversion des<br />

Denkens: Tod den Ungläubigen. Ob nicht Gott vor Schmerz schreit, wenn er einen<br />

solchen Satz hört?<br />

Aber da ist noch von einem zweiten Baum im Paradies die Rede, von dem weniger<br />

Menschen gehört haben: der Baum des Lebens. W<strong>und</strong>erbar, das es ihn gibt. Ein<br />

lebensspendender Baum. In seinem Schatten kann man zur Ruhe kommen, von<br />

seinen Früchten kann man essen. Er verschenkt die notwendigen Lebensmittel. Er<br />

schützt vor dem Tod durch Sonnenstich. Er ist einfach da. Wir werden eingeladen<br />

von ihm zu leben, bei ihm zu ruhen. An ihm wird deutlich, dass das Leben Geschenk<br />

ist. Als Krankenhauspfarrer gehe ich oft mit Patienten in den Park der<br />

Krankenhäuser <strong>und</strong> gebe ihnen den Auftrag, sich dort einen Baum zu suchen, der<br />

für sie da ist. Wir gehen einige Minuten in der Stille durch den Park. Die Stille allein<br />

tut schon gut. Wir lassen uns von dem Baum ansprechen, der schon vor vielen<br />

Jahren für uns gepflanzt worden ist. Wir brauchen den Baum nicht krampfhaft zu<br />

suchen, er wird sich uns zeigen. Wenn jemand seinen Baum gef<strong>und</strong>en hat, tut es<br />

meistens seiner Seele gut. Am Baum kann man lernen, sich selbst ebenfalls das<br />

Leben schenken zu lassen, einfach da zu sein. An einem Baum kann man sehen,<br />

dass es nicht auf das ständige Rennen <strong>und</strong> Arbeiten ankommt. Man kann zur Ruhe<br />

kommen. Man kann sich selbst sagen: So wie der liebe Gott diesen Baum an diesem<br />

Platz gewollt hat, so hat er mich an meinem Platz im Leben gewollt. Man kann ein<br />

Dankgebet oder Bittgebet zum Himmel schicken. An einem Baum kann man sehen,<br />

wie heftige Stürme im Leben überstanden werden. An einem Baum kann man<br />

ablesen, wie man getrost <strong>und</strong> ohne innere Verrenkungen, anders ist als die anderen<br />

drum herum. Im letzten Buch der Bibel, der Offenbarung des Johannes, wird Jesus<br />

der Baum des Lebens genannt. Warum? Weil in seiner Art, aus dem Gottvertrauen<br />

heraus zu leben, etwas deutlich wird, was auch mir das Leben wieder schmackhaft<br />

macht. Etwas von der Freude, einfach da zu sein in der sich entfaltenden Welt<br />

Gottes.<br />

Detlef Wendler<br />

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In der Wüste pflanze ich Zedern, Akazien, Ölbäume <strong>und</strong> Myrthen“<br />

Jes. 41,19<br />

7 Als man das Jotam meldete, stellte er sich auf den Gipfel des Berges Garizim <strong>und</strong><br />

rief ihnen mit erhobener Stimme zu: Hört auf mich, ihr Bürger von Sichem, / damit<br />

Gott auf euch hört.


8 Einst machten sich die Bäume auf, / um sich einen König zu salben, / <strong>und</strong> sie<br />

sagten zum Ölbaum: / Sei du unser König!<br />

9 Der Ölbaum sagte zu ihnen: / Soll ich mein Fett aufgeben, / mit dem man Götter<br />

<strong>und</strong> Menschen ehrt, / <strong>und</strong> hingehen, um über den anderen Bäumen zu schwanken?<br />

10 Da sagten die Bäume zum Feigenbaum: / Komm, sei du unser König!<br />

11 Der Feigenbaum sagte zu ihnen: / Soll ich meine Süßigkeit aufgeben / <strong>und</strong> meine<br />

guten Früchte / <strong>und</strong> hingehen, um über den anderen Bäumen zu schwanken?<br />

12 Da sagten die Bäume zum Weinstock: / Komm, sei du unser König!<br />

13 Der Weinstock sagte zu ihnen: / Soll ich meinen Most aufgeben, / der Götter <strong>und</strong><br />

Menschen erfreut, / <strong>und</strong> hingehen, um über den anderen Bäumen zu schwanken?<br />

14 Da sagten alle Bäume zum Dornenstrauch: / Komm, sei du unser König!<br />

15 Der Dornenstrauch sagte zu den Bäumen: / Wollt ihr mich wirklich zu eurem<br />

König salben? / Kommt, findet Schutz in meinem Schatten! / Wenn aber nicht, dann<br />

soll vom Dornenstrauch Feuer ausgehen / <strong>und</strong> die Zedern des Libanon fressen.<br />

Die Fabel vom König der Bäume (Richter 9, 7 -15)<br />

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Genesis 2,9<br />

9 Gott, der Herr, ließ aus dem Ackerboden allerlei Bäume wachsen, verlockend<br />

anzusehen <strong>und</strong> mit köstlichen Früchten, in der Mitte des Gartens aber den Baum<br />

des Lebens <strong>und</strong> den Baum der Erkenntnis von Gut <strong>und</strong> Böse.<br />

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Das Gleichnis vom Pharao, dem prächtigen Baum<br />

1 Am ersten Tag des dritten Monats im elften Jahr erging das Wort des Herrn an<br />

mich:<br />

2 Menschensohn, sag zum Pharao, dem König von Ägypten, <strong>und</strong> zu seinem<br />

Gefolge: Wem war deine Größe vergleichbar?/<br />

3 Auf dem Libanon stand eine [Esche] Zeder. Die Pracht ihrer Äste gab reichlichen<br />

Schatten. / Hoch war ihr Wuchs / <strong>und</strong> in die Wolken ragte ihr Wipfel.<br />

4 Das Wasser machte sie groß. / Die Flut in der Tiefe ließ sie hoch emporwachsen.<br />

Die Tiefe ließ ihre Ströme fließen / rings um den Ort, wo sie gepflanzt war, sie leitete<br />

(von dort) ihre Kanäle / zu allen anderen Bäumen des Feldes.<br />

5 So war sie höher gewachsen / als alle anderen Bäume des Feldes. Ihre Zweige<br />

wurden sehr zahlreich / <strong>und</strong> ihre Äste breiteten sich aus wegen des Reichtums an<br />

Wasser, / als sie emporwuchs.<br />

6 Alle Vögel des Himmels / hatten ihr Nest in den Zweigen. Alle wilden Tiere<br />

brachten unter den Ästen ihre Jungen zur Welt. / All die vielen Völker wohnten in<br />

ihrem Schatten.<br />

7 Schön war sie in ihrer Größe mit ihrem breiten Geäst; / denn ihre Wurzeln hatten<br />

viel Wasser.


8 Keine Zeder im Garten Gottes war ihr vergleichbar. / Keine Zypresse hatte Zweige<br />

wie sie, / keine Platane so mächtige Äste. Keiner der Bäume im Garten Gottes / glich<br />

ihr an Schönheit.<br />

9 Ja, ich hatte sie herrlich gemacht / mit ihren zahlreichen Zweigen. Voll Eifersucht<br />

auf sie waren im Garten Gottes / alle Bäume von Eden.<br />

10 Darum - so spricht Gott, der Herr: Weil sie so hoch emporwuchs <strong>und</strong> mit ihrem<br />

Wipfel in die Wolken ragte <strong>und</strong> wegen ihrer Höhe überheblich wurde,<br />

11 deshalb liefere ich sie dem mächtigsten Herrscher der Völker aus. Er behandelt<br />

sie so, wie sie es in ihrer Schlechtigkeit verdient hat; ich beseitige sie.<br />

12 Fremde, die gewalttätigsten unter den Völkern, werden sie umhauen <strong>und</strong><br />

hinwerfen. Ihre Zweige fallen auf die Berge <strong>und</strong> in alle Täler, ihre Äste zerbrechen in<br />

allen Schluchten der Erde. Alle Völker der Erde verlassen den Schatten der Zeder<br />

<strong>und</strong> lassen sie liegen.<br />

13 Auf ihren gefällten Stamm setzen sich alle Vögel des Himmels, die wilden Tiere<br />

hausen in ihren Zweigen.<br />

14 Darum soll kein Baum mehr am Wasser emporwachsen <strong>und</strong> mit seinem Wipfel in<br />

die Wolken ragen, keiner der Bäume am Wasser soll mehr so mächtig <strong>und</strong> hoch<br />

dastehen. Denn alle werden dem Tod ausgeliefert, sie müssen hinab in die<br />

Unterwelt zu den Menschen, die ins Grab gesunken sind.<br />

15 So spricht Gott, der Herr: Wenn die Zeder in die Unterwelt stürzt, dann lasse ich<br />

die Flut in der Tiefe versiegen, ich decke sie zu; ich halte ihre Ströme zurück, sodass<br />

der Reichtum an Wasser versiegt. Ihretwegen hülle ich den Libanon in Trauer <strong>und</strong><br />

alle Bäume des Feldes sinken in Ohnmacht.<br />

16 Durch das Getöse ihres Sturzes lasse ich die Völker erzittern, wenn ich den<br />

Baum in die Unterwelt stürze, hinab zu denen, die ins Grab gesunken sind. Dann<br />

trösten sich in der Unterwelt alle Bäume von Eden, die erlesenen <strong>und</strong> besten Bäume<br />

des Libanon, alle Bäume am Wasser.<br />

17 Denn auch sie stürzen zusammen mit ihr in die Unterwelt, hinab zu denen, die<br />

vom Schwert erschlagen wurden. Alle aber, die im Schatten der Zeder wohnten,<br />

werden unter die Völker zerstreut.<br />

18 Welcher der Bäume von Eden glich dir an Größe <strong>und</strong> Pracht? Und doch wirst du<br />

zusammen mit den Bäumen von Eden in die Unterwelt gestürzt. Dort wirst du mitten<br />

unter den Unbeschnittenen liegen, unter denen, die vom Schwert erschlagen<br />

wurden. So geht es dem Pharao <strong>und</strong> seinem ganzen Gefolge - Spruch Gottes, des<br />

Herrn.<br />

Ezechiel, 31<br />

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Wenn der Baum geboren wird,<br />

ist er nicht sofort groß.<br />

Wenn er groß ist,<br />

blüht er nicht sofort.<br />

Wenn er blüht,<br />

bringt er nicht sofort Früchte hervor.<br />

Wenn er Früchte hervorbringt,<br />

sind sie nicht sofort reif.<br />

Wenn sie reif sind,<br />

werden sie nicht sofort gegessen.<br />

Aegidius von Assisi, 1186 – 1231


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Alt wie ein Baum<br />

Alt wie ein Baum möchte ich werden<br />

Genau, wie der Dichter es beschreibt.<br />

Alt wie ein Baum mit einer Krone,<br />

die weit, weit, weit, weit<br />

die weit über Felder zeigt.<br />

Alt, wie ein Baum möchte ich werden<br />

Mit Wurzeln, die nie ein Sturm bezwingt.<br />

Alt, wie ein Baum der alle Jahre<br />

So weit, weit, weit, weit<br />

Kinder den Schatten bringt.<br />

Alle meine Träume fang ich damit ein<br />

Alle meine Träume zwischen Himmel <strong>und</strong> Erde zu sein.<br />

Ein Lied<br />

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Der alte kaledonische Wald<br />

Kurz vor Einbruch der Nacht liegt eine Stimmung in der Luft… dann spürt man das<br />

Alter des Landes. Zwei einfache Linien bezeichnen das Tal: Es ist im Zwielicht <strong>und</strong><br />

wird an der Kante heller, dort, wo der dunkle Teil endet. Der Boden, ein erdiges,<br />

lehmiges Rot, der Himmel mineraliges Rubinrot;<br />

sie sind ein weites Feld von Kadmium. Die Geschichte wird zu Glas in seinen<br />

Feuern. Wenn wir Rückschau halten, blicken wir durch diesen gläsernen Abend<br />

zurück durch die eineinviertel Morgen ursprünglichen Waldes, auf die Menschen<br />

seiner Planung. Waldbenutzer<br />

Weiter noch, da sprießt unser Baum auf, jung <strong>und</strong> klein ,um sich erneut mit Spitzen<br />

von Nadeln zu krönen. Das Alter ist´s, das macht ihn groß aber reif, <strong>und</strong> oben platt,<br />

eine Parodie auf uns.<br />

Übersetzt aus dem Englischen von Hein Versteegen<br />

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Das keltische Baum Horoskop<br />

Zur Horoskop-Einteilung wurde bei allen Völkern <strong>und</strong> Kulturen Naheliegendes<br />

benutzt; in aller Regel Tiere – vom Widder bis Fisch im Abendland, vom Affen bis<br />

zum Pferd in China <strong>und</strong> vom Puma bis zum Frosch bei den Indianern. Das Baum-<br />

Horoskop zeichnet menschliche Eigenschaften in ihrer Zuordnung zu unseren<br />

Bäumen als faszinierende Alternative zu den uns vertrauten Tierkreiszeichen. Diese<br />

Umsetzung kannten bereits die Druiden im alten gallischen Frankreich, denen, wie


uns heute erneut, die Bäume näher waren als die Sterne. Dass sie Bäume<br />

verehrten, ist bekannt, dass darin ihre Gottheiten „wohnten“, auch. Sie hatten ein<br />

von 21 Bäumen regiertes „Horoskop“:<br />

Der Apfelbaum – die Liebe<br />

Die Tanne - das Geheimnisvolle<br />

Die Zypresse - die Treue<br />

Die Pappel - die Ungewissheit<br />

Der Zürgelbaum - die Zuversicht<br />

Die Kiefer - wählerisches Wesen<br />

Die Weide - die Melancholie<br />

Die Linde - der Zweifel<br />

Die Eiche - robuste Natur<br />

Die Haselnuss - das Außergewöhnliche<br />

Die Eberesche - das Feingefühl<br />

Der Ahorn - die Eigenwilligkeit<br />

Der Nussbaum - die Leidenschaft<br />

Die Pappel - die Ungewissheit<br />

Die Kastanie - die Redlichkeit<br />

Die Esche - der Ehrgeiz<br />

Die Hainbuche - der gute Geschmack<br />

Der Feigenbaum - die Empfindsamkeit<br />

Die Birke - das Schöpferische<br />

Der Ölbaum - die Weisheit<br />

Die Esche - der Ehrgeiz<br />

Vom Wesen der Bäume <strong>und</strong> das „Keltische Baum-Horoskop“<br />

„Gott pflanzte einen Garten in Eden, im Osten, <strong>und</strong> setzte dahinein den Menschen,<br />

den er gebildet hatte. Und Gott der Herr ließ aus dem Erdboden allerlei Bäume<br />

hervorwachsen, lieblich anzusehen <strong>und</strong> gut zu essen, den Baum des Lebens mitten<br />

im Garten <strong>und</strong> den Baum der Erkenntnis des Guten <strong>und</strong> Bösen“ so berichtet die<br />

Bibel.<br />

Der Garten Eden war als weniger ein Garten in unserem heutigen Sinn als vielmehr<br />

ein Hain – ein heiliger Hain, in dem Gott wandelt. Und die Bäume des heiligen<br />

Haines waren „gut zu essen“.<br />

Das zeigt zweierlei: Bereits die frühesten Menschen verehrten Gott in einem Hain –<br />

diesen Ort des Gottesdienstes gibt es in vielen alten Kulturen; zweitens nutzten die<br />

Menschen früher von Bäumen viel mehr zur Nahrung als wir heute, die wir eigentlich<br />

nur noch die Baumfrucht als Obst oder Nuss verzehren. Früher wurden viele<br />

Baumteile gegessen – zwar manche nur in Hungerzeiten, wie Baumrinde <strong>und</strong><br />

Eicheln – ab andere, besonders die Blätter, gehörten zur üblichen Nahrung der<br />

Menschen <strong>und</strong> auch der Haustiere. Wenn sich das Wildgemüse wie Löwenzahn,<br />

Brennessel <strong>und</strong> Wegerich noch nicht hervortraut, dann haben manche Bäume schon<br />

winzig grüne Blätter; alle haben bereits Knospen, denn die sind ja schon im Herbst<br />

vorgebildet <strong>und</strong> überdauern unter ihrer Harz-Schutzschicht den Winter. Diese<br />

Knospen samt Harz waren nach dem Winter früheste frische Nahrung <strong>und</strong><br />

gleichzeitig Medizin, denn sie bieten alle Baumschätze in konzentrierter Form.<br />

Selbstverständlich nährten sich die Menschen früher vom Baum, denn in<br />

vorgeschichtlicher Zeit war der größte Teil der Erde mit Urwald bedeckt. Aber nicht<br />

nur Nahrung lieferte er, sondern viel mehr: Heilmittel <strong>und</strong> Kosmetika, Gerb- <strong>und</strong><br />

Farbstoffe, Kleidung aus Bast <strong>und</strong> Wurzelwerk, Holzschuhe, Matten <strong>und</strong> Teppiche,


Matratzen aus Laub, Wurzelbürsten <strong>und</strong> Besen, Musikinstrumente, Hausgeräte wie<br />

Holzgeschirr <strong>und</strong> –besteck, Bau- <strong>und</strong> Möbelholz wie auch heute noch. Dazu kommt<br />

seine unschätzbare Eigenschaft der Sauerstoffherstellung.<br />

Ja, der Mensch kann ganz allein vom Baum leben!<br />

Daher verw<strong>und</strong>ert es auch nicht, dass der Baum einen so hohen Stellenwert in allen<br />

Mythen einnimmt; so bei Afrikanern <strong>und</strong> Indianern, Japanern <strong>und</strong> Indern, Griechen<br />

<strong>und</strong> Römern, Kelten <strong>und</strong> Germanen; Der Baum wird als Wohnstatt der Götter<br />

angesehen, ja, sogar als Gottes-Verkörperung. Viele Mythen berichten vom<br />

„Weltenbaum“, manche auch von der Erschaffung der Menschen aus Bäumen, z. B.<br />

die germanische: Der Göttervater Odin fand zwei angeschwemmte Bäume <strong>und</strong> schuf<br />

daraus das erste Menschenpaar; den Mann aus einer Esche <strong>und</strong> die Frau aus einer<br />

Ulme – oder, nach anderer Überlieferung, aus einer Erle.<br />

Sowohl im Weltenbaum wie auch im Menschenbaum wird die Dreigliederung des<br />

Baumes deutlich:<br />

Zuunterst ist der Wurzelbereich, Hel <strong>und</strong> das Schicksal, Bein <strong>und</strong> Bauchbereich des<br />

Menschen, das Grobstoffliche, aber auch das Unbewusste. Sind Gr<strong>und</strong> <strong>und</strong> Wurzel<br />

fest, kann sich der Baum getrost entwickeln.<br />

Das mittlere Wesensglied ist der Stamm, tragende Säule, Leib mit Rückgrat, das<br />

Diesseits, die Mitte <strong>und</strong> das Feinstoffliche, die Verbindung zwischen<br />

Unterbewusstem <strong>und</strong> Überbewusstem.<br />

Das höhere Wesensglied ist die Krone, der Kopf, das Geistige <strong>und</strong> die Verbindung<br />

zu höheren Welten.<br />

Entsprechend diesen drei Wesensgliedern kann man auch den Nutzen, den der<br />

Mensch vom Baum hat, benennen:<br />

Die grobstofflichen Teile sind die materiellen Stoffe wie Holz <strong>und</strong> alles, was daraus<br />

gemacht wird, sowie Bast, Ruten zum Flechten, alle Nahrungsmittel <strong>und</strong> viele der<br />

Heilmittel: aus dem feinstofflichen Bereich nutzt man z. B. Duftstoffe,<br />

Blütenessenzen, homöopathische Mittel <strong>und</strong> durch „Anstellen“ die gesamte<br />

Baumkraft; <strong>und</strong> dann ist der Baum für uns ein Mittler zu höheren geistigen Welten,<br />

die sich in ihm oder bei ihm manifestieren.<br />

Aber nicht nur die heilige Zahl Drei sondern auch die heilige Zahl Sieben steht mit<br />

dem Baum in Verbindung, denn seine Struktur ist siebenfach: Wurzeln, Finde <strong>und</strong><br />

Holzstamm, Geäst, Blätter, Blüten <strong>und</strong> Früchte. Aus dreimal sieben, also aus<br />

ein<strong>und</strong>zwanzig Bäumen, setzt sich unser Horoskop zusammen. Dieses<br />

Baumhoroskop stammt aus Polen <strong>und</strong> ist keltischen Ursprungs; es wurde mündlich<br />

überliefert <strong>und</strong> dabei im Laufe der Zeit natürlich verändert.<br />

Von 500 bis 200 vor Christi war in Mitteleuropa die Hochblüte der keltischen Kultur.<br />

Von hier aus breiteten sich die Kelten auch die Gallier genannt- nach Süden,<br />

Westen <strong>und</strong> Osten aus. In Nordosteuropa saßen die Germanen, dahinter die<br />

Slawen. Aber die Kelten kamen bis nach Schlesien, nach Böhmen <strong>und</strong> Mähren, bis<br />

in den Südwesten Polens <strong>und</strong> auf die britischen Inseln. In Irland <strong>und</strong> Schottland<br />

blieben sie noch längere zeit unbesiegt; von dort stammen auch die meisten<br />

keltischen Überlieferungen, <strong>und</strong> dort wird teilweise auch heute noch keltisch<br />

gesprochen.<br />

Zwar waren die einzelnen Stämme nicht zu einem Reich zusammengeschlossen,<br />

aber es gab eine einheitliche Kultur mit gemeinsamer Sprache; eine keltische Schrift<br />

jedoch existierte nicht. Es gibt einige wenige keltische Dokumente in griechischer<br />

Schrift; das meiste Wissen über die Kelten – <strong>und</strong> das ist insgesamt nicht vielstammt<br />

jedoch von griechischen <strong>und</strong> römischen Schriftstellern sowie aus F<strong>und</strong>en,<br />

Ausgrabungen <strong>und</strong> mündlichen Überlieferungen.


Die Kelten waren ein wildes, kampflustiges Volk. Sie waren sehr religiös: Vom<br />

Gottesdienst verbannt zu werden, galt als härteste Strafe. Ihren Göttern opferten die<br />

Kelten viel <strong>und</strong> oft. So wurden Wagenladungen von Waffen in Quellen <strong>und</strong> Seen als<br />

Opfergabe versenkt oder auch Tier- <strong>und</strong> Menschenopfer in blutigen Riten<br />

dargebracht.<br />

Was waren das für Götter? Viel ist nicht von ihnen bekannt. Neben vielen<br />

männlichen Gottheiten, die z. B. mit Kampf <strong>und</strong> Handwerk zusammenhingen, wird<br />

oft auch eine große weibliche Gottheit erwähnt, die Erd- oder Himmelsmutter, die in<br />

drei Gestalten auftrat: Als Jungfrau, als Mutter, als Tod. Sie wurde bevorzugt in<br />

Quellen verehrt. Da die Frauen so besonders mit der Natur verb<strong>und</strong>en sind, waren<br />

sie geachtet <strong>und</strong> bekleideten hohe Stellungen als Priesterin, Seherin <strong>und</strong> Königin.<br />

Die keltischen Priester hießen „Druiden“ (Eichenk<strong>und</strong>ige) bedeutet. Sie bildeten<br />

einen stammesübergreifenden Stand. Diese Gelehrten waren Magier, Heilk<strong>und</strong>ige,<br />

Erzieher, Richter <strong>und</strong> Dichter-Sänger in einem. Ihre Wissenschaft gaben sie<br />

mündlich weiter. Druidische Weisheit wurde im Einklang mit der Natur erworben, die<br />

sich bevorzugt im Wald darbot – denn Europa war zu mehr als Dreiviertel von<br />

Urwald bedeckt. In <strong>und</strong> außer diesem Urwald wurden besondere Einzelbäume<br />

gepflegt <strong>und</strong> angepflanzt <strong>und</strong> heilige Haine angelegt. Jeder Baum, wie auch jede<br />

Quelle <strong>und</strong> jeder Berg, hatte eine Seele <strong>und</strong> war damit gottähnlich. Hier, zwischen<br />

Bäumen, verbrachten die Druiden einen Großteil ihrer Zeit beim Gottesdienst, in der<br />

Meditation, beim Kräutersammeln. Eines ihrer magischen Riten ist so überliefert:<br />

Weiß gewandet erstiegen die Druiden besondere Eichbäume <strong>und</strong> schnitten mit<br />

goldenen Sicheln Misteln, die in einem weißen Tuch aufgefangen, zerteilt <strong>und</strong> als<br />

Heil- <strong>und</strong> Schutzmittel verteilt wurden. Als um die Zeitenwende in Mitteleuropa die<br />

keltische allmählich durch die germanische Kultur abgelöst wurde, gab es keinen<br />

großen Bruch in den religiösen Vorstellungen <strong>und</strong> Riten. Beide Völker waren indoeuropäisch<br />

<strong>und</strong> ähnelten sich mit ihrem hohen Wuchs <strong>und</strong> den rotblonden Haaren<br />

auch äußerlich. Die Naturverehrung, <strong>und</strong> mit ihr der Quellen- <strong>und</strong> Baumkult, blieb –<br />

<strong>und</strong> der Baumfrevler wurde mit dem Tode bestraft.<br />

Erst mit der Christianisierung wurde die Natur entseelt. In der Romantik erfolgte eine<br />

Rückbesinnung auf dieses alte Kulturgut: Dichter <strong>und</strong> Maler beschäftigten sich<br />

damit, wie die Märchen der Gebrüder Grimm belegen. Es gibt ihn ja – noch – den<br />

Wald des Märchens: An den Rändern licht <strong>und</strong> kultiviert mit dem Hauptnutzbaum,<br />

der Eiche, zum Innern wild <strong>und</strong> bedrohlich. Er wird bewohnt <strong>und</strong> durchzogen von<br />

Köhlern, Jägern, Kräuterweiblein, Räubern, Friedlosen <strong>und</strong> Ausgestoßenen.<br />

Der Weihnachtsbaum wurde Teil der „deutschen Weihnacht“. Neben ihm stehen<br />

andere Bäume, die zu besonderen Gelegenheiten geopfert werden: Der Richtbaum<br />

krönt das neue Haus, der Maibaum zur Ehre des Frühlings, mit einem Busch zeigt<br />

die Besenwirtschaft neuen Wein <strong>und</strong> frisch gebrautes Bier an. Aber all diese<br />

abgeschlagenen Bäume sind keine Sühneopfer mehr wie in heidnischen Zeiten.<br />

Im Baumhoroskop zeigt sich eine Rückbesinnung auf überliefertes Volksgut.<br />

Ein<strong>und</strong>zwanzig Bäume sind vertreten: Vier Hauptbäume zu den Tag- <strong>und</strong><br />

Nachtgleichen <strong>und</strong> den Sonnenwenden <strong>und</strong> siebzehn weitere: Diese verteilen sich<br />

so auf das Jahr, dass jeder Baum einmal pro Jahreshälfte vertreten ist – lediglich die<br />

Pappel bildet die Ausnahme. Hier zeigt sich eine typische keltische Eigenart, nämlich<br />

das Jahr in zwei gleichberechtigte Hälften zu teilen, die vom Auf <strong>und</strong> Ab, von dem<br />

sich im Wechsel Erneuernden künden. Der keltische Kalender war eine komplizierte<br />

Kombination von Sonnen- <strong>und</strong> Mondjahr mit verschiedenen Schalttagen, die<br />

Ausrichtung des Horoskops nur nach dem Sonnenjahr ist also später erfolgt.


Die Aufnahme der im keltischen Ursprungsland nicht vorkommenden Bäume wie<br />

Zypresse, Zürgel-, Feigen- <strong>und</strong> Ölbaum erklärt sich durch die Ausweitung der<br />

keltischen Kultur in den Mittelmeer-Raum. Selbstverständlich beginnt das Horoskop<br />

mit der Eiche. Das Wesen des Eichbaums ist kraftvoll <strong>und</strong> aufrecht; wie er. So ist<br />

auch der Mensch, der unter seinem Zeichen geboren ist. Aber auch alle anderen<br />

Bäume haben ihr besonderes Wesen, Ihre Eigenart. Manche sind zur Zierde da,<br />

manche zum Dienst; manche sind Einzelwesen, manche gedeihen besser in<br />

Gruppen; der eine ist zart wie eine Birke, der andere mächtig wie die Kastanie.<br />

Drei Baumgruppen kann man unterscheiden:<br />

Zur ersten Gruppe gehören die Realisten; sie haben eine gute Beobachtungsgabe<br />

<strong>und</strong> Organisationstalent.<br />

Das sind Eiche, Buche, Ulme, Linde, Nussbaum, Kastanie <strong>und</strong> Feigenbaum. Die<br />

zweite Gruppe verkörpert den Intellekt, die Fähigkeit, zu analysieren <strong>und</strong> logische<br />

Schlüsse zu ziehen. Das sind: Öl-, Apfel-, Zürgelbaum, Tanne, Zypresse, Kiefer <strong>und</strong><br />

Ahorn. Zur dritten Gruppe gehören solche Charaktere, die das intuitive Wissen, die<br />

Phantasie <strong>und</strong> die Fähigkeit zur Synthese besitzen. Es sind: Birke, Pappel,<br />

Trauerweide, Haselnuss, Eberesche <strong>und</strong> Esche <strong>und</strong> Hainbuche. So findet jeder mit<br />

dem seinen Geburtstag zugeordneten Baum seine Charakterlage dargestellt.<br />

Während neu erwecktes Brauchtum sich mit dem Wald befasst <strong>und</strong> die Dichter an<br />

seinem Mythos weiterweben, ist der reale Wald allmählich zu einem reinen Nutzwald<br />

geworden, dessen Wert in Kubikmetern Holz benannt wird.<br />

Jede dieser Einstellungen für sich – hier Mythos <strong>und</strong> romantische Verklärung, dort<br />

materieller Nutzen – ist jedoch Stückwerk; erst eine ganzheitliche Sicht erschließt<br />

das ganze Wesen des Baumes. Und eine Gesamtsicht ist heute dringend notwendig.<br />

Der Baum kann ohne Menschen leben, aber der Mensch nicht ohne Baum!<br />

Dankbarkeit ist deshalb das mindeste, was wir den Bäumen schuldig sind. Jede<br />

positive Beschäftigung mit den Bäumen – wie überhaupt mit allen Lebewesen –<br />

stärkt diese.<br />

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Hainbuche<br />

dein Holz - so hart wie Eisen –<br />

Brachte so manche Mühle in Gang.<br />

Doch mehr noch liebe ich<br />

Die schattenspendenden Laubengänge,<br />

gestutzt in einer verspielten Laune –<br />

als Geschenk für zärtliche Spaziergänger.<br />

Aleke Thuja<br />

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Lichtgrün verschwiegene Wildnis allum <strong>und</strong> der Hainbuchen Scharen verträumt <strong>und</strong><br />

stumm.<br />

Joseph Viktor von Scheffel<br />

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Die Hainbuche gehört zu den geheimen magischen Hölzern der großen weisen<br />

Frau. Deren Vertreterinnen waren in vorchristlicher Zeit die Kräuterweiblein <strong>und</strong><br />

Nothelferinnen, die sich in der Volksmedizin auskannten <strong>und</strong> magische Gebräuche<br />

pflegten. Diese Frauen wurden im Mittelalter als Hexen verfolgt.<br />

Die Hainbuche ist eine der Pflanzen in der „Blüten.Therapie“ des englischen Arztes<br />

Dr. Edward Bach<br />

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Grünt die Esche vor der Eiche,<br />

bringt der Sommer große Bleiche.<br />

Grünt die Eiche vor der Esche,<br />

bringt der Sommer große Wäsche.<br />

Alte Bauernregel<br />

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Die Esche Yggdrasil duldet Unbill<br />

mehr als Menschen wissen<br />

Drei Wurzeln strecken sich nach drei Seiten<br />

Unter der Esche Yggdrasil.<br />

Hel wohnt unter einer, unter der andern Hrimthursen,<br />

Aber unter der dritten die Menschen.<br />

Grimmismál<br />

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Yggdrasil<br />

ist der Schicksalsbaum der Welt (isländisch, germanisch). Als herrlich stattlicher<br />

Baum überragt ihre Krone selbst Asgard, den Wohnsitz der Götter, ihr Stamm ist die<br />

himmeltragende Säule <strong>und</strong> ihre Wurzeln reichen bis in die Unterwelt. Mit ihr kann<br />

man den ausbleibenden Regen herbeizaubern, sie schützt auch vorm Ertrinken. In<br />

Island werden aus ihr Ruder <strong>und</strong> andere Bootsteile gemacht, auch der Stiel des<br />

Hexenbesens ist aus Esche. In England wird sie als der „Hölzer Königin“ besungen.<br />

Aus dem besonders harten <strong>und</strong> dennoch elastischen Eschenholz, werden<br />

Armbruste, Lanzen, Bögen <strong>und</strong> besonders Speere gemacht. Achilles Speer, mit dem<br />

er Hektor tötete, war ein Speer aus einem heiligen Eschenhain, vom Zentauren<br />

Chiron mit einer ehernen Spitze gefertigt. Heute ist ihr Holz als Möbel-, Wagner-<br />

Werkzeugholz gebräuchlich, auch für Sportgeräte.Sie kann bis zu vierzig Meter hoch<br />

<strong>und</strong> älter als zweih<strong>und</strong>ert Jahre werden<br />

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Die Schar der zaghaften Kastanien wird wankend <strong>und</strong> schwarz wie Pech<br />

Talesiesin, der Barde<br />

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Schwarzschattende Kastanie


Mein windegeregtes Sommerzelt…<br />

Conrad Ferdinand Meyer<br />

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Der Sonnenkönig pflanzte die stattliche mächtige Rosskastanie als prunkende Zier<br />

seiner Parks <strong>und</strong> Alleen, <strong>und</strong> die Duodezfürsten Deutschlands machten es ihm nach.<br />

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Hab ich kein Tabak auch<br />

Nussbaum gibt guten Rauch<br />

J. P. Hebel<br />

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Unter Nussbäumen <strong>und</strong> Edelleuten kommt kein Kraut auf.<br />

Englisches Sprichwort<br />

Ahornlaub – Sterne, sterbend auf nassem Asphalt – gestern noch Tanzend…<br />

Margot Gabriel<br />

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Eberesche, Wonne der Augen, nämlich Luisiu, Flamme.<br />

Moran Mac Main<br />

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Haselnussgesträuch, im Herbst durchwogt von Nüssesuchern, grünt in einer<br />

Kesselschlucht der grauen Düne.<br />

Alfred Tennyson<br />

Früher wurden die Haselruten zum Dachdecken verwendet, heute nur noch selten<br />

zum Flechten.<br />

Die Haselrute ist das Instrument der Rutengänger, die damit nach Erz suchen,<br />

der Wunschbaum des deutschen Märchens, siehe Aschenputtel.<br />

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Drei Laub auf einer Linden blühen also wohl, ja wohl.<br />

(Alte Volksballade)<br />

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Als germanischer Friedensbaum war die Linde der Göttin Freya geweiht, mütterliche<br />

Beschützerin des Lebens <strong>und</strong> der Liebe. Als Thingbaum schützte sie vor Unrecht,<br />

<strong>und</strong> diente als Gerichts- <strong>und</strong> Richtbaum; hier wurde durch Schiedsspruch Streit zum


Frieden gelindert. Unter der Dorflinde saßen die Menschen friedlich, sie war der<br />

öffentliche Mittelpunkt. Mehr als 500 Ortsnamen stehen mit der Linde in Verbindung.<br />

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Die Trauerweide umhüllt mich dicht,<br />

Rings fließt ihr Haar aufs Gelände,<br />

Verstrickt mir die Füße mit Kettengewicht<br />

Und bindet mir Arme <strong>und</strong> Hände…<br />

Gottfried Keller<br />

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Verbrenne nicht die Weide, einen den Dichtern heiligen Baum.<br />

Keltisches Sprichwort<br />

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Die Weide, ein Hexenbaum mit zwei Gesichtern.<br />

Keltisches Sprichwort<br />

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Weide, silbern Angesicht,<br />

weil ich dich von weitem sehe<br />

leidet´s mich <strong>und</strong> hält mich nicht<br />

bis ich grüßend vor dir stehe<br />

Rudolf Alexander Schröder<br />

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Die Weiden; verwachsene Weiber,<br />

gebeugt mit zottigem Kopf,<br />

zerlumpt sind ihre Röcke,<br />

die Läuse nisten in ihrem Zopf…<br />

Günther Eich<br />

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Die Kiefer,<br />

den Winden trotzend,<br />

hält sie ihre Zweige<br />

entgegen,<br />

bewegt im Atem der Winde<br />

ihre Wipfel wie Arme,<br />

die dir zuwinken.<br />

(Aleke Thuja)<br />

Die Kiefer gehört, kunstvoll beschnitten, unbedingt in den japanischen Hausgarten.<br />

Im traditionellen japanischen NO-Theater ist sie die einzige Kulisse. Da sie dort als


Sitz der Götter weilt, werden diese damit aufgefordert, sich niederzulassen <strong>und</strong> dem<br />

Schauspiel beizuwohnen.<br />

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Zürgelbaum o Zürgelbaum, du hast schon viele gespeiset.<br />

Aus einem alten Volkslied<br />

Der lateinische Namen Celtis weist deutlich auf seine Herkunft hin <strong>und</strong> war auch den<br />

gallischen Druiden bekannt.<br />

In silbern Kettenhemd blinkend<br />

Steht Ritter Pappel frank <strong>und</strong> frei,<br />

nicht mut-, doch hoffnungslos winkend<br />

denn Ritterzeit ist längst vorbei,<br />

Tanderei<br />

Autor unbekannt<br />

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Ich war, wo die Pappel sich erhebt aus dem schönen glänzenden Gr<strong>und</strong>.<br />

Emily Bronte<br />

Napoleon pflanzte die Pyramidenpappel aus der Po-Ebene als wachhabende<br />

Soldaten an seine Heerstraßen <strong>und</strong> Alleen.<br />

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Die Cypresse ist der Freiheit Baum, nie zur Erde die Zweige senkt sie.<br />

Friedrich Bodenstedt<br />

Plato sah in der immergrünen Cypresse ein Symbol der Seele <strong>und</strong> ihrer<br />

Unsterblichkeit, Horaz den Ausdruck der Trauer. Bei den Römern war sie der heilige<br />

Baum Plutos, des Totengottes. Van Gogh hat sie als feurig-wilde Lebensflamme<br />

gemalt.<br />

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Sicher wie ein Haus, groß wie ein Baum, die gepflegten Wurzelfinger der Ulme,<br />

unter ihren Schuhn starkes Erdgebein.<br />

Maurice Lindsay<br />

Ulmen sind von einer Ulmenkrankheit bedroht. Bei ihr wirken Ulmensplintkäfer, <strong>und</strong><br />

ein von ihm übertragener Schlauchpilz zusammen: Der Käfer ernährt sich von ihren<br />

Blättern, seine Larven vom Kabium; der von ihm übertragene Pilz wuchert in die<br />

Leitungsbahnen des Baumes <strong>und</strong> verstopft sie. Der Gesamtbestand ist gefährdet, ja,<br />

es wird ihr Aussterben befürchtet, da kein geeignetes Gegenmittel bekannt ist.<br />

Die Ulme ist der Baum des Merkur, des Götterboten, für den Menschen der große<br />

Mittler zu geistigen Welten.


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Schatzhauser im grünen Tannenwald,<br />

bist schon h<strong>und</strong>ert Jahre alt,<br />

Dein ist all Land wo Tannen stehen,<br />

lässt dich nur Sonntagskindern sehen.<br />

Wilhelm Hauff<br />

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O Tannenbaum, o Tannenbaum! Du bist ein edles Reis. Du grünest in dem Winter,<br />

als wie zur Sommerzeit.<br />

Aus „Des Knaben W<strong>und</strong>erhorn“<br />

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Die Apfelbäume winken blütenschwer,<br />

<strong>und</strong> Mädchengesang tönt von den Wiesen her.<br />

Otto Erich Hartleben<br />

Dionysius, Gott des Weines, war auch der Schöpfer des Apfelbaumes. Er schenkte<br />

ihn Aphrodite <strong>und</strong> dadurch wurde der Apfel ein erotisches Bild.<br />

Eris, Göttin der Zwietracht, warf bei einem Götterfest, zu dem sie nicht geladen war,<br />

einen goldenen Apfel mit der Aufschrift „der schönsten unter den Göttern“, woraus<br />

sich bekanntlich der trojanische Krieg entwickelte. So wurde der Apfel zum<br />

Zankapfel.<br />

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Zwischen den Buchen<br />

siehst du hinein<br />

spinnt dünnes Licht.<br />

Werner Helwig<br />

Die Buche ist der wichtigste Laubbaum Mitteleuropas. Früher gab es hier riesige<br />

Buchenwälder, heute besteht noch etwa ein Fünftel des deutschen Waldes aus<br />

Buchen z. T. in geschlossenem Bestand.<br />

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In die Lande des Ölbaum lasst uns ziehn,<br />

wo die Traube reift, wo die Mandel blüht,<br />

wo des Mädchens schwarzbraunes Auge glüht,<br />

wo nimmer die Schneeflocke fällt.<br />

Orgetorix<br />

Bereits die antiken Völker verehrten den Ölbaum, er wurde oft besungen. Die Taube,<br />

die Noah verkündete, dass die Erde wieder bewohnbar ist, trug als Zeichen ein<br />

frisches Ölbaumblatt im Schnabel. Der Ölbaum ist Symbol des Friedens, im


Gelobten Land Sinnbild für Wohlstand <strong>und</strong> Glück. Athene, welcher der Ölbaum<br />

geweiht war, salbte ihre irdischen Lieblinge mit Olivenöl.<br />

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Der Name der Birke kommt von dem althochdeutschen Wort „birha“ <strong>und</strong> bedeutet<br />

hell, glänzend.<br />

Die Birke früchtelos,<br />

trägt eben wohl Zweige ohne Samen.<br />

Ist in Ästen schön;<br />

doch in der Spitze rauscht sie,<br />

lieblich bewachsen mit Blättern,<br />

von der Luft bewegt.<br />

(Aus einem alten Runenlied)<br />

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Predigt<br />

Gesegnet aber ist der Mensch, der sich auf Gott verlässt <strong>und</strong> dessen Zuversicht Gott<br />

ist. Der ist wie ein Baum am Wasser gepflanzt, der seine Wurzeln zum Bach hin<br />

streckt. Denn obgleich die Hitze kommt, fürchtet er sich doch nicht, sondern seine<br />

Blätter bleiben grün; <strong>und</strong> er sorgt sich nicht, wenn ein dürres Jahr kommt, sondern<br />

bringt ohne Aufhören Früchte. JEREMIA 17,8<br />

„Bäume sind Heiligtümer“, sagt Hermann Hesse. Wer mit ihnen zu sprechen, wer<br />

ihnen zuzuhören weiß, erfährt die Wahrheit. „Sie verkünden das Urgesetz des<br />

Lebens“. Lassen Sie sich einladen mit diesem Urgesetz des Lebens vertraut zu<br />

werden. Der Mensch ist, wie ein Baum, die Wurzel. Der Baum wurzelt tief im<br />

Dunkeln der Erde. Sein Wurzelwerk entspricht der Entfaltung seiner Krone. Alle Kraft<br />

liegt in den Wurzeln. Sie versorgen ihn mit Wasser <strong>und</strong> lebenswichtigen Mineralien.<br />

Sie pumpen jährlich tausende Liter Nährstoffe in Stamm <strong>und</strong> Zweige. Manche<br />

Bäume graben ihre Wurzeln bis zu sieben Meter tief in die Erde, um die<br />

unterirdischen Wasseradern zu erreichen <strong>und</strong> in Zeiten der Dürre zu überleben. Was<br />

wir nicht an ihm sehen ist sein Geheimnis. Auch beim Menschen kommt es auf die<br />

Wurzeln an. Wo können wir uns verorten, finden wir gute Lebensbedingungen? Wo<br />

sind die Quellen aus denen wir leben? Geborgenheit, Gemeinschaft, Verständnis,<br />

eine Aufgabe, aber auch einen sicheren Raum <strong>und</strong> Rückzugsmöglichkeiten<br />

brauchen wir, um uns verorten zu können. Wir müssen unsere Wurzeln sehr tief<br />

treiben, um in Dürrezeiten nicht zu verdursten. Den Durst nach Zärtlichkeit <strong>und</strong><br />

Wärme, die Sehnsucht nach Geborgenheit <strong>und</strong> Liebe möchten wir stillen <strong>und</strong> dabei<br />

unseren Stand nicht verlieren. Wir machen uns auf die Suche nach dem, was uns<br />

neu belebt. Ein gutes Buch, Musik, ein Spaziergang, ein weiterführendes Gespräch,<br />

die Erfahrung einer verlässlichen Fre<strong>und</strong>schaft. Stille, Meditation oder das<br />

Vertrauen, dass Gottes Hand uns hält. Jeder braucht einen Brunnen, an dem er<br />

seine leere Lebensschale füllen kann.<br />

Der Stamm.<br />

Oft ist er breit <strong>und</strong> fest. Unter seiner Schutzschicht, der Rinde, pulsiert das Leben. Er<br />

lässt uns danach suchen, wo wir standfest im Leben sind <strong>und</strong> uns fragen, ob man<br />

sich auch an uns anlehnen kann. Der Stamm dokumentiert das Wachsen <strong>und</strong><br />

Werden um eine Mitte, aus der heraus der Baum Jahr für Jahr wächst. Erst wenn er


gefällt ist, werden seine Lebensringe sichtbar. Kräftige Ringe zeugen von guten<br />

Jahren, dünne Ringe beschreiben dürre Zeiten, in denen der Regen fehlte.<br />

Jahresringe sind erlebte, erlittene Zeit. Auch die Lebensringe des Menschen sind<br />

kunstvolle Graphiken seiner Biographie. Das Leben hinterlässt seine Spuren, am<br />

Ende ist jede Lebensgeschichte so einmalig.<br />

Hermann Hesse beschreibt seine Lebenseinsicht, inspiriert von Bäumen: „Wenn ein<br />

Baum gefällt ist, ist seine ganze Geschichte zu lesen: in den Jahresringen <strong>und</strong><br />

Verwachsungen steht aller Kampf, alles Leid, alle Krankheit, alles Glück <strong>und</strong><br />

Gedeihen treu geschrieben, schmale Jahre <strong>und</strong> üppige Jahre, überstandene<br />

Angriffe, überdauerte Stürme. Und jeder Bauernjunge weiß, dass das härteste <strong>und</strong><br />

edelste Holz die engsten Ringe hat.“<br />

Die Krone, sie trägt die Früchte. Die Blätter reinigen die Luft, sie produzieren fast<br />

fünf Tonnen Sauerstoff im Jahr. Die weit ausladende Baumkrone verdunstet täglich<br />

bis zu 400 Liter Feuchtigkeit, <strong>und</strong> empfängt viele h<strong>und</strong>ert Vögel. Aber der Baum lehrt<br />

uns auch demütig zu sein. Er hat oft erfahren, dass im Herbst seine Äste leer in die<br />

Luft ragen. Der Sturm hat ihm Äste gebrochen <strong>und</strong> W<strong>und</strong>en geschlagen, der Frost<br />

seine Blüten vernichtet, Insekten haben seine Früchte zerstochen, die Sonne hat<br />

aus dem Boden die letzte Feuchtigkeit gezogen. Der Baum lehrt uns, Misserfolge<br />

<strong>und</strong> leidvolle Erfahrungen als Teil des Lebens zu begreifen <strong>und</strong> dass zum Leben<br />

Wachstum, Reife <strong>und</strong> Loslassen gehören. Dass Neues nur dort wächst, wo wir Altes<br />

loslassen. Er inspiriert uns nach dem fragen, wonach wir streben, wohin wir uns<br />

langsam vortasten, wovon wir träumen <strong>und</strong> nach Entfaltungsmöglichkeiten suchen.<br />

Er weist uns darauf hin altersgemäß zu leben <strong>und</strong> unsere Kräfte besonnen<br />

einzusetzen, geduldig zu sein. Besonders im Herbst erinnert mich der Baum an die<br />

Einmaligkeit, an das W<strong>und</strong>er Leben. Jedes Herbstblatt ist einzigartig, ein Original.<br />

Jeder Mensch ist einzigartig, sein Name ist in Gottes Hand verzeichnet, so<br />

beschreibt es die Bibel. Unsere Identität zu entdecken <strong>und</strong> zu bewahren unsere<br />

Eigenheiten, unser Temperament, unsere Ecken <strong>und</strong> Kannten, das lehrt uns der<br />

Baum.<br />

Der Himmel: Im Baum ist ein Kern, ein Funke verborgen, der Leben vom ewigen<br />

Leben ist. Seinen einmaligen Entwurf soll er zur Entfaltung bringen. Das Wachstum<br />

in die Weite des Himmels hinein scheint nie abgeschlossen zu sein. So auch der<br />

Mensch: Die Schwere der Erde durchbricht er <strong>und</strong> streckt sich nach dem Glanz des<br />

Himmels. Er besitzt große Fähigkeiten <strong>und</strong> versagt oft in den kleinsten<br />

Anforderungen des Lebens, er hat einen großen Geist, mit dem er die Welt<br />

verändern möchte <strong>und</strong> am Ende bleibt nichts von ihm übrig. Der Mensch ist wie ein<br />

Baum, der tief in der Erde verwurzelt ist aber mit seiner Krone den Himmel berührt.<br />

„Du, Gott, hast mich gewoben im Mutterleib“ heißt es in Psalm 139. Gott hat uns<br />

gebildet, war beteiligt an unserem Werden, an unserem Kern, er hat sein Bild in uns<br />

eingedrückt, ein Stück Himmel in jeden <strong>und</strong> jede von uns hineingelegt. Das verleiht<br />

uns unsere besondere Würde. Unabhängig von unseren Stärken <strong>und</strong> Schwächen,<br />

von Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Krankheit, tragen wir dieses Stückchen Himmel in uns. Machen<br />

wir es uns bewusst, entdecken wir bei allem Bruchstückhaften Gottes Ebenbild im<br />

Menschen.<br />

Birgit Schnelle<br />

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Sagt<br />

„Gelobt sei die Naturgestaltung“<br />

drum Untertanen zieht hinaus<br />

sucht euch die schönsten Bäume aus<br />

die skrupellos den Park verschandeln<br />

in Kleinholz sollt ihr sie verwandeln<br />

mit Gottes Segen Schicht für Schicht<br />

vergesst mir die Alleen nicht<br />

der Mensch, der hier vorübergeht<br />

<strong>und</strong> in sich einkehrt zum Gebet<br />

von tiefer Traurigkeit umworben<br />

empfindet sich als mitgestorben.<br />

RAINER DANSCHEIDT<br />

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Bäume schenken uns Luft<br />

Bäume können nicht weglaufen, sie müssen allem standhalten <strong>und</strong> erhalten von der<br />

Natur ihre unverwechselbaren Formen. Sie gleichen Müttern, die auch nicht fliehen<br />

können. Sie müssen ihre Kinder schützen, nähren, sie halten aus <strong>und</strong> erstarken am<br />

Widerstand, meistens. Bäume sind unsere Eltern, sie schenken uns Luft <strong>und</strong> damit<br />

Leben. Kleine oder Riesen, junge oder alte sind dem Menschen anvertraut <strong>und</strong> nicht<br />

dessen Eigentum.<br />

Er erschafft sich selbst den Erstickungstod, wo sowieso doch das Ozonloch die Erde<br />

aufheizt. Bäume sind etwas Heiliges, wenn man das Schattenspiel der Blätter<br />

beobachtet oder die Regentropfen, die an nassen Tagen herabperlen.<br />

Für ein Baugr<strong>und</strong>stück sind nun wieder fünf Helden verschw<strong>und</strong>en. Wessen Mutter<br />

oder Vater waren sie? Wusste keiner, dass in den Bäumen Engeln wohnen <strong>und</strong> auf<br />

die schlafenden Städte herabblicken. Bäume sind aus Holz, aus Holz werden Bücher<br />

gemacht, zum Buch die Buche wurde. Aus ihren Rinden kann man Märchen, Jahre,<br />

Küsse lesen. Neugepflanzte kleine Bäume, welch` schwere Aufgabe harrt ihrer, um<br />

ein Stück heilige Zeit wieder herbeizuwehen. Oft wissen Menschen gar nicht, warum<br />

sie sich plötzlich wohl fühlen, manchmal durch einen Baum mit seiner<br />

energiegeladenen Aura.<br />

Hilde Gumnior-Schwelm<br />

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Achtung, Baum !!!<br />

Millionenfach werden Bäume für Autos, Straßen, Autobahnen, Parkplätze usw.<br />

geopfert. Das schlechte Gewissen wird manchmal mit Ausgleichspflanzungen<br />

beruhigt, müßen die auch den nächsten Bauarbeiten weichen? Bäume stehen immer<br />

im Weg, lassen Blätter fallen, ständig muss man sauber machen. Wie schön <strong>und</strong><br />

praktisch sind dagegen Plätze mit Verb<strong>und</strong>steinpflaster, da wächst kein Gras mehr,<br />

aus, Schluss damit !<br />

Caco


Ganze Naturschutzgebiete verschwinden,<br />

trotz ihrer ökologischen Bedeutung, durch den Braunkohletagebau Garzweiler I + II.<br />

Jeder Baum, jeder Strauch wird eliminiert. Auch die Niersquelle „starb hier“, es gibt<br />

sie nicht mehr. Da stellt sich die Frage, warum vor den heutigen Erkenntnissen in<br />

Sachen Co2 <strong>und</strong> Feinstaub, der Wichtigkeit des Gr<strong>und</strong>wassers, solch ein<br />

Unterfangen noch realisiert wird?<br />

WZ 2. Juli 2007

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