Neo_Rauch/ePaper_WELT_27_05_2011 - Museum Frieder Burda
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Der Kurator<br />
Werner Spies über die<br />
Faszination der Werke<br />
und deren Geschichten<br />
Seite II<br />
Die Alte Spinnerei<br />
Ein Besuch in Leipzigs<br />
international bekanntem<br />
Kunstquartier<br />
Seite VI<br />
AUSSTELLUNG MUSEUM FRIEDER BURDA SONDERAUSGABE NEO RAUCH IN BADEN-BADEN<br />
28. MAI – 18. SEPTEMBER <strong>2011</strong><br />
Rastlose Helden<br />
Das <strong>Museum</strong> <strong>Frieder</strong> <strong>Burda</strong> präsentiert vom 28. Mai bis 18. September in einer Ausstellung <strong>Neo</strong> <strong>Rauch</strong><br />
Editorial<br />
Im Einklang<br />
mit der<br />
Natur<br />
DIETER STOLTE<br />
Großformatiges Rätsel: Das Gemälde „Ausschüttung“ entstand vor zwei Jahren und misst 2,10 mal 3 Meter. Es gehört zur Sammlung <strong>Museum</strong> <strong>Frieder</strong> <strong>Burda</strong><br />
T Gezeigt werden in der Schau<br />
in Baden-Baden 36 Hauptwerke<br />
des Leipziger Maler-Stars, der zu<br />
den international bekanntesten<br />
deutschen Künstlern der<br />
Gegenwart zählt<br />
T Einige der aus den frühen<br />
1990er-Jahren bis heute<br />
stammenden Arbeiten sind<br />
erstmals öffentlich zu sehen<br />
KLAUS FUSSMANN<br />
Es gibt ein Foto aus dem Jahr<br />
1992, mit vier jungen Malern<br />
aus Sachsen, welche am Tage<br />
der Wiedervereinigung<br />
zu einem Ausflug in den<br />
Harz aufgebrochen waren. Die vier,<br />
dünn und schlaksig, um einen Findling<br />
gruppiert, starren ernst in die Kamera.<br />
Einer von ihnen ist <strong>Neo</strong> <strong>Rauch</strong>. Er fällt<br />
sofort durch seine großen, nervösen Augen<br />
auf, Augen in einem überspannten,<br />
von Leidenschaft geprägten Gesicht. Einige<br />
Jahre später gibt es dann ein weiteres<br />
Foto, auf dem sich der immer noch<br />
junge Maler auf dem Dach eines New<br />
Yorker Hochhauses positioniert, in einem<br />
Overall, welcher von oben bis unten<br />
mit Farbe besudelt ist. Wieder steht<br />
<strong>Neo</strong> <strong>Rauch</strong> ernst blickend vor der Kamera,<br />
aber sein Blick ist unruhig, als ob er<br />
gleich wieder nach dem Shooting runter<br />
in den Loft zur Arbeit müsste.<br />
Allerdings hatte sich zwischenzeitlich<br />
für ihn auch etwas verändert, er ist in<br />
wenigen Jahren berühmt geworden und<br />
steht hier vor dem internationalen<br />
Durchbruch – wie man so sagt. Amerika<br />
– die USA, ein Stipendium und eine<br />
Journalistin haben das Wunder wahr<br />
werden lassen. Seine wichtigste Entdeckerin,<br />
die nie an ihm zweifelte, Roberta<br />
Smith, Journalistin bei der „New York<br />
Times“, löste bereits mit ihrem ersten<br />
Artikel, der mit dem folgenden Satz anfängt:<br />
„<strong>Neo</strong> <strong>Rauch</strong>, the painter who came<br />
in from the cold“ („<strong>Neo</strong> <strong>Rauch</strong>, der<br />
Maler, der aus der Kälte kam“), eine gewisse<br />
Begeisterung für <strong>Neo</strong> <strong>Rauch</strong> in<br />
den Vereinigten Staaten aus.<br />
Es passte da für seinen Ruhm vieles<br />
zusammen. Da war die Herkunft aus<br />
dem östlichen Teil Deutschlands, einem<br />
harten Land, lange abgeschirmt vom<br />
Westen, für Amerikaner fremd und<br />
wunderlich. Aber es hatte sich dort außerdem<br />
eine ziemlich eigenständige,<br />
schwerfällige Form von gegenständlicher<br />
Malerei entwickelt. Eine Art sozialistischer<br />
Schwere, die sich auch in den<br />
dortigen Comics niederschlug. Ostdeutsche<br />
Comics also; etwas linkisch und<br />
steif, <strong>Neo</strong> <strong>Rauch</strong> hatte schon früh angefangen<br />
sie in seinen Bildern aufzunehmen,<br />
um sie später für seine ganze<br />
Kunst als Plattform einzusetzen.<br />
Für Europäer mag es immer noch ein<br />
wenig befremdend sein, wenn hochhackig<br />
gestiefelte Riesenmädchen, Zwerge<br />
und Däumlinge auf gleicher Ebene<br />
durch das Bild stolpern, für Amerikaner,<br />
an Comics von Kind an gewöhnt, ist solche<br />
Absurdität eine leichte Übung.<br />
Aber was seine Kunst wirklich einmalig<br />
machte und womit sie sich von allem<br />
Vorherigen abhob, war die eigentümliche<br />
Somnambulität, die von den<br />
schwankenden Gestalten ausging, die da<br />
so verloren und ohnmächtig durch die<br />
bunten Bilder zogen. Weder im Surrealismus<br />
noch in der Pop-Art war eine solche<br />
verrätselte Somnamblität auszumachen.<br />
Etwas Neues war entstanden. Ein<br />
Zauberer kam aus Ostdeutschland und<br />
betörte Amerika mit einer Malerei, die<br />
über Comic und Pop-Art durchaus ein<br />
Teil auch der amerikanischen Kultur<br />
war. Und doch war da auch wieder das<br />
fremde Deutschland mit seinen schaurigen<br />
Märchen und dunklen Wäldern,<br />
welches den farbenfrohen Comic wieder<br />
zum ängstigenden Rätsel machte.<br />
Es ist eine neue Malerei am Ende der<br />
Moderne. Alles, was wir sehen, ist virtuell,<br />
ist schon einmal als Comic gezeichnet<br />
oder in Holzstichen im neunzehnten<br />
DER KÜNSTLER UND DER SAMMLER<br />
<strong>Frieder</strong> <strong>Burda</strong> (Foto links) kaufte schon<br />
früh Arbeiten von <strong>Neo</strong> <strong>Rauch</strong>. Mittlerweile<br />
besitzt er vier Gemälde und<br />
zehn Zeichnungen, die alle in der Ausstellung<br />
zu sehen sind.<br />
MUSEUM FRIEDER BURDA<br />
Für <strong>Frieder</strong> <strong>Burda</strong> ist <strong>Rauch</strong> „ein sehr<br />
wichtiger Künstler, der seinen eigenen<br />
Weg beschreitet mit einer unverwechselbaren<br />
Malerei“. Der Versuch, <strong>Neo</strong><br />
<strong>Rauch</strong> zu verstehen, geht seiner Meinung<br />
nach nur über die eigene Fantasie.<br />
So sind <strong>Rauch</strong>s Bilder für <strong>Burda</strong> „geheimnisvoll,<br />
manchmal surreal, ja, sie<br />
haben auch eine Dramatik“. Das Gemälde<br />
„Die Ausschüttung“ besitze all diese<br />
Faktoren: „Das beruhigende Grün, dann<br />
diese rätselhafte, eher verstörende<br />
Geschichte, die das Bild erzählt. Welches<br />
‚Füllhorn‘ wird da ausgeschüttet, in<br />
welcher Beziehung stehen diese Menschen,<br />
was ist das für eine Landschaft?<br />
Fast meint man, Themen alter Meister<br />
mischen sich mit der Gegenwart.“ MPo<br />
Jahrhundert gedruckt worden. Nie hat<br />
hier ein reales Möbel, ein Stein oder eine<br />
lebendige Frau als Vorbild gedient.<br />
Kopfgeburten sind die Gemälde <strong>Neo</strong><br />
<strong>Rauch</strong>s. Damit steht der Maler ganz im<br />
Gegensatz zum Anfang der Moderne, wo<br />
ein Édouard Manet nicht in der Lage<br />
war, ohne Modell einen Akt zu malen<br />
oder auch nur einen Spargel zu skizzieren,<br />
ohne ein Spargelbund vor sich auf<br />
dem Tisch zu haben.<br />
<strong>Neo</strong> <strong>Rauch</strong> hat den Comic als Vehikel<br />
längst verlassen, er malt heute oft in fast<br />
altmeisterlicher Manier; riesige Bilder,<br />
eins nach dem anderen. Jeder, der in seinem<br />
Leben schon mal ein großes Bild<br />
gemalt hat, weiß, wie viel Kraft und<br />
Können dazu gehört. Die Energie, die<br />
ihn wohl schon in jungen Jahren beseelte,<br />
scheint dabei unerschöpflich. Denn<br />
wie ein Funken sprühender Komet zieht<br />
er weiter auf seiner Bahn. Und sein Talent,<br />
welches ihn mit leichter Hand die<br />
Dinge mühelos entstehen lässt, seine<br />
Handwerklichkeit, welche ihn den Malstock<br />
sicher anlegen und endlos lange<br />
schnurgerade Striche ziehen lässt, das<br />
alles schützt ihn vor dem Absturz.<br />
Vor dem Verlust der Magie schützt<br />
den Maler allerdings nichts. Magie in<br />
der Malerei, auch die des <strong>Neo</strong> <strong>Rauch</strong>, ist<br />
letztlich unerklärlich. Nur hier könnte<br />
einmal bei ihm eine Schwäche sein. Ansonsten<br />
ist er unverwundbar. Und so ist<br />
es erklärlich, wenn auch immer wieder<br />
verwunderlich, wie er, in den Schimmer<br />
seiner gemalten Wehr gehüllt, alle die<br />
gefädelten Anwürfe und Fallstricke, zum<br />
Beispiel, wenn seinem Galeristen Gerd<br />
Harry Lybke der Zutritt zur Kunstmesse<br />
Art Basel verwehrt wird, durchschreitet<br />
und ernst und ungerührt und tragisch<br />
ein neues, noch größeres Bild beginnt.<br />
Nichts, jedenfalls nichts von dieser Welt<br />
und dieser Art, kann den Künstler <strong>Neo</strong><br />
<strong>Rauch</strong> dabei aufhalten.<br />
Der Maler Klaus Fußmann erhielt u. a.<br />
den Preis der Villa Romana. Seine Werke<br />
befinden sich in privaten und öffentlichen<br />
Sammlungen. Bis 20<strong>05</strong> war er Professor<br />
an der Universität der Künste Berlin<br />
Die einzelnen Bildausschnitte kann man erklären. Offen bleibt, was sie als<br />
Ganzes ergeben sollen: „Bauer“ (1,40 mal 2 Meter) aus dem Jahr 2002<br />
(C) COURTESY GALERIE EIGEN+ART LEIPZIG/BERLIN,VG BILD-KUNST, BONN <strong>2011</strong> (2)<br />
Am Fuße des Schwarzwaldes, im „Grünen<br />
Salon“, wie der Schriftsteller Horst<br />
Krüger Baden-Baden in einem Essay<br />
beschrieb, hat sich Erstaunliches ereignet.<br />
In nur zehn Jahren wandelte sich<br />
die Kurstadt mit besonderem Flair in<br />
einen internationalen Treffpunkt der<br />
Kultur. Auslöser war die Umgestaltung<br />
des wilhelminischen Stadtbahnhofs zum<br />
Festspielhaus, das mit seinem qualitätvollen<br />
Angebot den Vergleich mit den<br />
Salzburger Festspielen nicht zu scheuen<br />
braucht. Hinzu kam das <strong>Museum</strong> <strong>Frieder</strong><br />
<strong>Burda</strong>: 2004 nach Plänen des Architekten<br />
Richard Meier in Übereinstimmung<br />
mit der Natur gebaut.<br />
Mit seinen Bildern und Skulpturen<br />
wurde das <strong>Museum</strong> ein Ort der klassischen<br />
Moderne und der zeitgenössischen<br />
Kunst. An die 1000 Bilder des<br />
Sammlers <strong>Frieder</strong> <strong>Burda</strong> werden hier der<br />
Öffentlichkeit zugängig gemacht, gezielt<br />
ergänzt durch Leihgaben und thematisch<br />
gestaltete Sonderausstellungen.<br />
Der Kunstsammler <strong>Frieder</strong> <strong>Burda</strong> greift<br />
mit dem <strong>Museum</strong> in seiner badischen<br />
Heimat eine Idee auf, die im 19./20.<br />
Jahrhundert in Berlin mit Mäzenen wie<br />
James Simon und Wilhelm Bode als<br />
Inspirator ihre Blütezeit hatte. Ihr Wirken<br />
entsprang nicht dem Bedürfnis nach<br />
Selbstdarstellung oder öffentlicher Geltung.<br />
Ihr Eros war dienender Natur. Er<br />
folgte einem Urtrieb des Menschen: zu<br />
sammeln und zu bewahren. Das ist auch<br />
<strong>Frieder</strong> <strong>Burda</strong>s Anspruch.<br />
<strong>Burda</strong> hat in diesem Geiste in der<br />
deutschen Provinz Großes vollbracht.<br />
Mit eigenem Geld, ohne öffentliche<br />
Unterstützung schuf er für seine Sammlung<br />
einen Ausstellungsraum, der durch<br />
seine Integration in eine historische<br />
Parklandschaft paradiesische Züge hat.<br />
Die Anmutung der Natur verbindet sich<br />
mit der Schönheit der Kunst. Die Transparenz<br />
der <strong>Museum</strong>sarchitektur ist<br />
zugleich Ausdruck für die Offenheit und<br />
Öffentlichkeit des Bauherrn und Sammlers.<br />
Durch eine Stiftung hat <strong>Frieder</strong><br />
<strong>Burda</strong> dem Lebenswerk den Rang von<br />
Dauerhaftigkeit gegeben.<br />
<strong>Burda</strong>s Sammlung vermittelt einen<br />
Querschnitt der Kunst des 20./21. Jahrhunderts.<br />
Viele Werke sind Versuche, die<br />
Welt mit neuen Ausdrucksformen zu<br />
interpretieren. Sie machen aber auch<br />
deutlich, dass ihr Sammler selbst von<br />
großer Offenheit ist und nicht künstlerischem<br />
Mainstream hinterhersammelt,<br />
sondern – wie die schon früh von<br />
ihm gekauften Bilder von Sigmar Polke,<br />
Anselm Kiefer, Georg Baselitz, Markus<br />
Lüpertz, Eugen Schönebeck, Jackson<br />
Pollock und nicht zuletzt Gerhard Richter<br />
zeigen – selbst Trends setzt.<br />
Mit der <strong>Neo</strong>-<strong>Rauch</strong>-Ausstellung –<br />
dessen Werke der Sammler bald nach<br />
der Wiedervereinigung erwarb – zeigt<br />
<strong>Frieder</strong> <strong>Burda</strong> erneut, dass er die richtige<br />
Nase hat. Nach Leipzig und München<br />
ist dies die dritte Werkausstellung des<br />
Künstlers in zwei Jahren. Ihr Erfolg ist<br />
wegen der Nähe zu Frankreich und der<br />
Schweiz vorhersehbar.<br />
Prof. Dr. h. c. Dieter Stolte<br />
ist Vorstandsmitglied der<br />
Axel Springer Stiftung<br />
INHALT<br />
Ein Porträt: Vom Mythos, künstlerischen<br />
Einzelgängern und <strong>Neo</strong><br />
<strong>Rauch</strong>s Wegen, Sujets für seine Bilder<br />
zu finden<br />
Seite III<br />
Das Label: Die Neue und die Alte<br />
Leipziger Schule und deren wichtigste<br />
Repräsentanten. <strong>Neo</strong> <strong>Rauch</strong> als Hochschullehrer<br />
Seiten IV/V<br />
Der Service: Tickets, Öffnungszeiten<br />
und Führungen. Alle Informationen<br />
rund um die Ausstellung im <strong>Museum</strong><br />
<strong>Frieder</strong> <strong>Burda</strong><br />
Seite VII<br />
Stadtbesuch: Ob Festspiel- und Kurhaus,<br />
historisches Theater und Staatliche<br />
Kunsthalle, Baden-Baden bietet<br />
viele kulturelle Highlights Seite VIII
SEITE II DIE <strong>WELT</strong> 28. MAI – 18. SEPTEMBER <strong>2011</strong><br />
NEO RAUCH IN BADEN-BADEN<br />
Erlesener<br />
Kreis von<br />
Leihgebern<br />
„Unter Feuer“ entstand 2010 und<br />
stammt aus einer Privatsammlung<br />
Von den ersten Planungen bis zur<br />
Ausstellung vergingen etwa anderthalb<br />
Jahre. Die Absicht, eine<br />
zwei Jahrzehnte umfassende Übersichtsschau<br />
mit den wichtigsten Gemälden<br />
<strong>Neo</strong> <strong>Rauch</strong>s zu veranstalten, hatte das<br />
<strong>Museum</strong> <strong>Frieder</strong> <strong>Burda</strong> laut Direktor<br />
Ludger Hünnekens seit Längerem. Ausgangspunkt<br />
war, dass man mit „Flut I“<br />
und Flut II“ (beide 1992/93) zwei frühe<br />
und mit „Interview“ (2006) und „Ausschüttung“<br />
(2009) zwei Arbeiten jüngeren<br />
Datums im <strong>Museum</strong>sbestand hat.<br />
„Zeitintensiv, aber sehr erfolgreich“<br />
war laut Hünnekens dann auch das Zusammentragen<br />
der 32 Arbeiten, die aus<br />
anderen Museen und aus privaten<br />
Sammlungen stammen. So sind einige<br />
Werke aus Privatbesitz überhaupt erstmals<br />
öffentlich zu sehen. Gemälde stellten<br />
u. a. das Kunstmuseum Liechtenstein<br />
Vaduz („Lingua“, 1993), das Maastrichter<br />
Bonnefantenmuseum („Lot“,<br />
1993), das <strong>Museum</strong> der bildenden Künste<br />
Leipzig („Ebenen“ von 1995, „Unter Feuer“<br />
von 2010), die Hamburger Kunsthalle<br />
(„Fuge“, 2007), die Münchner Pinakothek<br />
der Moderne („Wahl“, 1998) bereit.<br />
Weitere stammen aus der Kollektion des<br />
Amsterdamer Stedelijk <strong>Museum</strong>s („Neujahr“,<br />
20<strong>05</strong>) und der Fondation Beyeler,<br />
Riehen/Basel („Der Rückzug“, 2006).<br />
Laut Hünnekens konnte sich das <strong>Museum</strong><br />
in den etwa sechs Jahren des Bestehens<br />
ein großes und engmaschiges<br />
Netzwerk aufbauen, sodass man für Ausstellungen<br />
von öffentlichen als auch privaten<br />
Leihgebern meist die erbetenen<br />
Werke bekommt. Gerade bei <strong>Neo</strong> <strong>Rauch</strong><br />
waren die guten Kontakte sehr wichtig.<br />
Denn wegen der riesigen Formate verleihen<br />
die Eigentümer die Arbeiten eher<br />
ungern, bestehe doch dabei immer die<br />
Gefahr einer Beschädigung. Neben den<br />
Ölarbeiten zeigt die Schau zehn Zeichnungen<br />
<strong>Rauch</strong>s aus dem Bestand des<br />
<strong>Museum</strong> <strong>Frieder</strong> <strong>Burda</strong>. MPo<br />
IMPRESSUM<br />
Eine Veröffentlichung<br />
der Tageszeitung „Die Welt“<br />
Chefredakteur: Jan-Eric Peters<br />
Redaktion Sonderthemen<br />
Leitung: Astrid Gmeinski-Walter (v. i. S. d. P.)<br />
Klaus Ries (Stellv.), Redaktion: Michael Posch<br />
Jürgen Mundt, Uwe Sauerwein<br />
Produktion und Gestaltung: Bettina Jülch<br />
Anzeigen: Philipp Zwez (v. i. S. d. P.), Stefanie Scheuer<br />
(stefanie.scheuer@axelspringer.de)<br />
Redaktionsschluss: 25. Mai <strong>2011</strong><br />
„Ein Beitrag zur Kunstgeschichte“<br />
Werner Spies, Kurator<br />
der Schau, über die<br />
Faszination der Werke,<br />
verschlüsselte<br />
Geschichten und<br />
falsche Perspektiven<br />
T Der in Paris lebende<br />
Kunstexperte beschäftigt sich<br />
seit Langem mit <strong>Rauch</strong>s Arbeiten<br />
T Warum auch ihm das Deuten<br />
der Bilder schwerfällt, erklärt<br />
er in dem Interview<br />
DIE <strong>WELT</strong>: <strong>Neo</strong> <strong>Rauch</strong>s Gemälde<br />
wirken wie aus der Zeit gefallen, lassen<br />
sich nicht entschlüsseln. Wie<br />
war Ihre erste Begegnung?<br />
WERNER SPIES: „Aus der Zeit gefallen“<br />
ist ein schöner Ausdruck, aber ich<br />
muss sagen, dass sein Werk inzwischen<br />
Teil unserer Zeit ist. Ich erinnere mich<br />
gut an das erste Mal. Es waren großformatige<br />
Papierarbeiten in der Dresdener<br />
Albertina. Ich fand sie spektakulär. Sie erinnerten<br />
mich an nichts, was ich vorher<br />
gesehen hatte. Es war ein völlig neuer<br />
Ton. Die Mischung der Geschichten, die<br />
Unverständlichkeit, mit der er spielt.<br />
Und die Farbigkeit, die so etwas Trauriges<br />
hat. Das hat mir gut gefallen.<br />
Wie nähert man sich einem Werk,<br />
das komplett rätselhaft ist?<br />
SPIES: Möglicherweise haben die Gemälde<br />
ja eine Botschaft, aber die soll<br />
nicht offenliegen. Die Werke sollen mehr<br />
Fragen stellen als Antworten geben. Das<br />
ist eine Methode, die ich liebe. Es erinnert<br />
an den Surrealismus, der auch von<br />
der Wirklichkeitsbeschreibung weitestgehend<br />
absieht. Und wenn der Surrealismus<br />
– wie bei Dalí – realistische Stilmittel<br />
heranzieht, dann um das Realistische<br />
zu zerstören. Auch <strong>Neo</strong> <strong>Rauch</strong> gelingt es<br />
immer wieder, gestochen scharfe Traumbilder<br />
zu kreieren.<br />
Aber der Surrealismus hatte eigene<br />
Stilmittel und bediente sich für seine<br />
Bilderzählungen der Literatur.<br />
SPIES: Das Zerfließen der Formen beispielsweise<br />
ist ein Stilmittel. Es ist ein<br />
Hinweis auf Vergehen oder Entstehen,<br />
etwas Prozessuales. Inzwischen finden<br />
wir das auch bei <strong>Neo</strong> <strong>Rauch</strong>. Er malt<br />
nicht nur scharf begrenzte Figuren. Aber<br />
was die Inhalte seiner Bilder angeht, so<br />
kann man sich nicht wie bei den Surrealisten<br />
auf Texte beziehen. Es gibt keine<br />
greifbaren Quellen. Ich weiß nicht, ob wir<br />
jemals herausfinden, an was der Künstler<br />
gedacht hat. Ich habe mit ihm schon Gespräche<br />
vor den Bildern erlebt und gemerkt,<br />
dass er gar nicht viel dazu sagen<br />
kann. Wahrscheinlich wäre er auch nicht<br />
bereit, sich zu äußern. Äußert man Vermutungen,<br />
antwortet er nur mit: „Könnte<br />
sein“. Nur in einem Fall sagte er einmal,<br />
Für Werner Spies sind <strong>Rauch</strong>s Arbeiten eigentlich Collagen, die im Kopf entstehen und sich auf der Leinwand entwickeln: Die „Fuge“ von 2007 (3 mal 4,20 Meter)<br />
das Motiv gehe auf einen präzisen Traum<br />
zurück. Inwieweit das auch für andere<br />
Bilder gilt, kann ich nicht sagen. Als ich<br />
<strong>Rauch</strong> im Atelier in Leipzig besuchte, habe<br />
ich mich umgeschaut, ob es Indizien<br />
für literarische Quellen gibt. Die gibt es<br />
scheinbar nicht. <strong>Rauch</strong> sagt, es würde<br />
sich alles im Kopf abspielen und entwickeln.<br />
Ich denke, dass er die Fahrt in die<br />
Bedeutung bewusst abbrechen möchte.<br />
Was auch für die formale Ebene gilt.<br />
SPIES: Die Unschärfe der Räume, die vage<br />
Perspektive beispielsweise spiegelt das<br />
bewusste Entgleisen des Verstehens. In<br />
ein und demselben Bild kann man<br />
manchmal tief in den Bildraum schauen<br />
und dann bricht der Blick plötzlich wieder<br />
ab. Auch benutzt er, geometrisch gesehen,<br />
falsche Perspektiven. Die sollen<br />
uns in die Irre führen. So wie auch die<br />
Darstellung von Personen. Waren am Anfang<br />
seiner Laufbahn nur einzelne Figuren<br />
auf der Bildfläche, wurden es von<br />
Jahr zu Jahr immer mehr. Wobei auch<br />
das Bildpersonal keine Auskunft über Inhalte<br />
gibt. Ganz im Gegenteil: Es wirkt in<br />
der groben holzschnittartigen Darstellung<br />
befremdend und düster.<br />
Was <strong>Rauch</strong>s Farbwahl unterstützt.<br />
SPIES: Dass sich ein melancholischer<br />
Eindruck einstellt, liegt daran, dass er<br />
kaum Primärfarben benutzt. Schaut man<br />
die Bilder an, ist es, als ob man in einen<br />
Farben-<strong>Rauch</strong> eintritt. Selbst seine ersten<br />
Bilder hatten diese fahle Farbigkeit. Man<br />
hat das Gefühl, es fehlt etwas. Was auch<br />
für die Körpersprache der Figuren, irgendwie<br />
abgeschlaffte Typen, zutrifft. Sie<br />
scheinen müde zu sein und japsen nach<br />
KURZBIOGRAFIE<br />
Werner Spies,<br />
1937 in Tübingen<br />
geboren, hat<br />
sich als Kurator,<br />
Buchautor und<br />
Journalist einen<br />
Namen gemacht.<br />
Von 1975<br />
bis 2002 lehrte<br />
er Kunst des 20. Jahrhunderts an der<br />
Kunstakademie Düsseldorf. Von 1997<br />
bis 2000 war Spies Direktor des<br />
Centre Beaubourg, dem heutigen<br />
Centre Georges Pompidou in Paris.<br />
Er war auch Mitglied der Jury für die<br />
4. documenta und kuratierte viele<br />
Ausstellungen u. a. mit Werken von<br />
Pablo Picasso und Max Ernst.<br />
PICTURE ALLIANCE<br />
Luft. Es ist überhaupt keine Freude in<br />
den Gemälden. Die Figuren erinnern an<br />
diese Puppen aus Papierbögen, die man<br />
anziehen konnte. Man hat das Gefühl,<br />
dass man die Figuren auch an einer anderen<br />
Stelle des Bildes platzieren kann. Wir<br />
fühlen uns instinktiv an Dinge aus der<br />
Kindheit erinnert. Solche Erinnerungen<br />
spielten sicher auch bei <strong>Rauch</strong> eine Rolle.<br />
„Aus der Zeit gefallen“ galt <strong>Rauch</strong><br />
vor allem zu Karrierebeginn, weil er<br />
in der Tradition seiner Lehrer Arno<br />
Rink und Bernhard Heisig arbeitete.<br />
SPIES: Es war sicher mutig, sich zu seiner<br />
künstlerischen Tradition zu bekennen.<br />
<strong>Rauch</strong> hat nicht alles weggeworfen,<br />
das macht sein Werk so interessant. Aber<br />
er beruft sich nicht ausschließlich auf<br />
diese Malerei-Tradition. Für ihn war die<br />
Begegnung mit den Arbeiten von Jörg<br />
Immendorff und Georg Baselitz wichtig.<br />
Inwieweit er sich sonst mit der Avantgarde<br />
auseinandersetzen konnte, ist nicht<br />
klar, weil bis 1990 Ausstellungen beispielsweise<br />
von Gerhard Richter in der<br />
DDR unsichtbar waren. Bei <strong>Rauch</strong>s Werk<br />
war für mich die Frage der Herkunft immer<br />
völlig nebensächlich.<br />
War es für Sie nie „antimodern“?<br />
SPIES: Der Begriff spielte Ende der 90er-<br />
Jahre keine Rolle mehr. Alles war möglich.<br />
Man hatte erkannt, dass das Ende einer<br />
schrittweisen Entwicklung der Kunst<br />
gekommen ist. <strong>Rauch</strong>s Werk ist ein Beitrag<br />
zur Kunstgeschichte, der fremdartig<br />
anmutet, aber viele Elemente hat, die wir<br />
kennen. Denken wir an die Farbigkeit von<br />
„Max und Moritz“ oder die bemalten<br />
Keksdosen der Biedermeierzeit. Als jemand,<br />
der aus Leipzig stammt, hat <strong>Rauch</strong><br />
eine besondere Beziehung zur Kunst, die<br />
dort in den Museen zu sehen ist.<br />
Ist <strong>Rauch</strong> also deutscher Künstler im<br />
Sinne deutscher Kunsttradition?<br />
SPIES: Es ist nicht abwegig, dass er sich<br />
mit der deutschen Romantik beschäftigte,<br />
vor allem mit gewissen Stereotypien<br />
der romantischen Kunst und Illustration<br />
des 19. Jahrhunderts. Insofern lässt er<br />
sich in die deutsche Malerei-Tradition<br />
einordnen. Er hat ein großes visuelles<br />
Gedächtnis, sieht Bilder, prägt sie sich<br />
ein. Nicht als Ganzes, er kann über einzelne<br />
Elemente, Figuren, Bewegungen,<br />
Räume verfügen. Das setzt er frei zusammen.<br />
Seine Bilder sind eigentlich Collagen,<br />
die im Kopf entstehen, sich auf der<br />
Leinwand entwickeln und präzisieren.<br />
Mit Werner Spies sprach<br />
Christiane Hoffmans<br />
(C) COURTESY GALERIE EIGEN+ART LEIPZIG/BERLIN,VG BILD-KUNST, BONN <strong>2011</strong> (2)<br />
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28. MAI – 18. SEPTEMBER <strong>2011</strong> DIE <strong>WELT</strong> SEITE III<br />
NEO RAUCH IN BADEN-BADEN<br />
Wenn ein Bild<br />
das nächste<br />
wachruft<br />
Ein Porträt des<br />
Leipziger Künstlers,<br />
der trotz seines<br />
weltweiten Erfolgs<br />
viel Sympathie für<br />
Einzelgänger in<br />
der Kunst hegt<br />
T Monolithen wie <strong>Neo</strong> <strong>Rauch</strong> sind<br />
rar und seine Werke so einmalig<br />
wie die Arbeiten von Balthus oder<br />
auch Francis Bacon<br />
HANS-JOACHIM MÜLLER<br />
<strong>Frieder</strong> <strong>Burda</strong> ist ein Sammler<br />
von bezwingender Ehrlichkeit.<br />
Was ihn fasziniert an der<br />
Kunst, lässt sich mit einfachen<br />
Worten sagen. Die Philosophie<br />
überlässt er anderen. So war es auch<br />
im Atelier von <strong>Neo</strong> <strong>Rauch</strong>, als er vor dem<br />
Bild „Ausschüttung“ stand. Staunend<br />
stand er davor, ergriffen „von dessen Mythos,<br />
dem Geheimnisvollen, von den Farben.<br />
Ich war glücklich, es für meine<br />
Sammlung erwerben zu können.“<br />
Man wird einen triftigen Grund für den<br />
weltweiten Ruhm, den sich das Werk des<br />
Leipziger Malers erworben hat, eben dort,<br />
im Mythos, im Geheimnisvollen suchen<br />
dürfen. Malerei, die den aufgeklärten Dingen<br />
der vollends durchschauten Welt mit<br />
unbeirrbarem Pathos zu widersprechen<br />
scheint, beglaubigt ihren Kunstanspruch<br />
ZUR PERSON<br />
<strong>Neo</strong> <strong>Rauch</strong> wurde 1960 in Leipzig<br />
geboren. Vier Wochen nach seiner<br />
Geburt starben die Eltern durch ein<br />
Zugunglück, er wuchs bei den Großeltern<br />
auf. <strong>Rauch</strong> studierte an der<br />
Hochschule für Grafik und Buchkunst<br />
in Leipzig, von 20<strong>05</strong> bis 2009 ist er<br />
selbst Professur an der Kunsthochschule.<br />
1997 erhielt <strong>Rauch</strong> den mit<br />
einer Einzelausstellung im <strong>Museum</strong><br />
der bildenden Künste verbundenen<br />
Kunstpreis der Leipziger Volkszeitung.<br />
Die erste große institutionelle Einzelausstellung<br />
(„Randgebiete“) richtete<br />
2000 die Galerie für Zeitgenössische<br />
Kunst in Leipzig aus. 2007 gestaltet<br />
er Vorlagen für drei Fenster mit Motiven<br />
aus dem Leben der heiligen Elisabeth<br />
von Thüringen für die Elisabethkapelle<br />
im Naumburger Dom.<br />
auch ohne Hilfe diensteifriger Interpreten.<br />
Zumal der Gegenwartskunst nicht<br />
unbedingt der Ruf anhängt, mit der Verzauberung<br />
im Bunde zu stehen. Eher erwartet<br />
man kritische Abstände, unheilbare<br />
Verwundungen, ätzende Ironien, provokatives<br />
Abrüsten großer Gebärden.<br />
Dass Bilder offensichtlich nichts dagegen<br />
haben, wenn einer vor ihnen seine Angerührtheit<br />
bekennt, ist selten geworden.<br />
Es gab so gesehen ein starkes Motiv für<br />
die Schau im <strong>Museum</strong> <strong>Frieder</strong> <strong>Burda</strong>.<br />
<strong>Rauch</strong> ist mit früheren und neueren Bildern<br />
in der Kollektion markant vertreten,<br />
und das dichte Netzwerk, das der Sammler<br />
mit privaten und öffentlichen Leihgebern<br />
weltweit geknüpft hat, machte nach<br />
den Retrospektiven in Leipzig und München<br />
noch einmal einen weit ausholenden<br />
Querschnitt möglich. 36 Bilder aus zwanzig<br />
Jahren: eine repräsentative Auswahl,<br />
die den Erfahrenen schönste Wiederbegegnungen<br />
verspricht und den <strong>Rauch</strong>-Anfängern<br />
Anlass zum Staunen und zum<br />
Nachdenken über das Staunen bietet.<br />
Auch der Künstler musste zum Auftritt<br />
in Richard Meiers lichter Architektur<br />
nicht erst überredet werden: „Das Gebäude<br />
hat mich auf Anhieb überzeugt, als architektonische<br />
und skulpturale Setzung<br />
im bestehenden Umfeld. Das ist nicht<br />
selbstverständlich, weil ich sehr strenge<br />
Maßstäbe an zeitgenössische Architektur<br />
anlege. Zum inneren Raumkonzept kann<br />
ich auch nichts anderes sagen, als dass ich<br />
nicht umhinkam, mir meine Arbeiten hineinzuspiegeln.<br />
Ich fing sofort an, im Geiste<br />
das Haus zu bebildern.“<br />
Freilich hat auch die lichte Architektur<br />
den Bildern nichts vom trüben Glanz nehmen<br />
können. Bei <strong>Rauch</strong> sieht alles ein wenig<br />
abgeschattet aus, altlastig, als läge<br />
über den versprochenen blühenden Landschaften<br />
noch der Dunst sozialistischen<br />
Wirtschaftens. Und tatsächlich stammen<br />
nicht wenige der wie Erinnerungsbauteile<br />
verarbeiteten Bildsujets aus dem geistigen<br />
und visuellen Erleben der zäh erlöschenden<br />
DDR, in der er zum Maler wurde.<br />
„Gedämpfte Welt“ hat Mörike einmal gesagt.<br />
Zieht man davon die romantische<br />
Sehnsucht ab, passt der Prospekt nicht<br />
schlecht zur indirekten Beleuchtung, in<br />
der die verwinkelten Szenerien dämmern.<br />
Es ist vor den Bildern zuweilen so, als<br />
wenn Uwe Tellkamp in seinem Roman<br />
„Der Turm“ von den versehrten Träumen<br />
der Bewohner im Dresdener „Tausendaugenhaus“<br />
erzählt. Auch bei <strong>Neo</strong> <strong>Rauch</strong><br />
herrscht dieser nach Moll hin gestimmte<br />
Ton. Auch wenn man die Bilder nicht verlässlich<br />
auf die Welt beziehen kann, nicht<br />
auf eigene Erfahrungen, auf andere Bilder,<br />
dann scheinen sie doch voller Anspielungen<br />
zu stecken, voller dumpfer Realien,<br />
voller Schlüssel, die man nur ein wenig in<br />
den Schlössern drehen zu müssen meint.<br />
Aber seltsam, aus all dem, was man angeben,<br />
was man bestimmen kann, wird in<br />
der Summe doch nur ein Unbestimmtes.<br />
<strong>Neo</strong> <strong>Rauch</strong> in seinem Atelier in Leipzig: Die Aufnahme machte Timm Rautert, der bis 2007 an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig Fotografie lehrte<br />
„Die Wege zum Bild hin sind sehr unterschiedlich“,<br />
sagte <strong>Neo</strong> <strong>Rauch</strong> einmal.<br />
Die ihm sympathischste Form der Bildwerdung<br />
sei „die Entgegennahme einer<br />
inneren Zusendung, das Bild, das unter<br />
den geschlossenen Lidern aufscheint“. Es<br />
könnten aber auch Verwitterungszustände,<br />
die sich in Klinkersteinen abzeichnen,<br />
sein. Diese „salpetrigen Ausblühungen haben<br />
auch so manche Bildidee wachgerufen.<br />
Oder Landschaften, durch die ich<br />
komme.“ Es könne auch sein, dass ein<br />
Bild das nächste wachrufe. Das sei ohnehin<br />
der Idealzustand, wenn Kunst „einen<br />
Raum in einem aufschließt, auf den man<br />
noch nicht aufmerksam geworden ist“.<br />
<strong>Rauch</strong>s Werk hat sich mit einem erstaunlichen<br />
Eigensinn positioniert und eine<br />
temperamentvolle Anhänger- wie Gegnerschaft<br />
mobilisiert. Es gab manche, die<br />
in den großen Ausstellungen zum 50. Geburtstag<br />
des Malers Anzeichen einer Erschöpfung<br />
sehen wollten. Umso bedeutsamer<br />
die konzentrierte Sicht auf das<br />
Werk, für die sich die Schau in Baden-Baden<br />
entschieden hat. Noch einmal begegnet<br />
man hier dem unverfügbaren Einzelgänger,<br />
der sich mit kultivierter Emphase<br />
und poetischer Intuition aus dem Fundus<br />
bewusster und vergessener, erinnerter<br />
und rekonstruierter Bilder bedient und<br />
seine Bildbühnen derart ausstattet, dass<br />
man nie sagen könnte, ob sie sich der Regie<br />
oder doch dem Verzicht auf Regie verdanken.<br />
Monolithen wie <strong>Neo</strong> <strong>Rauch</strong> sind<br />
rar. Dass sein Werk unter dem virtuos<br />
vermarkteten Label der „Neuen Leipziger<br />
Schule“ bekannt wurde, ist dazu kein Widerspruch.<br />
Zumal man <strong>Rauch</strong>s Bilder von<br />
Anfang an erkannte. Sie waren und sind<br />
so unverwechselbar wie die von Balthus<br />
oder Francis Bacon. Maler, die er schätzt:<br />
„Ich habe schon immer Sympathie gehabt<br />
für die großen Einzelgänger der Kunstgeschichte,<br />
die in keiner Horde mitmarschiert<br />
sind. Und es war einmal meine<br />
Vorstellung, dass ich eine solche Außenseiterposition<br />
innehaben könnte, weil ich<br />
so von klein auf immer war, eine etwas<br />
randständige Figur.“ Darauf habe er sich<br />
eigentlich gefreut. „Dann kam es ganz anders,<br />
und ich fand meine Werkstatt plötzlich<br />
mitten im Strom wieder.“ Was keine<br />
geringe Leistung ist, mitten im Strom auf<br />
dem dunklen Zauber bestanden zu haben.<br />
TIMM RAUTERT, LEIPZIG, 2008<br />
ANZEIGE<br />
„Stellwerk“ schafft Spitzenpreis<br />
Bei Christie’s erzielte der Künstler erstmals eine Million Euro<br />
GERD GEBAUER-SCHMIDT<br />
Wohl kaum ein Künstler –<br />
schon gar keiner aus dem Osten<br />
– machte in jüngster Zeit<br />
eine solche Blitzkarriere, ist weltweit so<br />
beliebt bei Sammlern und Museen wie<br />
<strong>Neo</strong> <strong>Rauch</strong>. Die Preise schossen in die<br />
Höhe, die Wartelisten auf neue Werke<br />
sind lang. Sind es die surreal abgemischten,<br />
oft absurde Geschichten erzählenden<br />
Bildmotive, die den Nerv treffen? Ist<br />
es das Moment von Mythos oder, im Gegenteil,<br />
das Realismus-Flair in <strong>Rauch</strong>s<br />
Werk, das Kuratoren wie Händler anlockt<br />
und betört? Oder geschickte Spekulation?<br />
Schließlich gewannen die Werke<br />
enorm an Wert, seit sie den Sprung in<br />
die weite Kunstwelt schafften.<br />
Hollywood-Star Brad Pitt kaufte 2009<br />
für eine Million Dollar einen <strong>Rauch</strong> während<br />
der Kunstmesse Art Basel. Der Maler,<br />
drei Jahre älter als Pitt, hatte „Etappe“<br />
1998 kreiert. Symbolisch bearbeitet<br />
das Bild typische Probleme dieser Generation,<br />
speziell erfolgreicher, aber empfindsamer<br />
Männer. Es zeigt einen Rennfahrer<br />
im roten Gefährt. Und wirkt wie<br />
ein lustig verpackter Albtraum: Aggressive<br />
Energieströme rasen da durchs Bild.<br />
Der Fahrer ist demnach in Gefahr, benötigt<br />
unbedingt eine Verschnaufpause.<br />
Doch die Umstehenden wollen, dass er<br />
weiterfährt ... Eine Situation, die Brad<br />
Pitt nicht unbekannt sein dürfte.<br />
Vielleicht ist das ein Schlüssel zur<br />
Sammler-Liebe: <strong>Rauch</strong>s Werke sind stets<br />
geeignet, Bezüge zur Wirtschafts- und<br />
Arbeitswelt zuzulassen. Daniel von Schacky,<br />
<strong>Rauch</strong>-Experte beim renommierten<br />
Auktionshaus Villa Grisebach in Berlin,<br />
weiß, warum <strong>Rauch</strong>s Sammler das Narrativ-Figurative<br />
schätzen: „Als die Leipziger<br />
Schule in den 1990er-Jahren entdeckt<br />
wurde, bot sie einen riesigen Kontrast<br />
zu allem, was sonst ‚in‘ war“, zu<br />
Konzeptkunst, Fluxus oder auch abstrakten<br />
wie auch spröden Werken.<br />
Schacky: „Die klassische Malerei hatte in<br />
der DDR überlebt, weil sie nicht dem<br />
‚Malverbot‘ von Joseph Beuys ausgeliefert<br />
war.“ <strong>Rauch</strong> ist zudem geprägt von<br />
Bernhard Heisig, dem altmeisterlichen<br />
Leipziger Könner im Fach Realismus mit<br />
dem gewissen Schuss brandheißer Fantasie.<br />
Mit dieser Mischung aus Realismus<br />
und querlaufenden Traummomenten<br />
reüssiert <strong>Rauch</strong> international. 1999<br />
erzielte sein zwei mal drei Meter großes<br />
„Stellwerk“ bei Christie’s mit Aufgeld eine<br />
Million Euro. In der Frühjahrsaktion<br />
<strong>2011</strong> hat die Villa Grisebach „Notte“<br />
(1998) im Katalog. Zu sehen sind großflügelige<br />
Insekten, die in der Nacht umherschwärmen<br />
und auf den grellen Schein<br />
zweier Schreibtischlampen zufliegen.<br />
Die metaphorische Bedeutung ist sinnfällig:<br />
Nicht alles, was Glück verheißt, ist<br />
ungefährlich. Das mit ein mal zwei Metern<br />
eher kleine Werk wurde vorab mit<br />
120 000 bis 150 000 Euro veranschlagt.<br />
Friedhelm Hütte, Leiter der Kunstabteilung<br />
der Deutschen Bank, kannte den<br />
„Symbolismus-Lieferanten“ <strong>Rauch</strong><br />
schon, als der noch ganz kleine Brötchen<br />
buk: seit 1990. „Sieger“ heißt das erste<br />
<strong>Rauch</strong>-Werk, das den Weg in die Türme<br />
der Deutschen Bank in Frankfurt/Main<br />
fand. Sieger wurde damit auch der<br />
Künstler. Denn wenn die Bank junge<br />
Kunst ankauft, ist das wie ein Zertifikat<br />
der höchsten Güteklasse. 25 Werke des<br />
Malers hängen mittlerweile in Frankfurt<br />
in der 29. Etage. Hütte arbeitet drei<br />
Stockwerke tiefer – und freut sich, wenn<br />
er einen arbeitsamen Grund hat, um in<br />
der „<strong>Rauch</strong>-Etage“ vorbeizuschauen.<br />
„Das Dargestellte soll letztlich<br />
Privatangelegenheit bleiben, die Malerei selbst<br />
jedoch als Profession und Ziel erscheinen.“<br />
neo rauch<br />
{ *1960 }<br />
In der Vermögensverwaltung ist es nicht anders als in der Kunst.<br />
www.oppenheim.de<br />
<strong>Neo</strong> <strong>Rauch</strong> „Wandel“ © VG Bildkunst<br />
+
SEITEN IV/V DIE <strong>WELT</strong> 28. MAI – 18. SEPTEMBER <strong>2011</strong><br />
NEO RAUCH IN BADEN-BADEN<br />
Die Leipziger Schule ist quicklebendig<br />
Schwer beschäftigt: Ein<br />
Kentaur bildet die Nachhut<br />
Nicht auf Sinnsuche ist dieser „Sucher“ aus. Auf dem<br />
mit 60 mal 45 Zentimetern eher kleinen Gemälde von<br />
1997 bewegt er sich wohl in vermintem Gelände<br />
Könnte aus einem Endzeit-Comic stammen: Der Speicher<br />
strahlt zwar typisches DDR-Flair aus, doch das Fuhrwerk<br />
wirkt wie aus einer anderen Welt. „Lieferung“ (140 mal 160<br />
Zentimeter) aus dem Jahr 2002 stammt aus der Sammlung<br />
Hannelore und Peter Molitor, Bergisch Gladbach<br />
Eigentlich eine idyllische Landschaft, wäre da nicht der <strong>Rauch</strong>,<br />
der dem Vulkan entweicht. Aber vielleicht ist es ja auch nur ein<br />
begrünter Kraftwerksschornstein oder Kühlturm, der Dampf ablässt.<br />
„Sommer“ (200 mal 250 Zentimeter) entstand im Jahr 2001<br />
Vom „deutschen Wald“ als Sehnsuchtslandschaft der Romantik ist wenig geblieben.<br />
Seitdem Tagebaue im Mitteldeutschen Braunkohlerevier rekultiviert werden,<br />
kämpft sich die Natur Stück für Stück zurück. „Waldmann“ aus dem Jahr 2003<br />
Bernhard Heisig,<br />
Wolfgang Mattheuer<br />
und Werner Tübke<br />
machten sie schon zu<br />
DDR-Zeiten bekannt.<br />
Weltweite Beachtung<br />
findet die Malerei<br />
aus der Messestadt<br />
aber erst seit gut<br />
einem Jahrzehnt<br />
T Am Anfang galt die Kunst aus<br />
Leipzig als Geheimtipp. In den<br />
vergangenen Jahren entwickelte<br />
sie sich zum erfolgreichen Label<br />
T Künstler wie Tilo Baumgärtel,<br />
Tim Eitel, David Schnell und<br />
Matthias Weischer stehen für<br />
die jüngere Generation<br />
MARION LESKE<br />
Arno Rink hat sich<br />
geirrt. „Die Neue<br />
Leipziger Schule ist<br />
tot“, verkündete der<br />
ehemalige Rektor und<br />
Malerei-Professor vor<br />
zwei Jahren. Das war,<br />
nachdem <strong>Neo</strong> <strong>Rauch</strong> – wohlgemerkt aus<br />
eigenem Antrieb – seinen Lehrstuhl für<br />
Malerei geräumt hatte. Totgesagte leben<br />
bekanntlich länger. Der Erfolg der<br />
Leipziger Maler ist ungebrochen – auch<br />
wenn es immer noch Kritiker gibt, die<br />
sie der Langeweile bezichtigen, ihnen<br />
Mangel an Radikalität bescheinigen, sie<br />
als „abgeklärt“, „temperamentlos“ und<br />
„oberflächlich“ abtun. Gegen die Begeisterung<br />
der vielen, nämlich der <strong>Museum</strong>sbesucher,<br />
die diese Bilder sehen<br />
wollen, und der Sammler, die diese Bilder<br />
kaufen, kommen sie nicht an. Nicht<br />
nur die Zahl der Ausstellungen ist gewachsen,<br />
sondern auch die Preise für<br />
diese Kunst sind in den vergangenen<br />
Jahren rasant gestiegen.<br />
Was vor etwa zehn Jahren als absoluter<br />
Geheimtipp galt (der Name „Matthias<br />
Weischer“ wurde bedeutsam hinter<br />
vorgehaltener Hand geflüstert) und für<br />
zwei-, dreitausend Euro zu haben war,<br />
wird heute zum Zehn-, ja zum Hundertfachen<br />
gehandelt. Ein Kunstwerk ist<br />
eben immer so viel wert, wie ein Käufer<br />
dafür bezahlt. Und für die „Neue Leipziger<br />
Schule“ gerbern die Käufer offenbar<br />
gern viel Geld aus.<br />
Wie ist der Hype zu erklären? Da<br />
kommt eine Reihe von Faktoren zusammen.<br />
Zum einen gibt es die Galionsfigur<br />
namens <strong>Neo</strong> <strong>Rauch</strong>. Er ist die Lichtgestalt,<br />
die der Kunstbetrieb als Aushängeschild<br />
braucht, um dem verehrungsbereiten<br />
Publikum ein Idol zu präsentieren.<br />
Weil in seinem Schatten andere,<br />
jüngere Talente aus derselben Schmiede<br />
nachwachsen, lässt sich – zweitens – ein<br />
Der Künstler greift auch auf Elemente der Pop-Art zurück. Wären die Sprechblasen gefüllt, ließe sich das im Jahr 2001 entstandene Bild „Alter“<br />
nebst Kaninchenställen sicher einfacher entschlüsseln. Das Gemälde stammt aus der Sammlung der Stuttgarter Sammler Rudolf und Ute Scharpff<br />
wand mit vier Ecken plus Abbildung“,<br />
wie Lybke augenzwinkernd formuliert,<br />
„sprich ein Bild. Das war out, doch man<br />
erinnerte sich, derlei schon einmal gesehen<br />
zu haben.“ Und siehe da, ähnlich<br />
wie bei den Neuen Wilden in den<br />
1980er-Jahren kehrt der Appetit auf gegenständliche<br />
Malerei zurück. Die Amerikaner<br />
greifen zu. Die deutschen<br />
Sammler ziehen nach. „Es ist <strong>Neo</strong><br />
<strong>Rauch</strong>, der die Tür zur Malerei wieder<br />
Label kreieren. Mögen sich die Maler,<br />
Individualisten par excellence, auch gegen<br />
eine solche Schubladisierung wehren<br />
– genützt hat ihnen ihr Protest selten.<br />
Den finanziellen Nutzen freilich<br />
nehmen sie meist gern in Kauf. Denn<br />
Label und Lichtgestalt funktionieren<br />
hier nach einem ähnlichen Prinzip wie<br />
bei Damien Hirst und den Young British<br />
Artists (YBA) oder Andy Warhol und<br />
seiner Factory: Die Preise steigen – wobei<br />
Legendenbildung ein Übriges tut.<br />
Für Letztere ist es in puncto Leipzig<br />
noch zu früh. Doch dafür stimmt die<br />
dritte Voraussetzung für den Aufstieg:<br />
ein überdurchschnittlich befähigter und<br />
engagierter Galerist, der das Ganze vermarktet.<br />
In diesem Fall heißt er Gerd<br />
Harry Lybke. Sein Vorteil: Er stammt<br />
selbst aus der DDR und kannte <strong>Neo</strong><br />
<strong>Rauch</strong> schon als Student. Lybke verdiente<br />
als 22-jähriges-Aktmodell an der<br />
Leipziger Hochschule seinen Lebensunterhalt.<br />
Noch lange vor der Wende organisierte<br />
er Ausstellungen, zunächst in<br />
seiner Privatwohnung.<br />
Als 1989 die Mauer fällt, ist er mit seiner<br />
Galerie Eigen+Art zur Stelle. Lybke<br />
hat Glück: Das Trendbarometer zeigt<br />
zwar Konzept- und Medienkunst an,<br />
doch die Popularität solcher Installationen<br />
hat ihren Höhepunkt bereits hinter<br />
sich. Und Lybke hat Verstand: Schnell<br />
begreift er, wer auf dem Kunstmarkt reüssieren<br />
will, muss international agieren.<br />
In den 1990er-Jahren preist er auf<br />
den wichtigen Messen dieser Welt, etwa<br />
auf der New Yorker Armory, seine<br />
Künstlerriege als Star-Anwärter an. Damit<br />
bewies er Mut, handelte es sich bei<br />
den Produkten doch um „eine Leinaufgestoßen<br />
hat“, betont Lybke. Aber<br />
noch ein vierter Erfolgsfaktor kommt<br />
hinzu: die Tradition der Stadt. Anders<br />
als in vielen westlichen Akademien wurde<br />
in den Kunsthochschulen der DDR<br />
viel Wert auf handwerkliches Können<br />
gelegt. Die Ausbildung war entsprechend<br />
vielseitig, Naturstudium und<br />
Aktzeichnen gehörten zum Pflichtprogramm.<br />
Insbesondere Leipzig war hervorgetreten<br />
durch eine – in der Nach-<br />
(C) COURTESY GALERIE EIGEN+ART LEIPZIG/BERLIN,VG BILD-KUNST, BONN <strong>2011</strong> (9)<br />
Wendezeit freilich umstrittene – Malergeneration,<br />
die sich der von den Nationalsozialisten<br />
diffamierten deutschen<br />
Vorkriegs-Moderne verpflichtet fühlte.<br />
So knüpfte man aufseiten der DDR an<br />
Expressionismus und Neue Sachlichkeit<br />
an, während im westlichen Europa die<br />
Abstraktion in Form von Tachismus<br />
und Informel Karriere machte. Die Figuration<br />
hatte sich aufgrund der Nazi-<br />
Propaganda verdächtig gemacht. Erst<br />
„Aufstand“ (oben) aus<br />
dem Jahr 2004.<br />
Wochenendheim<br />
und Glück zu zweit,<br />
Idylle sieht anders aus:<br />
„Alte Verbindungen“<br />
(links) von 2008<br />
In <strong>Rauch</strong>s frühen Arbeiten sind<br />
meist nur einzelne Personen<br />
zu sehen. „Sonntag“ von 1997<br />
Erinnert an einen riesigen<br />
Holzschnitt: Das Gemälde<br />
„Wahl“ aus dem Jahr 1998<br />
ist drei mal zwei Meter groß<br />
der Siegeszug der Pop-Art brach diese<br />
Haltung auf. Auf dem Boden der ehemaligen<br />
DDR allerdings verfestigte sich zunächst<br />
das offizielle Dogma des sozialistischen<br />
Realismus, das erst in den<br />
70er-Jahren mit der Maxime von der<br />
„Weite und Vielfalt“ künstlerischer Darstellung<br />
gelockert wurde.<br />
Die Maler-Helden von damals kamen<br />
aus der Messestadt Leipzig und lehrten<br />
auch dort. Im Westen erregten sie Aufmerksamkeit<br />
durch ihre Teilnahme an<br />
der documenta 6 (1977) und die Sammelwut<br />
eines Peter Ludwig. Dass Bernhard<br />
Heisig, Wolfgang Mattheuer und<br />
Werner Tübke, die Hauptvertreter der<br />
„(Alten) Leipziger Schule“, stilistisch<br />
wenig gemeinsam hatten, vermochte<br />
dem griffigen Etikett nichts anzuhaben.<br />
Es reichte bis in die zweite Generation,<br />
zu deren Repräsentanten Sighard Gille<br />
und Arno Rink zählen. Rink wiederum<br />
war der Lehrer <strong>Neo</strong> <strong>Rauch</strong>s, der seinerseits<br />
zum Wegbereiter der „Neuen Leipziger<br />
Schule“ – mit Tilo Baumgärtel,<br />
Tim Eitel, David Schnell, Matthias Weischer<br />
und anderen – wird.<br />
Auch Michael Triegel, durch sein<br />
Papst-Bildnis zu umstrittener Berühmtheit<br />
gelangt, gehört zum Kreis der Leipziger<br />
Maler. Von Leichenblässe ist bei<br />
ihnen dank der anhaltenden Nachfrage<br />
nichts zu sehen. Tatsächlich galt Rinks<br />
Prognose eher dem Profil der traditionsreichen<br />
Hochschule für Grafik und<br />
Buchkunst, die seit einiger Zeit mit der<br />
Medienkunst flirtet. Die „Leipziger<br />
Schule“ dagegen ist weiter quicklebendig.<br />
Den Totenschein könnte ihr dereinst<br />
wohl weniger die Lehre als der<br />
Markt ausstellen.<br />
Als Vorbild zu gut:<br />
Seine Professur gab<br />
<strong>Neo</strong> <strong>Rauch</strong> schnell<br />
wieder auf<br />
Genau besehen ist <strong>Neo</strong><br />
<strong>Rauch</strong>s Biografie wenig<br />
aufregend. Als Student<br />
bleibt er der Hochschule<br />
für Grafik und Buchkunst<br />
in Leipzig treu, zunächst als Schüler Arno<br />
Rinks, dann bei Bernhard Heisig.<br />
Nach der Wende arbeitet er als Assistent<br />
seines Lehrers Arno Rink. Als solcher<br />
prägt er die „Neue Leipziger Schule“.<br />
Schließlich übernimmt er Rinks Lehrstuhl<br />
für Malerei. Er verursacht keine<br />
Skandale (wie Christoph Büchel), setzt<br />
sich nicht in Szene (wie Markus Lüpertz)<br />
und sucht nicht die Sensation (wie Damien<br />
Hirst). Und dennoch ist ihm ein<br />
steiler Aufstieg vergönnt.<br />
Der Kunstpapst Werner Spies wittert<br />
in ihm den Nachfolger Max Ernsts und<br />
lobt seine Malerei in den höchsten Tönen.<br />
Wichtige Sammler sind fasziniert<br />
von den Bildern. Ganz klar, dass die Akademien<br />
so eine Berühmtheit umwerben.<br />
Es ist ja seit Langem Usus, dass Professorenstellen<br />
mit wohlbekannten Künstlern<br />
besetzt werden, obgleich diese didaktisch<br />
nicht ausgebildet sind. Doch heute ist<br />
auch der Glanz entscheidend, den jemand<br />
mitbringt. Die Hochschule selbst<br />
profitiert davon ebenso wie die Studenten,<br />
die sich am Ende als Meisterschüler<br />
eines Prominenten bezeichnen dürfen.<br />
Damit ist ein biografisch wichtiger<br />
Grundstein gelegt. Der Name des Lehrers<br />
wird Türöffner bei Galeristen und<br />
Kunstvereinen.<br />
So auch bei <strong>Neo</strong> <strong>Rauch</strong>, der 20<strong>05</strong> dem<br />
Ruf Leipzigs folgte. Glücklich geworden<br />
ist er damit nicht. Er betreute 45 Studierende,<br />
davon neun Meisterschüler. Hinzu<br />
kamen zwei Dutzend Neugierige. Obwohl<br />
es ihm Spaß macht, mit jungen Leuten zu<br />
arbeiten, wirft er im vierten Jahr das<br />
Handtuch. Die Lehre lässt ihm zu wenig<br />
Raum, das eigene Schaffen leidet. Als Leiter<br />
einer Fachklasse sieht er sich konfrontiert<br />
mit verwaltungstechnischen Abläufen<br />
und ministeriellen Zwängen, die<br />
die Ausbildung in ein „skandalöses Mittelmaß“<br />
treiben. Der Bologna-Prozess<br />
ziehe eine Bürokratisierung der Häuser<br />
nach sich. <strong>Rauch</strong> geht es um künstlerische<br />
Auseinandersetzung, Haushaltsfragen<br />
interessieren ihn wenig. „Ich musste<br />
da ausbrechen, weil ich auf diesen Sitzungsstühlen<br />
eine komplette Nullnummer<br />
bin“, gesteht er später in einem Interview,<br />
„es raubt mir einfach Zeit.“ Hinzu<br />
kommen Ärgernisse wie die Verlegung<br />
der Ateliers: Man drängt die Malerei-Studenten<br />
aus dem Hauptgebäude. Die Institution<br />
schlägt einen neuen Kurs ein.<br />
Sie will Medienhochschule sein und führt<br />
– vermeintlicher Tribut an Internationalität<br />
– neuerdings die englische Bezeichnung<br />
„Academy of Visual Arts“ im<br />
Schilde. Ihre traditionelle Ausrichtung<br />
gehe verloren, fürchtet <strong>Rauch</strong>, die klassische<br />
Ausbildung werde vernachlässigt.<br />
Man wuchert nicht mit dem Pfund, das<br />
man hat, sondern trabt dem Zeitgeist<br />
hinterher, statt die Malerei zu stärken,<br />
die so erfolgreich ist.<br />
Ein weiterer Kritikpunkt <strong>Rauch</strong>s: „Der<br />
Scheinwerfer wird viel zu früh auf Halbgares<br />
gerichtet.“ Sein eigenes Studium<br />
sei „viel rigider, viel akademischer“ gewesen.<br />
Gleichwohl ist er stets bemüht, seine<br />
Studenten in Ausstellungen zu vermitteln<br />
– etwa während der Landesgartenschau<br />
in Aschersleben, wo <strong>Neo</strong> <strong>Rauch</strong> bei<br />
seinen Großeltern aufwuchs.<br />
Sein Ausflug in professorale Gefilde<br />
blieb ein Gastspiel – mit unerfreulichem<br />
Epilog. Als <strong>Rauch</strong>s Wunschkandidat, der<br />
Belgier Michaël Borremans, als Nachfolger<br />
abgelehnt wurde und stattdessen Heribert<br />
Ottersbach für den Lehrstuhl vorgeschlagen<br />
wurde, kam es zum Schlagabtausch<br />
mit Rektor Joachim Brohm. <strong>Rauch</strong><br />
warf ihm „Vetternwirtschaft“ vor und<br />
monierte, dass „ein enger Freund des<br />
Rektors“ bevorzugt würde. Ex-Mentor<br />
Rink leistete Schützenhilfe. Vergebens.<br />
Die Berufungskommission setzte ihren<br />
Favoriten durch.<br />
Derweil macht <strong>Rauch</strong> sein Angebot<br />
wahr, weiterhin eine Handvoll Meisterschüler<br />
unentgeltlich zu betreuen. Das<br />
tut er bis heute. Und begleitet auch seine<br />
ehemaligen Studenten bei Ausstellungen<br />
und Katalogen mit Rat und Tat. Als Lehrer<br />
mag sein hoher Anspruch ihn selbst<br />
behindert und seine Neider geängstigt<br />
haben. Sein Galerist erklärt es so: „Er war<br />
einfach zu gut.“ Marion Leske<br />
Mit seiner<br />
lebensgroßen<br />
Bronze „Nachhut“<br />
von <strong>2011</strong> betrat der<br />
Maler Neuland<br />
(C) COURTESY GALERIE<br />
EIGEN+ART LEIPZIG/<br />
BERLIN, VG BILD-KUNST,<br />
BONN <strong>2011</strong><br />
Zwei Meter lang, zwei Meter hoch.<br />
Das waren die ersten Informationen<br />
über die neue Arbeit von <strong>Neo</strong><br />
<strong>Rauch</strong>. Und dass sie aus Bronze sein<br />
würde: in Form einer imposanten Skulptur.<br />
Mehr wollte sein Galerist Gerd Harry<br />
Lybke nicht verraten. Bis zur Art Cologne,<br />
der Kölner Kunstmesse im April<br />
dieses Jahres, mussten sich Sammler<br />
und andere Neugierige gedulden, um zu<br />
erfahren, welche Richtung in seiner<br />
Kunst der Maler nun einschlägt.<br />
Die Bronze in der Koje der Galerie Eigen+Art<br />
hieß dann „Nachhut“ und erinnert<br />
an einen Kentaur. Ein Mischwesen<br />
aus der antiken Mythologie: von vorne<br />
Mensch, von hinten ein Raubtier. Bastarde<br />
also, die als wild und unbeherrscht<br />
gelten und in der Malerei lange ihren<br />
Platz als gefährliche Fabelwesen hatten.<br />
<strong>Neo</strong> <strong>Rauch</strong>s eigentümlichem Mann<br />
quillt am Bauch das Fell unter der Jacke<br />
hervor. In jeder Hand trägt er einen Benzinkanister,<br />
was im Kontrast zu seiner<br />
surrealen Gestalt steht. Hier kommt<br />
Realität ins Spiel, und mit Blick auf die<br />
beiden konkreten Behälter weiß man<br />
plötzlich nicht mehr so genau, wofür der<br />
Titel der Skulptur nun eigentlich steht:<br />
Verwischt sie als „Nachhut“ Spuren im<br />
Feuer mit entzündetem Benzin? Oder<br />
sorgt sie nur für den bescheidenen<br />
Nachschub einer Flüssigkeit, um die bereits<br />
Kriege entbrennen?<br />
So uneindeutig <strong>Rauch</strong>s Figur agiert, so<br />
typisch ist sie für das Werk des Künstlers.<br />
Trotz ihrer Größe wirkt sie wie aus<br />
einem Bild des Malers gefallen:<br />
schwer beschäftigt mit seltsam<br />
sinnlosen Tätigkeiten, deren<br />
Zweck vielleicht nicht einmal<br />
ihr Schöpfer kennt.<br />
Drei Abgüsse hat<br />
<strong>Rauch</strong> von seiner ersten<br />
Skulptur in der<br />
renommierten Berliner<br />
Bildgießerei Noack<br />
fertigen lassen. Einmal<br />
war „Nachhut“ bislang öffentlich<br />
zu sehen. Im <strong>Museum</strong> <strong>Frieder</strong><br />
<strong>Burda</strong> feiert die Arbeit<br />
nun Premiere vor einem<br />
großen Publikum. ane<br />
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+<br />
+
SEITE VI DIE <strong>WELT</strong> 28. MAI – 18. SEPTEMBER <strong>2011</strong><br />
NEO RAUCH IN BADEN-BADEN<br />
Zu Besuch in der Spinnerei<br />
Das Kunstquartier<br />
im Westen Leipzigs<br />
zieht mit seinen<br />
Galerien und<br />
Künstlerateliers<br />
Sammler und<br />
Touristen an<br />
T Auf dem Gelände wurde bis<br />
Anfang der 1990er-Jahre noch<br />
Garn verarbeitet. Mittlerweile<br />
nutzen 350 Mieter aus<br />
dem Kulturbereich die Hallen,<br />
darunter 100 Künstler<br />
T Mit etwas Glück trifft man hier<br />
bekannte Maler beim<br />
Kaffeetrinken oder Farbenkauf<br />
CHRISTIANE MEIXNER<br />
Ein weißer Bus holpert über<br />
das Pflaster, auf dem Parkplatz<br />
spuckt er ein halbes<br />
Dutzend Touristen aus. Das<br />
ist nichts im Vergleich zu jenen<br />
Wochenenden im Jahr, an denen die<br />
Leipziger Spinnerei schon traditionell<br />
zum Rundgang lädt. Dann kommen Tausende,<br />
drängeln sich durch die Räume<br />
der ansässigen Galerien, sorgen für eine<br />
aufgedrehte Atmosphäre – und versperren<br />
bestenfalls den Weg zur Kunst.<br />
So gesehen ist die kleine Gruppe an einem<br />
Wochentag weit besser auf dem<br />
Areal am Rand von Leipzig aufgehoben.<br />
Und wäre sie nicht so versessen auf ihren<br />
Termin im coolen Besucherzentrum,<br />
das vor vier Jahren in die Räume von<br />
„Spinnerei archiv massiv“ gezogen ist,<br />
wäre ihre visuelle Ausbeute an diesem<br />
Morgen noch ein bisschen größer: Denn<br />
während sich die Gruppe suchend umschaut,<br />
radelt <strong>Neo</strong> <strong>Rauch</strong> mit seiner<br />
Frau, der Malerin Rosa Loy, gemächlich<br />
vorbei. Die Touristen aber sind froh,<br />
endlich die Tür zum „archiv massiv“ gefunden<br />
zu haben, hinter der sie ihren<br />
Scout vermuten.<br />
Ein Rundgang mit Sicherheitsreifen.<br />
Natürlich kann man sich jedes Detail erklären<br />
lassen. Doch die alte Baumwollspinnerei<br />
lebt mehr vom Flair des Unkalkulierbaren.<br />
Welcher Künstler heute in<br />
der renommierten Farben- und Rahmenhandlung<br />
auf dem Gelände einkauft, wer<br />
im benachbarten Café ein Sandwich isst<br />
oder welcher potenzielle Kunstkäufer<br />
durch die ansässigen Galerien zieht, lässt<br />
sich nicht vorhersagen. Nur, dass dieses<br />
Zufallsprogramm täglich wechselt. Und<br />
dass der Trubel, der kürzlich erst wieder<br />
zum Frühlingsrundgang zu beobachten<br />
war, einem entspannten Alltag im Kunstquartier<br />
weicht.<br />
Nicht einmal die Malerei, die angeblich<br />
so typisch für Leipzig ist, wird im<br />
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Jochen Plogsties war bis 2008 Meisterschüler von <strong>Neo</strong> <strong>Rauch</strong>. Er hat erfahren, was es bedeutet, in dessen Umkreis zu sein. Was immer sich mit seinem<br />
Namen assoziieren ließ, war gefragt. Mittlerweile nimmt er in seinen Arbeiten Fäden bis zu Rembrandt und Lucas Cranach dem Älteren auf<br />
Übermaß gezeigt. Die Galerie Eigen+Art,<br />
die fast alle Vertreter der sogenannten<br />
Neuen Leipziger Schule vertritt, zeigt aktuell<br />
eine Ausstellung von Carsten Nicolai,<br />
in der ein weißer Fallschirm in unregelmäßigen<br />
Abständen von einer Luftmaschine<br />
aufgebläht wird. Dem kurzen<br />
Eindruck einer raumfüllenden Skulptur<br />
folgt die Ernüchterung: Sobald der Wind<br />
fehlt, schrumpft das Gebilde zu einem<br />
schlaffen Stück Stoff.<br />
Thomas Steinert, dessen Bilder in der<br />
Filipp Rosbach Galerie zu sehen sind, hat<br />
zwar in Leipzig an der Hochschule für<br />
Grafik und Buchkunst studiert. Das aber<br />
+<br />
Sebastian Burger (Foto r.)<br />
gehört zum kleinen Kreis<br />
der Meisterschüler, die<br />
<strong>Neo</strong> <strong>Rauch</strong> nach der<br />
Aufgabe seiner<br />
Professur weiter betreut.<br />
Neben Künstlern und<br />
Galerien haben sich auf<br />
dem Spinnerei-Gelände<br />
(links) auch Designer,<br />
Modemacher und<br />
Kunstinitiativen sowie<br />
Tanz- und Theatergruppen<br />
angesiedelt<br />
in den 70er-Jahren – womit der etablierte<br />
Fotograf so gar nicht Teil jener Generation<br />
ist, die vom Label der „Neuen<br />
Leipziger Schule“ profitiert hat. Genau<br />
wie Hartwig Ebersbach, den die Galerie<br />
Dogenhaus ausstellt: Bis an die Wurzeln<br />
der Leipziger Schule, die von Malern wie<br />
Bernhard Heisig geprägt ist, hat der Entdeckergeist<br />
nicht gereicht. Ebersbach,<br />
der bis 1964 bei Heisig studierte, malt außerdem<br />
fingerdick und so abstrakt, als<br />
wolle er noch die kleinste Ahnung von<br />
Figuration vermeiden. Auch Matthias<br />
Reinmuth in der Galerie ASPN passt<br />
nicht ins Raster: Der ehemalige Meisterschüler<br />
von Georg Baselitz betreibt den<br />
Kurzschluss zwischen abstrakten Farbfeldern<br />
und narrativen Elementen, die<br />
sich auf seinen Leinwänden zu assoziativen<br />
Szenen zusammensetzen.<br />
Wer die „Neue Leipziger Schule“<br />
sucht, als deren Synonym <strong>Neo</strong> <strong>Rauch</strong><br />
nach wie vor gilt, der muss andere Treppen<br />
nehmen. Zur Halle 18 der Spinnerei<br />
beispielsweise, wo Sebastian Burger sein<br />
Atelier hat. Der Maler gehört zum kleinen<br />
Kreis von Meisterschülern,<br />
die <strong>Rauch</strong> auch<br />
„Ich kann<br />
nicht so<br />
tun, als<br />
hätte ich<br />
nicht bei<br />
<strong>Rauch</strong><br />
studiert“<br />
nach der Abgabe seiner<br />
Professur an der Leipziger<br />
Hochschule betreut.<br />
Fünf Studenten sind es<br />
noch, Burger findet das<br />
„sehr komfortabel“. Sein<br />
Professor betreut ihn<br />
nicht nur, sondern kuratiert<br />
auch Projekte und<br />
schreibt Texte für Ausstellungen,<br />
auf denen immer<br />
wieder das Zauberwort<br />
auftaucht: „Meisterklasse<br />
<strong>Neo</strong> <strong>Rauch</strong>“.<br />
Für Künstler wie Burger,<br />
der sich institutionell<br />
wie auf dem Markt<br />
erst noch bewähren<br />
muss, ist das ein Pfund<br />
zum Wuchern. Und<br />
ebenso eine Last, denn die Erwartungen<br />
sind hoch. „Natürlich kann ich nicht so<br />
tun, als hätte ich nicht bei <strong>Rauch</strong> studiert.<br />
Aber die Handschrift ist anders –<br />
ich möchte ja auch etwas davon haben“,<br />
sagt Burger und zeigt wie zum Beweis<br />
auf eine große, schwarze Leinwand im<br />
Atelier. Darauf purzeln Formen durcheinander,<br />
die teils figurativ, teils aber<br />
auch so abstrakt sind, dass sie sich kaum<br />
mit den konstruierten Orten des Lehrers<br />
zusammenbringen lassen. Manche Figuren<br />
erinnern dann doch an <strong>Neo</strong> <strong>Rauch</strong>s<br />
ominöse Männer mit ihren Spitzbärten<br />
und Gehröcken. „Solche Sachen schleichen<br />
sich unbewusst ein“, meint Burger.<br />
Die Nähe provoziere das. Es macht aber<br />
auch nichts: Der 1974 Geborene ist<br />
schließlich ein Schüler, der immer noch<br />
über ein Jahr in der Klasse vor sich hat.<br />
Anders verhält es sich mit Jochen<br />
Plogsties, der sein Atelier ebenfalls in<br />
der Spinnerei hat. Ihn betreute <strong>Neo</strong><br />
Sebastian Burger<br />
Meisterschüler<br />
von <strong>Neo</strong> <strong>Rauch</strong><br />
<strong>Rauch</strong> bis 2008, und Plogsties hat erfahren,<br />
was es damals hieß: im Dunstkreis<br />
des international begehrten Malers zu<br />
sein. Was immer sich mit <strong>Rauch</strong> assoziieren<br />
ließ, war schon gekauft. Auch bei<br />
Plogsties klopften Sammler pausenlos<br />
an, um zu reservieren. 15 Interessenten<br />
für ein und dasselbe Bild waren keine<br />
Seltenheit. Was einen zur Selbstüberschätzung<br />
verführen kann. Oder aber dazu,<br />
dass man das abflauende Interesse an<br />
einem Label begrüßt, das<br />
ohnehin mehr für den<br />
Markt konstruiert ist.<br />
Plogsties gehört zur<br />
zweiten Fraktion. Er<br />
kann es sich leisten. Er<br />
ist weiterhin erfolgreich<br />
– obwohl sich seine Bilder<br />
längst von den formalen<br />
Erwartungen an<br />
die „Neue Leipziger<br />
Schule“ abgekoppelt haben.<br />
Plogsties’ Vorbilder<br />
reichen viel weiter zurück<br />
und nehmen die Fäden<br />
bis zu Rembrandt,<br />
Cranach oder dem Landschaftsmaler<br />
Carl Blechen<br />
wieder auf. Manches<br />
wird als Zitat collagiert,<br />
in jüngerer Zeit arbeitet<br />
er sich direkt in<br />
die historischen Sujets ein, indem er diese<br />
originalgetreu wiederholt.<br />
Einfühlung ist ein elementares Thema,<br />
das weit über die reine Kopie hinausweist.<br />
Ähnlich kann man wohl auch<br />
das Verhältnis zum ehemaligen Professor<br />
sehen: Plogsties hat etwas aus der<br />
Zeit als Meisterschüler mitgenommen<br />
und es verwandelt. Dass er nun auf andere<br />
Art ein Erbe antritt, dafür kann er<br />
nichts. Der junge Maler bekommt mit<br />
dem Kunstpreis der „Leipziger Volkszeitung“<br />
dieselbe Auszeichnung, die 1997<br />
am Beginn der Karriere von <strong>Neo</strong> <strong>Rauch</strong><br />
stand. Der Preis, den auch Matthias Weischert<br />
und Julius Popp erhielten, ist mit<br />
10 000 Euro dotiert und im Dezember<br />
mit einer Ausstellung im Leipziger <strong>Museum</strong><br />
der bildenden Künste verbunden.<br />
Vielleicht schauen die Spinnerei-Touristen<br />
anschließend genauer hin, wenn einer<br />
mit dem Fahrrad vorbeiradelt. Es<br />
könnte der nächste Star sein.<br />
JÖRG GLÄSCHER (2); PA/ZB WALTRAUD GRUBITZSCH<br />
Elke Hannemann, Geschäftsführerin<br />
der Leipziger Galerie Eigen+Art<br />
„Viele haben<br />
davon<br />
profitiert“<br />
DIE <strong>WELT</strong>: Frau Hannemann, fragen<br />
Besucher eigentlich immer noch als<br />
Erstes nach <strong>Neo</strong> <strong>Rauch</strong>?<br />
ELKE HANNEMANN: Wenn Sie die<br />
Frage im Archiv der Spinnerei stellen,<br />
wird man dort halb die Augen verdrehen<br />
und halb amüsiert schauen. Es gibt tatsächlich<br />
immer noch Besucher, die auf<br />
ein touristisches Erlebnis aus sind – inklusive<br />
Atelierbesuch. Anfangs war es<br />
massiv, da mussten wir Diskussionen<br />
führen und erklären, dass die Arbeitsräume<br />
der Künstler auf dem Gelände keine<br />
öffentlichen Orte sind und man nicht<br />
einfach reinspazieren kann.<br />
Und was ist mit den Privatjets, die<br />
sich zu den Rundgängen im Frühjahr<br />
und Herbst über Leipzig drängelten?<br />
GERD HARRY LYBKE: Das gab es<br />
wohl, aber der Flughafen war nicht wirklich<br />
jedes zweite Wochenende ausgebucht.<br />
Da haben Medien übertrieben. Es<br />
ist seit 20<strong>05</strong> ruhiger geworden, aber das<br />
Phänomen der Leipziger Spinnerei gibt<br />
es immer noch. Wir arbeiten ja auch daran,<br />
die Rundgänge attraktiv zu halten.<br />
In den Ateliers der Spinnerei arbeiten<br />
viele jüngere Künstler, einige studierten<br />
oder studieren bei <strong>Rauch</strong>. Ihr<br />
Professor überstrahlt als Figur ja alle.<br />
Wie geht man damit um?<br />
ELKE HANNEMANN: Damit mussten<br />
und müssen sich die Künstler schon auseinandersetzen.<br />
Die Spinnerei hat den<br />
Hype um die „Neue Leipziger Schule“<br />
leicht ausgehalten, für die Studenten war<br />
es sicher unterschiedlich. Natürlich haben<br />
viele davon profitiert. Aber man<br />
muss auch aushalten, dass man verglichen<br />
wird. Es war wohl eher die erste<br />
Generation nach <strong>Rauch</strong>, die schließlich<br />
genervt auf das Etikett reagierte. Tim Eitel,<br />
Matthias Weischer und David<br />
Schnell: Sie alle wurden unter „Neue<br />
Leipziger Schule“ subsumiert, obwohl<br />
sie ganz unterschiedlich arbeiten – was<br />
man in den <strong>Museum</strong>s-Ausstellungen der<br />
vergangenen Jahre auch sieht. Aber die<br />
Wahrnehmung war lange reduziert.<br />
Haben Sie je nachgedacht, Eigen+Art<br />
in Leipzig zu schließen, um sich auf<br />
Berlin zu konzentrieren?<br />
JUDY LYBKE: Nein, dafür leben hier zu<br />
viele Künstler der Galerie. Und dafür<br />
gibt es zu viele Besucher. Es hat auch mit<br />
der Geschichte der Galerie zu tun, die<br />
ich 1983 in meiner Wohnung gegründet<br />
habe. Nach mehreren Umzügen suchten<br />
wir zusammen mit anderen Galerien<br />
nach einem neuen Ort, weil Leipzigs Innenstadt<br />
saniert wurde. Eigen+Art hat<br />
dann im April 20<strong>05</strong> mit einer Ausstellung<br />
von Birgit Brenner im Kesselhaus<br />
der ehemaligen Spinnerei eröffnet. Unsere<br />
Ausstellungen in Leipzig sind drei<br />
Monate lang zu sehen, weil der Raum<br />
größer ist und der Aufwand ein anderer.<br />
In Berlin wechseln die Ausstellungen alle<br />
sechs bis sieben Wochen im normalen<br />
Galeriemodus. Außerdem findet man<br />
Räume wie den in Leipzig im Zentrum<br />
Berlins kaum noch. Deshalb erhalten wir<br />
uns lieber zwei Spielwiesen.<br />
Das Gespräch führte Christiane Meixner<br />
Gründete die Galerie und ist mit <strong>Neo</strong><br />
<strong>Rauch</strong> befreundet: Gerd Harry Lybke<br />
JÖRG GLÄSCHER (1); PA/DPA WALTRAUD GRUBITZSCH (1)
28. MAI – 18. SEPTEMBER <strong>2011</strong> DIE <strong>WELT</strong> SEITE VII<br />
NEO RAUCH IN BADEN-BADEN<br />
Alle Informationen<br />
zu Anreise,<br />
Übernachtung,<br />
Tickets und<br />
Öffnungszeiten.<br />
Für Kinder gibt es<br />
ein umfangreiches<br />
Begleitprogramm<br />
mit thematischen<br />
Rundgängen durch<br />
das <strong>Museum</strong><br />
Die Sommerausstellung <strong>2011</strong><br />
im <strong>Museum</strong> <strong>Frieder</strong> <strong>Burda</strong><br />
stellt vom 28. Mai bis zum<br />
18. September mit <strong>Neo</strong><br />
<strong>Rauch</strong> einen der international<br />
bekanntesten deutschen Künstler<br />
der Gegenwart vor. Gezeigt werden 36<br />
Werke aus den vergangenen 20 Jahren.<br />
Öffnungszeiten<br />
Das <strong>Museum</strong> hat von Dienstag bis Sonntag<br />
jeweils von 10 bis 18 Uhr geöffnet,<br />
montags ist geschlossen. Das <strong>Museum</strong><br />
öffnet an allen Feiertagen.<br />
Eintrittspreise<br />
Der Eintritt kostet zehn Euro. Für ermäßigte<br />
Tickets (u. a. Studenten, Schwerbehinderte,<br />
Arbeitslose) sind acht Euro zu<br />
zahlen. Kinder bis acht Jahren haben<br />
freien Eintritt. Ab neun Jahren fünf Euro.<br />
Eltern mit Kindern zahlen 22 Euro<br />
für eine Familienkarte.<br />
Führungen<br />
Öffentliche Führungen (drei Euro) finden<br />
mittwochs, 16 Uhr, sowie Samstag,<br />
Sonntag und an Feiertagen um 11 und 15<br />
Uhr statt. Angeboten werden auch private<br />
Gruppenführungen. Anmeldung:<br />
Dienstag bis Freitag 10 bis 12 Uhr unter<br />
Telefon 07221/3 98 98 38 oder per E-Mail:<br />
fuehrungen@museum-frieder-burda.de<br />
Begleitprogramm<br />
Zur Ausstellung bietet das <strong>Museum</strong> auch<br />
ein Begleitprogramm. Dazu zählen eine<br />
Sonderführung zum Thema „Von der Inspiration<br />
und den Vorbildern im Werk<br />
von <strong>Neo</strong> <strong>Rauch</strong>“ sowie Führungen für<br />
Blinde und Sehbehinderte und eine Führung<br />
für Gehörlose. Infos unter Telefon<br />
07221/3 98 98-0.<br />
Programm für Kinder<br />
Für Kinder ab sieben Jahren werden verschiedene<br />
thematische <strong>Museum</strong>srundgänge<br />
angeboten. Die kleinen Besucher<br />
können dabei versuchen, die Träume,<br />
Mythen, Fantasien und Geschichten, die<br />
in den eigenwilligen Bildern von <strong>Neo</strong><br />
Mit Fontana fing es an<br />
Die Kunstsammlung <strong>Frieder</strong> <strong>Burda</strong>s umfasst etwa 1000 Werke<br />
UWE SAUERWEIN<br />
Der Vater sah rot, im wahrsten<br />
Sinne des Wortes: ein Bild, das<br />
nur aus roter Leinwand bestand,<br />
die der italienische Maler Lucio Fontana<br />
an drei Stellen aufgeschlitzt hatte. Franz<br />
<strong>Burda</strong>, der selber gegenständliche Expressionisten<br />
sammelte, war alles andere<br />
als begeistert, als sein Sohn <strong>Frieder</strong> diesen<br />
radikalen Fontana 1968 von der documenta<br />
in Kassel ins heimische Offenburg<br />
brachte.<br />
Dass Fontanas „Concetto Spaziale“<br />
am Anfang einer Kollektion stand, die<br />
später zu den bedeutendsten privaten<br />
Kunstsammlungen Europas zählen würde,<br />
war dem damals 32-jährigen <strong>Frieder</strong><br />
<strong>Burda</strong> natürlich nicht bewusst. Und auch<br />
dass die Leidenschaft für die zeitgenössische<br />
Kunst ihm wesentlich dabei half,<br />
sich von seinem Elternhaus zu emanzipieren,<br />
wurde dem Verlegersohn erst viel<br />
später klar. Obwohl <strong>Frieder</strong> <strong>Burda</strong> auch<br />
selbst unternehmerisch äußerst erfolgreich<br />
war, so war es doch die Kunst, in<br />
welcher der heute 75-Jährige seine Bestimmung<br />
fand.<br />
„Lebenslinien – Stationen einer<br />
Sammlung“ hieß die Ausstellung, die unlängst<br />
im <strong>Museum</strong> <strong>Frieder</strong> <strong>Burda</strong> endete.<br />
80 von rund tausend Kunstwerken waren<br />
zu sehen, die für wichtige Schwerpunkte<br />
im Aufbau der Privatsammlung<br />
stehen. Ausgangspunkt sind deutsche<br />
Expressionisten, dessen Bilder <strong>Burda</strong><br />
<strong>Rauch</strong> versteckt sind, zu enträtseln, zu<br />
erzählen und zu malen.<br />
Termine und Themen:<br />
Mittwoch, 3. August: Theater – Die Kulisse<br />
zu <strong>Neo</strong> <strong>Rauch</strong>s Welttheater<br />
Mittwoch, 10. August: Am Abgrund – Das<br />
Unheimliche in <strong>Rauch</strong>s Bildern<br />
Mittwoch, 17. August: Rätsel – Das Rätselhafte<br />
in <strong>Rauch</strong>s Bildergeschichten<br />
Mittwoch, 7. September: Träume – Das<br />
Phantasievolle, Unbewusste nimmt in<br />
<strong>Neo</strong> <strong>Rauch</strong>s Bildern Gestalt an.<br />
Die Führungen finden jeweils in der Zeit<br />
von 11 bis 13 Uhr statt und kosten acht<br />
Euro pro Teilnehmer.<br />
Kulturticket<br />
Die Deutsche Bahn bietet ein Kultur-Ticket-Spezial.<br />
Damit fahren Besucher<br />
HATJE CANTZ<br />
(C) COURTESY GALERIE EIGEN+ART LEIPZIG/BERLIN,VG BILD-KUNST, BONN <strong>2011</strong>, FOTO: MUSEUM FRIEDER BURDA<br />
Wissenswertes rund um die Ausstellung<br />
Im Hatje<br />
Cantz Verlag<br />
erscheint<br />
der Katalog<br />
zur Schau.<br />
Er kostet in<br />
der Ausstellung<br />
<strong>27</strong>,80 Euro<br />
noch aus dem Elternhaus kannte: Ernst<br />
Ludwig Kirchner, August Macke oder<br />
Max Beckmann. Schwerpunkte jedoch<br />
bilden der abstrakte amerikanische Expressionismus,<br />
neben Mark Rothko vor<br />
allem Willem de Kooning, Clyfford Still<br />
und Jackson Pollock, sowie Bilder des<br />
späten Picasso. <strong>Burda</strong> besitzt bedeutende<br />
Werkgruppen von Gerhard Richter,<br />
Sigmar Polke, Georg Baselitz und Arnulf<br />
Rainer. Mit vielen Künstlern verbindet<br />
ihn eine persönliche Freundschaft.<br />
Die vorerst letzte Station der Sammlung<br />
bilden junge Künstler, die ebenfalls<br />
teilweise bereits internationalen Ruhm<br />
erfahren. Wie <strong>Neo</strong> <strong>Rauch</strong>: Von den 36<br />
Gemälden der aktuellen Ausstellung in<br />
Baden-Baden stammen vier aus der<br />
zum Festpreis nach Baden-Baden – hin<br />
und zurück am selben Tag im ICE, EC<br />
oder IC. Das Ticket-Spezial erhalten Interessenten<br />
bei gleichzeitigem Kauf einer<br />
Eintrittskarte zur Ausstellung „<strong>Neo</strong><br />
<strong>Rauch</strong>“. Es ist erhältlich in allen DB Reisezentren<br />
und DB Agenturen und gilt ab<br />
allen Bahnhöfen im Umkreis von 300 Kilometern.<br />
Der Preis pro Person in der 2.<br />
Klasse beträgt 39 Euro bzw. 59 Euro in<br />
der 1. Klasse. Die Fahrkarten sind kontingentiert<br />
und zuggebunden. Sie können<br />
bis zu drei Tage vor Antritt der Reise gebucht<br />
werden. Kinder zwischen sechs<br />
und unter 15 Jahren reisen in Begleitung<br />
ihrer Eltern oder Großeltern kostenlos.<br />
Dazu müssen die mitreisenden Kinder<br />
auf der Fahrkarte eingetragen werden.<br />
Weitere Informationen im Internet:<br />
www.bahn.de/kultur. Wer mit dem Baden-Württemberg-Ticket<br />
der Deutschen<br />
Bahn (29 Euro für bis zu fünf Personen)<br />
nach Baden-Baden anreist, zahlt im <strong>Museum</strong><br />
den ermäßigten Eintrittspreis.<br />
Anreise und Parken<br />
Ab dem Bahnhof Baden-Baden führen<br />
die Buslinien 201, 216 oder 243 zur Haltestelle<br />
Augustaplatz/ <strong>Museum</strong> <strong>Frieder</strong><br />
<strong>Burda</strong>. Von dort sind es etwa 100 Meter<br />
bis zum <strong>Museum</strong>. Der Fußweg ist ausgeschildert.<br />
Wer mit dem Pkw anreist,<br />
kann in Baden-Baden den Hinweisschildern<br />
zu den Parkgaragen Congress oder<br />
Sammlung, hinzu kommen Zeichnungen<br />
des Künstlers. „Teile der Sammlung werden<br />
immer wieder unter neuen Gesichtspunkten,<br />
im monografischen oder<br />
gesellschaftspolitischen Kontext zu sehen<br />
sein“, sagt Ludger Hünnekens, der<br />
seit acht Monaten das <strong>Museum</strong> <strong>Frieder</strong><br />
<strong>Burda</strong> leitet.<br />
Weil <strong>Burda</strong> oft betonte, er wolle mit<br />
der Kunst den Menschen eine Freude<br />
machen, warf man ihm mitunter vor, er<br />
habe mit der Einrichtung ein „Wohlfühl-<br />
<strong>Museum</strong>“ geschaffen. „Unser Haus ist<br />
mittlerweile etabliert und steht so im<br />
Wettbewerb der Kunstkritik“, betont Direktor<br />
Hünnekens. „Der Wohlfühlfaktor<br />
ist legitim, aber er darf nicht das ausschlaggebende<br />
Argument sein.“<br />
SAMMLUNG FRIEDER BURDA<br />
<strong>Frieder</strong><br />
<strong>Burda</strong> vor<br />
dem „Stadtbild“<br />
seines<br />
langjährigen<br />
Freundes<br />
Gerhard<br />
Richter<br />
+<br />
Kurhaus/Casino folgen. Ab 1. August gibt<br />
es wegen Baumaßnahmen in der Innenstadt<br />
eine geänderte Verkehrsführung.<br />
Parkplätze für Besucher mit Mobilitätseinschränkungen<br />
befinden sich in den<br />
genannten Parkhäusern.<br />
Für Gehbehinderte ist zudem ein Einund<br />
Ausstieg auf der für den Verkehr gesperrten<br />
Lichtentaler Allee am <strong>Museum</strong><br />
möglich. Das <strong>Museum</strong> <strong>Frieder</strong> <strong>Burda</strong> ist<br />
<strong>Neo</strong> <strong>Rauch</strong>, Ausflug (Ausschnitt), 1998, Privatsammlung © VG Bild-Kunst, Bonn <strong>2011</strong> / Courtesy Galerie EIGEN+ART Leipzig/Berlin und David Zwirner, New York<br />
etwa 20 Minuten vom Flughafen Karlsruhe/Baden-Baden<br />
entfernt.<br />
Übernachtung<br />
Infos und Hotelbuchungen bietet Tourist-Information<br />
www.baden-baden.de<br />
Nächste Ausstellungen<br />
Das <strong>Museum</strong> hat die nächsten Ausstellungen<br />
bereits geplant. Von Oktober bis<br />
FÜR DIE LEIPZIGER SCHULE<br />
FÄHRT MAN JETZT NACH<br />
BADEN-BADEN.<br />
Nix wie weg.<br />
Von Flensburg bis München gilt: Jetzt buchen!<br />
Bahn & Hotel schon ab 99 €<br />
Ihre Eintrittskarte zur <strong>Neo</strong>-<strong>Rauch</strong>-Ausstellung<br />
ist bereits inklusive!<br />
Gilt für Abreisen zwischen <strong>27</strong>.<strong>05</strong>. und <strong>27</strong>.06.<strong>2011</strong>. Preis pro Person im DZ.<br />
L’TUR. Europas Nr. 1 für Last Minute.<br />
www.ltur.de . 165 L’TUR Shops . 0800/9 99 58 87<br />
gebührenfrei<br />
In Kooperation mit:<br />
Damit <strong>Neo</strong> <strong>Rauch</strong>s<br />
großformatige Werke<br />
wie „Alter“ (2001, l.)<br />
und „Platz“ (2000)<br />
wirken können,<br />
wurden in den<br />
Räumlichkeiten des<br />
<strong>Museum</strong>s die<br />
Trennwände und<br />
Einbauten entfernt.<br />
Der amerikanische<br />
Architekt Richard<br />
Meier gestaltete das<br />
Haus als offenes und<br />
lichtdurchflutetes<br />
Gebäude, das an die<br />
Staatliche Kunsthalle<br />
Baden-Baden<br />
anschließt und<br />
eine Einheit mit der<br />
Parklandschaft an der<br />
Lichtentaler Allee<br />
eingeht. Das <strong>Museum</strong><br />
wurde 2004 eröffnet<br />
Januar 2012 sind Werke von Anselm Kiefer<br />
zu sehen, von Februar bis Juni 2012<br />
Arbeiten von William N. Copley.<br />
Internet<br />
Ausführliche Informationen zum <strong>Museum</strong><br />
und zur Ausstellung im Internet:<br />
www.museum-frieder-burda.de<br />
(Alle Angaben ohne Gewähr)<br />
ANZEIGE
SEITE VIII DIE <strong>WELT</strong> 28. MAI – 18. SEPTEMBER <strong>2011</strong><br />
NEO RAUCH IN BADEN-BADEN<br />
Bäder- und Baukunst in einem bietet<br />
das Friedrichsbad auf dem Florentinerberg<br />
In Baden-Badens berühmter Trinkhalle sprudelt nach wie vor Thermalwasser. Unweit von hier beginnt die reizvolle Lichtentaler Allee mit ihren Museen<br />
STADT BADEN-BADEN (3); FESTSPIELHAUS BADEN-BADEN<br />
Schloss Versailles nachempfunden:<br />
die prachtvollen Räume des Spielcasinos<br />
Europas Sommerhauptstadt<br />
T Internationale Stars der<br />
klassischen Musik gastieren<br />
im Festspielhaus<br />
T Beim „New Pop Festival“<br />
Mitte September kann man viele<br />
Nachwuchsbands erleben<br />
UWE SAUERWEIN<br />
Fahrkarten“ steht über dem<br />
Billetschalter. Schließlich<br />
handelt es sich bei der Empfangshalle<br />
des Baden-Badener<br />
Festspielhauses um den<br />
alten Stadtbahnhof. Wüsste man das<br />
nicht, würde man es kaum glauben, bei<br />
all dem Glanz der Belle Époque. Hinter<br />
der neoklassizistischen Halle öffnet sich<br />
heute ein modernes Konzerthaus mit<br />
2500 Plätzen. Die Akustik der 1998 eingeweihten<br />
Spielstätte ist weltweit berühmt.<br />
Und die Künstler, die die private<br />
Kulturstiftung in Deutschlands größtem<br />
Opern- und Konzerthaus präsentiert, besitzen<br />
durchweg internationalen Rang.<br />
Allein im Juni kommen das Deutsche<br />
Symphonie-Orchester Berlin, Waltraud<br />
Meier, Daniel Barenboim und Pierre<br />
Boulez, Hélène Grimaud, Elina Garanca<br />
sowie die Bamberger Symphoniker. Und<br />
dass erst vor wenigen Tagen die Berliner<br />
Philharmoniker verkündeten, ab 2013 zu<br />
Ostern nicht mehr bei den Salzburger<br />
Kunst, Architektur<br />
und prachtvolle<br />
Gartenanlagen:<br />
Baden-Baden ist<br />
mehr als ein Kurort.<br />
Es hat sich auch<br />
als kulturelles<br />
Zentrum etabliert<br />
Festspielen, sondern in Baden-Baden<br />
auftreten zu wollen, zeigt zusätzlich, wohin<br />
in der Stadt mit ihren gerade mal<br />
55 000 ständigen Bewohnern kulturpolitisch<br />
die Reise geht.<br />
Im Alten Dampfbad kurte im 19. Jahrhundert<br />
zwar so ziemlich alles, was<br />
Rang und Namen hatte. Doch es waren<br />
nicht nur die Thermalquellen, die Baden-Baden<br />
zur Sommerhauptstadt Europas<br />
machten. Der Ort besaß schon immer<br />
polyglottes Flair. Vom Hausberg,<br />
dem Merkur, sieht man bei gutem Wetter<br />
das Straßburger Münster, am Wochenende<br />
treffen heute viele Tagesausflügler<br />
aus Frankreich auf russische<br />
Langzeitbesucher. Zwar wird dem Hotelgast<br />
immer noch eine Kurtaxe abverlangt.<br />
Längst aber ist Baden-Baden vor<br />
allem Kulturstadt.<br />
Um diese kennenzulernen, empfiehlt<br />
sich für den Neuling eine romantische<br />
Kutschfahrt. Und zwar durch die berühmte<br />
Lichtentaler Allee. Der zwei Kilometer<br />
lange Weg zwischen Kurpark<br />
und dem Zisterzienserinnenkloster Lichtental<br />
ist grüne Lunge der Stadt und zugleich<br />
ihr kulturelles Herz. Die Allee war<br />
im 19. Jahrhundert die klassische Promenade<br />
der Kurgäste, heute gilt sie als <strong>Museum</strong>smeile.<br />
Nach wenigen Metern Fahrt<br />
sieht man das klassizistische Adelspalais<br />
mit der Hausnummer 8, das LA8, in dem<br />
das erste <strong>Museum</strong> für Kunst und Technik<br />
des 19. Jahrhunderts residiert. Nur<br />
ein paar Schritte weiter erreicht man die<br />
Großer<br />
Bahnhof für<br />
die Klassik:<br />
Das ehemalige<br />
Bahnhofsgebäude<br />
dient heute als<br />
Empfangshalle<br />
des für seine<br />
Akustik<br />
weltberühmten<br />
Festspielhauses<br />
1909 von Hermann Billing erbaute Staatliche<br />
Kunsthalle Baden-Baden, seit Jahrzehnten<br />
ein Glanzstück der Avantgarde.<br />
„Geschmack – der gute, der schlechte<br />
und der wirklich teure“ heißt die nächste<br />
Schau, die ab 9. Juli vor allem zeitgenössische<br />
Künstler präsentiert. Beim Gebäude<br />
nebenan, mit der Kunsthalle<br />
durch eine gläserne Brücke verbunden,<br />
lässt sich über Geschmack kaum streiten.<br />
Auf geniale Weise greift das von Richard<br />
Meier entworfene <strong>Museum</strong> <strong>Frieder</strong><br />
<strong>Burda</strong> den Geist der Allee auf, lässt<br />
Architektur, Natur und Kunst miteinander<br />
kommunizieren.<br />
Die Lage im Rheingraben beschert der<br />
Region ein mildes Klima und somit eine<br />
üppige Vegetation. An Kastanien, Tulpenbäumen<br />
und Magnolien flaniert der<br />
Besucher entlang, 40 Mammutbäume<br />
stehen an der Allee. Die 1,6 Hektar umfassende<br />
Gönneranlage ist ein Gartenkunstwerk<br />
von europäischer Bedeutung.<br />
Zur Geschichte der Stadt erfährt man einiges<br />
im Stadtmuseum. Entlang dem<br />
Flüsschen Oos gelangt man an stattlichen<br />
Villen und Wasserfällen vorbei<br />
über die Klosterwiese zur Abtei Lichtental,<br />
wo regelmäßig Konzerte mit Kirchenmusik<br />
veranstaltet werden.<br />
Fast zehn Jahre verbrachte Johannes<br />
Brahms die Sommermonate in Lichtental.<br />
Viele seiner Kompositionen entstanden<br />
in dieser Idylle, hier besuchte er regelmäßig<br />
seine Freundin Clara Schumann.<br />
Ob Liszt, Paganini oder Walzerkönig<br />
Johann Strauß: Zahllose Namen<br />
aus der klassischen Musik sind mit Baden-Baden<br />
verbunden. Im Kurhaus finden<br />
auch heute viele Konzerte statt, etwa<br />
mit den Baden-Badener Philharmonikern,<br />
auch draußen in der Konzertmuschel<br />
an den wunderschönen Kolonnaden<br />
wird Musik angeboten. Die kulturelle<br />
Vergangenheit der Stadt spiegelt sich<br />
auch im Spielplan des Theaters wider.<br />
1862 im Stil der Pariser Garnier Opéra<br />
erbaut und mit modernster Technik<br />
nachgerüstet, ist es eines der schönsten<br />
Theatergebäude Deutschlands. Gogol<br />
und Dostojewski kommen in der nächsten<br />
Spielzeit auf die Bühne, aber auch<br />
„Red“, ein Stück über den Maler Mark<br />
Rothko, dessen Bilder <strong>Frieder</strong> <strong>Burda</strong>s<br />
Sammelleidenschaft auslösten.<br />
Vom Theater sind es wenige Schritte<br />
bis in die Altstadt mit Restaurants,<br />
Weinstuben, Cafés und schicken Geschäften.<br />
Die Badekultur wird im historischen<br />
Friedrichsbad und in den modernen<br />
Caracalla-Thermen hochgehalten.<br />
Zu sehen sind zudem Reste römischer<br />
Bäder, wo man sich einst die Zeit mit<br />
Glücksspiel vertrieb. Das Casino im Kurhaus<br />
steht damit in einer langen Tradition.<br />
Man muss sich nicht unbedingt dem<br />
Risiko des Glücksspiels hingeben, um in<br />
den Genuss der prachtvollen, dem Versailler<br />
Schloss nachempfundenen Räumlichkeiten<br />
zu kommen. Vormittags gibt<br />
es außerdem Führungen. Sehenswert<br />
auch einige Meter weiter die Trinkhalle:<br />
16 korinthische Säulen stützen die 90<br />
Meter lange offene Vorhalle, wo der Gast<br />
lustwandelnd 14 Wandbilder aus der<br />
Stadtgeschichte betrachten kann.<br />
Die ganze Stadt wird seit 1998 alljährlich<br />
zur Bühne für Newcomer, wenn der<br />
SWR3 zum „New Pop Festival“ lädt. Vom<br />
15. bis 17. September sind diesmal unter<br />
anderem US-Chartsstürmer Bruno Mars,<br />
Andreas Bourani, Brooke Fraser, Clare<br />
Maguire, Rumer und die französische<br />
Chanson-Pop-Sängerin ZAZ mit von der<br />
Partie. Bei dem „Live Lyrix“ im <strong>Museum</strong><br />
<strong>Frieder</strong> <strong>Burda</strong>, einer Art Poetry Slam,<br />
werden Übersetzungen von Songtexten<br />
als Lese-Performance präsentiert. Alles<br />
ist auch online, bei Live-Streams im Internet<br />
(swr3.de) zu erleben.<br />
www.baden-baden.de<br />
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Foto: Kazakov<br />
Dienstag – Sonntag 10–18 Uhr | Lichtentaler Allee 8b | 76530 Baden-Baden | Telefon 07221/3 98 98-0 | www.museum-frieder-burda.de<br />
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