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Leseprobe - World of Armitage

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Jeanne C. Stein<br />

Blutrotes Verlangen<br />

Roman<br />

Aus dem Amerikanischen<br />

von Katharina Volk<br />

Knaur Taschenbuch Verlag


Die amerikanische Originalausgabe erschien 2009<br />

unter dem Titel »Retribution« bei Ace Books /<br />

The Berkley Publishing Group,<br />

a division <strong>of</strong> Penguin Group (USA) Inc., New York.<br />

Wenn Ihnen dieser Roman gefallen hat, empfehlen wir Ihnen<br />

gerne ausgewählte Titel aus unserem Programm – schreiben Sie einfach<br />

eine E-Mail mit dem Stichwort »Blutrotes Verlangen« an:<br />

mystery@droemer-knaur.de<br />

Besuchen Sie uns im Internet:<br />

www.knaur.de<br />

Deutsche Erstausgabe März 2011<br />

Copyright © 2009 by Jeanne C. Stein<br />

Copyright © 2011 für die deutschsprachige Ausgabe<br />

bei Knaur Taschenbuch.<br />

Ein Unternehmen der Droemerschen Verlagsanstalt<br />

Th. Knaur Nachf. GmbH & Co. KG, München.<br />

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise –<br />

nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.<br />

Redaktion: Ralf Reiter<br />

Umschlaggestaltung: ZERO Werbeagentur, München<br />

Umschlagabbildung: FinePic ® , München<br />

Satz: Adobe InDesign im Verlag<br />

Druck und Bindung: CPI – Clausen & Bosse, Leck<br />

Printed in Germany<br />

ISBN 978-3-426-50684-4<br />

2 4 5 3 1


Für meinen Vater – der es nie so ganz kapiert hat.<br />

Und für meine Familie und die Freunde,<br />

die es verstehen.<br />

Dieses Buch ist für euch.


Prolog<br />

E<br />

s war zu dunkel. Sie konnte nichts sehen.<br />

Sie rümpfte die Nase. Irgendetwas stank hier. Es stank<br />

nach Urin und Erbrochenem und …<br />

… Tod. Sie erkannte den Geruch, obwohl ihr das nicht<br />

möglich sein sollte. Vor vierundzwanzig Stunden hätte sie<br />

ihn noch nicht wahrnehmen können.<br />

Sie fürchtete sich. Er sollte doch hier sein. Er hatte ihr<br />

versprochen, dass er da sein würde.<br />

Sie trat näher an die Wand heran, weg von der Tür. Die<br />

Dunkelheit grapschte mit eisigen Fingern nach ihr. Sie war<br />

zu neu. Sie fühlte sich verletzlich und schutzlos. Ihr Blut,<br />

sein Blut, rann durch ihre Adern, doch es bot ihr keinen<br />

Schutz. Wo war die Kraft, die er ihr versprochen hatte? Die<br />

Freiheit von jeglicher Angst?<br />

Sie begann zu zittern. Sie war so hungrig. Sie musste trinken.<br />

Er hatte gesagt, er würde hier sein und ihr helfen. Ihr<br />

zeigen, was sie tun musste.<br />

Ein Geräusch, das Scharren von Krallen auf Beton, ließ sie<br />

zusammenfahren. Die Haut an ihrem Steißbein spannte sich.<br />

Hier drin waren Ratten. Er erwartete doch nicht, dass sie<br />

Ratten fraß, oder? Nein, er würde sie wieder bei ihm trinken<br />

lassen, wenn er nichts anderes geplant hatte. Sie würde niemals<br />

Ungeziefer fressen, ganz gleich, wie hungrig sie war.<br />

Kribbelnde Erregung breitete sich in ihr aus. Sie hatte es<br />

geschafft. Sie war ein Vampir geworden, gehörte nun zu<br />

den Mächtigen, den Unsterblichen. Sie war nicht so, wie<br />

7


sie erwartet hatte – die Verwandlung. Doch sie hatte die<br />

Schwelle überschritten und war auf der anderen Seite wieder<br />

hervorgetreten. Sie war jetzt ein Vampir.<br />

Warum kauerte sie dann verängstigt hier im Dunkeln<br />

wie ein Kind, nur weil er sich verspätete? Hatte er nicht<br />

gesagt, dass ihr Instinkt hervorbrechen würde, wenn es an<br />

der Zeit war, sich ihren ersten Menschen zu nehmen?<br />

Vielleicht hatte er mehr Zutrauen in ihre Fähigkeiten als<br />

sie selbst. Vielleicht hatte er beschlossen, sie allein auf die<br />

Jagd gehen zu lassen, weil er wusste, was sie konnte.<br />

Vielleicht stand er direkt hinter dieser Tür und wartete<br />

darauf, dass sie …<br />

Dass sie was?<br />

Sie spähte in die Dunkelheit. Hier war niemand. Es waren<br />

keine Menschen in diesem Gebäude, da war sie sicher.<br />

Sie roch nichts außer dem widerlichen Gestank des Verfalls.<br />

Sie hörte keinen Herzschlag, kein Atmen, Schnaufen oder<br />

Husten.<br />

Sie war allein. Mit den Ratten.<br />

Sie drückte auf einen Knopf an ihrer Armbanduhr. Die<br />

Anzeige leuchtete auf. Sie war seit dreißig Minuten hier.<br />

Noch fünf Minuten würde sie warten.<br />

Sie tastete sich an der Wand entlang zurück zur Tür. Kein<br />

Mondlicht durchbrach die Finsternis oder warf auch nur<br />

einen Schimmer durch die zerbrochenen Fensterscheiben.<br />

Ärger beschleunigte ihre Schritte. Warum hatte er behauptet,<br />

sie würden sich hier treffen? War das so eine Art dämlicher<br />

Initiations-Scherz? Wenn ja, fand sie ihn gar nicht<br />

komisch. Das würde er schon bald merken.<br />

Sie stieß gegen die Tür, quietschend schwang sie auf.<br />

Er wartete draußen auf sie, und sein Gesicht wirkte im<br />

trüben Licht sehr blass.<br />

8


»Wo warst du denn?«<br />

Er lächelte und hob den Arm.<br />

Ein unsicherer Schauer kroch ihr den Rücken hoch. »Was<br />

ist das?«<br />

Er trat einen Schritt näher und schoss.<br />

Der Bolzen aus der Armbrust traf sie direkt unter der<br />

linken Brust. Ein Stich.<br />

Wärme.<br />

Und dann …<br />

Ich fahre im Bett hoch und sitze mit hämmerndem Herzen<br />

da.<br />

Himmel, was für ein seltsamer Traum.<br />

9


Kapitel 1<br />

E<br />

inige Eigenschaften eines Vampirs sind in meinem Beruf<br />

recht praktisch.<br />

Dieser Abend zeigt es mal wieder.<br />

Ich bin Kopfgeldjägerin. Die Frau, auf die ich es abgesehen<br />

habe, sitzt drei Meter von mir entfernt an der Bar und<br />

lässt sich mit billigem Bier und Whiskey volllaufen. Sie lehnt<br />

an der Schulter ihres Losers von einem Freund, der Hank<br />

heißt. Das weiß ich, weil ich den Alkoholdampf rieche, ihre<br />

vom Suff vernebelten Augen sehe und jedes Wort hören<br />

kann, das sie sagen. Wann sie gehen wollen und wohin, wen<br />

sie dort treffen wollen und wie viel Geld sie wohl zählen werden,<br />

wenn sie den Supermarkt überfallen haben.<br />

Sie hat keine Ahnung, dass jemand lauscht. Wie könnte<br />

sie auch? Der Lärm in diesem Schuppen hat so viel Dezibel<br />

wie ein Düsenjet. Aber ich höre sie. Ich höre alles.<br />

Sie lässt sich von dem Barhocker rutschen und landet<br />

schwankend auf den Füßen. Ihr Name ist Hilda. Sie wird<br />

wegen schwerer Körperverletzung in drei Fällen gesucht.<br />

Der Freund, mit dem sie hier trinkt, hat eine der Anzeigen<br />

erstattet. Offenbar haben sie sich seitdem versöhnt. Sie ist<br />

etwa eins sechzig groß und muss über hundertzwanzig Kilo<br />

wiegen. Sie trägt eine Hüftjeans und ein enges T-Shirt.<br />

Kein schöner Anblick.<br />

Hilda sammelt das Wechselgeld ein, das sie für ihren<br />

Zwanzigdollarschein bekommen hat – einen Fünfer und<br />

ein paar Münzen. Der Barkeeper hat ihr das Kleingeld vor<br />

11


fünf Minuten lächelnd hingelegt, nachdem Hilda die Rechnung<br />

verlangt hatte.<br />

Jetzt macht der Mann ein enttäuschtes Gesicht; er hatte<br />

geh<strong>of</strong>ft, sie würde das Geld vergessen.<br />

Hildas Miene drückt deutlich aus: wohl kaum.<br />

Sie schiebt ihm die paar Münzen hin, stopft sich aber<br />

den Schein vorn ins T-Shirt und grinst. »Willst du mehr<br />

Trinkgeld? Dann komm und hol’s dir.«<br />

Hank packt sie beim Arm. »Was soll das, du Miststück?«<br />

Der Barkeeper macht einen Schritt rückwärts und wendet<br />

sich ab. Der Freund ist größer als Hilda und sieht fies<br />

aus. Dem Stirnrunzeln des Barkeepers ist deutlich anzumerken,<br />

dass ihm fünf Dollar nicht so viel Stress wert sind.<br />

Er geht ans andere Ende der Bar.<br />

Hilda und ihr Freund streiten sich den ganzen Weg bis<br />

zur Tür. Ich schlüpfe hinter ihnen nach draußen. Ich weiß<br />

schon, wo sie ihren Wagen geparkt haben, und während sie<br />

dorthin wanken, eile ich ihnen voraus. Als sie ankommen,<br />

lehne ich an der Fahrertür und wirbele spielerisch ein Paar<br />

Handschellen durch die Luft.<br />

»Was soll der Scheiß?«, fragt Hank.<br />

»Ja, was soll der Scheiß?«, echot Hilda.<br />

»Hilda, Hilda. Deine Tochter hat mich heute Nachmittag<br />

angerufen. Sie ist ganz außer sich. Weißt du, warum?«<br />

Hilda verengt die Augen. »Nein. Warum?«<br />

»Du hast <strong>of</strong>fenbar vergessen, dass du diese Woche einen<br />

Gerichtstermin hattest. Du bist nicht gekommen. Wenn ich<br />

dich nicht noch heute Abend im Gefängnis abliefere, wird<br />

deine Tochter ihr Haus verlieren. Das möchten wir doch<br />

nicht riskieren, oder?«<br />

Der Freund schnaubt knurrend, tritt einen Schritt auf<br />

mich zu und glaubt, er wirke bedrohlich.<br />

12


Sein leichtes, bes<strong>of</strong>fenes Schielen und der Sabber, der ihm<br />

aus dem Mundwinkel rinnt, lassen die Wirkung leider verpuffen.<br />

Ich bleibe stehen und erwidere das Knurren, aber<br />

buchstäblich.<br />

Seine Augen weiten sich, aber er stemmt tapfer die Hände<br />

in die leicht schwankenden Hüften und sagt: »Diese Anklage<br />

ist Blödsinn. Mach, dass du von meinem Auto wegkommst,<br />

kleine Lady, sonst muss ich dich übers Knie legen.«<br />

Er grinst Hilda an. »Das ist ’ne gute Idee, was? Wir verpassen<br />

der Schlampe eine Tracht Prügel, die sie nie vergessen<br />

wird.«<br />

Hilda erwidert das Grinsen. Einen Moment lang glaube<br />

ich, sie hätten vergessen, dass ich da bin. Dann wirbeln beide<br />

herum und rennen in entgegengesetzte Richtungen davon.<br />

Hank wählt die bessere Route – in Richtung Straße. Überraschend<br />

gelenkig macht er einen Satz auf die Lade fläche<br />

eines vorbeirollenden Pick-ups und späht durch die Heckscheibe.<br />

Der Fahrer merkt nicht, dass er einen neuen Mitfahrer<br />

hat, und der Wagen verschwindet die Straße entlang.<br />

Hank hat keine Kaution laufen, also kümmere ich mich<br />

nicht um ihn. Ich renne Hilda nach. Sie hat einen kleinen<br />

Vorsprung, ist aber trotzdem keine Herausforderung für<br />

mich – hundertzwanzig Kilo Couch-Potato. Ich brauche<br />

nicht einmal die besondere Kraft oder Schnelligkeit des<br />

Vampirs und habe sie eingeholt, ehe sie den Rand des Parkplatzes<br />

erreicht hat.<br />

Ich stoße sie zu Boden und springe auf ihren breiten Rücken.<br />

Sie bäumt sich unter mir auf wie ein Bulle beim Rodeo.<br />

Ich reiße ihr die Hände hinter den Rücken und lasse die<br />

Handschellen zuschnappen. Das geht so schnell, dass sie<br />

die Fesseln gar nicht bemerkt, bis sie versucht, sich hochzustemmen.<br />

13


Sie fängt an, nach Hank zu schreien.<br />

»Spar dir den Atem, Süße«, flüstere ich ihr ins Ohr. »Als<br />

ich Hank zuletzt gesehen habe, ist er gerade hinten auf<br />

einen Pick-up gehüpft. Der ist längst weg.«<br />

Ich richte mich auf und zerre sie auf die Füße, mit einer<br />

Hand, als wöge sie zwölf Kilo statt hundertzwanzig. »Sieht<br />

so aus, als wären wir beide allein.«<br />

Hilda starrt mich an, ihr Blick ist verschwommen von<br />

Alkohol und Verwirrung. »Wie haben Sie …? Was …? Wo<br />

sind Sie …?«<br />

Ich tätschele ihr den Kopf und schiebe sie auf mein Auto<br />

zu. »Versuch gar nicht erst, das zu verstehen, Hilda, sonst<br />

tust du dir noch weh.«<br />

Sie stolpert vorwärts. Ich habe eine Hand an den Handschellen<br />

und eine in ihrem Rücken liegen. Wir haben fast<br />

das Auto erreicht, als mein Handy klingelt.<br />

Ich hole es aus der Hosentasche und klappe es auf. Es ist<br />

mein Partner David, der gerade Urlaub auf den Bahamas<br />

macht.<br />

»Hallo, Anna«, sagt er. »Wie geht’s?«<br />

»Großartig.« Ich öffne die hintere Wagentür und stoße<br />

Hilda auf den Rücksitz. »Amüsierst du dich gut?«<br />

Er lacht. »Ich liege an einem Strand und trinke Mojitos<br />

aus Kokosnuss-Schalen. Und du?«<br />

Hilda blickt zu mir auf und spuckt mich an. Das Problem<br />

ist nur, dass sie in ihrem Suff keine Koordination mehr<br />

hat. Die Spucke tropft von ihrem eigenen Kinn und klatscht<br />

in die Nähe des Fünfdollarscheins, den sie sich vorhin ins<br />

Oberteil gestopft hat.<br />

Ich knalle die Tür zu und setze mich hinters Lenkrad. »O<br />

ja«, antworte ich David. »Ich amüsiere mich prächtig.«<br />

14

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