23.11.2013 Aufrufe

ZURÜCK ZU ALTER STÄRKE! - Hotel San Francesco al Monte

ZURÜCK ZU ALTER STÄRKE! - Hotel San Francesco al Monte

ZURÜCK ZU ALTER STÄRKE! - Hotel San Francesco al Monte

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

4 -2012 | 13. Jahrgang | € 4,60<br />

neurologie<br />

psychiatrie<br />

IN DIESEM HEFT<br />

patienten journ<strong>al</strong><br />

reise & gesundheit<br />

REISE<br />

Neapel ist voller Wunder<br />

Verwunschene Welt am<br />

Chiao-Lan-Stausee<br />

Im Kleinw<strong>al</strong>sert<strong>al</strong> gibt es<br />

für <strong>al</strong>les ein Kraut<br />

MEDIZIN<br />

Schwerpunkt Neurologie:<br />

M. Parkinson<br />

Schwerpunkt Psychiatrie:<br />

Spielsucht<br />

<strong><strong>ZU</strong>RÜCK</strong> <strong>ZU</strong><br />

<strong>ALTER</strong> <strong>STÄRKE</strong>!


ITALIEN<br />

Bella Napoli<br />

»Alles ist auf der Straße, sitzt in der Sonne, so lange<br />

sie scheinen will. Der Neapolitaner glaubt, im Besitz<br />

des Paradieses zu sein «, schrieb Goethe auf seiner<br />

It<strong>al</strong>ien - Reise im Februar 1787.<br />

Gudrun Rentsch (Text)<br />

GLÜCKSFALL Für die Römer war die<br />

Ebene zu Füßen des Vesuv gesegnetes<br />

Land, »Campania felix«.<br />

04| ärztliches journ<strong>al</strong> neurologie/psychiatrie 4|2012 4|2012 ärztliches journ<strong>al</strong> neurologie/psychiatrie |05<br />

Foto: © gdefilippo - Fotolia


ITALIEN<br />

ITALIEN<br />

SZENERIE Blickpunkt auf der Piazza<br />

del Gesù ist die Guglia dell’Immacolata, eine<br />

opulente, 1747-1750 von Giuseppe Genuino<br />

geschaffene Architekturplastik mit reichem<br />

Rokoko-Dekor (1). So stellt man sich Neapel<br />

vor: quirlig und lebendig, wie hier in der<br />

Einkaufsstraße Via Chiaia (2).<br />

1<br />

Der Tag ist herrlich. Wir haben einen<br />

Tisch im Schatten gewählt und je einen<br />

Espresso und eine Sfogliatella bestellt.<br />

Das sind diese köstlichen, kleinen neapolitanischen<br />

Kuchen mit Ricotta-Käse-<br />

Füllung und kandierten Obststücken. Vor<br />

uns liegt das <strong>al</strong>tehrwürdige Teatro <strong>San</strong><br />

Carlo, gleich gegenüber die Passage G<strong>al</strong>leria<br />

Umberto, der S<strong>al</strong>on der Stadt. Aus<br />

der Ferne, im hellblauen Dunst, grüßt die<br />

Silhouette des Vesuvs.<br />

Neapel ist aufregend, lebendig und voller<br />

Stimmen und Laute. Man sagt, der<br />

Mensch neige dazu, desto lautere Äußerungen<br />

von sich zu geben, je mehr er<br />

sich im Freien aufhält. Von den Neapolitanern<br />

ist bekannt, dass sie sich sehr viel<br />

im Freien aufh<strong>al</strong>ten. Wie zum Beispiel<br />

mitten in der Altstadt an der schönen<br />

Piazza <strong>San</strong> Domenico, die eine Geräuschkulisse<br />

umgibt, die der Komponist Hans<br />

Werner Henze einst <strong>al</strong>s eine Sinfonie<br />

schilderte – »mit fantasievollen Modulationen,<br />

heißblütig, streichelnd, sehnsüchtige<br />

Schauer des Lebens, der Zeiten«. Daran<br />

wird sich hier auch bis tief in den frühen<br />

Morgen nichts ändern. Denn die<br />

Jugend hat diesen stimmungsvollen Ort<br />

zum Treff auserkoren, um bei Dosenbier<br />

und Zigaretten die Nacht durchzuplaudern,<br />

während sich Künstler und Musiker<br />

eher in den Bars rund um die Piazza Bellini<br />

einfinden.<br />

Keine schnelle Nummer<br />

In Neapel sei <strong>al</strong>les Meer, Himmel und<br />

Hölle, schrieb Goethe vor über 200 Jahren<br />

von seiner It<strong>al</strong>ienreise. Oder meinte<br />

er, hier sei von <strong>al</strong>lem mehr: von Himmel<br />

und Hölle? Beides stimmt. Neapel, die<br />

Stadt am Meer, ist auch die Stadt des<br />

Überschusses. Eine Stadt <strong>al</strong>lerdings, die<br />

sich nicht für den schnellen touristischen<br />

Verbrauch eignet. Mehr <strong>al</strong>s anderswo<br />

f<strong>al</strong>len in Neapel Gegensätze zusammen,<br />

muss man genau dem inneren Rhythmus<br />

lauschen. Zunächst verwirrt der<br />

schnelle Wechsel von Spannung und<br />

2<br />

Fotos: Ernst Wrba (1), Udo Bernhart (1)<br />

Fotos: © Fotolia/emsworth (1), Regione Campania (1)<br />

Entspannung, Pathos und Schmutz,<br />

Gängelung und Muße. Neapel ist nie im<br />

Gleichgewicht. Oder vielleicht doch? Es<br />

ist eine faszinierende B<strong>al</strong>ance aus überbordender<br />

Vit<strong>al</strong>ität und trügerischer südländischer<br />

Trägheit.<br />

Blutiger Ernst<br />

Neapel ist voller Wunder. Seit tausend<br />

Jahren beschwört man in Neapel <strong>San</strong><br />

Gennaro, den Schutzpatron der Stadt,<br />

das <strong>al</strong>ljährliche Wunder seiner Blutverflüssigung<br />

zu wiederholen. In einer Ampulle<br />

wird im Dom die getrocknete Masse<br />

aufbewahrt: das geronnene Blut des <strong>San</strong><br />

Gennaro. Zweim<strong>al</strong> im Jahr warten die<br />

Neapolitaner darauf, dass die dunkelrote<br />

Masse flüssig wird. Das Wunder des <strong>San</strong><br />

Gennaro. Haupttermin ist der 19. September,<br />

am Tag des Heiligen. Ein zweiter<br />

Termin ist der Samstag vor dem ersten<br />

Maisonntag. Für <strong>al</strong>le Fälle gibt es aber<br />

auch noch einen dritten Termin, den 16.<br />

Dezember. Das Eintreten des Wunders ist<br />

ein gutes Omen für die Stadt. Verweigert<br />

dagegen Gennaro das Wunder, so gilt<br />

dies <strong>al</strong>s Vohersage kommenden Unheils<br />

wie Erdbeben oder den endgültigen Abstieg<br />

des heißgeliebten »SSC Napoli«.<br />

In den 1970er Jahren erklärte der Vatikan<br />

Gennaros Kult für fakultativ. Gennaro<br />

blieb zwar Heiliger, wurde aber vom<br />

Heiligenk<strong>al</strong>ender gestrichen, sozusagen<br />

von der Bundes- in die Zweite Heiligen-<br />

Liga herabgestuft. Das war für die Neapolitaner<br />

ein Affront. In der Nacht nach<br />

dem Beschluss des Heiligen Stuhls<br />

schrieb jemand unter ein Standbild Gennaros<br />

den Spruch: »<strong>San</strong> Gennaro, scheiß‘<br />

drauf!«<br />

Glanz und Elend dicht<br />

beieinander<br />

Die Hauptstadt der it<strong>al</strong>ienischen Region<br />

Kampanien und ihre explosive Umgebung<br />

taumeln seit jeher zwischen apok<strong>al</strong>yptischen<br />

Szenarien und schierer Daseinsfreude.<br />

Und doch ist der tiefblaue<br />

Golf, an dem Bella Napoli liegt, gerade<br />

wegen seiner inneren Spannungen und<br />

Widersprüche eine Reise-Destination, zu<br />

der zu reisen sich immer wieder lohnt.<br />

Wir schlendern durch die feine Einkaufsmeile<br />

Via Toledo, biegen in die angrenzenden,<br />

aufsteigenden Gassen der be-<br />

TALISMAN In vielen Geschäften findet man<br />

Schutz vor dem bösen Blick das Corno (neapolitanisch:<br />

»curniciello«), traditionell in Rot oder anderen<br />

Ausführungen (1). In der Kirche <strong>San</strong> Gennaro<br />

wird die berühmte Blutreliquie aufbewahrt (2).<br />

1<br />

2<br />

06| ärztliches journ<strong>al</strong> neurologie/psychiatrie 4|2012 4|2012 ärztliches journ<strong>al</strong> neurologie/psychiatrie |09


ITALIEN<br />

ITALIEN<br />

2<br />

4<br />

1<br />

3<br />

5<br />

6<br />

LOHNEND Die Pizzas bei<br />

»Pizzaiolo« (1); die Piazza del<br />

Plebiscito (5) mit der Kuppelkirche<br />

<strong>San</strong> <strong>Francesco</strong> di Paola (2); die<br />

Jugendstil-Einkaufspassage G<strong>al</strong>leria<br />

Umberto (6), das Kultcafé »Caffé<br />

Gambrinus« (3), die handgenähten<br />

Kravatten von »Ultur<strong>al</strong>e« (4) oder<br />

»Marinella«; seit 1825 baut Raffaele<br />

C<strong>al</strong>aces Familie ihre einzigartigen<br />

Mandolinen (7) .<br />

7<br />

rühmt-berüchtigten so genannten »Spanischen<br />

Viertel« ein. Alles eng, Glanz<br />

und Elend dicht beieinander. Die traditionellen<br />

Gebäude stammen aus der spanischen<br />

Zeit und sind ab dem 16. Jahrhundert<br />

für die spanischen Soldaten entstanden.<br />

Daher hat das Viertel auch<br />

seinen Namen: Quartieri Spagnoli. Die<br />

mehrstöckigen Häuser stehen sehr dicht,<br />

an etlichen Fassaden prangen Glaskästchen<br />

mit Marien- oder Heiligenbildern,<br />

die die Bewohner schützen sollen.<br />

Oben und unten sind die Hauptrichtungen<br />

in Neapels Topographie. Die Stadt<br />

liegt wie festgeklammert zwischen Hügeln<br />

und Meer. Die Straßen schlängeln<br />

sich von den oberen zu den unteren Vierteln<br />

in steilen Serpentinen und wieder<br />

hinauf von der Unterstadt zum Hügel Posillipo<br />

oder zum Vomero. Dort oben liegt<br />

das Kloster <strong>San</strong> Martino. Der Blick von<br />

der Terrasse ist überwältigend. Luft, Wasser,<br />

Feuer, Erde, die vier Urelemente verschmolzen<br />

zu einem atemberaubenden<br />

Panorama.<br />

Die wahre Heimat von Pizza<br />

und Spaghetti Napoli<br />

Wandern und Frischluft machen Appetit.<br />

Da fügt es sich gut, dass Neapel ein Ort ist,<br />

in dem Gourmets und Gourmands gleichermaßen<br />

auf ihre Kosten kommen. Einfache<br />

Speisen sind es in dieser von Arbeitern<br />

und Handwerkern dominierten Stadt,<br />

die sich Besucher munden lassen sollten.<br />

Zum einen jenes Nudelgericht, das auf<br />

deutschen Speisekarten »Spaghetti Napoli«<br />

genannt wird, auf it<strong>al</strong>ienischen indes<br />

schlicht »Spaghetti <strong>al</strong> pomodoro«.<br />

Zum anderen die Pizza, eine der Fama<br />

zufolge neapolitanische Erfindung: 1889<br />

lieferte Trattoria-Besitzer Raffaele Esposito<br />

Teigfladenproben an König Umberto<br />

und seine Frau, Margherita von Savoyen.<br />

Am meisten soll der Königin die einfachste<br />

Pizza zugesagt haben: mit Tomaten,<br />

Mozzarella, frischem Basilikum.<br />

Denn sie (die Pizza, nicht die Königin)<br />

trug, patriotisch korrekt, die It<strong>al</strong>o-Farben<br />

rot, weiß und grün. Der Klassiker hatte<br />

seinen Namen weg.<br />

Fotos: Gudrun Rentsch (5), Reggione Campania (1), privat (1)<br />

Stärkung ist in der Tat angeraten, bevor<br />

man sich weiter den unzähligen Sehenswürdigkeiten<br />

hingibt, wie z.B. dem Duomo<br />

di <strong>San</strong> Gennaro, der religiöse Mittelpunkt<br />

der Stadt und Kirche ihres Schutzheiligen,<br />

oder dem P<strong>al</strong>azzo Re<strong>al</strong>e, das einstige<br />

Machtzentrum der Bourbonen und spanischen<br />

Vizekönige aus dem frühen 17.<br />

Jahrhundert an der Piazza del Plebiscito,<br />

heute Nation<strong>al</strong>bibliothek und Museum,<br />

oder dem Museo Archeologico Nazion<strong>al</strong>e,<br />

eines der weltweit bedeutendsten archäologischen<br />

Museen mit zahlreichen Funden<br />

aus Pompeji und Herculaneum, darunter<br />

viele Großplastiken und Mosaiken,<br />

u.a. die berühmte, aus anderth<strong>al</strong>b Millionen<br />

Mosaiksteinen bestehende Darstellung<br />

der Alexanderschlacht. Es enthält<br />

auch das Gabinetto Segreto (Geheimkabinett),<br />

ein ehem<strong>al</strong>s der Öffentlichkeit nicht<br />

zugänglicher Raum mit einer erlesenen<br />

Sammlung erotischer Kunst der Antike.<br />

Insgesamt 31 Stadtteile zählt die Kapit<strong>al</strong>e,<br />

die sich geo- und topografisch angepasst<br />

um den Golf schmiegen. Der Übergang zu<br />

den angrenzenden, unabhängigen Kommunen<br />

der Agglomeration ist fließend.<br />

Auffällig ist, dass Neapel keine einzelne<br />

Stadtmitte besitzt, sondern mehrere kleinere<br />

Zentren. Diese werden von verschiedenen<br />

größeren Plätzen beherrscht, wie<br />

der Piazza Garib<strong>al</strong>di am Zentr<strong>al</strong>bahnhof,<br />

der Piazza Cavour am Nordrand der Altstadt<br />

oder der Piazza Dante im nordwestlichen<br />

Altstadtbereich.<br />

Krippen, Krawatten und<br />

Mandolinen<br />

Bodenständige Handwerkerbetriebe tummeln<br />

sich im verlaufträchtigen Gassengewirr<br />

der Altstadt neben schrillen Cafés,<br />

einfachen Obsthändlern und luxuriösen<br />

Nobelläden. An der Piazza Vittoria, unweit<br />

der Uferpromenade mit ihrem stetig vor<br />

sich hinflutenden Verkehr, befindet sich<br />

eine klitzekleine, unauffällige Boutique,<br />

die es an dieser Stelle bereits seit beinahe<br />

100 Jahren gibt. In den dunklen hölzernen<br />

Vitrinen: Krawatten über Krawatten. Jeden<br />

Tag um 6.30 Uhr zieht Maurizio Marinella<br />

die Rollläden des Geschäfts hoch. Das hat<br />

bereits sein Großvater so geh<strong>al</strong>ten, der<br />

hochwertige Seidenstoffe aus England importierte<br />

und aus ihnen die feinsten Krawatten<br />

herstellte. Nadeln, Bügeleisen und<br />

Nähgarn, mehr brauchte Meister Marinella<br />

nicht, um eine Tradition zu begründen, die<br />

seitdem um die Welt ging. Bis heute sind<br />

<strong>al</strong>le »Marinella«-Krawatten von Hand gemacht.<br />

Ebenso wie die weltweit berühmten<br />

Mandolinen der Familie C<strong>al</strong>ace. Seit 1825<br />

fertigen sie in Neapel die patentierte »Mandolino<br />

C<strong>al</strong>ace« und verkaufen sie bis heute<br />

in <strong>al</strong>le Welt (www.c<strong>al</strong>ace.it).<br />

Die Via <strong>San</strong> Gregorio Armeno ist die Straße<br />

der Krippenbauer. Dort ist ganzjährig<br />

Advent: Kunsthandwerker und Nippes-<br />

Produzenten verkaufen Weihnachtszubehör<br />

auch bei Sommerhitze. Da staunt der<br />

Japaner, und der Europäer wundert sich.<br />

Zumindest so lange bis es ihn im von Vespas<br />

vibrierenden neapolitanischen Alltag<br />

schon wieder nach Nervennahrung verlangt.<br />

Und es ihn nahe der Krippen-De<strong>al</strong>er,<br />

die nicht von ungefähr in der Gegend<br />

10| ärztliches journ<strong>al</strong> neurologie/psychiatrie 4|2012 4|2012 ärztliches journ<strong>al</strong> neurologie/psychiatrie |11


ITALIEN<br />

ITALIEN<br />

INFO<br />

SPEZIALITÄTEN In der Pasta- Wiege<br />

It<strong>al</strong>iens, Gragnano bei Neapel, machen<br />

Traditionsbetriebe nur aus den besten<br />

Grano Duro-Sorten die angeblich beste<br />

Pasta des Landes (1). Die Pizza wurde<br />

in It<strong>al</strong>ien erfunden (2). Über<strong>al</strong>l in Neapel<br />

wachen Schutzheilige und Kirchen über<br />

das Wohl der Stadt (3).<br />

1<br />

mit der höchsten Kirchendichte der Stadt<br />

logieren, in ein Vorzeige-Café treibt: das<br />

»Scaturchio«, legendär u.a. für Babà, ein<br />

süßes Gebäck, wahlweise mit Creme oder<br />

in Limoncello getunkt.<br />

Aufbruch liegt in der Luft<br />

Als wir wieder in das quirlige Altstadtherz<br />

rund um die Spaccanapoli – eine ewig lange<br />

schnurgerade schm<strong>al</strong>e Straße, »die Neapel<br />

sp<strong>al</strong>tet« (so will es die wortgetreue<br />

Übersetzung) – hinabsteigen sind die dicht<br />

besiedelten Gassen schwarz vor Menschen.<br />

Kleine Läden, die für Büffelkäse<br />

und Tar<strong>al</strong>li, s<strong>al</strong>zige Mürbeteigkringel, werben,<br />

säumen die Hauptadern Via dei Tribun<strong>al</strong>i<br />

und Via <strong>San</strong> Biagio. Am Straßenrand<br />

bieten ältere Frauen Schmuggelzigaretten<br />

und Taschentücher feil. Auf Holzkarren<br />

und Autodächern türmen sich Zitrusfrüchte<br />

und Blumen, über den Köpfen weht frische<br />

Wäsche sacht im Winde. Die Luft ist<br />

durchdrungen von Düften und Geräuschen<br />

des Alltags, die durch geöffnete Türen wehen<br />

oder knatternden Vespas entweichen.<br />

Neapel sehen und sterben? Nirgendwo ist<br />

das geflügelte Wort sinniger <strong>al</strong>s hier, denken<br />

wir, <strong>al</strong>s wir an der Ecke der Piazzetta<br />

2<br />

Nilo einen kleinen Wandschrein an der<br />

vergilbten Wand der »Bar Nilo« entdecken.<br />

Das Antlitz des jungen Diego Armando<br />

Maradona schaut uns entgegen, der zwischen<br />

1984 und 1991 den »SSC Neapel«<br />

zum UEFA-Cup und zwei M<strong>al</strong> zur Meisterschaft<br />

führte. O dio mio!<br />

Jahrelang hatte kaum ein Besucher den<br />

Fuß in die Stadt gesetzt. Neapel g<strong>al</strong>t <strong>al</strong>s<br />

Brutstätte von Korruption, Krimin<strong>al</strong>ität<br />

und Schattenwirtschaft. Touristen<br />

nutzten höchstens den Hafen <strong>al</strong>s Sprungbrett<br />

zu den Inseln Capri und Ischia. Doch<br />

wenn man heute durch die Heimat von Sofia<br />

Loren, Totò, dem Blues-Sänger Pino Daniele<br />

oder der einstigen Stimme It<strong>al</strong>iens,<br />

Enrico Caruso, schlendert, wird schnell<br />

deutlich, dass sich in den vergangenen<br />

Jahren viel verändert hat. Eine Aufbruchstimmung<br />

liegt in der Luft. Viele Besucher<br />

kommen wieder, um in die Einkaufsstraßen,<br />

G<strong>al</strong>erien und zahllosen antiken Schätze<br />

einzutauchen oder einfach nur das pulsierende<br />

Leben einer Stadt zu genießen,<br />

die scheinbar nie aufhört zu atmen. Neapel,<br />

schon immer im Verf<strong>al</strong>l begriffen, vergeht<br />

nie ganz. Vielleicht liegt es daran, dass<br />

es zwei mächtige Schutzheilige hat?<br />

3<br />

Fotos: © Fotolia (2)/Enrico Della Pietra (1) und Marco Mayer (1), Gudrun Rentsch (1)<br />

Fotos: © HLPhoto - Fotolia.com (1), Gudrun rentsch (2)<br />

Conchiglione aus Gragnano<br />

ANREISE<br />

Günstige Flüge z.B. mit Alit<strong>al</strong>ia, Lufthansa<br />

oder TUIfly (www.<strong>al</strong>it<strong>al</strong>ia.com,<br />

www.lufthansa.com, www.tuifly.com/<br />

de). Oder nach Rom und von dort<br />

bequem mit dem Schnellzug<br />

Frecciarossa nach Neapel. Die<br />

schnellste Verbindung braucht nur<br />

etwas länger <strong>al</strong>s 1 Std., kostet <strong>al</strong>lerdings<br />

wesentlich mehr <strong>al</strong>s der über zwei Stunden<br />

fahrende Region<strong>al</strong>zug. Es empfiehlt<br />

sich frühzeitig auf trenit<strong>al</strong>ia.it zu buchen,<br />

dann sind auch wesentlich günstigere<br />

Tarife zu kriegen.<br />

UNTERKUNFT<br />

Grand <strong>Hotel</strong> <strong>San</strong>ta Lucia. Via Partenope<br />

46, Tel. 0039/081/7640666,<br />

www.sant<strong>al</strong>ucia.it. Stilvolle Herberge im<br />

direkt am Golf von Neapel gelegenen<br />

Quartier <strong>San</strong>ta Lucia; historischer<br />

Charme, großzügige Zimmer und wohltuender<br />

Service <strong>al</strong>ter Schule. Und das<br />

Restaurant: superb!<br />

<strong>Hotel</strong> <strong>San</strong> <strong>Francesco</strong> Al <strong>Monte</strong>. Corso<br />

Vittorio Emanuele, 328, Tel. 0039/<br />

081/4239111, www.sanfrancesco<strong>al</strong>monte.it.<br />

Stilvolles 4-Sterne-<strong>Hotel</strong> mit charmanten<br />

Zimmern in einem ehem<strong>al</strong>igen<br />

Kloster, tolle Terrasse mit nettem Pool.<br />

Albergo del Purgatorio. Via <strong>San</strong> Biagio<br />

dei Librai, 39, Tel. 0039/081/299579.<br />

Im P<strong>al</strong>azzo Marigliano, tagsüber G<strong>al</strong>erie,<br />

nachts Quartier für Bohemians mit<br />

Hang zu Farben. Gute Betten, absolut<br />

sauber, acht Meter hohe Räume, DZ ab<br />

100 EUR<br />

<strong>Hotel</strong> des Artistes. Via Duomo, 61,<br />

www.hoteldesartistesnaples.it.<br />

Günstiges, aber gemütliches, familiengeführtes<br />

3-Sterne-Haus ganz in der Nähe<br />

von <strong>San</strong> Gennaro<br />

ESSEN UND TRINKEN<br />

Rosati. Via Chiaia 60, Tel. 0039/<br />

081/421660, www.ristoranterosati.com.<br />

Eine der ältesten Pizzerias Neapels,<br />

stimmungsvoll-gediegen. Empfehlenswert:<br />

die Pizza Margherita natürlich<br />

Sorbillo. Via dei Tribun<strong>al</strong>i, 32, 35, 38,<br />

Tel. 0039/081/446643, www.sorbillo.it.<br />

Drei Pizzerias, eine Familie, serviert wird<br />

hier natürlich die Urpizza, einfach gut<br />

und billig. Unbedingt probieren: Pizza<br />

mit Sahne statt Tomaten <strong>al</strong>s Grundbelag<br />

La Bersagliera. Borgo Marinari 10-11,<br />

Tel. 0039/081/7646016, www.labersagliera.it.<br />

Traditionsrestaurant von 1919,<br />

direkt am Kai von <strong>San</strong>ta Lucia mit Speisesa<strong>al</strong><br />

im Jugendstil und toller Terrasse<br />

mit Blick auf Yachten und das Castell<br />

dell’Ovo. Sehr gute Spaghetti Vongole<br />

und frischer Fisch (z.B. Steinbutt u.<br />

Goldbrasse). Spezi<strong>al</strong>ität: Tagliatelle <strong>al</strong>la<br />

Bersagliera mit Oktopus und Muscheln<br />

Ristorantino Cantina Donna Elena.<br />

Via Tito Angelini 16. Sehr kleines Lok<strong>al</strong><br />

(nur 5 Tische) in einem Kellergewölbe<br />

in der Nähe der Festung <strong>San</strong>t’Elmo. Hier<br />

kocht die Mamma typische neapolitanische<br />

Gerichte (cucina napoletana<br />

casarecchia).<br />

Ristorante Rosiello. Via <strong>San</strong>to Strato, 10,<br />

Tel. 0039/081/5752341,<br />

www.ristoranterosiello.it. Eines der besten<br />

in Neapel, ein wenig außerh<strong>al</strong>b, Terrasse<br />

mit geni<strong>al</strong>em Blick. Authentische<br />

Küche mit Bio-Zutaten, Spezi<strong>al</strong>itäten:<br />

Fisch und Reisgerichte<br />

SHOPPING<br />

Neapel ist für seine Tradition der<br />

Kor<strong>al</strong>lenarbeiten und beeindruckenden<br />

Kameen bekannt. Kameen sind kleine,<br />

meist auf Schmuck- oder Edelsteinen,<br />

Der besondere Tipp<br />

In der Provinz Neapel im Süden It<strong>al</strong>iens liegt die Kleinstadt Gragnano. Seit Jahrhunderten<br />

ist sie für ihre besonders bissfeste Pasta bekannt. Das Geheimnis: Man verwendet<br />

dort nur hochwertigen Hartweizengrieß aus kontrolliertem Anbau aus der Region.<br />

Dem Gran Duro aus Gragnano wird wegen der einzigartigen klimatischen Verhältnisse<br />

vorort eine spezielle Qu<strong>al</strong>ität nachgesagt. Bei der Herstellung setzt man auf eine natürliche,<br />

langsame und statische Trocknung (zwischen 24 und 48 Std., je nach Sorte,<br />

anstatt 6 Std. wie in der industriellen Trocknung üblich). Außerdem wird der Teig ohne<br />

Dampfeinsetzung zwischen 43° und 48° entwässert (anstatt bei 80°, was sonst in<br />

Teigwarenfabriken Standard ist). Auf diese Weise kann der Teig die Proteine, Nährstoffe<br />

und natürlich seinen besonderen Geschmack besser beh<strong>al</strong>ten. Typische Formen für<br />

Gragnano-Pasta sind z. B. Pacchieri und Conchiglioni. Info: www.pastaigragnanesi.it<br />

gearbeitete Reliefschnitzungen. Bei<br />

Ascione (Piazetta Matilde Serao, 19/<br />

G<strong>al</strong>leria Umberto, www.ascione.com)<br />

und De Paola Cameo (Via Caccavello<br />

Annib<strong>al</strong>e 67) werden diese in <strong>al</strong>len<br />

erdenklichen Größen und Formen<br />

hergestellt und verkauft. Tipp: nach<br />

Vintage-Modellen fragen<br />

Ultur<strong>al</strong>e Cravatte. Via Carlo Poerio,<br />

115, Tel. 0039/081/248.1151,<br />

www.ultur<strong>al</strong>ecravatte.it. Handgenähte<br />

Krawatten aus Seide und Kaschmir,<br />

Design häufig mit napolitanischen<br />

Glückssymbolen wie dem Corno; Spezi<strong>al</strong>-Kollektion:<br />

Design mit traditionellen<br />

Symbolen aus dem Kamasutra<br />

E. Marinella. Riviera di Chiaia, 287,<br />

www.marinellanapoli.it. Legendäre,<br />

handgenähte Krawatten seit 1914<br />

Casuccio & Sc<strong>al</strong>era. Via Chiaia, 217.<br />

1956 gründeten Vincenzo Casuccio und<br />

Mario Sc<strong>al</strong>era das bekannte Damenschuhgeschäft.<br />

Die qu<strong>al</strong>itativ gearbeiteten<br />

Schuhe sind elegant, zeitlos oder<br />

ausgef<strong>al</strong>len.<br />

Cerrone. Via Manzoni, 286-288, Delikatessenladen<br />

vom Feinsten, unbedingt<br />

Pasta aus Gragnano mitnehmen!<br />

Limoné. Piazza <strong>San</strong> Gaetano 72. Fabrikation<br />

und Verkauf von Limoncello<br />

LITERATUR<br />

Römisches Südit<strong>al</strong>ien und Sizilien.<br />

Kunst und Kultur von Pompeji bis Syrakus.<br />

Der großformatige Text-Bild-Band<br />

begleitet mit exzellenten Fotos den Leser<br />

in die römische Epoche nach Süditi<strong>al</strong>ien<br />

und Sizilien und gibt fundierte Einblicke<br />

in die Kunst und Kultur dieser Zeit. Von<br />

Filippo Coarelli (Hrsg./Text), Emidio de<br />

Albentiis, Simone Sisani (Text), 300 S.,<br />

Michael Imhof Verlag, 69 EUR<br />

Neapel. Biographie einer Stadt. Von<br />

Dieter Richter, 301 S., Verlag Klaus<br />

Wagenbach, 13,90 EUR<br />

AUSKÜNFTE<br />

It<strong>al</strong>ienische Zentr<strong>al</strong>e für Tourismus<br />

ENIT, Tel. 069/237434<br />

www.enit-it<strong>al</strong>ia.de<br />

www.inaples.it/deu<br />

www.incampania.com<br />

Vintage-Kollektion, Ascione<br />

Am Duomo <strong>San</strong> Gennaro<br />

12| ärztliches journ<strong>al</strong> neurologie/psychiatrie 4|2012<br />

4|2012 ärztliches journ<strong>al</strong> neurologie/psychiatrie |15

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!