ZURÜCK ZU ALTER STÄRKE! - Hotel San Francesco al Monte
ZURÜCK ZU ALTER STÄRKE! - Hotel San Francesco al Monte
ZURÜCK ZU ALTER STÄRKE! - Hotel San Francesco al Monte
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4 -2012 | 13. Jahrgang | € 4,60<br />
neurologie<br />
psychiatrie<br />
IN DIESEM HEFT<br />
patienten journ<strong>al</strong><br />
reise & gesundheit<br />
REISE<br />
Neapel ist voller Wunder<br />
Verwunschene Welt am<br />
Chiao-Lan-Stausee<br />
Im Kleinw<strong>al</strong>sert<strong>al</strong> gibt es<br />
für <strong>al</strong>les ein Kraut<br />
MEDIZIN<br />
Schwerpunkt Neurologie:<br />
M. Parkinson<br />
Schwerpunkt Psychiatrie:<br />
Spielsucht<br />
<strong><strong>ZU</strong>RÜCK</strong> <strong>ZU</strong><br />
<strong>ALTER</strong> <strong>STÄRKE</strong>!
ITALIEN<br />
Bella Napoli<br />
»Alles ist auf der Straße, sitzt in der Sonne, so lange<br />
sie scheinen will. Der Neapolitaner glaubt, im Besitz<br />
des Paradieses zu sein «, schrieb Goethe auf seiner<br />
It<strong>al</strong>ien - Reise im Februar 1787.<br />
Gudrun Rentsch (Text)<br />
GLÜCKSFALL Für die Römer war die<br />
Ebene zu Füßen des Vesuv gesegnetes<br />
Land, »Campania felix«.<br />
04| ärztliches journ<strong>al</strong> neurologie/psychiatrie 4|2012 4|2012 ärztliches journ<strong>al</strong> neurologie/psychiatrie |05<br />
Foto: © gdefilippo - Fotolia
ITALIEN<br />
ITALIEN<br />
SZENERIE Blickpunkt auf der Piazza<br />
del Gesù ist die Guglia dell’Immacolata, eine<br />
opulente, 1747-1750 von Giuseppe Genuino<br />
geschaffene Architekturplastik mit reichem<br />
Rokoko-Dekor (1). So stellt man sich Neapel<br />
vor: quirlig und lebendig, wie hier in der<br />
Einkaufsstraße Via Chiaia (2).<br />
1<br />
Der Tag ist herrlich. Wir haben einen<br />
Tisch im Schatten gewählt und je einen<br />
Espresso und eine Sfogliatella bestellt.<br />
Das sind diese köstlichen, kleinen neapolitanischen<br />
Kuchen mit Ricotta-Käse-<br />
Füllung und kandierten Obststücken. Vor<br />
uns liegt das <strong>al</strong>tehrwürdige Teatro <strong>San</strong><br />
Carlo, gleich gegenüber die Passage G<strong>al</strong>leria<br />
Umberto, der S<strong>al</strong>on der Stadt. Aus<br />
der Ferne, im hellblauen Dunst, grüßt die<br />
Silhouette des Vesuvs.<br />
Neapel ist aufregend, lebendig und voller<br />
Stimmen und Laute. Man sagt, der<br />
Mensch neige dazu, desto lautere Äußerungen<br />
von sich zu geben, je mehr er<br />
sich im Freien aufhält. Von den Neapolitanern<br />
ist bekannt, dass sie sich sehr viel<br />
im Freien aufh<strong>al</strong>ten. Wie zum Beispiel<br />
mitten in der Altstadt an der schönen<br />
Piazza <strong>San</strong> Domenico, die eine Geräuschkulisse<br />
umgibt, die der Komponist Hans<br />
Werner Henze einst <strong>al</strong>s eine Sinfonie<br />
schilderte – »mit fantasievollen Modulationen,<br />
heißblütig, streichelnd, sehnsüchtige<br />
Schauer des Lebens, der Zeiten«. Daran<br />
wird sich hier auch bis tief in den frühen<br />
Morgen nichts ändern. Denn die<br />
Jugend hat diesen stimmungsvollen Ort<br />
zum Treff auserkoren, um bei Dosenbier<br />
und Zigaretten die Nacht durchzuplaudern,<br />
während sich Künstler und Musiker<br />
eher in den Bars rund um die Piazza Bellini<br />
einfinden.<br />
Keine schnelle Nummer<br />
In Neapel sei <strong>al</strong>les Meer, Himmel und<br />
Hölle, schrieb Goethe vor über 200 Jahren<br />
von seiner It<strong>al</strong>ienreise. Oder meinte<br />
er, hier sei von <strong>al</strong>lem mehr: von Himmel<br />
und Hölle? Beides stimmt. Neapel, die<br />
Stadt am Meer, ist auch die Stadt des<br />
Überschusses. Eine Stadt <strong>al</strong>lerdings, die<br />
sich nicht für den schnellen touristischen<br />
Verbrauch eignet. Mehr <strong>al</strong>s anderswo<br />
f<strong>al</strong>len in Neapel Gegensätze zusammen,<br />
muss man genau dem inneren Rhythmus<br />
lauschen. Zunächst verwirrt der<br />
schnelle Wechsel von Spannung und<br />
2<br />
Fotos: Ernst Wrba (1), Udo Bernhart (1)<br />
Fotos: © Fotolia/emsworth (1), Regione Campania (1)<br />
Entspannung, Pathos und Schmutz,<br />
Gängelung und Muße. Neapel ist nie im<br />
Gleichgewicht. Oder vielleicht doch? Es<br />
ist eine faszinierende B<strong>al</strong>ance aus überbordender<br />
Vit<strong>al</strong>ität und trügerischer südländischer<br />
Trägheit.<br />
Blutiger Ernst<br />
Neapel ist voller Wunder. Seit tausend<br />
Jahren beschwört man in Neapel <strong>San</strong><br />
Gennaro, den Schutzpatron der Stadt,<br />
das <strong>al</strong>ljährliche Wunder seiner Blutverflüssigung<br />
zu wiederholen. In einer Ampulle<br />
wird im Dom die getrocknete Masse<br />
aufbewahrt: das geronnene Blut des <strong>San</strong><br />
Gennaro. Zweim<strong>al</strong> im Jahr warten die<br />
Neapolitaner darauf, dass die dunkelrote<br />
Masse flüssig wird. Das Wunder des <strong>San</strong><br />
Gennaro. Haupttermin ist der 19. September,<br />
am Tag des Heiligen. Ein zweiter<br />
Termin ist der Samstag vor dem ersten<br />
Maisonntag. Für <strong>al</strong>le Fälle gibt es aber<br />
auch noch einen dritten Termin, den 16.<br />
Dezember. Das Eintreten des Wunders ist<br />
ein gutes Omen für die Stadt. Verweigert<br />
dagegen Gennaro das Wunder, so gilt<br />
dies <strong>al</strong>s Vohersage kommenden Unheils<br />
wie Erdbeben oder den endgültigen Abstieg<br />
des heißgeliebten »SSC Napoli«.<br />
In den 1970er Jahren erklärte der Vatikan<br />
Gennaros Kult für fakultativ. Gennaro<br />
blieb zwar Heiliger, wurde aber vom<br />
Heiligenk<strong>al</strong>ender gestrichen, sozusagen<br />
von der Bundes- in die Zweite Heiligen-<br />
Liga herabgestuft. Das war für die Neapolitaner<br />
ein Affront. In der Nacht nach<br />
dem Beschluss des Heiligen Stuhls<br />
schrieb jemand unter ein Standbild Gennaros<br />
den Spruch: »<strong>San</strong> Gennaro, scheiß‘<br />
drauf!«<br />
Glanz und Elend dicht<br />
beieinander<br />
Die Hauptstadt der it<strong>al</strong>ienischen Region<br />
Kampanien und ihre explosive Umgebung<br />
taumeln seit jeher zwischen apok<strong>al</strong>yptischen<br />
Szenarien und schierer Daseinsfreude.<br />
Und doch ist der tiefblaue<br />
Golf, an dem Bella Napoli liegt, gerade<br />
wegen seiner inneren Spannungen und<br />
Widersprüche eine Reise-Destination, zu<br />
der zu reisen sich immer wieder lohnt.<br />
Wir schlendern durch die feine Einkaufsmeile<br />
Via Toledo, biegen in die angrenzenden,<br />
aufsteigenden Gassen der be-<br />
TALISMAN In vielen Geschäften findet man<br />
Schutz vor dem bösen Blick das Corno (neapolitanisch:<br />
»curniciello«), traditionell in Rot oder anderen<br />
Ausführungen (1). In der Kirche <strong>San</strong> Gennaro<br />
wird die berühmte Blutreliquie aufbewahrt (2).<br />
1<br />
2<br />
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ITALIEN<br />
ITALIEN<br />
2<br />
4<br />
1<br />
3<br />
5<br />
6<br />
LOHNEND Die Pizzas bei<br />
»Pizzaiolo« (1); die Piazza del<br />
Plebiscito (5) mit der Kuppelkirche<br />
<strong>San</strong> <strong>Francesco</strong> di Paola (2); die<br />
Jugendstil-Einkaufspassage G<strong>al</strong>leria<br />
Umberto (6), das Kultcafé »Caffé<br />
Gambrinus« (3), die handgenähten<br />
Kravatten von »Ultur<strong>al</strong>e« (4) oder<br />
»Marinella«; seit 1825 baut Raffaele<br />
C<strong>al</strong>aces Familie ihre einzigartigen<br />
Mandolinen (7) .<br />
7<br />
rühmt-berüchtigten so genannten »Spanischen<br />
Viertel« ein. Alles eng, Glanz<br />
und Elend dicht beieinander. Die traditionellen<br />
Gebäude stammen aus der spanischen<br />
Zeit und sind ab dem 16. Jahrhundert<br />
für die spanischen Soldaten entstanden.<br />
Daher hat das Viertel auch<br />
seinen Namen: Quartieri Spagnoli. Die<br />
mehrstöckigen Häuser stehen sehr dicht,<br />
an etlichen Fassaden prangen Glaskästchen<br />
mit Marien- oder Heiligenbildern,<br />
die die Bewohner schützen sollen.<br />
Oben und unten sind die Hauptrichtungen<br />
in Neapels Topographie. Die Stadt<br />
liegt wie festgeklammert zwischen Hügeln<br />
und Meer. Die Straßen schlängeln<br />
sich von den oberen zu den unteren Vierteln<br />
in steilen Serpentinen und wieder<br />
hinauf von der Unterstadt zum Hügel Posillipo<br />
oder zum Vomero. Dort oben liegt<br />
das Kloster <strong>San</strong> Martino. Der Blick von<br />
der Terrasse ist überwältigend. Luft, Wasser,<br />
Feuer, Erde, die vier Urelemente verschmolzen<br />
zu einem atemberaubenden<br />
Panorama.<br />
Die wahre Heimat von Pizza<br />
und Spaghetti Napoli<br />
Wandern und Frischluft machen Appetit.<br />
Da fügt es sich gut, dass Neapel ein Ort ist,<br />
in dem Gourmets und Gourmands gleichermaßen<br />
auf ihre Kosten kommen. Einfache<br />
Speisen sind es in dieser von Arbeitern<br />
und Handwerkern dominierten Stadt,<br />
die sich Besucher munden lassen sollten.<br />
Zum einen jenes Nudelgericht, das auf<br />
deutschen Speisekarten »Spaghetti Napoli«<br />
genannt wird, auf it<strong>al</strong>ienischen indes<br />
schlicht »Spaghetti <strong>al</strong> pomodoro«.<br />
Zum anderen die Pizza, eine der Fama<br />
zufolge neapolitanische Erfindung: 1889<br />
lieferte Trattoria-Besitzer Raffaele Esposito<br />
Teigfladenproben an König Umberto<br />
und seine Frau, Margherita von Savoyen.<br />
Am meisten soll der Königin die einfachste<br />
Pizza zugesagt haben: mit Tomaten,<br />
Mozzarella, frischem Basilikum.<br />
Denn sie (die Pizza, nicht die Königin)<br />
trug, patriotisch korrekt, die It<strong>al</strong>o-Farben<br />
rot, weiß und grün. Der Klassiker hatte<br />
seinen Namen weg.<br />
Fotos: Gudrun Rentsch (5), Reggione Campania (1), privat (1)<br />
Stärkung ist in der Tat angeraten, bevor<br />
man sich weiter den unzähligen Sehenswürdigkeiten<br />
hingibt, wie z.B. dem Duomo<br />
di <strong>San</strong> Gennaro, der religiöse Mittelpunkt<br />
der Stadt und Kirche ihres Schutzheiligen,<br />
oder dem P<strong>al</strong>azzo Re<strong>al</strong>e, das einstige<br />
Machtzentrum der Bourbonen und spanischen<br />
Vizekönige aus dem frühen 17.<br />
Jahrhundert an der Piazza del Plebiscito,<br />
heute Nation<strong>al</strong>bibliothek und Museum,<br />
oder dem Museo Archeologico Nazion<strong>al</strong>e,<br />
eines der weltweit bedeutendsten archäologischen<br />
Museen mit zahlreichen Funden<br />
aus Pompeji und Herculaneum, darunter<br />
viele Großplastiken und Mosaiken,<br />
u.a. die berühmte, aus anderth<strong>al</strong>b Millionen<br />
Mosaiksteinen bestehende Darstellung<br />
der Alexanderschlacht. Es enthält<br />
auch das Gabinetto Segreto (Geheimkabinett),<br />
ein ehem<strong>al</strong>s der Öffentlichkeit nicht<br />
zugänglicher Raum mit einer erlesenen<br />
Sammlung erotischer Kunst der Antike.<br />
Insgesamt 31 Stadtteile zählt die Kapit<strong>al</strong>e,<br />
die sich geo- und topografisch angepasst<br />
um den Golf schmiegen. Der Übergang zu<br />
den angrenzenden, unabhängigen Kommunen<br />
der Agglomeration ist fließend.<br />
Auffällig ist, dass Neapel keine einzelne<br />
Stadtmitte besitzt, sondern mehrere kleinere<br />
Zentren. Diese werden von verschiedenen<br />
größeren Plätzen beherrscht, wie<br />
der Piazza Garib<strong>al</strong>di am Zentr<strong>al</strong>bahnhof,<br />
der Piazza Cavour am Nordrand der Altstadt<br />
oder der Piazza Dante im nordwestlichen<br />
Altstadtbereich.<br />
Krippen, Krawatten und<br />
Mandolinen<br />
Bodenständige Handwerkerbetriebe tummeln<br />
sich im verlaufträchtigen Gassengewirr<br />
der Altstadt neben schrillen Cafés,<br />
einfachen Obsthändlern und luxuriösen<br />
Nobelläden. An der Piazza Vittoria, unweit<br />
der Uferpromenade mit ihrem stetig vor<br />
sich hinflutenden Verkehr, befindet sich<br />
eine klitzekleine, unauffällige Boutique,<br />
die es an dieser Stelle bereits seit beinahe<br />
100 Jahren gibt. In den dunklen hölzernen<br />
Vitrinen: Krawatten über Krawatten. Jeden<br />
Tag um 6.30 Uhr zieht Maurizio Marinella<br />
die Rollläden des Geschäfts hoch. Das hat<br />
bereits sein Großvater so geh<strong>al</strong>ten, der<br />
hochwertige Seidenstoffe aus England importierte<br />
und aus ihnen die feinsten Krawatten<br />
herstellte. Nadeln, Bügeleisen und<br />
Nähgarn, mehr brauchte Meister Marinella<br />
nicht, um eine Tradition zu begründen, die<br />
seitdem um die Welt ging. Bis heute sind<br />
<strong>al</strong>le »Marinella«-Krawatten von Hand gemacht.<br />
Ebenso wie die weltweit berühmten<br />
Mandolinen der Familie C<strong>al</strong>ace. Seit 1825<br />
fertigen sie in Neapel die patentierte »Mandolino<br />
C<strong>al</strong>ace« und verkaufen sie bis heute<br />
in <strong>al</strong>le Welt (www.c<strong>al</strong>ace.it).<br />
Die Via <strong>San</strong> Gregorio Armeno ist die Straße<br />
der Krippenbauer. Dort ist ganzjährig<br />
Advent: Kunsthandwerker und Nippes-<br />
Produzenten verkaufen Weihnachtszubehör<br />
auch bei Sommerhitze. Da staunt der<br />
Japaner, und der Europäer wundert sich.<br />
Zumindest so lange bis es ihn im von Vespas<br />
vibrierenden neapolitanischen Alltag<br />
schon wieder nach Nervennahrung verlangt.<br />
Und es ihn nahe der Krippen-De<strong>al</strong>er,<br />
die nicht von ungefähr in der Gegend<br />
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ITALIEN<br />
ITALIEN<br />
INFO<br />
SPEZIALITÄTEN In der Pasta- Wiege<br />
It<strong>al</strong>iens, Gragnano bei Neapel, machen<br />
Traditionsbetriebe nur aus den besten<br />
Grano Duro-Sorten die angeblich beste<br />
Pasta des Landes (1). Die Pizza wurde<br />
in It<strong>al</strong>ien erfunden (2). Über<strong>al</strong>l in Neapel<br />
wachen Schutzheilige und Kirchen über<br />
das Wohl der Stadt (3).<br />
1<br />
mit der höchsten Kirchendichte der Stadt<br />
logieren, in ein Vorzeige-Café treibt: das<br />
»Scaturchio«, legendär u.a. für Babà, ein<br />
süßes Gebäck, wahlweise mit Creme oder<br />
in Limoncello getunkt.<br />
Aufbruch liegt in der Luft<br />
Als wir wieder in das quirlige Altstadtherz<br />
rund um die Spaccanapoli – eine ewig lange<br />
schnurgerade schm<strong>al</strong>e Straße, »die Neapel<br />
sp<strong>al</strong>tet« (so will es die wortgetreue<br />
Übersetzung) – hinabsteigen sind die dicht<br />
besiedelten Gassen schwarz vor Menschen.<br />
Kleine Läden, die für Büffelkäse<br />
und Tar<strong>al</strong>li, s<strong>al</strong>zige Mürbeteigkringel, werben,<br />
säumen die Hauptadern Via dei Tribun<strong>al</strong>i<br />
und Via <strong>San</strong> Biagio. Am Straßenrand<br />
bieten ältere Frauen Schmuggelzigaretten<br />
und Taschentücher feil. Auf Holzkarren<br />
und Autodächern türmen sich Zitrusfrüchte<br />
und Blumen, über den Köpfen weht frische<br />
Wäsche sacht im Winde. Die Luft ist<br />
durchdrungen von Düften und Geräuschen<br />
des Alltags, die durch geöffnete Türen wehen<br />
oder knatternden Vespas entweichen.<br />
Neapel sehen und sterben? Nirgendwo ist<br />
das geflügelte Wort sinniger <strong>al</strong>s hier, denken<br />
wir, <strong>al</strong>s wir an der Ecke der Piazzetta<br />
2<br />
Nilo einen kleinen Wandschrein an der<br />
vergilbten Wand der »Bar Nilo« entdecken.<br />
Das Antlitz des jungen Diego Armando<br />
Maradona schaut uns entgegen, der zwischen<br />
1984 und 1991 den »SSC Neapel«<br />
zum UEFA-Cup und zwei M<strong>al</strong> zur Meisterschaft<br />
führte. O dio mio!<br />
Jahrelang hatte kaum ein Besucher den<br />
Fuß in die Stadt gesetzt. Neapel g<strong>al</strong>t <strong>al</strong>s<br />
Brutstätte von Korruption, Krimin<strong>al</strong>ität<br />
und Schattenwirtschaft. Touristen<br />
nutzten höchstens den Hafen <strong>al</strong>s Sprungbrett<br />
zu den Inseln Capri und Ischia. Doch<br />
wenn man heute durch die Heimat von Sofia<br />
Loren, Totò, dem Blues-Sänger Pino Daniele<br />
oder der einstigen Stimme It<strong>al</strong>iens,<br />
Enrico Caruso, schlendert, wird schnell<br />
deutlich, dass sich in den vergangenen<br />
Jahren viel verändert hat. Eine Aufbruchstimmung<br />
liegt in der Luft. Viele Besucher<br />
kommen wieder, um in die Einkaufsstraßen,<br />
G<strong>al</strong>erien und zahllosen antiken Schätze<br />
einzutauchen oder einfach nur das pulsierende<br />
Leben einer Stadt zu genießen,<br />
die scheinbar nie aufhört zu atmen. Neapel,<br />
schon immer im Verf<strong>al</strong>l begriffen, vergeht<br />
nie ganz. Vielleicht liegt es daran, dass<br />
es zwei mächtige Schutzheilige hat?<br />
3<br />
Fotos: © Fotolia (2)/Enrico Della Pietra (1) und Marco Mayer (1), Gudrun Rentsch (1)<br />
Fotos: © HLPhoto - Fotolia.com (1), Gudrun rentsch (2)<br />
Conchiglione aus Gragnano<br />
ANREISE<br />
Günstige Flüge z.B. mit Alit<strong>al</strong>ia, Lufthansa<br />
oder TUIfly (www.<strong>al</strong>it<strong>al</strong>ia.com,<br />
www.lufthansa.com, www.tuifly.com/<br />
de). Oder nach Rom und von dort<br />
bequem mit dem Schnellzug<br />
Frecciarossa nach Neapel. Die<br />
schnellste Verbindung braucht nur<br />
etwas länger <strong>al</strong>s 1 Std., kostet <strong>al</strong>lerdings<br />
wesentlich mehr <strong>al</strong>s der über zwei Stunden<br />
fahrende Region<strong>al</strong>zug. Es empfiehlt<br />
sich frühzeitig auf trenit<strong>al</strong>ia.it zu buchen,<br />
dann sind auch wesentlich günstigere<br />
Tarife zu kriegen.<br />
UNTERKUNFT<br />
Grand <strong>Hotel</strong> <strong>San</strong>ta Lucia. Via Partenope<br />
46, Tel. 0039/081/7640666,<br />
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Restaurant: superb!<br />
<strong>Hotel</strong> <strong>San</strong> <strong>Francesco</strong> Al <strong>Monte</strong>. Corso<br />
Vittorio Emanuele, 328, Tel. 0039/<br />
081/4239111, www.sanfrancesco<strong>al</strong>monte.it.<br />
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Günstiges, aber gemütliches, familiengeführtes<br />
3-Sterne-Haus ganz in der Nähe<br />
von <strong>San</strong> Gennaro<br />
ESSEN UND TRINKEN<br />
Rosati. Via Chiaia 60, Tel. 0039/<br />
081/421660, www.ristoranterosati.com.<br />
Eine der ältesten Pizzerias Neapels,<br />
stimmungsvoll-gediegen. Empfehlenswert:<br />
die Pizza Margherita natürlich<br />
Sorbillo. Via dei Tribun<strong>al</strong>i, 32, 35, 38,<br />
Tel. 0039/081/446643, www.sorbillo.it.<br />
Drei Pizzerias, eine Familie, serviert wird<br />
hier natürlich die Urpizza, einfach gut<br />
und billig. Unbedingt probieren: Pizza<br />
mit Sahne statt Tomaten <strong>al</strong>s Grundbelag<br />
La Bersagliera. Borgo Marinari 10-11,<br />
Tel. 0039/081/7646016, www.labersagliera.it.<br />
Traditionsrestaurant von 1919,<br />
direkt am Kai von <strong>San</strong>ta Lucia mit Speisesa<strong>al</strong><br />
im Jugendstil und toller Terrasse<br />
mit Blick auf Yachten und das Castell<br />
dell’Ovo. Sehr gute Spaghetti Vongole<br />
und frischer Fisch (z.B. Steinbutt u.<br />
Goldbrasse). Spezi<strong>al</strong>ität: Tagliatelle <strong>al</strong>la<br />
Bersagliera mit Oktopus und Muscheln<br />
Ristorantino Cantina Donna Elena.<br />
Via Tito Angelini 16. Sehr kleines Lok<strong>al</strong><br />
(nur 5 Tische) in einem Kellergewölbe<br />
in der Nähe der Festung <strong>San</strong>t’Elmo. Hier<br />
kocht die Mamma typische neapolitanische<br />
Gerichte (cucina napoletana<br />
casarecchia).<br />
Ristorante Rosiello. Via <strong>San</strong>to Strato, 10,<br />
Tel. 0039/081/5752341,<br />
www.ristoranterosiello.it. Eines der besten<br />
in Neapel, ein wenig außerh<strong>al</strong>b, Terrasse<br />
mit geni<strong>al</strong>em Blick. Authentische<br />
Küche mit Bio-Zutaten, Spezi<strong>al</strong>itäten:<br />
Fisch und Reisgerichte<br />
SHOPPING<br />
Neapel ist für seine Tradition der<br />
Kor<strong>al</strong>lenarbeiten und beeindruckenden<br />
Kameen bekannt. Kameen sind kleine,<br />
meist auf Schmuck- oder Edelsteinen,<br />
Der besondere Tipp<br />
In der Provinz Neapel im Süden It<strong>al</strong>iens liegt die Kleinstadt Gragnano. Seit Jahrhunderten<br />
ist sie für ihre besonders bissfeste Pasta bekannt. Das Geheimnis: Man verwendet<br />
dort nur hochwertigen Hartweizengrieß aus kontrolliertem Anbau aus der Region.<br />
Dem Gran Duro aus Gragnano wird wegen der einzigartigen klimatischen Verhältnisse<br />
vorort eine spezielle Qu<strong>al</strong>ität nachgesagt. Bei der Herstellung setzt man auf eine natürliche,<br />
langsame und statische Trocknung (zwischen 24 und 48 Std., je nach Sorte,<br />
anstatt 6 Std. wie in der industriellen Trocknung üblich). Außerdem wird der Teig ohne<br />
Dampfeinsetzung zwischen 43° und 48° entwässert (anstatt bei 80°, was sonst in<br />
Teigwarenfabriken Standard ist). Auf diese Weise kann der Teig die Proteine, Nährstoffe<br />
und natürlich seinen besonderen Geschmack besser beh<strong>al</strong>ten. Typische Formen für<br />
Gragnano-Pasta sind z. B. Pacchieri und Conchiglioni. Info: www.pastaigragnanesi.it<br />
gearbeitete Reliefschnitzungen. Bei<br />
Ascione (Piazetta Matilde Serao, 19/<br />
G<strong>al</strong>leria Umberto, www.ascione.com)<br />
und De Paola Cameo (Via Caccavello<br />
Annib<strong>al</strong>e 67) werden diese in <strong>al</strong>len<br />
erdenklichen Größen und Formen<br />
hergestellt und verkauft. Tipp: nach<br />
Vintage-Modellen fragen<br />
Ultur<strong>al</strong>e Cravatte. Via Carlo Poerio,<br />
115, Tel. 0039/081/248.1151,<br />
www.ultur<strong>al</strong>ecravatte.it. Handgenähte<br />
Krawatten aus Seide und Kaschmir,<br />
Design häufig mit napolitanischen<br />
Glückssymbolen wie dem Corno; Spezi<strong>al</strong>-Kollektion:<br />
Design mit traditionellen<br />
Symbolen aus dem Kamasutra<br />
E. Marinella. Riviera di Chiaia, 287,<br />
www.marinellanapoli.it. Legendäre,<br />
handgenähte Krawatten seit 1914<br />
Casuccio & Sc<strong>al</strong>era. Via Chiaia, 217.<br />
1956 gründeten Vincenzo Casuccio und<br />
Mario Sc<strong>al</strong>era das bekannte Damenschuhgeschäft.<br />
Die qu<strong>al</strong>itativ gearbeiteten<br />
Schuhe sind elegant, zeitlos oder<br />
ausgef<strong>al</strong>len.<br />
Cerrone. Via Manzoni, 286-288, Delikatessenladen<br />
vom Feinsten, unbedingt<br />
Pasta aus Gragnano mitnehmen!<br />
Limoné. Piazza <strong>San</strong> Gaetano 72. Fabrikation<br />
und Verkauf von Limoncello<br />
LITERATUR<br />
Römisches Südit<strong>al</strong>ien und Sizilien.<br />
Kunst und Kultur von Pompeji bis Syrakus.<br />
Der großformatige Text-Bild-Band<br />
begleitet mit exzellenten Fotos den Leser<br />
in die römische Epoche nach Süditi<strong>al</strong>ien<br />
und Sizilien und gibt fundierte Einblicke<br />
in die Kunst und Kultur dieser Zeit. Von<br />
Filippo Coarelli (Hrsg./Text), Emidio de<br />
Albentiis, Simone Sisani (Text), 300 S.,<br />
Michael Imhof Verlag, 69 EUR<br />
Neapel. Biographie einer Stadt. Von<br />
Dieter Richter, 301 S., Verlag Klaus<br />
Wagenbach, 13,90 EUR<br />
AUSKÜNFTE<br />
It<strong>al</strong>ienische Zentr<strong>al</strong>e für Tourismus<br />
ENIT, Tel. 069/237434<br />
www.enit-it<strong>al</strong>ia.de<br />
www.inaples.it/deu<br />
www.incampania.com<br />
Vintage-Kollektion, Ascione<br />
Am Duomo <strong>San</strong> Gennaro<br />
12| ärztliches journ<strong>al</strong> neurologie/psychiatrie 4|2012<br />
4|2012 ärztliches journ<strong>al</strong> neurologie/psychiatrie |15