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Musterheft "Doppelpunkt" - Insertas

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Heft 10/2013<br />

7. 3. 2013 |Fr. 4.40<br />

DossierAppenzellerland<br />

Dieeigenwilligen<br />

Eidgenossen<br />

Seite19<br />

14 Es gähnt, es reckt, es strecktsich: Bären<br />

undanderes Getier erwachen im Tierpark<br />

Goldau aus demWinterschlaf–und haben<br />

erst einmal gewaltigen Hunger<br />

6 Wohlschmeckend,zartund cholesterinfrei:<br />

DasPferdefleischist besser alsseinRuf<br />

12 VomBankräuberzum Coach:Das ungewöhnliche<br />

Lebendes AndréNormandin


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editorial<br />

Widerdie anonymität<br />

LiebeLeserinnenund Leser<br />

Judith Hochstrasser ist<br />

Redaktorin beim «Doppelpunkt».<br />

Ichhabebrieflichabgestimmt, nichtzum ersten Mal, undden<br />

Abstimmungssonntaggetrost verschlafen. Damitumgeheich<br />

auch den Gang zum betontristen Stadthaus, das allzu nette<br />

Morgenfrüh­Lächeln der Urnenwächterinnen und die fleissigen<br />

Unterschriftensammler, die, Geiern<br />

nicht unähnlich, vor der Stadthaustüre<br />

lauern.Ausserdem gehe ichsoauf Nummer<br />

sicher: Ist der Brief abgeschickt,<br />

kann ich die Abstimmung nicht mehr<br />

vergessen.Undtrotzdem:Mirfehltetwas,<br />

wenn ichnicht an dieUrnegehe. Es war<br />

doch jeweilsein erhebendes Gefühl,mit<br />

dem grauen Kuvert in der Hand zum<br />

Stadthauszuspazieren.Jeder konnte sehen,<br />

dass ich meine Verantwortung als<br />

Staatsbürgerin wahrnahm.Und ichfühlte<br />

mich als Teil einer grossen Gemeinschaft,<br />

denn ich war nicht die Einzige, die, noch etwas zerknautscht,<br />

Richtung Stadthaus ging. Ich sah Familien mit<br />

Kleinkindern, ältere Paare, jungeFrauen. Alle in Alltagskluft,<br />

aber doch mitfeierlicher Miene.<br />

«eswar einerhebendes<br />

Gefühl, mitdem grauen<br />

Kuvert in der Hand zum<br />

Stadthaus zu spazieren»<br />

An dieLandsgemeinde in Appenzellgehen dieMenschenfast<br />

alle in Schale, erzählt der Innerrhoder Landammann Carlo<br />

Schmid im Dossier«Appenzellerland» ab Seite19. Dervorausgehende<br />

Gottesdienst, der prozessionsgleiche Aufzug durch<br />

dieHauptgasseund derSchwurwürden derLandsgemeinde<br />

zusätzlich grosse Ernsthaftigkeit verleihen, wie er sagt. Würde<br />

ichimOrtAppenzellwohnen, stelle ichmirvor, dannkönnte<br />

ichden Abstimmungstaggarnichtvergessen.Die Menschen<br />

würden sich schonTagevorhervorbereiten,den Sonntagsstaat<br />

bereitlegen, miteinanderdarüberreden,wannman dieHand<br />

hebenwirdund wann nicht. Spätestenswenndie Prozession<br />

an meinem Haus vorbeiziehen würde, würdeich ausdem Bett<br />

schrecken, mich schnell irgendwie inmein schönstes Kleid<br />

zwängen und der Prozession hinterherhetzen. Allem Stress<br />

zumTrotz würdeich es geniessen, zu spüren,dassich mitbestimmen<br />

kann. Oder wie esCarlo Schmid sagt: «Die Leute<br />

wissen:‹Es geht um uns.›» Eben dieses Wissen,diesesSpüren<br />

bleibt weg, wenn ichbrieflichabstimme. Dann gehe ichunter<br />

in einer anonymen Masse, meine einzelne Stimme scheint<br />

nichtzuzählen. Deswegen werdeich auch in Zukunft wenigstens<br />

abund zu am Abstimmungssonntag andie Urne gehen.<br />

Auch weil es dort manchmal feineGipfeli gratis gibt undweil<br />

die«Geier» mitihren Petitionen,Referendenund Initiativen<br />

eigentlich alle ganz tolle Menschen sind, die sich engagieren<br />

unddie mitbestimmen wollen.Wie ichjaauch.<br />

Judith Hochstrasser<br />

Nr.10/2013<br />

3


Forum<br />

Unsere Leserinnen undLeser äussern<br />

sich zum«Doppelpunkt» –<br />

fürviele istder alte Name mit<br />

lieben Erinnerungen verbunden,<br />

und die Neuerung wird alsZäsur<br />

empfunden,aberauchals ein<br />

Wegindie Zukunftgesehen.<br />

IHRE<br />

MEINUNG IST<br />

GEFRAGT<br />

4<br />

Wirfreuen<br />

uns über jede<br />

Zuschriftan:<br />

Redaktion«Doppelpunkt»<br />

Neuenhoferstrasse 101<br />

5401Baden<br />

redaktion@doppelpunkt.ch<br />

Fürden Inhalt derLeserbriefe<br />

zeichnetder Briefautor oder<br />

die Briefautorin undnicht die<br />

Redaktion verantwortlich. Wir<br />

behalten unsvor,Zuschriften zu<br />

kürzen oder nichtzuveröffentlichen.<br />

Anonyme Zuschriften<br />

wanderninden Papierkorb.<br />

AufWunscherscheint derLeserbriefnur<br />

mitden Initialen.<br />

Nr.10/2013<br />

Bild:sdp<br />

Verständnis undFreude<br />

«Doppelpunkt» –<br />

derNamenswechsel<br />

MitetwaachtJahren,imbeginnenden<br />

Lesealteralso, nahm ich<br />

unsere Wochenzeitung erstmals<br />

bewusstzur Kenntnis.Die Eltern<br />

hatten sieabonniert, siewurde ja<br />

ganz in unsererNähevon derPolygraphischenGesellschaftLaupenBEproduziert.<br />

Dies istnun<br />

wohl siebzigJahreher.Die Eltern<br />

verstarbenfrüh, undfür mich<br />

folgten vieleLehr­ undWanderjahre.<br />

Erst langenachder Heirat –<br />

es mögen zwanzigJahre hersein –<br />

wurdemir «Leben &Glauben»an<br />

derWohnungstüreerneutangeboten.Wir<br />

warennie eine besonders<br />

religiöseodergar fromme<br />

Familie,und ichmache schon lange<br />

einenklarenUnterschied zwischenfromm<br />

undgläubig.Und<br />

etwa in derZeit, alsmir in aller<br />

Stille,abernichtminderdeutlich,<br />

bewusstwurde, welcheKraft und<br />

welcherNutzeneinem auseinem<br />

festen Glaubenerwachsen kann,<br />

änderte«Leben&Glauben»<br />

letztmals sein Erscheinungsbild:<br />

DerGlaubeerschien im Namen<br />

nichtmehrmit demLeben gleichwertig,<br />

sondernhervorgehoben.<br />

Alldie Zeit schätzte ich dieZeitschriftsehr,<br />

undsie istmir bis<br />

heuteunentbehrlicheBegleiterin<br />

undHilfe in meiner Morgenandacht.<br />

Ichverbindediese gutmit<br />

einerhalbenStunde Yoga,worin<br />

ich voneinem indischen, aber<br />

christlich geprägtenLehrerunterwiesen<br />

bin.<br />

Jetzthaben Sieentschieden,den<br />

Namendes Magazins zu ändern,<br />

wasjaeineechte Zäsurbedeutet.<br />

Selbst wäre ich in keiner Weise<br />

aufeinen solchenWunschgekommen.Ich<br />

kann aber IhreBegründungendafürsehrwohlverstehen<br />

undnachvollziehen.Sehr<br />

froh binich allerdings um Ihre<br />

Versicherung, dass SieamInhalt<br />

wiebisherfesthaltenwollen.<br />

Nach derRückkehrvon einem<br />

AuftragimTessin stelle ich mit<br />

derneuen Nummer fest, dass<br />

dies auch eingehaltenist. MitIhnenhoffe<br />

ich, dass dieStellung<br />

derZeitschrift mitder Änderung<br />

fürdie Zukunftbessergerüstet<br />

ist, undfreue mich somitmit Ihnenauf<br />

den«Doppelpunkt».<br />

Es istmir ein Bedürfnis,Ihnen<br />

undall denander Erscheinung<br />

unseresevangelischenWochenblatts<br />

Beteiligtenfür diegrosse<br />

undwertvolle Arbeit herzlich zu<br />

danken.Und nebenbei will ich<br />

auch danken fürdie Rückkehr der<br />

Rubrik«VonTag zu Tag» zurBetrachtungnur<br />

einer Bibelstelle<br />

fürdie Woche. Ichdenke,dassdie<br />

Änderung vonden Autorengleichermassengeschätzt<br />

wird.(Ich<br />

binauchfroh, dass derWunsch<br />

dazu nichtnur aus demgerne<br />

zumVerweilen geneigtenBernbiet<br />

geäussert wurde…)<br />

Hans Jost<br />

3097Liebefeld<br />

Zu neutralerName<br />

«Doppelpunkt»–<br />

derNamenswechsel<br />

Über dieUmbenennungvon<br />

«Leben &Glauben»bin ich enttäuschtund<br />

traurig. Sicher istes<br />

fürviele Menschen fremdund<br />

unverständlich,wennwir vom<br />

«Leben undGlauben»reden.Gerade<br />

dieses Unverständnisund<br />

dieGespräche,die sich darausergebenkönnen,<br />

sind mirwichtig,<br />

siesindnötig undscheinenmir<br />

sinnvoll! Ichkenne schoneinen<br />

«Doppelpunkt»,denjenigen von<br />

SRF1.Das Radioist einneutrales<br />

«Wesen»; Siebezeichnensich ja<br />

explizit alsevangelisch.Mir istes<br />

wichtig, gerade solche «Reizworte»zugebrauchenund<br />

nicht<br />

durch neutrale zu ersetzen.Ich<br />

kennedas «Leben &Glauben»<br />

seit meiner Kinderzeit–ich empfand<br />

dasHeftals Kind alseher<br />

frömmlerisch undfreue mich deshalb<br />

jede Wochedaran,dass es<br />

nichtmehrindieserWeise daherkommt.<br />

Dass es nun einen derart<br />

«unproblematischen» Namen<br />

trägt, störtmich sehr!<br />

VreniSchaer<br />

8200 Schaffhausen<br />

Wirgratulieren!<br />

Am 7. März darfFrau erika Gloor-<br />

Renold im AltersheimEigenamt<br />

in Lupfigihren 90.Geburtstag<br />

feiern. Zusammen mitihrer<br />

Familie, mitihren Enkeln und<br />

Urenkeln gratulieren wirder<br />

Jubilarin vonHerzenund wünschenihr<br />

alles Gute,Gottes<br />

Segenund gute Gesundheit.<br />

DieRedaktion<br />

Frühlingsglaube<br />

DielindenLüfte sind erwacht,<br />

siesäuselnund weben<br />

Tagund Nacht,<br />

sieschaffen an allen Enden.<br />

OfrischerDuft, oneuer Klang!<br />

Nun, armesHerze,sei nichtbang!<br />

Nun muss sich alles,alles wenden.<br />

DieWeltwirdschöner<br />

mitjedem Tag,<br />

man weissnicht,<br />

wasnochwerdenmag,<br />

dasBlühen will nichtenden.<br />

Es blühtdas fernste,tiefste Tal;<br />

nun, armesHerz, vergiss derQual!<br />

Nun muss sich alles,alles wenden.<br />

Ludwig Uhland<br />

AKTUELL auf<br />

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(Seite 40)und gewinnenSie<br />

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Inhalt<br />

Religion<br />

10 VonTag zu Tag<br />

12 AndréNormandin:<br />

VomBankräuber zum Coach<br />

Brennpunkt<br />

6 Wehe,wennsich Fleisch<br />

vomPferd verirrt<br />

12<br />

Sind sie sohinterwäldlerischodertun<br />

sie nur<br />

so? Vom appenzellerland<br />

meint man alles<br />

zu kennen.aber dieses<br />

Völkchen hat mehrzu<br />

bieten als drei Sennen,<br />

die das geheimnis ihres<br />

käses nicht verraten<br />

wollen.Und jetzt gehören<br />

die beiden appenzell<br />

seit 500 Jahren zur eidgenossenschaft!ein<br />

dossier<br />

zumJubiläum.<br />

Monatsserie«Erwachen»<br />

14 Tierpark Goldau:Zeitaufzuwachen!<br />

Dossier Appenzellerland<br />

19 Individualität,Integration<br />

undInnovation<br />

Rat&Tat<br />

34 Mosaik<br />

36 Alltag mitKindern:<br />

Solidaritätmit Tieren<br />

38 Tipp-Mix<br />

40 Lösen/Lesen<br />

42 Hören&Sehen /Hingehen<br />

Rubriken<br />

3 Editorial<br />

4 Forum<br />

8 Kreuz&quer<br />

32 Blickpunkt/Sage&schreibe<br />

33 Gesichter derSchweizer Literatur:<br />

Walter MatthiasDiggelmann<br />

44 Litera-Tour<br />

46 Lieber …/Ausblick /Impressum<br />

19<br />

14<br />

36<br />

Der Frühling kommt:<br />

DieBewohner des<br />

tierparksGoldau<br />

gähnen,strecken<br />

sich undstehen auf<br />

–umsich endlich<br />

einmalwiederden<br />

Bauchvollzuschlagen.<br />

FotosTitelseite: Keystone,Natur-und Tierpark Goldau<br />

Nr.10/2013<br />

5


Brennpunkt<br />

Wehe,wennsichFleisch<br />

vomPferd verirrt<br />

Grosswar dieEmpörung,als jüngst publik wurde, dass Tiefkühl-<br />

Burger undFertig-Lasagnenicht nurRindfleisch enthielten–<br />

einEtikettenschwindel. Doch dermediale Aufschreiüberfalsche<br />

Deklarationendecktevieles zu,was eigentlich insBewusstsein der<br />

Öffentlichkeitgehört: lasche Kontrollen, dieAuswüchse derglobalisiertenLebensmittelindustrie–und<br />

einvon Vorurteilenund Widersprüchengeprägtes<br />

Verhältnis zumPferdefleisch. vonRolandErne<br />

Man kann es drehen und wenden,<br />

wie man will: Pferdefleisch<br />

schmeckt gut, ist<br />

gesund und vergleichsweise günstig.<br />

Dennochistesweitherumverpönt,wenn<br />

nicht vielerorts tabu. Der Versuch, die<br />

Gründe für anhaltende Vorbehalte zumindestansatzweisedingfestzumachen,<br />

führt ohne Umweg zu einem Eingeständnis:<br />

Mensch und Pferd verbindet<br />

ein stark emotionales Verhältnis. Das<br />

Pferd, vor der Erfindung des Traktors<br />

eine geschätzte Arbeitskraft, hatbei uns<br />

längst schongleichsam Haustier­Status<br />

–auch wenn die Haltung kaum einmal<br />

denbesonderen VerhältnissenbeiAstrid<br />

Lindgrens Kinderbuchheldin Pippi<br />

Langstrumpf entspricht, deren handzahmer<br />

Apfelschimmel «Kleiner Onkel»<br />

auf der Veranda hausen darf. Fakt ist:<br />

Pferde dienen unsinzwischenvorab als<br />

geschätzte undnicht selten gehätschelte<br />

Reittiere inFreizeit und Sport. Zudem<br />

mag doch kaum eine(r) daran denken,<br />

dass Fohlen oder Elterntieredaund dort<br />

aufziemlichdirektem Wegvon derWeide<br />

oder aus dunklen Ställen inden<br />

Schlachthof gelangen –qualvolle, tierschutzwidrige<br />

Transportstunden inbegriffen.<br />

Und Pferde gelten bei uns, verglichen<br />

mit Rindern und Schweinen,<br />

Schafen und Ziegen, als weit edlere Tiere,<br />

denen wir inder Regel viel Zuwendung<br />

schenken.Aufdem Teller sollen sie<br />

also lieber nicht landen, weil sie uns<br />

schlicht zu nahe stehen.<br />

Päpstliches Pferdefleischverbot<br />

Das war nicht immer so. Schon gar<br />

nicht inder Steinzeit. Und selbst Reitervölker<br />

scheuten sich nicht, ihre Tiereals<br />

Fleischlieferanten zu nutzen. Für ein<br />

Nahrungstabu sorgte im Jahr 732 dann<br />

einVerbotvon PapstGregorIII., das der<br />

Christenheit den Genuss von Pferdefleisch<br />

untersagte. «Denn dieses Tun ist<br />

unrein und verabscheuungswürdig»,<br />

heisst es in einemanBonifatiusgerichte­<br />

DieSicht desMetzgers: «Pferdefleischist unglaublichzart, da kommtkeinRindmit»<br />

Wasspricht füreinen Metzgerfür<br />

denGenussvon Pferdefleisch,wie<br />

schätzterdie Enthüllungenüber<br />

denUmgang mitSchlachttieren<br />

ein, wasweiss er selbstüberdie<br />

Herkunft seinesFleisches?Antwortenvon<br />

Kurt Regattieri,der in seinerMetzgerei<br />

im Zürcher Seefeld<br />

auch Pferdefleisch anbietet.<br />

Kurt Regattieri, wurden Sievon<br />

denBerichtenüberskandalöse<br />

Haltungsbedingungen von<br />

SchlachttiereninLateinamerika<br />

oder Kanadaüberrascht?<br />

Nein.Ich habe mich gerade mit<br />

einemKollegenaus Rüti unterhalten,<br />

derschon einmal inArgentinien<br />

war. Da istein Pferdnichts<br />

wert.Vielleichtliegt es an derunsäglichen<br />

Armut, in derdortviele<br />

Menschen hausenmüssen,daran,<br />

dass dieMenschenwenig und<br />

Tierenochweniger geachtet werden.<br />

Übrigens warenschon vor<br />

zwanzigJahren dielangenTiertransporte<br />

ein Thema.<br />

Sieschlachtennun auch<br />

nicht selbst …<br />

Auch wirbeziehen unserFleisch<br />

vorabaus Kanada.Bevor wiruns<br />

2004 fürden Schlachtbetrieb entschieden,haben<br />

wiruns Dokumentationen<br />

angeschaut. Einentscheidendes<br />

Kriterium war, dass die<br />

Transportzeitvom Schlachthof<br />

zumProduzentenweniger alsanderthalb<br />

Stundenbeträgt.Die<br />

Fleischqualitätwar immerhervorragend,<br />

auch daslässt auflange<br />

SichtRückschlüssezu. Alsjetzt<br />

derSkandal aufkam,hattenwir<br />

eine einzige Anfrageeines besorgtenKunden.<br />

Unsere Kunden wissen,<br />

dass wirmehrmalsimJahr<br />

Kontrollen beiden Bauern durchführen<br />

sowievon IP­Suisse beiuns<br />

durchführen lassen undgrundsätzlich<br />

dieHerkunftdes Fleisches<br />

deklarieren. IchdarfIhnen aber<br />

sagen: Im Moment geht es mir<br />

garnichtsosehrumdie Kunden –<br />

es geht mirumdie Rösser.<br />

Undwoher kamdas Fleisch<br />

vor2004?<br />

Wirhattenlangevorzügliches<br />

Fleischaus Amerika. Bisdort2003<br />

einGesetzvon 1942 wiederentdecktwurde,<br />

dasden Handel mit<br />

Pferdefleisch verbietet.BinneneinerWoche<br />

warSchluss.Die Folge:<br />

VieleHändler habendie Rösser<br />

nach Mexiko oder Kanada geschafft,was<br />

diebekanntenZuständezur<br />

Folge hatte. Weil wir<br />

plötzlich nichtmehrwussten,<br />

6<br />

Nr.10/2013


GlühendePlädoyersfür den<br />

Genussvon Pferdefleisch über<br />

einer PferdemetzgereiinParis.<br />

KoMMentaR<br />

Der wahreSkandal:<br />

DieMissachtung vonLeben<br />

Er galoppiertseitWochen<br />

durch europäischeMedien,der<br />

Pferdefleischskandal.Der eigentlich<br />

ein Deklarationsskandal<br />

ist. Unddieserwiederum<br />

vonJudithHochstrasser<br />

ten Schreiben. Nichtganzunbedeutend:<br />

In diese Zeitfällt der Sieg Karl Martells<br />

über die Mauren –dank einer überlegenen<br />

Kavallerie. Pferde waren demnach<br />

als Kriegswaffe zuwertvoll geworden,<br />

um aufder Schlachtbank zu enden.<br />

DerVerzehr vonPferdefleischliess sich<br />

gleichwohlnievollendsunterbinden–vor<br />

allemals erschwingliche Fleischkonsumalternative<br />

armer Bevölkerungsschichten.<br />

Trotz im 19. Jahrhundert einsetzender<br />

Liberalisierungsschübe und immer<br />

wieder grassierender Rinderseuchen –<br />

Stichwort BSE­Skandal –hielt sich die<br />

Nachfrage nach Pferdefleisch jedoch in<br />

Grenzen. Daranhat sich bisheute wenig<br />

woherwir unserFleisch beziehen,<br />

sind wirnach Mexiko ausgewichen,<br />

dieQualitätsschwankungen<br />

warenabersogross,dassich<br />

nichtdahinterstehenkonnte.<br />

Siesagten,Ihr Fleischstammtüberwiegend<br />

ausKanada. HabenSie<br />

auch noch andereBezugsquellen?<br />

Ja.Wir schauen,dass wirPferdefleisch<br />

vonhier bekommen,aus<br />

demZürcher Oberland, ausdem<br />

Luzernischen, aus demAargau.<br />

DerAnteil liegtbei 35 Prozent,<br />

undalleunsereProdukte ausser<br />

Frischfleisch kommen vonheimischenTieren.<br />

geändert. Zu stark wiegen offenbar Vorurteile<br />

wie Armeleutekost und das Gewicht<br />

einer emotionalen Barriere. Zudem:<br />

Washierzulande, in derRomandie<br />

weit eher als inder Deutschschweiz, an<br />

Pferdefleisch dennoch auf den Tisch findet,<br />

stammt mehrheitlich aus Übersee –<br />

als Importware amerikanischer und kanadischer<br />

oder aber argentinischer und<br />

mexikanischer Herkunft. Auch soein<br />

Widerspruch.<br />

LesenSie zumThema auch denBeitrag von<br />

Veronica Bonillaauf Seite36: WasHänschen<br />

nichtlernt –Solidaritätmit Tieren.<br />

Waszeichnet denn<br />

Pferdefleischaus?<br />

Es istzum einen unglaublich zart,<br />

da kommtkeinRindmit.Eshat<br />

einen sehr hohen Eisen­ und<br />

Eiweissanteil,zudemkeinCholesterin.<br />

Dasspürt manmit derZeit<br />

körperlich;deswegen mögenes<br />

vieleSportler. Nebenbei:Jeder<br />

Tierarzt wird Ihnen sagen, dass<br />

es keinegesündere Nahrungfür<br />

einen Hund gibtals Pferdefleisch.<br />

Sieverkaufen neben anderen<br />

Fleischwaren auch Pferdefleisch.<br />

VorJahren wäre diesnochnicht<br />

möglich gewesen.Warum?<br />

Foto:Keystone<br />

Ichbin ja normaler Metzger. Nur<br />

hatman bis1995inder Schweiz<br />

Pferdefleisch nichtmit anderem<br />

Fleischverkaufen dürfen. Der<br />

Grundist einfach, unddamit sind<br />

wirwiederbeimTabuund niedrigerenStellenwert:<br />

DieMetzger<br />

wolltennichtmit Pferdemetzgern<br />

gleichgestellt sein.Bis heuteist<br />

Pferdefleisch etwa dreissig Prozent<br />

billiger,durch Qualitätund<br />

Geschmack istdas aber in keiner<br />

Weisegerechtfertigt.<br />

Andreas Nentwich<br />

führtzueinem Verschwendungsskandal:Weil<br />

diefalsch<br />

deklariertenProdukte vonGesetzes<br />

wegenaus demAngebot<br />

verschwinden,landensie nun<br />

in Mülleimern. Einzweiter Pferdefleischskandal<br />

trabtinzwischenhinterdem<br />

ersten her.<br />

Unterandereminder Sendung<br />

«Kassensturz» wurden Bilder<br />

des Tierschutzbundes Zürich<br />

über dieHaltungvon Schlachtpferdenauf<br />

demamerikanischen<br />

Kontinentgezeigt: eine sterbende<br />

Stute, ausder derKopfeines<br />

totgeborenen Fohlens ragt,ein<br />

Pferdmit Darmvorfall wegen<br />

unbehandelter Koliken, völlig<br />

verwachsene Hufe undoffene<br />

Wunden.Solche Bildersindsattsambekannt,<br />

vonSchweinefarmeninEuropa,<br />

vonHühnerbatterien<br />

in Asien undnun eben<br />

auch vonPferdefarmen in Kanada,Mexikound<br />

Argentinien.Sie<br />

enthüllen in aller Schärfe:Das LebendieserTiere<br />

istwenig wert.<br />

In Wahrheit istder Skandal die<br />

Missachtungvon Lebewesenund<br />

Leben. Wenn dasfalschdeklarierte<br />

Fleischnun in denMülltonnen<br />

landet,ist dasLeben derTiere<br />

nichteinmalmehrden Genuss<br />

des Verzehrs wert,sondern<br />

schlichtgar nichts mehr.Und<br />

dieAchtungvor denMenschen,<br />

diehungern müssen,wirddamit<br />

völligpervertiert. Es istein Skandal,dassdiese<br />

anonymisierte,<br />

globaleMassenproduktionsmaschinerie<br />

überhauptexistiert.<br />

Da nütztauchdie korrekte Deklaration«Pferdefleisch»nichts.<br />

Nr.10/2013<br />

7


Gesellschaft<br />

Die Drei<br />

Foto:Keystone<br />

SonntagSallianz gegenentScheid<br />

derWirtSchaftSkommiSSion<br />

Die Wirtschaftskommission des<br />

Nationalrats hat beschlossen,<br />

die Sonntagsarbeit imDetailhandel<br />

massiv auszubauen. Damit geht<br />

sie auf eine Motion des Tessiners Fabio<br />

Künftigauchsonntags an derKasse?<br />

DieKirchen sinddagegen.<br />

Chappatte<br />

Abate(FDP) ein, der dieSonntagsarbeit<br />

in grossenWirtschaftsräumenzulassen<br />

will. Die Sonntagsallianz, der auch die<br />

Evangelischen Frauen Schweiz und der<br />

Schweizerische Evangelische Kirchenbund<br />

angehören, kritisiert diesen «fatalen<br />

Entscheid» scharf und fordert den<br />

Nationalratauf,die Vorlageabzulehnen:<br />

Sie höhle «unter dem Deckmäntelchen<br />

der Tourismusförderung» den Arbeitnehmerschutz<br />

aus und sei gesellschaftspolitisch<br />

bedenklich und undemokratisch.DennmitdiesemEntscheid<br />

würde<br />

derSonntagsverkauf «mit einemSchlag<br />

praktisch inder ganzen Schweiz bewilligungsfreimöglich».<br />

Besonders brisant<br />

sei, dass diese «gravierende Neuerung»<br />

per Verordnung durch die Hintertür<br />

eingeführtwerden könne, ohne dassdas<br />

Volk etwaszusagen habe.Die Sonntagsallianz<br />

fordert deshalb, das Verbot der<br />

Sonntagsarbeit im Arbeitsgesetz als<br />

wichtige Errungenschaftzum Wohl der<br />

betroffenen Beschäftigten und der ganzenGesellschaftzurespektieren.<br />

ref.ch<br />

anat Hoffman ist<br />

Präsidentin derOrganisation<br />

«Womenofthe<br />

Wall», wasschon zu<br />

Gefängnisaufenthalten führte.<br />

Denn wennFrauenwie Männer<br />

an derKlagemauereinen Gebetsschal<br />

tragen,lautbeten undaus<br />

derToralesen,ist dasfür dieultraorthodoxe<br />

Aufsichtsbehörde<br />

unbotmässiges Beten, mehrfache<br />

Polizeieinsätzewaren dieFolge.<br />

ZumPurimfest am 25.Februar betetenwiederachtzig<br />

Frauen laut<br />

an derMauer,diesmal ohne<br />

Polizei.<br />

Sein Büchlein<br />

«Indignez­vous!»,<br />

«Empört euch!»,<br />

gegenden Niedergang dersozialenGerechtigkeitund<br />

denRaubbauander<br />

Natur wurde2010<br />

zumWelterfolgund mobilisierte<br />

vorallem junge MenscheninMadrid,inNew<br />

York oder in Tunis<br />

zurRebellion gegenungerechte<br />

undundemokratische Verhältnisse.Jetzt<br />

istder Widerstandskämpfer,<br />

Diplomat undSchriftsteller<br />

StéphaneHessel im Alter<br />

von95Jahren gestorben.<br />

Bild:©Chappatte in «LeTemps» (Genf)<br />

8<br />

Nr.10/2013<br />

Undurchsichtiges<br />

in Rom.<br />

Zwei jüdische<br />

DachverbändehattenBundespräsident<br />

UeliMaurer vorgeworfen, er<br />

habe in derBotschaft zumHolocaustgedenktag<br />

vom27. Januar<br />

eineinseitiges und«nur positives»<br />

Bild derSchweiz während<br />

des ZweitenWeltkrieges vermittelt.Nun<br />

hatermit einem Brief<br />

reagiert. Er schreibt darin,eine<br />

Botschaftzum Internationalen<br />

Holocaustgedenktag sei«nicht<br />

dasrichtige Gefäss,umdie Rolle<br />

derSchweiz im ZweitenWeltkriegdifferenziertzudiskutieren».


SPINAS CIVIL VOICES<br />

Wir sehen Enteignungen von Kleinbauernfamilien für die Agrotreibstoff-Produktion.<br />

«Sie kamen mit Bulldozern und Kettensägen. Sie zeigten uns ein Stück Papier und sagten, das Land gehöre ihnen,<br />

wir sollen verschwinden. Unsere Äcker sind jetzt in ihrer Hand.» Emmanuel Ouinsou, Benin, Westafrika<br />

Und handeln: sehen-und-handeln.ch


von tag zu tag<br />

Vonjenem Taganhielten siees<br />

fürbeschlossen,dasssie ihntöten wollten.<br />

Joh11,53<br />

VreniMühlemann ist<br />

Theologin undPublizistin.<br />

E-Mail:<br />

vreni.muehlemann@-<br />

bluewin.ch<br />

Bibeltext:<br />

ZürcherBibel<br />

©Verlagder ZürcherBibel beim<br />

Theologischen Verlag Zürich<br />

10<br />

Nr.10/2013<br />

Sonntag, 10.3.<br />

LesenSie dieseRubrikauch,<br />

weil sie Kraft schöpfen und<br />

Ermutigung tanken möchten?<br />

Nun, dazu ist der Satz,<br />

den wir diese Woche bedenken<br />

wollen, wohl nicht so geeignet.<br />

Esist ein vernichtender<br />

Satz, einer, den esnicht<br />

mehr gebendürfte in unserer<br />

Welt und den es doch tausendfach<br />

gibt. Manchmal<br />

geht es dabei umEhre, oft<br />

geht es um Geld,Macht oder<br />

darum, ein Problem aus der<br />

Welt zuschaffen.Essind nicht<br />

nur Drogendealer und Mafiosi,<br />

die so ungeheuerliche<br />

Beschlüssefassen; auch Politiker,<br />

Richterund Wirtschaftskapitäne<br />

fällen Todesurteile<br />

oder nehmen skrupellos den<br />

Todwehrloser Menschen in<br />

Kauf.Wollenwirdaswirklich<br />

hinnehmen? Habenwir unsere<br />

Möglichkeiten, das Leben<br />

all unserer Mitmenschen zu<br />

ehrenund zu schützen,schon<br />

ausgeschöpft?<br />

Montag,11. 3.<br />

Die,dieden Beschluss,Jesus<br />

zu töten, gefasst haben, hatten<br />

gute Gründe: Hätten sie<br />

es nicht getan, wären wohl<br />

Unruhenentstanden,eshätte<br />

Probleme mitder Besatzungsmacht<br />

gegeben. Auch die<br />

Amerikaner hatten gute<br />

Gründe, Osama bin Laden<br />

hinzurichten; und haben<br />

nicht ehrenwerte Christen<br />

damals mit dem Gedanken<br />

gespielt, Hitler zuerschiessen?<br />

«Liebereinen opfern als<br />

ein ganzes Volk», heisst die<br />

Devise. Die Frage ist nur, ob<br />

ein Volk nicht auch Schaden<br />

nimmt, wenn seinetwegen<br />

Menschenopfergebrachtwerden.Mahatma<br />

Gandhi hatin<br />

Indien einenanderen,gewaltlosen<br />

Weg versucht, und in<br />

Südafrika hat man nach der<br />

Apartheid Versöhnungskommissionen<br />

eingesetzt. Wo<br />

kann ich etwas zur Versöhnung<br />

beitragen? Wiekannich<br />

meinen Teil beisteuern zum<br />

Frieden in meinem kleinen<br />

Umfeld und inder grossen<br />

Welt?Und:Hat nichtauchJesus<br />

sich gerade auf die Seite<br />

derer gestellt, die hätten geopfert<br />

werden sollen?<br />

DienStag,12. 3.<br />

Der Mann, der diesen Beschluss<br />

erwirkt hat, Kaiphas,<br />

wird in der Bibel nicht als<br />

Mörder bezeichnet, sondern<br />

alsProphet.Erhabenicht aus<br />

sich selbst gesprochen, wird<br />

erzählt, sondern geweissagt,<br />

dass Jesus für das Volk sterbensollte.<br />

Mich beeindruckt<br />

diese Sichtweise. Da wird alles<br />

umgedreht: Das Opfer<br />

bleibt nicht Opfer, sondern<br />

wird zu einemMenschen, der<br />

sich für andere hingibt, und<br />

der Täter wird nicht verurteilt,<br />

sondernals einergewürdigt,<br />

der den tieferen Sinn<br />

dieses Geschehens erahnt<br />

underfühlt hat. So eine Sicht<br />

der Dinge ist gefährlich und<br />

könnte schnell menschenverachtend<br />

sein, aber es steckt<br />

auch ganz viel Versöhnung,<br />

ein göttlicher Funke drin,<br />

eine Wahrheit, die man niemandem<br />

aufdrängen kann,<br />

weil sie unmenschlich wäre,<br />

dieabereinegrosseKraftentwickelt,<br />

wenn sie von denen,<br />

diesie betrifft,sogesehen und<br />

gelebt wird.<br />

Mittwoch,13. 3.<br />

Wie mag es Jesus nach diesemBeschlussgegangen<br />

sein?<br />

Die Bibel sagt, erhabe sich<br />

erst einmal in die Wüste zurückgezogen.<br />

Dort wird er<br />

sich mit der neuen Situation<br />

auseinandergesetzt und sich<br />

betend auf das eingelassen<br />

haben, was ihn erwartete.<br />

Wir lesen nichts von Auflehnung,<br />

nichts von Protest,<br />

nichts von Rachegelüsten,<br />

Wutanfällen oder Heulkrämpfen,<br />

nichts von dem,<br />

wie wir normalerweise reagieren,<br />

wenn uns etwas<br />

Schweres trifft.Wir lesenvon<br />

Rückzug,und wirlesen,dass<br />

er –Gottsei Dank!–nichtalles<br />

mit sich alleine ausgemacht<br />

hat, sondern zusammenmit<br />

seinenJüngerninder<br />

Wüstewar.Wenndas Schicksalzuschlägt,dannbrauchen<br />

wirFreunde undAbstand zu<br />

denen, die uns Böses wollen.<br />

Wir brauchen Zeit und Stille<br />

und Wärme –bis wir irgendwann<br />

tief in uns wissen, ob<br />

wirbereitsind, den schweren<br />

Wegauchwirklichzugehen.


Foto:The YorckProject<br />

Giotto di Bondone:Fresken in derArenakapelleinPadua,Szene:Christus vorKaiphas.<br />

DonnerStag,14. 3.<br />

Wiemag es denenergangen<br />

sein,die diesen schrecklichen<br />

Beschluss gefassthaben?Wir<br />

wissen fast nichts darüber.<br />

Nureinmallesen wirdenSatz,<br />

dass es auch unter den Mitgliedern<br />

desHohen Ratesviele<br />

gegeben habe, dieanJesus<br />

geglaubt, aber Angst gehabt<br />

und esnicht gewagt hätten,<br />

dazu zu stehen. Das ist eine<br />

schlimme Situation, wenn<br />

man von etwas überzeugt ist<br />

und esdoch nicht wagt, sich<br />

dazu zu bekennen. So etwas<br />

kann einem schwer zuschaffen<br />

machen. Es geht um die<br />

Frage, ob uns die Anerkennung<br />

der anderensovielwert<br />

ist, dass wir uns selber dabei<br />

verraten. Oder umgekehrt:<br />

Sind wir bereit, um unserer<br />

Authentizität willen eine<br />

schmerzliche Einsamkeit zu<br />

ertragen?Erstwennwir ganz<br />

am Rand sind und ganz auf<br />

uns selbst gestellt, erfahren<br />

wir, was für eine Gotteskraft<br />

in unswohnt.Wer sich nicht<br />

traut, ganz echt zu sein,wird<br />

es niewissen.<br />

Freitag, 15.3.<br />

Nach seiner Wüstenzeit ist<br />

Jesus gestärkt zurückgekommen.<br />

Er hatzueiner tiefen inneren<br />

Sicherheit gefunden,<br />

dieihm dieKraftgegeben hat,<br />

seinen Weg zugehen. Vielleicht<br />

hätte er ausweichen<br />

und fliehen können. Vielleicht<br />

hätteerverhandelnund<br />

kämpfen können. Er hat es<br />

nicht getan. Erhat der unmenschlichen<br />

Vernunft seinerGegneroffenbar<br />

rechtgegeben.<br />

Das ist irritierend.<br />

Aber es machtauchEindruck,<br />

weil es viel Grösse braucht,<br />

seinen Feinden recht zu geben.<br />

Undesbraucht viel Klarheit,das<br />

Eigene auch dann zu<br />

tun, wenndieBosheitanderer<br />

genaudas will.Jesus hatnicht<br />

den Helden gespielt. Erhat<br />

Angstgehabtund sieauchgezeigt.<br />

Er hat sich von Gott<br />

undden Menschen verlassen<br />

gefühlt. Er hat getrauert, gebetet<br />

und zuletzt auch geschrien.<br />

Aber er istseinerBerufung<br />

nichtausgewichen.Er<br />

hat sich Gott ganz ausgeliefert<br />

und anvertraut –selbst<br />

dann noch,als es um sein Leben<br />

ging. Und das hat ergefunden.<br />

SaMStag, 16.3.<br />

Wie reagieren wir, wenn<br />

manuns weghaben will?Was<br />

passiert mit uns, wenn manche<br />

meinen, wir würden stören<br />

und seien immer nur im<br />

Weg? Werden wir wütend<br />

undtrotzig oder verkriechen<br />

wir uns und machen uns unsichtbar?<br />

Beides tut weder<br />

unsnochanderen gut. Besser<br />

wäre es, sorgfältig wahrzunehmen,<br />

was so ein Verdikt<br />

mituns macht. Wenn wirauf<br />

unsere Gefühle achten, anstatt<br />

uns mit denen, die uns<br />

zusetzen, anzulegen, dann<br />

spüren wir schnell, was eigentlich<br />

los ist mit uns, was<br />

wir brauchen und vermissen.<br />

Undwir werden unsdarüber<br />

klar,was wirwollenund was<br />

unswichtig ist. Dann müssen<br />

wir nicht mehr reagieren auf<br />

das, was von aussen kommt,<br />

sondern können selbstverantwortlich<br />

und von innen<br />

heraushandeln.Dannkommt<br />

eine Gotteskraft in uns zum<br />

Tragen, über die wir nur<br />

dankbarstaunen können. n<br />

Nr.10/2013<br />

11


eligion<br />

AndréNormandin<br />

Aufkrummen Wegenzum Ziel<br />

André Normandin ist heute<br />

rundum zufrieden mit seinem<br />

Leben. Begonnen hatte es ganz<br />

anders. Eine Begegnung mit<br />

Gott führte zur Umkehr.<br />

vonMarianneWeymann<br />

Foto:MarianneWeymann<br />

AndréNormandin warinseiner Jugend kriminell–heute ist<br />

er ein angesehenerCoach und Psychotherapeut.<br />

Ein Häuschen mit Garten im Genfer<br />

Vorort Onex. Im grosszügig<br />

ausgebauten Büro hängt ein Abdruck<br />

von Rembrandts «Verlorenem<br />

Sohn». Eine biblische Geschichte,inder<br />

sichderKanadierAndréNormandin(54)<br />

wiedererkennt. Mit gutem Grund: Aus<br />

dem drogenabhängigen jugendlichen<br />

Kriminellen ist ein angesehener Coach<br />

undPsychotherapeut geworden.<br />

Die Startbedingungen hätten ungünstiger<br />

nicht sein können: eine manischdepressive,<br />

alkoholabhängige Mutter,<br />

fünfzehn verschiedene Pflegefamilien,<br />

sexuellerMissbrauch, Alkohol,Drogen.<br />

Mitzwölf beginnt Normandinseine kriminelleKarriere,<br />

vier Jahreverbringt er<br />

in Besserungsanstalten. Besser wird er<br />

dadurchnicht,imGegenteil:«Insolchen<br />

Institutionen lernt man erst, wie man<br />

wirklich kriminellwird»,sagtNormandin.<br />

Ausdem Kleinkriminellen wird ein<br />

mehrfacher Bankräuber, der insgesamt<br />

drei Gefängnisstrafen absitzt.<br />

Die Wende kam am27. August 1980.<br />

Normandin war 22 Jahre alt und lebte<br />

seit einiger Zeit inFlorida. Nun drohte<br />

ihm eine Anklage wegen versuchten<br />

Mordes: Erhatte versucht, Puerto Ricaner,<br />

die ihn geärgert hatten, mit dem<br />

Auto umzufahren. Voraussichtliches<br />

Strafmass: zwölf Jahre. Inder Untersuchungshaft<br />

sprach Normandin ein verzweifeltes<br />

Gebet: «Gott, hol mich hier<br />

raus, undich mache, wasduwillst.»Das<br />

Wunder geschah: DasVerfahren wurde<br />

wegenFormfehlern eingestellt.<br />

EinLeben fürGott<br />

André Normandin hielt Wort und<br />

«übergab sein Leben Gott», wie er sagt.<br />

Er kehrte nach Montreal zurück, fand<br />

Arbeit undwurde Mitglied einerBaptistengemeinde.Fortanwidmete<br />

er sichder<br />

Bekehrung von Jugendlichen, die ähnli­<br />

12<br />

Nr.10/2013


che Probleme hatten wie ereinst. Und<br />

dasmitErfolg:«Ichwareiner vonihnen»,<br />

sagt er,«mitmeinerschwarzen Lederjacke,meinem<br />

Pferdeschwanzund meiner<br />

bulligen Schlägerfigur.Auf mich haben<br />

sie gehört.» Daneben studierte erTheologieaneiner<br />

baptistischen Universität.<br />

1984 wurde erordiniert und konnte<br />

seineeigeneGemeindegründen.Aus 25<br />

Gründungsmitgliedern wurden innerhalb<br />

vonzweiJahren200.Fastalles ehemalige<br />

Randständige, denen die Begegnung<br />

mitNormandin zumGlauben und<br />

zu einembesserenLeben verholfenhat.<br />

Seelenrettung istnichtalles<br />

Mit der Zeit wurde die Gemeinde immer<br />

bürgerlicher – und Normandin<br />

wurdeeslangweilig. Neueswarangesagt,<br />

einJahrinIndien. «Dorthat eine Begegnung<br />

mit Mutter Teresa mir zueiner<br />

zweiten Bekehrung verholfen», sagt er.<br />

«Vorher war ich nur evangelikal, ich<br />

wollte Seelen retten unddachte,daswäre<br />

alles. In Indien habe ichgelernt,dassdas<br />

nichtreicht. Dass manauchetwas gegen<br />

die Armut tun muss. Am Anfang war<br />

noch die Frage: Ist das überhaupt sinnvoll?Ist<br />

nichtjedehumanitäreHilfe nur<br />

einTropfen aufdem heissenStein angesichts<br />

derMassen, dieweiterhinnichtgenug<br />

für ein menschenwürdiges Leben<br />

haben?»Die Antwortvon Mutter Teresa<br />

istihm bisheute Leitsatz:«Onebyone.» –<br />

«Jeder einzelne Mensch, dem geholfen<br />

wird, ist wichtig. Es geht nicht darum,<br />

dieganze Welt aufeinmalzuretten.»<br />

Wieder geht es zurück nach Kanada.<br />

Wieder kümmert sich Normandin um<br />

randständige Jugendliche, diesmalauch<br />

in materieller Hinsicht. Er unternimmt<br />

mehrere Europareisen, um Spendengelder<br />

für seine Organisation zu sammeln.<br />

Solernt er den Pfarrer Roland<br />

AndréNormandin:<br />

«InsolchenInstitutionen lerntman erst,<br />

wieman wirklich kriminellwird»<br />

Benz kennen, der ihn 1997 nach Genf<br />

holt. Esist Zeit für die nächste grosse<br />

Veränderung in diesem an Veränderungen<br />

wahrhaftig nicht armen Leben:<br />

den Umzug in dieSchweiz.<br />

Normandin wird Jugendpfarrer, sein<br />

Arbeitgeber ist die Genfer Kantonalkirche,aberdiese<br />

Beziehungist vonkurzer<br />

Dauer. Ist es sein immer noch evangelikalgeprägter<br />

Frömmigkeitsstil oder<br />

sein temperamentvoller Alphatier­<br />

Charakter, der inder traditionell zurückhaltend­unterkühlten<br />

Calvin­Stadt<br />

aneckt? Auf alle Fälle ist das Klima in<br />

der Genfer Kirche schon damals deprimierend:<br />

Anhaltende Finanzprobleme<br />

haben1997zur Frühpensionierungvon<br />

22 Pfarrern geführt. Auch für den Rest<br />

gilt:Jeder Pfarrer, der geht,ist eineingespartes<br />

Gehalt. Im Jahr 2000 erkrankt<br />

Normandin anKehlkopfkrebs. Im gleichen<br />

Jahr wird dasArbeitsverhältnis beendet.<br />

Zurückgebliebenist beiNormandin<br />

eine tiefe Enttäuschung über eine<br />

verknöcherte Institution, in der bürokratische<br />

Prozeduren und Kontoauszüge<br />

wichtiger zusein scheinen als der eigentlicheAuftrag.<br />

Also ist wieder ein Neubeginn angesagt:<br />

Normandin wird Direktor einer<br />

christlichen Buchhandlung. Diesmal<br />

scheiterterdaran,dasserzuwenig evangelikalist,zum<br />

Beispiel Bücher über andere<br />

Religionen anbietet. Dazu kommt<br />

nochdieScheidung vonder Frau,mit der<br />

er zwanzigJahre verheiratetgewesen ist.<br />

Alles inallem eine äusserst schwierige<br />

Zeit,inder anderen sicher jederLebensmutabhandengekommenwäre.<br />

AndréNormandin:<br />

«Jeder einzelne Mensch,dem geholfen wird,<br />

istwichtig.Esgehtnicht darum,<br />

dieganze Welt aufeinmalzuretten»<br />

DasPrivileg, lebendig zu sein<br />

Nicht soNormandin. Erlernt bald darauf<br />

seine jetzige Ehefrau kennen und<br />

macht eine Ausbildung zum Psychotherapeuten,Eheberaterund<br />

Coach. Inzwischenläuftdie<br />

Praxissogut,dassernicht<br />

nur davon leben kann, sondern sogar<br />

Klienten ablehnen muss.<br />

Sein Institut heisst «Eleutheria», das<br />

ist das griechische Wort für Freiheit.<br />

Der Name ist Programm: Normandin<br />

kommtesdaraufan, seinen Klienten bei<br />

derBefreiung vonlebensfeindlichen Gewohnheiten,<br />

ideologischen Überzeugungen<br />

undDenkmustern zu helfen.So<br />

wieerselbstsichnachund nachvon seiner<br />

evangelikalen Weltsicht befreit hat.<br />

Immer noch nennt er das, was ihm passiertist,«eine<br />

Begegnungmit Christus».<br />

«Aber andere Menschen würden vielleicht<br />

andereWorte füreineähnlicheErfahrunggebrauchen»,sagter.<br />

André Normandin bedauert keinen<br />

Moment seines Lebens.Nicht diekriminelle<br />

Vergangenheit, nicht die Zeit als<br />

Evangelist, nicht die Krebserkrankung<br />

oder die Scheidung. Ja, vieles war<br />

schmerzhaft.«Aber ohne das alleswäre<br />

ichnicht der,der ichheute bin.»Und auf<br />

das Heute kommt esan, darauf, den gegenwärtigen<br />

Moment zuschätzen. Das<br />

Lebenist gut,wieesist.Und Normandin<br />

istdankbar.Für «das Privileg,lebendig<br />

zu sein».<br />

n<br />

Nr.10/2013<br />

13


MonatsserieMärz<br />

erwachen<br />

1Das grosse<br />

Erwachen im<br />

Tierpark Goldau<br />

2Chronobiologie<br />

–überLangschläfer<br />

undFrühaufsteher<br />

3«Wach auf, der du<br />

schläfst …» –Erweckungsbewegungen<br />

4Frühlingserwachen<br />

in Natur<br />

undGedicht<br />

Erste Frühlingsboten stossen durch die<br />

braune Erde, und die Tiere tapsen aus<br />

ihren Winterlagern. Die Natur erwacht.<br />

Tiere und Pflanzen reagieren auf natürliche<br />

Wecksignale. Den Menschen reissen<br />

Klingeltöne, Musik oder das Radio aus<br />

dem Schlaf und strukturieren damit<br />

seinen Tag-Nacht-Rhythmus. Was<br />

passiert bei Mensch und Tier,<br />

wenn sie erwachen, und legt die<br />

Bekehrung bei Erweckungsbewegungen<br />

Zeugnis eines spirituellen<br />

Erwachens ab? Diesen und anderen<br />

Fragen gehen wir inder<br />

aktuellen Monatsserie nach.<br />

Foto:Fotolia


Zeit aufzuwachen!<br />

Der Frühling kommt auf vier Pfoten. Wenn die Tage wieder<br />

länger werden, erwachen die Tiere langsam aus der Lethargie des<br />

Winters. Auch im Natur- und Tierpark Goldau herrscht Aufbruchsstimmung.<br />

Nach der langen Ruhephase und einer strengen Diät beginnt für<br />

die Parkbewohner das grosse Fressen –denn der nächste Winter kommt bestimmt.<br />

Foto:Fotolia<br />

vonSabineSchaller<br />

EineisigerWindwehtdurchdenNatur­ und<br />

Tierpark Goldau.Anden Bäumen biegen<br />

sich dieÄste, im Gehege beim Eingangbewegtsich<br />

aufeiner Holzplattformeingrosseshaariges<br />

Bündel nervös hin und her. Die Waschbärenstecken<br />

ihre Köpfezusammenund kuscheln<br />

sich enganeinander. Es istdas letzte Aufbäumen<br />

des Winters, bevor der Frühling ins Land zieht<br />

und die Waschbären ihre Winterruhe beenden.<br />

Wenn dieTemperaturenwiederkletternund die<br />

Tage länger werden,klingeltihr biologischerWecker.«In<br />

derRegel sind sieEndeFebruar wieder<br />

aktiver. EntscheidendistaberdieUmgebungstemperatur»,<br />

sagt Martin Wehrle, Tierarzt im Tierpark<br />

Goldau.<br />

Das Nachbargehege ist vorübergehend unbewohnt.<br />

DieMurmeltiere lassen sich Zeit.Erstim<br />

Aprilmelden sich dieLangschläferzurück. Unter<br />

den scharfen Augender Bartgeiermachensie gegenwärtig<br />

imKeller der Greifvogelzuchtstation<br />

ihrenWinterschlaf. Eine schmaleWendeltreppe<br />

führt hinunter indas Untergeschoss, wo die siebenNager<br />

in zwei verschlossenen Kisten im Heu<br />

schlafen. Sie unterbrechen den Winterschlummer<br />

nur gelegentlich, umden Schlafplatz zu<br />

wechseln –imZeitlupentempo tapsen die Murmeltiere<br />

dann von einer Kiste indie andere. Ihr<br />

Organismus ist auf Sparflamme geschaltet. Jede<br />

Energieverschwendung gilt estunlichst zu vermeiden.<br />

Voreinigen Jahren beklagte derTierparkbereits<br />

zum zweiten Mal den Verlust des gesamten Bestandesder<br />

Murmeltiere. «Der Tierpark Goldau<br />

ist ineinem Bergsturzgebiet angesiedelt. Wir<br />

nehmen an,dassunterirdische Wassereinbrüche<br />

dieTiere im Schlaf überrascht haben»,sagtMartinWehrle.<br />

Seitdemsetzt maninGoldauauf die<br />

künstlicheÜberwinterung.Für dieMurmeltiere,<br />

dieimSeptemberaus ihremGehegegenommen<br />

undumquartiertwerden,ändertsichnichts.«Der<br />

Vorgangistgenauderselbewie inderNatur», sagt<br />

Wehrle.<br />

Wenn der innereWeckerklingelt<br />

In den Alpen kriechen die Murmeltiere inder<br />

Regel imApril aus ihrem Schlafkessel andie<br />

Oberfläche, wenn keineoder nurnocheinezarte<br />

ausgelaugt: Der Igel<br />

Wenn sich derIgelzwischenMitte<br />

März undAnfangApril, wenn<br />

dieTemperaturen nichtmehrunterzehnGradfallen,entrollt,<br />

ist<br />

er ziemlich abgespannt. Kein<br />

Wunder,hat er doch dreissigProzent<br />

seines Körpergewichts verloren.<br />

DerAufwachvorgang zieht<br />

sich über mehrereStundenhinweg.<br />

Muskelzitternund dieAktivierungder<br />

Fettreserven fördern<br />

dieDurchblutungund erzeugen<br />

Wärme. DieKörpertemperatur<br />

steigtvon rund 5auf 36 Grad,<br />

unddie Atmung normalisiertsich.<br />

Jetztbeginnen fürden Stachelritterdie<br />

Futtersucheund dieVorbereitungauf<br />

diePaarungszeit.<br />

Foto:Keystone<br />

Nr.10/2013<br />

15


Spätzünder:Der Siebenschläfer<br />

Er machtseinemNamen alle<br />

Ehre:Der Siebenschläferist der<br />

Letzte,der nach sieben Monaten<br />

derLethargie im Maiaus seinem<br />

Winterlagerkriecht.Die Aussentemperatur<br />

kümmertihn dabei<br />

nicht–erverlässtsich ganz auf<br />

dieinnereUhr.Die langeAuszeit<br />

hatihren Preis: Biszum Winter<br />

muss er sich sputen.Unvermittelt<br />

machtersich aufdie Suchenach<br />

Blättern,Knospenund mitVorliebe<br />

nach Vorräten in Häusern, in<br />

denen sich dergewiefteKletterer<br />

oftauch<br />

gleich für<br />

denSommer<br />

einrichtet. Einbesonderer<br />

Wettlauf gegendie<br />

Zeitwartetauf dieJungen.<br />

Wenn diekleinen Knäuel<br />

zwischen Ende Juli undAnfang<br />

September aufdie Welt kommen,<br />

wiegen sieknappzweiGramm.<br />

Um denWinterzuüberleben,<br />

müssen siebis Ende September<br />

ein Körpergewichtvon rund<br />

siebzigGramm erreichen.<br />

Foto:Keystone<br />

Schneedeckeliegt unddie Naturihren Futtertellerneu<br />

anrichtet. Gleichzeitig wird auch im Kälteraum<br />

desTierparks wieder geschäftigesLeben<br />

einkehren. ÄussereWecksignale benötigen diese<br />

Murmeltierenicht.«Es istdie innere Uhr, dieihnen<br />

inErinnerung ruft, dass Aufwachzeit ist»,<br />

sagtMartin Wehrle.Der Körper schüttet Hormone<br />

ausund regtdamitdie Fettverbrennungan. So<br />

wird zwarWärmefreiund dieKörpertemperatur<br />

steigt, aber gleichzeitig gehen die Reserven zur<br />

Neige. DieTiere benötigen Nahrungsnachschub<br />

undkommeninBewegung.<br />

Im Gegensatz etwa zuden Waschbären, die<br />

währendder Winterruhe dieKörpertemperatur<br />

kaum senken, braucht das Murmeltier eine<br />

Weile, um aus dem Tiefschlaf der letzten sechs<br />

Monate aufzuwachen. Kein Wunder, denn «der<br />

Stoffwechsel ist während dieser Zeit auf ein Minimum<br />

reduziert», sagt Wehrle. «Der Organismus<br />

vollbringt Höchstleistungen, um sich den<br />

veränderten Bedingungen anzupassen.» Ein<br />

Muskelzittern setzt ein. Es unterstützt die Wärmeproduktion<br />

undsorgt dafür, dass derKörper<br />

von 5bis 6Grad langsam wieder die 39Grad<br />

Betriebstemperatur erreicht. Die Herzfrequenz<br />

steigert sich von 30 auf 300 Schläge pro Minute,<br />

mehr Blut wird durchdie Gefässegepumpt,und<br />

dieAtmungnormalisiertsich.<br />

«Die Energie kehrt zurück und die Aktivität<br />

nimmt zu», sagt Martin Wehrle. Selbst das Gehirn<br />

überlebt den komatösen Zustand schadlos.<br />

Unddas,obwohldie Durchblutung währenddes<br />

Winterschlafs stark gedrosselt ist und das Hirn<br />

mitweniger Sauerstoffversorgtwird. Aufdie Frage,<br />

weshalb es nichts von seiner Leistungsfähigkeit<br />

verliert, hat die Wissenschaft bisher keine<br />

schlüssigen Antworten gefunden. Wahrscheinlich<br />

verhalte es sich ähnlich wie im Schlaf, vermutetWehrle:<br />

«Das Hirn muss nichtdenken und<br />

arbeiten und benötigt deshalb nicht soviel Sauerstoff<br />

und Glukose wie imWachzustand. Die<br />

Hirnströme sind wie die restlichen Funktionen<br />

desKörpers extrem heruntergefahren.»<br />

DieSyrischeBraunbärinFränzi nimmt’sgemütlich. Siebeendetihre<br />

partielleWinterruhe Ende Februar.<br />

16<br />

Nr.10/2013<br />

Foto:Natur­und Tierpark Goldau<br />

Bärenmögen’s individuell<br />

Während die Waschbären langsam ihre Frühjahrsmüdigkeit<br />

abstreifen,herrschtbei denSyrischen<br />

Braunbären beinahe schon wieder Normalbetrieb.<br />

Takis und Tarko, die fünfjährigen<br />

Zwillingsbrüder, halten sowieso gar nichts von<br />

einerausgedehnten Winterpause. «Natürlich ist<br />

auch ihr Futter und damit die körperliche Aktivität<br />

reduziert. Aber obwohl esdie beiden gemächlicher<br />

angehen lassen, sind sie ziemlich<br />

agil», sagt der Tierarzt. Das ist nicht ungewöhn­


Beiden Waschbären folgt aufdie Winterruhe gleichdie Paarungszeit.<br />

Foto:Keystone<br />

lich.Auchinder freien Wildbahn verzichten BärenmanchmalaufdieWinterruhe,«zumBeispiel<br />

in Slowenien, wo diekalte Jahreszeit nichtmehr<br />

sokalt unddasNahrungsangebotvorhanden ist»,<br />

sagt Wehrle.Bärendame Fränzi hatsichfür den<br />

Weg zwischen Askese und Ausschweifung entschieden.<br />

Sie sucht sich morgens Futter zusammen<br />

und zieht sich dann inihr Winterlager zurück.Die<br />

Einzige, dieden Müssiggang wähltund<br />

die gesamte Frostzeit in der Box des Bärengeheges<br />

verbringt, ist die 21­jährige Evi.Ende Februar<br />

stellt auch sieihreWinterdiätein.<br />

Im Tierpark bereitet mansichauf dasgrosseErwachen<br />

vor: «Bald riecht und duftet esüberall<br />

nachFrühling. DieKnospen werden treiben, die<br />

Blätter wachsen, die Tiere gehen auf Nahrungssuche,<br />

und die Vögel zwitschern», sagt Martin<br />

Wehrle.Geküsst vonden ersten Sonnenstrahlen<br />

beginnt fürdie Tieredie stressigsteZeitdes Jahres.<br />

Der nächste Winter kommt bestimmt, und<br />

nurwer sichgenügend Fettreserven anfuttert,hat<br />

Chancen, diesen zu überleben. DieMurmeltiere<br />

verlierendurch diestrenge Diät biszur HälfteihresKörpergewichts,<br />

beiEvi,der SyrischenBraun­<br />

Kaltblütig:Der Grasfrosch<br />

Wechselwarme Tierewie die<br />

FröschekönnenihreKörpertemperatur<br />

nichtselberregulieren.<br />

Im Winter sinktsie biszum Gefrierpunktund<br />

darunter. Grasfröscheetwakönnenübereinen<br />

kurzen Zeitraum beibis zu minus<br />

fünf Grad überleben. Glycerinin<br />

derKörperflüssigkeitverhindert,<br />

dass sich EiskristalleimBlutbildenund<br />

derFroschstirbt. Mehr<br />

alsdie Winterschläfer und­ruher<br />

sind sieauf dieerstenSonnenstrahlen<br />

im Frühling angewiesen,<br />

um ihren Stoffwechsel wieder<br />

anzukurbelnund dieWinterstarrezubeenden.<br />

In derRegel<br />

kommen sieimMärzaus ihren<br />

Schlamm­ oderErdlöchern,um<br />

sich zu sonnen.Dann beginntdie<br />

grosse Wanderungzuden LaichplätzenanBächen<br />

oder Tümpeln,<br />

wo dieWeibchen ihre Eier<br />

ablegen.<br />

Foto:Keystone<br />

Nr.10/2013<br />

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Wenn die Murmeltiere im Aprilerwachen,bleiben ihnen nurwenige<br />

Monate,umdie überlebenswichtigenWinterfettreserven aufzubauen.<br />

Foto:Natur­und Tierpark Goldau<br />

Foto:Keystone<br />

Wachgekitzelt:<br />

Der Marienkäfer<br />

Wiebei denFröschenwirkt<br />

Glycerininder<br />

Körperflüssigkeit<br />

des Marienkäfers<br />

in derkaltenJahreszeit<br />

alsnatürliches<br />

Frostschutzmittel.<br />

Derwechselwarme<br />

MarienkäferwirdimFrühjahr<br />

vonder Sonneaus<br />

derWinterstarre wachgekitzelt.<br />

Er überwintert<br />

unterLaub, Moos,unter<br />

SteinenoderBaumrinden–und<br />

immerin<br />

grossenGruppen.Das<br />

hateinen entscheidendenVorteil:Wenndie<br />

Glückskäfer im Frühling<br />

erwachen, können sie<br />

sich, ohne wertvolleZeit<br />

zu verschwenden, unverzüglich<br />

paaren.<br />

18<br />

Nr.10/2013<br />

bärin, sind es rund zwanzig Kilo, nachdem sie<br />

vonNovemberbisFebruartäglichnureinbiszwei<br />

Äpfelverspeist hat. Nach der Schonkostschlagen<br />

sich alle kräftigden Magenvoll, futternPflanzen,<br />

Kräuterund Gräser.«Es wird gefressen, wasdas<br />

Zeug hält.Die Tierestopfen sich dieBacken voll,<br />

undinsbesondereimVerlaufedesSommerskann<br />

manförmlichsehen,wie sieanGewicht zulegen»,<br />

sagt Wehrle.<br />

Wettlauf gegendie Zeit<br />

Im Waschbärengehege heultderweil dieMotorsäge<br />

auf. Routiniert führtder Tierpfleger dieKettensäge<br />

durchdas Holz,bis derStammteil ausgehöhlt<br />

ist. Ineinigen Wochen finden hier die<br />

WaschbärwelpeneinengeschütztenUnterschlupf.<br />

«Fürmanche Tierewie dieWaschbärenfolgtnach<br />

der ausgedehnten Ruhephase gleich die Paarungszeit»,<br />

sagt Tierarzt Wehrle. Der meiste<br />

Nachwuchskämpft sich zwischenMärzund Mai<br />

aus dem Mutterleib ins Leben –mit Ausnahme<br />

derBärenjungen,die bereitsimDezember, noch<br />

währendder Winterruhe,geboren werden.<br />

Im Vorteil sind jetzt die Männchen, die auch<br />

nach dem Winter noch über ausreichend Reserven<br />

verfügen. Der Liebestanz ist anstrengend:<br />

Das Territorium muss verteidigt und das Weibchen<br />

angelockt werden –das kostet Kraft. «Die<br />

Natur kennt keine Gnade. Nur die Stärksten<br />

überleben und pflanzen sich fort.» Wenn die<br />

Waschbärenjungen nacheiner Tragzeit vonrund<br />

65 Tagen auf die Welt kommen, sind sie –blind,<br />

taub, zirka 65 bis 75Gramm leicht und nur mit<br />

einemgelblichenFlaumüberzogen–demSchicksal<br />

ausgesetzt. Es geht buchstäblich ums nackte<br />

Überleben. Knapp sechs Monate bleiben ihnen<br />

und ihren Eltern, umsich für den Winter fit zu<br />

machen undsichein dickes Fettpolsteranzufressen.<br />

Wenn im Tierpark Goldau der Frühling erwacht,<br />

sind die Tiere bereits wieder auf Winter<br />

eingestellt.<br />

n


Dossier appenzellerlanD<br />

Ein«Heft<br />

im Heft»<br />

zumHerausnehmen.<br />

Individualität,Integrationund<br />

Innovation:<br />

diebeidenAppenzell<br />

500Jahre nach<br />

demBeitrittzur<br />

Eidgenossenschaft.<br />

vonRuedi Haenni<br />

Welewäg…<br />

Foto:FotografieAndreas Butz


konservativ<br />

Dossier appenzellerlanD<br />

frei<br />

«Wie soll mansicheiner Region annähern,von<br />

widerspenstig<br />

stur<br />

eigenständig<br />

wehrhaft<br />

Nein, sieverraten dasGeheimnis<br />

der Kräutersulz nicht. Auch<br />

wenn Uwe Ochsenknecht sie<br />

noch so treuherzig anblickt oder mit<br />

schweren Geldkoffern lockt. Seit nunmehr<br />

zehn Jahren prägen und festigen<br />

die schweigsamen Sennen der Käsewerbung<br />

das Bild des Appenzellerlands in<br />

der Restschweiz: ein knorriges, leicht<br />

verschrobenes Völklein, das sich von<br />

nichts undniemandem ausder Reserve<br />

locken lässt und mit «Chüelibroscht»<br />

und rotem «Liibli» beobachtet, wie die<br />

seltsame Welt an ihmvorbeizieht.<br />

«Es ist natürlich ein Bild, das wir zum<br />

Teil auch ganz bewusst pflegen», sagt<br />

Carlo Schmid, seit 1984 und noch bis<br />

Ende April Landammann von AppenzellInnerrhoden,<br />

underkannsichdabei<br />

ein Schmunzeln nicht verkneifen. «Gemessen<br />

an derBevölkerungszahlhaben<br />

wir eine unglaubliche Präsenz in der<br />

Schweiz – ‹Appenzell› ist eine sehr<br />

starke Marke.»<br />

AufnachWald<br />

Brauchtum, Blässund Berewegge–die<br />

süffigen Schlagzeilen sind schnellgefunden,<br />

wenn esumdas Appenzellerland<br />

geht.Wie also soll mansichdieserRegion<br />

annähern, von der man ohnehin<br />

schon alles zu wissen glaubt? Die ein<br />

Kommentatorschon vorfünfzig Jahren<br />

als«Hochburg desEigenwillens» betitelte?<br />

Dieser Voralpenfestung der Konservativen,<br />

die den EWR mit Zweidrittelmehr<br />

verwarf und die Anti­Minarett­<br />

Initiative mit71,4Prozent (AI, Schweizer<br />

«Rekord»)beziehungsweise 63,7 Prozent<br />

(AR) annahm?<br />

20<br />

Nr.10/2013<br />

appenzellInnerrhoden<br />

einwohner: 15 789<br />

Fläche: 173km 2<br />

Hauptort:<br />

Appenzell<br />

Da alle Wege insAppenzellerland über<br />

den Kanton St. Gallen führen (aus Appenzeller<br />

Sicht bekanntlich der Kuhfladen,<br />

der das Goldstück umgibt), besteigenwirinderOlmastadt<br />

dieseit2006zu<br />

den AppenzellerBahnengehörende Trogenerbahnund<br />

lassen dieoftzitierteHügellandschaft<br />

an uns vorbeiziehen. Ein<br />

Postauto bringt uns schliesslich nach<br />

Wald AR –844 Einwohner, sechs Wirtshäuser,<br />

die Poststelle auch hier inzwischen<br />

imDorfladen. 1999 sorgte Wald<br />

europaweit fürSchlagzeilen, alses–man<br />

stelle sich vor: ein Appenzeller Dorf! –<br />

als erste Deutschschweizer Gemeinde<br />

den ausländischen Einwohnern das<br />

Stimm­ undWahlrecht zugestand,und<br />

dies mit ansehnlichen 71Prozent Ja­<br />

Stimmen. Grundlagedafür wardie revidierte<br />

Kantonsverfassung von 1995, in<br />

der Ausserrhoden –als erster Deutschschweizer<br />

Kanton –diese Möglichkeit<br />

explizit vorsah.<br />

Vorzwei Jahren zeichnete der Verein<br />

«Second@s Plus» Wald als «ausländerfreundlichste<br />

Gemeinde der Schweiz»<br />

aus. Honoriert wurden damit Integrationsbemühungen<br />

wie etwa die relativ<br />

grosszügige Einbürgerungspraxis oder<br />

die Tatsache, dass der Chor Wald auch<br />

Liedgutaus den Einwanderungsländern<br />

in sein Repertoire aufgenommenhat.JakobEgli,<br />

Gemeindepräsident(undselbst<br />

ein «Zugezogener» aus dem Rheintal),<br />

freut sich über die Auszeichnung –die<br />

Gemeinde hatte sich auch aktiv darum<br />

beworben. Er ist jedoch weit davon entfernt,<br />

Wald als Vorzeigegemeinde zu<br />

idealisieren: «Letztlich beantragt nicht<br />

einmal die Hälfte der berechtigten Ausländer<br />

dasStimm­und Wahlrecht–was<br />

aber auch etwa der Stimmbeteiligung<br />

der Schweizer entspricht.» Immerhin<br />

schaffte 2002 ein Niederländer den<br />

Sprung in den Gemeinderat –inzwischenist<br />

er jedoch ausdem Gremiumzurückgetreten<br />

undSchweizer geworden.<br />

VonFötzeln undFlaggen<br />

In den alltäglichen Kontakten zwischen<br />

Einheimischen und Ausländern<br />

dominiertentspanntePragmatik:«Wenn<br />

man gemeinsam in der Beiz sitzt, sagt<br />

manjanicht ‹Grüezi, Herr Ausländer›»,<br />

sagtJakobEgli.DieGrundhaltunginder<br />

Gemeinde seizweifelloseineoffene,aber<br />

«bei uns leben auch Leute, die Mühe<br />

haben mit den Zuwanderern». Michele<br />

Maddalena, ein Süditaliener, der vor<br />

fünfzigJahrennachWaldkam,erinnert


heitsliebend<br />

derman ohnehinschon alleszuwissenglaubt?»<br />

stolz<br />

eigensinnig<br />

sich denn auch daran, dass man früher<br />

«hinter vorgehaltener Hand» durchaus<br />

von«fremdenFötzeln»gesprochenhabe.<br />

Heute kann esjedoch auch schon mal<br />

vorkommen, dass Gemeindepräsident<br />

Egli von der Bosnierin Luzija Bozic Rados<br />

gerügt wird, weil an seinem Haus<br />

am 1. August keine Schweizer Flagge<br />

hängt.<br />

appenzellausserrhoden<br />

einwohner: 53 562<br />

Fläche: 243km 2<br />

Hauptorte:<br />

Herisau, Trogen<br />

DieParteiunabhängigen<br />

Beim Abschied weist uns Jakob Egli<br />

noch auf eine Tatsache hin, die mit ein<br />

Grund dafür sein könnte, dass Wald<br />

dann und wann seinen eigenen Weg<br />

geht: ImGemeinderat sind alle Mitgliederparteilos.Andererseits–diesist<br />

für<br />

die beiden Appenzell gar nicht so untypisch:SoistimAusserrhoder<br />

Kantonsrat<br />

nach wie vor rund ein Drittel der<br />

Mitglieder parteiunabhängig, und in<br />

Innerrhoden wird die Parteizugehörigkeit<br />

der Grossratsmitglieder gar nicht<br />

erst genannt. Carlo Schmid: «Ein Innerrhoderist<br />

Innerrhoder, undParteien<br />

interessieren ihn eigentlich gar nicht.»<br />

Schmid selbst ist erst dann indie CVP<br />

eingetreten, als er in den Ständerat gewähltwurde:«Jeder,<br />

der im Kanton hart<br />

parteipolitisch politisiert, ist ein fremdgesteuerterTorpedo<br />

–und dasmerktder<br />

Innerrhoder.» Entsprechend sei es beispielsweise<br />

für die SVP und die SP<br />

schwer, inInnerrhoden Fuss zu fassen,<br />

weil sie kaum innerkantonale Themen<br />

aufbringenkönnten.<br />

Und die «relativ grosse Eigenständigkeit»<br />

der Ratsmitglieder (Website<br />

www.ai.ch) spiegelt letztlich einen<br />

grundlegenden Charakterzug der ganzen<br />

Region wider: Ineiner Landschaft,<br />

dieauchheute noch über weiteStrecken<br />

so aussieht,als wärendie einzelnenWeilerund<br />

Gehöfte unlängst demsagenhaften<br />

Säntisriesen ausdem löchrigenSack<br />

gepurzelt, hat sich über die Jahre eine<br />

Gesellschaft herangebildet, inder Individualität,<br />

Eigensinn und eine gewisse<br />

Skepsis gegenüber allem Fremden eine<br />

zentrale Rolle spielten.Zentrum desLebens<br />

war der Familienkern; «Freundesbeziehungen<br />

waren kaum üblich in der<br />

appenzellischenGesellschaftsstruktur»,<br />

sagt etwa Agathe Nisple,Kulturvermittlerin<br />

aus Appenzell, die sich unter anderem<br />

intensiv mit der Geschichte der<br />

Region auseinandergesetzt hat. Die Erinnerung<br />

an siegreiche Schlachten in<br />

den Appenzellerkriegen des frühen<br />

15. Jahrhunderts, aber auch schwärme­<br />

500Jahre im Bund,<br />

416Jahre getrennt<br />

Vor500 Jahren,am17. Dezember1513,<br />

wurdedas Land Appenzell<br />

als13. Kanton in diealte<br />

Eidgenossenschaftaufgenommen.<br />

Dieschon damalsals eigensinnig<br />

undunberechenbar<br />

geltendenAppenzeller befreitensich<br />

damit endgültigvon<br />

derHerrschaftder mächtigen<br />

Fürstabtei St.Gallen(derName<br />

«Appenzell»leitetsich ab von<br />

«abbatis cella»,«Gutsbesitz<br />

des Abtes»). Zuvorhattensie<br />

sich in denAppenzellerkriegen<br />

des frühen15. Jahrhunderts<br />

(Schlachtenbei Vögelinsegg<br />

1403 undamStoss 1405)bereitseinegewisse<br />

Autonomie<br />

erkämpft.<br />

SchonimLaufe des 16.Jahrhundertszeitigtedie<br />

Reformation<br />

auch in AppenzellihreFolgen.<br />

1525 entschieddie Landsgemeinde,dassjedeKirchhöri<br />

selbst<br />

über ihre Glaubenszugehörigkeit<br />

entscheidendürfe –die<br />

westlichenund nördlichenGebiete<br />

(die «äusseren Rhoden»)<br />

traten sodann zumneuen Glaubenüber.<br />

GegenEndedes Jahrhundertsforciertenjedoch<br />

dieinneren Rhoden–unter anderemmit<br />

einem Militärbündnismit<br />

Spanien –ihreRekatholisierungsversuche,was<br />

zu<br />

erhöhten Spannungenführte.<br />

UntereidgenössischerVermittlungentschieden<br />

sich dieAppenzellerschliesslich<br />

1597 zur<br />

Landteilung. DerGrenzverlauf<br />

zwischen denbeidenKantonen<br />

bliebjedochmancherorts weiterhin<br />

unscharf undwurde erst<br />

1870 endgültigbereinigt.<br />

Foto:Keystone<br />

Nr.10/2013 21


Dossier appenzellerlanD<br />

Foto:Martina Basista,Appenzeller MedienhausAG<br />

DasAppenzellerland alsPostkartensujet:Alpfahrt mitGeissen,Kühenund derfestlichen Sennentrachtmit rotem «Liibli»<br />

und gelben Kniehosen(«di Geele»).<br />

rische Beschreibungen früher Beobachterwie<br />

etwa Johann GottfriedEbel(«Gebirgsvölker<br />

der Schweiz», 1798) kultivierten<br />

das Bild eines wehrhaften und<br />

widerspenstigen Menschenschlags, das<br />

bisheute nachwirkt.<br />

VomBauernkanton zumMix<br />

«Als ich 1984 Landammann wurde»,<br />

sagt Carlo Schmid, «war rund ein Viertelder<br />

ErwerbstätigenBauern.»Und die<br />

Bauern hätten zumindest den Kanton<br />

Innerrhoden entscheidend geprägt:<br />

«AufgrundseinerTätigkeit in derNatur<br />

ist der Bauer allem Neuen gegenüber<br />

sehrzurückhaltend.Ichhabedaherauch<br />

schon gesagt, wir sind ein Kanton der<br />

verpassten Möglichkeiten», so Carlo<br />

Schmid. «Andererseits ist der Bauer extrem<br />

zuverlässig und solid, und wenn<br />

manseinZutrauen hat, istertreu. Diese<br />

GrundmustersindimKantonnochheute<br />

erkennbar.»<br />

Istalsodie Landwirtschaftimmer noch<br />

daswirtschaftlicheRückgratder beiden<br />

Appenzell? Mitnichten, sagt Markus<br />

Walt, Leiter des Innerrhoder Amts für<br />

Wirtschaft: «Auch bei uns findet eine<br />

Verschiebung vom ersten zum dritten<br />

Sektor statt–derzeit sind nochsechzehn<br />

22<br />

Nr.10/2013<br />

Prozent der Beschäftigten in der LandundForstwirtschafttätig.»<br />

Dies istzwar<br />

immer noch das Vierfache des schweizerischen<br />

Mittels, aber die kantonale<br />

Wirtschaft hat sich in den letzten Jahrzehnten<br />

stark aufgefächert. Ein «Mix<br />

verschiedener Branchen» präge heute<br />

die Appenzeller Wirtschaft, erzählen<br />

Walt und seine Ausserrhoder AmtskolleginKarin<br />

Jung übereinstimmend.Wobei<br />

die Facetten leicht unterschiedlich<br />

sind:InInnerrhoden istheute –neben der<br />

Landwirtschaft–derTourismus einwichtigerWirtschaftszweig<br />

geworden, undder<br />

LebensmittelbereichweistmitderMineralquelle<br />

Gontenbad, der Brauerei Locher,<br />

dem Appenzeller Alpenbitter und natürlich<br />

dem Käse weit über die KantonsgrenzenhinausbekannteMarken<br />

auf.<br />

InAusserrhoden wiederumnimmtdas<br />

Gesundheitswesen eine gewichtige Rolle<br />

ein –die Tätigkeit der Naturheiler beispielsweise<br />

ist sogar per Verfassung gestützt.Auchdie<br />

klassische Industriemit<br />

Unternehmen wie dem ElektrotechnikkonzernHuber<br />

+Suhneroder derinder<br />

Messtechniktätigen MetrohmAG(beide<br />

in Herisau) ist für den Kanton prägend.<br />

«Ausserrhoden gehörte zuden ersten<br />

Kantonen, die eine Industrialisierung<br />

erlebt haben»,sagtKarin Jung –Vorreiterinwardamals<br />

dieTextilindustrie,die<br />

auch heutenochpräsent ist.<br />

GrenzenamRand<br />

Die Arbeitslosenquoten liegen mit<br />

1,7 Prozent (AI) und 1,8 Prozent (AR)<br />

halb so hoch wie der Schweizer Durchschnitt,<br />

das frei verfügbare Einkommen<br />

gehörtinbeidenKantonenzuden höchsten<br />

der Schweiz –also eine rundum paradiesische<br />

Situation? «Die schlechte<br />

VerkehrsanbindunglimitiertdasWachstum<br />

als Wohn­ und Wirtschaftsstandort»,sagtMarkusWalt,<br />

undKarin Jung<br />

ergänzt: «Je peripherer man gelegen ist,<br />

destoschwieriger ist es, gute Fach­ und<br />

Führungskräfte zufinden. Ausserdem<br />

habenwir aufgrund der Topografierelativwenig<br />

guterschlossenes Bauland.»<br />

Als «grosse Herausforderung» sehen<br />

Walt und Jung den sogenannten Braindrain,<br />

die Abwanderung junger Hochschulabsolventen<br />

aus der Region. «InnerrhodenweistmitrundsiebzigProzent<br />

diehöchste Braindrain­Rateder Schweiz<br />

auf», sagt Markus Walt; Ausserrhoden<br />

liegtmit rund fünfzigProzent nurwenig<br />

dahinter. Mit gezielten Informationsanlässen<br />

und Impulsprogrammen ver­


Foto:zVg<br />

DasAppenzellerland alsIndustriestandort:Ein Mitarbeiter derArcolor in WaldstattARwartetamFarbmischer,bis die (einem Zahnrad<br />

ähnelnde)Dissolverscheibeabgetropftist.<br />

sucht man hier Gegensteuer zu geben.<br />

Hinter allem stehe jedoch das Ziel, die<br />

Attraktivität der beiden Kantone als<br />

Werkplatz insgesamt aufrechtzuerhalten<br />

–und weil gute Luftund grüneWiesen<br />

dazu allein nicht genügen, haben<br />

beideKantone schonvor rund sechs Jahren<br />

die Unternehmenssteuersätze markant<br />

gesenkt. Die Massnahme zeitigte<br />

Erfolg: Inden letzten Jahren hat nicht<br />

zuletzt die Zahl der Firmen, die im<br />

(Hoch­)Technologiebereichtätigsind,in<br />

beiden Kantonen zugenommen.<br />

Farbefür dieWelt<br />

«Wir habeneigentlichschon vordieser<br />

Steuersenkung entschieden, anunserem<br />

Standort zu bleiben», sagt Jörg Müller,<br />

Geschäftsführer des Druckfarbenherstellers<br />

Arcolor inWaldstatt AR. Die<br />

1996 gegründete Firma beschäftigt heute<br />

63 Mitarbeiter, dazu kommt eine<br />

Tochterfirma mit 5Angestellten in China.<br />

Arcolor ist weltweiter Marktführer<br />

im Dekordruckbereich, dieFarbenkommen<br />

unter anderem bei Möbeloberflächen<br />

oder bei Laminatfussböden zum<br />

Einsatz. «Als wir 2003 erweitern mussten,<br />

spielten wir auch Szenarien mit einem<br />

Umzug nach Polen oder China<br />

durch–imDekordruckexportieren wir<br />

ohnehin zuhundert Prozent ins Ausland.»<br />

Die Nachteile und Risiken seien<br />

dabei aber weit grösser gewesen als die<br />

Vorteile,sagtMüller: «Ausserrhoden ist<br />

ein kleiner, unternehmensfreundlicher<br />

Kanton –man kennt dieBehörden, und<br />

dieBehördenkennendie Firmen.»<br />

Dieperiphere Lage seinie einProblem<br />

gewesen: «Da wir die ganze Welt bedienen,<br />

spielt es keineRolle mehr,obwir in<br />

WaldstattoderinZürichsind.»Viele ihrerFachkräfte<br />

müssedie Arcolorsowieso<br />

in Deutschland rekrutieren, weil in<br />

der Schweiz die entsprechenden Ausbildungen<br />

gar nicht angeboten würden,<br />

sagtMüller.«FürDeutscheistdieSchweiz<br />

als Land attraktiv –ob sie jetzt in der<br />

Nähe von St. Gallen oder von Zürich<br />

wohnen, macht für sie keinen Unterschied.»<br />

IminternationalenWettbewerb<br />

setztdie Arcolorden Vorteilder «Swissness»gezielt<br />

ein: «Mit dem Appenzeller<br />

Hintergrund geht das besonders gut,<br />

weilhier dieTraditionen gelebt werden.»<br />

Brauchtum–mit oder ohne<br />

Ein Satz, der vermutlich wie Musik in<br />

den Ohrenunseres nächsten Gastgebers<br />

klingt: Walter Frick ist Kurator des<br />

Brauchtumsmuseums inUrnäsch, vielseitiger<br />

Volksmusiker undMitglieddes<br />

Waisenhaus­Schuppels, einer Gruppe<br />

vonSilvesterchläusen,die jedesJahram<br />

31.Dezemberund am 13.Januar(neuer<br />

undalter Silvester) mitSchellen, Rollen<br />

undZäuerlidasJahrbegrüsst.Undinder<br />

Tat: «Das Appenzeller Brauchtum lebt»,<br />

sagt Frickmit Überzeugung. «Das zeigt<br />

sich allein schon daran, dass wir keine<br />

Nachwuchsproblemekennen.»<br />

GidioHosestosszuAschermittwochin<br />

Herisau und Waldstatt, Alpfahrten im<br />

Mai und im Herbst, das Räuchle zu<br />

Weihnacht und Neujahr, die diversen<br />

Stobeten im Alpstein, die Fronleichnamsprozessionen<br />

in Innerrhoden,<br />

Viehschauen, Chlausezüüg undSennenbälle<br />

–der Appenzeller Brauchtumskalender<br />

ist reich gefüllt. Letztes Jahr<br />

liesseineGruppejungerMännerinHerisausogar<br />

«das Bloch» wieder aufleben<br />

–imGegensatz zumübrigen Kanton lag<br />

dieser Brauch,bei demein Baumstamm<br />

durch die Strassen gezogen wird, im<br />

Kantonshauptort während 99Jahren<br />

brach. «Eine Supersache», sagt Walter<br />

Frick, «eswar eindrücklich,wie allesherausgeputzt<br />

und bis ins Detail durchstudiert<br />

war.»<br />

Nr.10/2013 23


Dossier appenzellerlanD<br />

Das Appenzeller Brauchtum habe<br />

«eine Riesenentwicklung» durchgemacht,<br />

wenn man die letzten 100, 200<br />

Jahrebetrachte:«Im 19.Jahrhunderthatten<br />

dieSilvesterchläuseofteinfach Lumpenan–einen<br />

Sack über den Kopf,zwei<br />

Löcher rausgeschnitten, fertig», sagt<br />

Walter Frick. Dannzumalgab es nurdie<br />

«wüsten» Chläuse –die «schönen», bei<br />

denen heutzutage Tausende vonArbeitsstunden<br />

undFranken allein in diekunstvolleGestaltungder<br />

«Haube»investiert<br />

werden,sinderstum1880herum aufgetaucht.<br />

Aber auch heute noch wird an<br />

Details gefeilt, etwa bei der bekannten<br />

Sennentracht mitdem roten Gilet(«Liibli»)<br />

und den gelben Hosen: «Unlängst<br />

sah ich einen, dessen ‹Chüelibroscht›<br />

statt von drei Schellenkühen von einer<br />

Streichmusik geziert wurde», sagt Walter<br />

Frick. Erhabe zweimal hinsehen<br />

müssen,als er es bemerkthatte:«Dä het<br />

huereMuet!»<br />

Auch dieMusik–fürFrickohnehindie<br />

Basis allen Appenzeller Brauchtums –<br />

habe sich «umSchuhlängen entwickelt»;<br />

heutegebeessoviele qualitativ gute Appenzeller<br />

Musiken wie kaum je zuvor.<br />

«Letztlich lebt dasBrauchtum, weilesvon<br />

innenherauskommt.Der Bubwürde an<br />

derAlpfahrtmit seinemSenntumdurchs<br />

Dorf laufen, obesZuschauer hat oder<br />

nicht. Undwir würden an Silvesterchlausengehen,obesTouristenhatodernicht.»<br />

GesundesFieber<br />

«AufkleinemRaum‹ischchoge villos›»,<br />

sagt denn auch Thomas Rickenmann<br />

über das Appenzellerland. Der Wattwilerist<br />

einerjener «Zuschauer», dieesein<br />

wenig genauer wissen wollten: Schon<br />

zwei Filme hat er über das Appenzellerland<br />

gedreht–den ersten 2008 über das<br />

Leben auf der Fälenalp («Die Schönheiten<br />

des Alpsteins»), den nächsten 2011<br />

über das Silvesterchlausen. Rasch habe<br />

das «Chlausenfieber» auch ihn gepackt,<br />

sagt Rickenmann:«Es istschon speziell,<br />

wie viel Energie man inetwas stecken<br />

kann, das man dann nur zwei Mal im<br />

Jahr braucht.» Obwohl die Silvesterchläusestets<br />

eingrosses Geheimnisum<br />

ihre Hauben machen,seien sie–nachanfänglicher<br />

Vorsicht –erstaunlich offen<br />

gewesen: «Wennich maleinen Samstag<br />

nicht gekommen bin, haben sie mich<br />

schonvermisst. Nach einerWeile gehört<br />

manwirklichdazu.»<br />

24<br />

Nr.10/2013<br />

Foto:AppenzellerlandTourismus AI /swiss­image.ch /MarcHutter<br />

Politiktrifft Traditiontrifft Liturgie:<br />

dieLandsgemeindeinAppenzell Innerrhoden.<br />

«Offenheit» und«dazugehören»–zwei<br />

Stichworte, die auch Agathe Nisple von<br />

jeherumgetrieben haben. Obwohl sieeigentlich<br />

ihr ganzes Leben in Appenzell<br />

verbracht hat, obwohl sie seit vierzehn<br />

Jahren in der lokalen «Feuerschaukommission»<br />

(etwa: Baukommission) tätig<br />

ist, obwohl sie die Geschichte der Region<br />

kennt wie nur wenige Einheimische,<br />

fällt esder Kulturvermittlerin –«Kind<br />

nichtappenzellischerEltern»,alsoletztlich<br />

eine «Zugezogene» –noch heute<br />

nichtganzeinfach zu sagen: «Ich binAppenzellerin.»<br />

Das ganze appenzellische<br />

Brauchtum, von der Tracht bis zur Bauernmalerei,<br />

ist für sie zwar «eine wunderbare<br />

Geschichte», aber eben auch<br />

eine,«dieins 19.Jahrhundert gehört».<br />

Schellen im Hausgang<br />

In der Tat erlebte das Appenzellerland<br />

des19. Jahrhunderts eine wirtschaftliche<br />

Hochblüte, die ersten Kurtouristen kamenindie<br />

Region –und gleichzeitig war


das bäuerliche Handwerk von der Senntumsmalerei<br />

über die Handstickerei bis<br />

zur Weissküferei auf einem Höhepunkt.<br />

«Aber eswar eine angewandte Kultur»,<br />

sagt Agathe Nisple,«manhat dieGeräte<br />

weitgehend auch im Alltagsleben benützt.»Dassdie<br />

dekorativen Kunstwerke<br />

auch bei den Besuchern auf Anklang<br />

stiessen, nahmen die Appenzeller lediglich<br />

wohlwollendzurKenntnis.«Danach<br />

hatsichdas Bauernwesennatürlich weiterentwickelt»,sagtNisple–auchinden<br />

Appenzeller Ställen löste die Melkmaschine<br />

diealthergebrachten Kübelab.<br />

Und inden schwierigen Kriegs­ und<br />

Nachkriegsjahrenwar das,was wirheute<br />

als«AppenzellerBrauchtum»kennen,<br />

praktischinexistent.Dochinden 1960er<br />

Jahren setzte dieReprise ein, dieAlltagsgegenstände<br />

voneinst wurden flugs zur<br />

«Tradition»(v)erklärt. «Man hateinfach<br />

all das, was man im19. Jahrhundert gemachthatte,neu<br />

aufgelegt»,sagtNisple.<br />

Neue Schnitzereienwurden angefertigt,<br />

neue Schellen geschmiedet – «jedes<br />

Dorfhaus hatte in den siebziger Jahren<br />

drei solcherSchellenimHausgang,nicht<br />

mehr nur der Bauer, der sie auch wirklich<br />

aufdie Alpgetragenhatte».<br />

Rundherumseiwenig RaumfürNeues<br />

geblieben, sagt Nisple,und natürlichsei<br />

das wirtschaftlich schwache Appenzell<br />

Fortsetzung aufSeite 28.<br />

Nr.10/2013 25


Dossier appenzellerlanD<br />

Foto:Andreas Nentwich<br />

Alt-Bundesrat Hans-Rudolf Merz vordem «SchwarzenHaus», einer derältesten<br />

Stoffdruckereien derSchweiz,Keimzelleder Herisauer Textilindustrie.<br />

Spazieren<br />

im Weltdorf<br />

26<br />

Nr.10/2013<br />

Alt-Bundesrat Hans-Rudolf Merz<br />

zeigt sein Herisau.<br />

vonAndreasNentwich<br />

Nun müsse der Besucher ihm<br />

aber auch sagen, was ergenau<br />

von ihm wolle. «Ich möchte,<br />

dass Sie mir Ihr Herisau zeigen, alles,<br />

was Ihnen wichtig ist!» Hans­Rudolf<br />

Merz,geboren 1942 in Herisauund zeitlebens<br />

hier wohnhaft, sitztamSteuer seinesMercedes.<br />

Am Bahnhof Gossau hat<br />

er mich abgeholt,esist Anfang Februar,<br />

ein trüber Tag, der Wind schneidet ins<br />

Gesicht. Nunnickt er.Und erzähltdann<br />

dieSagevom Riesen Säntis undseinem<br />

Sack mitdem Loch,aus demdie Häuser<br />

purzelten,hinunterauf diegrünenMatten<br />

des Appenzellerlandes. So entstanden<br />

die Streusiedlungen, mit ihnen die<br />

Blickdistanz,der Eigensinnund dasZusammengehörigkeitsgefühlvon<br />

solchen,<br />

die sich gegenseitig nicht dreinreden –<br />

Siedlungsformwurde Mentalität.«Aber<br />

dieStadt?» –«Stadtgibtesnicht,Herisau<br />

istdas Dorf.Einmalkam einervon aussen,<br />

der wollte esunbedingt zur Stadt<br />

machen, das ist ihm nicht bekommen.»<br />

Vielleicht, weil die Appenzeller auch<br />

dort,wosie sich verwalten undgeschäften,<br />

das Gefühl behalten wollen, freie<br />

Bauern zu sein?<br />

«Grüezimitenand! Herr Merz!»<br />

Zu der Frage kommt es nicht mehr,<br />

denn wir haben den Dorfplatz erreicht,<br />

den er mir zeigen möchte. Hier sei er<br />

schon als Kind auf dem Schulweg mit<br />

den vier zentralenAspekten von«Gesellschaft»<br />

konfrontiert worden. Er deutet<br />

mitdem Finger in dievierHimmelsrichtungen<br />

und sagt: «Regierung, Kulturdirektion,<br />

Kirche, Bank.» Erfährt den<br />

Bilderfries unter dem Dach des Regierungsgebäudes<br />

ab–die Wappen von<br />

Hundwil, Trogen, Motive aus der Bauernkultur,<br />

dieLandsgemeinde.Ersucht<br />

nach Wörtern, die das massvoll Extravagante<br />

der Architektur des weiss verschindelten<br />

Hauses erfassen,indem die<br />

Kulturdirektion untergebrachtist.Etwas<br />

schwingt mitineinem kurzen Moment<br />

der Ausdrucksnot,Respekt,Zärtlichkeit<br />

fast,Hans­Rudolf Merz liebtdie Künste.


Hans-rudolfMerz:<br />

«stadt gibt es nicht, Herisauist dasDorf. einmal kameiner<br />

vonaussen, derwollteesunbedingt zurstadt machen,<br />

dasist ihmnicht bekommen»<br />

«Dort sehen Sie die protestantische Kirche.<br />

In dieser Kirche wurde ich getauft,<br />

getraut, wurden meine Söhne konfirmiert,<br />

fand dieFeier alsBundesrat statt,<br />

als Bundespräsident –und wenn alles<br />

normal läuft,wirdauchdie Abdankung<br />

hier stattfinden.» («Grüezi mitenand!<br />

Herr Merz!» –«Voilà!» –«Herr Merz!»)<br />

«Und dasistdieKantonalbank.Gewesen.<br />

Jetzt ist’s die UBS. Ich war jaPräsident<br />

dieser Kantonalbank, sie war pleite, als<br />

icheintrat.Ichmusste sieverkaufen –ein<br />

schmerzhafter Entscheid, der den Kanton<br />

sehr geschüttelt hat. Daging ein<br />

Stück Identität verloren, absolut.» Wir<br />

steigen wieder indenWagen.Aufdiesen<br />

Platzhätte mich auch jederandereHerisauergeführt–umvom<br />

Einmaligen und<br />

Unverwechselbaren zusprechen, vom<br />

schönen Früher und von heutigen<br />

Bausünden, vom Alt­Bundesrat natürlich<br />

auch. Dieser selbst jedoch schaut<br />

durchalles Lokale hindurch aufdas pulsierende<br />

Herz dessen, was für ihn ein<br />

Gemeinwesen ausmacht. Seine Heimatliebeist<br />

nichtdenkmalpflegerisch, nicht<br />

romantisch, nichtkleinstädtisch–sieist<br />

politisch.DasHerisau,daservondiesem<br />

Platz her entfaltet, ist eine Kapitale aus<br />

dem Baukasten des Riesen Säntis, mit<br />

allen Funktionen, die notwendig sind,<br />

um aus Einzelnen Gesellschaft werden<br />

zu lassen.<br />

Sport, Militär, Wirtschaft<br />

Weiterfahrt. Vorbei an derKaserne,in<br />

der Hans­Rudolf Merz die Rekrutenschule<br />

absolviert hat, aufden Parkplatz<br />

des1973eröffneten Sportzentrums. Gebaut<br />

vonihm,könnteman sagen, wenn<br />

derSportbegeisterteauchnochMonarch<br />

wäre. Viel fehlt nicht –zum Gebauthaben.<br />

DasZentrum wardie Vision des<br />

gerade Dreissigjährigen, der zu jener<br />

Zeit schoneineführendeKraftwar,nicht<br />

nurimDorfund im Eishockeyverband,<br />

sondern, alsGeschäftsführerdes Industrievereins<br />

Appenzell Ausserrhoden,<br />

auch im Halbkanton. AmAnfang allerdings,<br />

so erzählt ernun, stand die Eingebung<br />

eines Kasernenverwalters: Warum<br />

nichtauf diegeplanteEinstellhalle<br />

für Militärfahrzeuge etwas Schönes<br />

draufsetzen, eine Kunsteisbahn? Das<br />

habe «den führenden Kräften» damals<br />

eingeleuchtet, und kaum war die Sache<br />

beschlossen, sprudelten neue Ideen:<br />

Schwimmbecken, Turnhallen, Sauna,<br />

Restaurant.JemehrZwecke, destomehr<br />

Zustimmung. «Ich war vom ersten Tag<br />

an Präsidentdes Betriebes, habe dieLeute<br />

angestellt, die Anlagen inBetrieb genommen<br />

und 1974 auch die Eishockey­<br />

Europameisterschaften organisiert. Das<br />

Turnier ist sehr gut herausgekommen,<br />

50 000 Zuschauer, am Schlusshatten die<br />

Schweden gegen die Russen gewonnen.<br />

Es wareineganztolle Zeit fürHerisau.»<br />

Sportzentrum,Kaserne,Dorfplatz.<br />

«Nun zeigeich Ihnen noch denvierten<br />

Schauplatz, der mir etwas bedeutet!»<br />

Wir fahren dem Glattbach entlang, an<br />

dem die alten Gewerbebetriebe liegen,<br />

zu Huber+Suhner, Kabelsysteme,Kommunikationskomponenten,<br />

«das Flaggschiff»,<br />

sagt er, «der appenzellischen<br />

Industrie». Achtzehn Jahre sei erim<br />

Verwaltungsrat gewesen, zehn Jahrebei<br />

Cilander­Textilveredelunggleichnebenan.Wir<br />

halten,ich darf einFotomachen<br />

und spüre die Bewegung, innere Verbundenheit<br />

bis heute bei dem Wirtschaftsmann.<br />

Hans­Rudolf Merz,der Sparfuchsund<br />

Modernisierer, weicht nicht aus, wenn<br />

die Verlustbilanz zu benennen ist. «Innerrhoden?Die<br />

habennocheineLandsgemeinde.<br />

Wir haben sie abgeschafft<br />

nach dem Kantonalbankdebakel. Die<br />

haben noch eine eigene Zeitung, eine<br />

eigeneBrauerei, wirhaben dasallesnicht<br />

mehr.» –«Trinken die Ausserrhoder<br />

St.GalleroderInnerrhoder Bier?» –«Ja,<br />

wahrscheinlich beides. Ichbin kein Biertrinker.»<br />

Er lacht. Unterschiede zwischenden<br />

Halbkantonen seiennatürlich<br />

da, nicht mehr so sehr wegen der Religion<br />

selbst als wegen der durch sie geschaffenen<br />

unterschiedlichen Traditionen.<br />

Aber nein, man verstehe sich gut.<br />

Indes: «InAppenzell Innerrhoden müsste<br />

ich als Protestant kein Verkaufsgeschäfteröffnen.»<br />

Er ist, seiner Bündnerfleischberühmtheit<br />

zum Trotz, ein ernster Mann, mit<br />

Humor begabt, aber ihn nicht suchend.<br />

Wer ihn an seinem Ort erlebt, hat den<br />

Eindruck,dasserweiss,wasihmzusteht,<br />

darüberhinausaberganzuneitel ist. Er<br />

grüsst ernst und nachdrücklich, gern<br />

auch, wie mir scheint, als Erster. Ein<br />

Wink über die Strasse zum Postboten,<br />

ein Tipp zum Busfahrer, den er kennt.<br />

Auffallende Höflichkeit in den kleinen<br />

Gesten.<br />

Lebenslinien, Schnittstellen<br />

Auf der Höhe, vorm Altersheim Dreilinden,<br />

der Panoramablick auf seine<br />

Polis. Hans­Rudolf Merz zeigt mir die<br />

berühmte Psychiatrie, sprichtüberHermann<br />

Rorschach, einen Pionier der<br />

Persönlichkeitsforschung, der hier den<br />

Rorschachtest entwickelt hat. Und über<br />

den schmalen Wanderer mit Gilet und<br />

Strohhut, den er als Schulbub von fern<br />

verehrte: Robert Walser. Hier, wowir<br />

stehen,ist er auch oft vorbeigekommen.<br />

Merz fährt Walsers Spazierwege rund<br />

um Herisau mit dem Finger ab. «Dort,<br />

links, sehen Sie das kleine Hügelchen?<br />

Da lag ertot im Schnee. Und dort –sehenSie<br />

den Friedhof?Rechtsdavon die<br />

Bäume–dahabeich den Herzstillstand<br />

bekommen.Ichwaralsopraktischschon<br />

aufdem Friedhof.» VomFriedhof insBezirksspital<br />

–«da»–und weiter mitdem<br />

Helikopter nachSt. Gallen.<br />

Spital,Altenheime, Psychiatrie, Schule,<br />

Kaserne,Zeughaus,die beiden Fabriken:<br />

Mitspieler allesamt auf der Bühne Herisau,<br />

dem Regierungsdorf, jaWeltdorf<br />

dank Walser,Rorschach undKommunikationskomponenten.<br />

Sein glücklicher<br />

Bewohner neben mir hätte eserfunden,<br />

wenn es nicht fast schon fertig gewesen<br />

wäre.<br />

Nr.10/2013 27


Dossier appenzellerlanD<br />

auch lange kein Ort gewesen, in dem<br />

zeitgenössische Kunst hätte wachsen<br />

können.AucheinCarl August Liner, der<br />

sich 1907 in Appenzell niedergelassen<br />

hatte und dem das Dorf 1998 ein Museum<br />

widmete, hatte nicht das Ziel,<br />

die Moderne in die Region zubringen,<br />

sondernwollteschlichtals «Malerfürst»<br />

(Nisple) in schöner Umgebung leben.<br />

Also machte sich Nisple mit Gleichgesinnten<br />

auf, «das Jahrhundert nicht<br />

durchdie Traditionbesetzenzulassen»<br />

–sie entdeckte etwa die Schwarz­Weiss­<br />

Bilder von Emil Grubenmann neu und<br />

förderte mit ihrer Stiftung Kunstschaffendeverschiedenster<br />

Couleur.<br />

Und sagt heute: «Es ist wirklich angenehm,hierzuleben.»<br />

Gerade diejungen<br />

Appenzellerinnen undAppenzeller würden<br />

viel lockerer undweniger reglementiert<br />

mit der Tradition umgehen als die<br />

Generationen vor ihnen –als Beispiel<br />

nennt Nisple etwa die Fotografien von<br />

LuziaBroger, dieeinen frischenBlickauf<br />

die urappenzellische Tradition der<br />

Trachten gefundenhat:«Daswäre früher<br />

ein Sakrileg gewesen. Heute ist die Tradition<br />

jedoch nicht mehr sorichtungsweisendwie<br />

einst;geradeinden letzten<br />

zehn Jahren hatsichvielverändert.»<br />

Frauen im Ring<br />

VeränderunginAppenzell –daist der<br />

Weg nicht mehr allzu weit zum ominösen<br />

Thema Frauenstimmrecht. Kurz rekapituliert:InAusserrhoden<br />

wurdedieses<br />

1989 –mit mehr als umstrittenem<br />

Mehr –ander Landsgemeinde angenommen,was<br />

mitdazuführte, dass diese<br />

acht Jahre später ander Urne abgeschafftwurde.Die<br />

InnerrhoderMänner<br />

lehnten das Frauenstimmrecht noch<br />

1990 im Ring ab, bis am 27. November<br />

desselben Jahres schliesslich das Bundesgericht<br />

einMachtwortsprach.<br />

Agathe Nisple gehörte im Vorfeld natürlich<br />

zuden Befürworterinnen, aber<br />

sie relativiert auch das Schwarz­Weiss­<br />

Klischee von den sturen Appenzeller<br />

«Grinden»und ihrenunterjochten Frauen:«DieFrauwarinInnerrhoden<br />

immer<br />

sehrgeschätzt,nichtzuletzt,weilsie sich<br />

–vom 19. Jahrhundert bis zum Ersten<br />

Weltkrieg –mit der häuslichen Handstickerei<br />

eine starke wirtschaftliche<br />

28<br />

Nr.10/2013<br />

Position in der Familie erarbeitet hatte.<br />

DieFrauenverdienten oft mehr Geld als<br />

ihre Männer undverwalteten zu Hause<br />

dieFinanzen. Da konnte manessichleisten,<br />

den Mann zur Landsgemeinde zu<br />

schicken –man hatihm vorher schongesagt,was<br />

er stimmensoll.»<br />

Die Einführung des Frauenstimmrechts<br />

sei aber letztlich überfällig gewesen–dies<br />

habe sich nichtzuletzt an der<br />

ersten gemischten Landsgemeinde im<br />

Folgejahr gezeigt: «Ich hatte ein Spiessrutenlaufen<br />

befürchtet», sagt Agathe<br />

Nisple,«aber es war, alsobwir schonimmer<br />

dabei gewesen wären.» Auch für<br />

Landammann Carlo Schmid war diese<br />

Landsgemeinde «das grosse Erlebnis»:<br />

«Wir stimmten über zwei Initiativenzur<br />

Abschaffungder Landsgemeindeab. Die<br />

Frauen unddie Jungen kameninhellen<br />

Scharen, habendie Initiativen‹obenabegchauft›–undseither<br />

istdaskeinThema<br />

mehr.»<br />

Hand undHerzerhoben<br />

DieLandsgemeinde lebe heutestärker<br />

denn je, sagt Schmid: «Gerade die jungen<br />

Männer und Frauen kommen fast<br />

alle in Schale,als ob sieaneineHochzeit<br />

gehen würden.» Trotz aller rechtsstaatlichen<br />

Vorbehalte bleibt Schmid denn<br />

auch ein überzeugter Verfechter der<br />

Landsgemeinde: «Sie ist extrem effizient–innerhalbvon<br />

ein, zwei Stundenist<br />

manpolitischwiederfür einJahr‹putzt<br />

und gstrählet›.» Das eigentliche Geheimnis<br />

der Landsgemeinde sei jedoch<br />

dieVerbindungzwischenPolitik undLiturgie:Der<br />

vorausgehendeGottesdienst,<br />

der feierliche, prozessionsgleiche Aufzug<br />

durch die Hauptgasse, der Schwur<br />

mit der Anrufung Gottes –«das alles<br />

verleiht derLandsgemeinde eine grosse<br />

Ernsthaftigkeit, diedie Leute, sagenwir,<br />

erhebt», sagt CarloSchmid. «Eswirdihnenbewusst:‹Es<br />

geht um uns.›» Agathe<br />

Nisple pflichtet bei: «Man bezeugt mit<br />

den Händen eine Haltung–dasist auch<br />

eine persönlicheHerausforderung.»<br />

DieKlostermauerals Grenze<br />

Die Beibehaltung der Landsgemeinde<br />

in Innerrhoden beziehungsweise ihre<br />

Abschaffung inAusserrhoden ist nicht<br />

das Einzige, was die beiden Appenzell<br />

heute unterscheidet. Gerade Ausserrhoden<br />

musste in den letzten Jahren einige<br />

schmerzliche Verluste hinnehmen–die<br />

Kantonalbank pleite, die Zeitung ins<br />

«St. Galler Tagblatt»integriert, dieBrauerei<br />

geschlossen. DerAppenzeller Kabarettist<br />

Simon Enzler sagt denn auch:<br />

«Höhen und Tiefen machen das Wesen<br />

der Appenzeller aus –genauso, wie Höhen<br />

und Tiefen auch ihre Landschaft<br />

ausmachen.» Über 400 Jahre sind die<br />

beiden Appenzell nun getrennt –und<br />

eine solangeZeithinterlässtihreSpuren.<br />

«Was unsdannzumal getrennt hat»,sagt<br />

CarloSchmid,«dasistGeschichte.»Aber<br />

natürlich habe man sich seither auseinandergelebt<br />

–nicht zuletztentlang der<br />

konfessionellen Trennlinie zwischen<br />

demkatholischenInner­und demreformierten<br />

Ausserrhoden.<br />

Gleichsamphysischspürbarwird diese<br />

Trennlinie beider nächsten Station, dem<br />

Kloster Wonnenstein bei Teufen AR –<br />

wie das Kloster Grimmenstein bei Walzenhausenbildeteseineinnerrhodische<br />

Exklave auf ausserrhodischem Boden.<br />

«Alles Verwaltungsmässige, was das innere<br />

Gelände des Klosters betrifft, läuft<br />

über Appenzell», sagt Schwester Scholastika,<br />

die seit fast fünfzig Jahren hier<br />

lebt, «wenn jedoch ausserhalb der Klostermauern<br />

etwas gebaut werden muss,<br />

wenden wiruns an dieAusserrhoderBehörde.»DasExklavendaseinhabejedoch<br />

keinenegativen Auswirkungen.SchwesterScholastika<br />

wünschtsichdennauch<br />

fürdas Appenzellerland, «dasswir auch<br />

weiterhin friedlich miteinander leben<br />

und gut miteinander auskommen. Eigentlich<br />

möchte ichnochmehrKontakt<br />

zu Ausserrhoden haben, um ein Bindegliedseinzukönnen.»<br />

Miteinander nebeneinander<br />

In derTat scheintdas Miteinanderder<br />

beiden Kantoneheute besser dennjezu<br />

funktionieren –die Jubiläumsfeierlichkeiten<br />

wurden gemeinsamgeplant (dies<br />

warnicht immerso),und «die beiden Regierungen<br />

kommen inder Regel wirklich<br />

gut miteinander aus», sagt Carlo<br />

Schmid. Brauchtumsexperte Walter<br />

Frick erinnert daran, dass gerade die<br />

Jungen ohne viel Federlesens in den jeweils<br />

anderen Kanton in den Ausgang


«Wirklich<br />

angenehm,<br />

hier zu leben»<br />

agathe nisple,<br />

Kulturvermittlerin<br />

«Auf kleinem<br />

Raum ‹isch<br />

chogevil los›»<br />

Thomasrickenmann,<br />

Filmer<br />

«‹Appenzell›ist eine<br />

sehr starke Marke»<br />

Carloschmid, landammann ai<br />

«Eifach esoloo»<br />

Walter Frick, Brauchtumsexperte<br />

Foto:FotografieAndreas Butz


Dossier appenzellerlanD<br />

beiden Polizeikorpsversandeteletztlich<br />

in denTälerndes Alpsteins: «Wir hätten<br />

das Ausserrhoder Recht übernehmen<br />

müssen», sagt Carlo Schmid, «und was<br />

man dem Schweizer von Brüssel aus<br />

nichtzumuten kann,sollman auch dem<br />

Innerrhodervon Ausserrhoden nichtzumuten.»<br />

Und sokommt es, dass die beiden<br />

Appenzellnachwie vorbeispielsweise<br />

je eine eigeneTourismusorganisation<br />

und eine eigene Wirtschaftsförderung<br />

unterhalten.Karin Jung vomAusserrhoderAmt<br />

fürWirtschaft räumtzwarein,<br />

dass eine Zusammenlegung «betriebswirtschaftlich<br />

auf jeden Fall sinnvoll»<br />

wäre, politisch aber sei ein solches Vorhabenchancenlos:<br />

«Dawachsen mirvorhergraue<br />

Haare.»<br />

Foto:Luzia Broger<br />

Frischer Blickauf traditionelleTracht: ein «Täfelimeedl», fotografiertvon<br />

LuziaBroger. An feierlichen Prozessionen,unteranderem an Fronleichnam<br />

(«Ösehegottstag»),tragendie «Täfelimeedle»inAppenzell Innerrhoden<br />

Holztafeln mitden fünfzehn Geheimnissen desRosenkranzes.<br />

gingen,und ohnehinhättenInnerrhoder<br />

undAusserrhoderMusikanten vonjeher<br />

gemeinsam musiziert. Seit Längerem<br />

stört sich auch niemand mehr daran,<br />

wenn beispielsweise eine Innerrhoderin<br />

einen Ausserrhoder heiraten möchte –<br />

«früher hätte es ihr die Mutter noch<br />

schwer gemacht», sagtWalterFrick.Und<br />

UrsKeller, Fensterfabrikant ausHerisau,<br />

bestätigt, dass es fürihn längst kein Problem<br />

mehr sei, AufträgeimNachbarkanton<br />

zukriegen: «Innerrhoden verzeichnetseitJahreneineregeBautätigkeit–da<br />

wäre es sogarfür dasstarkeInnerrhoder<br />

Baugewerbe nicht mehr möglich, alle<br />

Aufträgeselbstauszuführen.»<br />

AlsoallesFriede,Freude,Berewegge im<br />

Appenzellerland? Nicht ganz, denn gewisse<br />

Überbleibsel alter Differenzen<br />

30<br />

Nr.10/2013<br />

geistern auch heutenochinden Köpfen<br />

herum: «Kürzlich haben wir mit unseremJodlerklubinder<br />

UrnäscherKirche<br />

dieJodlermesse ‹Senns Gebet› vonDölf<br />

Mettler aufgeführt», sagt Walter Frick.<br />

«Darin kommtauchein Betruf vor, den<br />

wir mit vorgehaltenem ‹Becher› singen.<br />

Nach dem Konzert sagten einige Leute<br />

zu mir, einkatholischerBetrufineiner<br />

reformierten Kirche wäre früher nicht<br />

denkbar gewesen.»<br />

Undwenn’swirklichans Eingemachte<br />

geht,sindAIund AR«nachwie vorzwei<br />

Kantone», wie alle Gesprächspartner<br />

unisono bestätigen. Unverdächtige Institutionen<br />

wie das Veterinäramt oder<br />

das Lebensmittelinspektorat konnten<br />

zwarproblemlosfusioniertwerden,aber<br />

dieeinst geplante Zusammenlegung der<br />

«Eifacheso loo»<br />

Getrennt marschieren, dieZusammenarbeit,<br />

wonötig, pflegen, und gegenseitig<br />

dann und wann ein wenig sticheln –<br />

diebeidenAppenzellhabensichmitdem<br />

Status quo bestens arrangiert. Entsprechend<br />

ist es denn auch müssig, sie mit<br />

dem Thema der Wiedervereinigung zu<br />

belästigen;jedeDiskussiondarüberhat<br />

eine kürzereLebenszeitals eine Flasche<br />

Quöllfrisch vor einem Wanderer nach<br />

dem Aufstieg auf den Säntis. «Ich finde<br />

die ganze Fusioniererei schade», sagt<br />

etwa Walter Frick, «dagehtvielkaputt.»<br />

Mankomme ja miteinander klar,daher<br />

möglichst «eifach eso loo». Für Carlo<br />

Schmid müsste derAnstoss«vonunten,<br />

nicht seitens der Behörden» kommen –<br />

und dasei «im Moment gar nichts» zu<br />

spüren.<br />

Die restliche (Ost­)Schweiz mag dies<br />

verstehen oder nicht, mag gar die Wiedervereinigung<br />

weiterhin hartnäckig<br />

anmahnen –«dieAppenzeller habenjedoch<br />

nie Bedürfnisse von fremden Leuten<br />

befriedigt», so fasst Agathe Nisple<br />

die Stimmungslage zusammen. Es<br />

scheint, alsseien dieAppenzeller finster<br />

entschlossen,auchkünftigdas eine oder<br />

andere Geheimniszupflegen–nicht nur<br />

dasder Kräutersulz.<br />

Mitarbeit:JudithHochstrasser,<br />

AndreasNentwich, Sabine Schaller,<br />

Thomas Schnelling


DasAppenzellerland<br />

zumLesen,<br />

Schauenund Erleben<br />

Foto:Keystone<br />

AgatheNisple:<br />

Reiseführer appenzell.<br />

AppenzellerVerlag, Herisau2001. 160Seiten,<br />

Fr.34.–. ISBN 978­3­85882­312­0.<br />

Eine trotzdes handlichenFormatsreichhaltige<br />

Schriftüberdas Dorf Appenzell und den<br />

Kanton Appenzell Innerrhoden –inklusive<br />

umfassenderAufarbeitungvon Geschichte,<br />

Brauchtumund (Volks-)Kunst.<br />

Thomas Rickenmann:<br />

Silvesterchlausen.<br />

«ExtraMileFilms» 2011.DVD,<br />

Laufzeit98Minuten.Zum Spezialpreis<br />

vonFr. 25.– (statt Fr.29.–).<br />

Wiedas «gesündesteFieber» derWeltdie<br />

Ausserrhoder Silvesterchläuse dasganze Jahr<br />

über in Atem hält –und wievielihnen die einzigartige<br />

Atmosphäre desChlausenswertist.<br />

Daniel Gaberell(Hrsg.):<br />

appenzellerland.<br />

Appenzeller Verlag,Herisau 2012.<br />

144Seiten, Fr.58.–. ISBN 978­3­85882­643­5.<br />

EinwunderschönerBildband, unteranderem<br />

mitFotografienvon AndreasButz–einige<br />

davonzieren auch denvorangegangenen<br />

Beitrag–,mit 25 Porträts vonAppenzellerinnenund<br />

Appenzellernsowiemit Texten unter<br />

anderem vonHans-Rudolf Merz,Dorothee<br />

Elmigerund AgatheNisple.<br />

Thomas Rickenmann:<br />

Schönheitendes alpsteins.<br />

«ExtraMileFilms» 2008.DVD,Laufzeit<br />

106Minuten.Zum Spezialpreis<br />

vonFr. 25.– (statt Fr.29.–).<br />

«Wellness fürs Gemüt» –ein «Heimatfilm<br />

derstillen Art» über dasLeben dreier aussergewöhnlicher<br />

Appenzellerinnen undAppenzeller<br />

aufder Fälenalp.<br />

Zeitzeugnisse–appenzeller<br />

Geschichten in Wort undBild.<br />

AppenzellerVerlag,Herisau 2013.<br />

296 Seiten,Fr. 50.–. ISBN 978­3­85882­646­6.<br />

Dasoffizielle Buch zumJubiläum –<br />

mit120 Appenzeller Persönlichkeiten, bedeutenden<br />

Ereignissen undfaszinierendenBesonderheitender<br />

appenzellischenGeschichte.<br />

Sieheauchwww.zeitzeugnisse.ch.<br />

«Wir faIaRn»–<br />

Veranstaltungen<br />

im Jubiläumsjahr<br />

8. März<br />

16 Uhr:Offizielle Eröffnungsfeierinder<br />

evangelischenKircheHeiden, anschliessend<br />

Apéround Feuerwerk(Beginn 19.15Uhr).<br />

ab 24.Mai<br />

«Ledi–die Wanderbühne» geht aufReisen–<br />

undzeigtbis zum6.Oktober verschiedene<br />

kulturelle Beiträge zu denThemenBündnis<br />

undKomplizenschaft.Standorte:Herisau,<br />

Appenzell, Urnäsch, Gais,Teufenund Oberegg.<br />

3. Julibis 24.august<br />

Festspiel «Der dreizehnteOrt»<br />

aufdem Landsgemeindeplatz in Hundwil.<br />

Text:PaulSteinmann,Musik: NoldiAlder,<br />

Regie: LilianaHeimberg.<br />

www.derdreizehnteort.ch<br />

1. august<br />

Volksfeierninden verschiedenen<br />

Gemeindenund Bezirken.<br />

25.oktober<br />

OffiziellerJubiläumstag<br />

in Herisauund Appenzell.<br />

allgemeine Informationen<br />

www.arai500.ch<br />

AppenzellerlandTourismus AI:<br />

Tel. 071788 96 41<br />

AppenzellerlandTourismus AR:<br />

Tel. 071898 33 00<br />

Leserservice Alle Bücher undFilme liefernwir Ihnen portofrei nach Hause.<br />

Gerne nehmen wirIhreBestellung unterder Gratis-tel.-nr. 0800553377entgegen.<br />

Nr.10/2013 31


Sage<br />

& schreibe<br />

Wirbegrüsstenuns in denachtziger<br />

Jahrenmit einemHandschlag.Wenn<br />

wiresüberhaupt angebrachtfanden,<br />

dasGegenüber zu berühren.Distanz<br />

warHöflichkeit, Nähe waranstössig.<br />

Die Einzige,der ichabund zu einen<br />

Abschiedskussgab,war meineMutter.<br />

Unddann fand ich mich plötzlich<br />

unterTheaterleuten wieder.Hier<br />

schien es Brauch zu sein,sich miteinemWangenkuss<br />

zu begrüssen.Jedenfalls<br />

fand ich dasschön, undes<br />

warnichts alsfolgerichtig, dass wir<br />

unsein Jahrspäterschon mitzwei<br />

Küssen verabschiedetenodergrüssten.<br />

In denneunziger Jahren kamder<br />

dritte Kuss dazu.Und weil derrituelle<br />

AustauschdieserdreifachenZärtlichkeit<br />

einegewisse Zeitund Technik<br />

beanspruchte,war es logisch, dass<br />

allmählich Umarmungen daraus<br />

wurden.Dennheute,stelleich fest,<br />

befinde ich mich im Zeitalter der<br />

Umarmungen.Umarmungen in der<br />

Öffentlichkeit, wohlverstanden!Beim<br />

fussballerischen Torjubel machtman<br />

dasschon länger,aberjetzt herztman<br />

sich unterden Augen aller aufBahnhöfen,<br />

in Gaststätten, aufder Strasse<br />

undsogaranZusammenkünften<br />

derVerwandtschaft. KörperlicheNähe<br />

zu zeigenist nichtmehrtabu. Wird in<br />

einer Castingshowjemandabgewählt:<br />

tröstende Umarmungen vonallen<br />

Beteiligten. Wird jemandindie nächste<br />

Kochshow­Runde befördert,jauchzende<br />

Umarmungenallenthalben.Ich<br />

freuemich aufdie Bilder, wo sich verfeindete<br />

Generäle in denArmen liegen.<br />

Nureines frageich mich:Warum<br />

istesblossso, dass gerade dann keine<br />

Umarmung zurVerfügung steht,<br />

wennich,aus demFernsehsessel<br />

aufstehend,dringendeinebräuchte?<br />

32<br />

Paul Steinmann ist<br />

Autorund Regisseur.<br />

Nr.10/2013<br />

Foto:Keystone<br />

Blickpunkt<br />

Wieder einmal versinkt Belfastineinem Fahnenmeer.Junge Männer ausdem<br />

lagerder pro-britischen loyalisten ziehen wieschon ihre väterund grossväter<br />

aufdie strasse, um Flagge zu zeigen.Hochhaltensie dassymboldes vereinigten<br />

Königreichsgrossbritannien undnordirland.ein wenigverlegenwirkt hingegen<br />

derteenagerimblauen Kapuzenpulli,verlorenseinBlick,die Händefestgekrallt<br />

an einernationalflagge wieaus seinen träumen: Dasroteschrägkreuzdes irischen<br />

schutzpatronsst. patrickist ausgespart.stattdessen prangendaraufdieselben<br />

symbolewie bis1973auf deroffiziellen nordirischenFlagge. es isteineBotschaft<br />

ohne Worte, unddochist sieunmissverständlich.Die komplexe gesellschaftliche<br />

realität scheinthierplatz aufeinem kleinenstück stoff zu finden. Dieeinen verbinden<br />

damitKontinuität,Werte undloyalität,für dieanderen istessinnbild<br />

einesimperialistischen systems. Diesmallegte dieentscheidung, diebritische<br />

Fahnenur noch an ausgewähltentagen zu hissen,einelunte anspulverfass. Das<br />

zeigteinmalmehr, wiefragil derFriedeist,der dieprotestantenund Katholiken<br />

in nordirland seit demKarfreitagsabkommen von1998vereint. Sabine Schaller


Gesichter<br />

derSchweizer<br />

Literatur<br />

Eine Serie<br />

vonCharlesLinsmayer<br />

Walter Matthias<br />

Diggelmann<br />

1927–1979<br />

Foto:zVg<br />

In einer Zürcher Nacht des Jahres<br />

1947 erzählte Walter Matthias Diggelmann<br />

einem Studenten sein Leben.<br />

VonseinerGeburtam5.Juli1927in<br />

einemHeimfür ledige Mütter berichtete<br />

er, von der Bündner Armeleutekindheit<br />

eines Verschupften, von der Flucht ins<br />

Dritte Reich, derKonfrontation mitBomben,<br />

Gefängnis und Terror –und vom<br />

vergeblichen Versuch, nach 1945 inder<br />

Schweizjemandzuwerden.«Wieundwas<br />

du erzählst,beweist,dassduein Dichter<br />

bist», folgertederStudent,undschon tags<br />

daraufgingDiggelmannhinundliessauf<br />

derIdentitätskarte «Hilfsarbeiter»durch<br />

«Schriftsteller»ersetzen. Dies,obwohler<br />

Walter matthias diggelmann<br />

im originalton<br />

«Einig mitDir:Der Künstler soll<br />

Künstler sein.Ersollmalen,bildhauern,komponieren,musizieren,<br />

erzählen etc. Uneinigmit Dir: Die<br />

Künstler sind so weniglebensnotwendig,wie<br />

es dieMenschheit insgesamt<br />

ist. Ichscheisseauf das<br />

Œuvrevon Matisse, wenn icham<br />

Verreckenbin,wenndie Nazismeine<br />

Freundeaufhängen. Dann greife<br />

ichzur Pistole. Übrigens brauchtes<br />

fürdas Tunder Künstler weder<br />

eine Begründung noch eine Rechtfertigung.<br />

DerKünstlerkünstlert so<br />

oder so.» (Am9.Juli 1970 an GottfriedHonegger.<br />

Aus: «Da, dasbin<br />

ich. Selbstzeugnisse undBriefe»,<br />

WerkeBand6,herausgegeben<br />

vonKlara Obermüller,Edition 8,<br />

Zürich 2006.)<br />

eigentlich nicht Schriftsteller, sondern<br />

«nureingeachteterBürger»seinesLandes<br />

hattewerden wollen:«Aber ichbaute darauf,dassmeine<br />

Geschichte starkgenug<br />

sein würde, dass ich damit auskommen<br />

würde, einLeben lang.»<br />

Siebzehn unveröffentlichte Romane<br />

schriebDiggelmann, oftmals vomSchriftstellervereinunterstützt,bis<br />

1954.Dann<br />

gelang es ihm, inzwischenals Angestellter<br />

des Militärflugplatzes Dübendorf<br />

bürgerlich integriert,fürden Flieger­Roman«MitF51überfällig»<br />

einenVerlag<br />

zu finden. «Meine Person ist Bundesbeamter<br />

auf der DMP», meldete erErwin<br />

Heimannstolz,«undschreibtmehrund<br />

besser denn je, ist glücklich verheiratet<br />

und kann auf jegliche Unterstützung<br />

verzichten.»<br />

Dasgingabernur so langegut,bis sein<br />

Vertrauen indie schweizerische Gesellschafterschüttert<br />

wurdeund er 1959 als<br />

Texter beider Public­Relations­Agentur<br />

Farner Einblick indieManipulierbarkeit<br />

der öffentlichen Meinung bekam. «Das<br />

Verhör desHarryWind», derRoman, der<br />

ihmden Durchbruch alsErzählerbrachte,<br />

deckte 1962 die Manipulationen der<br />

Farner­Leute auf. Undauch«DieHinterlassenschaft»,das<br />

Buch,mit demDiggelmann1965<br />

–nochvor A.A.Häslers«Das<br />

Boot istvoll» –die SchweizerAsylpolitik<br />

der Jahre 1933 bis 1945 anden Pranger<br />

stellte, basierte auf Material aus jener<br />

Texter­Tätigkeit. Das Buch war formal<br />

nichtunbedingtgeglückt,und dieGleichsetzung<br />

des Antisemitismus der Kriegsjahre<br />

mit dem Antikommunismus von<br />

1956 überzeugte nur wenige. Zudem beging<br />

Diggelmann den Fehler, in der<br />

DDR­AusgabeKorrekturen imSinneder<br />

dortigen Machthaber zuzulassen.Eswar<br />

Kalter Krieg, und die Häme auf den<br />

Mann, der den Mythos der humanen<br />

Schweiz inFrage gestellt und sich dann<br />

selbst als Verräter entpuppt hatte, fiel<br />

mörderisch aus und führte letztlich zu<br />

dem, wasReniMertensund Walter Marti<br />

1973 in einem erschütternden Filmporträt<br />

evozierten: «Die Selbstzerstörung<br />

desWalterMatthiasDiggelmann».<br />

Sodass es schon fast ein Wunder ist,<br />

dass ausder Hölleder Verzweiflung, der<br />

Einsamkeit unddes AlkoholismusEnde<br />

der siebziger Jahre jener Geschichtenerzähler<br />

herausstieg, der –befreit vom<br />

ideologischenBallast undvon derSucht,<br />

sich beweisen zumüssen –einfach nur<br />

noch erzählte,wundervollstimmig,souverän<br />

und glaubwürdig erzählte. In<br />

«Aber den Kirschbaum, den gibt es», in<br />

«Filippinis Garten» und sogar noch in<br />

demberührenden Tagebuch «Schatten»,<br />

dasder Krebskrankevor seinem Todam<br />

29. November 1979 Klara Obermüller<br />

diktierte –der Partnerinder letzten Jahre,<br />

die ihm sein Selbstbewusstsein zurückgegeben<br />

hatte. Sodass der geheime<br />

Wunsch,den er 1952 ganz beiläufig in einemBriefanSSV­SekretärFranzBeidler<br />

formuliert hatte, am Ende doch noch in<br />

Erfüllungging: «Ich möchte immersprechen<br />

können,nicht widersprechen. Mir<br />

istalles heilig,was lebt.»<br />

n<br />

Bibliografie<br />

Beider Edition8inZürich ist<br />

eine sechsbändigeDiggelmann­<br />

Werkausgabeerhältlich,die in<br />

Band6unter anderemauch<br />

Diggelmanns Briefe umfasst.<br />

Nr.10/2013<br />

33


Rat&Tat<br />

DieSchweiz entdecken<br />

DerWitz<br />

aufdem Weg<br />

Kleines<br />

Religionsquiz<br />

DasDogma derUnfehlbarkeit<br />

desPapstes gilt seit …?<br />

• 476<br />

• 1414<br />

• 1870<br />

Antwort: DasErste Vatikanische Konzilvon 1870<br />

warbestimmtvon derDebatte um diepäpstliche<br />

Unfehlbarkeit, diedortals Dogma feierlich<br />

beschlossenwurde undinder Folgeinder Schweiz<br />

zur Abspaltung derChristkatholiken führte.<br />

Es heisst, die Appenzeller hätten<br />

denSchalkimNacken (siehe auch<br />

Seite19bis 31). SeitHundertenvon<br />

Jahren werden Witze imLand hinterden<br />

sieben Bergen voneiner Generation<br />

zur nächsten überliefert.<br />

Ruedi Rohner war ein populärer<br />

Witzeerzähler, und Kabarettisten<br />

wie Simon Enzler und der «Witz-<br />

Slam»–ein dichterischer Vortragswettbewerb<br />

–führten denAppenzeller<br />

Humor schliesslich in die<br />

Moderne. Achtzig «listig-träfe»<br />

Müsterchen dieser langen Tradition<br />

findensich aufdem Witzweg<br />

von Heiden nach Walzenhausen.<br />

Bevor Sie die 8,5 Kilometer unter<br />

die Füsse nehmen, lohnt sich ein<br />

kurzer Spaziergang durch das Biedermeierdorf<br />

Heiden mit seinen<br />

elegant-schlichten Gebäuden. Am<br />

BahnhofundimTourismusbüroist<br />

speziell fürKinderder Erlebnisrucksack<br />

fürFr. 15.– zu kaufen,mit vielen<br />

Überraschungen für unterwegs<br />

(in Walzenhausen im Swiss<br />

Dreams Hotel erhältlich). DerWitzweg-ProspektfürdieganzeFamilie<br />

wird im Tourismusbüro gratis abgegeben.Los<br />

geht’sauf demDorfplatz.DiehumoristischeExkursion<br />

führtinrunddreiStundenüberdie<br />

Ortschaften Wolfhalden, Klus,<br />

Sonder, Schiben und Hostet nach<br />

Walzenhausen.EswartenAngriffe<br />

aufdie Lachmuskeln, grüneHügellandschaften<br />

und ein prächtiger<br />

Panoramablick aufden Bodensee,<br />

auf Süddeutschland und die Bregenzer<br />

Bucht. Zahlreiche Restaurantsund<br />

Gasthöfe ladendazuein,<br />

die Appenzeller Küche kennenzulernen.<br />

Tipp: VonMai bisSeptemberlässt<br />

sich der Witzweg mit einer Erlebnisrundfahrt<br />

verbinden: von Walzenhausen<br />

mit der Zahnradbahn<br />

nach Rheineck.InRheineckweiter<br />

mit dem Schiff über den Alten<br />

Rheinund denBodenseenach Rorschach.Anschliessend<br />

geht es mit<br />

den Appenzeller Bahnen zurück<br />

nach Heiden.<br />

Anreise: Bahn:bis Bahnhof St.Gallen.<br />

Mit dem Postauto nach Heiden.<br />

Oder bis Bahnhof Rorschach-<br />

Hafen und mit der Zahnradbahn<br />

nach Heiden. Auto: A1Richtung<br />

St.Gallen, AusfahrtSt.Gallen-Neudorf/Heiden.<br />

Informationen: Tel. 071898 33 00,<br />

www.appenzellerland.ch.<br />

34<br />

Nr.10/2013


Mosaik<br />

WusstenSie,dass…<br />

... es in Tokiodurchschnittlichjedenvierten Tagein Erdbeben gibt?<br />

... derZebrastreifen,der aufdem Beatles-Album<br />

«Abbey Road»abgebildetist,2010unter<br />

Denkmalschutzgestelltwurde?<br />

... derAlkoholgehalt vonOrangensaftzwischen<br />

0,07 und0,3 Volumenprozent beträgt?<br />

FürSie<br />

entdeckt<br />

ErfüllterRuhestand<br />

Tiere<br />

suchen<br />

einZuhause<br />

Nach der Pensionwartenim<br />

Übermass vorhandene Zeit und<br />

viele Fragen, zumBeispiel zur<br />

Freizeitgestaltung,zur Finanzierung<br />

oder zurWohnform.Der<br />

neue Beobachter-Ratgeber bietetviele<br />

Praxistipps,Checklisten und einen grossen<br />

Serviceteil zumThema. Erlebnisberichte<br />

erzählen hautnah vonChancen und<br />

MöglichkeitenimRuhestand.<br />

Beobachter-Ratgeber:<br />

Glücklich pensioniert –sogelingts!<br />

Beobachter-Buchverlag,Zürich 2013.<br />

208Seiten,Fr. 38.–.<br />

ISBN 978-3-85569-654-3.<br />

Jede Wochestellenwir Ihnen hier einTier<br />

vor, daseinen neuenBesitzersucht.<br />

Ricks<br />

Bilderrätsel<br />

Waszeigt dieses Bild?<br />

DieAuflösung<br />

gibt es nächsteWoche.<br />

Rasse: Labrador-Mischling<br />

Geschlecht: männlich, kastriert<br />

Alter: zweijährig<br />

RickshateinenlangenWegaus Spanienzurückgelegt<br />

und sucht nun in der Schweiz<br />

Familienanschluss. Erist anhänglich und<br />

versteht sich gutmit Artgenossen.Erhört<br />

bereits auf die Kommandos «Sitz!» und<br />

«Platz!» undkann Pfötchen geben,aberder<br />

BesucheinerHundeschulewirdempfohlen.<br />

Fotos: zVg, Keystone,Fotolia,Appenzellerland TourismusAR<br />

LÖSUNG<br />

DERVORWOCHE:<br />

Im letzten Heft<br />

war die Chinesische<br />

Mauerzusehen.<br />

Anbieter:<br />

Tierwaisenhaus<br />

Zürichstrasse<br />

8185 Winkel<br />

Tel. 044844 50 50<br />

www.tierambulanz-verein.ch<br />

Nr.10/2013<br />

35


Rat&Tat<br />

Alltag mitKindern<br />

VeronicaBonilla Gurzelerdenktüber Wege nach, den<br />

Alltag mitKindern heiter und gelassenzumeistern.<br />

WasHänschen nichtlernt –<br />

Solidaritätmit Tieren<br />

36<br />

Nr.10/2013<br />

Wer entsetzt sich nicht über Massentierhaltung<br />

undorganisierteTierquälerei? Jetztsindeswieder<br />

einmal dieHühnerund erstmals diePferde(Näheres<br />

dazu auch im«Brennpunkt» auf den Seiten 6<br />

und7). Ändern wird sich jedoch wenig, solange wir<br />

Konsumenten mitspielen. Fest steht: Wir dürfen<br />

Nahrung nicht länger aus unserem moralischen<br />

System heraushalten. Die Fleischfrage ist eine erzieherischegeworden.<br />

Es fingdamit an,dassich den Bestseller«Tiere<br />

essen» von Jonathan Safran Foer las. Darin beschreibt<br />

der Amerikaner, wie ersich Zutritt zu<br />

Ställen und Tierfarmen verschaffte, weil er wissenwollte,<br />

wiedie Tiereleben,die unsernähren.<br />

Foer trifft Szenen des Grauens an: Schwer verwundete,<br />

halb tote,mit Medikamenten halbwegs<br />

amLebengehalteneTiere drängelnsich inviel zu<br />

kleinen Boxen ohne Tageslicht, ohne Auslauf,<br />

fern eines tierwürdigen Daseins. Die Tiere dienen<br />

nur dem einen Zweck: Geschlachtet, ausgebeint<br />

und sauber verpackt ins Kühlregal des Supermarktszugelangen,<br />

umdaraufzuwarten,von<br />

uns Konsumenten möglichst billig gekauft, gebraten,gekocht<br />

undverspeist zu werden.<br />

DasKindinseinemWiderspruch<br />

Diese Bilder vor dem inneren Auge blickte ich<br />

mitdem äusseren aufdie knusprig gegrillten Pouletflügeli,<br />

eins der Lieblingsessen meiner Kinder.<br />

Das Grosi hatte sie für uns zum Mittagessen zubereitet.<br />

Und spontan verkündete ich: «Ich glaube,ich<br />

werdeVegetarierin, ausSolidarität mitallenTieren.»ZweiSekunden<br />

lang waresstill am<br />

Tisch. Dann sagtemeindamalsdreizehnjähriger<br />

Sohnmitleichtpanischem Unterton:«Mam, aber<br />

ichbrauche Fleisch!»<br />

Erstaunlich eigentlich. Er, der als Fünfjähriger<br />

in Südamerika seineheiss geliebte Sopa de Pollo,<br />

dieihm seineAbuelitazum Geburtstag gekocht<br />

hatte, verweigerte. Blossweilerzugeschauthatte,<br />

wie Grossmutter und Tante dem über Wochen<br />

gemästeten und jetzt verzweifelt gackernden<br />

Huhn die Kehle durchschnitten. Das Blut ins<br />

Spülbecken laufen liessen. Die Federn aus dem<br />

leblosen Körper rupften. Die Innereien ineine<br />

Schale legten und das Poulet in Stücke teilten.<br />

Jahre später verwarf der gleiche Sohn auch den<br />

Plan, sich eine eigene Angelrute zuzulegen, obwohl<br />

ihmdas Fischenansichindie Wiegegelegt<br />

war. Er brachteesnicht übersHerz, diegefangenenFische<br />

zu töten.<br />

RomantischeWerbelügen<br />

Eine leidenschaftliche Diskussion entbrannte<br />

nunamMittagstisch. DasGrosi,das in den vierziger<br />

Jahren auf einem Emmentaler Bauernhof<br />

grossgeworden war, wo jedesJahrein Schweingeschlachtet<br />

undzuSchmalz,Wurst,Voressenund<br />

Koteletts verarbeitet wurde, schüttelte missbilligend<br />

den Kopf, befürchtete Eisenmangel und<br />

merktean,nicht überallwürdendieTiereschlecht<br />

gehalten.Mirschien,als fühlten sich alle angegriffenvon<br />

meiner Fleischabsageund wollten sich beziehungsweiseihren<br />

Fleischkonsumverteidigen.<br />

Zugegeben, Jonathan Foer beschreibt die Massentierhaltung<br />

in den USA; wir dürfen die berechtigte<br />

Hoffnung haben, dass die Schweizer<br />

Fleischproduzenten die Würde des Tiers etwas<br />

mehr achten beziehungsweisedurch strengeTierschutzgesetze<br />

dazu verpflichtet werden, sie zu<br />

achten. Doch auch inSchweizer Mastbetrieben<br />

ist das Tier nichts anderes als ein Fleischproduzent,<br />

sein Leben keine Bauernhofidylle, wie uns<br />

die Bilder von rosigen Schweinen und blitzblanken<br />

HühnernimgrünenGras, welche dieFleischverpackungen<br />

zieren, glauben machen wollen.<br />

Diese Bilder sind manipulativ und entsprechen<br />

nicht den Tatsachen. Ausserdem wird ein beträchtlicher<br />

Teil des inder Schweiz konsumier­


Beratung<br />

Foto:Keystone<br />

So,wennüberhaupt,<br />

sähenwir es gerne:<br />

der Metzgermit dem<br />

persönlichbekannten<br />

Schwein,hierbei einer<br />

Metzgete.<br />

«Bildungwäre, mit<br />

unserenKindern nicht<br />

nurnostalgischeBauernhöfe<br />

zu besuchen,sondern<br />

auch Schweinezüchter<br />

und Güggelifarmenzu<br />

besichtigen»<br />

ten Fleisches importiert. Die Informationen am<br />

Randedes neuesten Pferdefleischskandalshaben<br />

wieder einmal gezeigt, wie grausam anderswo<br />

mitden Tieren umgegangen wird.<br />

Zeit,dasswir dieAugen öffnen<br />

In 1. Mose 1,28 steht: «Seidfruchtbar undmehrt<br />

euch undfüllt dieErdeund machtsie euch untertanundherrscht<br />

überdieFischeimMeerundüber<br />

die Vögel unter dem Himmel und über alles Getier,das<br />

aufErden kriecht.»Damit istjedochmit<br />

Sicherheit nicht gemeint, dass wir die Erde ausbeuten,die<br />

Tierequälendürfen. Ja,beimFleischessengehtesweniger<br />

umLebenund Tod,sondern<br />

zuallererstumQuälenoderNichtquälen.<br />

Bildung wäre deshalb, mit unseren Kindern<br />

nicht nur nostalgische Bauernhöfe zubesuchen<br />

und Agritourismo­Ferien zu machen, sondern<br />

auchSchweinezuchtbetriebeund Güggelifarmen<br />

zu besichtigen. Wir sollten Einblick und Auskunft<br />

fordern. Damitwir unsein lebendiges Bild<br />

davon machen können, woher die Hamburger<br />

und Chicken­Nuggets auf unseren Tellern kommen.<br />

VorOrt können wirentscheiden,obdie Tiere<br />

eintierwürdigesDaseinfristen oder nicht.<br />

Wer Schlachthöfe und FleischverarbeitungsbetriebebesuchtundeinfühlendesHerzhat,kommt<br />

jedoch unweigerlich zum Schluss: Esist falsch,<br />

was wir derzeit machen. Sogar die Landwirte<br />

selbst hassen dieses System. Buchautor Foer berichtet,<br />

dass er fast keinen Bauern getroffenhabe,<br />

der esnicht am liebsten wieder auf dieselbe Art<br />

machen würde wie sein Grossvater –oder gar<br />

nicht. DieMassentierhaltung füllt blossdie Kassen<br />

der Beteiligten und befriedigt unsere Gier<br />

nach dem täglichen Stück Fleisch. Und ist zu allemÜbelauchnochökologischerUnsinn.<br />

«Wirkönnen dieNahrung nichtmehrlängeraus<br />

unseremmoralischenSystem heraushalten», sagt<br />

Foer. Unsere Ethik, obchristlich oder nicht, fordert<br />

verantwortungsbewussten Konsum. Ganz<br />

besondersunsereKinder müssen wissen,wie unsere<br />

Nahrungsmittel produziertwerden,dennsie<br />

sind dieEntscheidungsträger der Zukunft.Obsie<br />

aufFleischverzichten,müssensie selber entscheiden.<br />

Anlass zuDiskussionen darüber liefert die<br />

Fleischindustrie selbst immerwieder.<br />

Unser Mittagsgespräch über den Fleischkonsum<br />

endete mit dem Vorsatz, inZukunft nur<br />

noch Fleischvon Tieren zu kaufen,die einglückliches<br />

Leben hatten. Inden folgenden Wochen<br />

wanderte das MultipackWienerli–20 Stückfür<br />

sagenhafte6.75Franken –immer malwiederin<br />

dieCoop­oderMigrostruhezurück.Zunehmend<br />

schaue ich doch, ob das Fleisch wenigstens aus<br />

derSchweiz kommt. Immeröftergibtesbei uns<br />

dann fürs gleiche Geld statt zwanzig nur noch<br />

sechs Wienerli oder garkeine.<br />

Veronica BonillaGurzelerist Redaktorin<br />

bei«wireltern».<br />

Nr.10/2013<br />

37


Rat&Tat<br />

Rechtstipp<br />

Reiseannulliert<br />

Wirhaben vorMonateneineNilschifffahrtüberWeihnachten<br />

gebucht. Nunhat der Reiseveranstalterdie<br />

Reiseaufgrundder<br />

instabilen Lage in Ägyptenannulliert.<br />

Manhat unszwareinegleichwertigeErsatzreiseangeboten,<br />

aber an den Ortenwaren wirschon.<br />

Können wirdas Geld zurückfordern?<br />

H. B. ausG.<br />

Nach Pauschalreisegesetz gilt für<br />

denAusfall einerReise auspolitischenGründen<br />

Folgendes:Annulliertder<br />

Veranstalterdie Reise vor<br />

demAbreisetermin auseinem nicht<br />

vomKonsumenten zu vertretenden<br />

Umstand, so hatder Konsument<br />

denAnspruch auf eine andere Reise.<br />

Istdiese günstiger, muss der<br />

Veranstalterden Preisunterschied<br />

zurückzahlen. Wenn Siesichnicht<br />

füreineandereReise entscheiden,<br />

haben Siedas Rechtauf schnellstmöglicheRückerstattung<br />

aller vorausbezahltenBeträge.<br />

Ansprüche<br />

auf Schadenersatzbestehennicht,<br />

wenn dieAnnullierung auf höhere<br />

Gewalt zurückzuführen ist.<br />

Regula Heinzelmann<br />

Frisch ausdem Garten<br />

DieArbeitenfür eine ertragreicheGemüseerntebeginnenfrüh:Bereits<br />

im März ist<br />

Aussaatzeitfür einige kälteunempfindliche<br />

Gemüsesorten,andere kann manauf der<br />

Fensterbankanziehen. vonSabineSchaller<br />

Vorbereitung Freilandbeete: Der letzte Frost ist vorbei, der<br />

Boden getrocknet–Gartenerde mitHarke auflockernund umgraben.Mit<br />

biologischemDünger, idealerweise Kompostaus<br />

demGarten,anreichern.<br />

Vorbereitung Frühbeete: Gewächshäuser sind imFachgeschäft<br />

erhältlich. Sonnige und geschützte Standorte mit Ost­<br />

West­Ausrichtung wählen. Temperaturen sollten 25 Grad<br />

nicht übersteigen. Temperaturschwankungen durch Lüften,<br />

Schattierenoder Abdecken mitIsolationsmaterialausgleichen.<br />

Anzuchtauf der Fensterbank: Schalenvon sechs bisachtZentimeter<br />

Durchmesser verwenden. Mit Aussaaterde auffüllen.<br />

Alternative zur Erde aus dem Gartencenter: Kompost, Sand<br />

und Torf zugleichen Teilen mischen, bei 200 Grad im Backofen<br />

sterilisieren. DieErdewirddadurch keimfrei.Schalen an<br />

sonnigem Fensterplatzaufstellen.<br />

Aussaat: Samenvon Dunkelkeimern, beispielsweise Feldsalat,<br />

nachAusstreuen mitErdebedecken.Samenvon Lichtkeimern,<br />

etwa Basilikumoder Sellerie,auf Erde streuenund nurleicht<br />

andrücken.Vorsichtiggiessen.<br />

Foto:Keystone<br />

Freiland oder Frühbeet?<br />

aussaatimFreiland: Karotten,Radieschen, Spinat, Schwarzwurzel,<br />

Spinat, Bohnen,Erbsen, Feldsalat, Zwiebeln,Petersilie, Schnittlauch.<br />

aussaatimFrühbeet: Tomaten, Sellerie,Broccoli, Blumenkohl,<br />

Fenchel,Paprika,Kohlrabi, Aubergine,Kopfsalat,Wirsing,<br />

Thymian, Basilikum.<br />

38<br />

Nr.10/2013


Tipp-Mix<br />

Gutgeplant,<br />

halb gespart<br />

Einlangersehnter Urlaub oder einneuer<br />

Fernseher–mit einemdetaillierten Budgetlässt<br />

sich dieHaushaltskassefür die<br />

Erfüllung kleinerodergrösserer Wünsche<br />

aufbessern.<br />

vonSabineSchaller<br />

Foto:Keystone<br />

Wohnen, Energie,Steuernund Versicherungen:<br />

Dafür geben die Schweizer<br />

am meisten Geld aus. Gemäss der Erhebung<br />

des Haushaltsbudgets 2010 verfügt ein<br />

Haushalt über ein mittleres Einkommen von<br />

rund 6835 Franken.NachAbzug sämtlicher Ausgaben<br />

bleiben zirka 1170 Franken. Der Kontostand<br />

amEnde des Monats offenbart zwar, wie<br />

viel Geld weggeflossenist,abernicht unbedingt,<br />

wohin. EinBudgetplansorgt fürAbhilfe.Mit einer<br />

detaillierten Auflistung von Ausgaben und<br />

Einnahmenbehältman dieKontrolle über dieeigenen<br />

Finanzen, und der Sparstrumpf lässt sich<br />

gezieltfüttern.<br />

Der erste Schritt zum eigenen Haushaltsbudget<br />

erfolgt mit der Erfassung der monatlichen Fixkosten.<br />

Jelückenloser die Aufstellung regelmässiger<br />

Zahlungsverpflichtungen ist (Miete, Nebenkosten,<br />

Fernsehgebühren, Kredite, Strom<br />

oder Telefonie), destogenauer lässtsichermitteln,<br />

wie viel imAlltag zur Verfügung steht und wo<br />

Sparpotenzial brachliegt. Mit den Mustervorlagenvon<br />

derBudgetberatungSchweiz können die<br />

einzelnenPosten bequeminvorgefertigte Tabellen<br />

eingetragen werden (www.budgetberatung.ch<br />

oder unter Tel. 062 849 42 45 jeweils dienstags<br />

13–16 Uhr). Die Dachorganisation von 37regionalen<br />

Budgetberatungsstellen bietet auf ihrer<br />

Webseite zudem Budgetbeispiele für Familien,<br />

Alleinerziehende,Paare oder Kinder.<br />

In einem zweiten Schritt werden die variablen<br />

Budgetposten eingetragen (Lebensmittel, Freizeit,<br />

Coiffeur oder Kleider). Für Pensionierte<br />

lohnt essich, langfristig Auslagen, die nun wegfallen,<br />

zum Beispiel die Kosten für das MittagessenimBüro,<br />

anderenPosten wieReisengutzuschreiben.<br />

DamitstelltsichschnelleinSpareffekt<br />

für die Finanzierung neuer Hobbys ein. Ausserdemempfiehltessich,<br />

eine Reservefür allfällige<br />

Krankheitskosten anzulegen.<br />

Spartipps<br />

einkaufen:<br />

•EineEinkaufslisteerstellen<br />

undausschliesslich kaufen,<br />

wasauf derListe steht.<br />

•Der Kauf vonsaisongerechtemObstund<br />

Gemüseschont<br />

dieGeldbörse.<br />

•Vor demEinkaufen etwasKleinesessen<br />

–mit vollem Magen<br />

fälltesleichter, denkulinarischenVerlockungen<br />

zu widerstehen.<br />

•Die preiswertenProdukte steheninder<br />

Regelunten im Regal.<br />

•Nachdem KochenReste einfrierenoderamnächstenTag<br />

zur<br />

Arbeit mitnehmen.<br />

•BeimEinkaufenimInternet<br />

bedenken,dasszusätzlich zu<br />

denVersand­ auch Zollkosten<br />

anfallen können.<br />

Versicherungen:<br />

Schweizertendieren zurÜberversicherung.<br />

Prüfen,obZusatz­<br />

Währendder ersten drei Monate nachder Erstellung<br />

desBudgets sollten dievariablenKosten genaunotiert<br />

werden.Dadurch erhält manein Gefühl<br />

fürdie Ausgaben,kauftbewusster ein, und<br />

es können kleinere Budgetkorrekturen vorgenommen<br />

werden.<br />

n<br />

versicherungennotwendig sind.<br />

Istdie Reiseannulations­oder<br />

Reisegepäckversicherunginder<br />

Hausratversicherungoderim<br />

Schutzbrief bereitsenthalten?<br />

KurzeVertragsdauer erleichtert<br />

denWechsel zu einemkostengünstigeren<br />

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Eine SMSist billigerals kurze<br />

Telefongespräche.Prüfen, welcherHandyvertragbeziehungsweise­anbieterambestenzu<br />

denpersönlichen Telefongewohnheitenpasst.<br />

Steuern:<br />

Auswärtige Betreuungvon Kindern,selbstgetragene<br />

Krankheitskosten<br />

(wennsie fünf Prozent<br />

vomNettoeinkommenübersteigen),offeneRechnungenamJahresende<br />

undBeiträgeindie Säule<br />

3a sind abzugsberechtigt.<br />

Nr.10/2013<br />

39


Rat&Tat<br />

Lösen<br />

März-Preisrätsel<br />

Wollen Sieanunserer Verlosungteilnehmen?<br />

Dann schreibenSie dasLösungswort<br />

aufeinePostkarte undsenden<br />

diesebis zum20. März 2013 an:<br />

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Preisrätsel März<br />

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5401Baden<br />

Siekönnenauchganz einfach<br />

perSMS teilnehmen. SendenSie<br />

eineSMS mitdem Inhalt SM220,<br />

Lösungswort, name,adresse an<br />

dieNummer 9234 (z.B.SM220,<br />

Voegelinsegg,Max Muster,Häuserstrasse50,<br />

9999 Ebenda).<br />

Eine SMSkostetFr. 1.–.<br />

Siekönnenauchonline<br />

teilnehmen–<br />

dieAdresse findenSie aufSeite 4.<br />

Die Gewinnerinnen undGewinner werden ausgelost<br />

unddirektbenachrichtigt.Der Rechtswegist ausgeschlossen.<br />

Über denWettbewerb wird keine<br />

Korrespondenz geführt.<br />

auflösung Februar-Preisrätsel<br />

DasLösungswort unseresFebruar­<br />

Preisrätsels heisst «Centovalli».<br />

Eine Brita­Küchenarmatur im Wertvon<br />

Fr.499.– hatgewonnen:<br />

Hansruedi Löffel­Aerne,Biel<br />

Herzliche Gratulation!<br />

Lösung RätselNr. 9<br />

■ A ■<br />

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■ P L ■ F A F ■ ■ ■<br />

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individuellenEinstellmöglichkeiten.Sozum Beispieleine<br />

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einem Vakuum biszu-0,8bar bleiben Lebensmittelbis zu<br />

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40<br />

Nr.10/2013


Rat&Tat<br />

Lesen<br />

Am Baumstamm erkenntman dieLärche<br />

Am Kiosk<br />

«White Dwarf»,Games<br />

Workshop Deutschland<br />

GmbH,monatlich, Fr.14.–.<br />

Worum geht’s?<br />

(Auf dieGefahr hin, dass<br />

«Vilitchder Verfluchte» nun<br />

den Bannstrahl desTodesauf<br />

unsniederfahrenlässt:)Um<br />

Zeugsfür Männer, diegern<br />

mitschauderhaften Kunststoffpüppchen<br />

Krieg spielen.<br />

EinDrittel desWalliserHolzvorrats stammt vonder Lärche –<br />

undgerade dieLandschaft um Saas­Fee istgeprägt vondiesem<br />

Baum,dessen Nadelwerk so filigranist wieihr Wesenzäh.<br />

Dieses Buch setzt der Lärche einDenkmal –allem voranmit<br />

fabelhaftenFotos vonThomas Andenmatten. Dazu gesellen<br />

sich literarische,heitere, aber auch nachdenkliche TextesowieEinblicke<br />

insSchaffen vonHolzverarbeitern, Förstern,<br />

Schreinern undSchindelmachern. Vonjedem verkauften<br />

Exemplar gehenfünfFranken an dieSchweizer Berghilfe.<br />

RuediHaenni<br />

Luzius Theler:Lärchengoldund Gletscherweiss.<br />

Weber-Verlag,Gwatt 2012.<br />

120Seiten, Fr.49.–. ISBN978-3-906033-12-9.<br />

Anspruch<br />

Humor<br />

Spannung<br />

Gestaltung<br />

Ein Beispielaus demHeft?<br />

Über die«Mutalith-Wandelbestie»:<br />

«ein Prachtstück<br />

der Mutation und desWahnsinns,<br />

der dasChaos in all<br />

seinem Ruhm zeigt».<br />

Originellster Artikel?<br />

Bericht ausdem «White<br />

Dwarf»-Hobbyraum:<br />

«Manchmalbrauchtman einfach<br />

einegrosse Kanone.»<br />

Wasfreut denLeser?<br />

«Andrew hateinen Grossteil<br />

dieses Monats mitder Bemalungneuer<br />

Bausätze für<br />

seineArmee der Krieger<br />

desChaos verbracht.»<br />

Zweimal gelesen?<br />

«Zum Beispiel hatteesbestimmt<br />

maleinen Kopf;doch<br />

dieserwurde durch den Vortexeingesaugt<br />

und alsein<br />

Haufen schleimigerTentakel<br />

wieder ausgespien.» (Uääh.)<br />

Wasbleibt?<br />

«GanzGlumhofwar inzwischenein<br />

Schauplatzdes<br />

Todes.»<br />

Im Netz<br />

Anspruch<br />

Humor<br />

Spannung<br />

Gestaltung<br />

Kostbarkeitenaus Papier<br />

KleineSchuledes Islams<br />

In einfachenWortenwirdindiesemBuchder Islamerklärt.<br />

Dabeihelfeninerster Liniedie Bilder der IllustratorinAlexandra<br />

Klobouk, diedem Leserauchmal einLächeln entlocken.Soillustriert<br />

Kloboukbeispielsweise erlaubte undunerlaubte<br />

Praktikenwährend der PilgerfahrtnachMekka mit<br />

einerFliegenklatsche undeiner Fliege –dennFliegen zu tötenist<br />

erlaubt! DiebeidenislamischenAutorinnenbemühen<br />

sich,einen liberalenund frischenBlick aufden Islamzuwerfen,<br />

undsie weichenkritischenThemen –Schächten,Ehrenmorde,<br />

Fundamentalismus, Kopftuch­Debatte –nicht aus.<br />

Vorallem aber betonensie dieweltoffene Seitedes Islams,<br />

denn Forschung undLehre seienimislamischenDenkenfrei.<br />

Schliesslich heisse es schonimKoran:«Wolltihr denn nicht<br />

nachdenken?»<br />

Judith Hochstrasser<br />

LamyaKaddor,RabeyaMüller: DerIslam.<br />

FürKinderund Erwachsene.<br />

Verlag C. H. Beck,München 2012.<br />

175Seiten, Fr.31.90.ISBN978-3-406-64016-2.<br />

Die Weiterentwicklung desScherenschnitts: Wie<br />

Kirchenfenster schauensie aus,die filigranenOrnamentstrukturen<br />

aus Papier, dieder amerikanischeKünstlerEric<br />

Standley in monatelanger Feinarbeit Schichtfür Schicht<br />

aus einemPapierstapellasert.<br />

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In dieserSpaltestaunen wir<br />

jede Woche über dieVielfalt<br />

derKioskauslage.<br />

Leserservice Dieauf dieser SeiteerwähntenBücherliefern wirIhnen portofrei nach Hause.<br />

Gerne nehmen wirIhreBestellungunter der Gratis-Tel.-Nr. 0800553377entgegen.<br />

Nr.10/2013<br />

41


Rat&Tat<br />

Hören&Sehen<br />

Tv-Tippder Woche<br />

«GottesWerk<br />

undTeufels Beitrag»<br />

«Gottes Werk undTeufels Beitrag».USA 1999.Regie:Lasse Hallström.<br />

Mit TobeyMaguire, Charlize Theron undMichael Caine.<br />

Sonntag, 10.März, 22.15Uhr,SRF 2.<br />

Maine(USA) in den1930erJahren.<br />

Homer Wells verbringt seine ganze<br />

Kindheit im Waisenhaus Saint<br />

Cloud. Mit den Jahren entwickelt<br />

sich zwischen ihmund demLeiter,<br />

Doktor Wilbur Larch, eine tiefeBindung.<br />

Larch bringt ihm alles fürs<br />

Lebenbei undweiht ihnindie Geheimnisseder<br />

Medizin ein. Homer<br />

assistiert jedoch nur ungern bei<br />

den Abtreibungen, die Larch angesichts<br />

der Not der Frauen und<br />

des traurigen Schicksals der unerwünschten<br />

Kinder für gerechtfertigthält.<br />

Alssichihm daher die<br />

Gelegenheit bietet, das Waisen-<br />

haus zu verlassen, ergreift ersie<br />

undfolgt Wallyund Candy, einem<br />

jungen Paar, indie Welt hinaus.<br />

Bald freundetersichauf derApfelfarm,dieCandysElterngehört,mit<br />

einem schwarzen Erntehelfer an<br />

undbeginnteineleidenschaftliche<br />

Affäre mitCandy.Abernochwährend<br />

Homervon einerglücklichen<br />

Zukunftträumt, wird er vonseiner<br />

Vergangenheit eingeholt. Gelungene<br />

Literaturverfilmung basierend<br />

auf dem Roman «The Cider<br />

HouseRules»von John Irving.<br />

radio<br />

SAMSTAG, 9. 3.<br />

>Zwischenhalt<br />

Mitden Glockender ev.-ref. Kirche<br />

St.AntoniFR. 18.30Uhr,Radio SRF1.<br />

SONNTAG, 10.3.<br />

>Röm.-kath. Predigt<br />

MitPeter Spichtig, Dominikanerpater<br />

aus Freiburg. 9.30 Uhr,<br />

RadioSRF 2.<br />

>Ev.-ref.Predigt<br />

MitRuedi Heinzer,Pfarrer in Spiez.<br />

9.45 Uhr, RadioSRF 2.<br />

DieInhalte derSendungen<br />

«Perspektiven» und«Sakral-vokal»<br />

warenbei Redaktionsschluss<br />

noch nichtbekannt.<br />

Fernsehen<br />

FREITAG, 8. 3.<br />

>Das Kind,das Jesushiess<br />

Im Jahr 0der Christenheit kämpftedas Römische Reich um seinenMachterhalt.WelcheAuswirkungenhattendiepolitischen<br />

Wirren aufdas LebenJesuund seiner Familie? Dokumentation<br />

über eine spannungsgeladene Zeit. 12 Uhr, 3sat.<br />

>TohebasGeheimnis<br />

Indemsie ihre TöchterzuJungen machen,könnenafghanische Mütter demStigma entgehen,keine<br />

Söhnegeborenzuhaben.Für unzähligeMädchen istdaher derständigeWechsel zwischen denGeschlechternund<br />

Identitäten,das permanente –von derGesellschaftgeduldete –VersteckspielAlltag.<br />

18.25Uhr,Arte.<br />

SAMSTAG, 9. 3.<br />

>Fenster zumSonntag<br />

«Was würdemichdavonüberzeugen,dass esGotttatsächlichgibt?» DerTheologe SiegfriedZimmerstellt<br />

seinen Glaubenpermanent aufden Prüfstand–und will damitden<br />

Menschen eine Chance bieten, selbst diepositiven Überraschungen des christlichen<br />

Glaubenszuentdecken. 17.30Uhr,SRF 2.<br />

>Wortzum Sonntag<br />

MitFlorianFlohr, Kommunikationsbeauftragter derKatholischenKircheLuzern. 20 Uhr, SRF1.<br />

Foto:ZDF /Jens­Peter Behrend<br />

SONNTAG, 10.3.<br />

>SternstundeReligion<br />

Am 19.Märzwirder85Jahrealt –HansKüng, derstreitbareSchweizer Theologe.Für<br />

vieleGläubigeist er einSymboldafür,dassauchimKatholizismus Unabhängigkeit<br />

undeigeneWegemöglich sind. 10 Uhr, SRF1.<br />

DIENSTAG,12. 3.<br />

>Die Festung<br />

Flüchtlinge aus allerHerrenLändern warten in Vallorbe,ineinem dergrossen Schweizer Empfangszentrenfür<br />

Asylsuchende, aufihr weiteres Schicksal. Eine Dokumentationüberdas Lebenaneinem<br />

Ort, wo Menschen täglichmit einerAbschiebung rechnenmüssen. 21.50Uhr,3sat.<br />

42<br />

Nr.10/2013


Rat&Tat<br />

Hingehen<br />

redakTionsTipp<br />

«The Gospel accordingtothe othermary»<br />

sehensWerT<br />

Im Rahmen des«Lucerne FestivalzuOstern» (16. bis24. März)stehtam20. März um 19.30Uhr eine Schweizer<br />

Erstaufführung aufdem Programm:Das Orchester LosAngeles Philharmonic undder LosAngeles Master<br />

Choraleunter derLeitung vonGustavo Dudamel (Bild) führen dasOratorium «The Gospel Accordingto<br />

theOther Mary»(«Das Evangeliumnach deranderen Maria»)desamerikanischen KomponistenJohnAdams<br />

(* 1947)auf –ein zeitgenössisches Werk,das «den rhythmischenDrive derMinimal Musicmit derüppigen<br />

Harmonik undden weiten Melodiebögen derSpätromantikvereint»(Programmtext). Aussergewöhnlichist<br />

auch derInhalt–Adams undder Regisseur PeterSellars erzählen diePassionsgeschichte aus derSichtdes<br />

auferweckten Lazarusund seiner Schwestern MariaMagdalena undMartha.<br />

Infosund Vorverkauf unterwww.lucernefestival.choderunter Tel. 041226 44 80.<br />

DasKonzert wirdausserdem am 31.Märzauf RadioSRF 2ausgestrahlt.<br />

und ausserdem…<br />

«erdbeeren im Winter»<br />

AlsEinkaufsparadies angelegt<br />

–mit «FashionStore»,<br />

Multimedia­Abteilung<br />

undLebensmittelladen –<br />

zeigtdie neue Ausstellung<br />

des Naturmuseums<br />

Solothurn, wiegross der<br />

Handlungsspielraum der<br />

Konsumentinnen undKonsumenten<br />

fürden Klimaschutz<br />

ist. Noch biszum<br />

25.August (Montag<br />

geschlossen),Infos unter<br />

www.naturmuseum­so.ch<br />

oder unter<br />

Tel. 032622 70 21.<br />

Leuenberg-Konkordie<br />

Vorträge undGesprächeüberdie<br />

innerevangelische Ökumene–eine<br />

Leuenberg­Tagung am 16.März<br />

ab 14 Uhr zumJubiläum«40 Jahre<br />

Leuenberg­Konkordie».TagungsbeitragFr.<br />

110.–,Infos undAnmeldungunter<br />

www.leuenberg.ch<br />

oder unterTel.061 9561212.<br />

«LunaCalante»<br />

Im Vorfelddes Winzerfests vom<br />

Spätsommerwerdenam9.Märzab<br />

18 Uhr rund 3400 MeterTrockenmauern<br />

entlangder Rebberge von<br />

Thal beleuchtet.Weitere Informationenunter<br />

www.winzerfest­<br />

2013.ch.<br />

Giardina 2013<br />

Im fünfzehntenJahrihres Bestehens<br />

widmet sich dieGartenmesse<br />

Giardina(MesseZürich, 13.bis<br />

17.März) denThemen«Aktivität<br />

im Garten» und«Bodenbeläge».<br />

Infosunter www.giardina.choder<br />

unterTel.058 2065000.<br />

«Rex Gloriae»<br />

KirchlicheTradition trifft moderne<br />

Klangkonstruktionen: Mitihremneuen<br />

Werk «Rex Gloriae»<br />

sind «Die Priester» am 12.Märzin<br />

derSt.­Laurenzen­Kirche St.Gallenund<br />

am 13.Märzinder Stadtkirche<br />

Olten zu Gast. Tickets<br />

unterTel.0900325 325<br />

(Fr. 1.19/Min.).<br />

«ein-Klang»<br />

Musikvon Raselli,Mozartund<br />

vonDohnanyi–aufgeführtvon<br />

jungenMusikerinnen undMusikern.<br />

10.März, 17 Uhr,Via­Cordis­<br />

Haus St.DorotheainFlüeli­Ranft,<br />

Infosunter www.viacordis.ch<br />

oder unterTel.041 6605045.<br />

RondòVeneziano<br />

Perücken, Perlenund poppige<br />

Klassik–Rondò Veneziano gastieren<br />

am 15.MärzinBern, am<br />

16.MärzinBasel undam17. März<br />

in Zürich.Tickets unter<br />

Tel. 0900 800800 (Fr. 1.19/Min.).<br />

Johannes-Passion<br />

DasBachcollegium Zürich führt<br />

BachsJohannes­Passion als«sakrale<br />

Installation»,ergänzt vontheatralischenElementen,auf<br />

–am<br />

15.und 16.Märzum19.30 Uhrim<br />

Grossmünster Zürich.Infos undVorverkaufunter<br />

Tel. 079209 81 81.<br />

MusikimPredigerchor<br />

Kammermusikvon GeorgFriedrich<br />

Händelund Alfred Knüsel –<br />

am 13.Märzum12.15 Uhr im Predigerchor<br />

(Lesesaalder Musikabteilungder<br />

ZentralbibliothekZürich).<br />

Reservationenunter Tel.<br />

044268 31 00.<br />

Benefizkonzert fürBlinde<br />

DieMusikschuleZollikonspielt<br />

Melodien ausKlassik,Pop und<br />

Jazz –der Erlös des Abends<br />

kommtdem Blindenwohnheim<br />

Mühlehalde in Zürichzugute.<br />

15.März, 18.30Uhr,Gemeindesaal<br />

Zollikon. Tickets unter<br />

Tel. 0900 325325 (Fr. 1.19/Min.).<br />

«alexandre Joly /<br />

Robert Müller»<br />

Dialogewie Natur vs.Künstlichkeit<br />

oder Stille vs.Klang<br />

stehen im Zentrumder<br />

Arbeiten des GenfersAlexandre<br />

Joly (* 1977). Seine<br />

Werkesindnochbis zum<br />

5. MaiimKunsthaus Langenthal<br />

zu sehen–zusammen<br />

mitPlastiken vonRobert<br />

Müller (1920–2003).<br />

Montag undDienstag<br />

geschlossen, Infosunter<br />

www.kunsthauslangenthal.ch<br />

oder unter<br />

Tel. 062922 60 55.<br />

Nr.10/2013<br />

43


litera-tour<br />

Hugo Marti:<br />

EinJahresring 4/21<br />

Foto:Keystone<br />

In derletzten Folge: Rolf undder «Spielmann»Jenssitzenimmer<br />

noch im Lehrerhaus<br />

zusammen. Jens redet Rolf ins Gewissen<br />

–erkönne Dagny nicht von sich<br />

fernhalten, da er ja mitihr verlobtsei,sie<br />

habe nun«alle Rechte». Doch alsJensdas<br />

Verlobtseingar miteiner Fessel vergleicht,<br />

wird Rolf wütend undwirftJensvor,sein<br />

Geigenspiel lasse den Mädchen «die Beine<br />

beim Tanzen einschlafen».<br />

Mehr vonHugoMarti<br />

«Ein Jahresring»ist gedruckt<br />

greifbar im 583­seitigen Hugo­<br />

Marti­Lesebuch«DieTagesind<br />

mirwie ein Traum»,Reprinted<br />

by HuberNr. 20.Esenthältalle<br />

Prosatexte des Autors undeine<br />

Marti­Biografievon Charles<br />

Linsmayer.<br />

Leserinnenund Leser dieser Zeitschrifterhalten<br />

dasBuchzum<br />

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und Verpackung)statt<br />

Fr.48.–; Bestellungen nehmen<br />

wirgernunter derGratisnummer<br />

0800 55 33 77 entgegen.<br />

Rolf geht an dem Alten vorbei zum<br />

Fenster. Erlässt ihn dastehen, verwirrt,<br />

zerschmettert, vernichtet. Erdreht sich<br />

nichtum, wieihm Jens bittend, flehend<br />

dieHände hinhält: «Sehen Sieher,sehen<br />

Sieauf dieseFinger, Herr Kandidat.Können<br />

solche Hände noch Geige spielen?<br />

SehenSie dieseRisse vonder Kälteund<br />

von den Holzsplittern, mit dem harten<br />

Schmutz darinnen? Fühlen Sie, wie<br />

steif.»Erhältihm dieHände eine Weile<br />

hin, dann wendet er sich langsam weg,<br />

hebt beider Türe dieSägeauf,fasst nach<br />

derKlinke. «Ja, ichstehe da draussen im<br />

Schuppen,und es schneit, undwennich<br />

nicht sägen und sägen würde, was die<br />

Kräftehergeben, so würdeich erfrieren.<br />

Ich habe keine Handschuhe, Herr Kandidat.»<br />

Rolfkommtlangsamaufihnzu.«Ja,ich<br />

meinejanicht –eswar nichtsogemeint,<br />

Jens.» Doch nochmals bleibt er stehen,<br />

heftiger inder Stimme: «Aber warum<br />

gehstdudaherum undhältstgrosseReden<br />

voll –vollVerachtungfür unsandere?<br />

All dein Künstlertum, was ist das<br />

denn?»<br />

DeralteMannsieht ihnfurchtlos und<br />

treuherzig an.Ersagtganzeinfach:«Nur<br />

derWimpel, Herr Kandidat,nur derfarbige<br />

Fetzen am geborstenen Mast. Die<br />

Ladung istversunken,ich weiss. Tausende<br />

von Dampfschiffen fahren breit und<br />

sicher daher, miteinem undzweiSchornsteinen;<br />

aber hohe Masten und farbige<br />

Wimpel zuoberst, das ist aus der Mode<br />

gekommen,das istnur noch ganz selten,<br />

ichweiss.Wenneinmalsoein gutgepanzerter<br />

Schiffsrumpf, soein grossartiger<br />

Dampfbootsbauch auf den treibenden<br />

Mastbaum fährt, da knickt er in Splitter<br />

auseinander, denn erist morsch geworden,<br />

solange hat erauf den Wellen herumgetrieben.<br />

Ichweiss,ich weiss.»<br />

Seine Hand zuckt von der Türklinke<br />

weg. DieTürewirdvon aussen geöffnet,<br />

heftig und doch angstvoll. In der Kälte,<br />

die schwallbreit hereinströmt, steht ein<br />

Frauenwesen inPelzmantel und Pelzmütze,<br />

steht Dagny. Sie hält die Tür in<br />

der Hand, schaut auf den alten Jens,<br />

schaut auf Rolf, der näher beim Lichte<br />

steht. Ihre Augen sind wie Vögel, wenn<br />

die Wellen hochgehen und die Winde<br />

zwischendenKlippendesFjordshinund<br />

herjagen:Sie sind ruhelos, aber sicher.<br />

Da klemmt deralteJensseine Säge festerunter<br />

den Armund verbeugt sich tief<br />

vorDagny.InzweiSchritten isteranihr<br />

vorbei und hat die Türe hinter sich ins<br />

Schlossgezogen.<br />

Dagnys Arme fallen am Körper herunter.<br />

IhrKopfsinkt langsamnachvorne.<br />

Rolf tut einen Schritt gegen sie hin,<br />

bleibt wieder stehen.«Du kommst also –.<br />

Du bist also doch gekommen.»<br />

Sieantwortetnicht.Erlegtseinenrechten<br />

ArmumihreSchultern undküsst sie<br />

auf die Stirne, die kalt ist wie der frühe<br />

Winterabend. Siewendetsichleichtvon<br />

ihm weg, nun weint sie leise, und plötzlich<br />

wirft sie sich ihm an die Brust, die<br />

Händevor sich gefaltet undden Kopf gesenkt.<br />

IhrMundstammelt: «Ich wusste<br />

ja –ich wusste esja so gut–.» SeineArme<br />

müssen siehalten;seine Finger streichen<br />

über ihr Gesicht. Ersieht von ihr weg<br />

und murmelt: «Willst du nicht versuchen,ein<br />

wenigruhiger zu sein?Dagny,<br />

weinedochnicht.»<br />

Sieweint nichtmehr. Sielächelt,wie sie<br />

den Kopf hebt: «Ich wusste ja, dass du<br />

mich nicht wegweisen würdest.» Sie<br />

sieht ihn von der Seite her an. «Du verzeihst<br />

mir, Rolf? Sieh, duwolltest nicht<br />

zu mirkommen–dakam ichzudir.»<br />

Rolf löst seinen Arm von ihr, lässt sie<br />

stehen undgehtzum Fenster.Sie schaut<br />

ihmnach, folgtihm,ergreiftseineschlaff<br />

herabhängendeHand.<br />

«Rolf, ichkam zu dir–.Duhastesnicht<br />

leicht mitmir,ich weisseswohl. HabGeduld.»<br />

Rolf schweigt; er lässt ihr die<br />

Hand. Sie senkt wieder den Kopf, und<br />

44<br />

Nr.10/2013


ihre Schultern zucken. Langsam öffnet<br />

sieden Mantel.<br />

Da wendet sich Rolfihr zu undhilftihr<br />

ausdem Pelz.«Willst du –gib auch deine<br />

Mütze.» Sie neigt den Kopf vor ihm,<br />

er streift die Mütze von ihren Haaren,<br />

legt siezum Mantel aufs Sofa undbleibt<br />

beim Tische stehen.<br />

Dagny nähert sich ihm langsam, unsicher<br />

lächelnd,und wiesie vorihm steht,<br />

beugt sie spielend ihren Kopf auf seine<br />

Schulter herab. «Esist so stillinunserm<br />

grossen, grauen Haus. Ich kenne jedes<br />

Geräusch, jede Diele, die knarrt, jedes<br />

Fenster,das im Winderüttelt.Bei dir, in<br />

deiner Stube, istnochsovielesfremd für<br />

mich. Ich bin gerne hier. Welch guten<br />

Gedanken du hattest, mir zuschreiben,<br />

du wollestnicht zu mirkommen. Ichlas<br />

zwischenden Zeilen.» Sielacht in seine<br />

Schulter hinein, die er unwillig emporreisst.«Bist<br />

du nichtfroh, Liebster,dass<br />

ichzwischenden Zeilen las?»<br />

Rolf spricht über sie hinweg, in die<br />

Dunkelheit hinaus: «Stand wirklich<br />

das–das zwischenden Zeilen?Ich hätte<br />

etwas anderes herausgelesen. Jeder<br />

Mensch –nein, aber manche Frau,manches<br />

Mädchen hätte sicher etwas ganz<br />

andereszwischenden Zeilen gefunden.»<br />

NunbegegnensichihreAugen;sie sind<br />

ganz nahe.Dagny hatblankeAugen,die<br />

nichts verraten.Rolfzieht dieBrauenzusammen.«Standdennnicht<br />

indem Brief,<br />

dass ich dich heute nicht zusehen wünsche,nicht<br />

sehenkönne –nicht wolle?»<br />

Aus dem kurzen Schweigen hebt sich<br />

Dagnys Stimme demütig: «Nein. Es<br />

stand darin, dumüssest arbeiten und<br />

fändest keine Zeit, zumir zu kommen.<br />

Hier –.»IhreHandgreift nachdem Mantel;<br />

einBlatt Papier knittert.<br />

Rolfhältsie am Arme fest.«Ja,aber–.»<br />

Dagny fährt rasch weiter, und Tränen<br />

treten ihrindie Augen: «Ich dachte mir,<br />

ich wolle gehen, zu dir gehen und dich<br />

mitten in der Arbeit überraschen, dich<br />

vielleicht herausreissen, stören,jastören<br />

–und daswar wohl nichtrecht gedacht–,<br />

oder doch still indeiner Stube sitzen,<br />

währendduarbeitest,zugegen sein,nur<br />

da sein undmanchmalauf dich schauen.<br />

Ich –ich ahnte doch nicht, dass ich so<br />

unwillkommen sein würde. Ich ahnte<br />

doch nicht,dass –dassdumichgarnicht<br />

brauchen könntest,nicht einmal meine<br />

Anwesenheitertragenkönntest, dass ich<br />

dirzur Last fiele.»<br />

«Duhastgar nichtgearbeitet,<br />

ichweiss es, Rolf.Esist garnicht so,<br />

dass du arbeiten wolltest»<br />

Nun zieht Rolf ihr feuchtes Gesicht<br />

näherzusich: «Abernein, Dagny, es ist<br />

ja –duirrst –.»<br />

Doch sie entwindet sich seinen Händen:«Nein,ich<br />

irre mich nicht. Nein,ich<br />

gehe nun.Arbeite,arbeiteweiter.Ichwill<br />

ja nichtstören.»Schon greiftihreHand<br />

nachdem Mantel.<br />

Rolfsagtgereizt:«Stören–!Als ob deine<br />

leibliche Anwesenheit mich stören<br />

würde. Es istdochganzetwas anderes.»<br />

Sieblicktrasch auf. «Ganzetwas anderes–sagst<br />

du nun? Aber im Briefe –?»<br />

Er zischt:«Zwischenden Zeilen –?»<br />

Sie wirft den Mantel wieder hin. «Du<br />

hast gar nicht gearbeitet, ich weiss es,<br />

Rolf. Es istgar nichtso, dass du arbeiten<br />

wolltest.»<br />

«Doch, es istso.»<br />

«Jedenfalls, du tatest es nicht.»<br />

Er lachtbitter: «Nein!»<br />

«Nein. Du sassest und schwatztest mit<br />

dem alten Jens. Ummit diesem Narren,<br />

diesem –diesemJensschwatzen zu können,<br />

schriebstdumirden Brief?Deshalb<br />

konntest du nichtkommen. KeineZeit!<br />

Arbeiten!Gottweiss,was ihreuchzusagen<br />

hattet, dass du deshalb mich nicht<br />

besuchen –mich nicht einmal hier dulden<br />

kannst.»<br />

Rolfsagtruhig:«Esistauchnichtgenau<br />

so. Jens blieb hier –ich behielt ihn hier,<br />

weil ich nicht arbeitete. Aber arbeiten<br />

wollte ich. Wollte ich–hörst du?Als ich<br />

sah, dass nichts daraus werden würde,<br />

bat ich ihn, hierzubleiben und mir Gesellschaftzuleisten.Sowar<br />

es.»<br />

Hohn flackert in Dagnys Stimme.<br />

«Mich zubitten –mir zu erlauben, dir<br />

Gesellschaft zuleisten, daran dachtest<br />

du nicht.» Nach einer Weile: «Arbeiten,<br />

sagst du.» Sie geht zum Tisch. «Hier liegenBücher.<br />

DeineArbeit,davonerzählst<br />

du mir nie. Ich weiss gar nichts davon.<br />

Wo istsie?Hier?»<br />

Sie reisst die Schieblade hervor; ihre<br />

Finger beginneninden Papieren zu kramen.<br />

Rolfsteht plötzlichneben ihr, hält<br />

eisern fest ihr Handgelenk, dass sie aufschreit.<br />

Er sagt nur: «Lass das. Lass meine Arbeit<br />

in Frieden.»<br />

Dagny sieht ihn gross an, weicht zurück,setztsich<br />

aufs Sofa.IhreStimmeist<br />

tonlos. «In Frieden –ja. Du bittest um<br />

Frieden fürsie.» Jähaberfährtsieempor.<br />

«Hätte ich sie hier in meinen Händen,<br />

jetzt zwischen meinen Fingern gehabt –<br />

zerrissen hätteich sie. Du weisst es wohl.<br />

Ichkenne sienicht,ich soll sienicht kennen.<br />

Nichts lieferst du miraus.» Wieder<br />

dämpftsichihreStimme. «Erinnerst du<br />

dichdaran, alswirinderStadt waren, im<br />

Theater?Einmal, eineinzigesMalwaren<br />

wirdort.»<br />

«Du wolltest kein zweites Mal hingehen.»<br />

«Nein, nichtdas.Erinnerst du dich?»<br />

Rolfs Antwortzögert. «Ja.»<br />

«Vor uns, links vor dir sass ein Mädchen.Erinnerst<br />

du dich?»<br />

«Ja.»<br />

«Dukanntestsie,ihrgrüssteteuch,aber<br />

du wolltest sie mir nicht vorstellen. Du<br />

sprachst nicht von ihr. Du schwiegst<br />

blosslange.Erinnerstdu dichanalldas?»<br />

«Ja, aber daswar doch –.»<br />

Dagnyschlägt mitder flachen,runden<br />

Hand leicht auf den Tisch. «Nein, so<br />

wares.»<br />

Eine Weilesteht Rolfnochda, siehtin<br />

ihr fragendes Gesicht, in ihre blanken<br />

Augen, aufdiese heischendeHand,dann<br />

wendet er sich weg, geht in die Dunkelheit.Esbleibtstill.<br />

Fortsetzungfolgt …<br />

Nr.10/2013<br />

45


Ausblick<br />

Foto:Marlene vonArx<br />

Lieber<br />

Stefan<br />

An dieser Stelle diskutieren<br />

der reformierte PfarrerLukas<br />

Mettleraus Neuhausen<br />

am Rheinfall (links)und der<br />

katholische Altersheimseelsorger<br />

Stefan O. Hochstrasser<br />

ausEmmenbrücke<br />

über Gott,ihren Alltag in<br />

der Seelsorge undüber das<br />

Geschehen in dieser Welt.<br />

Im nächsten Heftfinden Sie<br />

folgende Themen:<br />

46<br />

Charisma undGeld<br />

Hierzulande werden siemit Skepsis betrachtet,<br />

in den USAgehören siezum religiösenLeben:<br />

voncharismatischenPfarrern geleiteteunabhängige<br />

evangelikale Grosskirchen mitTausenden<br />

vonGottesdienstbesuchern und Zehntausenden<br />

vonFernsehzuschauern.Vor zwei Jahren machte<br />

einevon ihnenKonkurs.Ist dieZeitder amerikanischenMegakirchen<br />

abgelaufen?<br />

• Reichtumbedeutetfür siesoziale Verantwortung:Ellen Ringier, dieGattin<br />

vonVerleger MichaelRingier,im«Interviewdes Monats».<br />

• EinAltersheimhinterGittern:ImZentralgefängnisLenzburg<br />

gibt es dieersteAbteilung fürSenioren.<br />

• Eule oderLerche? Wie leichtoderschwer uns<br />

dasAufwachen fällt, hängtvon den Genenab.<br />

Nr.10/2013<br />

DenFrühlingerlebeich,wennich einenSchritt<br />

vormeine Haustürsetze.Daliegt noch Schnee von<br />

gestern. Allesscheint kahl undabgestorben.Wenn<br />

ichaberumdie Ecke schaue,entdecke ichauf der<br />

SonnenseiteSchneeglöckchen unddie ersten Spitzen<br />

vonOsterglocken.<br />

Genausoerlebeich Kirche in unsererGemeinde.<br />

Sie istalles andere alsinvollerBlüte.Auf den ersten<br />

Blick istdanicht viel vonAufbruch zu sehen. Aber<br />

beim genauenHinblicken sind da ganz vielekleine<br />

Blütenzuentdecken. Da istzum Beispiel jemand,<br />

derseitWochenSonntag fürSonntag jemanden<br />

im Rollstuhlzum Gottesdienst begleitetund diesem<br />

Menschen somit eine grosse Freudebereitet. Da ist<br />

dieältere Frau,die sonstfür sichlebtund plötzlich<br />

in einerRunde davonerzählt,wie sieimletzten Jahr<br />

durch einGebet vonihrer schweren Krankheit geheiltworden<br />

ist. Da istdie junge Frau,die in ihrer<br />

Freizeit regelmässigKrankenbesuchemacht.ZudiesenFrühlingsbotengehörtauchdie<br />

wunderbareZusammenarbeit<br />

mit derkatholischenKirchevor Ort.<br />

Überall,woMenschenaufwachen undimSinne<br />

desAuferstandenen wirken,wächstLeben,wird<br />

Frühlingspürbar, wenn auch oft erst unscheinbar.<br />

Istder FrühlinginEurer Pfarreischon weiter<br />

fortgeschritten?<br />

Herzlich grüsst Dich Lukas<br />

Impressum<br />

«Doppelpunkt»<br />

DasevangelischeWochenmagazin<br />

88.Jahrgang<br />

www.doppelpunkt.ch<br />

Herausgeberin: CATMedien AG,<br />

Neuenhoferstrasse101,5401Baden<br />

Tel. 056203 22 00<br />

Fax056 2032299<br />

www.catmedien.ch<br />

Verleger: Anton Wagner<br />

Geschäftsleiter: Fabian Egger<br />

Redaktionsleiter: RuediHaenni (rh)<br />

Chefredaktorin: MarianneWeymann<br />

(mw)<br />

Redaktion: Regina Müller (mü),<br />

Gabrielle Boller (gb),SabineSchaller<br />

(ssf), RolandErne (rer), Andreas<br />

Nentwich (an),Thomas Schnelling<br />

(ts),JudithHochstrasser(jho)<br />

E-Mail:<br />

redaktion@doppelpunkt.ch<br />

Regelmässige Mitarbeiter/-innen:<br />

Christina Ausder Au,Michael<br />

Bangert, Christoph Peter Baumann,<br />

Dorothee Bertschmann,Veronica<br />

Bonilla,Christian Bühler,Werner<br />

Catrina,DorotheeDegen­Zimmermann,RenataEgli­Gerber,<br />

Ludwig<br />

Hesse, StefanHochstrasser, Christoph<br />

Hürlimann, JosefImbach, Pressebüro<br />

Kohlenberg,Käthi La Roche, Marius<br />

Leutenegger, Reinhold Meier,Lukas<br />

Mettler, VreniMühlemann,Christiane<br />

Schittny,Simea Schwab,Pressebüro<br />

Seegrund, Christoph Sigrist, Lukas<br />

Spinner,MarianneVogel Kopp,Anna<br />

Wegelin,MatthiasZeindler,Hedi<br />

Zogg,MetaZweifel<br />

Fotoagentur: Keystone<br />

Korrektorat: Kathrin Freund<br />

DTP/Grafik: Sabine Schumann<br />

Druck: AVDGoldach<br />

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5401Baden,Tel.056 2032400,<br />

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haftet derVerlag nicht.<br />

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gestattet.Für unverlangteingeschickte<br />

Manuskripte, Fotosund<br />

IllustrationenkeineGewähr.<br />

ISSN 1013­3704


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Frühling 1: 07.04.–11.04. 3: 21.04.–25.04. 5: 08.05.–12.05. Mi-So<br />

2: 14.04.–18.04. 4: 28.04.–02.05. 6: 12.05.–16.05.<br />

Herbst 7: 15.09.–19.09. 9: 29.09.–03.10. 11: 13.10.–17.10.<br />

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1. Tag: Schweiz–Forte dei Marmi.<br />

2. Tag: Mit der Bahn erreichen wir die malerischen Dörfer der Cinque Terreund<br />

spazieren entlang der «Via dell’Amore» vonManarola nach Riomaggiore.<br />

3. Tag: FakultativeFahrt in die weltbekannten Marmorsteinbrüche vonCarrara.<br />

Besichtigung und Speckverkostung. Am Nachmittag Besichtigung der mittelalterlichen<br />

Stadt Sarzana.<br />

4. Tag: Heute erwarten uns die vonWallanlagen umgebene Stadt Lucca und der<br />

SchiefeTurm in Pisa.<br />

5. Tag: Forte dei Marmi–Schweiz.<br />

ProPerson in Fr. Katalog-Preis Sofort-Preis<br />

5Tage inklusiveHalbpension 585.– 525.–<br />

Reduktion Reise 1und 9 –30.–<br />

Reisedaten Sonntag–Donnerstag<br />

Frühling 1: 07.04.–11.04. 3: 21.04.–25.04. 5: 12.05.–16.05.<br />

2: 14.04.–18.04. 4: 28.04.–02.05.<br />

Herbst 6: 15.09.–19.09. 8: 29.09.–03.10. Internet<br />

7: 22.09.–26.09. 9: 06.10.–10.10. Buchungscode: hcinq<br />

■ Traumhafte Amalfiküste<br />

■ 4Übernachtungen auf der Sorrentinischen Halbinsel<br />

■ Fakultativ: Tagesausflug auf die Insel Capri<br />

Ihr Reiseprogramm<br />

Italienische Klassiker<br />

1. Tag: Schweiz –Perugia.<br />

2. Tag: Besuch des Wallfahrtsort Assisi und der mittelalterlichen Stadt Perugia.<br />

3. Tag: Weiterreise nach Neapel. Stadtbesichtigung, Abends Ankunft an der Amalfiküste.<br />

4. Tag: Fakultativer Ausflug mit dem Schiff auf die weltberühmte Insel Capri.<br />

5. Tag: Tagesausflug entlang der Amalfiküste mit Besuch vonSorrento und Amalfi.<br />

6. Tag: Besichtigung der Stadtruine Pompeij und Fahrt zum Vulkan Vesuv.<br />

7. Tag: Individueller Aufenthalt im Kloster Montecassino, am Abend erreichen wir<br />

Chianciano Terme.<br />

8. Tag: Chianciano Terme–Schweiz.<br />

ProPerson in Fr. Katalog-Preis Sofort-Preis<br />

8Tage inklusiveHalbpension 940.– 845.–<br />

Reduktion Reise 9 –50.–<br />

Reisedaten Samstag–Samstag<br />

Frühling 1: 13.04.–20.04. 3: 04.05.–11.05.<br />

2: 27.04.–04.05. 4: 11.05.–18.05.<br />

Herbst 5: 07.09.–14.09. 7: 21.09.–28.09. 9: 05.10.–12.10.<br />

6: 14.09.–21.09. 8: 28.09.–05.10.<br />

Côte d’Azur &Blumenriviera<br />

■ Gutes Mittelklasshotel Torino, Diano Marina<br />

■ Côte d’Azur mit Nizza und Cannes<br />

■ Fakultativ: Genua, Portofino und Sta. Margherita<br />

RABATT-TAGE<br />

Do 21.–Sa 23.März2013,09:30–16 Uhr<br />

Twerenbold-Ferienmesse<br />

Dieses Jahr wieder in unserem neuen<br />

Reiseterminal in Baden-Rütihof<br />

Profitieren Sie von:<br />

■ Sonderangeboten<br />

■ Länderpräsentationen<br />

■ Unterhaltungsprogramm<br />

■ Gratis-Bus zurMesse*<br />

■ Gratis-Mittagessen<br />

beiBuchung einer Reise<br />

*onlinebuchenunter www.twerenbold.ch<br />

795.–<br />

Internet Buchungscode: hamal<br />

545.–<br />

5Tage<br />

ab Fr.<br />

Ihr Reiseprogramm<br />

1. Tag: Schweiz–Aosta–Diano Marina.<br />

2. Tag: Fakultativer Ausflug Seefahrerstadt Genua mit edlen Prachtstrassen und prunkvollen<br />

Palästen. Nachmittags Bootsfahrt ab Sta. Margherita zum romantischen<br />

Portofino mit individuellem Aufenthalt.<br />

3. Tag: Panoramafahrt entlang den berühmten Corniches ins Fürstentum Monaco<br />

mit Besuch der Altstadt und des sehenswerten Botanischen Gartens.<br />

4. Tag: Das quirlige Nizza mit verwinkelter Altstadt und das mondäne Cannes prägen<br />

den heutigen Tag.<br />

5. Tag: Diano Marina–Schweiz.<br />

ProPerson in Fr. Katalog-Preis Sofort-Preis<br />

5Tage inklusiveHalbpension 635.– 575.–<br />

Reduktion Reise 1–2, 8–9 –30.–<br />

Reisedaten Sonntag–Donnerstag<br />

Frühling 1: 24.03.–28.03. 2: 14.04.–18.04. 3: 28.04.–02.05.<br />

4: 05.05.–09.05. 5: 19.05.–23.05.<br />

Herbst 6: 15.09.–19.09. 7: 22.09.–26.09. 8: 29.09.–03.10.<br />

9: 13.10.–17.10. Internet Buchungscode: hcote<br />

Reisekomfort<br />

■ Busreise mit modernem Komfortklasse-Bus<br />

Abfahrtsorte Burgdorf,Basel, Aarau, Baden-Rütihof ,Zürich-Flughafen ,<br />

Winterthur,Wil ,Arth-Goldau (nur Reisen Cinque Terreund Amalfi)<br />

Nicht inbegriffen<br />

Zuschläge für Einzelzimmer,FakultativeAusflüge, Annullationsschutz<br />

Auftragspauschale Fr.20.– proPerson. Entfällt bei Buchung über www.twerenbold.ch<br />

Verlangen Sie das Detailprogramm!<br />

■ SOFORT-PREISE ca. 50 %der Sitzebuchbar bis max. 1Monat vorAbreise<br />

■ Bei starker Nachfrage:Verkauf zum KATALOG-PREIS.<br />

Jetzt buchen: 056 484 8484oder www.twerenbold.ch<br />

Twerenbold Reisen AG ·ImSteiacher 1·5406 Baden

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