Tumult - digitalakrobaten.de
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<strong>de</strong>m viel Zeit, um seine Verwandlungsfähigkeit und<br />
Durchdringungskraft rund um <strong>de</strong>n Globus zu vervollkommnen<br />
und schließlich auch die Zukunft zu<br />
bewirtschaften (siehe hierzu die Beiträge von Wilhelm<br />
Donner und Michael Zeller). Doch die Eitelkeit<br />
<strong>de</strong>r Selbstherrlichen verlangt es, dieses Kapital als<br />
handzahmes Zahlungsmittel zu <strong>de</strong>nken, und »so sollen<br />
die Bänker und Spekulanten unser Unglück<br />
sein«. Beziehungsweise <strong>de</strong>ren Gier. Höchste Zeit also,<br />
dass Jens Schröter »Spekulationen über das Medium<br />
Geld« anstellt. Er tut es unter Bezug auf neomarxianische<br />
Analysen <strong>de</strong>r Krisis-Gruppe um <strong>de</strong>n kürzlich<br />
verstorbenen Robert Kurz (siehe auch <strong>de</strong>n Artikel<br />
von Stefan Dornuf). Und er tut es als Medienwissenschaftler,<br />
<strong>de</strong>r reiche Erfahrung mit <strong>de</strong>r Autopoiesis<br />
von Medien – zumal <strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Computers – gesammelt<br />
hat.<br />
Unangefochtene E<strong>de</strong>lmutspolitik, Geo-Engineering,<br />
Finanzmärkte und Internet drängen die Vorstellung<br />
auf, wir hätten es ausschließlich mit globalen<br />
Problemen zu tun, <strong>de</strong>ren einvernehmliche Klärung<br />
nach universellen Prinzipien anzustreben sei. Einund<br />
Ausgrenzen<strong>de</strong>s, Räume gar, die nicht gänzlich<br />
Verhan<strong>de</strong>lbares von an<strong>de</strong>ren Räumen trennt – solche<br />
Wi<strong>de</strong>rborstigkeiten zu betrachten, scheint nur noch<br />
zu Erziehungszwecken geboten zu sein. Rudolf<br />
Maresch hat in <strong>de</strong>r Welt nachgesehen und gelangt zu<br />
<strong>de</strong>m Fazit, dass we<strong>de</strong>r materielle (wie Welthan<strong>de</strong>l<br />
und Weltverkehr) noch i<strong>de</strong>elle Konzeptionen (wie<br />
universalistische Werte) es vermochten, geopolitischen<br />
Grenzziehungen aufzulösen. Im Gegenteil, gera<strong>de</strong><br />
die Globalisierung garantiert, dass politisch auftreten<strong>de</strong><br />
Mächte weiterhin und vielleicht heftiger<br />
<strong>de</strong>nn je um Räume und Territorien kämpfen, um<br />
Rohstoffe und Ressourcen, um Zufahrtswege und<br />
Meerengen, um Einflusszonen und Kontrolle <strong>de</strong>r<br />
digitalen Infrastrukturen.<br />
Mit geläufigen Annahmen zu verwandten Fragen<br />
befassen sich Thomas Hecken (Interventionspolitik<br />
für die Menschenrechte), Parviz Amoghli (Antiamerikanismus),<br />
Oliver Kohns (Nationalcharaktere),<br />
Helmut Kohlenberger (Orientierung in <strong>de</strong>r Orientierungslosigkeit)<br />
und Ralf Rother (Paradigma <strong>de</strong>s<br />
Lagers bei Giorgio Agamben). Alexan<strong>de</strong>r Schuller<br />
hält Ausschau nach <strong>de</strong>m Volk – sollte nicht alle<br />
Macht von ihm ausgehen? Wolfgang Ernst erinnern<br />
die Lichtsignale aus <strong>de</strong>m (Glas-)Palast <strong>de</strong>r Republik<br />
in Berlin an <strong>de</strong>n Co<strong>de</strong> <strong>de</strong>r DDR.<br />
Das Abwan<strong>de</strong>rn von Lebenszeit aus <strong>de</strong>r raumzeitlich<br />
verfassten Welt ins Internet wird ein Dauerthema<br />
<strong>de</strong>r Vierteljahreszeitschrift sein. Wir versprechen,<br />
<strong>de</strong>n Kulturpessimismus zu zügeln und <strong>de</strong>r<br />
Empirie <strong>de</strong>n Vortritt zu lassen. Erste Erfahrungsberichte<br />
dazu bieten Carsten Hucho (zeitökonomisch),<br />
Frank Jödicke (historisch-vergleichend) und<br />
Steffen Langenhan (existenzieller Monolog).<br />
Im Übrigen enthält die erste Lieferung <strong>de</strong>s periodischen<br />
TUMULTs einige Gedanken-Sprünge, die<br />
sich keinem Themenstrang zuordnen lassen. Jeweils<br />
auf unerwartete Weise führen sie vor, was es heißt,<br />
<strong>de</strong>n Konsensblock <strong>de</strong>r großen Medien, Parteiungen<br />
und Gesinnungen mit frem<strong>de</strong>m Blick zu betrachten.<br />
Petra Gehring etwa fin<strong>de</strong>t Worte dafür, was bei <strong>de</strong>r<br />
pompösen Inszenierung <strong>de</strong>r Paralympischen Spiele<br />
zwar augenfällig war, aber bislang nicht artikuliert<br />
wor<strong>de</strong>n ist. Angela von Rah<strong>de</strong>n stellt sich <strong>de</strong>m Trostlosen,<br />
<strong>de</strong>m Untröstlichen an <strong>de</strong>r Optimierungs-<br />
Show <strong>de</strong>s gestürzten AlphaTiers Lance Armstrong.<br />
Sebastian Hennig benennt furchtlos die Geister hinter<br />
An<strong>de</strong>rs Behring Breiviks Tat. Und Christina Schües<br />
besucht das Unausgesprochene im Appell zum<br />
Organspen<strong>de</strong>n.<br />
Gemeinsam jedoch ist diesen Erkundungen in <strong>de</strong>r<br />
Sphäre <strong>de</strong>s Einvernehmlichen <strong>de</strong>r unruhige, umherschweifen<strong>de</strong><br />
Blick. Müssten wir Farbe bekennen, so<br />
bezeichnete er die bevorzugte Haltung dieser Vierteljahreszeitschrift.<br />
Wür<strong>de</strong>n wir sie aber programmatisch<br />
verkün<strong>de</strong>n, machten wir es uns schon im<br />
Dabeisein gemütlich und suchten »nachhaltiges«<br />
Verständnis. Sollte es jemals so weit kommen, hören<br />
wir auf – und an<strong>de</strong>re lösen uns mit an<strong>de</strong>ren Mitteln<br />
ab.<br />
EDITORIAL [ 7 ] TUMULT IM FRÜHJAHR 2013