Faszination Tierwelt: Greifvögel
Faszination Tierwelt: Greifvögel
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24 WILDBIOLOGIE<br />
Vorarlberger Jagd<br />
<strong>Faszination</strong> <strong>Tierwelt</strong>: <strong>Greifvögel</strong><br />
Weltweit werden 305<br />
– 312 noch lebende<br />
Greifvogelarten unterschieden,<br />
die sich als sehr heterogene<br />
Vogelgruppe darstellen.<br />
Die kleinste Greifvogelart<br />
der Welt ist das Finkenfälkchen<br />
mit einer Gesamtlänge<br />
von 14-17 cm, einer Flügelspannweite<br />
von 30-34 cm<br />
und einem Körpergewicht<br />
von gerade mal 28 bis 55<br />
Gramm. Im Gegensatz dazu<br />
hat der Andenkondor, die<br />
größte Greifvogelart der<br />
Welt, eine Gesamtlänge von<br />
bis zu 130 cm, eine Flügelspannweite<br />
von bis zu 320<br />
cm und ein Gewicht von bis<br />
zu 15 Kilogramm.<br />
Auch in den Lebensformen<br />
der <strong>Greifvögel</strong> gibt es starke<br />
Gegensätze. Bezüglich der<br />
Ernährung beispielsweise<br />
ist der afrikanische Palmgeier<br />
ein extremer Sonderling,<br />
denn er frisst hauptsächlich<br />
Früchte von Palmen, während<br />
der im gleichen Gebiet<br />
lebende Kronenadler sich<br />
vorwiegend von Affen und<br />
kleinen Antilopen ernährt.<br />
<br />
Um die maximale Fluggeschwindigkeit<br />
von Falken<br />
im natürlichen Sturzflug zu<br />
ermitteln, wurde von der<br />
Schweizer Vogelwarte ein<br />
Zielfolgeradar vom Typ „Superfledermaus“<br />
eingesetzt.<br />
Danach beschleunigte ein<br />
in 372 m Höhe fliegender<br />
Wanderfalke aus einer Anfangsgeschwindigkeit<br />
von 40<br />
km/h innerhalb von 16 Sekunden<br />
auf 184 km/h (Fallstrecke<br />
von 350 m, Fallwinkel<br />
von 40º).<br />
<br />
<br />
<br />
Dass Falken noch wesentlich<br />
höhere Geschwindigkeiten<br />
erreichen können, wurde bei<br />
Kunststücken mit einem zahmen<br />
Wanderfalken gemessen.<br />
Dazu sprang ein Falkner als<br />
Fallschirmflieger zusammen<br />
mit seinem Wanderfalken<br />
und einem Freifaller-Fotografen<br />
mehrfach aus einem Flugzeug<br />
in bis zu 3800 m Höhe<br />
ab. Mit völlig angelegten<br />
Flügeln und in tropfenförmiger<br />
Körperhaltung schoss der<br />
Falke mit 320 km/h Höchstgeschwindigkeit<br />
im Steilstoß<br />
herunter.<br />
<br />
Besondere Leistungen zeigen<br />
<strong>Greifvögel</strong> aber auch auf ihren<br />
alljährlichen Zugwegen<br />
über lange Strecken in den<br />
Süden und zurück. Die vermutlich<br />
längste bisher bei<br />
einem Greifvogel ermittelte<br />
einfache Zugstrecke wurde<br />
per Satelliten-Telemetrie bei<br />
einem Fischadler aus dem hohen<br />
Norden Finnlands bis ins<br />
südliche Afrika über 12.500<br />
km festgestellt.<br />
Der ebenfalls mittels Satelliten-Telemetrie<br />
vollständig<br />
aufgenommene Zugweg eines<br />
Schreiadlers betrug insgesamt<br />
20.396 km. Er konnte<br />
aus seinem Brutgebiet in der<br />
nördlichen Slowakei bis in<br />
sein Winterquartier in der<br />
<br />
<br />
<br />
-<br />
<br />
Südhälfte Afrikas, im dortigen<br />
Gebiet und schließlich<br />
zurück nach Norden an den<br />
Brutplatz verfolgt werden.<br />
Dieser Vogel verbrachte im<br />
Jahreszyklus fast ein Viertel<br />
(24%) seiner Zeit auf den<br />
Zugwegen und ein Drittel<br />
(33%) im Winterquartier.<br />
<br />
Mythen und Legenden berichten<br />
über phantastische<br />
Sehleistungen der <strong>Greifvögel</strong><br />
und es ist nicht nur sprichwörtlich<br />
geworden, dass Adler<br />
und Falken hervorragend<br />
sehen können. Dies muss<br />
auch so sein, denn sie sind in<br />
erster Linie von ihrem Sehvermögen<br />
abhängig, um erfolgreich<br />
Nahrung finden zu<br />
können.<br />
Ein Wespenbussard muss<br />
aus größerer Entfernung eine<br />
etwa zwei Zentimeter kleine<br />
Wespe vor einem Pflanzengewirr<br />
im Flug entdecken und<br />
über viele zig Meter verfolgen<br />
können. Erst dann kann er an<br />
das Wespennest und damit<br />
seine wichtigste Nahrungsquelle<br />
gelangen.
Juli / August 2012<br />
WILDBIOLOGIE 25<br />
Ein Geier kann aus mehreren<br />
hundert Metern Höhe und<br />
sehr weiter Entfernung das<br />
Verhalten eines anderen Vogels<br />
erkennen und deuten,<br />
der auf einen Kadaver zusteuert<br />
und somit den Weg<br />
auch für den Geier weist.<br />
Es sind aber nicht nur die rein<br />
optischen Leistungen, die<br />
zu einem sehr guten Sehvermögen<br />
gehören. Rüttelnde<br />
Turmfalken, deren Körper<br />
sich bei dieser Flugweise in<br />
heftiger Bewegung befindet,<br />
müssen ihren Kopf dabei<br />
ständig ruhig halten, um Beute<br />
fixieren zu können.<br />
<br />
<br />
<strong>Greifvögel</strong> haben zwei Sehschärfezentren<br />
pro Auge im<br />
Vergleich zu einem bei uns<br />
Menschen, sowie fast doppelt<br />
so viele Nervenzellen in diesen<br />
Sehschärfezentren. <strong>Greifvögel</strong><br />
können somit beinahe<br />
doppelt so scharf sehen wie<br />
Menschen.<br />
Zusätzlich haben <strong>Greifvögel</strong><br />
eine gleichmäßigere Verteilung<br />
der Sehzellen, die zur<br />
Farb- und Schärfewahrnehmung<br />
dienen, über die gesamte<br />
Retina. Dadurch ist<br />
ihr ganzes Blickfeld in allen<br />
Bereichen gleichmäßiger farbig<br />
und scharf als beim Menschen.<br />
Einen anderen Vorteil hat<br />
das Vogelauge darin, dass es<br />
sehr viel schneller und über<br />
einen weiteren Bereich als<br />
beim Menschen scharf stellen<br />
(akkomodieren) kann.<br />
Der Amerikanische Buntfalke<br />
soll von einer Sitzwarte<br />
aus noch in 275 m Entfernung<br />
eine Maus von ca. 5 cm<br />
Länge gut erkennen können.<br />
<br />
<br />
So unterschiedlich wie die<br />
Körperformen und –größen<br />
sind, so verschieden sind<br />
auch ihre Flugstile. Je nach<br />
häufigster Anforderung an<br />
die Flugtechnik haben sich<br />
bei den <strong>Greifvögel</strong>n entsprechende<br />
Flügel- und Schwanzformen<br />
herausgebildet.<br />
Bei den großen Segelfliegern<br />
wie den Seeadlern und Geiern<br />
sind die Flügel brettartig<br />
geformt.<br />
Ein optimaler Kompromiss<br />
zwischen verschiedenen<br />
Formen ist bei Flügeln und<br />
Schwanz der Bussarde verwirklicht:<br />
sowohl Segelflug<br />
in großen Höhen wie auch<br />
weite Strecken im Tiefflug.<br />
Ganz anders stellt sich die<br />
Flügelform der Falken dar,<br />
denn sie haben eher schmale<br />
und spitze Flügel, um sehr<br />
hohe Geschwindigkeiten erreichen<br />
zu können. MDB<br />
Quelle:<br />
Die <strong>Greifvögel</strong> Europas, Nordafrikas<br />
und Vorderasiens<br />
Theodor Mebs & Daniel Schmidt<br />
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BUCHTIPP<br />
Die <strong>Greifvögel</strong> Europas,<br />
Nordafrikas und Vorderasiens.<br />
Biologie, Kennzeichen,<br />
Bestände.<br />
Theodor Mebs, Daniel<br />
Schmidt (2006)<br />
496 Seiten, 396 Farb- und 30<br />
s/w-Zeichnungen, gebunden<br />
Format: 27,8 x 20,5 cm<br />
ISBN: 978-3-440-09585-0<br />
Franckh-Kosmos Verlags<br />
GmbH & Co. KG, Stuttgart<br />
www.kosmos.de