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Kriminalprognose - Forensik-homburg.de

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<strong>Kriminalprognose</strong><br />

Prof. Dr. Wolfgang Retz<br />

Institut für Gerichtliche Psychologie und<br />

Psychiatrie<br />

Universität <strong>de</strong>s Saarlan<strong>de</strong>s – Campus Homburg<br />

1


Lernziele<br />

• Kriminalprognostische Metho<strong>de</strong>n<br />

• Empirisch gesicherte Risikofaktoren<br />

• Grenzen prognostischer Aussagen<br />

www.forensik-<strong>homburg</strong>.<strong>de</strong><br />

2


<strong>Kriminalprognose</strong><br />

<strong>Kriminalprognose</strong>n wer<strong>de</strong>n benötigt<br />

• im Strafverfahren:<br />

o<br />

o<br />

Maßregeln <strong>de</strong>r Besserung und Sicherung (§§63,64 StGB)<br />

Maßregel <strong>de</strong>r Sicherung (Sicherungsverwahrung, §66 StGB)<br />

• im Strafvollstreckungsverfahren:<br />

o<br />

o<br />

o<br />

Entlassung aus lebenslanger Haft (§57a StGB/§454 StPO)<br />

Vorzeitige bedingte Entlassung aus <strong>de</strong>m Strafvollzug bei Haftstrafe >2 Jahre<br />

(Sexual<strong>de</strong>likte und an<strong>de</strong>re „gefährliche“ Straftaten) (§57 StGB/§454 StPO)<br />

Erledigung von Maßregeln <strong>de</strong>r Besserung und/o<strong>de</strong>r Sicherung<br />

• im Therapieunterbringungsverfahren (ThUG)<br />

• im Unterbringungsverfahren nach <strong>de</strong>n<br />

Unterbringungsgesetzen <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r (RLP: PsychKG)<br />

3


<strong>Kriminalprognose</strong><br />

• Zielvorgaben<br />

o Wahrscheinlichkeit für weitere Straftaten<br />

• Kurzfristig (Lockerungsprognosen)<br />

• Langfristig (Entlassungsprognosen)<br />

o Art <strong>de</strong>r zu erwarten<strong>de</strong>n Straftaten<br />

o Opfer künftiger Straftaten<br />

o Hinweise für Maßnahmen zur Verbesserung <strong>de</strong>r Prognose<br />

4


<strong>Kriminalprognose</strong><br />

• Metho<strong>de</strong>n<br />

o<br />

o<br />

o<br />

Intuitive Prognose:<br />

Persönliche berufliche und allgemeine Lebenserfahrung<br />

Klinisch-idiographische Prognose:<br />

Umfassen<strong>de</strong>r und systematischer Rückgriff auf ärztliches und<br />

kriminologisches Erfahrungswissen<br />

Statistisch-nomothetische Prognose:<br />

Nutzung von statistischen Verfahren (Basisraten, Prognosetafeln,<br />

klinisch-aktuarische Prognoseinstrumente)<br />

5


Intuitive Prognose<br />

Beispiel:<br />

• Prognostische Beurteilung von Medizinstu<strong>de</strong>nten<br />

durch Professor <strong>de</strong>r Psychiatrie<br />

• Interview (1-4 Std.), Testbatterie<br />

• N=206, 1946 – 1949<br />

• Überprüfung <strong>de</strong>s Studienerfolges<br />

• Überprüfung <strong>de</strong>r Prognose nach 35 Jahren<br />

Aldrich 1986, Am J Psychiatry<br />

6


Intuitive Prognose<br />

(eher) gute Prognose<br />

(N=161)<br />

schlechte Prognose<br />

(N=35)<br />

Beruflicher Erfolg ? % ? %<br />

Beruflicher Misserfolg ? % ? %<br />

Aldrich 1986, Am J Psychiatry<br />

7


Intuitive Prognose<br />

(eher) gute Prognose<br />

(N=161)<br />

schlechte Prognose<br />

(N=35)<br />

Beruflicher Erfolg 115 / 71% 17 / 49%<br />

Beruflicher Misserfolg 46 / 29% 18 / 51%<br />

falsch „positiv“<br />

falsch „negativ“<br />

Aldrich 1986, Am J Psychiatry<br />

8


Verbesserung <strong>de</strong>r prognostischen<br />

Genauigkeit durch empirischen Rahmen<br />

Beispiel: Prognose bei Karzinom-Erkrankungen<br />

• Staging und Grading<br />

o<br />

o<br />

TNM-System<br />

G1 – G4<br />

• Oberflächenantigene, genetische Faktoren etc.<br />

• Präzisierung <strong>de</strong>s Prognosezeitraums<br />

o<br />

5-Jahres/10-Jahres Überlebensraten<br />

• Prognose <strong>de</strong>s Verlaufs bei unterschiedlichen<br />

Interventionen<br />

9


<strong>Kriminalprognose</strong><br />

• Empirisch gesicherte Prognosekriterien<br />

o Psychosoziale Faktoren: Bildung, Arbeit, Beziehungen<br />

o<br />

o<br />

Früher Delinquenzbeginn (kontinuierliche Entwicklung)<br />

Rezidiv<strong>de</strong>linquenz<br />

o Psychische Störungen: Suchtmittelgebrauch, Psychotische<br />

Störungen, affektive Psychosen, ADHS<br />

o Persönlichkeitsstörungen: Dissozialität, emot. Labilität, Impulsivität,<br />

psychopathische Wesenszüge<br />

o<br />

(Behandlungs-) Motivation, Verän<strong>de</strong>rungsbereitschaft<br />

o Sozialer Empfangsraum: Berufliche Integration, Wohnsituation,<br />

Umfeld (Familie, Partnerschaft),<br />

Lebensplanung<br />

o Biologische Faktoren: Geschlecht, Alter, Intelligenz<br />

Es gibt statische und dynamische Prognosefaktoren<br />

10


Standardisierte Prognoseinstrumente<br />

Instrument AUC Signifikanz (p)<br />

HCR-20 GESAMTSCORE 0.65


Probleme <strong>de</strong>r <strong>Kriminalprognose</strong><br />

• Unvollständiges Erfahrungswissen<br />

• Unvollständige Beurteilungsgrundlage<br />

• „Mittelfeldproblematik“<br />

• Ungewissheit bzw. <strong>de</strong>r Entwicklung <strong>de</strong>s situativen<br />

Bezugsfel<strong>de</strong>s<br />

• Beurteilungszeitraum<br />

• Abhängigkeit <strong>de</strong>r Vorhersagegenauigkeit von <strong>de</strong>r<br />

Häufigkeit <strong>de</strong>s Ereignisses<br />

12


<strong>Kriminalprognose</strong>n und Zeit<br />

Ereignis X<br />

Ereignis Y<br />

Begutachtung kurzfristige mittelfristige langfristige<br />

Prognose Prognose Prognose


Probleme <strong>de</strong>r <strong>Kriminalprognose</strong><br />

• Unvollständiges Erfahrungswissen<br />

• Unvollständige Beurteilungsgrundlage<br />

• „Mittelfeldproblematik“<br />

• Ungewissheit bzw. <strong>de</strong>r Entwicklung <strong>de</strong>s situativen<br />

Bezugsfel<strong>de</strong>s<br />

• Beurteilungszeitraum<br />

• Abhängigkeit <strong>de</strong>r Vorhersagegenauigkeit von <strong>de</strong>r<br />

Häufigkeit <strong>de</strong>s Ereignisses<br />

14


PPV und NPV eines Tests in Abhängigkeit von <strong>de</strong>r<br />

Prävalenz <strong>de</strong>s Ereignisses<br />

I<strong>de</strong>alfall: Sensitivität 95%, Spezifität 95%<br />

Rückfällige<br />

Straftäter korrekt<br />

erkannt<br />

Nicht rückfällige<br />

Straftäter korrekt<br />

erkannt<br />

Prävalenz


PPV und NPV eines Tests in Abhängigkeit von <strong>de</strong>r<br />

Prävalenz <strong>de</strong>s Ereignisses<br />

Sensitivität 85%, Spezifität 80%<br />

Nicht rückfällige<br />

Straftäter korrekt<br />

erkannt<br />

Rückfällige Straftäter<br />

korrekt erkannt<br />

Seltene Ereignisse lassen sich<br />

nicht zuverlässig vorhersagen<br />

Prävalenz


Zum Mitnehmen<br />

• Menschliches Verhalten lässt sich nur sehr eingeschränkt<br />

vorhersagen.<br />

• <strong>Kriminalprognose</strong>n beruhen auf <strong>de</strong>r individuellen Bewertung<br />

von empirisch ermittelten Risikofaktoren.<br />

• Der heute präferierte Ansatz ist eine Mischung aus klinischer<br />

und statistischer Metho<strong>de</strong>n.<br />

• Falsch positive Entscheidungen (Rückfall trotz positiver<br />

Prognose) lassen sich nicht vermei<strong>de</strong>n.<br />

• Das Risiko falsch negativer Prognosen (Unterbringung<br />

ungefährlicher Straftäter) ist hoch.<br />

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